Aspekte des Wohneigentums

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Kerstin Funk (Hrsg.): Aspekte des Wohneigentums
Wohneigentum ist eine besondere Form des Eigentums. Zahlreiche Menschen
in Deutschland, aber auch in anderen europäischen und nichteuropäischen
Ländern streben nach dieser Form des Eigentums. Menschen, die Wohneigentum besitzen, sind – so heißt es – glücklicher. Sie haben ihr Kapital in
einer Immobilie angelegt: einem unbeweglichen Sachgut. Mit dieser Anlage
haben sie viel Freiheit erlangt, sie haben aber auch eine große Verantwortung für dieses Eigentum übernommen. Für die Stabilität der Gesellschaft
und der Demokratie ist Eigentum eine wichtige Voraussetzung. Denn die Verantwortung, die mit dem Gebrauch des individuellen Eigentums verbunden
ist, erzeugt die umfassende Anerkennung von rechtstaatlichen Regeln.
Mit Beiträgen von:
Reiner Braun
Gijs Dröge
Kerstin Funk
Peter King
Arnold Kling
Ulrich van Suntum
Michael Voigtländer
Peter Westerheide
Aspekte des Wohneigentums
Argumente der Freiheit 25
ISBN 978-3-920590-39-4
Kerstin Funk (Hrsg.)
liberal Verlag
Argumente der Freiheit, Band 25
Der vorliegende Sammelband beleuchtet verschiedene Aspekte des Wohneigentums. Er beschränkt sich dabei nicht nur auf die Situation in Deutschland, sondern schaut auch über den Tellerrand hinaus und stellt dar, wie die
Wohnungspolitik in anderen europäischen Ländern gestaltet ist.
Kerstin Funk (Hrsg.)
Aspekte des Wohneigentums
Argumente der Freiheit
Aspekte des Wohneigentums
Kerstin Funk (Hrsg.)
liberal Verlag GmbH, Berlin 2010
Impressum:
1. Auflage, Januar 2010
© 2010 liberal Verlag GmbH, Berlin
Umschlag
Gestaltung: altmann-druck GmbH
Satz und Druck: altmann-druck GmbH, Berlin
Printed in Germany - ISBN 978-3-920590-39-4
Titelbild: Fotolia
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Inhalt
Vorwort............................................................................ 7
Reiner Braun
Analyse des Wohnungsmarktes in Deutschland.............. 15
Ulrich van Suntum
Gesellschaftspolitische Vorteile des Wohneigentums..... 52
Peter Westerheide
Staatliche Förderung des Wohneigentums...................... 82
Arnold Kling
Amerikas Subprimekrise................................................ 116
Michael Voigtländer
Die Privatisierung kommunalen Wohneigentums........... 154
Peter King
Die Privatisierung von Sozialwohnungen:
Das „Right to Buy“ in Großbritannien............................... 185
Gijs Dröge
Der niederländische Wohnungsmarkt: gegenseitige
Behinderung von Miete und Eigentum........................... 232
Über die Autoren......................................................... 254
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Vorwort
Wohneigentum ist eine besondere Form des Eigentums.
Zahlreiche Menschen in Deutschland, aber auch in anderen
europäischen und nichteuropäischen Ländern streben nach
dieser Form des Eigentums. Menschen, die Wohneigentum
besitzen, sind – so heißt es – glücklicher. Sie haben ihr Kapital in einer Immobilie angelegt: einem unbeweglichen
Sachgut. Mit dieser Anlage haben sie viel Freiheit erlangt,
sie haben aber auch eine große Verantwortung für dieses
Eigentum übernommen. Für die Stabilität der Gesellschaft
und der Demokratie ist Eigentum eine wichtige Voraussetzung. Denn die Verantwortung, die mit dem Gebrauch des
individuellen Eigentums verbunden ist, erzeugt die umfassende Anerkennung von rechtstaatlichen Regeln. Der
Rechtsstaat basiert auf dieser Anerkennung und er basiert
auch auf der Notwendigkeit von Eigentum und den damit
verbundenen Rechten und Pflichten.
Der vorliegende Sammelband beleuchtet verschiedene Aspekte des Wohneigentums. Er beschränkt sich dabei nicht
nur auf die Situation in Deutschland, sondern schaut auch
über den Tellerrand hinaus und stellt dar, wie die Wohnungspolitik in anderen europäischen Ländern gestaltet ist. Nationale und internationale Autoren haben zu diesem Sammelband beigetragen.
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Eine Analyse des deutschen Wohneigentumsmarktes erfolgt durch Reiner Braun. Seine Analyse zeigt, dass selbstgenutztes Wohneigentum hierzulande nach wie vor von großer Bedeutung ist. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges
wurde eine große Zahl neuer Wohnungen und Häuser gebaut. Dies prägt bis heute den Immobilien- und Mietmarkt in
Deutschland. Eine Entscheidung für Wohneigentum ist eine
Entscheidung über die langfristige Lebensplanung. Wohneigentümer weisen daher vor allem in ihrem Spar- und Konsumverhalten besondere Merkmale auf. Allerdings verändert sich die Wohneigentumsquote. Diese Entwicklung hat
auch mit der zunehmender Mobilität und den Veränderungen
der sozialen Faktoren zu tun. So leben immer mehr Menschen in Singlehaushalten oder ohne Kinder. Diesen Herausforderungen müssen Anbieter und Politik in Zukunft gerecht werden.
Ulrich van Suntum belegt in seinem Beitrag, dass auch gesellschaftspolitisch Wohneigentum durchaus wünschenswert ist: Es hat zahlreiche Vorteile, und zwar sowohl für die
Eigentümer, als auch für die Gesellschaft als Ganze. Denn
Eigentum ist auch Verantwortung. Und die Verantwortung
für eine Immobilie beschränkt sich nicht nur auf den Werterhalt oder die Wertsteigerung, die hauptsächlich mit subjektiven Interessen der Eigentümer verbunden ist. Im Interesse
eines lebens- und wohnenswerten Umfeldes werden Eigentümer von Immobilien sich auch für die Umgebung der Immobilie einsetzen. In der direkten Umgebung setzen sie sich
für die Pflege und den Erhalt der Wohnungssubstanz ein, in
8
der weiteren Umgebung für die Attraktivität des Standortes.
Dies geschieht auch durch privates Engagement, zum Beispiel in Schulen, Parteien oder in Vereinen. So wird erheblich zur sozialen Stabilität beigetragen. Auch gesellschaftliche Konflikte werden durch Eigentum eher vermieden.
Darüber hinaus erhöht der Besitz einer Immobilie die Lebenszufriedenheit, denn sie gibt die Möglichkeit zur freien
Entfaltung, bringt Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit
mit sich. Den Vorteilen stehen freilich auch einige Nachteile
gegenüber: So ist die Mobilität von Wohneigentümern im
Vergleich zu Mietern deutlich eingeschränkt. Auch wird argumentiert, dass insbesondere Einfamilienhäuser sehr viel
Fläche verbrauchen und den Individualverkehr erhöhen, was
wiederum mit Folgen für die Umwelt verbunden ist.
Als Kapitalanlage ist Wohneigentum geeignet, Konsum und
Altersvorsorge miteinander zu verbinden. So verschulden
sich Wohneigentümer nach dem Lebenszyklus in der ersten
Lebensphase, tilgen die Schulden in der mittleren Lebensphase und sparen dabei gleichzeitig für die letzte Lebensphase, in der sie dann das Vermögen konsumieren. Spätestens nach der Schuldentilgung haben Immobilieneigentümer
dann im Vergleich zu Mietern meist eine geringere Belastung durch die Wohnkosten. Meist ergänzen die Eigentümer die Altersvorsorge durch zusätzliche Kapitalanlagen.
Dies scheint umso mehr sinnvoll, als dass die Wertbeständigkeit von Immobilien nicht garantiert ist und Risiken so
breiter gestreut werden können.
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Einen Überblick über die staatliche Förderung von Wohneigentum gibt Peter Westerheide. Die staatliche Förderung
begann mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Dies geschah in erster Linie, um die Wohnungsnot zu
lindern, und zwar vor allem durch sogenannte „Vorsparförderung“, das heißt der Förderung von Ansammlung von Eigenkapital. Im Laufe der Jahre wurde diese Förderung um
verteilungsorientierte Elemente ergänzt. So konnten auch
Kleinsparer gefördert werden. Heute bietet die „RiesterRente“ eine staatliche Sparförderung zu diesem Zweck. Ergänzt wird die Vorsparförderung durch die Nachsparförderung, also eine Förderung nach dem Erwerb von
Wohneigentum. Sie erfolgte zunächst durch steuerliche Abzugsmöglichkeiten. Mit Einführung der Eigenheimzulage
wurde die Förderung von Einkommen abgekoppelt. Dies unterstützte vor allem den Eigenheimerwerb von Familien.
Nach Abschaffung der Eigenheimzulage erfüllt heute das
„Wohn-Riester“ diesen Zweck. Ein Vergleich zeigt, dass
Wohneigentum in vielen anderen Ländern ebenfalls staatlich
gefördert wird: entweder durch steuerliche Absetzbarkeit
oder durch die Förderung besonderer Gruppen bzw. für bestimmte Zwecke.
Die Wirkung der Wohneigentumsförderung ist jedoch umstritten. So hat die Bausparförderung zwar das Sparverhalten breiter Bevölkerungsschichten positiv beeinflusst und zu
höherer Kapitalbildung beigetragen. Allerdings wird dieses
Kapital nicht immer zum Erwerb von Immobilien genutzt. Der
Erfolg der Nachsparförderung ist jedoch weniger eindeutig,
10
denn es lässt sich nicht klar belegen, ob zum Beispiel durch
die Eigenheimzulage tatsächlich mehr Menschen sich zum
Kauf einer Immobilie entschieden haben. Zudem ist wahrscheinlich, dass die Eigenheimzulage zu künstlichen Marktverzerrungen geführt hat, Bauland zum Beispiel verteuert
und zu höheren Preisen im Baugewerbe geführt hat.
Dass staatliche Förderung auch misslingen kann, zeigt Arnold Kling in seinem Aufsatz. Denn die gegenwärtige Wirtschaftskrise nahm ihren Lauf mit der amerikanischen Subprimekrise. An der Darstellung der Hintergründe und der
Vorgeschichte dieser Krise wird deutlich, welche negativen
und gefährlichen Konsequenzen staatliche Eingriffe in den
Immobilienmarkt haben können. Zwar folgte die US-amerikanische Regierung einem scheinbar hehren Ziel, der Unterstützung und Förderung des Eigenheimerwerbs, aber ein initiativer Eingriff der Regierung machte in der Folge zahlreiche
weitere Eingriffe notwendig. Alle diese Eingriffe zusammengenommen haben letztlich zu einer Unübersichtlichkeit und
Marktverzerrung geführt, die schließlich mit dem Platzen
der Immobilienblase ihren Höhepunkt fand. Es folgte eine
Art „Marktbereinigung“, als zahlreiche Finanzinstitute zusammenbrachen und eine weltweite Wirtschaftskrise auslösten. Die Krise hat die Schwächen des US-amerikanischen
Finanzsystems und die Folgen staatlicher Eingriffe offen gelegt. Die Krise ist aber auch eine Chance, nun die Fehler der
Vergangenheit nicht zu wiederholen und staatliches Handeln
künftig an rein marktwirtschaftlichen Prinzipien zu orientieren.
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Michael Voigtländer diskutiert in seinem Beitrag die Privatisierung von kommunalem Wohneigentum. Obwohl ein ausreichend großer Markt privater Anbieter für Wohnimmobilen
auch für Mietzwecke vorhanden ist, ist ein großer Teil des
Wohneigentums noch immer im Besitz der öffentlichen
Hand. In einer Marktwirtschaft sollte der Staat jedoch sein
Engagement auf jene Marktfelder beschränken, in denen
der private Markt kein Angebot schaffen kann. Dies verhält
sich im Immobilienmarkt nicht anders. Der staatliche Markteingriff ist aber nicht nur nicht notwendig, sondern er beeinflusst den Markt in negativer Weise. Mietpreise werden
künstlich gemindert und Vorteile öffentlicher Unternehmen
behindern die privaten Anbieter in ihrem Marktzugang. Es ist
daher dringend geboten, dass staatliche Immobilienbestände privatisiert werden. Wie dies erfolgreich gelingen kann,
zeigt das Beispiel der Stadt Dresden. Neben einer Entschuldung des kommunalen Haushaltes erfolgte hier eine Privatisierung, die marktwirtschaftlichen und sozialen Anforderungen zugleich gerecht wird.
Ein weiteres erfolgreiches Beispiel für die Privatisierung öffentlicher Sozialwohnungen findet sich in Großbritannien.
Peter King stellt dar, wie dort mit dem „Right to Buy“ Mietern
von Sozialwohnungen die Möglichkeit geschaffen wurde, diese Wohnungen zu kaufen. Auf diese Weise wurden viele
Menschen Eigentümer von Immobilien, die ansonsten kaum
in der Lage gewesen wären, das notwendige Kapital für eine
Immobilie anzusparen. Das „Right to Buy“ war eine politische
12
Maßnahme der Regierung unter Margaret Thatcher. Es war
maßgeblich verantwortlich für den Rückgang der Sozialwohnungen in Großbritannien und für den Anstieg von selbstgenutztem Wohneigentum vor allem in Arbeiterhaushalten.
Auch hier wurden soziale und wirtschaftliche Faktoren gleichermaßen berücksichtigt und führten auch zur Absicherung vieler sozial schwächerer Menschen.
Vor welchen Herausforderungen nationale Wohnungsmärkte heute stehen, dokumentiert schließlich Gijs Dröge. Der
Wohnungsmarkt in den Niederlanden teilt sich in etwa in
zwei Hälften: Während 56% der Niederländer Eigentum besitzen, sind die verbleibenden 46% Mieter. Die Wohnungspolitik in den Niederlanden spiegelt dieses Verhältnis wider.
Die zwei Seiten des politischen Spektrums bremsen sich in
ihren politischen Maßnahmen gegenseitig aus und behindern sich dabei, die Maßnahmen zu ergreifen, die für eine
Marktöffnung notwendig wären. Nicht nur infolge der Wirtschaftskrise bedarf der niederländische Wohnungsmarkt jedoch einer Neuordnung. Die staatliche Einflussnahme sollte
dabei weitestgehend zurückgenommen werden. Eine Liberalisierung des Marktes ist dringend geboten. Liberale in
den Niederlanden fordern dazu vor allem, dass die Förderung von Wohneigentum durch steuerliche Anreize erfolgt.
Zudem soll die Effizienz des Wettbewerbes auf dem Wohnungsmarkt gesteigert werden, vor allem bei der Preisbildung, die durch ein unausgeglichenes Verhältnis von Angebot und Nachfrage derzeit nicht den realen
Marktverhältnissen entspricht.
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Da Wohneigentum für die Eigentümer viele positive Effekte
mit sich bringt, ist es aus liberaler Sicht wünschenswert,
dass Menschen Wohneigentum bilden. Liberale Politik kann
dies unterstützen, indem sie Wohneigentum fördert. Dabei
muss sie sich auf die Wohnversorgung bestimmter Zielgruppen orientieren. Zu diesen Zielgruppen gehören zum Beispiel Familien oder ältere Menschen. Denn Wohneigentum
ist ein wichtiger Baustein der privaten Altersvorsorge. Dies
gilt umso mehr vor dem Hintergrund des demographischen
Wandels, in dem der Einzelne gefordert ist, selbst mehr für
sein Einkommen auch im Alter vorzusorgen und sich nicht
nur auf staatliche die Vorsorge verlassen darf. Der Subjektförderung ist daher grundsätzlich der Vorrang vor der Objektförderung zu geben. Eine gute Steuerpolitik ist daher
auch eine gute Wohnungspolitik. Denn eine niedrige steuerliche Belastung der Einkommen ermöglicht es den Menschen, bereits im Erwerbsleben Wohneigentum zu erwerben und abzuzahlen und damit einen eigenverantwortlichen
Beitrag zur sozialen Absicherung zu leisten.
14
Reiner Braun
Analyse des Wohnungsmarktes
in Deutschland
Wohnungen sind technisch einfache Güter, gesellschaftlichökonomisch aber sehr komplex. Sie sind kapitalintensiv und
langlebig, Fehlallokationen entsprechend teuer. Besondere
Bedeutung haben Wohnungen auch für ihre Nutzer, die sie
individuell ausstatten, die umliegende Infrastruktur nutzen
und Beziehungsnetze in der Nachbarschaft pflegen. Daraus
wurden vielfach ein besonderer Schutz der Bewohner abgeleitet und Staatseingriffe sowie massive staatliche Subventionen begründet. Der Wohnungsmarkt hat eine weitere
Achillesferse: Die Neuproduktion ist im Vergleich zum Bestand sehr gering. Dies führt bei zyklisch schwankender
Nachfrage immer wieder zu Engpässen und sprunghaft steigenden Neuvertragsmieten. Eine weitere Besonderheit:
Von jedem Neubau profitieren alle Mieter, weil das größere
Angebot – ob Mietwohnung oder selbst genutzt, kostengünstig oder Luxuswohnung – die Mietforderung dämpft. Durch
diesen Filteringprozess wurden Wohnungen relativ zum Einkommen in den letzten Jahrzehnten immer preiswerter. Was
sonst die letzten hundert Jahre den deutschen Wohnungs15
markt geprägt hat, wird in einem kurzen historischen Abriss
in Kapitel 1 skizziert.
Früher oder später kommt es am Wohnungsmarkt zur
Grundsatzfrage: Willst Du Mieter bleiben oder Wohneigentum erwerben? Diese Frage stellen sich jährlich Tausende
junger Haushalte. Kluge Rechner präsentieren immer wieder Vergleiche, bei denen in einer reinen Renditerechnung
die Immobilie mal mehr, mal weniger gut abschneidet. Solche Rechnungen erscheinen auf den ersten Blick überzeugend. Man muss allerdings ihre Relevanz bezweifeln. Es
handelt sich um eine aus dem Lebenszusammenhang herausgerissene, rein finanzmathematische Operation. In der
Wirklichkeit geht es dagegen um Fragen des Verhaltens von
Haushalten über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Es geht um
langfristige Lebensplanung und Familiengründung; es geht
um Fragen, wie man im Alter leben und wie man sich selbst
im Vergleich zu anderen darstellen will. Diese Besonderheiten im Verhalten der Wohneigentümer werden in Kapitel
2 geschildert.
Die Gretchenfrage auf dem Wohnungsmarkt aber lautet:
Soll die Wohnungspolitik eine Erhöhung der Eigentumsquote zum Ziel haben? In der Praxis wurden in Deutschland
über Jahrzehnte Eigenheime wie auch Mietwohnungen gefördert. Oft wurde dabei übersehen, dass die Investitionsförderung für Vermieter – bei gegebenen Immobilienpreisen
– eine mietsenkende Wirkung hat. Dadurch verliert das
selbst genutzte Wohneigentum im Vergleich zur Mietwoh16
nung an Attraktivität. Zum Ausgleich wurde auch der Bau
oder Erwerb von Wohneigentum gefördert. Es wäre dem
Staat billiger gekommen, beides nicht zu fördern. Anders
gewendet: Es wäre effizienter gewesen, den Wohnungsbau
neutral zu fördern. Etwa durch Schaffung eines elastischeren
Bodenmarktes. Niedrigere Grundstückskosten kommen
Mietern wie Eigentümern zugute – unabhängig vom persönlichen Steuersatz, sowie jenseits ausgefeilter Förderkonditionen und unsicherer Halbwertszeiten der Förderinstrumente. Wie es künftig weitergeht, wird in Kapitel 3 diskutiert.
1. Historischer Abriss
Seit der Gründerzeit dominiert in Deutschland die Mietskaserne
In Deutschlands Städten wurde seit der Gründerzeit der
Blockbebauung mit großen Mietshäusern der Vorzug gegeben. Es wäre auch anders gegangen. Das zeigt das Beispiel
England, wo es zu einer ganz anderen Weichenstellung kam.
Dort dominierte auch in Großstädten das kleine Haus. Der
Vorteil: kleine Einheiten sind einfacher, durch die Nutzer
selbst zu bewirtschaften und erleichtern den Erwerb von
Wohneigentum (vgl. Abbildung 1).
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Schon vor dem Ersten Weltkrieg kam es in Deutschland zu
einem Dissens zwischen Wohnungsökonomen und Stadtplanern. Eberstadt (1920) nannte die große Mietskaserne eine
„gewillkürte politische Schöpfung“ und zeigte, dass ein
dreistöckiger Wohnungsbau in kleinen Blöcken anders als
große Mietskasernen zu einer höheren Nutzungsqualität bei
niedrigeren Kosten geführt hätte. Die sozial engagierten
Wohnungsökonomen blieben jedoch ohne großen Einfluss.
Trotz anders lautender Empfehlungen einer Regierungskommission wurden auch nach dem Ersten Weltkrieg kleine
Mietshäuser und Einfamilienhäuser regelrecht diskriminiert.
Diese Politik wurde nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt.
18
Das wohl extremste Ergebnis entstand in der Mitte des 20.
Jahrhunderts in den großen Neubausiedlungen mit erheblichem Hochhausanteil am Stadtrand im sozialen Wohnungsbau. Herstellung und Bewirtschaftung waren aufwändig und
für die Klientel ungeeignet. Der abstrakte, moderne Städtebau ab Mitte der 1960er und in den 70er Jahren ist besonders unwirtschaftlich und geht an den Wünschen der Nachfrage vorbei. Viele dieser Bauten werden lange vor ihrem
technischen Verschleiß ökonomisch obsolet geworden sein.
Diese Erfahrung zeigt: Städte und Wohnungen müssen den
Anforderungen der Bewohner entsprechen und in engem
Kontakt mit den Nutzern geplant werden.
Es sollte zu denken geben, dass Bremen, die einzige deutsche Großstadt, die schon seit dem neunzehnten Jahrhundert stärker nach englischen Prinzipien aus kleinen Häusern
entwickelt wurde, gleichzeitig die höchste Wohneigentumsquote erreicht. Städte, zusammengesetzt aus kleinen Wohnbauten und bewirtschaftet von Einzeleigentümern, sind erlebnisreicher, lebendiger in ihrer Erscheinung und werden
als persönlicher erlebt. Wir sind im 20. Jahrhundert über
längere Zeit falschen Prinzipien, falschen Bauprozessen und
falschen Subventionsformen aufgesessen! Es sollte auch zu
denken geben, dass ein durchschnittliches Wohngebiet aus
der kapitalistischen Spekulationsphase des Wohnungsbaus
in Berlin/Prenzlauer Berg zum Mekka junger Familien wurde. Analoge Beispiele gibt es praktisch in jeder Großstadt.
Jede dieser Familien würde es ablehnen, im Märkischen
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Viertel1 oder sonst einer Hochhaussiedlung zu wohnen. Diese Erfahrung lehrt: Die gewinnorientierten Motive der Investoren haben unter Wettbewerbsbedingungen durchaus
eine Qualität geschaffen, die bis heute anerkannt wird, während der wohlfahrtsstaatlich motivierte soziale Wohnungsbau, unter gemeinnützigen Vorzeichen errichtet, nach ersten
Pionierleistungen später meist zu geringer Wohnqualität
führte.
Die deutsche Tradition großer Häuser und hoher Baudichten
bei knapp gehaltenem Baulandangebot begünstigten extrem hohe Bodenpreise und damit auch hohe Baukosten. Es
gibt kaum einen Bauformenwettbewerb. Einfamilienhäuser
in den Städten wurden de facto zu Luxusgütern, weil sie in
der Konkurrenz mit den Geschosswohnungsbauten extreme
Baulandpreise tragen mussten. Im Ergebnis hat die Dominanz der großen Bauten eine breite Vermögensstreuung erschwert. In Deutschland wird dies im Vergleich zwischen
Berlin und Bremen besonders deutlich. Die Berliner Mietskasernen erschweren die Entwicklung eines leistungsfähigen Marktes für Eigentumswohnungen. Einfamilienhäuser
blieben extrem teuer. Das Bremer Haus mit ein bis zwei
Wohnungen ermöglicht dagegen privaten Haushalten sehr
viel leichter, Wohneigentümer zu werden. Dementsprechend ist die Wohneigentumsquote in der Stadt Bremen mit
1 Einer Großwohnsiedlung im Berliner Bezirk Reinickendorf (Anm. d. Herausg.)
20
37% höher als in irgendeiner anderen deutschen Großstadt
(vgl. Abbildung 2).
Die hohen deutschen Baupreise wurden nicht nur durch
knappes Angebot, sondern auch durch ein kostentreibendes
Regulierungs- und Planungssystem mit hervorgerufen. Dadurch konnte sich nur ein kleiner Anteil großstädtischer
Haushalte zu erträglichen Belastungen Neubauwohnungen
als Mieter oder Eigentümer leisten. Diese Angebotspolitik
hat eine kompensierende finanzielle Förderung des Wohnungsbaus fast erzwungen, weil nur dadurch Mieten entstanden, die für breitere Schichten erschwinglich waren. Polemisch zugespitzt: Auf der Angebotsseite wurde der
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Wohnungsbau verteuert. Das erzwang Nachfragesubventionen, damit Wohnen für breitere Schichten erschwinglich
wurde. Die Wohnungspolitik auf der Angebotsseite hat die
Wohnungspolitik auf der Nachfrageseite erzwungen.
Zum Wandel der Märkte in den 1960er bis 1980er Jahren
Nach der Wiederaufbauphase bis etwa zum Ende der
1960er Jahre kam es in Deutschland fast parallel zu Stadterweiterungen in großen Neubausiedlungen und daneben
zu einem allmählich wachsenden Einfamilienhausbau. Die
1970er Jahre brachten zur Überraschung der meisten Experten kein Ende des Nachkriegsbooms, sondern neue Fertigstellungsrekorde. Die Eltern der heutigen Baby-Boomer
wanderten in die Einfamilienhäuser im Umland der Großstädte. Gleichzeitig brach eine neue Begeisterung für ältere
Wohngebiete in den Innenstädten aus, die bis heute bei bestimmten Schichten „in“ ist. Allerdings schrumpfte die Bewohnerzahl in diesen Gründerzeitwohnungen, weil die Zugezogenen höheren Einkommensschichten pro Kopf weit
höhere Wohnflächen beanspruchten. In der Folge explodierten die Preise für attraktive Altbauwohnungen. Die neuen Steuervorteile für Bestandskäufe im Jahr 1976 traten
eine regelrechte Lawine los. Parallel wurde die steuerliche
Absetzbarkeit von Bestandsinvestitionen für Vermieter verbessert. Ab Mitte der 1970er Jahre floss die Hälfte des
Bauvolumens in den Wohnungsbestand.
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In den 1980er Jahren expandierten die Siedlungsflächen –
trotz des politisch immer wieder verkündeten „Vorrangs für
die Innenentwicklung“. Gleichzeitig verstärkte sich die Gentrifizierung älterer Bestände. Die in den Großstädten schon
in den 1970er Jahren begonnene Umverteilung der Bewohner nach Einkommensschichten, Integrationsstatus oder Sozialprestige setzte sich fort. Aus vielen Altbaugebieten mit
ehemals geringer Wertschätzung, bewohnt von Unterschichten und Einwanderern, wurden nostalgisch aufgewertete Wohngebiete. Daraus ergaben sich erhebliche soziale
Spannungen. Das Mietrecht – vor allem der Schutz gegenüber Eigenbedarfskündigungen – kann hier Härten vermeiden. Noch mehr aber würde ein flexibles Produktionssystem
helfen: Leere Wohnungen sind der beste Mieterschutz.
Dammbruch nach der Wiedervereinigung
Der riesige Nachholbedarf in Ostdeutschland wurde in der
Tradition der westdeutschen Wohnungspolitik nach der Wiedervereinigung mit exzessiven Steuererleichterungen gebaut (50% Sofortabschreibung). Dies löste einen beispiellosen Bauboom aus. Zwischen 1995 und 1999 wurden in
den neuen Ländern über eine halbe Million neue Wohnungen
gebaut. Gleichzeitig explodierte der Leerstand im Bestand.
Das Ergebnis ist bis heute in einem Überangebot an technisch durchaus bewohnbaren Wohnungen sichtbar (vgl. Abbildung 3).
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Die negative Ausstrahlung leerer Gebäude mindert in vielen
ostdeutschen Städten den Wert von Nachbargebäuden und
behindert so marktwirtschaftliche Investitionen. Es besteht
eine politische Scheu, diesen negativen externen Effekte –wie
in Großbritannien geschehen – durch Enteignungen zum Ertragswert zu begegnen. Das Dilemma: Auch Subventionen
entfalten jetzt problematische Wirkungen. Zum einen halten
Subventionserwartungen die Preise der untergenutzten oder
leer stehenden Immobilien künstlich hoch. Zum anderen wirken
staatlich geförderte Abrissprogramme vor allem in den großen
Plattenbausiedlungen am Stadtrand, obwohl dort die negativen
Ausstrahlungen geringer sind als in der Innenstadt. In den Innenstädten will man den nachhaltigen Leerstand auch in Gründerzeitbauten nicht eingestehen. Dafür muss man natürlich angesichts der historischen Erfahrungen Verständnis haben.
24
Die aktuelle Lage
Die Wohnungsmärkte erleben einen Umbruch. Seit Ende der
1990er Jahre ist die Nachfrage schwach – zunächst noch
durch eine ungünstige Einkommensentwicklung, jetzt immer
mehr durch die geburtenschwachen Jahrgänge. Allein in den
ökonomisch starken Stadtregionen steigt die Zahl der Haushalte noch längere Zeit an. Langfristig wird die Zahl der Haushalte fast überall sinken und Wohnungen – vor allem in Mehrfamilienhäusern – leer stehen (vgl. Abbildung 4). Dennoch gibt es
noch Neubaubedarf, weil (wohlhabende) Haushalte mit hohen
Ansprüchen im Bestand häufig keine adäquaten Wohnungen
finden. Leerstand und Neubau schließen sich nicht aus.
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2. Besonderheiten der Wohneigentümer
Die Entscheidung zum Wohneigentum prägt den Lebensstil
der privaten Haushalte, sie planen ihre Vermögensbildung
und Alterssicherung in der Regel langfristiger als Mieter.
Dabei konnten die Erwerber in der Vergangenheit davon
ausgehen, dass die Wertentwicklung der erworbenen Objekte günstig war, auch wenn über die lange Nutzungszeit
Veränderungen der Standortgunst und der Werte möglich
sind. In Schrumpfungsregionen können diese Risiken in der
Zukunft zunehmen.
Wohneigentum verleiht nicht nur Sicherheit und Status, es
steht meist auch für die größte Investition im Leben des einzelnen Haushalts. Angesichts der hohen Werte binden sich
die einzelnen Haushalte sehr langfristig, vergleichbar mit der
Familiengründung und oft im Zusammenhang damit. Beim
Erwerb geht es um mehr als eine Portfoliooptimierung für
ein gegebenes Vermögen oder eine gegebene Ersparnis. Es
geht um eine Lebensstilentscheidung. Insbesondere besteht eine Bereitschaft, sich dafür stärker zu verschulden
und höhere Sparquoten als für andere Formen der Vermögensanlage zu erbringen.
Vermögensbildung im Lebenszyklus
Es mag altmodisch klingen: Die meisten Menschen bauen
ihr Vermögen durch Ersparnisse aus dem laufenden Einkom26
men auf. Denn – anders als viele meinen – bildet man Vermögen nicht, indem man Steuersparmodelle nutzt oder
Sparzulagen kassiert. Nein, Vermögen bildet man vorwiegend durch Konsumverzicht. Weil die Einkommen während
der Ausbildung und zu Beginn der Erwerbstätigkeit gering
sind, wachsen die Vermögen im Laufe der Zeit aber nur allmählich an (vgl. Abbildung 5). Gleichzeitig fordern hohe Ausgaben zum Erwerb langlebiger Konsumgüter (Möbel, größere Haushaltsgeräte, PKW) ihren Tribut: Ein Großteil des
zunächst angesparten Vermögen wird mittelfristig wieder
konsumiert.
Wichtige Weichenstellungen mit Einfluss auf das Sparverhalten ergeben sich durch Heirat, Familiengründung und den
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Erwerb von Wohneigentum. Diese Ereignisse gehen in
Deutschland oft Hand in Hand. Viele Haushalte brechen
dann in eine neue Spardimension auf: Im dritten Lebensjahrzehnt vervierfacht sich nahezu der Anteil Haushalte mit
selbst genutztem Wohneigentum und steigt nahezu auf
50% (vgl. Abbildung 6). Immobilienvermögen wird zur dominanten Vermögensanlage. Die Kehrseite dieser Entwicklung besteht in der – selbst auferlegten – Verpflichtung,
regelmäßige Zahlungen zur Bedienung der Kreditraten zu
leisten.
Entwarnung signalisieren die Budgets der privaten Haushalte erst im fünften Lebensjahrzehnt. Dann sind die Bau28
schulden ein ganzes Stück abgetragen und fließen die Ersparnisse wieder verstärkt in Geldanlagen. Familien werden
zusätzlich entlastet, weil die Kinder finanziell selbständig
werden und beide Lebenspartner einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit nachgehen können.
Wohneigentum als Vermögensturbo
Die Sparprozesse für Wohneigentum in Form der Tilgungszahlungen für Baukredite hinterlassen tiefe Spuren in der
Vermögensbildung der Haushalte (vgl. Abbildung 7). Zunächst einmal ist die „normale“ Sparquote in Geldvermögen
bei Wohneigentümern ähnlich hoch wie bei Mietern. Hinzu
kommt das Tilgungssparen. Anders gewendet: Das gesamte Tilgungssparen der Selbstnutzer repräsentiert zusätzliches Sparen. Der Vorteil des Tilgungssparens: Der
Vermögensaufbau wird nicht durch den Kauf langlebiger
Konsumgüter, die Buchung von Urlaubsreisen und andere
„Luxusausgaben“ gestört. Die Bereitschaft, vorhandenes
Vermögen zu konsumieren, ist bei den allermeisten Haushalten groß. Ein Zwangssparcharakter in Form von Bausparverträgen, Lebensversicherungen oder eben Schuldentilgung kann dagegen Anreize geben, diese „Ungeduld“ und
„Unvernunft“ zu bremsen. In diesem Sinne begünstigt der
Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum eine hohe Bereitschaft zum Konsumverzicht.
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Die gute Nachricht lautet also: Wohneigentümer sind finanziell besser abgesichert als Mieterhaushalte, weil sie über
fast doppelt so hohe Geldvermögen verfügen wie gleichaltrige Mieter derselben Einkommensklasse (vgl. Abbildung
8). Allerdings erreichen typische Geldvermögen allenfalls
ein Niveau von einem halben oder einem Jahresnettoeinkommen und sind deswegen angesichts der Lücken in der
Altersvorsorge nur Peanuts. Außerdem haben Wohneigentümer auch zusätzliche Ausgaben in Form von Instandhaltungskosten zu bewältigen. Aber Wohneigentümer haben
neben ihren Sparkonten auch eine Immobilie. Und diese hat
im Durchschnitt einen Gegenwert von 5-6 Jahresnettoeinkommen. Zum Eintritt in den Ruhestand können die Selbstnutzer des Jahres 2003 dann auf ein Gesamtvermögen in
Höhe von rund acht Jahresnettoeinkommen verweisen (96
30
Monatseinkommen; vgl. Abbildung 8). Für alle Mieterhaushalte zwingt sich deswegen die Frage auf: Wie schaffen es
die Selbstnutzer, bei gleichem Einkommen ein rund zehnmal
höheres Vermögen anzuhäufen?
