KÜNStLICHE INtELLIGENZ: EINE EIGENE SPEZIES?

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KÜNSTLICHE INTELLIGENZ:
EINE EIGENE SPEZIES?
Oder: Warum auch bei Robotern der Apfel nicht weit vom Stamm fällt
Klaudia Weber, Carsten Vollrath, IMP
Seit den 1950er-Jahren beflügeln sie die Fantasien von Science-FictionFilme­machern und -Autoren. Zunächst noch logisch-denkende, emotionslose
Wesen, zeigten sie in den folgenden Jahrzehnten sogar Gefühle. Die Rede
ist von künstlicher Intelligenz in Form von Androiden1: Roboter, die uns
Menschen täuschend ähnlich sehen und sich zunehmend auch so verhalten.
Treten wir bald in die nächste Zivilisationsstufe der Gesellschaft ein, indem
wir eine neue „Spezies“ erschaffen?
Insbesondere die jüngsten Ergebnisse im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) lassen Spekula­
tionen darüber aufkommen, wohin sich Maschinen entwickeln könnten. Denn mittlerweile lernen
Roboter über die Interaktion mit anderen (Robotern) und entdecken die Welt, indem sie jede
Erfahrung in Relation zu bereits gemachten Erfahrungen setzen. Ja – sie sind inzwischen sogar
fähig, eine eigene (!) Sprache zu entwickeln. Immer mehr erinnern die „Fortschritte“ im Bereich
der künst­lichen Intelligenz an die Lernerfahrungen und Entwicklungsschritte eines menschlichen
Klein­kindes.
Wir wollten von Professor Martin Korte (TU Braunschweig, Deutschland) wissen, ob es aus
Sicht der Biologie und Hirnforschung vorstellbar ist, dass künstliche Intelligenz – sobald sie den
„Kinderschuhen“ entwachsen ist – besser denken und lernen kann als wir Menschen.
Dabei erfuhren wir, …
–dass künstliche Intelligenz nicht mit der menschlichen verglichen werden kann, auch wenn die Evolutionsgeschichte der KI der so manch anderer Spezies ähnelt,
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–warum die Meilensteine der Neurowissenschaften auch Synergieeffekte im Bereich der
künstlichen Intelligenz auslösen und
–welche Nüsse die KI-Forschung noch zu knacken hat, wenn sie das menschliche Gehirn
„kopieren“ will.
Zur Vergleichbarkeit von
Intelligenzen
IMP: Herr Prof. Korte: Wie würden Sie In­
telligenz definieren? Kann man künstliche
Intelligenz überhaupt mit der menschlichen
vergleichen?
Korte: Es gibt KEINEN Intelligenzbegriff, der
zwischen unterschiedlichen Spezies funktio­
niert! Als Biologe beobachtet man lediglich, wie
gut ein Tier in der Lage ist, die Probleme zu
lösen, die ihm in seinem spezifischen Umfeld
begegnen. Und dabei kommen unterschiedli­
che Tiere eben zu unterschiedlichen Lösungen.
Deswegen ist die Aussage, der Mensch sei das
intelligenteste Lebewesen, mit Vorsicht zu ge­
nießen. Man kann natürlich Rechengeschwin­
digkeiten als „Intelligenz-Kriterium“ heranzie­
hen. Oder wie viele Entscheidungsoptionen
ein Lebewesen in einer bestimmten Situation
hat. Hier liegt der Mensch relativ weit vorne.
Aber auch Elefanten, Schimpansen und Delfine
verfügen über Handlungsoptionen und treffen
innerhalb ihres Systems sehr kluge Entschei­
dungen!
IMP: Das heißt, man muss bei der künstlichen
Intelligenz sehr vorsichtig sein und kann keinen
direkten Vergleich mit der menschlichen Intelli­
genz anstellen – weil sich beide in unterschied­
lichen Systemen bewegen?
Korte: Richtig. Künstliche Intelligenz wird
innerhalb von TECHNISCHEN Systemen ver­
wendet, um bestimmte Probleme zu lösen. Am
längsten bekannt ist sicherlich der Taschen­
rechner, der aber nach wie vor sehr gut veran­
schaulicht, dass bestimmte Rechenleistungen
von Maschinen besser ausgeführt werden kön­
nen. Und zwar besser, als wir Menschen das
jemals können werden: Beliebig große Zahlen
werden miteinander addiert, multipliziert, poten­
ziert … und es werden hochkomplexe mathe­
matische Funktionen und Rechenoperationen
in einem Bruchteil von Sekunden umgesetzt.
IMP: In Bereichen, in denen Maschinen mit
vergleichsweise stereotypen Regeln „gefüttert“
werden, sind sie also verlässlicher als wir. Kann
man das so sagen?
Korte: Definitiv. In Bereichen wie diesen sind
Maschinen tatsächlich besser als wir Men­
schen. Aber NICHT, weil die menschliche
Intelligenz KOPIERT wurde, sondern weil man
einen Algorithmus gefunden hat, der zuverläs­
siger und schneller funktioniert.
IMP: Und in welchen Bereichen sind wir Men­
schen besser? Oder umgekehrt: Was können
Maschinen (noch) nicht so gut?
Korte: Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Ein Roboter muss auf unbekanntem Terrain
herumspazieren – in der Wüste oder im Urwald.
Selbst eine Großstadt würde eine große Her­
ausforderung darstellen, weil ein Roboter vor
jedem Schritt eine Entscheidung auf Basis von
Berechnungen treffen muss und Überlegungen
anstellen muss: Wie tief ist der Untergrund?
Wie groß ist das Hindernis? Wie groß muss
die Schrittlänge sein? Und welche Winkellage
muss eingenommen werden, um das Hindernis
zu überwinden? Jede einzelne Bewegung des
Roboters muss also laufend – „online“ – ange­
passt werden.
IMP: Bewegungen, die wir Menschen ganz
selbstverständlich ausführen …
Korte: Wir Menschen können das unglaublich
gut und bei uns wirken all diese Bewegungen
äußerst einfach. Wie komplex aber derartige
Bewegungsabläufe trotzdem sind, sehen wir
spätestens bei Menschen, die eine Läsion
im Kleinhirn haben. Sobald ein Bruchteil von
Nervenzellen in unserem Gehirn nicht mehr
funktionstüchtig ist, können wir bestimmte
Bewegungen kaum oder gar nicht mehr ini­
tiieren, geschweige denn präzise ausführen.
Entsprechend schwer tun sich auch Maschinen
und Roboter. Diese haben immer noch einen
IMP
Perspectives
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