Wieso können Wohneigentümer mehr sparen als andere?
Was mit Einführung des Elterngeldes erreicht werden sollte,
ist bei den allermeisten Wohneigentümern schon heute Realität: Junge Väter und Mütter mit Wohneigentum haben
eine höhere Erwerbsneigung als vergleichbare Mieterhaushalte. Das zeigen empirische Untersuchungen.
31
Frisch gebackene Wohneigentümer können die hohen anfänglichen Zins- und Tilgungsleistungen leichter tragen,
wenn der Ehe- oder Lebenspartner ebenfalls eine Erwerbstätigkeit aufnimmt. Insofern stehen hinter den überdurchschnittlichen Haushaltseinkommen auch andere Lebensplanungen als bei Mieterhaushalten. Tatsächlich finanzieren
Haushalte mit selbstgenutztem Wohneigentum ihren Konsum aber auch seltener als Mieterhaushalte mithilfe eines
Ratenkredites. Selbst wenn die Wohnungseigentümer einen
Konsumentenkredit aufnehmen, dann weisen diese – gemessen am Einkommen – vergleichsweise geringe Volumina
auf. Darüber hinaus wird insbesondere in den Jahren unmittelbar nach dem Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum weniger für Luxusgüter (Uhren, Schmuck etc.) sowie
für Restaurantbesuche und Urlaubsreisen ausgegeben (vgl.
Abbildung 10). Hier wird die bisweilen fast schon irrationale
Sparfreude von Wohneigentümern sichtbar.
32
Entlastung im Zeitablauf
Die Vermögensunterschiede zwischen Mietern und Eigentümern erklären sich aber auch durch niedrigere Wohnkosten
der Selbstnutzer. Nach den Jahren mit hohen Zins- und Tilgungsbelastungen steht ihnen ein höheres verfügbares Einkommen nach Wohnkosten zur Verfügung. Bereits zehn
Jahre nach Erwerb, also typischerweise im Alter von Mitte
bis Ende 40 Jahren, liegt die mittlere Kreditbelastung unter
20%, bis zum Vorabend des Ruhestandes unter 10% und
damit weit unter vergleichbaren Mietbelastungen (vgl. Abbildung 11). Selbst unter Berücksichtigung der laufenden Kosten für Instandhaltung oder Grundsteuer liegt der Einkommensanteil für Wohnen im Alter von 60 Jahren mit etwa
10% weit unterhalb der Einkommensbelastung gleichaltriger
Mieterhaushalte.
33
Sobald die Wohnkosten hinter den sonst üblichen Mietkosten zurückbleiben, steht dem Wohneigentümer bei identischem Nettoeinkommen nach Abzug der Wohnkosten ein
größeres Resteinkommen zur Verfügung. Wohneigentümer
müssen demnach nur eine geringere Geldrente ansparen,
um sich im Ruhestand denselben Lebensstandard wie vergleichbare Mieter leisten zu können.
Macht Wohneigentum sparsam oder kaufen nur die Sparsamen?
Zuweilen wird eingewendet, die Gruppe der Wohneigentümer entstehe durch Selbstselektion der „Sparfreudigeren“.
Dem steht entgegen, dass durch günstigere Preise für
Wohneigentum in verschiedenen Phasen der wirtschaft34
lichen Entwicklung jeweils mehr Haushalte Wohneigentum
erworben haben und dann die typischen Verhaltensweisen
der Eigentümer entwickelt haben (z.B. in der Nachwendezeit Ostdeutschlands). Wäre Wohneigentum teuer und unerreichbar geblieben, dann hätten die zusätzlichen Eigentümer auch die besondere Vermögensorientierung nicht
praktiziert. Offensichtlich gibt es diese rationalen, schon
sehr früh feststehenden Präferenzstrukturen nicht. Die
Präferenzen der Wohneigentümer zu Gunsten einer hohen
Vermögensbildung und hohen Erwerbsbeteiligung entstehen durch ein learning by doing. Man erwirbt Wohneigentum,
weil es besonders attraktiv ist und verschiedene Zwecke
erfüllt. Ist man dann Eigentümer geworden, muss man sich
an die sperrige Unteilbarkeit des Wohneigentums anpassen. Es entsteht ein gewisser Zwang zur Mehrarbeit, zum
höheren Sparen und zur Einschränkung bestimmter Formen des Konsums. Zumindest von den niedrigeren Wohnkosten im Alter profitieren dann aber alle Eigentümer –
auch die sonst weniger Sparsamen.
Die Wohneigentumsquote steigt am „falschen Ende“
Die Wohneigentumsquote im früheren Bundesgebiet ist seit
der Nachkriegszeit kontinuierlich gestiegen: von rund 25%
im Jahr 1950 im früheren Bundesgebiet auf fast jeden zweiten Haushalt (vgl. Abbildung 12). Was im Westen ein Viertel
Jahrhundert gedauert hat, wurde im Osten innerhalb eines
Jahrzehnts vollbracht: Die Wohneigentumsquote stieg in
den neuen Ländern von rund 27% im Jahr 1993 auf 37% im
35
Jahr 2003. Hier entstand in Abweichung zum westdeutschen Markt vor allem durch die hohe Bereitschaft der Kommunen, preiswertes Bauland zu schaffen, ein sehr elastisches Angebot. In der Folge können sich auch
vergleichsweise junge und einkommensschwache Haushalte den Erwerb von Wohneigentum leisten. Es zeigt sich:
„hohe Bodenpreise sind Ausdruck von Knappheit, also Ausdruck der Armut, nicht des Reichtums“ (vgl. Engels, Sablotny, Zickler, 1974: 29).
Die steigende Wohneigentumsquote in Westdeutschland ist
jedoch ein „Echo aus der Vergangenheit“. Die westdeutsche Wohneigentumsquote ist in den vergangenen zwei
Jahrzehnten nur deswegen gestiegen, weil ganze Generati36
onen von älteren Mieterhaushalten jetzt sterben und an deren Stelle jüngere Rentner aus der Wirtschaftswundergeneration mit hoher Quote der Eigentümerhaushalte
„nachwachsen“, die in den eigentumsfreundlichen 60er
und 70er Jahren zu vergleichsweise günstigen Preis-Einkommens-Relationen Wohneigentum erworben hatten
(vgl. Abbildung 13). Für die jüngeren Haushalte der 80er
und 90er Jahre dagegen waren die ökonomischen Rahmenbedingungen weniger eigentumsfreundlich. Zwar bewegen sich die Zinsen seit Ende der 90er Jahre auf einem
historisch niedrigen Niveau, dafür stiegen die Grundstückspreise und Baukosten z.T. weit schneller als die Löhne
und Gehälter.
37
Preis- und Kostensteigerungen erklären jedoch nicht das
gesamte Ausmaß der Verschiebungen. Hinzu kommen Veränderungen in den Haushaltsstrukturen. Junge Haushalte
wohnen immer öfter alleine, Paare bleiben öfter als früher
kinderlos. Weil aber Familien mit Kindern eher als kinderlose Paare und diese wiederum eher als Singles im Wohneigentum leben, ist die Quote der Wohneigentümer bei
den jungen Haushalten nicht mehr angestiegen. Dies gilt,
obwohl jeder dieser „Typen“ für sich betrachtet häufiger
als früher Wohneigentümer wird (vgl. Abbildung 14). Nach
dem statistischen Bild haben Kinderlose eine geringe Affinität zum Wohneigentum.
38
Dennoch sind solche Verhaltenweisen nicht konstant. Ein
stärker differenziertes Angebot kann neue Nachfragerschichten erreichen. So ist es in Großbritannien üblich,
dass auch junge Singles frühzeitig eine kleine Wohnung
kaufen, die beim Einzug eines Lebenspartners oder zur
Geburt des ersten Kindes gegen eine größere eingetauscht wird. Später, nach dem Auszug der Kinder oder im
Ruhestand, wechselt man auch wieder in eine kleine Seniorenwohnung. Dieses Lebenszykluswohnen führt zu höheren Wohneigentumsquoten. Es wird in Deutschland gerade auch als Folge des starren und teuren Angebots
weniger praktiziert. Als Voraussetzung für die Erschließung des Alterssicherungspotentials von Wohneigentum
müsste Wohneigentum auch in Deutschland für mobile
und kinderlose junge Leute interessanter werden.
Wohneigentum wird erst spät erworben
Die schnelle Anpassung in Ostdeutschland darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland nach wie vor
nur niedrige Eigentumsquoten erreicht: Von zehn Haushalten wohnen in Spanien und Irland acht, in Großbritannien
und USA sieben, in Frankreich und Österreich fast sechs,
in Niederlande und Dänemark etwa fünf, aber in Deutschland nur rund vier Haushalte in den eigenen vier Wänden.
Das hat auch Folgen für die Altersvorsorge: Bis zum Eintritt in den Ruhestand lebt nur die Hälfte aller deutschen
Haushalte, aber rund zwei Drittel aller Franzosen und
Schweden sowie rund drei Viertel aller Dänen oder US39
Amerikaner in eigenem Wohnraum. Steigende Mieten
sind für große Mehrheiten im Alter in diesen Ländern kein
Thema. In der Umkehrung dieser Aussage wird der relative Lebensstandard der Mieter im Alter deutlich niedriger
sein, als der Einkommensabstand signalisiert. Armut der
Mieter im Alter wird angesichts der absinkenden Rentenniveaus wahrscheinlich zum wachsenden Problem in vielen Ländern und vor allem auch zum Problem in den typischen Mieterstädten.
Die Unterschiede in den Wohneigentumsquoten korrelieren stark mit dem Ersterwerbsalter für Immobilien. Bis die
Hälfte aller Haushalte eines Geburtsjahrgangs Wohneigentümer wird, sind die Deutschen 45 Jahre alt (früheres
Bundesgebiet: 42 Jahre). Die Franzosen erreichen diese
Marke bereits mit 39 Jahren, die US-Amerikaner mit 31
Jahren und die Briten bereits mit 24 Jahren (vgl. Abbildung 15). Allerdings steigt das Einstiegsalter dort gerade
wieder. Der Zusammenhang dieser Altersgrenzen mit der
Wohneigentumsquote insgesamt macht deutlich, dass ein
wichtiger Schlüssel zur Erhöhung der Wohneigentumsquote – und damit der Schlüssel für eine verbesserte Altersvorsorge – in einer Absenkung des Ersterwerbsalters
liegt. Wer einmal Wohneigentümer geworden ist, wird in
aller Regel nie wieder zur Miete wohnen.
40
Auch innerhalb der Bundesrepublik sind hohe Unterschiede
im Ersterwerbsalter festzustellen. So erreichen mit Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen nur in drei neuen
Ländern überhaupt ein Geburtsjahrgang die 50%-Marke
der Wohneigentümer (vgl. Abbildung 16). Mit Mitte 40 Jahren sind die Haushaltsvorstände dann allerdings recht alt
und die Kinder schon bald aus dem Haus. Mit Ausnahme
von Berlin wird die 50%-Marke in allen alten Bundesländern
erreicht, wobei die Hamburger dafür 62 Jahre alt werden,
während im Saarland bereits jeder zweite 32-jährige Haushaltsvorstand im Eigentum wohnt.
41
3. Zur Zukunft des Wohneigentums
Angesichts der vielfältigen z.T. historisch zufälligen Einflüsse
auf die Eigentumsquote und den oft erst nach Jahrzehnten
deutlichen Wirkungen von Maßnahmen lässt sich keine geschlossene Theorie und darauf aufbauenden Prognosen der
Wohneigentumsbildung entwickeln. Es zeigen sich verschiedene partielle, z.T. sehr eindeutige Wirkungsketten, die einige Folgerungen für die Politik ermöglichen.
Wohneigentümer müssen sich häuten, Wohneigentum muss atmen
Eine Steigerung der Wohneigentumsquote bei den jüngeren
Haushalten würde verschiedene Veränderungen erforder42
lich machen. Am Wohnungsmarkt wäre ein größeres Angebot an kleinen, preiswerten Objekten dringlich. Ähnlich wie
bei der Altersvorsorge sind neue Verhaltensweisen und ein
anderes Selbstverständnis erforderlich. Insbesondere das
Konzept des Wohneigentums als lebenslange „Trutzburg“
müsste aufgegeben werden. Die Vorteile der Immobilie in
einer „Investitionskette“ mehrmaliger Transaktionen
müssten konzeptionell und real auf den Märkten dominieren. Vor allem die Planungspolitik der Kommunen kann eine
solche Differenzierung der Märkte hin zum „Lebenszykluswohnen“ fördern. Subventionen sind dafür nicht erforderlich, sondern sogar ungeeignet.
Wohneigentumsquote unberührt von Eigentumsförderung
Es ist nach den Erfahrungen nicht zu erwarten, dass z.B.
sehr hohe Programmförderungen zu Gunsten von Familien
ungünstige Angebotsbedingungen kompensieren könnten.
Die typischen Risiken jeder Förderung (Mitnehmereffekte,
Lotterieeffekte) bleiben bestehen. Vielmehr sind die Angebotsbedingungen entscheidend für einen Anstieg der Eigentumsquote. Bessere Angebotsbedingungen bedeutet ein
ausreichendes Baulandangebot und damit niedrigere Preise
sowie ein in den Bauformen und Standorten nachfragegerechtes Wohnungsangebot. Unter solchen Bedingungen
kann dann auch eine spezielle Förderung von Familien deren
Marktposition und reale Kaufkraft verbessern, weil die erhöhte Nachfrage dann nicht in Preiseffekten verpufft.
43
Eine restriktive Baulandpolitik nützt vor allem den älteren Immobilienbesitzern, die künstliche Knappheit steigert deren
Immobilienwerte. Eine restriktive Baulandpolitik geht zulasten der jungen Familien, sie können die hohen Preise nicht
finanzieren. Wenn aber bei den jungen Haushalten nichts
passiert, dann wird die Wohneigentumsquote im früheren
Bundesgebiet nicht mehr weiter steigen. Die beschriebenen
Kohorteneffekte bei den Älteren sind weitgehend „durch“,
ein nennenswerter Anstieg der Eigentumsquoten allein
durch Alterung – der Motor der letzten Jahrzehnte – ist nicht
mehr zu erwarten.
Zurück in die Stadt?
Die Struktur der Bauformen wird das Niveau der Wohneigentumsquote weiterhin stark beeinflussen. Allerdings kann
im Zuge der Alterung die Bereitschaft steigen, Wohneigentum in Geschoßwohnungen zu bilden. Die gegenwärtige Erwartung einer steigenden Bereitschaft zum innerstädtischen
Wohnen übersieht, dass ein großer Teil dieser Bestände aus
den 60er und 70er Jahren mit ausgesprochen unattraktiver
Architektur stammt. Urbanes Wohnen richtet sich jedoch
auf bestimmte Qualitäten, die im Wohnungsbau der 60er
und 70er Jahre kaum geboten werden. Steigende Qualitätsansprüche in den Städten können deshalb künftig häufig nur
durch Abriss und Neubau, durch Schließung von Baulücken
oder größere Recyclingprojekte erfüllt werden. Hier bestehen erhebliche politische Handlungsmöglichkeiten. Es ist offen, wie intensiv und zu welchen Preisen diese ausgeschöpft
werden. Hilfreich wäre eine Reform der Grundsteuer, bei
44
der der Boden stärker belastet wird als heute. Dadurch würden Brachflächen und untergenutzte Grundstücke schneller
mobilisiert und „Spekulation“ eingedämmt. Die politischen
Widerstände sind aber groß.
Wertverfall durch Alterung?
Für die Bundesrepublik und andere Länder mit niedrigen
Geburtenraten stellt sich langfristig die Frage, ob die Zahl
der Regionen zunehmen wird, in denen die Eigentümer keine stabile Wertentwicklung mehr erwarten (können) und die
Neigung zur Wohneigentumsbildung abnimmt. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass solche Wertminderungsregionen sich auf sehr kleine Bereiche mit geringer Bevölkerungsdichte und mit Abwanderung beschränken. Die
Nachfrager werden die jeweiligen langfristigen Marktbedingungen in ihren Regionen durchaus rational erkennen und
sich dementsprechend verhalten und ihre Nachfrage reduzieren. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Eigentumsquoten fallen. Sinkt die Nachfrage in Schrumpfungsregionen, dann werden die Preise der Objekte noch
rascher fallen. Die Eigentumsquoten könnten bei sinkenden
Preisen sogar zunehmen.
Planungsentscheidungen der Kommunen behalten ihre Bedeutung
Die Wohneigentumsmärkte waren in der Vergangenheit
stark zyklisch. Auch in Zukunft wird die Nachfrage nach
Wohneigentum zyklisch schwanken. Die Nachfragezyklen
wurden durch die schwerfälligen und langwierigen staatlichen Prozesse zur Bereitstellung von Bauland und die ent45
sprechenden Verzögerungen der Angebotsentwicklung zum
Teil extrem verschärft. In der Diskussion verweisen die
Kommunen darauf, dass die privaten Baulandanbieter zu
dieser Verschärfung beitragen, weil Bodeneigentümer in
der Phase rasch steigender Bodenwerte ihre Flächen vom
Markt zurückhalten und zusätzliche Verknappungseffekte
erzeugen. Zwischen planerischen Entscheidungen und Ausweitung des effektiven Angebots schiebt sich die Verkaufsbereitschaft des Eigentümers. Dieser wichtige Hinweis
übersieht allerdings, dass vorausschauende Kommunen immer einen ausreichenden Vorrat an Bauland geschaffen hätten, um einen Anbieterwettbewerb zu garantieren. Knappe
Baurechte sind die Grundlage spekulativer Zurückhaltung
des Angebots vom Markt.
Eigenkapital verbessert: Integration des Wohneigentums in die Altersvorsorge
Mit Beginn des Jahres 2009 gibt es den Wohnriester: Wer
selbst genutztes Wohneigentum erwirbt, kann sein bis dahin
im Geld-Riestervertrag Angespartes als Eigenkapital in die
Immobilie stecken. Darüber hinaus können die bisherigen
Monatsbeiträge für den Riestervertrag nach dem Kauf direkt in die Tilgung der Baukredite umgeleitet werden. Genauso wie bei Geld-Riesterverträgen ist das in der Immobilie gebundene, mit Riesterzulage geförderte Kapital im Alter
zu versteuern.
Wohnriester ist jedoch keine eierlegende Wollmilchsau. Der
Hauptzweck von Wohn-Riester besteht darin, das private
Altersvorsorgesparen attraktiver zu gestalten, um so die
46
freiwillige Beteiligung zu erhöhen. Denn nach wie vor kümmern sich zu wenige Erwerbstätige ausreichend um ihre Altersvorsorge. Die Attraktivität wurde nun durch mehr Anlagevielfalt erhöht. Als Nebenzweck kann es zu einer
Entlastung von Familien und einer Erhöhung der Wohneigentumsquote kommen. Vorsichtige Schätzungen zeigen jedoch, dass die Quote durch Wohn-Riester mittelfristig nicht
mehr als einen Prozentpunkt höher liegen wird. Angesichts
seit Jahren stagnierender Wohneigentumsquoten junger
Haushalte wäre das allerdings ein Niveausprung. Der Anstieg resultiert im übrigen nicht aus der vergleichsweise geringen Riesterzulage, sondern aus Vorzieheffekten durch
die Vergrößerung des Eigenkapitals. So könnte Riester helfen, dass die Deutschen nicht erst 45 Jahre alt werden müssen, bis die Mehrheit einer Generation im Wohneigentum
lebt.
47
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49
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50
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51
Ulrich van Suntum
Gesellschaftspolitische
Vorteile des Wohneigentums
1. F
unktionen des Privateigentums
in einer Marktwirtschaft
Bei Walter Eucken, dem wichtigsten Vertreter des Ordoliberalismus, ist das Pri­vateigentum eines von sieben konstituierenden Prinzipien der Marktwirtschaft.1 Lud­wig von Mises
schätzte seine Bedeutung als noch grundlegender ein als
die des Wettbewerbsprinzips, was freilich von anderen liberalen Ökonomen wie etwa F. A. von Hayek in dieser Eindeu­
tigkeit nicht geteilt wurde. Weithin unumstritten ist in­dessen,
dass eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung ohne
Privateigentum – auch an den Produktionsmitteln – nicht
funktionieren könnte.
Schon Thomas von Aquin hat die Bedeutung des Privateigentums erkannt. Er leitet das Eigentum aus dem Naturrecht ab.
1 Die anderen sechs sind Wettbewerb, Geldwertstabilität, offene Märkte,
Vertragsfreiheit, Haftung und Konstanz der Wirtschaftspolitik, vgl. Eucken
(1952).
52
So stehe der Mensch in der natürlichen Ordnung Gottes über
den Tieren und erst recht über den leblosen Dingen, woraus
sich eine entspre­chende Verfügungsgewalt ergebe. Ebenso
wie Aristoteles hat aber auch Thomas von Aquin sehr deutlich
auf die positiven Wirkungen hin­ge­wiesen, die mit dem Privateigentum verbunden sind. Demnach verschafft erst das Privateigentum dem einzelnen Freiheit und Sicherheit und zwar
nicht nur vor den Risiken des Alters, der Krankheit und der
Arbeitslosigkeit, sondern auch vor der Fremdbestimmung
durch andere, insbesondere den Staat. Gerade alte Menschen, die ihren Lebensabend ohne ausrei­chende eigene
Mittel in einem Heim verbringen müssen und dort ganz von
der Gnade staatlicher Fürsorge abhängig sind, bekommen die
Folgen der Eigentumslosig­keit sehr praktisch zu spüren.
Insoweit ist Privateigentum geradezu eine Voraussetzung
der Men­schenwürde, worauf die katholische Soziallehre immer wieder hinge­wiesen hat. Nur scheinbar kann beispielsweise auch ein lebenslanges Mietrecht dem Individuum ähnliche Si­cherheit und Rechte geben wie das Eigentum an
einer Wohnung. Denn wie wir oben gesehen haben, würde
das zwar die Übertragung wesentlicher Eigentumsrechte
be­deu­ten, doch ohne entsprechende Pflichten und Verantwortlichkeiten. Im Alltagsleben kann man an vielen Stellen
beobachten, dass dies nicht wirklich funk­tioniert. Geteilte
Verantwor­tung läuft meist darauf hinaus, dass in Wirk­lichkeit
niemand verantwortlich handelt, und Nutzungsrechte ohne
Interesse und Verantwortung für den Werterhalt der Sache
führen tendenziell zu Übernutzung und Verfall. Das ist bei
53
einem gemeinschaftlich genutzten Garten nicht anders als
in bei der Überfischung eines frei zugänglichen Meeres.
Deswegen ist ein vernünftig gestaltetes Privateigentum nicht
zuletzt auch eine friedenssichernde Institution. Wo die verschiedenen Dimensionen des Eigentums in einer Person vereint sind, können Konflikte etwa zwischen Nutzungs- und
Veräußerungsinteressen natur­gemäß nicht auftreten. Es bleiben na­türlich immer noch genügend Kon­fliktfelder übrig, wie
etwa das Nachbarschaftsrecht oder der Umweltschutz. Aber
viele andere gesellschaftliche Streitpunkte erledigen sich
durch die Schaffung von Privateigentum praktisch von selbst.
Der Privat­eigentümer einer Wohnung braucht zum Bei­spiel
nicht erst dazu angehalten zu werden, sich um den Werterhalt
zu kümmern – er tut dies schon allein aus eigenem Interesse.
Allerdings ist der Unterschied zwischen naturrechtlichen
Begründungen einerseits und nüchternen Zweckmäßigkeitskalkülen andererseits in der Praxis geringer, als es auf den
ersten Blick erscheinen mag. Auch moderne Naturrechtsvertreter wie etwa James Buchanan argumentieren durchaus mit den gravierenden Vortei­len, wel­che diese Rechte für
die Gesellschaft insgesamt haben (Schüller 1988: 158).
Welches sind nun die positiven Wirkungen, welche man
dem Privat­eigentum grundsätzlich zu­erkennen kann? Im
Sinne der modernen Property-Rights-Theorie ist hier zunächst zwischen drei Dimensionen zu unterscheiden, näm­
lich den Ertragsrechten, den Verfügungsrechten und den
54
Nutzungsrechten des Eigentums. Gerade am Beispiel der
Wohnimmobilien kann man sich diese Dimensionen gut klarmachen (van Suntum 2008):
–Der Eigentümer einer unkündbaren Mietwohnung hat das
Ertrags­recht, aber kein Nutzungsrecht und auch nur ein
stark einge­schränktes Verfügungsrecht. Zum Bei­spiel
kann er die Wohnung nicht einfach umbauen lassen, ohne
den Mieter zu fra­gen.
–Der Pächter eines Grundstückes hat das Ertragsrecht und
das Nut­zungsrecht, aber kein Verfügungsrecht über das
Grundstück. Er darf es insbesondere nicht verkau­fen.
–Der Mieter eines Wohnhauses wiederum hat das Nutzungsrecht, aber nur einge­schränkte Verfügungs- und Ertragsrechte. Er kann es zum Beispiel nicht einfach zu einer Pension umwidmen.
Man sieht an diesen Beispielen, dass das Privateigentum
insbesondere an der vermieteten Wohnung sehr stark eingeschränkt sein kann und in Deutschland auch tatsächlich
ist. So hat das Bundesver­fassungsgericht in einem Aufse­
hen erregenden Urteil im Jahr 1993 dem Mieter einer Wohnung explizit Eigentumsrechte zuerkannt, womit sie gleichzeitig dem eigent­lichen Eigentümer entzogen wurden.2 Die
2 Siehe die Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Mai 1993. Der seitdem mehrfach vom Bundesverfassungsgericht bestä­tig­te Satz lautet: „Das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist Eigentum im Sinne des Artikels 14, Absatz 1, Satz 1
Grundgesetz“.
55
vermietete Wohnung darf zum Beispiel nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen gekündigt werden, selbst
wenn der Eigentümer sie gerne selbst nutzen möchte.
Auch das Eigentum an einem Grundstück be­deutet noch
lange nicht, dass man darauf bauen oder machen kann, was
man will. Bebauungspläne, Umwelt- und Lärmschutzvorschriften, Abstandserlasse und unter Umständen der Denkmalschutz sind zu beachten, wobei es durchaus vorkommen
kann, dass der Wert des Grundstücks durch entsprechende
Auflagen auf Null oder sogar auf einen negativen Wert sinkt.
So kann der formale Eigentümer eines Mietshauses in Wirklichkeit gänzlich vermögenslos sein, wenn nämlich die eingenommenen Mieten seine Kosten nicht de­cken und eine anderweitige Verwendung der Im­mobilie nicht möglich ist, z. B.
aus Gründen des Denkmal- oder des Mieterschutzes. Eine
solche Immobilie hätte den Wert Null oder sogar einen negativen Wert, d.h. man würde sie nur veräußern kön­nen,
wenn man dem Käufer noch eine Ausgleichszahlung für den
künftigen Er­hal­tungsaufwand mitgibt. Wird die Instandhaltung jedoch mangels jeder Aussicht auf Kostendeckung unterlassen, drohen Mietkürzungen und gesellschaftspolitische Sanktion.
Auf diese Weise sind beispielsweise in Tschechien die eigentlichen Eigentümer der Wohnungen schleichend enteignet
worden. Während sie selbst nur eine staatlich festgesetzte,
weit unter den Kosten liegende Miete erhalten, werden ihre
Wohnungen von den Mietern zum wahren Marktwert unter56
oder weitervermietet. Es versteht sich von selbst, dass unter
solchen Umständen private Investitionen in fremdvermieteten
Wohnraum auf das Notwendigste beschränkt werden. Die
langfristigen Folgen hinsichtlich Zahl und Qualität des Wohnraums sind dementsprechend negativ.
Es ist deshalb bei sozial- oder umweltpolitisch motivierten
Eingriffen in das Privateigentum stets abzuwägen, ob nicht
elementare Eigentumsfunktionen dabei verloren zu gehen
drohen. Dabei ist gerade bei einem langlebigen Gut wie der
Wohnung nicht nur auf die kurze Frist zu sehen. Der Neubau
von Wohnungen macht im Durchschnitt nur etwa 1% des
Wohnungsbestandes aus. Die Folgen unterlassener Investitionen werden deshalb erst nach vielen Jahren wirklich
spürbar und sind dann auch nicht schnell zu korrigieren.
Eine weitere ökonomische Funktion des Privateigentums
besteht in den Sparan­reizen, die es bietet. Sieht man von
konjunkturellen Sonder­situationen einmal ab, dann ist das
Sparen ökonomisch prinzipiell positiv zu beurteilen. Ohne
Sparen gibt es keine Investitionen, und ohne Inves­titionen
ist es kaum möglich, den Lebensstan­dard der Bevölkerung
zu steigern. Mit den sich abzeichnenden demografi­schen
Problemen gewinnt das Sparen noch weiter an Bedeutung,
da künftig immer mehr Rentner durch immer weniger Erwerbstätige finanziert werden müssen. Die im Umlagever­
fahren der Rentenversicherung erworbenen Altersversorgungsansprüche sind in einer solchen Situation für echte
Vermögensbildung kein Ersatz. Sie stellen zwar individuell
57
zurechenbare Ansprüche auf künftiges Sozialprodukt dar,
aber es steht ihnen keine realwirtschaftliche Substanz für
die spätere Einlösung des Rentenversprechens gegenüber.
Dagegen wird bei privater Altersvorsorge nicht nur schein­
bar, sondern tatsächlich ein realer Kapitalstock aufgebaut,
der später in gesamtwirtschaftlicher Sicht die Aufbringung
der Alterseinkünfte erleich­tert.
Das gleiche gilt für die Beamten­pensionen, für die nicht einmal ein individueller Eigentumsanspruch besteht. Da Pensionen nämlich nicht aus Beiträgen, son­dern unmittelbar aus
Steuermitteln finanziert werden, können sie prak­tisch beliebig gekürzt oder auch – etwa durch Anrechnung anderer
Ein­künfte – fak­tisch ganz gestrichen werden. Private Vermögen und Versicherungen, und insbesondere eben auch Immobilien, sind weit weniger stark staatlicher Willkür ausgesetzt, da sie von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG
geschützt werden.
Es besteht nicht nur aus individueller, sondern auch aus
gesamt­wirt­schaftlicher Sicht ein großes Interesse daran, die
Altersvorsorge wenigstens teilweise auf eine private Kapitalbasis zu stützen. Zwar könnte man im Prinzip auch innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung entspre­chende
Kapitalrücklagen bilden. Diesen würde dann allerdings der
individuelle Eigen­tumsschutz fehlen. Vor allem aber zeigt die
Erfahrung, dass Kollektive letztlich wenig Sparanreize bieten. Stattdessen verschulden sie sich im Zwei­fel sogar noch
um des heutigen Konsums willen. Die Rentenversicherung,
58
in der sogar die mini­male Kapitalbasis einer dreimonatigen
Schwankungs­reserve inzwischen aufgegeben wurde, ist
der beste Beleg dafür. Auch in den übrigen staatlichen Haus­
halten des Bundes, der Länder oder der Kommunen finden
sich kaum Beispiele für das Anlegen einer Kapitalreserve.
Sie sind im Gegenteil durch ständig steigende Verschuldungsquoten gekennzeichnet, vielfach bei gleich­zeitiger
Vernachlässigung auch nur der notwendigsten Ersatzin­
vestitionen etwa in die Verkehrswege oder die kommunale
Versor­gungsinfrastruktur. Dagegen sind private Immobilien
echte Kapital­rücklagen für die Zukunft der al­ternden Gesellschaft, die zudem in aller Regel im Zeitverlauf immer stärker
entschuldet werden.
2. V
orteile des privaten Wohneigentums
im Einzelnen
Pflege und Erhalt der Wohnungssubstanz
Schon Aristoteles und Thomas von Aquin wussten, dass die
Menschen mit ihrem Privateigentum sorgsamer umgehen
und es besser pflegen als die Dinge, die sie zwar nutzen
dür­fen, welche ihnen aber nicht gehören. In der ökonomischen Literatur wird dieses Phänomen, bezogen auf das
Wohnen, als rental externality bezeichnet (Henderson und Ioannides 1983). Damit ist gemeint, dass der Mieter weniger
Nutzen von der Pflege und Instandhaltung der von ihm bewohnten Wohnung hat als der Eigentümer. Das erscheint
auch nur na­türlich – warum soll man viel in eine Wohnung
59
investieren, aus der man viel­leicht schon bald wieder ausziehen will oder muss?
Der marode Zu­stand, in dem sich der Wohnraum in der Endzeit der DDR befan­d, war ein besonders drastischer Beleg
für diese These. Da die Wohnungen dort praktisch niemandem gehörten, wurde in sie auch kaum investiert. Das Phänomen der rental externality lässt sich aber auch für andere
Länder nachweisen. So haben Galster (1983) und Shilling
u.a. (1991) für die USA zeigen können, dass die Qualität vermieteter Immobilien unter sonst gleichen Umständen signifikant schlechter ist als die entsprechender Eigenheime. Dies
gilt insbesondere dann, wenn die Mieten gesetzlich nach
oben begrenzt sind, weil die Eigentümer dann die Kosten
von Modernisierungsmaßnahmen schlecht amortisieren
können. Takakura (2008) hat diese Ergebnisse anhand von
Daten des sozio-ökonomischen Panels auch für Deutschland bestätigen können. Dies gilt trotz des in Deutschland
stark ausgebauten Kündigungsschutzes, der dem Mieter ein
zeitlich fast unbegrenztes Wohnrecht einräumt und ihm damit eigentlich Anreize geben sollte, in die von ihm bewohnte
Wohnung zu investieren (Takakura 2008: 18).
Vermeidung von Streit und Nutzungskonflikten
Man kann natürlich versuchen, das Problem durch Hausord­
nungen, Renovierungspflichten für Mieter und ähnliche Vorschriften abzumildern. Aber das sind konfliktträch­tige und
stark überwachungsbedürftige Hilfs­kon­struktionen, die des60
wegen oft zu per­manenten gesellschaftlichen Konflikten
führen. In der Ökonomie ist dies als das Prinzipal-AgentenProblem bekannt: Der Prinzipal (hier der Wohnungseigentümer) kann nur unvollkommen festlegen und kontrollieren,
welche Renovierungsleistungen der Agent (hier der Mieter)
erbringt. Das komplizierte deut­sche Mietrecht und die hohe
Zahl der deswegen geführten Prozesse (im Jahr 2007 waren es rund 275.000) veranschaulichen diese Problematik
sehr deutlich.
Selbstgenutztes Wohneigentum trägt daher nicht unerheblich zur Vermeidung gesellschaftspolitischer Konflikte bei.
So werden die Kosten von Renovierungen, Lärmschutz und
energiesparenden Maßnahmen hier automatisch von demjenigen getragen, der davon auch profitiert. Das kommt nicht
nur der Effizienz entsprechender Investitionsentscheidungen
zugute, es macht auch bürokratische und konfliktträchtige
gesetzliche und vertragliche Regelungen dazu weitgehend
entbehrlich. Gäbe es in Deutschland wie in anderen Ländern überwiegend selbst genutztes Wohneigentum, so
wäre eine Vereinfachung und Entschlackung des überaus
komplizierten Mietrechts politisch vermutlich leichter durchsetzbar.
Soziale Stabilität von Stadtvierteln und bürgerschaftliches Engagement
Oft er­streckt sich das Engagement des Wohneigentümers
auch auf die unmittelbare Nachbarschaft und die Kommune
61
– wer will schon Eigentum in einer unattraktiven oder gar
herunter­ge­kom­menen Gegend haben? Wohnungsgesellschaften, die einen Teil ih­rer Wohnungen an die Mieter verkaufen, machen darum oft die Erfah­rung, dass dadurch das
ganze Wohngebiet an Attraktivität gewinnt. Dies ist auch
durch eine Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für
Bauwesen und Raumordnung (BBR) anhand von 21 Fallbeispielen in 14 westdeutschen Großstädten bestätigt worden
(Vogt u.a. 2003). Demnach führt der Verkauf von Bestandswohnungen an Selbstnutzer in sozial benachteiligten Stadtteilen in der Regel zu einer engeren Bindung der Bewohner
an „ihr“ Wohnviertel und erhöht sowohl die soziale Stabilität
der Viertel als auch die Zufriedenheit der dort lebenden
Menschen. Durch eine stärkere soziale Kontrolle verändere
sich zudem das Verhalten der Bewohner zum Gemeinschaftseigentum positiv. In den untersuchten Fällen waren
Wohnungen sowohl an ihre bisherigen Mieter als auch an
neu Hinzugezogene verkauft worden, insbesondere auch an
nichtdeutsche Käufer und an junge Familien. Letzteres trug
zu einer stärkeren Durchmischung der Wohngebiete bei, die
sich ebenfalls positiv auf die Attraktivität und die soziale
Stabilität auswirkte.
Diese Ergebnisse decken sich mit internationalen Erfahrungen. Demnach trägt Wohneigentum zur Stabilität der Familien, zum Schutz der Umwelt, zum Wohl und zum Bildungserfolg der Kinder und zur Reduktion von Kriminalität in
den betreffenden Gegenden bei (vgl. Dietz 2003 zu einem
umfassenden Literaturüberblick). Der positive Einfluss auf
62
Kinder und Jugendliche erklärt sich u.a. durch das stärkere
Interesse der Wohneigentümer an ihrer sozialen Umgebung
und der daraus entstehenden stärkeren sozialen Kontrolle
(Green and White 1997; Haurin u.a. 2002). Was die schulischen Leistungen betrifft, beschränkt sich der positive Einfluss des Wohneigentums allerdings auf die Kinder der Eigentümer und strahlt offenbar nicht auf die Nachbarn aus,
so dass sich hieraus zumindest kein positiver externer Effekt ergibt (Voigtländer 2006: 32). Nach Dietz (2003: 13)
ist für die Erklärung regional unterschiedlicher Kriminalitätsraten die Wohneigentumsquote die zweitwichtigste Größe
neben dem Einkommen, wobei allerdings Ursache und Wirkung nicht immer genau getrennt werden können.
Es lässt sich anhand der Daten des sozio-ökonomischen Panels für Deutschland auch zeigen, dass selbstnutzende Wohnungseigentümer signifikant stärker in Bürgerinitiativen und
Parteien aktiv sind als Menschen, die zur Miete wohnen (van
Suntum/Uhde 2009). Dabei dürften vor allem kommunalpolitische Aktivitäten im Vordergrund stehen, da insgesamt nur
sehr wenige Menschen in der Landes- oder Bundespolitik engagiert sind. Auch dieser Befund deckt sich mit internationalen Erfahrungen (Dietz 2003; DiPasquale und Glaeser 1999).
Demnach pflegen Eigentümer nicht nur mit höherer Wahrscheinlichkeit den Garten, sondern nehmen auch stärker an
Kommunalwahlen teil und kümmern sich stärker um lokale
Probleme als Mieterhaushalte. Für Deutschland sind die entsprechenden Unterschiede zwar geringer als in den USA,
aber gleichwohl signifikant (Voigtländer 2006: 32).
63
Geeignete Form der Altersvorsorge
Für das Wohnen in den eigenen vier Wänden wird oft das Argument vorgetragen, hier lasse sich Konsum und Altersvorsorge in idealer Weise miteinander verbinden („Die einzige
Altersvorsorge, in der Sie heute schon wohnen können“). Tatsächlich ermöglicht der kreditfinanzierte Kauf oder Bau eines
Eigenheims eine Optimierung des Lebenskonsums im Sinne
der Lebenszyklushypothese (Abb. 1). Diese geht davon aus,
dass das Haushaltseinkommen in den mittleren Lebensjahren
am höchsten ist, während es in der Frühphase der Erwerbstätigkeit und in der Rentenphase jeweils geringer ausfällt. Der
Euro ist also in der mittleren Lebensphase gewissermaßen
weniger knapp als in den beiden Phasen davor und danach.
Unter diesen Umständen ist es in der Tat sinnvoll, sich in der
ersten Lebensphase zu verschulden, in der mittleren Lebensphase die Schulden zu tilgen und gleichzeitig für das Alter zu
sparen, um in der letzten Lebensphase schließlich neben der
Rente noch ein Zusatzeinkommen zu haben bzw. sein Vermögen ganz oder teilweise in Konsum umzuwandeln.
64
Eben eine solche Konsumglättung über den Lebenszyklus
erfolgt beim kreditfinanzierten Eigenheimerwerb. Sie ist insbesondere für Familien mit Kindern sinnvoll, da die Zeit der
Familiengründung meist gleichzeitig durch geringes Einkommen und hohe Wohnbedürfnisse gekennzeichnet ist. Sind
die Kinder später aus dem Haus, können die Schulden getilgt und der Wohnkonsum wieder reduziert werden. Typischerweise ist in der Praxis nach etwa nach 25 Jahren die
Belastung von Wohneigentümern mit Wohnkosten geringer
als diejenige vergleichbarer Mieter (Krings-Heckemeier u.a.
1997: 36).
Es lässt sich zwar zeigen, dass eine entsprechende Konsumoptimierung theoretisch auch dem Mieter in gleicher Weise möglich wäre (van Suntum 2009). Dies gilt allerdings nur
unter der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes
und in einer Welt ohne Steuern. In der Praxis scheitert eine
entsprechende Schuldenaufnahme des Mieters in jungen
Jahren dagegen schon an den geringeren Sicherheiten, die
er der Bank im Vergleich zum Hauseigentümer in der Regel
bieten kann. Außerdem hat der selbstnutzende Eigentümer
einen weiteren Vorteil gegenüber dem Mieter, denn er muss
die impliziten Erträge seiner Wohnung (die ersparte Miete)
nicht versteuern. Jedenfalls gilt dies bei Anwendung der sogenannten Konsumgutlösung, welche in Deutschland seit
1987 gilt und die auch in den meisten anderen Ländern in
mehr oder weniger reiner Form zur Anwendung kommt. Dagegen muss der Mieter alle Erträge aus (finanziellen) Vermögensanlagen versteuern, was ihn bei der Altersvorsorge
65
prinzipiell benachteiligt. Selbst eine Rückkehr zu der früher
in Deutschland geltenden Investitionsgutlösung würde diesen Nachteil nicht vollständig beseitigen. Denn dann könnte
der selbstnutzende Eigentümer die Schuldzinsen auf sein
Haus steuerlich absetzen, während der Mieter die Zinsen für
einen entsprechenden Konsumkredit aus voll versteuertem
Einkommen bezahlen müsste (van Suntum 2009).
Erhöhung der Lebenszufriedenheit
Abseits aller rein ökonomischen Gesichtspunkte im engeren
Sinne scheint das Wohnen im eigenen Heim ein tief verwurzeltes Bedürfnis der Menschen zu sein, welches durch das
Wohnen zur Miete nicht in gleicher Weise befriedigt werden
kann. Vier von fünf Bundesbürgern wollen statt zur Miete
lieber in den eigenen vier Wänden wohnen (Jokl 1997: 5).
Das ist durchaus ein auch gesamtwirtschaftlich gewichtiges
Argument, wenn man Ökonomie als die Wissenschaft davon versteht, die Menschen mit begrenzten Mitteln möglichst zufrieden zu machen. Bloße Rentabilitätsberechnungen in Euro und Cent greifen jedenfalls zu kurz, wenn
man ökonomisch sinnvolle Entscheidungen treffen will. Worauf es wirklich ankommt, sind die Wünsche der Menschen,
denen natürlich die entsprechenden Kosten gegenüberzustellen sind.
Die noch relativ junge ökonomische Glücksforschung hat
gezeigt, dass das Wohneigentum – bei sonst gleichen Umständen – signifikant die Lebenszufriedenheit der Betrof66
fenen erhöht (Kittiprapas u.a. 2007: 12). Dieser Zusammenhang gilt sowohl für Schwellenländer wie Thailand (Gray and
Kramanon 2007) als auch für Industrieländer wie Großbritannien und Japan (Powdthavee 2007; Kusago 2007). Auch
für Deutschland lässt sich aus den Daten des sozioökonomischen Panels ein entsprechender Zusammenhang nachweisen (van Suntum/Uhde 2009).
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Wohneigentum verschafft Sicherheit und Geborgenheit, es kann sich wandeln,
den individuellen Bedürfnissen ohne Rücksicht auf die Zustimmung eines Vermieters angepasst werden und es ist ein
Rückzugsraum aus dem immer stärker fremdbestimmten
beruflichen und öffentlichen Leben. Gerade der – von Kritikern des Wohneigentums oft belächelte – Freiheitsaspekt
steht bei den Gründen, welche von der Bevölkerung für
Wohneigentum angegeben werden, ganz oben, noch vor
den finanziellen Vorteilen. So waren nach einer von Jokl
(1997) angeführten Umfrage die wichtigsten von insgesamt
16 abgefragten Vorteilen des Wohneigentums im Urteil der
Befragten folgende (Mehrfachnennungen möglich):
Bewegungsfreiheit für Kinder (64%)
Freie Entfaltung (61%)
Freie Gestaltung (59%)
Unabhängigkeit vom Vermieter (58%)
Finanzielle Vorteile (49%)
67
Als bevorzugte Wohnform steht das Einfamilienhaus nach
einer von Jokl (1997: 12) zitierten Emnid-Umfrage mit 75%
der Nennungen ganz vorne, vor allem wenn es freistehend
ist (32% der Nennungen, Mehrfachnennungen jeweils möglich). Dies steht in deutlichem Kontrast zu wohnungspolitischen Vorstellungen, nach denen es eine Stadtwohnung,
eventuell mit Gemeinschaftsgarten, eigentlich genauso gut
tun würde. Auch hier führt es nicht viel weiter, die jeweiligen
Vor- und Nachteile „objektiv“ gegeneinander abzuwägen.
Was ökonomisch zählt, sind letztlich die Präferenzen der
Menschen, und diese gehen nach allem, was wir wissen, in
eine andere Richtung. So haben sich Versuche, die Vermögensbildung in Deutschland durch staatliche Förderung
mehr in Richtung von Finanzvermögen zu lenken, empirisch
als weitgehend wirkungslos erwiesen – die Förderung wurde zwar angenommen, floss dann aber über entsprechende
Substitutionsprozesse letztlich doch wieder bevorzugt in
das Wohneigentum (Westerheide 1998: 245).
Wohneigentumsquoten international
Spanien
86%
Österreich
Belgien
74%
Frankreich
Griechenland
74%
Dänemark
Italien
72%
Niederlande
Großbritannien
69%
Deutschland
Schweden
65%
Schweiz
Quelle: Institut für Städtebau
68
56%
55%
53%
53%
43%
36%
Darauf weisen auch die international hohen Wohneigentumsquoten hin. Deutschland liegt hier mit 43% mit Ausnahme der Schweiz (36%) 3 am unteren Ende der Skala,
wenn auch mit steigender Tendenz (Tabelle). Dies liegt
zweifellos auch an der historischen Sondersituation
(Behring/Helbrecht 2002: 15).
Zum einen wurde im Zweiten Weltkrieg ein Großteil des
Wohnraums in Deutschland zerstört und musste in sehr
kurzer Zeit wieder aufgebaut werden. Dies wäre ohne den
staatlich geförderten Mietwohnungsbau kaum möglich gewesen. Die daraus erwachsene, jahrzehntelange finanzielle
und rechtliche Begünstigung des Wohnens zur Miete hat
zweifellos die Bildung von Wohneigentum tendenziell behindert. Zum zweiten hat die Deutsche Vereinigung die gesamtdeutsche Wohneigentumsquote statistisch nochmals
sinken lassen, da in der früheren DDR die Wohnungen
überwiegend Kollektiveigentum waren. Seit 1990 steigt jedoch auch in Ostdeutschland die Wohneigentumsquote
kontinuierlich an, 2002 lag sie mit 34% bereits um acht
Prozentpunkte höher als 10 Jahre zuvor.
3 In der Schweiz gilt anders als international üblich das Investitionsgutprinzip, d.h. der selbstgenutzte Wohnraum muss wie eine monetäre Zinseinnahme versteuert werden.
69
3. G
esellschaftliche Nachteile des selbstgenutzten Wohneigentums
Einschränkung der Mobilität
Kritisch wird gegen das selbstgenutzte Wohneigentum vorgebracht, dass es die Mobilität der Bevölkerung mindere.
Darin wird vor allem eine Belastung des Arbeitsmarktes
durch zunehmendes Mismatch gesehen, indem offene Stellen und Arbeitsuchende aufgrund ihrer unterschiedlichen
Standorte schwerer zueinander finden (Oswald 1997; Voigtländer 2006).
Tatsächlich ist empirisch mehrfach nachgewiesen worden,
dass selbstnutzende Wohnungseigentümer tendenziell weniger mobil sind als Mieter (Frick 1996; Kemper 1994). Vor
allem in Perioden niedriger Hauspreise scheuen sie einen
Wohnungswechsel, um Verluste zu vermeiden (Stein 1995).
Allerdings gilt nach einer entsprechenden Untersuchung von
Nolte (2000) Ähnliches auch für die Bewohner von Sozialwohnungen, da diese bei einem Umzug befürchten müssen,
nicht wieder eine ähnlich günstige (weil subventionierte) Wohnung zu finden. Ähnliches gilt für langjährig bestehende Mietverhältnisse im frei finanzierten Wohnungsbau, deren Mietpreisniveau oft deutlich unter dem entsprechender
Neumietverhältnisse liegt, was ebenfalls mobilitätshemmend
wirkt (Nolte 2000: 121f). Zudem hängt demnach die Mobilität
der Bevölkerung noch von einer Reihe weiterer Faktoren ab,
70
so etwa von der Wohndauer (negativ), dem Einkommen (positiv), dem Alter (negativ) und dem Bildungsgrad (positiv).
Die mobilitätshemmende Wirkung des Wohneigentums
könnte verringert werden, wenn die fixen Kosten eines Eigentumswechsels geringer wären. Insbesondere ist hier an
eine Senkung oder Abschaffung der Grunderwerbsteuer zu
denken, welche ohnehin steuersystematisch kaum zu begründen ist (Hellmann 2003: 156 ff). Auch das restriktive
Mietrecht kann sich als mobilitätshemmend für Wohnungseigentümer erweisen, weil es die Option einer – ggfs. vorübergehenden – Vermietung des eigenen Heims aus Gründen eines Berufswechsels unattraktiv macht. Umgekehrt
zeigen empirische Studien aus dem Ausland, dass eine Versteuerungspflicht von Veräußerungserlösen im privaten
Wohnungsmarkt die Mobilität der Wohneigentümer beeinträchtigt (Dietz 2003: 12).
Aus einer geringeren Umzugsbereitschaft von Wohneigentümern folgt noch nicht unbedingt eine Verstärkung des
Mismatch am Arbeitsmarkt. So kann anstelle eines Wohnungswechsels beispielsweise auch gependelt werden.
Nolte (2003: 215) findet anhand der Daten des sozioökonomischen Panels in der Tat eine signifikant höhere Pendelbereitschaft von selbstnutzenden Eigentümern, zumindest bei
mittleren Entfernungen (zwischen 35 und 50 km). Hinzu
kommt, dass Wohneigentümer aufgrund ihrer Schuldenbelastung und ihrer sozialen Integration besonders stark motiviert sind, möglichst nicht arbeitslos zu werden und es auch
71
weniger häufig sind (Bover u.a. 1989; Voigtländer 2006:
35). Die Frage, inwieweit das Wohneigentum tatsächlich die
Flexibilität des Arbeitsmarktes beeinträchtigt, kann daher
bisher nicht eindeutig beantwortet werden.
Bündelung von Risiken
Die Eignung des Wohneigentums als Altersvorsorge ist
nicht unbestritten. Zum einen wird auf eine relativ geringe
Rentabilität – etwa gegenüber der Vermögensanlage in Aktien – verwiesen (Verhülsdonk 2004). Zum anderen wird ein
Risiko darin gesehen, den Großteil der privaten Altersvorsorge in einem einzelnen Objekt zu bündeln. Insbesondere
unter den demografischen Vorzeichen einer alternden Gesellschaft wird auch befürchtet, dass größere Wohnimmobilien im ländlichen Raum sich nicht als wertbeständig erweisen könnten. Dahinter steht die sogenannte capital-melt
down-Hypothese (Mankiw und Weill 1989), die wiederum am
Lebenszyklus-Konzept des Sparens ansetzt: Wenn die ältere Generation in der Überzahl ist und beginnt, ihre Vermögen zu verkonsumieren, müsse dies zum Preisverfall von
Vermögenswerten führen. Speziell für den amerikanischen
Häusermarkt sagten Mankiw und Weil 1989 einen Preisverfall von 47% in den kommenden Jahrzehnten voraus. Die
Immobilien- und Finanzkrise 2008 kann nicht als Bestätigung
dieser These gelten, denn diese hatte geldpolitische und
konjunkturelle Ursachen und nichts mit den langfristigen demografischen Problemen zu tun. Zudem hat sie gerade auch
finanzielle Formen der Altersvorsorge wie Aktien und Be72
triebspensionen getroffen, während speziell in Deutschland
(und Österreich) die Immobilienpreise stabil geblieben sind.
Gleichwohl ist das Risiko einer einseitigen Altersvorsorge in
Form von selbstgenutztem Wohneigentum nicht von der
Hand zu weisen. In Deutschland haben die meisten Eigenheimbesitzer im Alter aber zusätzlich sowohl Ansprüche an
die Rentenversicherung oder in Pensionsform als auch erhebliche weitere finanzielle Reserven. Auch sind Wohnimmobilien hierzulande mit weitaus höheren Eigenkapitalanteilen und anderen Sicherheiten finanziert als etwa in
Großbritannien und den USA, so dass die Gefahr einer
Überschuldung im Normalfall sehr gering ist. Die wenigen
Fälle, in denen es dennoch dazu kommt, gehen i.d.R. nicht
auf das Wohneigentum selbst, sondern auf andere Faktoren
wie Scheidung und Arbeitslosigkeit zurück.
Flächenverbrauch und Verkehrserzeugung
Häufig wird dem Wohneigentum in der politischen Diskussion vorgehalten, es sei mit einem höheren Flächenverbrauch
als die Mietwohnung verbunden und erzeuge zudem mehr
Individualverkehr. Diese (vor allem in Deutschland geübte)
Kritik richtet sich namentlich gegen das freistehende Einfamilienhaus im ländlichen Raum, erweist sich aber bei genauerer Betrachtung als fragwürdig. In Deutschland entfallen 12,3% der Bodennutzung auf Siedlungs- und
Verkehrsflächen und davon wiederum ca. ein Viertel (3,2%)
auf Wohnflächen (Statistisches Bundesamt 2005). Unter73
stellt man, dass von dieser Fläche etwa die Hälfte Freiflächen, insbesondere Gärten sind, dann beläuft sich der Anteil der durch Wohngebäude einschließlich Garagen,
Zufahrten und Wege tatsächlich „versiegelten“ Flächen auf
lediglich 1,6% der insgesamt genutzten Fläche. Die Flächeninanspruchnahme („verbrauchen“ kann man Flächen
nicht!) durch das Wohnen ist in Deutschland also insgesamt
vergleichsweise gering, was örtlich begrenzte Probleme natürlich nicht ausschließt.
Die Kritik beruht zudem im Kern auf der Annahme, es würden durch das Wohnen im eigenen Heim externe (Umwelt-)
kosten zulasten der Allgemeinheit erzeugt. Dies ist jedoch
schon von der Grundannahme her durchaus fraglich: So
dürfte die ökologische Vielfalt in ländlichen Wohngebieten
deutlich größer sein, als dies auf den landwirtschaftlichen
Nutzflächen der Fall war, auf denen sie entstanden sind. Ob
der Individualverkehr tatsächlich mehr externe Kosten als
Nutzen (einschließlich der von ihm aufgebrachten Steuern)
verursacht, ist ebenfalls umstritten (Link 2005), zumal die
Ermittlung der externen Kosten mit massiven methodischen
Problemen und Bewertungsspielräumen verbunden ist (van
Suntum 2006: 145ff; Maibach et. al. 2008). Selbst wenn
dem so wäre, hätte eine entsprechende Korrektur beim Verkehr anzusetzen und nicht bei einer politischen Umlenkung
der Wohnwünsche. Diese Argumentationslinie gegen das
selbstgenutzte Wohneigentum soll darum hier nicht weiter
behandelt werden.
74
4. Fazit
Insgesamt überwiegen nicht nur aus individueller Sicht, sondern auch gesamtwirtschaftlich wohl die Vorteile des selbstgenutzten Wohneigentums. Die wenigen Gegenargumente
sind zumindest im Falle Deutschlands wenig relevant und
empirisch nicht gut belegt. Daraus ist allerdings noch nicht
ohne Weiteres ein Argument für die staatliche Förderung
des Wohneigentums abzuleiten, denn viele der gesamtwirtschaftlichen Vorteile schlagen sich ohnehin bereits positiv
bei den Eigentümern selbst nieder (Voigtländer 2006; Eekhoff 2002: 139 ff). Zumindest aber sollte das selbstgenutzte
Wohneigentum gegenüber dem Wohnen zur Miete nicht diskriminiert werden. Die Einbeziehung der selbstgenutzten Immobilie in die Riesterförderung im Jahr 2008 war in diesem
Sinne deshalb durchaus konsequent.
75
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81
Peter Westerheide
Staatliche Förderung
des Wohneigentums
1. Einleitung
In vielen Ländern hat die Förderung des Wohneigentums
eine lange Tradition. Es werden beträchtliche öffentliche
Mittel dafür eingesetzt. Im Folgenden werden zunächst auf
theoretischer Basis mögliche Ziele und Begründungszusammenhänge der Wohneigentumsförderung herausgearbeitet.
Anschließend werden Entwicklung und Kosten der Wohneigentumsförderung in Deutschland beschrieben.
Im folgenden Abschnitt wird die aktuelle deutsche Förderkulisse mit der anderer europäischer Länder verglichen. Ein
weiteres Kapitel befasst sich mit den Wirkungen der Wohneigentumsförderung. Der Beitrag schließt mit einem Zukunftsausblick.
82
2. Ziele und Begründungen der Wohneigentumsförderung
Die staatliche Förderung des Wohneigentums wird üblicherweise mit einer Reihe übergeordneter Ziele verknüpft. Allgemein können diese Ziele in drei Kategorien eingeordnet
werden: Eine erste Kategorie bildet die Verbesserung der
Wohnungsversorgung (wohnungspolitische Ziele). Eine
zweite Kategorie stellt auf die Förderung der Vermögensbildung der privaten Haushalte ab (vermögenspolitische Ziele).
Einer dritten Kategorie sind alle spezielleren Förderzwecke
zuzurechnen, wie z.B. die Förderung des energiesparenden
Bauens, die Förderung bestimmter Wohnformen bzw. Objekttypen – z.B. Mehrgenerationenhäuser oder altengerechtes Bauen – oder die Förderung bestimmter Regionen
(Sonderziele).
Aus ordnungspolitischer Sicht ist in jeder dieser Kategorien
zu fragen, warum ein staatliches Eingreifen in den Markt als
erforderlich angesehen wird bzw. warum die Allokation nicht
einfach dem Markt überlassen werden sollte. Dabei können
sozialpolitische Motive sowie meritorische Bedürfnisse und
externe Effekte als Legitimationsaspekte unterschieden
werden, die in jeder der genannten Kategorien eine Rolle
spielen können (vgl. Abbildung 1).
83
Verteilungs- und gesellschaftspolitische Begründung der
Wohneigentumsförderung
Die Wohneigentumspolitik kann einerseits der sozialpolitisch
motivierten Verteilungspolitik zugerechnet werden. Dies gilt
insbesondere dann, wenn gezielt Bevölkerungsgruppen mit
niedrigen Einkommen und kinderreiche Familien gefördert
werden sollen. Die Wohneigentumspolitik kann dann auch als
Teil der Sozialpolitik bzw. der Familienpolitik angesehen werden (Vgl. Kühne-Bühning/Nordalm/Steveling 2005: 234ff.).
84
Die damit verbundene Umverteilung von Markteinkommen
zugunsten von Bevölkerungsschichten mit geringer Ressourcenausstattung ist Ergebnis der politischen Willensbildung
und ökonomischer Beurteilung nur in Grenzen zugänglich.
Eine – nicht leicht konkret definierbare – ökonomische Grenze ist sicher dort gegeben, wo Leistungsanreize durch die
Umverteilung so stark verringert werden, dass die Wachstumschancen einer Volkswirtschaft signifikant beeinträchtigt
werden.
Allerdings ist die Frage zu stellen, ob die Förderung des
Wohneigentums tatsächlich ein geeignetes Instrument der
Sozialpolitik ist. Eine adäquate Versorgung bedürftiger
Haushalte mit Wohnraum kann schließlich auch durch den
Mietwohnungsmarkt gewährleistet werden, der seinerseits
durch Subventionierung des sozialen Wohnungsbaus und
Wohnkostenunterstützung für bedürftige Haushalte gefördert wird. Diese Argumentation verkennt allerdings einerseits, dass Eigentums- und Mietwohnungsmärkte verbunden sind und eine Angebotsausweitung auf dem
Eigentumsmarkt auch den Mietwohnungsmarkt entlasten
kann. Darüber hinaus wird mit der Wohneigentumsförderung auch eine gesellschaftspolitische Stabilisierung angestrebt. Diese integrative Funktion der privaten Vermögensbildung – in der die Wohneigentumsbildung eine zentrale
Rolle spielt ­­– wird in der Literatur zu den Grundlagen der
Sozialen Marktwirtschaft und in der vermögenspolitischen
Literatur ausführlich gewürdigt: Grundlegendes Argument
ist, dass eine auf privaten Eigentumsrechten basierende
85
Wirtschaftsordnung umso besser funktioniert, je breiter der
Kreis der Vermögensbesitzer ist (Westerheide 1990: 14f.).
Meritorische Begründung der
Wohneigentumsförderung
Ein weiterer wesentlicher Grund für staatliches Eingreifen in
die private Ressourcenallokation durch staatliche Förderung
ist die Vermutung der Minderschätzung künftiger Bedürfnisse, sog. meritorische Bedürfnisse (Musgrave 1959). Diese Begründung wird traditionell für die Notwendigkeit einer
staatlichen Pflichtsozialversicherung gegen Großrisiken (Arbeitslosigkeit, Krankheit) und insbesondere für die Altersvorsorge im Rahmen einer Pflichtrentenversicherung angeführt. In der Bundesrepublik Deutschland wird diese
Legitimation für staatliches Eingreifen in die private Ressourcenallokation traditionell recht weitgehend interpretiert.
Dies wird insbesondere sichtbar im Ziel der Lebensstandardsicherung als Leitbild in der gesetzlichen Pflichtrentenversicherung. Auch die Einführung der Riester-Rente wurde
damit begründet, dass das umlagefinanzierte Rentenversicherungssystem das Ziel der Lebensstandardsicherung
nicht mehr erfüllen kann und daher staatliche Anreize zum
Aufbau einer ergänzenden privaten Altersvorsorge erforderlich sind.1 Auf ein Obligatorium hat man hier gleichwohl verzichtet, auch wenn hierüber vielfach diskutiert wurde.
1 „Bei einer Begrenzung des demografisch bedingten Anstiegs des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung ist zudem der eigenver-
86
Aus ordnungspolitischer Sicht bestehen erhebliche Interpretationsspielräume für die Legitimität staatlichen Eingreifens
aus meritorischen Gründen.2 Auch bei weiter Auslegung fällt
es jedoch schwer, die Wohneigentumsförderung direkt mit
meritorischen Argumenten zu begründen, da private Haushalte im Allgemeinen eine hohe Präferenz für Wohneigentum haben und sie ihre Wohnbedürfnisse tendenziell wohl
kaum unterschätzen. In der Debatte um die staatliche Wohneigentumsförderung wurden entsprechende Argumente jedoch durchaus vertreten. So argumentierte Albers
(1985: 515): „Schließlich werden die Vorteile eines Wohnens im eigenen Haus durch den dadurch gewonnenen Freiheitsraum für eine gesunde Entwicklung von Kindern, aber
auch für sinnvolle Freizeittätigkeiten (Hobbies der Eltern)
vielfach unterschätzt, weil diese Vorteile erst langfristig erkennbar werden bzw. sich die Nachteile beengter Wohnverhältnisse erst auf lange Sicht auswirken.“
antwortliche Aufbau einer kapitalgedeckten Altersvorsorge zur Sicherung
des Lebensstandards im Alter unerlässlich.“ Entwurf eines Gesetzes zur
Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines
kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz –
AvmG), BT Drucksache 14/4595 vom 14.11.2000, S. 1.
2 Knappe/Funk/Jobelius (1996) vertreten z.B. die Ansicht, dass eine Minderschätzung künftiger Bedürfnisse existenzgefährend sein müsse, um
staatliche Eingriffe zu rechtfertigen. Insofern ließe sich ein meritorisches
Eingreifen in die Alterssicherung bei bestehender sozialer Grundsicherung
generell nur schwer rechtfertigen.
87
Ein tragfähigerer Begründungszusammenhang ergibt sich
aus Effizienzüberlegungen: Wenn sich eine Förderung bestimmter Anlageformen als besonders geeignet erweist, die
Spar- und Vorsorgeneigung der privaten Haushalte zu stärken, dann kann hier aus meritorischer Sicht ein Ansatzpunkt
für gezielte Fördermaßnahmen gesehen werden. Tatsächlich zeigt sich in mehreren Untersuchungen ein positiver Zusammenhang zwischen Wohneigentumsbildung und Sparverhalten: Danach bilden Wohneigentümer nicht nur mehr
Immobilienvermögen, sondern auch mehr Geldvermögen
als Mieter. Dieser Befund kann auch aufrechterhalten werden, wenn andere Einflüsse (z.B. Einkommenshöhe, Alter,
Haushaltsgröße etc.) berücksichtigt werden.3
Externe Effekte als Begründung der
Wohneigentumsförderung
Externe Effekte sind Folgen wirtschaftlichen Handelns, die
im Entscheidungskalkül der Akteure keine Rolle spielen, da
sie diese Akteure selbst nicht direkt betreffen. In dem Maß,
in dem negative (positive) externe Effekte nicht in der Preisbildung berücksichtigt werden, steigt (sinkt) das Angebot
bzw. die Nachfrage über (unter) das sozial optimale Maß.
Um positive oder negative externe Effekte zu internalisieren, kann der Staat grundsätzlich mit rechtlichen Regulie-
3 Siehe zu Vergleichen der Vermögen und des Sparverhaltens von Mietern
und Wohnungseigentümern Rotfuß/Westerheide (im Erscheinen), Demary
et al. (2009: 161), empirica (1999: 13), (2001: 13f.).
88
rungsmaßnahmen sowie mit fiskalischen Maßnahmen zur
Beeinflussung der Preisstruktur auf den entsprechenden
Märkten intervenieren.
Auf den Wohnungsmärkten lassen sich Beispiele sowohl für
negative als auch für positive externe Effekte der Wohneigentumsbildung anführen. Negative externe Effekte können
beispielsweise daraus resultieren, dass aus Kostengründen
(z.B. um zu hohe Anfangsbelastungen zu vermeiden) bauliche Maßnahmen zur Energieeinsparung unterlassen werden, obwohl sie aus umweltpolitischer und ökonomischer
Sicht langfristig sinnvoll erscheinen. Maßnahmen zur Förderung des energiesparenden Bauens können mit diesem Argument prinzipiell dann legitimiert werden, wenn sich durch
die Energieersparnis allein entsprechende bauliche Maßnahmen erst spät amortisieren, der Gesetzgeber die negativen externen Effekte zu hoher Schadstoffemissionen dennoch vermeiden möchte.
Als Beispiele für positive externe Effekte können gesellschaftspolitische Stabilisierungswirkungen genannt werden,
die mit der Eigentumsbildung einhergehen können. Dies betrifft zum einen die bereits erwähnte Integrationsfunktion
der Eigentumsbildung. Zum anderen kann hier aber auch die
Stabilisierung und Verbesserung der Wohnqualität im Wohnquartier angeführt werden, sofern Wohneigentümer tendenziell mehr Wert auf die Pflege und Verbesserung ihres
89
Wohnumfeldes legen als Mieter.4 Im weiteren Sinne kann
auch eine wohnungspolitisch motivierte Angebotsausweitung auf dem Wohnungsmarkt aus individueller Sicht als positiver externer Effekt angesehen werden: Denn sofern die
Eigentumsbildung mit der Schaffung neuen Wohnraums einhergeht, werden damit potenziell Sickereffekte auf dem
Mietwohnungsmarkt ausgelöst, da die bisherigen Mietwohnungen der neuen Wohneigentümer nun anderen Nachfragern zur Verfügung stehen. Schließlich können positive externe Effekte auch mit einer familienpolitisch motivierten
Wohneigentumsförderung verbunden sein, soweit daraus
positive gesellschaftliche oder demographische Effekte resultieren, die in der individuellen Perspektive keine Berücksichtigung finden.
3. E
ntwicklung der Wohneigentumsförderung
in Deutschland
Die Förderung privaten Wohneigentums hat in Deutschland
lange Tradition. Im Rahmen der Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft ist sie im breiteren Kontext der Ver4 Die empirische Evidenz speziell zur sozialen Stabilisierungsfunktion der
Wohneigentumsbildung ist nicht einheitlich, positive externe Effekte der
Eigentumsbildung auf das Wohnumfeld konnten aber durchaus in einigen
Studien gemessen werden. In regionalen Fallstudien konnten diese Effekte
allerdings auch auf den mit der Wohneigentumsbildung verbundenen Zuzug besser situierter Haushalte zurückgeführt werden und nicht nur auf die
Wohneigentumsbildung selbst. Vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2003) und Voigtländer (2006: 31f.). Vgl. dazu auch den Beitrag
von van Suntum im vorliegenden Band.
90
mögenspolitik und ihrer im Zeitverlauf variierenden Schwerpunktsetzungen zu betrachten. In einer Grobgliederung
können in Deutschland verschiedene Phasen der Vermögenspolitik unterschieden werden, in denen jeweils auch die
Wohneigentumsförderung eine entsprechende Ausrichtung
hatte. Dies gilt insbesondere für die Vorsparförderung, also
die Förderung der Ansammlung von Eigenkapital (und Darlehensansprüchen) für den Wohneigentumserwerb durch
Bausparen. Die Entwicklung der Nachsparförderung – also
die Förderung nach dem Erwerb von Wohneigentum – folgt
dieser Phaseneinteilung nur bedingt. Aus diesem Grund
empfiehlt es sich, die Entwicklung beider Förderlinien getrennt zu betrachten.
Betrachtet man zunächst die Vorsparförderung, so lassen
sich folgende Phasen unterscheiden:
– Phase der überwiegend sparvolumenorientierten Förderung
Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg hatte die Linderung der Wohnungsnot und die Bereitstellung von Kapital
für den Wiederaufbau erste Priorität Die staatliche Sparförderung zielte daher bis Anfang der 1950er Jahre vor
allem auf die Steigerung des Sparwillens der sparfähigen
Haushalte ab Dies kam in der Förderung von Beiträgen
für Bausparverträge wie für andere Anlageformen durch
Abzüge von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer zum Ausdruck. Angesichts der hohen Steuerprogression in diesem Zeitraum bedeutete dies erhebliche
Steuervorteile für Sparer mit hohen Einkommen und
Grenzsteuersätzen (Frerich/Frey 1993: 136f.; Peffekofen
91
1993: 308f.; Miegel 1987: 15; Albers 1985: 518f.; Ruf
1977: 427ff.).
– Phase der stärker verteilungsorientierten Förderung
Die stark volumenorientierte Förderung der ersten Nachkriegsjahre wurde in folgenden Jahrzehnten sukzessive
durch verteilungsorientierte Elemente ergänzt. Einen ersten Meilenstein bildet das bereits 1952 eingeführte
Wohnungsbauprämien-Gesetz. Die Verabschiedung des
Gesetzes wurde ursprünglich sowohl mit dem Wohnungsmangel als auch mit verteilungspolitischen Argumenten begründet. Ziel war es zum einen, die Wohnungsnot nach dem zweiten Weltkrieg zu lindern, zum anderen
aber auch, die Kleinsparer zu fördern.5 Flankiert wurde
das Wohnungsbauprämiengesetz ab 1959 durch das
ähnlich aufgebaute Sparprämiengesetz. Beide Gesetze
hatten starke familienpolitische Komponenten, da Ehepaare und besonders Familien mit Kindern stärker gefördert wurden als Alleinstehende. Ergänzt wurde diese Förderung ab 1961 durch die Vermögensbildungsgesetze,
die die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand fördern
sollten. Auch in diesem Rahmen war das Bausparen seit
Einführung des ersten Vermögensbildungsgesetzes 1961
förderberechtigt.
5 Vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen über den Entwurf eines Wohnungsbau-Prämiengesetzes. Anlage zum Stenographischen Bericht der 188. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18.01.1952.
92
– Phase des asymmetrischen Abbaus der Förderung
Ein vorläufiger Höhepunkt der Sparförderung in der Bundesrepublik wurde in den 1970er Jahren erreicht. Bereits
Anfang der 1980er Jahre wurde die Förderung abgeschmolzen. So wurde die Förderung nach dem Sparprämiengesetz abgeschafft und das Förderniveau auch in
den anderen Bereichen der Geldvermögensbildung gesenkt: Die asymmetrische Absenkung des Förderniveaus
führte zu einer zunehmende relativen Begünstigung von
Familien und Haushalten mit geringem Pro-Kopf-Einkommen.
Im Zeitablauf stieg die relative Bedeutung vor allem der
Bausparförderung sowie der Förderung des Wertpapierund Beteiligungssparens. Für diese Phase galt: Je höher
das Pro-Kopf-Einkommen des Haushalts war, desto selektiver wurde die Vermögensbildung gefördert. Die Bausparförderung wurde in dieser Phase in absoluter Betrachtung
ebenfalls
zunehmend
eingeschränkt.
Gleichzeitig wurden die Einkommensgrenzen für den Förderanspruch lange Zeit nahezu unverändert beibehalten.
Dies führte dazu, dass viele Haushalte zunehmend die
Einkommensgrenzen überschritten.
Im Gegensatz zur allgemeinen Sparförderung fand 1996
jedoch eine maßgebliche Erhöhung der Einkommensgrenzen für Bausparer (von zuvor 27.000/54.000 DM auf
dann 50.000 DM/100.000 DM) bei gleichzeitiger Erhö93
hung der Förderhöchstbeträge statt. Im Gegenzug wurde
allerdings die einkommenssteuerliche Abzugsfähigkeit
von Bausparbeiträgen ganz abgeschafft. In der Begründung für die Aufstockung der Förderung wurde einerseits
auf die Förderung der Schaffung von Wohneigentum allgemein, zum anderen aber bereits auf den Altersvorsorgeaspekt („eigene Wohnung als wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge“6) Bezug genommen.
– Phase der altersvorsorgeorientierten Vermögenspolitik
Das Inkrafttreten des Altersvermögensgesetzes im Jahr
2002 leitete eine explizit auf den Aufbau privaten Kapitals
für die Alterssicherung ausgerichtete Periode der Vermögenspolitik ein. Ziel der staatlichen Förderung der Vermögensbildung ist es seither vor allem, Anreize für den Aufbau einer betrieblichen und privaten Altersvorsorge zu
geben, die angesichts der sinkenden Leistungsfähigkeit
der gesetzlichen Rentenversicherung immer dringlicher
wird. Kennzeichnend für diese Phase ist die breite steuerliche Förderung und Zulagenförderung der privaten und
betrieblichen Altersvorsorge im Rahmen der sog. Riester-Rente, die ebenfalls breite Förderung der betrieblichen Altersvorsorge im Rahmen von § 3 Nr. 63 EStG
und die zusätzliche Förderung privater Leibrentenversicherungen im Rahmen der sog. Rürup-Rente. Wichtigstes Kennzeichen dieser Fördermaßnahmen sind Restriktionen bzgl. der Auszahlung der angesparten
6 BT-Drucksache 13/2235 vom 04.09.1995.
94
Vermögen: In allen Fällen kann das erworbene Vermögen gar nicht (Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG, RürupRente) oder nur zu einem kleinen Teil (30% bei der Riester-Rente) als Einmalauszahlung vereinnahmt werden.
Ein förderunschädlicher Zugriff auf das Vermögen vor Erreichen der Rentenphase ist – mit Ausnahme des sog.
Entnahmemodells nach § 92 a/b EStG bei der RiesterRente – nicht möglich. Diese Phase ist zugleich gekennzeichnet durch den Abbau der Förderung spezifischer
Anlageformen, insbesondere die Einschränkung der steuerlichen Förderung des Sparens in kapitalbildenden Lebensversicherungen.
Auch in der Bausparförderung wurde der Fördersatz
2004 auf die heute noch gültigen 8,8% gesenkt. Aus der
Förderung der Altersvorsorge nach dem Altersvermögensgesetz wurde das Bausparen zunächst nicht de jure,
aber de facto ausgeschlossen. § 1 Abs. 1 AltZertG7 erwähnt zwar explizit die Förderung des selbst genutzten
Wohneigentums im Rahmen von Altersvorsorgeverträgen. Allerdings hätten Bausparverträge dann auch alle
Zertifizierungskriterien (u.a. die Auszahlung einer lebenslangen Rente frühestens mit Erreichen des 60. Lebensjahres bzw. des Beginns der Auszahlung einer gesetzlichen Rente) erfüllen müssen. Diese Kriterien waren mit
7 Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Anm. d. Herausg.)
95
dem kollektiven Bausparen in seiner bisherigen Form
nicht kompatibel.
Die Förderung der Wohneigentumsbildung nach dem Wohneigentumserwerb (Nachsparförderung) entwickelte sich
stetiger als die Vorsparförderung:
–Bis zur Einführung der Eigenheimzulage 1996 erfolgte die
Nachsparförderung selbst genutzten Wohneigentums im
Grundsatz durch erhöhte steuerliche Absetzungen bzw.
steuerliche Sonderausgabenabzüge. Die Förderung war
daher grundsätzlich positiv mit dem Einkommen korreliert, da Haushalte mit höheren Einkommen höhere Grenzsteuersätze haben und stärker von der Förderung profitieren konnten.
Die Förderung war bis 1986 in die Systematik der Besteuerung selbst genutzten Wohneigentums als Investitionsgut integriert. In diesem System wurde selbst genutztes Wohneigentum steuerlich grundsätzlich wie
vermietetes Wohneigentum behandelt. Statt der Mieterträge wurde bei Eigennutzern ein (pauschalierter) Nutzungswert als Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer unterstellt. Im Gegenzug konnten die
Fremdkapitalzinsen bis zur Höhe des pauschalierten Nutzungswertes von der Bemessungsgrundlage abgesetzt
werden. 1987 wurde die Wohneigentumsförderung von
der Investitionsgutlösung auf die Konsumgutlösung umgestellt: Im Rahmen der Konsumgutlösung waren zwar
96
die Zinsen nicht mehr abzugsfähig. Im Gegenzug musste
aber der Nutzungswert selbst genutzten Wohneigentums
nicht mehr versteuert werden.
Familienstandsabhängige Komponenten und spezielle
Regelungen für Haushalte mit niedrigen Einkommen gab
es in der Förderung lange Zeit nicht. Eine Ausnahme stellte lediglich der sogenannte Objektverbrauch dar: Ehepaare konnten die Förderung zweimal im Leben in Anspruch nehmen, Alleinstehende nur einmal. Erst 1982
wurde das sogenannte Baukindergeld eingeführt, das einen Abzug von der Steuerschuld ermöglichte und damit
eine progressionsunabhängige Förderung darstellte. Dieser war aber zunächst nur ab dem 2. Kind möglich und
wurde erst 1987 auf das erste Kind ausgedehnt. Anfang
der 1990er Jahre wurde die Förderung für Haushalte verbessert, deren Steuerschuld in bestimmten Jahren zu gering war, um alle Fördermöglichkeiten auszuschöpfen.
1994 wurden erstmals Einkommensgrenzen in die Förderung eingeführt.
–Eine echte Zäsur in der Fördersystematik ist jedoch erst
1996 zu verzeichnen, als die Eigenheimzulage eingeführt
wurde. Damit wurde Wohneigentum nach dem Eigentumserwerb erstmals im Rahmen sehr weit bemessener Einkommensgrenzen einkommensunabhängig gefördert.
Ehepartner erhielten die doppelte Förderung, für Kinder
wurden Kinderzulagen gezahlt. Wie bei der steuerlichen
Förderung wurden auch die Zulagen für 8 Jahre gewährt.
97
Ab dem 01.01.2004 wurde das Fördervolumen der Eigenheimzulage (für Neufälle) durch eine Absenkung der Einkommensgrenzen sowie eine Reduzierung und Anglei­
chung der Fördersätze für Alt- und Neubauten (vgl.
Tabelle 1) um ca. 30% gekürzt. Zu Jahresbeginn 2006
wurde die Eigenheimzulage für Neuanträge wieder abgeschafft.
Tabelle 1: Entwicklung der Eigenheimzulage
Einkommensgrenzen
ledig
verheiratet je Kind
Grundlage
1.1.1996
240.000
480.000
DM
Gesamtbetrag der Einkünfte
1.1.2000
160.000
320.000
60.000
DM
Gesamtbetrag der Einkünfte
1.1.2004
70.000
140.000
30.000
Euro
Gesamtbetrag der positiven
Einkünfte
Förderhöhe
Neubau
Grundzulage
Kinderzulage
1.1.1996
5.000
1.500
DM
Bemessungsgrundlage
5,0% der AHK*
1.1.2004
1.250
800
Euro
1,0% der AHK*
Bestand
Grundzulage
Kinderzulage
1.1.1996
2.500
1.500
DM
2,5% der AHK*
1.1.2004
1.250
800
Euro
1,0% der AHK*
Bemessungsgrundlage
*AHK: Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten.
Quelle: Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen (2006)
98
Integration der Wohneigentumsförderung in die Förderung der privaten Altersvorsorge
Mit der Abschaffung der Eigenheimzulagenförderung für
neue Anträge zu Jahresbeginn 2006 hatte sich der Staat in
dieser Phase zunächst vollständig aus der Eigenkapitalförderung nach dem Wohneigentumserwerb zurückgezogen.
Allerdings wurde bereits im Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 vereinbart, künftig die Wohneigentumsförderung stärker als bisher in die staatliche Förderung der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge nach dem
Altersvermögensgesetz (AVmG, allgemein bekannt als
„Riester-Rente“) einzubeziehen. Zum 1. Januar 2008 ist
schließlich das Eigenheimrentengesetz in Kraft getreten, mit
dem die Förderung selbst genutzter Wohnimmobilien in die
Riester-Rente integriert wurde (sog. „Wohn-Riester“). Förderberechtigte (Pflichtversicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte,
Beamte und Empfänger von Amtsbezügen, Arbeitssuchende ohne Leistungsbezug wegen mangelnder Bedürftigkeit,
Kindererziehende während der rentenrechtlich zu berücksichtigenden Zeiten sowie mittelbar berechtigte Ehegatten)
erhalten eine Grundzulage von max. 154 € sowie von 185 €
für jedes Kind (300 € für nach dem 1.1.2008 geborene Kinder). Um die Förderhöchstbeträge zu erhalten, müssen inklusive der Zulagen 4% des sozialversicherungspflichtigen
Vorjahreseinkommens bis zu einer Obergrenze von 2.100 €
eingezahlt werden. Alternativ kann ein einkommensteuer99
licher Sonderausgabenabzug von max. 2.100 € je Förderberechtigen steuerlich geltend gemacht werden (steuerliche
Günstigerprüfung).
Das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung, das der staatlichen Förderung der privaten Altersvorsorge in Deutschland
zugrunde liegt und auch sukzessive auf die gesetzliche Rente
übertragen wird, gilt nun auch für die Förderung des Wohneigentums: Da aus selbst genutztem Wohneigentum keine
Gelderträge erzielt werden, die der Besteuerung zu­grunde
gelegt werden können, musste eine fiktive Bemessungsgrundlage geschaffen werden. Diese Bemessungsgrundlage
ist das sogenannte Wohnförderkonto, auf dem alle in die Immobilie fließenden Förderbeträge und Eigenbeiträge verbucht
und bis zum Rentenalter – mit einem moderaten Zinssatz von
2% p.a. – verzinst werden. In der Rentenbezugsphase wird
dieses Konto dann wieder entlastet, indem vom Beginn der
Rentenbezugsphase bis zum 85. Lebensjahr jährlich gleich
bleibende fiktive Auszahlungen getätigt werden, die der Einkommensteuer unterliegen. Alternativ ist die sofortige Tilgung
durch eine Einmalzahlung möglich: Um die Progressionseffekte zu vermindern, kann dann die Bemessungsgrundlage
um 30% gekürzt werden.
Die Riester-Förderung kann sowohl in der Vorsparphase vor
dem Wohneigentumserwerb als auch in der Nachsparphase
(Tilgungsphase) in Anspruch genommen werden. In der Vorsparphase kann ein beliebiges förderfähiges Finanzanlageprodukt gewählt werden, dessen Guthaben zum Zeitpunkt des Im100
mobilienerwerbs als Eigenkapital in die Immobilie umgeschichtet
werden kann. Anschließend können Eigenbeiträge und Einzahlungen direkt für die Tilgung des Immobilienkredits verwendet
werden. Die Bausparkassen als spezielle Anbietergruppe bieten darüber hinaus riesterfähige Bausparverträge an, die sowohl die Anspar- als auch die Tilgungsphase umfassen.
Öffentliche Ausgaben für die Wohneigentumsförderung in
Deutschland
Im Jahr 2005 – dem letzten Jahr vor Abschaffung der Eigenheimzulage – gaben Bund und Länder für die Eigenheimzulage und die zugehörigen Kinderzulagen rund 10 Mrd. Euro aus.
Hinzu kamen knapp 500 Mio. Euro an Wohnungsbauprämien
für Bausparen sowie Arbeitnehmersparzulagen, die auf Bausparverträge eingezahlt wurden (insgesamt 390 Mio. Euro,
die allerdings auch anderen Anlageformen zugute kommen).
Im Jahr 2008 – dem dritten Jahr nach Abschaffung der Eigenheimzulage – ist die Förderung nach den Planansätzen im 21.
Subventionsbericht bereits erheblich zurückgegangen. Für
die Eigenheimzulage sollen in diesem Jahr nur noch rund 7
Mrd. Euro ausgegeben werden. Die Ausgaben für die Riester-Förderung steigen dagegen nach den Soll-Vorgaben im
Subventionsbericht erst langsam an: Für 2008 waren 560
Mio. Euro vorgesehen, von denen – da die ersten Verträge
erst im November des Jahres zertifiziert wurden – nur ein
kleiner Teil auf Wohn-Riester-Verträge entfallen sein dürfte.
Langfristig ist gleichwohl mit einem erheblichen Wachstum
101
des Volumens an Fördergeldern zu rechnen, das über WohnRiester-Verträge in den Wohnungsmarkt fließt. Die Budgetbelastungen könnten vorübergehend sogar die Eigenheimzulagenförderung übersteigen, weil die Riester-Förderung
nicht wie die Eigenheimzulage auf 8 Jahre befristet ist und die
Rückflüsse aus der nachgelagerten Besteuerung erst spät
einsetzen werden.
Entsprechende Abschätzungen sind mit einer Reihe von Unsicherheiten behaftet, insbesondere hängen sie auch von den
voraussichtlichen Lohnsteigerungsraten und natürlich vom Anteil der Eigenheimerwerber ab, die ihre Riester-Förderung entsprechend verwenden. Es ist jedoch zu vermuten, dass insbesondere Haushalte mit niedrigen Einkommen und mehreren
Kindern, die ansonsten kein Wohneigentum bilden könnten,
die Wohn-Riester-Förderung in Anspruch nehmen werden.
Aber auch für Haushalte, die zugleich einen Riester-Vertrag in
anderen Anlageformen besparen und Wohneigentum bilden
könnten, kann es sich als vorteilhaft erweisen, einen WohnRiester-Vertrag abzuschließen. Schließlich werden die Guthaben auf dem Wohnförderkonto in der Rentenbezugsphase
nicht weiter verzinst, was sich im Vergleich zur Finanzanlage
genauso steuermindernd auswirkt wie der in der Ansparphase
unterstellte Zinssatz von lediglich 2% p.a.
Förderung des Wohneigentums in Europa
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten anderen Ländern wird Wohneigentum vom Staat gefördert.
102
Dies geschieht einerseits dadurch, dass Wohneigentum
steuerlich generell besser gestellt wird als andere Anlageformen, zum anderen dadurch, dass besondere Förderungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen und Förderzwecke angeboten werden.
Ein internationaler Gesamtüberblick, der alle Fördermaßnahmen umfasst, kann im Rahmen der vorliegenden Analyse
nicht gegeben werden. Die Darstellung muss sich daher auf
eine vergleichende Darstellung der steuerlichen Behandlung des selbst genutzten Wohneigentums beschränken.
Tabelle 2: Steuerliche Behandlung selbstgenutzten Wohneigentums
Steuern
auf
Eigentümermiete
Abzugsfähigkeit Besteuerung des
von
Wertzuwachses
Zinsen
Auf selbst
genutztes
Wohneigentum
nach 10
Jahren
Belgien
Deutschland
Irland
Griechenland
Spanien
Frankreich
Italien
Niederlande
österreich
Portugal
Finnland
Ja
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Ja
Nein
Nein
Nein
Ja
Nein
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Nein
Nein
Nein
Ja1
Ja11
Nein
Nein
Nein
Nein
Ja11
Nein
Unterschiedliche
Behandlung
von
Wohneigentum und
anderen
Vermögensanlagen
Nein
Ja
Ja
Nein
Ja
Ja
Ja
Nein
Nein
Ja
Nein
Erbschaftsteuer
Auf
selbst
genutztes
Wohneigentum
Ja
Ja
Ja
Nein
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Nein
Ja
Unterschiedliche
Behandlung
von
Wohneigentum und
anderen
Vermögensanlagen
Nein
Ja
Nein
Nein
Ja
Nein
Ja
Ja
Ja
Nein
Nein
Vermögenssteuer
Grundsteuer/
Immobiiliensteuer
Mehrwertsteuer
auf neue
Immobilien wie
auf andere
Gebrauchsgüter
Nein
Nein
Nein
Nein
Ja
Ja
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Ja
Nein
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Frei
Ermäßigt
Ja
Ermäßigt
Ja
Ermäßigt
Ja
Frei
Frei
Frei
Stand 2008 (Mehrwertsteuer 2007), Quelle: ECB 2009,
Wolswijk 2008.
103
Tabelle 2 macht deutlich, dass in vielen europäischen Ländern Wohneigentum steuerlich bevorzugt behandelt wird. In
nahezu allen Ländern – Deutschland stellt hier eine Ausnahme dar – können Fremdkapitalzinsen steuerlich geltend gemacht werden. Dennoch muss mit Ausnahme von Belgien
und den Niederlanden in keinem der betrachteten Länder
die Selbstnutzung des Eigentümers in Form der ersparten
Mietausgaben – die sogenannte unterstellte Eigentümermiete – versteuert werden. In den meisten Ländern bleibt darüber hinaus der Wertzuwachs selbst genutzten Wohneigentums steuerfrei. In einigen Ländern gibt es darüber hinaus
Ermäßigungen bei der Erbschaftsteuer. In allen hier ver­
glichenen Ländern werden schließlich private Immobilientransaktionen von der Umsatzsteuer befreit oder unterliegen einer Umsatzsteuerermäßigung.
3. Wirkungen der Wohneigentumsförderung
Entscheidend für die Beurteilung der Wohneigentumsförderung ist die Frage, ob die Fördermaßnahmen tatsächlich gewirkt haben oder ob lediglich Mitnahmeeffekte zu verzeichnen sind und die bau- bzw. anschaffungswilligen Haushalte
auch ohne die Förderung zu Wohneigentümern geworden
wären.
Ein positives Fazit ist zunächst für die Bausparförderung zu
ziehen: Empirische Analysen der Bausparförderung belegen, dass Bausparen in breiten Bevölkerungsschichten
104
stattfindet und besondere Zielgruppen der Vermögenspolitik (junge Sparen und Sparer mit niedrigen Einkommen) in
besonderem Maße am Bausparen partizipieren. Bausparer
in den unteren Einkommensklassen und in den unteren Altersgruppen verfügen über ein deutlich höheres Vermögen
als Nicht-Bausparer. Diese deskriptiven Ergebnisse bestätigen sich auch in detaillierten ökonometrischen Analysen, in
denen eine signifikant höhere Sparquote für Bausparer ermittelt werden kann. Diese Unterschiede lassen sich zum
Teil damit erklären, dass Haushalte mit höherer Sparneigung
auch mit größerer Wahrscheinlichkeit Bausparverträge abschließen. Erkenntnisse der verhaltensorientierten Finanzmarktforschung lassen aber auch vermuten, dass die Flexibilität der Vertragsgestaltung, der hohe Bekanntheitsgrad
und die staatliche Förderung die Akzeptanz von Bausparverträgen und das Sparverhalten positiv beeinflussen (Rotfuß/Westerheide 2009).
In Analysen auf der Basis von Haushaltsbefragungen lassen
sich signifikante positive Zusammenhänge zwischen der
Wohnungsprämienförderung, der Wahrscheinlichkeit, Bausparverträge abzuschließen und auch der Gesamtersparnis
erkennen. Die Ergebnisse deuten also nicht auf eine Verdrängung konkurrierender Sparformen durch die Bausparförderung hin.
Da bis zur jüngsten Modifikation der Bausparförderung Anfang 2009 geförderte Bausparmittel auch für andere als
wohnungswirtschaftliche Zwecke verwendet werden konn105
ten, implizieren diese positiven Ergebnisse aber noch keine
Effekte auf dem Wohnungsmarkt. Allerdings gaben in einer
aktuellen Befragung im Durchschnitt rund 70% der Bausparer an, ihre Bausparguthaben ausschließlich oder teilweise
wohnungswirtschaftlich zu verwenden (Rotfuß/Westerheide 2009). Besonders hoch ist der Anteil mit rund 80% in
mittleren Einkommensklassen zwischen 2.000 und 3.000
Euro monatlichem Haushaltsnettoeinkommen. Empfänger
von Wohnungsbauprämie weisen einen etwas höheren
durchschnittlichen Anteil von 74% aus, Nicht-Empfänger von
Wohnungsbauprämie dagegen einen geringeren Anteil von
67%. Wohnungsbauprämienempfänger, die die gesamte
Sparzeit über Prämie erhalten haben, geben zu über 80%
wohnungswirtschaftliche Verwendungen an. Darunter dominiert klar die Modernisierung und Renovierung von Immobilien: Mehr als 40% aller Bausparer und mehr als 50% der
Empfänger von Wohnungsbauprämie über die gesamte
Sparzeit geben diesen Verwendungszweck an.
Während für die Wohnungsbauprämie damit ein positives
Fazit gezogen werden kann, ist die empirische Evidenz zu
den Wirkungen der Nachsparförderung weniger eindeutig.
Mit Einführung der Eigenheimzulage 1996 wurde die Förderung erheblich ausgebaut, Anfang 2004 um ca. 30% reduziert und Anfang 2005 für Neufälle gänzlich abgeschafft.
Eine einfache deskriptive Betrachtung der Entwicklung der
Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser deutet
zunächst auf einen positiven Effekt der Förderung hin. So ist
nach der Einführung zunächst ein Anstieg der Baugenehmi106
gungen zu verzeichnen, nach Kürzung der Ansprüche 2004
und schließlich nach Abschaffung der Eigenheimzulage
2006 dagegen ein erheblicher Rückgang. Seit 2007 bewegen sich die Baugenehmigungen auf vergleichsweise niedrigem Niveau (vgl. Abbildung 2).
Trotz dieser auf der ersten Blick erkennbaren Zusammenhänge ist bei der Interpretation Vorsicht geboten: Einerseits
ist zu berücksichtigen, dass viele Haushalte mit Bauabsichten ihre Pläne früher als ursprünglich geplant realisiert
haben, um die Förderung noch mitnehmen zu können. Insofern ist der aktuelle Rückgang 2006 möglicherweise ein Reflex dieser Vorzieheffekte.
Auch die Entwicklung der Fördervolumina und Baugenehmigungen in der Zeit vor und nach Einführung der Eigenheimzulage stimmt nachdenklich. Auf dem Höhepunkt ihrer Inanspruchnahme wurden im Jahr 2004 rund 11 Mrd. Euro an
Eigenheimzulagen gezahlt. Im Jahr 1996 war dagegen ein
Maximum bei der Inanspruchnahme der steuerlichen Vorgängerregelung zu verzeichnen, das Fördervolumen war
hier mit rund 5,5 Mrd. Euro jedoch nur etwa halb so hoch.
Die Anzahl der Baugenehmigungen war dagegen 1996 höher als 2004. Über einen längeren Zeitraum betrachtet: Die
durchschnittliche Anzahl der Baugenehmigungen für Einund Zweifamilienhäuser lag in den 10 Jahren vor Einführung
der Eigenheimzulage nur um rund 5.200 je Jahr niedriger als
in den zehn Jahren der Eigenheimzulage. Auch die im internationalen Vergleich geringe und im Westen seit Anfang der
107
1990er Jahre bei rund 44-46% der Haushalte stagnierende
Wohneigentumsquote in Deutschland liefert keine unmittelbare Evidenz für positive Effekte der Förderung.
Solche einfachen Vergleiche, die von allen anderen Einflussfaktoren – insbesondere auch von der Bevölkerungsentwicklung und der Konjunkturlage – abstrahieren, sollten jedoch nicht überbewertet werden. Insbesondere sagen sie
nichts über die soziale Treffsicherheit der Förderung aus.
Umfassendere Untersuchungen zu den Wirkungen der Eigenheimzulage kommen in dieser Hinsicht zu unterschiedlichen Aussagen: So wird bemängelt, dass die Förderung zu
Preiserhöhungen insbesondere bei Bauland geführt habe,
ein Teil der Fördereffekte damit von den Bodenbesitzern abgeschöpft worden sein könnte und die Förderung per saldo
vor allem den wohlhabenderen Haushalte genutzt haben
könnte (Färber 2003: 106). Andere Untersuchungen legen
aber aufgrund von Nachfragestruktureffekten positive Effekte auf das Wohnungsangebot, das Preisniveau im Mietwohnungsmarkt und eine Verbesserung der Wohnungssituation auch sozial schwacher Haushalte nahe (Voß 2001:
249ff.). Darüber hinaus haben vermutlich Familien in besonderem Maße von der Eigenheimzulage profitiert (ARGEBAU
2002; Sigismund 2003: 2ff.).
108
4. Zusammenfassung und Ausblick
Die Wohneigentumsförderung kann in Deutschland auf eine
lange Tradition zurückblicken. Wie in vielen anderen europäischen Ländern wurde die Wohneigentumsbildung in
Deutschland bisher mit erheblichem öffentlichen Mitteleinsatz gefördert. In Deutschland wurde mit der Abschaffung
der Eigenheimzulage für Neufälle zu Jahresbeginn 2006
eine Zäsur vollzogen. In der Folge sind die Baugenehmigungen zunächst eingebrochen, dies kann aber durchaus
noch mit Vorzieheffekten begründet werden. Erst langfristig
wird sich zeigen, welche Effekte die neue Förderung des
selbstgenutzten Wohneigentums im Rahmen der RiesterRente haben wird. Das Instrument ist komplex konstruiert
und stellt daher hohe Anforderungen an die Kompetenz der
Nutzer und die Beratungsqualität der Finanzdienstleister.
109
Nach ersten Zahlen – die ersten Wohn-Riester-Produkte
wurden Anfang November 2008 zertifiziert – scheint das
Produkt, seiner Komplexität und Erklärungsbedürftigkeit
zum Trotz, auf hohe Akzeptanz zu stoßen.8
8 Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales schätzt die bis zum
Jahresende 2008 abgeschlossenen Wohn-Riester-Verträge auf 40.000
(BMAS 2009). Nach Branchenberichten sind im ersten Quartal 2009 weitere 60.000 Verträge hinzugekommen (Handelsblatt 2009).
110
Literatur
Albers, Willi (1985), Förderung der Vermögensbildung. In:
Ehrlicher, Werner/Simmert, Diethard B. (Hrsg.): Der volkswirtschaftliche Sparprozeß. Berlin 1985, S. 513-531 (Beihefte zu Kredit und Kapital Heft 9).
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Arnold Kling
Amerikas Subprimekrise1
Der Immobiliensektor spielt in der Geschichte der Vereinigten Staaten seit jeher eine wichtige wirtschaftliche Rolle.
Die Regierung verfolgte dabei immer die politische Linie,
den Eigenheimerwerb zu fördern und zu unterstützen. Dieser Prozess ging einher mit einer Struktur, die durch Fremdfinanzierungen, spekulative Maßlosigkeit und finanzielle Engpässe geprägt war. Das jüngste dramatische Kapitel dieser
Geschichte ist die 2007 ins Rollen gekommene Finanzkrise.
Bei Subprime-Hypotheken handelte es sich um Darlehen für
Schuldner, die weder über die Fähigkeit noch die Erfahrung
verfügten, mit den aufgenommenen Schulden angemessen
umzugehen. Für viele dieser Darlehen mussten nur niedrige
Anzahlungen geleistet werden. Die Darlehensnehmer spekulierten häufig auf steigende Hauspreise, um die erworbene Immobilie gewinnträchtig wieder verkaufen oder neue,
auf gestiegenen Häuserwerten beruhende Darlehen aufnehmen zu können.
1 Übersetzung aus dem Englischen von Tanja Felder.
116
Das Risiko der Hypothekendarlehen wurde durch den Prozess der Verbriefung weiter erhöht, was Banken und anderen Finanzinstituten die Möglichkeit einer starken Hebelwirkung eröffnete. Dies bedeutete das Eingehen von Risiken
mit relativ wenig Kapital zum Schutz der eigenen Zahlungsfähigkeit. Die Institute erfüllten dabei zwar die geltenden
Vorschriften hinsichtlich ihrer Eigenkapitalausstattung, doch
boten diese Vorschriften keinen ausreichenden Schutz für
die Sicherheit und Unversehrtheit von Banken und anderen
großen Finanzinstituten.
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Situation in den
USA. Die globale Dimension der Krise ist dabei jedoch nicht
aus den Augen zu verlieren, denn unabhängig von den USamerikanischen institutionellen Besonderheiten entstanden
auch in Spanien, Großbritannien und anderen Ländern Immobilienblasen. Darüber hinaus standen amerikanische
Mortgage Backed Securities – durch Hypotheken unterlegte Wertpapiere – weltweit hoch im Kurs, so dass der Zusammenbruch auch Auswirkungen auf Bankensysteme in Europa
und anderen Teilen der Welt hatte.
Der erste Teil dieses Beitrags bietet einen Überblick über
den institutionellen Hintergrund und die Geschichte der Subprimekrise. Im zweiten Teil wird der Begriff der Verbriefung
erläutert und genauer beleuchtet, welche Rolle diesem Prozess in der Krise zukam. Teil drei befasst sich mit der Lockerung der Vergabebedingungen für Kredite sowie mit der Immobilienblase. In Teil vier werden Missverständnisse und
117
der Wissensabstand näher beleuchtet, der quantitative Risikomodellierer von den verantwortlichen Führungskräften in
den Unternehmen und den Regulierungsbehörden unterschied, bevor abschließend ein Ausblick auf mögliche Szenarien einer Reform der bestehenden Vorschriften skizziert
wird.
1. Hintergrund
Die Institutionen und politischen Leitlinien des amerikanischen Immobilienfinanzierungssystems bildeten sich im
Zuge historischer Krisen und regulatorischer Eingriffe heraus. Die Probleme von 2007 gingen zurück auf die Maßnahmen, die als Lösung für die Savings-and-Loans-Krise der frühen 1980er Jahre ergriffen worden waren, die ihrerseits aus
den Antworten auf die finanziellen Schwierigkeiten der
Großen Depression entstanden war.
In den USA nahm die Große Depression 1930 ihren Anfang
und endete nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Rezession
war dabei maßgeblich durch den Kollaps des Immobilienfinanzierungssystems bedingt, das zwei grundlegende
Schwächen aufwies.
Eine der Schwächen des damaligen Systems war die Möglichkeit des Immobilienerwerbs auf Grundlage so genannter
„Ballon“-Hypotheken. Die gesamte Tilgung dieser Hypotheken war zu dem vereinbarten Endtermin fällig, der für gewöhnlich auf fünf Jahre nach der Ausgabe datiert war. Die118
ser
Fünf-Jahres-Zeitraum
war
jedoch
für
die
Darlehensnehmer nicht ausreichend, um genügend Gelder
zusammenzutragen, um die „Ballon“-Zahlung leisten zu können, so dass das gesamte System allein davon abhing, ob
der Darlehensnehmer bei Fälligkeit des Ausgangsdarlehens
ein neues Darlehen erhalten würde.
Eine andere Schwäche bestand darin, dass die Banken, die
Hypothekendarlehen ausgaben, selbst Vertrauenskrisen
ausgesetzt waren. Bei ersten Zweifeln an der Integrität einer
Bank zogen Anleger schnellstmöglich ihre Gelder aus einer
solchen Bank zurück. Durch einen solchen Ansturm konnte
eine Bank in den Ruin getrieben werden, wenn es ihr nicht
gelang, all ihre ausstehenden Darlehen einzufordern, um der
plötzlichen Nachfrage ihrer Anleger gerecht zu werden.
In den frühen 1930er Jahren machte ein Viertel aller amerikanischen Banken Bankrott, viele davon infolge solcher Anstürme. Dieser Umstand führte zu einer Austrocknung des
Marktes für Hypothekendarlehen, so dass Darlehensnehmer mit Ballon-Hypotheken keine neuen Darlehen aufnehmen konnten. Die Folge davon war eine Welle von Zahlungsausfällen und Zwangsversteigerungen.
Die Antwort der Politik des New Deal von Franklin Roosevelt
auf diese Probleme sah zur Beruhigung der Anleger eine
Einlagensicherung vor. Ziel dieser Einlagensicherung war es,
Anstürme auf die Banken zu verhindern; ein Ziel, das auch
nahezu vollständig erreicht werden konnte. Eine andere
119
Maßnahme des New Deal bestand in der Förderung von Hypotheken mit einer Laufzeit von 30 Jahren, also Darlehen,
zu deren Tilgung ein monatlicher Teil des Nominalwertes sowie Zinsen bezahlt wurden, so dass der ausstehende Darlehensbetrag bis zum festgelegten Endtermin schrittweise auf
null sank und die Gefahr einer fällig werdenden „Ballon“Zahlung ausgeschlossen war.
Zur Förderung dieser sichereren Hypothekenform wurde im
Zuge des New Deal die Federal Housing Administration (FHA) ins
Leben gerufen, deren Aufgabe die Besicherung von 30-Jahres-Darlehen war, die für den erstmaligen Eigenheimerwerb
bestimmt waren. Darüber hinaus wurde durch den New Deal
die Federal National Mortgage Association (Fannie Mae) gegründet,
um die Hypotheken der FHA und vergleichbare, von Darlehensgebern an Eigenheimkäufer mit niedrigem Risikoprofil,
die nicht für von der FHA subventionierte Darlehen infrage
kamen, ausgegebene Darlehen aufzukaufen.
Hypothekendarlehen wurden nach dem zweiten Weltkrieg
vorrangig von den als Sparkassen fungierenden so genannten Savings-and-Loans-Instituten (S&L-Instituten) vergeben. Die
Einlagen in diese Institute, die Festhypotheken mit einer
Laufzeit von 30 Jahren ausgaben, waren durch die Einlagensicherung der Regierung geschützt. Diese Kombination verhinderte, dass sich ein mit der Großen Depression vergleichbarer Kollaps wiederholte, ebnete jedoch den Weg für
einen finanziellen Kollaps anderer Art.
120
In den 1970er Jahren kam es zu einem Anstieg von Inflation
und Zinssätzen. Höhere Zinssätze senkten den Marktwert
der ausstehenden Hypotheken der S&L-Institute, die in
Zeiten geringer Inflation mit Zinssätzen 6% oder weniger
ausgegeben worden waren. In den frühen 1980er Jahren
erreichten die Hypothekenzinssätze im Zuge der strengeren
Währungspolitik zur Senkung der Inflation Werte von 12%.
Zudem schnellten die Zinsen für kurzfristige Darlehen in die
Höhe, so dass die S&L-Institute entweder hohe Zinssätze
bezahlen mussten, um an Geld zu kommen, oder Einlagen
an Wettbewerber verloren.
Mitte der 1980er Jahre waren die meisten S&L-Institute insolvent und die Einlagen wurden über die Einlagensicherung
der Regierung zurückbezahlt. Zur Verwaltung der Vermögenswerte der insolventen S&L-Institute wurde eine neue
vorübergehende Agentur namens Resolution Trust Corporation
gegründet. Die Gesamt-Nettokosten für die amerikanischen
Steuerzahler werden auf etwa 150 Milliarden US-Dollar in
dessen damaligem Wert geschätzt.
Die Diagnose der S&L-Krise konzentrierte sich auf drei Faktoren: Ein kausaler Faktor war das von den S&L-Instituten
bei der Ausgabe von durch kurzfristige Einlagen finanzierten
langfristigen Hypotheken eingegangene Zinsänderungsrisiko. Das zweite Problem bestand darin, dass die S&L-Institute ihre Rechnungslegung auf den Anschaffungskosten basierten. Dadurch wurden die Schwierigkeiten, mit denen sie
tatsächlich konfrontiert waren, verschleiert und die Auf121
sichtsbehörden wurden daran gehindert, von den S&L-Instituten rechtzeitig eine Kapitalerhöhung zu verlangen bzw. insolvente Einrichtungen zu schließen. Im Rahmen der auf den
Anschaffungskosten beruhenden Rechnungslegung wurden
Hypotheken mit niedrigen Zinssätzen, deren Wert aufgrund
von steigenden Marktzinssätzen gesunken war, zu ihrem ursprünglichen Wert verbucht. Durch dieses Vorgehen wurden das ausgewiesene Kapital und der Nettowert der S&LInstitute zu hoch angesetzt. Der dritte Faktor betraf die
Tatsache, dass es keine formellen Kapitalstandards mehr
gab, so dass ein zu großer Teil des Risikos von den Steuerzahlern und ein zu geringer Teil von den S&L-Instituten selbst
getragen wurde.
Auf Grundlage dieser Diagnose wurde eine neue politische
Marschroute eingeschlagen. Einlageninstitute wurden durch
regulatorische Maßnahmen entmutigt, Zinsänderungsrisiken
einzugehen. Stattdessen förderte die Politik die Verbriefung
von Hypotheken (siehe Teil zwei dieses Beitrags), mit einem
stetig wachsenden Anteil von Fannie Mae und der 1970 gegründeten Freddie Mac an der Vergabe von Hypothekendarlehen. Die Rechnungslegung auf Grundlage der Anschaffungskosten wurde von der Rechnungslegung auf Grundlage
des Marktwertes abgelöst. Schließlich wurden auf Grundlage der Basler Akkorde Eigenkapitalvorschriften erlassen,
die eine Veränderung der Kapitalanforderungen von Banken
je nach Risiko verschiedener Anlageklassen vorsahen.
122
Im Folgenden soll nun aufgezeigt werden, wie all diese Maßnahmen zur Beilegung der S&L-Krise zum Entstehen der
Subprimekrise beitrugen. Der Verbriefungsprozess führte
zu einer hohen Anzahl von Vermögenswerten, die durch unsolide Hypothekendarlehen unterlegt waren. Die Nachfrage
nach diesen Vermögenswerten wurde durch risikobasierte
Eigenkapitalvorschriften geschürt, wie der zweite Teil dieses
Beitrags aufzeigen wird. Diese risikobasierten Eigenkapitalvorschriften und die Rechnungslegung auf Grundlage des
Marktwertes griffen schließlich in einer Weise ineinander,
die den Finanzzyklus verstärkte. Angesichts euphorischer
Märkte und aufgeblähter Anlagewerte schien das Bankenkapital stark zu sein. Mit nachlassendem Vertrauen der Märkte mussten die Banken den Wert ihrer Anlagen jedoch
nach unten korrigieren, was eine Schwächung ihrer Kapitalausstattung, die Notwendigkeit, mehr Anlagen zu verkaufen
und schließlich eine weitere Entwertung zur Folge hatte.
Die­se Abwärtsspirale war einer der Hauptgründe für die Unzufriedenheit bei Bankern und Politikern.
2. Die Rolle der Hypothekenverbriefung
Verbriefte Hypothekendarlehen, die durch das Zusammenlegen Hunderter von Hypotheken entstehen, deren Rückzahlungsbeträge an die Inhaber von Wertpapieren durchgereicht werden, kam in der Subprimekrise eine besondere
Rolle zu.
123
Angenommen, die große Hypothekenbank Countrywide Funding gibt in diesem Monat zweihundert Standard-Hypothekendarlehen mit einem durchschnittlichen Umfang von jeweils 300.000 US-Dollar aus, was einem Gesamtwert von
60 Millionen US-Dollar entspricht. Countrywide verkauft diese
Darlehen an Freddie Mac, die ihrerseits ein durch die Hypotheken unterlegtes Wertpapier ausgibt. Anteile an diesem
Wertpapier können daraufhin von Banken oder Pensionsfonds aufgekauft werden, die monatlichen Zahlungen der
Schuldner werden direkt an die Banken und Pensionsfonds
weitergeleitet.
Kommt ein Darlehensnehmer seinen Zahlungen für eine
durch eine von Freddie Mac verbriefte Hypothek nicht nach,
zieht Freddie Mac das Darlehen aus dem Wertpapier zurück
und entrichtet den Tilgungsbetrag an die Wertpapierinhaber.
Auf diese Weise bietet Freddie Mac eine Garantie gegen Hypothekenausfälle, die bei den Banken und Pensionsfonds
wiederum Vertrauen in die Wertpapiere von Freddie Mac
schafft. Um diese Garantie abzusichern, baut Freddie Mac wie
eine Versicherungsgesellschaft Kapital und Verlustrücklagen auf. Zudem waren die meisten Anleger – wie sich später
herausstellte zu Recht – davon überzeugt, dass die US-Regierung nicht zulassen würde, dass Freddie Mac seinen Garantieversprechen nicht nachkommt.
Die Wall Street entwickelte im Verlaufe des letzten Jahrzehnts eine Alternative zu den Garantien von Freddie Mac. Die
von Unternehmen der Wall Street ausgegebenen Wertpa124
piere wurden als so genannte Private-Label-Wertpapiere bekannt.
Diese bieten einzelnen Wertpapierinhabern Schutz vor Hypothekenausfällen, während andere Wertpapierinhaber
gleichzeitig höheren Risiken ausgesetzt werden. Dies geschieht durch die Unterteilung der Wertpapiere in Tranchen,
wobei die Inhaber einzelner Tranchen sämtliche Verluste tragen, solange nicht mehr als beispielsweise 5% der Hypotheken ausfallen. Die Inhaber der übrigen Tranchen tragen folglich keinerlei Risiko, sofern die Ausfälle 5% nicht übersteigen.
In den USA gibt es eine Handvoll privater Firmen, die als
Ratingagenturen bezeichnet werden. Diesen Ratingagenturen kommt auf den Wertpapiermärkten traditionell eine
bedeutende Rolle zu. Sobald ein Unternehmen eine Anleihe
ausgibt, wird diese von einer solchen Ratingagentur bewertet. Die höchste Bewertung wird dabei mit AAA gekennzeichnet, was bedeutet, dass die Anleihe so gut wie kein
Ausfallrisiko in sich birgt. AA, A, BBB usw. sind niedrigere
Bewertungen bis hin zu einem B-Rating für Anleihen, die als
hochriskant gelten.
Der Verkauf von durch Forderungen aus Hypothekendarlehen unterlegten Wertpapieren, insbesondere der Tranchen
aus Private-Label-Wertpapieren, setzt den Erhalt eines Ratings
durch eine der genannten Agenturen voraus. Am begehrtesten ist dabei das AAA-Rating, da für mit AAA bewertete Wertpapiere gemäß den Basler Eigenkapitalvereinbarungen die geringsten Anforderungen für die
Eigenkapitalbeschaffung gelten. Banken werden weltweit
125
darin bestärkt, AAA-Wertpapiere zu halten. Für Wertpapiere mit einem AAA-Rating ist nur die Hälfte des Kapitals
erforderlich, das für ein als riskant eingestuftes Wertpapier
vorgeschrieben ist, so dass die Bank durch das Halten von
AAA-Wertpapieren anstelle von riskanteren Anlagen ihre Eigenkapitalrendite effektiv verdoppelt.
Gibt eine Bank beispielsweise ein Hypothekendarlehen aus
und belässt das Darlehen in ihrer Bilanz, kann dies möglicherweise dazu führen, dass sie dafür doppelt so viel Eigenkapital benötigt, wie wenn sie dasselbe Darlehen als Teil
eines mit AAA bewerteten und mit einer Hypothek unterlegten Wertpapiers hält. Die Basler Eigenkapitalvorschriften
schufen so einen enormen Anreiz, Hypothekendarlehen in
Wertpapiere einzubringen.
Um die Probleme verstehen zu können, die mit der Verbriefung einhergehen, versetze man sich in die Position eines
Bankdirektors, der für den Erhalt von Hypothekendarlehen
die Wahl zwischen einem direkten und einem indirekten
Weg hat. Auf dem direkten Weg werden seine Darlehen
durch sein eigenes Personal ausgegeben. Er erlässt Vorschriften, Richtlinien und Verfahren zur Ausgabe von Darlehen, entscheidet darüber, auf welchen Märkten Darlehen
angeboten werden sollen und fokussiert sich dabei vermutlich auf diejenigen Märkte, deren örtliche Begebenheiten
ihm bekannt sind. Er stellt das für das Befolgen der internen
Richtlinien erforderliche Personal ein und schult es. Die Vergütungspolitik sieht Anreize für die Mitarbeiter vor, be126
stimmte Antragsteller in Übereinstimmung mit der Unternehmenspolitik zu akzeptieren oder abzulehnen. Nach
erfolgter Ausgabe des Darlehens befolgen die Beschäftigten im Falle eines Zahlungsausfalls des Darlehensnehmers die vorgesehenen Unternehmensrichtlinien, setzen
sich mit dem Schuldner in Verbindung und lösen das Problem.
Bei Beschreiten des indirekten Weges werden die Darlehen
auf Grundlage von Richtlinien ausgegeben, die von Unbekannten aufgestellt werden. Die Darlehen können so aus
Märkten stammen, mit denen der Bankdirektor nicht vertraut ist. Die Initiatoren können auf Grundlage einer Provision bezahlt werden, die sie nur bei Abschluss eines Darlehensvertrags erhalten, nicht jedoch bei Ablehnung eines
Antragstellers. Gerät das Darlehen in Schwierigkeiten, besteht keine Möglichkeit, den Umgang mit dem Zahlungsausfall zu kontrollieren.
Kein vernünftiger Bankdirektor würde den indirekten Weg
dem direkten Weg vorziehen. Im Wirtschaftsjargon gelten
die „Agenturkosten“, die bei Beschreiten des indirekten
Weges zu bezahlen sind, als unerschwinglich. Die indirekten
Initiatoren handeln mit Blick auf Anreize, die den Interessen
der Bank entgegengesetzt sind. Die Schieflage der Anreize
zwischen der Bank und den für diese zur indirekten Vergabe
tätigen Agenturen zwingt Banken dazu, zusätzliche Kosten
für die Überwachung und Prüfung der Arbeit der Initiatoren
aufzuwenden. Selbst bei gewissenhaftesten Bemühungen
127
steht zu erwarten, dass der Bank dadurch, dass Initiatoren
faule Kredite durch die Risse in den Überwachungssystemen der Banken schleusen, höhere Verluste aus Zahlungsausfällen entstehen.
Es ist daher erstaunlich, dass 2008 nahezu drei Viertel der
Hypothekenschulden in den USA in Anwendung der indirekten Methode entstanden. Um an diesen Punkt zu gelangen, war eine Kombination aus Einfallsreichtum der WallStreet-Banken und Regelungslücken nötig.
Eine Verbriefung von Hypotheken wurde erstmals im Jahr
1968 durchgeführt, dem Jahr, in dem der unpopuläre Präsident Lyndon B. Johnson einen unpopulären Krieg in Vietnam führte. Den Kongress unter diesen Umständen darum
bitten zu müssen, die Grenzen der Staatsverschuldung nach
oben zu korrigieren, führte zu Reibungen und Verlegenheit
in der Regierung. Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Staatsverschuldung auch die von regierungseigenen Immobilienagenturen beschafften Geldmittel. 1968 fand die Regierung
zwei Möglichkeiten, diese Verschuldung aus ihren Büchern
zu verbannen.
Die Federal National Mortgage Association, die 1938 gegründet
worden war, um das Vakuum aufzufüllen, das nach den
Bankpleiten entstanden war, basierte auf dem Erwerb von
Immobiliendarlehen von unabhängigen Initiatoren, den so
genannten Hypothekenbanken. Fannie Mae, wie die Federal National Mortgage Association später genannt wurde, agierte wie
128
eine nationale Großbank und finanzierte US-weit Darlehen.
Damals gab sie jedoch noch keine verbrieften Hypothekendarlehen aus, sondern finanzierte ihre Vermögenswerte als
Agentur der US-Regierung durch die Ausgabe von Anleihen. Um die Schulden von Fannie Mae aus ihren Büchern zu
tilgen, privatisierte die Regierung Fannie Mae 1968 durch den
Verkauf ihrer Anteile an Investoren. Die Regierung mag dabei zwar ein implizites Versprechen abgegeben haben, eine
Insolvenz von Fannie Mae nicht zuzulassen, doch tauchte
dieses Versprechen in keiner Regierungsbilanz auf.
Nach dem Verkauf von Fannie Mae emittierte die Regierung
weiterhin Schuldtitel zur Finanzierung von Hypotheken im
Rahmen von Darlehensprogrammen der Federal Housing Administration (FHA) und der Veterans Administration (VA). Um diese
Hypothekendarlehen aus ihren Büchern zu nehmen, gründete die Johnson-Regierung die Government National Mortgage Association (GNMA), die von der FHA/VA besicherte Darlehen
in Wertpapieren zusammenfasste und diese an Investoren
verkaufte. Das bedeutete, dass die Regierung nicht länger
eigene Anleihen ausgeben musste, um diese Hypotheken
zu finanzieren. Die Regierung stand jedoch weiterhin für die
Ausfallsicherheit der FHA/VA-Hypotheken ein.
Die Verbriefung von Hypotheken hatte immer schon zwei
bedeutende Vorteile. Einer dieser Vorteile besteht darin,
dass sie buchhalterische Möglichkeiten eröffnet, wie zum
Beispiel die Streichung der Hypotheken aus den Regierungsbüchern und damit eine Senkung der offiziellen Staats129
verschuldung. Ähnliche Buchhaltungstricks können bei allen
größeren Verbriefungswellen beobachtet werden. Der andere große Vorteil einer Verbriefung ist, dass diese weniger
regulierten Unternehmen die Möglichkeit bieten, schneller
zu handeln als Einlageninstitute. Wenn der regulierte Bankensektor nicht in der Lage war, die Nachfrage nach Hypotheken zu decken, trat die Verbriefung mit all ihren Vor- und
Nachteilen ein und füllte die Lücke. Während Einlageninstitute (Banken und S&L-Institute) von den Regulierungsbehörden oder -agenturen in Washington strenger im Zaum
gehalten wurden, konnten die Emittenten von durch Hypotheken unterlegten Wertpapieren Kapital bereitstellen. Hätte jedoch immer ein so genanntes Level Playing Field bestanden, wäre ein solches Verbriefungsphänomen vermutlich
nicht möglich gewesen. Die Agenturkosten hätten Verbriefungen ohne Ausgleich durch regulatorische Vorteile ins
Aus katapultiert.
1970 wurden die S&L-Institute als die zur damaligen Zeit dominierenden Hypothekenemittenten durch zahlreiche regulatorische Vorschriften in ihrem Handeln eingeschränkt. Die
von ihnen für Einlagen angebotenen Zinssätze wurden durch
die Regierung im Rahmen der so genannten „Regulation Q“
nach oben begrenzt. Aufgrund der stetig wachsenden Inflation lagen die Kapitalmarktzinsen deutlich über den Obergrenzen gemäß der Regulation Q, so dass das Geld der Sparkassen bald knapp wurde. Kleinere, weniger regulierte
Wettbewerber – Geldmarktfonds – schöpften Geld aus Primäreinlagen ab.
130
Die Sparkassen in Kalifornien waren von der Kapitalverknappung besonders betroffen. Zur damaligen Zeit konnten
Einlageninstitute noch nicht über die Grenzen der einzelnen
Bundesstaaten hinweg operieren, so dass die recht hohen
Spareinlagen aus dem Osten der USA nicht in den Westen
gelangen konnten.
Um das Ungleichgewicht zwischen den im Osten vorhandenen Spareinlagen und der Hypothekennachfrage im Westen zu kompensieren, gründete der Kongress Freddie Mac
mit dem Ziel, einen nationalen „Sekundärmarkt“ für Hypotheken zu schaffen. Freddie Mac wurde der Aufsicht der USamerikanischen Bundesaufsichtsbehörde für das Bausparkassenwesen, dem Federal Home Loan Bank Board, unterstellt.
Anders als die Sparkassen selbst hatte Freddie Mac die Möglichkeit, Gelder von einer Küste an die andere zu transferieren. So konnte Freddie Mac beispielsweise von einer Sparkasse in Kalifornien ausgegebene Hypothekendarlehen in
Wertpapieren bündeln und diese an eine in New York ansässige Sparkasse verkaufen.
Mit dem Ziel einer effizienteren Gestaltung des sekundären
Hypothekenmarktes sicherte Freddie Mac Wertpapierinhaber
gegen Hypothekenausfälle ab. Wurden für ein Wertpapier
von Freddie Mac keine Zahlungen mehr geleistet, sprang Freddie
Mac ein, zog die Hypothek aus dem Fonds zurück und bezahlte den Investoren die volle, für diese Hypothek fällige
Tilgung aus. Anschließend versuchte Freddie Mac, so viel Geld
131
wie möglich über die Zwangsversteigerung wieder hereinzuholen.
In den 1970er Jahren handelten Fannie Mae und Freddie Mac
unterschiedlich. Freddie Mac kaufte vornehmlich Darlehen
von Sparkassen auf, brachte diese in Wertpapiere ein und
verkaufte diese Wertpapiere an Investoren. Fannie Mae kaufte
in erster Linie Darlehen von Hypothekenbanken auf und gliederte diese in ihr durch Schulden finanziertes Portfolio ein.
Fannie Mae ging damit neben einem Zinsänderungsrisiko auch
ein Hypothekenkreditrisiko ein. In den 1980er Jahren entwickelte Freddie Mac jedoch ein Programm, das Sparkassen die
Möglichkeit eröffnete, Hypotheken, deren Wert aufgrund
höherer Zinssätze nach der Darlehensvergabe gesunken
war, gegen Wertpapiere einzutauschen, ohne einen Verlust
zu verbuchen. Dieses Programm erwies sich als so einträglich, dass Fannie Mae, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ein
vergleichbares Programm auflegte und damit selbst in das
Wertpapiergeschäft einstieg.
1988 wurden die Anteile an Freddie Mac unter den Sparkassen aufgeteilt und 1989 an der New Yorker Börse der Öffentlichkeit zum Kauf angeboten, womit Freddie Mac ebenso
wie Fannie Mae zwanzig Jahre zuvor privatisiert wurde. In ihrer
neuen Form übernahm Freddie Mac von Fannie Mae die Strategie des Aufkaufs von Darlehen und verbrieften Hypotheken
für ihr durch Schulden finanziertes Portfolio und setzte diese
in immer größerem Umfang um. Bald waren beide Unter-
132
nehmen im Verbriefungsgeschäft aktiv und hielten Portfolios.
2003 hielten Freddie Mac und Fannie Mae gemeinsam 50% der
in den USA ausstehenden Hypothekenschulden. Die Einlageninstitute konnten nicht länger mit den beiden als so genannte Government Sponsored Enterprises (GSE) bekannten Unternehmen Schritt halten.
Einer der grundlegenden Wettbewerbsvorteile der GSE lag
in den Kapitalanforderungen. Von Banken wird eine Eigenkapitalquote von 8% bezogen auf ihre risikogewichteten Aktiva gefordert. 1989 verabschiedeten die USA die von der
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ausgearbeiteten
Anforderungen, die aufgrund des Baseler Sitzes der BIZ unter dem Namen Basler Eigenkapitalvereinbarung (Basel I)
bekannt wurden. Gemäß Basel I liegt das Risikogewicht von
Hypothekendarlehen bei 50%, woraus sich für Hypothekendarlehen eine erforderliche Eigenkapitalquote von 4% ergibt. Als Basel II weiter ausgearbeitete Kapitalanforderungen
ermöglichen für risikoarme Hypotheken mit Anzahlungen
von über 40% ein Risikogewicht von 20%, wohingegen das
Risikogewicht von Darlehen mit Anzahlungen von 20 bis
40% bei 35% liegt.
Für Hypothekendarlehen mit Anzahlungen von 20% oder
mehr gelten deutlich höhere Kapitalanforderungen als für
Freddie Mac und Fannie Mae. Freddie Mac und Fannie Mae unterliegen anderen Vorschriften, die in der Praxis zu einer Eigenka133
pitalquote von unter 3% führten, was deutlich unter der für
Banken geltenden Eigenkapitalquote liegt.
Das Ergebnis der für risikobasiertes Kapital geltenden Vorschriften war, dass Freddie Mac und Fannie Mae mit den von ihnen ausgegebenen risikoarmen Hypotheken eine höhere Eigenkapitalrendite erzielten als Banken. Das risikoarme Ende
des Hypothekenmarktes verschob sich damit in Richtung
auf die GSEs.
2004 entstand durch eine Reihe von Marktentwicklungen
ein besonderes, durch niedrige Anzahlungen gekennzeichnetes Hypothekendarlehen, das von Hypothekenmaklern
ausgegeben und von Unternehmen der Wall Street verbrieft
wurde. Diese durch Hypotheken unterlegten Wertpapiere
wurden zur Unterscheidung der von den GSEs ausgegebenen Wertpapiere als Private-Label-Wertpapiere bezeichnet.
Die Private-Label-Verbriefung zielte auf ein Marktsegment ab,
das von den GSEs als zu riskant angesehen wurde. Dieses
Segment richtete sich an Darlehensnehmer mit geringer
Kreditwürdigkeit oder mit Einkommen, die in der Vergangenheit als zu gering für die Vergabe eines Wohnimmobiliendarlehens erachtet worden wären. Dieser so genannte Subprime-Markt wurde von der Private-Label-Verbriefung dominiert.
Eine der Entwicklungen, die zu diesem Phänomen der Private-Label-Verbriefung führte, war das als Credit Scoring bezeichnete Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung. In den späten
134
1990er Jahren hatte das Credit Scoring bei den GSEs die nicht
automatisierte Vergabe von Darlehen abgelöst. Diese kostengünstige und hinreichend genaue Methode trug zudem
zu einer Senkung der mit der indirekten Darlehensvergabe
verbundenen Agenturkosten bei. Die objektive Berechnung
von Credit Scores erfolgt durch unabhängige Spezialunternehmen wie bspw. dem bekanntesten Anbieter Fair Isaac. Bedenken, der Initiator könnte Makel in der Kredithistorie des Darlehensnehmers verschleiern, können auf diese Weise
beseitigt werden.
Eine weitere Entwicklung war das so genannte Financial Engineering. Wir erinnern uns, dass die Basler Eigenkapitalvorschriften eine Nachfrage nach Wertpapieren mit AAA-Rating begründeten. Diese Nachfrage war nicht auf die USA
begrenzt, sondern war weltweit zu beobachten. Um dieser
Nachfrage gerecht zu werden, entwickelten die Finanzingenieure der Wall Street Techniken, um hochriskante Darlehen
in AAA-Wertpapieren zu verbriefen.
Der Cash Flow aus einem Hypothekenfonds konnte so aufgeteilt werden, dass etwa die ersten 5% Hypothekenausfälle
von den nachgeordneten Wertpapieren, den so genannten
Junior Securities, getragen wurden und die mit besonderen Vorrechten ausgestatteten Senior Securities von diesem Teil des
Ausfallrisikos unberührt blieben. Die auf diese Weise isolierten Senior Securities konnten dadurch von den Agenturen ein
AA- oder AAA-Rating erhalten, so dass diese Wertpapiere
in institutionelle Portfolios aufgenommen werden konnten.
135
Eine Bank konnte so beispielsweise ein AA-Wertpapier mit
einem Risikogewicht von 20% halten.
Im Zentrum der Finanzkrise, die 2007 ihren Lauf nahm, standen Verluste bei Wertpapieren, die durch Hypotheken unterlegt waren. Die meisten Verluste entstanden dabei durch
Wertpapiere, die durch riskante Darlehen, die so genannten
Subprime-Hypotheken, unterlegt waren. Dabei handelt es
sich um Darlehen, die ohne Überprüfung der für die Rückzahlung der Darlehen ausreichenden Einkommenssituation
an Darlehensnehmer mit unzulänglichem Kreditmanagement
vergeben wurden. Mit den weiter fallenden Preisen für Wohnimmobilien in den Jahren 2007 und 2008 und der in eine
Rezession abrutschenden Wirtschaft begannen jedoch
auch Darlehen, die an verlässliche Darlehensnehmer vergeben worden waren, hohe Ausfallraten aufzuweisen. Die Hypothekenausfälle betrafen besonders Institute mit einem
großen Anteil an durch Hypotheken unterlegten Wertpapieren wie Bear Stearns, Lehman Brothers, Freddie Mac, Fannie Mae und
die Citigroup. Darüber hinaus war auch der US-Versicherungskonzern AIG, der die Inhaber von verbrieften Hypotheken durch Credit Default Swaps versichert hatte, von den Problemen im Zusammenhang mit diesen Wertpapieren
betroffen. AIG war damit gewissermaßen Versicherer von
durch Hypotheken unterlegten Wertpapieren, so dass die
Geschäftspartner von AIG angesichts der hohen Wertpapierausfallraten das Vertrauen in das Unternehmen verloren. Ihre Nachfrage nach Sicherheiten zwang die Versiche-
136
rungsgesellschaft, Hilfszahlungen von der US-Regierung in
Anspruch zu nehmen.
Der Vorgang der Verbriefung trug dadurch vermutlich wesentlich zum Entstehen und Platzen der Immobilienblase in
den USA bei, da er in den Köpfen von Investoren und Aufsichtsbehörden die Illusion schuf, die Unternehmen wären
vor Hypothekenausfällen sicher, obwohl das System dieses
Risiko weiter in sich barg und sich durch die Einbeziehung
ungeeigneter Darlehensnehmer sogar ausweitete.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass in anderen
Ländern auch ohne die beschriebenen Verbriefungen Immobilienblasen entstanden. Die Verbriefungen in den USA waren es jedoch, die die komplexen Verbindungen zwischen
den Finanzeinrichtungen schufen, die zu den so weit reichenden Folgen dieser Krise führten.
3. D
ie US-Immobilienblase und
Subprime-Hypotheken
In den USA verstärkten sich der Verbriefungsprozess und
die Immobilienblase gegenseitig. Mit den steigenden Hauspreisen sank die Anzahl der Hypothekenausfälle. Ein Darlehensnehmer, der bei steigendem Wert seiner Immobilie
nicht in der Lage ist, sein Hypothekendarlehen zurückzubezahlen, nimmt entweder ein neues Darlehen auf oder verkauft sein Haus, um so von der Aufwertung zu profitieren,
137
anstatt einen Kreditausfall und damit die Übernahme seiner
Immobilie durch den Darlehensgeber in Kauf zu nehmen.
Die sinkende Anzahl an Hypothekenausfällen führte jedoch zu
einer Lockerung der Vergabekriterien seitens der Darlehensgeber. Sie begannen, große Darlehensvolumina zu vergeben,
bei denen es sich um so genannte Subprime-Hypotheken handelte. Im Zuge dessen vergaben Darlehensgeber Darlehen an
Antragsteller mit einer schlechten Kredithistorie und geringen
Einkommen. Gängige Regel in den USA ist es eigentlich, dass
Familien Häuser kaufen, deren Wert das Zwei- bis Dreifache
ihres Jahreseinkommens nicht übersteigt. Auf dem Höhepunkt
der Immobilienblase 2006 lag der durchschnittliche Hauspreis
in einigen Bezirken Kaliforniens hingegen zehn Mal über dem
durchschnittlichen Haushaltseinkommen.
Exkurs
Was ist eine Subprime-Hypothek?
Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs Subprime-Hypothek gibt es nicht. Einfach formuliert handelt es
sich um ein Hypothekendarlehen, das mit höherem Risiko
behaftet ist als erstklassige Darlehen.
Bei der Vergabe von Hypothekendarlehen spricht man im
anglophonen Sprachraum im Allgemeinen von den „drei
C’s“:
– Collateral (Sicherheiten)
138
– Capacity (Zahlungsfähigkeit)
– Credit (Kreditwürdigkeit)
Das erste „C“ steht für „Collateral“ und bezeichnet den
Wert der Immobilie, der hinter dem Darlehen steht. Bei einer
Hypothek handelt es sich um ein durch eine Immobilie besichertes Darlehen. Hypothekendarlehen für den Immobilienerwerb sehen für gewöhnlich monatliche Zahlungen des
Darlehensnehmers vor. Kommt der Darlehensnehmer seiner Zahlungsverpflichtung nicht fristgemäß nach, erhält er
vom Darlehensgeber eine schriftliche Zahlungserinnerung.
Bleibt der Darlehensnehmer mehr als drei monatliche Zahlungen schuldig, leitet der Darlehensgeber normalerweise
die Zwangsversteigerung ein. Bei einer Zwangsversteigerung handelt es sich um ein gesetzliches geregeltes Verfahren zur Versteigerung der betreffenden Immobilie, deren Erlös an den Darlehensgeber geht. Der Darlehensgeber kann
dabei ein Gebot mindestens in der Höhe des ausstehenden
Darlehensbetrages verlangen. Ergeht kein Gebot in dieser
Höhe, geht die Immobilie in das Eigentum des Darlehensgebers über. Der Darlehensgeber wird daraufhin versuchen,
die ausstehenden Beträge soweit wie möglich durch die Sanierung und den Verkauf der Immobilie wieder zu erlangen.
Je höher die Anzahlung des Darlehensnehmers, desto besser ist der Darlehensgeber gegen Verlust geschützt. Bei einer Anzahlung in Höhe von $ 40.000 auf eine Immobilie mit
einem Wert von $ 200.000, umfasst das Hypothekendarlehen $160.000. Werden die Zahlungen eingestellt und die
139
Zwangsversteigerung der Immobilie zugelassen, trägt der
Darlehensgeber keinerlei Verlustrisiko, solange die Immobilie nach wie vor mindestens $ 160.000 wert ist. Hingegen ist
es unwahrscheinlich, dass der Darlehensnehmer die
Zwangsversteigerung seiner Immobilie zulassen wird, wenn
sie noch beispielsweise $ 180.000 wert ist. Eine bessere
Alternative für einen Darlehensnehmer, der seine Hypothekenzahlungen nicht mehr leisten kann, wäre es, die Immobilie zu verkaufen, den Darlehensgeber auszubezahlen und
selbst nur $ 20.000 von den als Anzahlung geleisteten
$ 40.000 zu verlieren.
Der Wert der Sicherheiten wird in einer Schätzung ermittelt.
Hierzu wird die Immobilie von einem Gutachter in Augenschein genommen und unter Bezugnahme auf den Wert anderer Immobilien, die kürzlich in derselben Gegend verkauft
wurden, bewertet. Der Darlehensgeber trägt ein gewisses
Risiko, wenn der in dem Gutachten bestimmte Wert künstlich in die Höhe getrieben wird. Bei Hypothekendarlehen für
den Eigenheimerwerb sind diese Gutachten in der Regel
verlässlich, sofern sich nicht mehrere der Beteiligten auf das
Erzielen eines falschen Transaktionspreises verständigt haben. Bei Refinanzierungen, für die der Darlehensnehmer ein
neues Hypothekendarlehen aufnimmt, um ein altes abzubezahlen, liegt hingegen keine Kauftransaktion vor, die als Bezugspunkt für die Bewertung herangezogen werden könnte.
Bei einem bestimmten Verhältnis zwischen dem Betrag des
Darlehens und dem geschätzten Wert ist die Sicherheit bei
140
Refinanzierungstransaktionen mit einem größeren Risiko
behaftet als bei Kauftransaktionen.
Das zweite „C“ steht für „Capacity“ und bezeichnet die Fähigkeit des Darlehensnehmers, die monatlichen Zahlungen
zur Tilgung des Hypothekendarlehens leisten zu können. Bei
der Vergabe eines erstklassigen Darlehens (Prime Loan) ist
der Darlehensgeber darauf bedacht, dieses an eine Person
zu vergeben, die einer geregelten beruflichen Tätigkeit nachgeht, die ein ausreichend hohes Gehalt erzielt, damit die Tilgung des Darlehens für den Darlehensnehmer keine übermäßige Last darstellt. Ist der Darlehensnehmer arbeitslos
oder übt dieser eine Tätigkeit mit stark schwankendem Einkommen aus wie beispielsweise als Schauspieler oder freier
Autor, prüft der Darlehensgeber, ob der Darlehensnehmer
über ausreichende Vermögenswerte verfügt, um seiner
Zahlungspflicht auch in Zeiten geringerer Einkünfte weiterhin nachkommen zu können.
Bei erstklassigen Hypothekendarlehen werden die berufliche Tätigkeit, die Einkünfte und das vorhandene Vermögen
des Darlehensnehmers durch Dritte wie etwa den Arbeitgeber oder die Bank des Darlehensgebers beigebrachte Nachweise überprüft. Bei zweitklassigen Darlehen (Subprime Loans)
werden hingegen auch schwächere Nachweise akzeptiert.
Den Extremfall stellen dabei so genannte NINJA-Darlehen
(„no verification of income, job or assets“) dar, bei deren Vergabe keine Überprüfung des Einkommens, der beruflichen Tätigkeit
oder der vorhandenen Vermögenswerte erfolgt. Ein anderer
141
Begriff ist das so genannte „Stated-Income“-Darlehen, bei dem
der Darlehensgeber den Angaben des Darlehensnehmers
bezüglich der Haushaltseinkünfte ohne jegliche Überprüfung Glauben schenkt. Diese Darlehen werden auch als
„Liar Loans“ (Lügner-Darlehen) bezeichnet, da für den Darlehensnehmer ohne Überprüfung kaum Veranlassung besteht, die Wahrheit zu sagen. Für die meisten Darlehensnehmer ist die Überprüfung ihres Einkommens, ihrer beruflichen
Tätigkeit oder ihres Vermögens unnötiger Papierkram. Andererseits lädt ein Unterlassen dieser formellen Überprüfungen zu Missbrauch und falschen Angaben ein. Nahezu
alle Darlehen mit unvollständiger Dokumentation gelten als
zweitklassige Darlehen.
An dritter Stelle steht die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers („Credit“). In den USA gibt es privatwirtschaftliche
Unternehmen („Credit Bureaus“), die überprüfen, wie es um die
Zahlungsmoral einzelner Personen im Umgang mit ihren
Kreditkarten, Hypothekendarlehen und Automobildarlehen
bestellt ist. Diese Unternehmen geben auch Auskunft über
mögliche Vorstrafen. Bewirbt sich eine Privatperson um einen Kredit, einschließlich Hypothekendarlehen, ist der Darlehensgeber gesetzlich befugt, von diesen Kreditbüros bestimmte Kreditauskünfte (so genannte „Credit Reports“)
einzuholen.
Bis Mitte der 1990er Jahre wurde bei der Auswertung dieser Credit Reports auf Einzelkreditprüfer zurückgegriffen. Seit142
her hat sich die Praxis hin zu einem Punktesystem mit so
genannten „Credit Scores“ verlagert. Dieses Punktesystem basiert auf einer statistischen Auswertung des Credit Reports.
Während bei einer Auswertung durch Einzelkreditprüfer der
Fokus einzig auf erkennbar nachteiligen Merkmalen eines
Credit Reports wie ausstehenden Tilgungsraten lag, werden bei
einer auf Credit Scores beruhenden Auswertung andere Faktoren berücksichtigt. Einer dieser Faktoren ist die Inanspruchnahme: Eine Person mit einer Kreditlinie von $ 20.000
und einem ausstehenden Saldo in Höhe von nur $ 1.000
weist eine geringe Inanspruchnahme und damit einen günstigen Credit Score auf. Ein ausstehender Saldo in Höhe von
$ 18.000 weist hingegen auf eine starke Inanspruchnahme
hin und führt zu einem nachteiligen Credit Score.
Einer der Indikatoren für ein zweitklassiges Darlehen ist ein
relativ geringer Credit Score des Darlehensnehmers. Je nach
angewandtem System kann somit ein Punktestand von 730
oder mehr als erstklassig, ein Punktestand von 690 oder
weniger als zweitklassig betrachtet werden. Credit Scores zwischen 690 und 730 können je nach Vergabekriterien der
unterschiedlichen Darlehensgeber sowohl als erst- als auch
als zweitklassig behandelt werden.
Bei der Vergabe von Hypothekendarlehen werden meist bei
einem der beschriebenen drei „C‘s“ Abstriche gemacht.
Stehen sowohl die Sicherheiten als auch die Zahlungsfähigkeit und die Kreditwürdigkeit auf einer sicheren Grundlage,
so deutet dies auf ein erstklassiges Darlehen hin. Sind sta143
bile Sicherheiten vorhanden und weisen die Zahlungsfähigkeit und die Kreditwürdigkeit hingegen Schwächen auf, so
handelt es sich um ein zweitklassiges Darlehen, auch wenn
das Risiko durch die Anzahlung des Darlehensnehmers verringert wird.
Der Umgang mit erst- und zweitklassigen Darlehen hängt
von den Kriterien der einzelnen Darlehensgeber ab. Manche
Darlehensgeber lehnen die Vergabe von zweitklassigen
Darlehen strikt ab. Andere vergeben zwar zweitklassige
Darlehen, belegen diese jedoch mit einem sehr viel höheren
Zinssatz, um das größere Risiko zu kompensieren. Viele
Darlehensgeber verfügen über mehrere Risikokategorien
und umfassende Regeln für die Einstufung der Darlehen in
diese Kategorien und die Festlegung verschiedener Zinssätze für die einzelnen Kategorien.
Exkurs Ende
Mit dem Wachsen der Immobilienblase tolerierten die Darlehensgeber immer höhere Risiken. Eine vielfach genutzte
Möglichkeit, die Vergabestandards zu lockern, bestand darin, geringere Anzahlungen zu verlangen. In den 1980er Jahren lag die Anzahlung für den Erwerb einer Standard-Wohn­
immobilie bei 20% des Kaufpreises, die übrigen 80% wurden
über ein Hypothekendarlehen finanziert. 2005 waren Anzahlungen von nur 3% und Darlehen in Höhe von 97% des Häuserwertes die Regel und manche Darlehensgeber vergaben
Hypothekendarlehen ganz ohne Anzahlung. Einigen Hauseigentümern wurden sogar Hypotheken von über 100% des
144
Werts ihrer Immobilie zur Refinanzierung ihres Hauses angeboten.
Durch diese Hypotheken mit niedrigen Anzahlungen wurde
der Wohnungsmarkt destabilisiert. Leistet ein Käufer weniger als 5% des Kaufpreises als Anzahlung, stammt der
Großteil der Eigenmittel des Käufers aus einer Hauspreissteigerung. Das bedeutet, dass bei steigenden Häuserpreisen so gut wie jeder in der Lage ist, ein Haus zu kaufen, da
nur geringe bzw. gar keine Anzahlungen erforderlich sind.
Andererseits ist bei sinkenden Häuserpreisen so gut wie
niemand in der Lage, ein Haus zu kaufen, da die Darlehensgeber die mit Grenzkreditnehmern einhergehenden Risiken
nicht länger tragen können.
Die Antwort auf steigende Häuserpreise waren ein Bauboom und spekulative Häuserkäufe. Der Wirtschaftswissenschaftler William Wheaton schätzt, dass die Baurate in
dem Jahrzehnt des Booms die Rate der Haushaltsbildung
um 6% überstieg. Experten der US-Notenbank fanden heraus, dass der Anteil von Häuserhypotheken für nicht als
Eigenheim genutzte Immobilien (also von Spekulanten gekaufte Immobilien) von weniger als 5% in den 1990er Jahren auf etwa 15% in den Jahren 2005 und 2006 anstieg.
Und auch der Eigenheimerwerb erfolgte oft in hochspekulativer Weise. Die Darlehensnehmer waren nicht in der Lage,
ihre Hypothekenzahlungen abzuleisten. Stattdessen verließen sie sich darauf, dass sie ihre Hypotheken durch die Re145
finanzierung über neue Darlehen würden abbezahlen können. Ziel dieser Strategie war es, die Vorteile aus steigenden
Häuserpreisen dafür zu nutzen, andere Kreditgeber dazu zu
bringen, Kapital für die Refinanzierung zur Verfügung zu stellen.
Der Anstieg der Immobilienwerte sowie der ausstehenden
Hypothekenschulden sind in Abbildung 1 am Ende dieses
Beitrags dargestellt. Der inflationsbereinigte Gesamtwert
der Wohnimmobilien in den USA verdreifachte sich von
1975 bis 2005, während sich der Umfang der ausstehenden
Hypothekenschulden mehr als verfünffachte.
Diese übermäßige Bautätigkeit und spekulativen Exzesse
machten den Markt für einen Zusammenbruch anfällig. Mit
sinkenden Preisen schnellte die Anzahl der Ausfälle bei spekulativen Häuserkäufen und Käufen in die Höhe, die von
Darlehensnehmern getätigt wurden, die nicht über das nötige Einkommen verfügten, um ihre Hypothekenzahlungen ableisten zu können, und die stattdessen auf die Möglichkeit
einer Refinanzierung gezählt hatten. Eine Refinanzierung
schied angesichts sinkender Preise jedoch aus, so dass
viele Darlehensnehmer plötzlich ihre Hypothekenzahlungen
schuldig blieben. Dies wiederum führte dazu, dass das Eigentum an den Häusern auf die Darlehensgeber überging
und die Preise weiter in die Tiefe gingen, als all diese Häuser
zum Verkauf angeboten wurden. Die spekulative Spirale
kehrte sich um.
146
Angesichts der signifikanten Verluste, die Darlehensgeber
und spekulative Darlehensnehmer erlitten haben, ist die
Stimmung auf dem US-amerikanischen Wohnungsmarkt äußerst zurückhaltend. Es wird wohl noch einige Jahre dauern,
bevor Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht
kommen.
4. „Suits“ vs. „Geeks“
Ein Merkmal der Verbriefung von Hypotheken war die Komplexität des Prozesses. Eine genaue Beschreibung der verschlungenen Wege, auf denen die Wall Street durch Hypotheken unterlegte Wertpapiere strukturierte, um dadurch
die Anzahl der Wertpapiere mit AAA-Rating zu maximieren,
würde den Rahmen dieses Beitrags übersteigen. Allein
maßgeblich ist, dass strukturierte Finanzierungen eine ausgeklügelte Modellierung voraussetzten, für welche komplexe computerbasierte Simulationen statistischer Szenarien erforderlich waren.
Unternehmen, die mit durch Hypotheken unterlegten Wertpapieren handelten, insbesondere die Unternehmen der
Wall Street, die diese entwickelt hatten, beschäftigten junge
Analysten mit mathematischem und physikalischem Hintergrund für die komplexen Analysen, die erforderlich waren,
um die Wertpapierstrukturen zu entwerfen. Diese Mitarbeiter wurden als „Quantitative Analysten“ oder „Finanzingenieure“ bezeichnet. Ich bevorzuge hingegen den Begriff
„Geeks“, der im amerikanischen Englisch umgangssprachlich
147
junge Männer bezeichnet, die über besondere Fähigkeiten
im Umgang mit Computern, jedoch eine eher schwache soziale Kompetenz verfügen.
In großen Unternehmen bezeichnen diese Geeks ihre Vorgesetzten als „Suits“. Diese sind für gewöhnlich sozial gewandter und legen im Gegensatz zu den Geeks, die lieber in
Jeans zur Arbeit erscheinen, meist besonderen Wert auf
ihre maßgeschneiderten Anzüge.
Eines der Hauptprobleme des Hypothekenverbriefungsmarktes bestand darin, dass zwischen den Suits und den
Geeks eine Kommunikationslücke aufklaffte. Die Suits waren
nicht in der Lage, die von den Geeks angewendeten komplexen technischen Prozesse zu verstehen. Die Geeks ihrerseits
waren entweder nicht willens oder nicht fähig, die Grenzen
und Risiken ihrer Simulationsanalysen klar verständlich zu
kommunizieren.
Aufgrund dieser mangelnden Kommunikation gingen ein
großer Teil der Führungskräfte der wichtigsten Finanzunternehmen davon aus, dass ihre Unternehmen besser dastanden, als dies tatsächlich der Fall war, und dachten, die Gefahr umfangreicher Verluste läge in weiter Ferne. Tatsächlich
war die Wahrscheinlichkeit, dass Ereignisse eintraten, die
hohe Verluste auslösen konnten, deutlich höher, als die Suits
annahmen.
148
In manchen Fällen reichten selbst ausdrückliche Warnungen
nicht aus, die Führungsriege zu überzeugen. Sowohl bei
Freddie Mac als auch bei Fannie Mae hatten erfahrene Risikoanalysten davor gewarnt, dass zu lockere Vergabestandards
ein erhebliches Risiko in sich bargen. Diese Warnungen
wurden von Top-Führungskräften ignoriert.
Im September 2008 entwarf die Politik kurzfristig einen Vorschlag für den Aufkauf von „toxischen Vermögenswerten“
– das heißt von durch Hypotheken unterlegten Wertpapieren mit schwer zu bestimmendem Wert – durch die US-Regierung. Ihre Hoffnung gründete sich darauf, den Wert dieser Wertpapiere zu steigern und es dadurch einfacher zu
ermöglichen, diese zu handeln und zu halten. Viele Geeks
warnten die Regierung, dass diese nicht in der Lage sein
würde, den Wert dieser Wertpapiere zu bestimmen; der ursprünglich von US-Finanzminister Henry Paulson vorgelegte
und vom Kongress hastig verabschiedete Plan wurde aufgegeben, bevor überhaupt der Versuch unternommen worden
war, „toxische Wertpapiere“ aufzukaufen. Dieser Misserfolg verdeutlicht einmal mehr die Kluft zwischen Suits und
Geeks.
5. Schlussfolgerung
Die Krise am Subprime-Markt legte eine Reihe von Schwächen des US-amerikanischen Finanzsystems offen. Einige
der Probleme spiegelten seit langem bestehende Mängel in
der Wohnungspolitik wider. Die meisten Politiker erwarten
149
jedoch keine Wiederholung der Immobilienblase in näherer
Zukunft. Stattdessen sind sie darüber beunruhigt, wie die
Probleme bei der Vergabe von Hypothekendarlehen innerhalb des Finanzsystems verstärkt wurden. Die starke Verwundbarkeit so vieler großer Unternehmen der Immobilienbranche hatten sie nicht vorhergesehen und das Ziel ihrer
Bemühungen besteht nunmehr darin, weitere Überraschungen durch die Anhäufung so vieler systemischer Risiken zu vermeiden.
Eine Darstellung der Vorschläge dazu, wie mit diesen systemischen Risiken umgegangen werden könnte, würde den
Rahmen dieses Beitrages übersteigen. Stattdessen möchte
ich mich auf mögliche Änderungen der Wohnungsmarktpolitik konzentrieren, auch wenn solche Änderungen in den
USA derzeit keine allzu große Priorität zu haben scheinen.
Die Regierung verfolgt traditionell die politische Linie, den
Erwerb von Wohneigentum zu fördern und zu unterstützen.
Politiker blicken auf die Wohneigentumsrate als Erfolgsindikator für ihre Wirtschaftspolitik. Für die Bush-Administration
war es Anlass zu Stolz, dass die Wohneigentumsrate während Bushs Präsidentschaft von etwa 65% auf einen Eigenheimanteil der US-Haushalte von rekordverdächtigen 69%
anstieg.
Rückblickend scheint es so, als wäre das Wohneigentum zu
stark forciert worden, da zu viele Menschen Häuser kauften, die sie sich nicht leisten konnten. Viele Experten schla150
gen vor, dass Darlehensgeber von Hypothekendarlehen die
Darlehensnehmer genauer betrachten, um sicherzustellen,
dass diese sich die Häuser, die sie kaufen, auch leisten können.
Diese Bedenken hinsichtlich der Eignung von Darlehensnehmern ist relativ neu. Vor der Subprimekrise wurden Darlehensgeber von Kongressmitgliedern vielmehr gescholten,
nicht genügend Hypothekenkapital für das „unterversorgte“
Wohnungsmarktsegment bereit zu stellen. Darlehensgeber
wurden unter Druck gesetzt, größere Anstrengungen hinsichtlich einer Ausweitung der Darlehensvergabe an Minderheiten und Familien mit geringeren Einkommen für den
erstmaligen Eigenheimerwerb zu unternehmen. Dieser auf
Freddie Mac, Fannie Mae und den Banken lastende Druck äußerte sich in Form von „Zielvorgaben für den erschwinglichen Erwerb von Wohneigentum“, wobei es sich um Ziel­
vorgaben für die Vergabe von Darlehen an unterversorgte
Märkte handelte, die von den genannten Unternehmen erreicht werden sollten. Unklar ist jedoch, wie der Druck, diese Märkte zu bedienen, in Zukunft mit den neuen Bedenken
in Einklang gebracht werden soll, dass Antragsteller keine
Darlehen erhalten sollten, die ihre Finanzen über die Maßen
strapazieren.
Ein weiteres Merkmal der US-amerikanischen Wohnungspolitik ist, dass sie die Verschuldung durch Hypotheken fördert. Amerikaner haben die Möglichkeit, die zur Tilgung der
Zinsen eines Hypothekendarlehens geleisteten Zahlungen
151
steuerwirksam von ihrem Einkommen abzuziehen. Dies
schafft Anreize dafür, das Eigenheim im Wege der Verschuldung zu finanzieren, anstatt Geld für eine Anzahlung zu sparen. Zudem wird der Erwerb von Wohneigentum durch eine
Reihe anderer Regierungsstrategien und Institutionen, die
den Hauskauf dadurch unterstützen, dass sie Hypothekendarlehen mit niedrigen Zinssätzen bereitstellen, subventioniert (FHA, Fannie Mae, Freddie Mac usw.).
Wie sinnvoll diese Politik der Förderung von Hypothekendarlehen tatsächlich ist, sei dahingestellt. Fest steht, dass
die Wohnungsmärkte stabiler wären, wenn die Regierung
den Eigenheimerwerb auf Grundlage höherer Anzahlungen
anstelle höherer Hypotheken fördern würde. Doch die Politik der Förderung der Hypothekenzinsraten ist fest im politischen System der USA verankert und bislang liegen keine
Vorschläge vor, dies zu ändern.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass der Gesetzgeber trotz
der Erfahrungen mit den auf Immobiliengeschäften beruhenden Finanzkrisen der 1930er, 1980er und der vergangenen Jahre weiterhin eine Politik aufrechterhalten
möchte, die den Hauskauf über regierungsgeförderte Hypothekendarlehen unterstützt. Die Reformvorschläge beziehen sich bislang allgemein auf die Regulierung der Finanzmärkte und systemische Risiken, ohne dabei jedoch die
Politik der Immobilienfinanzierung einer grundlegenden
Überprüfung zu unterziehen.
152
Schließlich muss auch das Versagen der Vorschriften der
Basler Eigenkapitalvereinbarungen hinsichtlich des risikobasierten Kapitals näher untersucht werden.
Die Aufsichtsbehörden werden
den Fehler, es Banken zu gestatten, Kapitalanforderungen
zu umgehen und von den Ratingagenturen ein AAA-Rating
für riskante Darlehenportfolios
zu erhalten, wohl nicht noch einmal machen. Doch auch wenn
diese einzelne Lücke in der Aufsichtsstruktur geschlossen wird,
sollte man sich immer der Tatsache bewusst sein, dass Banken
aufgrund ihres ureigenen Ziels
der Steigerung ihrer Eigenkapitalrendite in Zukunft neue Lücken finden könnten. Es stellt
sich daher grundlegend die Frage, ob es angesichts finanzieller
Innovationen und stetiger Bestrebungen des Privatsektors,
die Grenzen der Vorschriften
auszutesten, überhaupt möglich
ist, einen stabilen regulatorischen Rahmen zu schaffen.
153
Michael Voigtländer
Die Privatisierung
kommunalen Wohneigentums
1. Einleitung
Wer in Deutschland eine Wohnung mieten möchte, ist es
gewohnt auf private Vermieter zu treffen. Hierzulande gibt
es rund 24 Millionen Mietwohnungen, 90% davon werden
von privaten Vermietern angeboten. Diese bieten von der
Luxuswohnung bis zur einfach ausgestatteten Wohnung in
der Plattenbausiedlung alle Wohnungstypen an. Auch Sozialwohnungen gehören dazu, also öffentlich geförderte Objekte, die nur an bestimmte Haushalte und nach festgelegten
Mietgrenzen vermietet werden dürfen. Der gut funktionierende private Mietwohnungsmarkt hebt Deutschland international ab und kann als eine besondere Stärke des Wohnungsmarktes angesehen werden (Voigtländer 2009).
Andere Länder, wie Spanien oder Großbritannien, verfügen
dagegen nur über einen sehr begrenzten Mietwohnungsmarkt, weil die Regierungen in der Vergangenheit den Markt
durch exzessive Interventionen, vor allem hinsichtlich der
154
Mietanpassungen, für Investoren unattraktiv gemacht haben.
Vor diesem Hintergrund erscheint der Verkauf öffentlichen
Wohneigentums naheliegend. Schließlich stellt es ein Gebot
der marktwirtschaftlichen Ordnung dar, dass der Staat nur
dort unternehmerisch tätig wird, wo der Markt kein Angebot
schaffen kann. Die Vermietung durch private Investoren ist
offensichtlich eine bewährte und erprobte Praxis. Nichtsdestotrotz stellt die Privatisierung öffentlicher Wohnungen und
Wohnungsgesellschaften ein Politikum dar. Mehrere Privatisierungen, wie etwa in Freiburg oder Schwerin, sind an dem
massiven Protest von Bürgerbewegungen gescheitert. In
Berlin haben die politischen Vorbehalte gegenüber Privatisierungen dazu geführt, dass Real Estate Investment Trusts
– das sind Immobilienaktien nach internationalem Standard
– nicht in Wohnungen investieren dürfen.
Im Folgenden werden daher die wesentlichen Vorteile der
Privatisierung aufgezeigt. Dabei wird auch auf die Argumente der Gegner eingegangen, die vor allem eine geringere soziale Absicherung und überhöhte Mietforderungen
befürchten. Außerdem werden die Erfahrungen Dresdens
vorgestellt, die bislang einzige deutsche Großstadt, die ihren Wohnungsbestand vollständig verkauft hat. Weiterhin
werden Privatisierungsstrategien diskutiert und ein Ausblick
gegeben. Infolge der Finanzkrise ist das Interesse an öffentlichen Wohnungen eingebrochen, jedoch ist zu erwarten,
dass sich Investoren wieder in diesem Segment engagieren
155
wollen, da der deutsche Wohnungsmarkt als sehr stabil gilt.
Als erstes folgt jedoch eine Darstellung des öffentlichen
Wohnungsmarktes in Deutschland.
2. Öffentliche Wohnungen in Deutschland
Die meisten öffentlichen Wohnungsgesellschaften in Westdeutschland entstanden in der Zeit nach dem Ersten und
Zweiten Weltkrieg (Peters 1984). Die Wohnungsnot nach
den Weltkriegen war besonders groß, so dass sich der
Staat für ein umfangreiches Engagement in der Wohnungswirtschaft entschied. Da die Kapitalmärkte in dieser Zeit
wenig funktionstüchtig waren und kaum privates Kapital zur
Verfügung stand, sah man nur wenig Alternativen zu dem
öffentlichen Unternehmertum. Mit dem sozialen Wohnungsbau wurde jedoch alsbald ein Programm aufgelegt, das
auch die privaten Unternehmen einbezog. Hierdurch stand
automatisch nach der Mietbindungsdauer ein rein privates
Angebot zur Verfügung – ein Schlüssel zur Erklärung des
gut aufgestellten Mietwohnungsmarktes in Deutschland.
Im Osten Deutschlands entstanden die kommunalen Wohnungsgesellschaften hingegen im Zuge des Transformationsprozesses. Etwa 57% der Mietwohnungen in der DDR
waren in Staatsbesitz. Sofern die ursprünglichen Eigentumsverhältnisse nicht geklärt werden konnten, gingen diese
Wohnungen an die jeweiligen Städte und Gemeinden über,
denen jedoch das Altschuldenhilfe-Gesetz die schrittweise
Teilprivatisierung auferlegte.
156
Abbildung 1 zeigt die Eigentümerstruktur des deutschen
Wohnungsmarktes im Jahr 2006. Knapp 16 Millionen Wohnungen befinden sich in der Hand von Selbstnutzern, weitere 14,5 Millionen Wohnungen werden von privaten Kleinvermietern bewirtschaftet. Nur 9,15 Millionen Wohnungen
werden von größeren Wohnungsgesellschaften vermietet,
zu denen auch öffentliche Wohnungsgesellschaften zählen.
Insbesondere innerhalb des Segments der professionell gewerblichen Vermieter gab es in den letzten zehn Jahren Verschiebungen. So reduzierte sich der Bestand an öffentlichen
Wohnungen zwischen 1999 und 2006 um knapp 600.000
Wohnungen (Veser et al. 2007). Nach Angaben des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR 2008)
157
verkauften der Bund und die Länder zwischen 2006 und
2008 noch einmal 142.000 Wohnungen. Der Gesamtbestand der öffentlichen Hand hat sich hierdurch jedoch kaum
verändert, da es auch Zukäufe gab. Gekauft wurden die
Wohnungen vor allem von ausländischen Beteiligungsgesellschaften, die erstens auf steigende Preise setzten und
zweitens Effizienzpotenziale in der Bewirtschaftung heben
wollten. Trotz der Bestandsreduzierungen verfügt die öffentliche Hand noch über 2,3 Millionen Wohnungen. Der Großteil von 2,1 Millionen Wohnungen entfällt dabei auf die Kommunen, der Rest verteilt sich auf Bund und Länder. Etwa 1,1
Millionen Wohnungen finden sich in Hand ostdeutscher
Kommunen.
Zwischen 1999 und 2008 wurden für die öffentlichen Wohnungen durchschnittlich 44.000 Euro pro Wohnung gezahlt.
Auf Basis dieser Verkäufe kann der Wert des öffentlichen
Wohneigentums grob auf 101 Milliarden Euro geschätzt
werden.
3. Argumente für den Verkauf öffentlicher
Wohnungen
Nach diesem kurzen Überblick über den Markt für öffentliche Wohnungen in Deutschland wird nun erläutert, warum
eine Privatisierung des Bestandes – angemessene Preise
vorausgesetzt – geboten ist. Dabei ist die Argumentation so
aufgebaut, dass auch die Argumente der Privatisierungsgegner diskutiert werden. Neben den grundsätzlichen Pro158
blemen von öffentlichen Unternehmen in der Wettbewerbsordnung
wird
dargestellt,
dass
öffentliche
Wohnungsgesellschaften mit Risiken für Steuerzahler versehen sind und dass öffentliche Wohnungen ein ungeeignetes Umverteilungsinstrument sind. Schließlich zeigt die
Analyse auch, dass öffentliche Unternehmen privates soziales Engagement verdrängen.
Öffentliche Unternehmen – ein Widerspruch zur
Wettbewerbsordnung
Öffentliche Unternehmen haben – nicht nur im Wohnungssektor – eine lange Tradition. Schon die mittelalterlichen
Herrscher erzielten einen Großteil ihrer Einnahmen über eigene Unternehmen, wobei sie sich oftmals über staatliche
Monopole eine komfortable Wettbewerbssituation gesichert hatten. Beispiele hierfür sind etwa die Salzgewinnung
oder auch die Postdienstleistungen.
Nicht zuletzt aufgrund dieser Monopol-Erfahrungen stehen öffentliche Unternehmen in einem freiheitlichen Gesellschaftssystem unter besonderer Beobachtung. Generell gilt, dass es
zwischen dem Staat und den Unternehmen eine Arbeitsteilung gibt. Der Staat gibt den Ordnungsrahmen vor, innerhalb
dessen Haushalte und Unternehmen agieren und ihre Ziele
verfolgen. Als Anbieter tritt der Staat nur bei der Herstellung
öffentlicher Güter auf, bei denen gemäß Definition keine private Bereitstellung erwartet werden kann. Tritt er als Anbieter
privater Güter auf, folgen unweigerlich Interessenskonflikte.
159
Schließlich nimmt der Staat als Unternehmer sowohl die Rolle
des Schiedsrichters ein, der die gesellschaftlichen Regeln
überwacht, als auch diejenige des Spielers, der unter den gegebenen Umständen den größtmöglichen Gewinn erzielen
möchte (Brennan und Buchanan 1993). Es besteht daher latent die Gefahr, dass die öffentlichen Unternehmen Vorteile
zulasten der Konkurrenz ausspielen. Allerdings ist ein anderer
Fall wahrscheinlicher und auch häufiger belegt. Da die öffentlichen Unternehmen von ihren Eigentümern, den Bürgern, nur
unzureichend kontrolliert werden können, bestehen für sie weniger Anreize wirtschaftlich zu arbeiten. Ähnlich wie Bürokratien wachsen daher auch öffentliche Unternehmen über das
effiziente Maß hinaus und neigen zur Ressourcenverschwendung (Niskanen 1971). Bekannt ist auch, dass bei der Besetzung der Unternehmensführung bisweilen politische vor wirtschaftlichen Erwägungen stehen. Nach Angaben des
Statistischen Bundesamtes summierten sich die Verluste öffentlicher Wohnungsunternehmen zwischen 2000 und 2005
auf 3,3 Milliarden Euro (Abbildung 2). Aktuellere Ergebnisse
liegen leider nicht vor. Es ist nicht auszuschließen, dass die
Gesellschaften andere Bereiche quersubventionieren und daher so schlechte Ergebnisse ausweisen. Für die politischen
Entscheidungsträger besteht schließlich der Anreiz, die öffentlichen Unternehmen für eigene Zwecke einzusetzen. So werden gegebenenfalls über die Unternehmen Projekte finanziert,
die über den Haushaltsprozess nur schwer durchgesetzt werden können. Doch auch bei Betrachtung der Jahresergebnisse aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ergibt sich ein
Fehlbetrag von 1,5 Milliarden Euro. Die öffentlichen Haushalte
160
bzw. die Steuerzahler werden daher mit dem öffentlichen Engagement im Wohnungssektor belastet.
Aus diesen Überlegungen folgt, dass es einer guten Begründung für ein Festhalten an öffentlichen Wohnungsunternehmen bedarf. Nur wenn öffentliche Wohnungsunternehmen zur Beseitigung von Marktunvollkommenheiten benötigt
werden oder aber sie als besonders effiziente Instrumente
zur Erfüllung der sozialpolitischen Ziele gewertet werden,
lässt sich die Fortführung der Unternehmen trotz marktgerechter Angebote von privater Seite legitimieren. Entgegen
der öffentlichen Diskussion muss aus ökonomischer Sicht
die Beweislast also umgedreht werden: Es bedarf keiner Ar161
gumente für den Verkauf, sondern überzeugender Argumente, warum nicht verkauft werden sollte.
Sozialpolitik ohne öffentliche Wohnungen
Mit der Gründung der meisten öffentlichen Wohnungsgesellschaften wurden soziale Ziele verfolgt. Schließlich sollten
in Zeiten der Wohnungsnot bedürftige Haushalte mit bezahlbarem Wohnraum versorgt werden. Diese Zielsetzung wurde auch steuerlich unterstützt, indem den Gesellschaften
der Status der Gemeinnützigkeit zugestanden wurde. Demnach waren sie von der Besteuerung ausgeschlossen, solange sie nur eine moderate Rendite erzielten und sich ihr
Angebot vornehmlich an niedrige und mittlere Einkommensklassen richtete. Im Jahr 1990 wurde die Gemeinnützigkeit
der öffentlichen Wohnungsgesellschaften jedoch abgeschafft. Seitdem sind die öffentlichen Wohnungsgesellschaften in ihrer Zielsetzung frei und bestimmen ihre Mietenpolitik im Rahmen der gesetzlichen Regelungen selbst.
Wie eine Umfrage unter kommunalen Wohnungsgesellschaften zeigt, vermieteten etwa 43% der Gesellschaften
im Jahr 2006 zu den gleichen Konditionen wie die privaten
Anbieter (PWC 2006). Die Unterstützung sozial schwächerer Haushalte mit verbilligtem Wohnraum ist unter den
kommunalen Wohnungsgesellschaften demnach längst keine Selbstverständlichkeit mehr.
Unter Effizienzgesichtspunkten ist dies ausdrücklich zu begrüßen. Eine Subvention über verringerte Mieten weist
162
schließlich die typischen Nachteile eines gebundenen Transfers auf. Bei freier Verfügung über die Subvention können
die Haushalte regelmäßig ein höheres Nutzenniveau erzielen, weil ihre Nachfrageentscheidung nicht zugunsten eines
bestimmten Gutes verzerrt wird. Vor allem zeigt jedoch das
Beispiel des sozialen Wohnungsbaus, dass subventionierte
Mieten eine sehr geringe Treffsicherheit aufweisen. Die
Fehlbelegungsquote im sozialen Wohnungsbau wird auf 40
bis 50% geschätzt (Kirchner 2006). Dabei ist zu berücksichtigen, dass etwa ein Viertel aller Mieterhaushalte Anspruch
auf einen Wohnberechtigungsschein hat, also das Bedürftigkeitskriterium sehr weit gefasst wurde. Durch Wohngeldzahlungen oder die Übernahme von Unterhaltskosten im
Rahmen der sozialen Grundsicherung kann den Haushalten
wesentlich zielgenauer geholfen werden, weil die Bedürftigkeit regelmäßig überprüft wird. Alle Versuche, die mangelnde Treffsicherheit des sozialen Wohnungsbaus über eine
Fehlbelegungsabgabe zu kompensieren, sind bislang fehlgeschlagen, weil es neben Verwaltungsproblemen vor allem
an dem politischen Willen mangelt, einmal gewährte Vorteile
wieder abzuschöpfen.
Aus theoretischer Sicht könnte die Bereitstellung verbilligter
Wohnungen nur dann überzeugen, wenn hiermit ein Informationsproblem gelöst werden soll. Bei Transfers kann die Leistungsbereitschaft der Empfänger oft nur unzureichend geprüft werden. So ist es für die Sozialämter beispielsweise
nicht ohne weiteres feststellbar, ob ein Transferempfänger
das gebotene Engagement zeigt, um seine Hilfsbedürftig163
keit zu überwinden. Sofern nun die verbilligten Wohnungen
in einer Qualität angeboten werden, bei der nur Haushalte
mit einer tatsächlichen Bedürftigkeit eine Nachfrage entfalten, könnten Fehlanreize aufseiten der Empfänger gemindert werden. In der Diskussion um öffentliche Wohnungen
wird jedoch der Verkauf der Wohnungen gerade mit der
Angst vor fallenden Qualitätsstandards begründet. Außerdem zeigt die hohe Fehlbelegungsquote im sozialen Wohnungsbau, dass die Qualität der Wohnungen auch Haushalte
aus der Mittelklasse anspricht. Rund die Hälfte der Sozialwohnungen befindet sich in der Hand öffentlicher Wohnungsgesellschaften. Daneben sprechen vor allem Segregationsprobleme dagegen, Sozialpolitik über qualitativ
minderwertige Wohnungen zu betreiben.
Neben dem Zahlungsproblem kann auf dem Wohnungsmarkt auch ein Zugangsproblem auftreten. Bestimmte
Gruppen von Haushalten können unabhängig von ihrer finanziellen Situation Schwierigkeiten haben, auf dem Wohnungsmarkt eine passende Wohnung zu finden, weil die
Wohnungseigentümer ein erhöhtes Risiko in der Vermietung
an diese Gruppen vermuten. Da eine Preisdifferenzierung
nicht möglich ist, kommt es zu einer Rationierung des Wohnungsmarktes für diese Gruppen. Betroffen hiervon sind
vor allem Haftentlassene und Drogenkranke, aber auch
Ausländer, Alleinerziehende oder Familien mit vielen Kindern (Eekhoff et al. 2000). Nach Sautter (2005) sind nun
besonders die öffentlichen Wohnungsgesellschaften gefordert, diesen Gruppen den Zugang zum Wohnungsmarkt zu
164
gewähren. Allerdings sind die öffentlichen Gesellschaften
hierzu genauso wenig verpflichtet wie zu einer Vermietung
unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete. Ob den fraglichen Gruppen der Zugang also tatsächlich erleichtert wird,
hängt von dem Gutdünken der jeweiligen Wohnungsgesellschaft ab. Darüber hinaus ist es zur Lösung des Zugangsproblems nicht nötig, dass die Kommunen über eigene Wohnungen verfügen.
Im Kern besteht das Zugangsproblem darin, dass die Vermieter für die Übernahme der Vermietungsrisiken bei bestimmten Gruppen nicht entschädigt werden. Daher entscheiden sie sich im Zweifelsfall immer für die Vermietung
an das geringere Risiko. Über den Kauf von Belegungsrechten aus dem Bestand kann dieses Problem jedoch gelöst werden. Im Gegenzug für einen Einmalbetrag oder eine
laufende Vergütung erhält die Kommune das Recht, die
Wohnung mit von ihr ausgewählten Haushalten zu belegen.
Das Belegungsrecht kann sehr unterschiedlich ausgestaltet
werden. So könnte die Kommune sich beispielsweise bereit
erklären, eine Bürgschaft für die Mietzahlungen zu übernehmen oder eine besondere Betreuung der Haushalte zu gewährleisten, um die Kosten für das Belegungsrecht gering
zu halten. Wichtig ist es in jedem Fall, dass die Auswahl der
Haushalte vonseiten der Kommune eng gefasst wird, beispielsweise indem sie dem Vermieter bei Freiwerden einer
Wohnung mit Belegungsrecht eine Liste mit drei Mietern
vorlegt, von denen der Vermieter einen aussuchen muss.
Damit hat die Kommune die Möglichkeit, gezielt Haushalte
165
aus einer Notfallkartei zu berücksichtigen. Im Vergleich zu
dem Einsatz eigener Wohnungen besteht für die Kommunen
der große Vorteil darin, dass die Belegungsrechte flexibler
an den Bedarf angepasst werden können. Schließlich können weitere Belegungsrechte gekauft werden, sobald der
Bedarf sehr hoch ist, oder man verzichtet auf eine Verlängerung der Belegungsrechte, wenn der Bedarf zurückgeht. Im
Fall der öffentlichen Wohnungen müssten dagegen neue
Wohnungen gebaut oder gekauft werden, die auch dann
fortbestehen, wenn es keinen adäquaten Bedarf gibt. Letztlich werden durch die Bewirtschaftung von eigenen Wohnungen erhebliche Mittel gebunden und größere Risiken getragen als beim Kauf von Belegungsrechten. Indem die
Kommunen Belegungsrechte im Bestand räumlich differenziert erwerben, wird außerdem der sozialen Segregation
sehr effizient entgegengewirkt. Bei kommunalen Wohnanlagen können sich dagegen die Problemhaushalte kumulieren,
was hohe soziale (Folge-)Kosten nach sich zieht.
Je nach Ausgestaltung der Belegungsrechte fallen unterschiedliche Kosten für die Kommune an. Generell gilt, dass
der Wert des Belegungsrechts von der Lage und Qualität
des Mietobjekts, dem Umfang der Mitspracherechte bei der
Mieterauswahl, den Gewährleistungspflichten der Kommune und vor allem von der allgemeinen Lage am Wohnungsmarkt abhängt. Die Kalkulation der Preise für die Belegungsrechte ist damit nicht einfach. Die Erfahrungen aus Belgien,
wo es dieses Instrument seit Anfang der achtziger Jahre
gibt, zeigen, dass es eine Weile dauert, bis Angebot und
Nachfrage zusammenfinden. In Deutschland ist es erst seit
166
2001 möglich, die Mittel aus dem sozialen Wohnungsbau für
den Erwerb von Belegungsrechten aus dem Bestand einzusetzen. Um angemessene Marktpreise zu finden, hat die Expertenkommission Wohnungspolitik (1995) schon 1995 vorgeschlagen, die Preise für die Belegungsrechte über ein
Auktionsverfahren zu bestimmen.
Für den Verkauf der kommunalen Wohnungen spielt die
Marktpreisbestimmung für Belegungsrechte jedoch nur eine
untergeordnete Rolle. Ähnlich wie bei solchen Verkäufen
eine Sozial-Charta ausgehandelt wird, können sich die Kommunen schließlich die Belegungsrechte für einen Teil der
Wohnungen sichern. So hat beispielsweise die Stadt Dresden beim Verkauf der Woba 8.000 Belegungsrechte behalten. Dabei ist es ratsam, dass sich die Kommune bei einem
Verkauf an einen Investor nicht die Belegungsrechte für bestimmte Wohnungen, sondern für eine bestimmte Anzahl an
Wohnungen sichert. Damit verhindert sie die Konzentration
der Problemhaushalte auf einzelne Standorte. Sofern sich
auch andere Kommunen bei einem Verkauf die Belegungsrechte für einen Teil des Wohnungsbestands sichern, könnte
nicht nur dem Zugangsproblem vorgebeugt werden, sondern auch der Markt für Belegungsrechte in Schwung kommen.
Verdrängung sozialen Engagements
In jüngerer Zeit wurde als weiteres Argument für öffentliche
Wohnungsunternehmen das Thema „Stadtrendite“ in die
167
Diskussion eingeführt. Unter der Stadtrendite werden dabei
die Leistungen der Wohnungsunternehmen subsumiert, die
der Stadt neben dem rein betrieblichen Gewinn zugute kommen. Vor allem Maßnahmen, die die soziale Stabilität in den
Wohnvierteln erhöhen, also im weitesten Sinn das Quartiersmanagement, werden zu den relevanten Aktivitäten gezählt. Beispiele hierfür sind etwa der Abriss baufälliger Gebäude, die Organisation von Jugendtreffs, die Beratung und
Unterstützung von Arbeitslosen und Obdachlosen oder
aber die Förderung der örtlichen Kindergärten und Schulen.
Es wird argumentiert, dass diese Leistungen so gewichtig
für die Stadt sind, dass sie den oftmals geringen betriebswirtschaftlichen Gewinn der öffentlichen Unternehmen
deutlich kompensieren. Besonders seit ein Gutachten von
Schwalbach et al. (2006) zur Stadtrendite der DEGEWO
veröffentlicht wurde, wird hiermit vielfach das Festhalten an
öffentlichen Wohnungsunternehmen gerechtfertigt.
Maßnahmen, die zu einer Erhöhung der sozialen Stabilität
beitragen, dienen immer auch der Internalisierung externer
Effekte. Ein baufälliges Gebäude zum Beispiel kann den
Vermietungserfolg in den angrenzenden Gebäuden oder
aber in ganzen Stadtvierteln beeinträchtigen. Darüber hinaus können solche Gebäude zu Vandalismus anregen und
die Hemmschwelle für weitere Beschädigungen an anderer
Stelle senken. Durch den Abriss werden also negative externe Effekte beseitigt, was der Allgemeinheit zugute kommt.
Das Problem ist jedoch, dass bei einer kleinteiligen Eigentümerschaft die Einnahme der Freifahrerposition die dominan168
te Strategie darstellt. Übernimmt nun ein öffentliches Unternehmen diese Aufgabe, ist also tatsächlich mit einer
Wohlfahrtsverbesserung zu rechnen. Allerdings stellt dies
nur ein notwendiges, aber noch kein hinreichendes Kriterium für den Staatseingriff dar.
Im Kern stellt sich das Freifahrerproblem als ein Koordinationsproblem dar. Alle Eigentümer stellen sich besser, wenn
die soziale Stabilität in einem Wohnviertel erhalten bleibt
oder verbessert wird. Schließlich droht bei einer Verschlechterung des Wohnumfelds, beispielsweise auch im Zuge steigender Arbeitslosigkeit und zunehmender Resignation der
Mieter, Leerstand und damit einhergehend ein geringerer
Vermietungserfolg. Allerdings lohnt sich in den meisten Fällen die Internalisierung für den Einzelnen nur dann, wenn die
Kosten geteilt werden. Da jedoch jeder den größtmöglichen
Nutzen erzielt, wenn er sich nicht an den Kosten beteiligt
und stattdessen andere die Maßnahme umsetzen, gestalten
sich die entsprechenden Verhandlungen als sehr schwierig
und führen oftmals nicht zu dem gesamtgesellschaftlichen
Optimum. Anders sieht es hingegen aus, wenn es in dem
Wohnviertel ein größeres Wohnungsunternehmen gibt. Je
mehr Wohnungen ein Unternehmen in einem bestimmten
Wohnviertel besetzt, desto wahrscheinlicher wird es, dass
es die Internalisierung der externen Effekte aus einem eigenen Anreiz heraus betreibt. Schließlich konzentriert sich
dann der Nutzen aus der Maßnahme auf die eigenen Bestände, so dass sich die alleinige Kostenübernahme auch
rentiert.
169
Die Erzielung einer „Stadtrendite“ hängt also nicht von dem
Eigentümerstatus, sondern im Wesentlichen von der Größe
der Wohnungsunternehmen ab. Von daher kann es nicht
überraschen, dass gerade auch Unternehmen mit expliziten
Renditeinteressen, die zur Optimierung ihrer Bewirtschaftungskosten besonders große Wohnungsbestände erworben haben, soziale Verantwortung übernehmen. So verfolgen alle großen privaten Wohnungsunternehmen explizite
Corporate-Social-Responsibility-Strategien und richten in
diesem Rahmen Stiftungen für in Not geratene Mieter ein,
sanieren Kindergärten oder organisieren Jugendtreffs
(Voigt­länder 2007). Selbst dann, wenn nur ein kurzfristiges
Engagement in der Wohnungswirtschaft geplant ist, können
sich die Investoren nur schwer ihrer sozialen Verantwortung
entziehen. Schließlich wird der Käufer eines Wohnungsportfolios genau überprüfen, wie es um das Wohnumfeld bestellt ist.
Da der Verkauf der öffentlichen Wohnungen im Regelfall im
Ganzen erfolgt, ist mit einer Verschlechterung der Stadtrendite folglich nicht zu rechnen. Im Gegenteil, durch die private
Übernahme sozialer Aktivitäten werden aufseiten der Kommune Mittel eingespart, die dann für die Bereitstellung weiterer öffentlicher Güter, entweder im sozialen Bereich oder
im Infrastrukturbereich, genutzt werden können. Durch die
Aktivitäten öffentlicher Wohnungsgesellschaften werden diese privaten Engagements dagegen verdrängt. Dabei ist zu
betonen, dass die Wohnungsunternehmen und die Kommu170
nen gleiche Interessen verfolgen. Daher eröffnen sich für
beide Seiten umfangreiche Kooperationsmöglichkeiten zu
beiderseitigem Vorteil. Konterkariert werden könnte der gesamtwirtschaftliche Vorteil allenfalls durch die Entstehung
von Marktmacht. Da der Wohnungsmarkt jedoch nach wie
vor kleinteilig organisiert ist und die Haushalte genügend Alternativen auf der Anbieterseite vorfinden, ist dies nicht zu
erwarten.
4. Erfahrungen mit der Privatisierung
öffentlicher Wohnungen
Die bisherige Diskussion zeigt, dass öffentliche Wohnungsgesellschaften nur schwer zu rechtfertigen sind. Öffentliche
Wohnungsgesellschaften stehen in einem Widerspruch zur
marktwirtschaftlichen Ordnung, sie belasten die öffentlichen
Haushalte, sie leisten keinen Beitrag zu einer effizienten Sozialpolitik und sie verdrängen privatwirtschaftliches soziales
Engagement. Allerdings war die bisherige Analyse theoretisch geprägt. Daher wird nun auf die Erfahrungen mit der
Privatisierung näher eingegangen, insbesondere mit Blick
auf Dresden, der einzigen Großstadt, die ihre öffentlichen
Wohnungsbestände vollständig veräußert hat.
Im März 2006 hat Dresden seine Wohnungsgesellschaft
WOBA, die 48.500 Wohnungen bewirtschaftete, an die Beteiligungsgesellschaft Fortress verkauft. Fortress zahlte
hierfür nach Abzug der Verbindlichkeiten der WOBA 981,7
Millionen Euro an die Stadt Dresden. Die Bestände gehören
171
mittlerweile zur GAGFAH Group, an der Fortress noch eine
Beteiligung hält.
Die Stadt Dresden konnte durch den Verkauf ihrer Wohnungsbestände ihre Schulden in Höhe von 748 Millionen
Euro tilgen. Hierdurch entstehen in den Jahren zwischen
2007 und 2012 laut Angaben der Finanzverwaltung Einsparungen zwischen 57 und 63 Millionen Euro jährlich, vor allem
aufgrund des Wegfalls von Zins- und Tilgungszahlungen.
Ohne die Privatisierung wäre der öffentliche Haushalt in eine
deutliche Schieflage geraten. So betrug der Fehlbetrag im
Jahr 2004 67 Millionen Euro und im Jahr 2005 62 Millionen
Euro (Nagler 2007). Erwartet wurde, dass sich die Fehlbeträge bis Ende des Jahres 2007 auf bis zu 200 Millionen
Euro summieren (Regierungspräsidium Dresden 2004).
Dies hätte die Handlungsfähigkeit der Stadt Dresden massiv eingeschränkt.
Stattdessen war es mit dem Verkauf der WOBA möglich,
die Investitionen in die Schulen von bislang 17,9 Millionen
Euro jährlich auf 84,1 Millionen Euro im Jahr 2007 zu steigern. Auch die Zuschüsse für Kindertagesstätten konnten
um 11 Millionen Euro pro Jahr gesteigert werden (Ostrowski 2007). Außerdem wurden eine Kultur- und eine Sozialstiftung mit einem Volumen von 25 Millionen Euro gegründet. Dies verdeutlicht, dass sich die Städte stets zwischen
alternativen Verwendungsmöglichkeiten entscheiden müssen: Das Festhalten an Immobilien bedeutet eben, dass we-
172
niger Mittel für Investitionen und soziale Zwecke zur Verfügung stehen.
Auf Seiten der Mieter gab es hingegen kaum Veränderungen (Ostrowski 2007). Zwischen April 2006 und Februar
2007 wurden in insgesamt 7199 Fällen, also bei knapp 15%
aller Wohnungen, die Mieten erhöht, in 61% der Fälle lag die
Erhöhung dabei unter 5%. Nur in 5% der Fälle gab es eine
Mieterhöhung von über 15% – diese Erhöhungen waren entsprechend dem Mietrecht jedoch deshalb möglich, weil die
Mieten bislang deutlich unter der Vergleichsmiete lagen.
Durchschnittlich wurden die Mieten im Jahr 2007 um 11,42
Euro pro Monat erhöht. Im öffentlichen Besitz wurden die
Mieten teilweise noch wesentlich stärker angehoben: Allein
im Jahr 2005 um 24,39 Euro. Weiterhin liegen die Mieten
der WOBA mit durchschnittlich 4,50 Euro pro Quadratmeter
immer noch unter dem durchschnittlichen Mietpreisniveau
von 5,00 Euro in Dresden.
Auffällig ist ferner, dass es nach der Privatisierung keine
Proteste mehr auf Seiten der Mieter gegeben hat. Auch bei
anderen Privatisierungen liegen kaum Beschwerden über
die neuen Eigentümer vor. Lediglich in Kiel gab es Proteste,
weil der neue Eigentümer säumige Mieter mit auffälligen
Aufklebern an den Briefkästen versah – diese Praxis wurde
jedoch nach den ersten Beschwerden schnell wieder eingestellt.
173
Das Beispiel Dresden verdeutlicht auch, dass die Befürchtung, die neuen Eigentümer würden nicht investieren, ebenfalls unzutreffend ist. So hat die GAGFAH unmittelbar nach
der Übernahme der Bestände 70 Millionen Euro in die Sanierung der Wohnungen investiert. Auch eine Untersuchung
von Weiß (2007) bestätigt, dass private Investoren in die
erworbenen Bestände investieren. Nach einer Auswertung
des sozio-ökonomischen Panels (SOEP) wurden in 66,7%
der Wohnungen nach der Privatisierung Modernisierungen
durchgeführt. Im Durchschnitt erfolgt nach einem Eigentümerwechsel jedoch nur in 32% der Fälle eine Modernisierung. Bestätigt wird dieses Bild auch durch eine Umfrage
von PriceWaterhouseCoopers (2006) unter deutschen
Kommunen. 54% derjenigen Kommunen, die den Verkauf
ihrer Bestände erwägen, wollen dies tun, um den Investitionsstau aufzulösen.
5. Strategien für die Privatisierung
öffentlicher Wohnungen
Zwischen 1999 und 2006 wurden bei der Privatisierung öffentlicher Wohnungsbestände große Erfolge erzielt. Insbesondere angelsächsische Beteiligungsgesellschaften haben
öffentliche Wohnungen in dieser Zeit gekauft. Wie die Erfahrungen zeigen, fehlt der vorgebrachten Kritik an diesen
Transaktionen die Grundlage. Nachweise über tatsächliche
Fehlentwicklungen gibt es jedenfalls nicht. Dennoch ist dieser Weg der Privatisierung vermutlich in den nächsten Jahren versperrt. Erstens weil der Widerstand in den Kommu174
nen gegen Verkäufe an Beteiligungsgesellschaften so groß
und so emotional ist, dass Politiker kaum bereit sein werden, diese Option zu vertreten. Gerade nach der Finanzkrise
ist zu erwarten, dass die Vorbehalte gegen Beteiligungsgesellschaften noch zunehmen werden. Zweitens werden jedoch auch die Beteiligungsgesellschaften weniger Interesse
an deutschen Wohnungspaketen haben. Schließlich verlangen die Banken wieder mehr Eigenkapital und höhere Risikoprämien, was die Attraktivität der Investitionen schmälert.
Renditen von 15% und mehr konnten die Beteiligungsgesellschaften nur deshalb mit Wohnungen verdienen, weil sie die
Gewinne auf ein geringes Eigenkapital konzentrieren konnten. Da zu erwarten ist, dass die Kreditvergabe zumindest in
den nächsten Jahren konservativer ist, werden sich die Beteiligungsgesellschaften wieder verstärkt anderen Anlageformen zuwenden.
Dennoch sollte die Privatisierung vorangetrieben werden,
so dass Alternativen zu überlegen sind. Zwei Aspekte sind
dabei besonders wichtig. Zum einen sollte sichergestellt
werden, dass die Bestände zu angemessenen Preisen veräußert werden, zum anderen sollten die Wohnungsbestände nicht zu kleinteilig werden. Wie die Diskussion um die
Stadtrendite zeigt, gibt es für große Wohnungseigentümer
ein Eigeninteresse an der Erhaltung der sozialen Stabilität.
Solange also Wohnungsbestände, zumindest in den einzelnen Vierteln, in der Hand eines Investors bleiben, ist davon
auszugehen, dass genügend Maßnahmen ergriffen werden,
um eine Verschlechterung des Umfelds zu vermeiden. Un175
ter dieser Prämisse scheidet damit ein Verkauf an die Mieter
aus. Der Einzelverkauf an Mieter hat sich ohnehin als sehr
schwierig erwiesen. Einzelne Kapitalanleger wiederum interessieren sich weniger für die soziale Stabilität eines Viertels. In der Folge sinkt damit in den Augen der Nutzer die
Attraktivität der Wohnanlagen (Voigtländer 2008).
Als eine Alternative zum Verkauf an einen Investor werden
immer wieder Genossenschaften genannt (König 2007).
Dies ist gerade aus Sicht der Privatisierungsgegner verständlich, da Genossenschaften eine Zwischenlösung zwischen Staat und Markt darstellen. Genossenschaften verpflichten sich der Förderung ihrer Mitglieder und verzichten
auf die Maximierung ihrer Gewinne. Praktisch würden bei
einer Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände die
Mieter damit Anteilseigner einer Genossenschaft. Entweder
wird dabei eine neue Wohnungsgenossenschaft gegründet
oder aber eine bereits bestehende Genossenschaft erwirbt
die Bestände und die Mieter werden Mitglieder dieser Genossenschaft. Sichergestellt wäre damit, dass die Bestände
weiterhin gemeinsam bewirtschaftet werden. Allerdings ist
der Verkauf der Bestände an eine Genossenschaft in der
Regel mit dem ersten Ziel nicht kompatibel. Zunächst stellt
sich als Problem dar, dass nicht alle Mieter der Genossenschaft beitreten wollen. Selbst wenn dies jedoch gewährleistet ist, können die Genossenschaften oft nicht das erforderliche Kapital aufbringen, um die Bestände zu erwerben.
Jedes Mitglied muss Kapital in die Genossenschaft einbringen, welches der Finanzierung des Erwerbs und gegebe176
nenfalls der Sanierung der Bestände dient. Selbst wenn ein
Großteil des Erwerbs mit Fremdkapital finanziert wird, müssen die Mitglieder oft noch mehrere 10.000 Euro aufbringen, um den Erwerb der Bestände und den Aufbau der Genossenschaft zu realisieren. Dies überfordert jedoch die
Mehrzahl der bisherigen Mieter. Daher müssen zusätzliche
Investoren gewonnen werden, die sich an der Genossenschaft beteiligen. Da die Genossenschaften jedoch vergleichsweise geringe Renditen bieten, fällt es ihnen schwer,
externe Finanziers zu gewinnen. Faktisch kann die Privatisierung dann nur mit Hilfe staatlicher Unterstützung erfolgen. König (2007) nennt als Beispiele hierfür den vergünstig­
ten Verkauf kommunaler Immobilien, die Gewährung
subventionierter Kredite an die Mitglieder zur Ermöglichung
des Kaufs der Genossenschaften und die Wiederbelebung
von Zulagen, die früher für den Kauf von Genossenschaftsanteilen gewährt wurden. Hiermit würde jedoch das Ziel der
Privatisierung obsolet werden. Schließlich besteht das wesentliche Ziel darin, dass der Staat sein finanzielles Engagement im Wohnungsmarkt beendet und sich ausschließlich
auf die Unterstützung hilfebedürftiger Haushalte konzentrieren kann.
Präferiert wird daher eine andere Lösung: Die graduelle Privatisierung über die Bildung von Immobilienaktiengesellschaften. Die Idee dabei ist, dass die Kommunen ihre Bestände bündeln und in eine Aktiengesellschaft einbringen.
Durch die Zusammenführung der Bestände sollen Synergien geschaffen werden. Außerdem sind größere Bestände
177
für private Investoren interessanter. Die Kommunen, die zunächst alleinige Aktionäre sind, verkaufen dann einen Großteil der Aktien an private Investoren, beispielsweise im Rahmen eines Börsengangs. Bereits im Vorfeld – also bei der
Zusammenstellung der Portfolien – sollten möglichst potenzielle Investoren mit einbezogen werden, um die Verkaufschancen zu erhöhen. Wichtig ist dabei, dass private
Investoren die Mehrheit an dem Unternehmen erhalten, um
Veränderungen anstoßen zu können und um das Unternehmen zu entpolitisieren. Ansonsten wird es wahrscheinlich
nur wenig Interesse an der Beteiligung an einem Staatsunternehmen geben. Die Kommunen können jedoch zunächst
eine Sperrminorität behalten. Der Vorteil dieses Ansatzes
ist, dass die Kommunen auf den richtigen Zeitpunkt für die
Veräußerung warten können, um so einen angemessenen
Preis zu erzielen und sie andererseits dafür sorgen können,
dass größere Einheiten bestehen bleiben. Vorteilhaft ist außerdem, dass die Kommunen sich schrittweise von den
Wohnungsunternehmen trennen können, was die politische
Akzeptanz merklich erhöhen wird. Allerdings muss verbindlich geregelt werden, dass am Ende des Prozesses der vollständige Verkauf des Wohnungsunternehmens steht.
Begünstigt würde dieser Privatisierungsweg, wenn zukünftig auch Real Estate Investment Trusts (REITs) in Bestandswohnungen investieren dürfen. REITs sind Immobilienaktien nach
internationalem Vorbild, die sich durch ihre Konzentration
auf Immobilien und ihre hohen Transparenzstandards auszeichnen. Außerdem ist es ihnen als Bestandshalter unter178
sagt, größere Teile ihres Portfolios zu verkaufen. Die Fokussierung auf die Bewirtschaftung sowie die hohe Transparenz,
die unter anderem durch die obligatorische Börsennotierung
unterstrichen wird, machen den REIT zu einer idealen Unternehmensform für privatisierte Wohnungsunternehmen.
Schließlich kann es sich ein an der Börse gelistetes und damit in der Öffentlichkeit stehendes Unternehmen kaum leisten, Mieter zu überfordern oder wichtige Investitionen oder
Instandhaltungen zu unterlassen. Umso unverständlicher ist
es, dass es REITs als einziger Unternehmensform untersagt
wurde, in Wohnimmobilien zu investieren.
6. Ausblick
Mit der Finanzkrise hat die Privatisierung öffentlicher Wohnungsunternehmen eine Pause eingelegt. Wie die Analyse
jedoch zeigt, sollte der Prozess baldmöglichst wieder aufgenommen werden. Weder aus der theoretischen Diskussion
noch aus den bisherigen Erfahrungen lassen sich Gründe
für ein Festhalten an öffentlichen Wohnungsunternehmen
ableiten. Im Gegenteil, durch den Verkauf der Bestände gewinnen die Kommunen finanziellen Spielraum, der es ihnen
erlaubt, eine effizientere Sozialpolitik zu betreiben und Schulden zu tilgen. Durch die Sicherung von Belegungsrechten
können die Kommunen außerdem gewährleisten, dass sie
Haushalten mit Zugangsproblemen zum Wohnungsmarkt
weiterhin helfen können.
179
Es ist zu erwarten, dass es in näherer Zukunft wieder ein
größeres Interesse an der Privatisierung öffentlicher Wohnungen geben wird. Bei den Kommunen haben sich die finanziellen Schieflagen durch die Rezession verstärkt. Aufgrund des Gewinneinbruchs bei den Unternehmen und der
höheren Arbeitslosigkeit sind die Steuereinnahmen deutlich
zurückgegangen. Das Interesse an dem Verkauf von Wohnungsbeständen wird daher wieder zunehmen. Auch auf
Seiten der Käufer ist von einem höheren Interesse auszugehen. Der deutsche Wohnimmobilienmarkt zeichnet sich
durch eine sehr hohe Stabilität aus. Von allen OECD-Staaten
weist der deutsche Markt die geringste Volatilität auf (Demary et al. 2009). Diese Eigenschaft macht den Markt nach
den Erfahrungen aus der Finanzkrise für Investoren attraktiv.
Vor allem institutionelle Investoren wie Pensionsfonds oder
Versicherungen wollen wieder verstärkt in sichere Anlagen
investieren. Gerade diese Investoren bevorzugen jedoch liquide und handelbare Anlageformen. Umso wichtiger ist es
daher, dass die kommunalen Bestände in Aktiengesellschaften überführt werden und der Gesetzgeber den Wohnimmobilienmarkt auch für REITs öffnet.
180
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184
Peter King
Die Privatisierung von Sozialwohnungen: Das „Right to Buy“
in Großbritannien1
1. Einleitung
Viele Initiativen der Wohnungspolitik werden als wegweisende und grundlegende Änderungen angekündigt. Es wäre
natürlich befremdlich, wenn Politiker eine bestimmte Politik
auf den Weg bringen und dabei nicht behaupten würden,
dass diese von ganz besonderer Bedeutung ist. Oft gelingt
es politischen Initiativen jedoch nicht, irgendetwas zu verändern und sie werden meist schnell von anderen Themen abgelöst. Angesichts immer neuer Initiativen, auf die sich alles
stürzt und die dieses Mal „wirklich funktionieren werden“ ist
über die alten Ideen schnell Gras gewachsen.
In Großbritannien sind im Bereich der Wohnungspolitik nur
zwei Maßnahmen zu nennen, die tatsächliche Änderungen
und einen reellen nachhaltigen sozialen Wandel bewirkt ha1 Übersetzung aus dem Englischen von Tanja Felder.
185
ben. Die erste dieser politischen Maßnahmen bestand in
der nach dem ersten Weltkrieg getroffenen Entscheidung,
den Bau von Mietwohnungen durch die örtlichen Behörden
finanziell zu unterstützen. Die örtlichen Behörden erhielten
im Rahmen dieser Maßnahme die Möglichkeit, eine örtliche
Grundsteuer zu erheben und gestützt durch regelmäßige
Staatszuschüsse Kredite aufzunehmen, um Wohnungen für
Arbeiterhaushalte zu bauen. Im Zuge dieser Politik wurden
zwischen 1919 und 1980 in Großbritannien über sechs Millionen Wohnungen gebaut (Malpass und Murie 1999), was
einem Anteil von 29% des Wohnungsbestandes im Jahr
1980 entsprach. Diese Wohnungen wurden größtenteils zu
subventionierten Mieten (die jedoch immer noch höher waren als in bestimmten Bereichen des einer Mietpreiskontrolle unterliegenden Privatsektors) an Arbeiterhaushalte vermietet. Dieses Muster der sozialen Bereitstellung von
Wohnraum war in seiner Art nahezu einzigartig und wurde
nur von der Republik Irland (die bis 1922 formell Teil des
Vereinigten Königreichs war) in ähnlicher Weise umgesetzt.
Die zweite reformpolitische Maßnahme, die eine Veränderung bewirkte, bestand in dem von der konservativen Regierung unter Margaret Thatcher 1980 eingeführten Vorkaufsrecht für Sozialwohnungen, dem so genannten Right to Buy
(RTB). Dieses Recht bot Mietern mit einem bestehenden
Mietvertrag, ihre Sozialwohnung zum Vorzugspreis zu kaufen. Selbstverständlich baute diese Politik auf dem ersten
beschriebenen Ansatz auf, da zunächst einmal Sozialwohnungen vorhanden sein mussten, um diese überhaupt ver186
kaufen zu können. Doch insbesondere in Haushalten der Arbeiterklasse zeigten sich vergleichbare Folgen im Hinblick
auf eine Veränderung der Betrachtungsweise des Wohnungswesens (King 2010). Seit 1981 wurden auf diese Weise 2,5 Millionen Wohnungen verkauft. Diese Verkäufe
brachten eine deutliche Senkung des Anteils von Sozialwohnungen auf unter 10% (wobei Wohnungsbaugesellschaften einen ähnlichen Anteil besitzen, sodass der Sozialsektor nach Wilcox (2008) insgesamt auf einen Anteil von
18,5% kommt) und einen beträchtlichen Anstieg des Wohneigentums mit sich.
Ein Verständnis der britischen Wohnungspolitik ist nur unter
Berücksichtigung der Dominanz des selbstgenutzten Wohneigentums möglich. Diese Form des Wohnens ist für knapp
70% der Haushalte Realität und gilt heutzutage als bevorzugte Wohnsituation. Die Vermietung von Sozial- und Privatwohnungen wurde unter lediglich geringer Interaktion zwischen diesen beiden Wohntypen an den Rand gedrängt.
Angesichts eines Anteils der Mieter von Sozialwohnungen,
die von Wohngeld und anderen Sozialhilfeleistungen abhängig sind, von über 60% haben sich die Wohnverhältnisse
immer mehr polarisiert. Sozialwohnungen werden dabei
streng auf Grundlage der Bedarfsprioritäten vergeben, wodurch das hohe Maß an wirtschaftlicher Abhängigkeit aufrecht erhalten wird. Im Ergebnis hat die Mehrheit der britischen Haushalte keine direkte Erfahrung mit Sozialwohnungen und keine besondere Haltung zu diesem Thema.
187
Das RTB war sicher mit für den Rückgang von Sozialwohnungen und den Anstieg von selbstgenutztem Wohneigentum vor allem in Haushalten der Arbeiterklasse verantwortlich. Es setzte dabei auf die Popularität des selbstgenutzten
Wohneigentums in Großbritannien und trug gleichzeitig zu
dessen weiterer Entwicklung bei.
Der vorliegende Aufsatz soll zunächst das RTB etwas genauer betrachten und den Hintergrund dieser politischen
Maßnahme sowie ihre Folgen beschreiben. Dabei wird aufgezeigt, dass das RTB beispielhaft für eine wirkungsvolle
Privatisierung von Staatsvermögen ist. Darüber hinaus ist
es jedoch auch eines der wenigen Beispiele für eine funktionierende Politik, welche die 1980 von den Konservativen
gesteckten Ziele weithin erreicht hat. Dieser Erfolg liegt darin begründet, dass die Politik den Kern der menschlichen
Natur anspricht: Sie basiert auf klaren Anreizen und legt ihr
Augenmerk auf das Eigeninteresse des Einzelnen, anstatt
davon auszugehen, dass Wohnraum ein kollektives Gut mit
übergreifendem sozialem Zweck ist.
2. Einführung des Right to Buy
Das Right to Buy wurde in einer Zeit des politischen und wirtschaftlichen Umbruchs entwickelt. Die 1970 gewählte konservative Regierung von Edward Heath hatte es mit einer –
möglicherweise hausgemachten – Immobilienblase, einer
Ölkrise und einer Reihe industrieller Auseinandersetzungen
zu tun. Als Heath im Februar 1974 unter dem Motto „Wer
188
regiert Großbritannien?“ zur Wahl antrat, entschied die
Wählerschaft sich nicht für ihn, sondern gab einer Minderheitsregierung der Labour-Partei den Vorzug (Ramsden
1998). Im weiteren Verlauf des Jahres 1974 wandte sich der
Premierminister Harold Wilson erneut an die Wähler und erhielt eine geringe Mehrheit, die mit der Zeit jedoch brüchig
wurde. Die gewählte Labour-Regierung tat nur wenig, um
die wirtschaftlichen und politischen Probleme des Landes
in den Griff zu bekommen. Die Krise erreichte ihren Höhepunkt 1976, als die Regierung den Internationalen Währungsfonds – eigentlich eine zur Unterstützung von Entwicklungsländern bestehende Einrichtung – um ein
Notfalldarlehen ersuchte, um den Fortbestand des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten. Die konservative Opposition in Person ihrer neuen Leitfigur Margaret Thatcher erhielt damit für einen Regierungswechsel bei den
Parlamentswahlen 1979 neuen Auftrieb, da die sozialistische
Regierung die Kontrolle über die Ereignisse verloren zu haben schien.
Im Nachhinein erscheinen die Veränderungen seit 1979 natürlich als unumgänglich und fast schon selbstverständlich.
Nach über 30 Jahren, in denen zahlreiche politische Umstrukturierungen erfolgten und die wichtigsten politischen
Parteien sich neu orientierten, ist es einfach, die von den
Konservativen vorgeschlagenen Änderungen als präskriptiver und sicherer zu erachten, als sie es damals tatsächlich
waren. Dabei wird bisweilen vergessen, in welchem Maße
das, was die Konservativen vorschlugen, einen radikalen
189
Bruch mit dem Konsens der Nachkriegszeit darstellte. Bei
der Lektüre von Dokumenten der Konservativen aus den
späten 1970er Jahren wird jedoch erkennbar, mit welcher
intellektuellen Zuversicht diese präsentiert wurden. Die Dokumente waren unmissverständlich und wanden sich nicht
mit schönen Worten um Tatsachen. Hier ging es nicht um
einen Konsens, sondern um die Überzeugung, dass die Labour-Regierung das Land in die falsche Richtung geführt
hatte und die Position der Konservativen die Meinung der
Mehrheit widerspiegelte. Im Gegensatz zu jüngeren Dokumenten und Debatten ist dieses Material voller Ideen und
Argumente und sorgt sich nicht um die formelle Präsentation und markige Sprüche. Es wird deutlich, dass die Argumente auf einer bestimmten ideologischen Position fußen
und es wird kein besonderer Versuch unternommen, dies zu
verbergen.
1976 veröffentlichten die Konservativen ein Dokument mit
dem Titel The Right Approach (Konservative Partei 1976). In
diesem bedeutenden Dokument wurde eine allgemeine philosophische Position skizziert, die von den Konservativen
mit dem Wohnen im Eigenheim und dem Verkauf von Sozialwohnungen verknüpft wurde. Es handelte sich dabei nicht
nur um ein politisches Statement. Das Dokument verfolgte
vielmehr das ehrgeizigere Ziel einer Sozialismuskritik und
wollte eine kohärente und begründete Alternative dazu bieten.
190
Im Hinblick auf die Bedeutung von privatem Wohneigentum
ist das Dokument unmissverständlich:
„Was wir anstreben müssen, liegt im Wesen des Konservativismus selbst begründet. Es handelt sich dabei um
eine politische Philosophie, die über den Staat und das
Individuum hinaus geht und beginnt, das komplexe Netz
aus wechselseitigen Rechten und Pflichten in einer geordneten Gesellschaft menschlich zu formulieren.
Eine solche Philosophie erkennt an, dass privates Wohn­
eigentum wesentlich ist, wenn wir die persönliche Verantwortung und die Freiheit, die damit einhergeht, stärken
möchten. Eigentum verleiht Macht, erweitert die Entscheidungsmöglichkeiten und ist eine wesentliche Quelle
der Unabhängigkeit. Da bestimmte Menschen bessere
Voraussetzungen und größere Chancen als andere haben, Eigentum zu erwerben, sind soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten vorherbestimmt. Wir Konservativen
sind keine Verfechter des Egalitarismus. Wir glauben daran, Chancen zu verbessern und zu fördern, nicht daran,
diese einzuschränken, da jegliche Vorhaben und Bemühungen dadurch im Keim erstickt würden. Dies hätte
letztlich eine Verringerung der Ressourcen für die Unterstützung der sozial Benachteiligten zur Folge. Feindseligkeit gegenüber dem Erfolg, die davon ausgeht, dass Erfolg zu Ungleichheiten führt, ist oft nur schwer von Neid
und Habgier zu unterscheiden. Dies gilt insbesondere
dann, wenn sie – wie Alexander Solschenizyn betonte –
191
in die Sprache des „Klassenkampfes“ eingebettet ist.“
(S. 17-18)
Im Einzelnen wird insbesondere aus drei Gründen angestrebt, selbstgenutztes Wohneigentum zu fördern:
„Zunächst verleiht Wohneigentum den Menschen Unabhängigkeit: Das Bewusstsein, ein eigenes Heim zu besitzen, stärkt die Freiheit der Familie. Zweitens möchten die
meisten Menschen vor allem aus genau diesem Grunde
Wohnungseigentümer werden und sind als Eigentümer
glücklicher als sie es als Mieter waren. Und drittens ist
die Unterstützung von Menschen beim Eigenheimkauf
von Vorteil für die Steuerzahler: Während der Neubau
von Sozialwohnungen im ersten Jahr durchschnittlich mit
Subventionen von bis zu 1.300 £ gefördert wird, ergibt
sich für eine durchschnittliche neue Hypothek eine Steuererleichterung von etwa 300 £.“ (S. 51)
Es gibt also gute Gründe dafür, selbstgenutztes Wohneigentum zu fördern: Es stärkt die Freiheit und macht die Menschen glücklicher, so dass sie nach weiterem Glück streben,
und es ist im Vergleich zu Sozialwohnungen für den Steuerzahler günstiger. Der erste Grund stimmt überein mit der
konservativen Position bezüglich der Bedeutung von Eigentum und wie dieses die Formulierung der Rechte und Pflichten innerhalb einer Gesellschaft ermöglicht. Der zweite
Grund lässt jedoch erkennen, dass die konservative Partei
den Wahlkampf noch nicht vollständig vergessen hatte. Sie
192
anerkennt die Popularität von Wohneigentum und unterstützt es daher. Der dritte genannte Punkt zeigt eine wichtige politische Verbindung auf, denn die Konservativen argumentieren, dass die Förderung von selbstgenutztem
Wohneigentum einen Mehrwert gegenüber der Vermietung
von Sozialwohnungen darstellt und führen an, dass Steuerzahler dadurch nicht unerhebliche Geldsummen sparen können.
Der dritte Grund bietet eine Rechtfertigung des Right to Buy.
Selbstgenutztes Wohneigentum wird als günstiger und damit als bessere Geldwertnutzung betrachtet. Dieses Argument wird unter Hervorhebung der praktischen Elemente
einer Politik des Verkaufs von Sozialwohnungen recht genau ausgeführt:
„Wir möchten die ungerechten Beschränkungen, die für
den Verkauf ihrer Wohnungen an Mieter von Sozialwohnungen und Wohnungen in den New Towns2 gelten, ein
für alle Mal beseitigen. Wir sind der Ansicht, dass diese
Mieter per Gesetz das Recht haben sollten, ihre Wohnungen nach drei Jahren Mietdauer als Grundeigentum
oder, bei Wohnungen in England und Wales, als Mieteigentum zu erwerben. In der Praxis könnte dies so gestaltet werden, dass Mieter ihre Sozialwohnung kündigen
2 New Town (Neue Stadt): aus Großbritannien stammender städtegeografischer Begriff für eine im 20. Jahrhundert nach modernen funktionalen Gesichtspunkten geplante und neu erbaute Stadt. (Anm. d. Ü.)
193
und ihnen der Rechtsweg offen steht, wenn die Gemeinde den Antrag des Mieters auf Kauf der Wohnung ablehnt bzw. behindert.
Geplant ist eine Finanzierung des Verkaufs von Sozialwohnungen durch Hypotheken von Wohnungsbau- und
Versicherungsgesellschaften sowie durch Hypotheken
der örtlichen Behörden. Die geringen Kosten für die
Steuerentlastungen auf zusätzliche Hypotheken würden
durch die höheren Einnahmen aus einem umfassenden
Programm zum Verkauf von Sozialwohnungen mehr als
kompensiert werden.
Die Bereitstellung von Wohnraum durch örtliche Behörden ist kostspielig und nicht immer effizient. Bei vielen
städtischen Behörden steht zu bezweifeln, dass sie den
Wohnungsbestand überhaupt erweitern werden. Viele
von örtlichen Behörden durchgeführte Neubauprojekte
bestehen im Wesentlichen darin, dass in einem teuren
Prozess ganze Gegenden plattgewalzt und zu Schutthaufen aufgeschoben werden und innerhalb des Mietsektors
ein Hebel von privat zu staatlich umgelegt wird.
Der Wohnungsbestand übersteigt heute die Anzahl der
Haushalte um mehr als eine Dreiviertelmillion; die Nachfrage nach Sozialwohnungen wurde dabei künstlich in die
Höhe getrieben, und zwar durch immer mehr stark subventionierte Mieten (die die Gemeinden „zwingen“, neue
Bauvorhaben umzusetzen, da nur relativ wenige leere
194
Wohnungen zur Weitervermietung zur Verfügung stehen)
und durch eine Gesetzgebung, die für einen stark verringerten zur Miete zur Verfügung stehenden Privatbestand
gesorgt hat.“ (S. 52-3)
Der Duktus dieser Passage ist negativ und konzentriert sich
auf eine Kritik des sozialen Wohnungsbaus sowie dessen
Finanzierung. Die implizite Aussage dieses Arguments ist,
dass Mieter ohne Grund durch ihre Vermieter davon abgehalten werden, ihre Wohnungen zu kaufen. Tatsächlich hatte
die Heath-Regierung ein freiwilliges System zum Verkauf
von Sozialwohnungen eingeführt (Sillars 2007), das jedoch
von der 1974 gewählten Labour-Regierung nicht weitergeführt wurde. Wenn diese Politik auf eine gesetzliche Grundlage gestellt würde, erhielten Mieter die Möglichkeit, ihren
Kaufwünschen Ausdruck zu verleihen. Implizit würde dadurch zudem das verhindert, was sie als die verschwenderischen und destruktiven Gepflogenheiten von Gemeinden
betrachten, die als Vermieter und Bauherren agieren.
Bei den Parlamentswahlen 1979 wurde die RTB-Politik bereits deutlich konkreter formuliert:
„Viele Familien, die in Sozialwohnungen und New Towns
leben, würden gerne Wohneigentum erwerben, haben
aber entweder nicht die Mittel dazu oder werden von den
örtlichen Behörden oder der Labour-Regierung daran gehindert, dies zu tun. Es ist an der Zeit, diesen Beschränkungen ein Ende zu setzen. In der ersten Sitzung des
195
neuen Parlamentes werden wir daher Mietern von Sozialwohnungen und Wohnungen in New Towns unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten in ländlichen Gebieten und des Bedarfs an Einrichtungen für
betreutes Wohnen für ältere Menschen per Gesetz das
Recht verleihen, ihre Wohnungen zu kaufen. Vorbehaltlich besonderer Regeln im Falle eines Weiterverkaufs,
bieten die von uns vorgeschlagenen Bedingungen beim
Kauf einer Sozialwohnung einen Nachlass auf deren
Marktwert, der die Tatsache widerspiegelt, dass den
Mietern solcher Wohnungen nicht ohne weiteres gekündigt werden kann. Diese Nachlässe steigen von 33%
nach drei Jahren mit Fortdauer des Mietverhältnisses bis
auf 50% nach zwanzig Jahren an. Darüber hinaus werden
wir sicherstellen, dass für den Kauf von Sozialwohnungen
und Wohnungen in New Towns eine Vollfinanzierung über
Hypotheken möglich ist. Die genannten Mieter sollen zudem das Recht haben, befristete Optionen auf ihre Wohnungen zu erhalten, sodass sie schon im Voraus den
Preis, zu dem sie kaufen können, kennen und darauf sparen können.“ (Abschnitt 5, keine Seitenangabe)
Diese Politik wird durch die Selbstverpflichtung der Partei,
bei der ersten Gelegenheit nach der Wahl eine entsprechende Gesetzgebung auf den Weg zu bringen, als eine Priorität dargestellt. In der Folge wurde diese Politik überdacht
und verfeinert. Mögliche Optionen wie die Bereitstellung
von Wohnungen in ländlichen Gebieten und Einrichtungen
für betreutes Wohnen wurden dabei ebenso berücksichtigt
196
wie die praktische Umsetzung von Bewertungen und der
tatsächliche Entscheidungsfindungsprozess der Haushalte.
Den Haushalten sollte dabei über einen für einen bestimmten
Zeitraum festgelegten Wert eine gewisse Sicherheit gegeben werden.
Wie man an der sehr knappen Art, in der die Konservativen
ihre Leitlinien in ihrem Wahlprogramm von 1979 darlegen
konnten, sehen kann, war das Vorhaben zu dieser Zeit durch
eine besondere Schlichtheit und Verlockung gekennzeichnet. Zu seiner Rechtfertigung waren weder eine besondere
Sprache noch komplexe Argumentationsketten erforderlich,
wie dies früher oder später in der Wohnungspolitik häufig
der Fall war. Das RTB konnte in einfacher Sprache mit Begriffen erklärt werden, die alle verstehen konnten. Der zugrunde liegende Mechanismus war klar – Stellen eines Antrags, Erhalt einer für einen bestimmten Zeitraum geltenden
Bewertung, Anspruch auf eine Hypothek – und ebenso klar
waren auch die Anreize in Form eines großzügigen Nachlasses. Im Folgenden soll untersucht werden, warum das
Gesetz sich nach seiner Umsetzung so schlecht verkaufte.
Die Vorschläge im Rahmen des RTB für England und Wales
waren im Wohnungsbaugesetz von 1980 verankert, das
schottische Mietrecht von 19803 stimmte in weiten Teilen
mit den oben dargestellten Vorschlägen überein. Das Er3 Das schottische Wohnrecht unterscheidet sich wie viele Aspekte der
Gesetzgebung von den in England geltenden Vorschriften.
197
messen der örtlichen Behörden, ihre Wohnungen zu verkaufen, wurde durch ein Gesetz ersetzt, das Mietern, die ihre
Wohnung seit mindestens drei Jahren bewohnten, ein Recht
auf den Kauf dieser Wohnung verlieh. Diese Regelung galt
für die meisten Bestandsmieter einschließlich aller Sozialwohnungen, New Towns und nicht gemeinnützigen Wohnungsverbände. Bestimmte Wohnungstypen wie betreute
Einrichtungen für ältere Menschen und Wohnungen in ländlichen Gebieten waren von der Regelung ausgenommen.
Insgesamt war das Ziel jedoch, so viele Wohnungen wie
möglich mit in das Programm aufzunehmen. Um die Verfahren und die Verwaltung Bürgern im gesamten Land gleichermaßen zugänglich zu machen, wurde ihnen Unterstützung
angeboten und der Minister erhielt die Befugnis, in das Verfahren einzugreifen und dieses zu überwachen. Die dem zugrunde liegende Befürchtung war, dass bestimmte Gemeinden versuchen würden, ihre Mieter in der Ausübung ihrer
Rechte zu behindern. Diese Befürchtung sollte sich als begründet erweisen (Malpass und Murie 1999).
Das Gesetz sah eine Methode zur Immobilienbewertung
und ein auf der Dauer des Mietverhältnisses beruhendes
Nachlasssystem vor, das nicht zwangsläufig auf die aktuelle
Wohnung bezogen sein musste. So konnten Mieter nach
drei Jahren einen Kauf gemäß RTB mit einem Nachlass von
33% beantragen. Der Nachlass stieg dabei um 1% jährlich
bis auf maximal 50%.
198
Verkauften die Mieter ihre Wohnung innerhalb der ersten
fünf Jahre, sah das Gesetz die Rückzahlung des gesamten
bzw. eines Teils des Nachlasses vor, der sich für jedes volle
Jahr um 20% verringert.
Ein weiterer dem Wahlprogramm entnommener Aspekt betraf den Anspruch auf eine Vollfinanzierung durch eine Hypothek zu vom Ministerium festgelegten Konditionen. Für
den Fall, dass ein Mieter seinen Kauf verschieben wollte,
bestand zudem die Möglichkeit, die ermittelte Bewertung
für bis zu zwei Jahre einzufrieren.
All diese Maßnahmen zeigen das Bild eines genau ausgearbeiteten Gesetzes, das einige der zentralen Probleme der
Umsetzung eines solchen Programms wie den Widerstand
der örtlichen Behörden und die Schwierigkeit der Bereitstellung von Wohnungen mit besonderen Merkmalen aufgreift.
Seit seinem Bestehen wurde das RTB jedoch vielfach ergänzt und angepasst. Unter der konservativen Regierung
zielten diese Änderungen größtenteils auf eine Ausweitung
des Systems ab, während die seit 1997 durch die LabourRegierung beschlossenen Anpassungen restriktiver waren.
Trotz dieser Änderungen bleibt das RTB weiterhin in Kraft
und scheint, soweit heute absehbar, unumstößlich zu sein.
3. Die Folgen des Right to Buy
Wie bereits angedeutet und wie in Tabelle 1 dargestellt hatte das RTB beachtliche Folgen. An erster Stelle ist hierbei
199
die Tatsache zu nennen, dass das RTB knapp über 2,5 Millionen Mietern zu einem Eigenheim verhalf. Man kann dem
gleichgültig gegenüberstehen, doch handelt es sich um eine
durchaus beeindruckende Zahl. Bedenkt man, dass es 2006
in Großbritannien insgesamt nur 2,6 Millionen Sozialwohnungen gab, erhält man vielleicht eine Vorstellung von den
tatsächlichen Folgen dieser politischen Maßnahme. Knapp
40% der Sozialwohnungen wurden in Eigentumswohnungen
umgewandelt und 2,5 Millionen Haushalte erhielten Zugang
zu einem eigenen Vermögenswert, finanzieller Unabhängigkeit und persönlicher Verantwortung, Faktoren, die die konservative Partei für den Aufbau einer postsozialistischen
Gesellschaft für wichtig erachtete.
Eine andere Wohnungspolitik mit ähnlich umfassenden Folgen ist nur schwer vorstellbar. Einzig der soziale Wohnungsbau selbst, mit über sechs Millionen neuen Wohnungen zwischen 1923 und 1980, kommt dieser Entwicklung nahe,
wenn auch in einem deutlich längeren Zeitrahmen.
Das RTB hatte gegenüber anderen politischen Maßnahmen – einschließlich des sozialen Wohnungsbaus – sicher einen
wesentlichen Vorteil: Die einfache Tatsache, dass die Ressourcen für dieses Gesetz unmittelbar zur Verfügung standen. Die direkten Kosten des RTB im Vergleich zu einem
massiven Wohnungsbau waren zu vernachlässigen und ein
großer Teil davon entfiel nicht direkt auf die Zentralregierung, sondern wurde von den örtlichen Behörden als Eigentümer des Bestands getragen. Das RTB konnte eine solche
200
direkte Wirkung entfalten, da sechs Millionen Wohnungen
unmittelbar für den Verkauf infrage kamen. Eine langwierige
und umfangreiche Vorbereitung zur Bereitstellung der Ressourcen für das Gesetz war damit nicht erforderlich. Zudem
erforderte das RTB keine umfangreichen Veränderungen
bei den betroffenen Haushalten; sie konnten Wohnungseigentümer werden, ohne erst umziehen zu müssen. Das RTB
war also von einer großen Einfachheit geprägt. Insgesamt
kann das Projekt als eine politische Maßnahme für eine Generation angesehen werden, die von dem glücklichen Zusammentreffen von Angebot, Nachfrage, Gelegenheiten
und einem besonderen System profitierte, was folgende
Zahlen verdeutlichen:
Tabelle 1:RTB-Verkäufe
Jahr
1980
1981
1982
1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
1990
England
55
66321
174697
120659
86315
78433
77144
86845
132980
144754
96729
Schottland
2157
10096
13544
17321
15248
14473
13322
18594
31480
38443
32535
Wales Großbritannien
0
2212
7196
84333
16088
204329
9088
147208
5650
107213
5622
98328
5420
95856
5609
111048
9605
174065
12753
195950
6487
135751
201
1991
53462
1992
42280
1993
42034
1994
45875
1995
34553
1996
34161
1997
44375
1998
44256
1999
58462
2000
61956
2001
58955
2002
68996
2003
85934
2004
67160
2005
36353
2006
24190
2007
16410
Gesamt 1884214
Quelle: Wilcox, 1999, 2008.
22694
23521
19787
21128
16636
13023
17369
14948
14227
14935
14095
17343
20698
15203
13033
10487
7420
483560
3503
3823
2814
3132
2369
2093
2632
2614
3466
3522
3446
4288
6924
5063
2090
1366
1017
137540
79659
68624
63635
70135
53558
49277
64376
61818
76155
80413
76496
90627
113556
87426
51376
36043
24847
2505314
Noch deutlicher werden die Folgen des RTB bei der Betrachtung der in Tabelle 2 zusammengefassten Daten über die Veränderung der Wohnsituation zwischen 1981 und 2006. Die
hier aufgeführten Zahlen zeigen, inwiefern sich die Wohnsituation in den einzelnen Teilen Großbritanniens verändert hat.
Daraus geht hervor, dass der Eigentumsanteil seit Einführung
des RTB-Gesetzes deutlich gestiegen und der Wohnungsbestand der örtlichen Behörden in noch höherem Maße gesunken ist. Letzteres ist auf das RTB zurückzuführen, jedoch
202
auch auf eine Verlagerung des Bestandes (der teilweise für
das Wachstum von Wohnungsbaugesellschaften verantwortlich ist, ebenso wie die Tatsache, dass alle neu gebauten Sozialwohnungen in diesem Sektor erfolgten). Der Rückgang
der Sozialwohnungen schlägt sich am deutlichsten in Schottland nieder, wo nur noch 35% des Bestands von 1981 (gegenüber 43,5% in England) vorhanden sind, wenngleich dieser Anteil in Bezug auf den Gesamtbestand noch immer
höher ist.
Tabelle 2: Änderung der Wohnsituation, 1981-2006 (%)
1981
England
Eigennutzung
59,8
Privatvermietung
11,3
Wohnungsbaugesellschaft 2,3
Örtliche Behörde
26,6
2006
70,2
11,9
8,4
9,5
Schottland
Eigennutzung
36,4
Privatvermietung
9,7
Wohnungsbaugesellschaft 1,8
Örtliche Behörde
52,1
67,1
7,4
10,5
15,1
Wales
Eigennutzung
61,9
Privatvermietung
9,6
Wohnungsbaugesellschaft 2,2
Örtliche Behörde
26,4
72,7
10,4
5,0
11,9
203
Großbritannien
Eigennutzung
57,7
Privatvermietung
11,1
Wohnungsbaugesellschaft 2,2
Örtliche Behörde
29,0
Quelle: Wilcox, 2008.,
70,1
11,4
8,4
10,1
Angesichts dieser Zahlen sollte festgehalten werden, dass
zwar der Wohnungsbestand der Wohnungsbaugesellschaften (um bislang knapp 400%) angestiegen ist, dass
dies jedoch nicht ausgereicht hat, den Rückgang bei den
Sozialwohnungen auszugleichen. Beide Sektoren gemeinsam kamen 1981 auf 31,2% gegenüber 18,5% im Jahr 2006.
Das zeigt deutlich, dass die Absicht der Konservativen Erfolg hatte, die Bedeutung von Sozialwohnungen zu reduzieren. Die politische Folge ist, dass Sozialwohnungen selbst in
Schottland, wo diese einst die am weitesten verbreitete
Wohnsituation darstellten, heute politisch zu vernachlässigen sind. Sozialwohnungen sind heute eine Wohnform, die
zwar existiert, die den Politikern und der Bevölkerung allgemein aber nur geringfügige Unterstützung abverlangt. Es besteht weiterhin Bedarf an Sozialwohnungen (Hills 2007) und
die Regierung akzeptiert das, doch bedeutet dies keineswegs, dass das Thema eine Priorität wäre. Einzig hinsichtlich
der Vorherrschaft selbstgenutzten Wohneigentums sind
Sozialwohnungen nach wie vor von politischer Bedeutung,
so dass die Regierung der Auffassung ist, dass es notwendig ist, die Wohnungsmärkte zu verwalten und Immobilieneigentümern ihre Unterstützung anzubieten (CLG, 2007).
204
4. Argumente gegen das Right to Buy
Hat sich das RTB unter vielen Mietern als populär erwiesen
und genießt breite politische Unterstützung, so äußert sich
ein Großteil der akademischen Literatur grundsätzlich ablehnend gegenüber dieser politischen Maßnahme. Die Literatur
über das RTB bietet ein breites Spektrum an Kritik. Zahlreiche Studien erheben den Anspruch, die nachteiligen Folgen des RTB aufzuzeigen und argumentieren für seine Abschaffung. Es ist jedoch nur allzu deutlich, dass den Kritikern
die Argumente ausgehen. Die Labour-Partei war anfangs
gegen das RTB, wurde jedoch durch die Realität der Wahlkampfpolitik gezwungen, diesen Weg 1987 zu akzeptieren
und unterstützt seither das RTB und selbstgenutztes Wohneigentum allgemein ebenso lautstark wie die Konservativen. Viele der Argumente gegen das RTB können daher
ignoriert werden und sei es nur deshalb, weil sie von geringer praktischer Bedeutung waren. Worauf in diesem Zusammenhang hingewiesen werden sollte ist, dass sich die
Kritik in weiten Teilen nicht gegen die Vorteile selbstgenutzten Wohneigentums an sich richtete, sondern gegen die
Folgen des RTB für den Sozialwohnungssektor. Das RTB
wurde daher nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern
vielmehr deshalb, weil es als ein Einschnitt in den Sozialstaat empfunden wurde. Wie aus obigen Tabellen hervorgeht, hatte das RTB einen nicht unerheblichen Einfluss auf
den Sozialwohnungssektor. Dies führte dazu, dass Kritiker
vorbrachten, die Gesellschaft sei durch dieses Gesetz we205
niger gut in der Lage, mit Bedarfsprioritäten und Obdachlosigkeit umzugehen.
Dieses Argument legt nahe, dass zwischen einer kollektivistischen und einer individualistischen Sichtweise der Wohnungspolitik unterschieden werden sollte. Die Kritiker des
RTB sehen das Gesetz mit kollektivistischen Augen und bleiben daher mit Themen wie Maßnahmen zur Sicherung der
Wohnstandards und allgemeinen Fragen zur Wohnungs- und
Finanzpolitik abstrakt an der Oberfläche. Bei jedem Haushalt,
der sich für einen Wohnungskauf entschied oder einen solchen anstrebte, handelte es sich jedoch um eine individuelle,
auf den eigenen Wünschen und Zielen beruhende Entscheidung. Dies setzte keine Abstraktion, sondern vielmehr die
Entschlossenheit voraus, eine bestimmte Beziehung zur eigenen Wohnung aufzubauen. Dies vorausgesetzt kann untersucht werden, aus welchen Gründen das RTB für viele so
reizvoll war und warum es so einfach war, sich über die Kritiker dieses politischen Ansatzes hinwegzusetzen. Gemeinschaftliche Fragen konnten und sollten nicht schwerer wiegen
als die materiellen Belange Einzelner.
Trotz allem soll auf drei Argumente gegen das RTB etwas genauer eingegangen werden. Das erste Argument betrifft die
Tatsache, dass der große Erfolg des RTB größtenteils, wenn
nicht ganz, auf die angebotenen Preisnachlässe zurückzuführen war. Das RTB bot Mietern mit einem bestehenden Mietvertrag die Möglichkeit, ihre Wohnung mit einem Preisnachlass von mindestens 32% bis zu maximal 60% zu kaufen. Der
206
tatsächliche Grund für den Erfolg des RTB hatte folglich nichts
mit dem sehnlichen Wunsch nach einem Eigenheim zu tun,
sondern beruhte auf finanziellen Anreizen. Mit anderen Worten: 2,5 Millionen Haushalte in Großbritannien wurden gewissermaßen „bestochen“, eine Eigentumswohnung zu kaufen,
so dass davon auszugehen ist, dass die meisten dieser Haushalte ohne das RTB und die im Zuge dessen gebotenen finanziellen Anreize vermutlich kein Wohneigentum erworben hätten.
Die Nachlässe trugen also dazu bei, die Politik attraktiver zu
machen und verleiteten sicher viele Haushalte dazu, das ihnen auf dem Silbertablett dargebotene Angebot anzunehmen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass viele dieser
Haushalte wenig bis keine Erfahrung mit Wohneigentum hatten. Es handelte sich um Haushalte, die noch nie eine eigene
Immobilie besessen hatten und die nicht aus Verhältnissen
stammten, in denen Wohneigentum die Regel war. Diese
Arbeiterhaushalte benötigten vielleicht gerade deshalb eine
Art Belohnung dafür, dass sie, wie die konservative Regierung es wünschte, Eigentum erwarben. Diese Haushalte, so
könnte man sagen, mussten erst an den Gedanken selbstgenutzten Wohneigentums gewöhnt werden.
Dieses Argument rechtfertigt jedoch noch nicht die gewährten Preisnachlässe. Meist wird an dieser Stelle vorgebracht, dass die Mieter bereits einige Jahre über Miete bezahlt hatten und die Nachlässe dies honorieren sollten. Darauf
könnte man entgegnen, dass es sich bei Mietzahlungen um
207
eine Art Nutzungsgebühr handelt und damit nur die Bereitstellung von Wohnraum betrifft. Mietzahlungen sind insofern
nichts anderes als eine Kinokarte oder das Mieten eines Autos. In keinem der genannten Fälle wird angeregt, aufgrund
dieser Zahlungen einen Nachlass zu gewähren.
Mietzahlungen stehen jedoch in keinerlei Zusammenhang zu
Produktionskosten oder laufenden Kosten, die eher durch
nationale Gesetze festgesetzt werden. Mietzahlungen basieren auch nicht auf Ist-Kosten, sondern werden von der
Regierung auf Grundlage von bestimmten Zielen festgelegt,
die je nach gewünschter Höhe der Unterstützung bestimmt
werden. Darüber hinaus besteht auch keine Verbindung zwischen Mietzahlungen und den Bedingungen von Angebot
und Nachfrage. Eine Marktmiete oder marktbasierte Miete
gibt es ebenso wenig wie einen besonderen Bezug zu den
laufenden Bereitstellungskosten. Entsprechend hat ein Mieter in einem älteren Wohnhaus möglicherweise deutlich
mehr bezahlt, als den Investitionskostenbetrag der Wohnung sowie die Verwaltungs- und Instandhaltungskosten.
In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden,
dass Mieter von Sozialwohnungen schon immer finanziell
unterstützt wurden. Die Mehrheit der Mieter erhält das in
Großbritannien gesetzlich vorgesehene Wohngeld und gegebenenfalls geleistete Mietzahlungen liegen unterhalb der
üblichen Marktwerte. Es ist also nicht zutreffend, dass nur
RTB-Haushalte vom Staat unterstützt wurden. Der durch-
208
schnittliche Nachlass 2006/074 in England belief sich auf
24.970 £. Dabei handelt es sich wie gesagt um eine einmalige Beihilfe; eine weitergehende staatliche Unterstützung
erfolgt nicht.
Mieter von Sozialwohnungen haben hingegen über weite
Zeiträume eine finanzielle Unterstützung in beträchtlichem
Umfang erhalten. 2006 betrug die durchschnittliche Wochenmiete in England 57,69 £ gegenüber einem durchschnittlichen Mietzins in Höhe von 115,55 £ auf dem privaten Mietmarkt. Das bedeutet, dass die Mieter von
Sozialwohnungen eine effektive Unterstützung in Höhe von
57,86 £ pro Woche bzw. 3008,72 £ pro Jahr erhalten (Wilcox 2008).
Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Mieter von
Sozialwohnungen die Möglichkeit haben, in zweierlei Weise
finanzielle Unterstützung zu erhalten. 2006 wurde an 53%
der Bewohner von Sozialwohnungen Wohngeld in Höhe von
durchschnittlich 51,70 £ pro Woche bzw. 2.688,40 £ pro
Jahr bezahlt. Summa summarum greift der Staat folglich einigen dieser Mieter mit 5.697,12 £ pro Jahr finanziell unter
die Arme (Wilcox 2008). Insgesamt betrachtet kann ein Mieter einer Sozialwohnung damit innerhalb von 4,3 Jahren auf
eine staatliche Hilfe in Höhe des durchschnittlichen RTBNachlasses kommen. Diese Tatsache ist insbesondere aus
4 Die Wahl fiel auf dieses Bezugsjahr, da für dieses zum Zeitpunkt des
Verfassens dieses Beitrages die letzten vollständigen RTB-Daten vorlagen.
209
dem Grund von Bedeutung, dass Mieter ihre Wohnung heute fünf Jahre bewohnen müssen, um einen Antrag auf RTB
stellen zu können.
Mieter von Sozialwohnungen, die zudem Wohngeld beziehen, erhalten demnach eine beträchtliche staatliche Finanzhilfe, die vergleichbar ist mit dem Betrag, der RTB-Haushalten gewährt wird. Im Gegensatz zu diesen müssen diese
Mieter sich jedoch nicht erst über einen bestimmten Zeitraum für diese Beihilfe qualifizieren und müssen zudem keine eigenen Ressourcen aufwenden. Anders als von RTBHaushalten wird von Haushalten, die Wohngeld beantragen,
keine Gegenleistung für die Unterstützung verlangt. Man
könnte vorbringen, dass Haushalte, die Wohngeld beziehen,
die Hilfe aufgrund der Situation, in der sie sich befinden,
eher verdienen als die RTB-Haushalte. Dies würde jedoch
voraussetzen, dass die Situation dieser Haushalte nicht von
diesen selbst verschuldet ist und dass ihnen keine Alternativen offen stehen.
Was hierdurch suggeriert werden soll ist, dass RTB-Haushalte nicht die einzigen sind, die in den Genuss einer staatlichen Unterstützung kommen, und dass die Mieter von Sozialwohnungen vergleichbare Beihilfen erhalten, die zudem
unter weniger scharfen Bedingungen gewährt werden. Das
bedeutet, dass die diesen Haushalten gewährten Beihilfen
im Vergleich zu den aktuellen finanziellen Regelungen in Bezug auf Sozialwohnungen nicht übermäßig hoch sind. Es
muss daher zu der normativen Frage zurückgekehrt wer210
denn, ob Bedürftigkeit – im Sinne der Unterstützungsfähigkeit durch Wohngeld – schwerer wiegt als konsequentes
Verhalten und der Bedarf nach einer persönlichen finanziellen Unterstützung.
Es gibt natürlich viele weitere finanzielle Fragen, die an dieser Stelle diskutiert und als Gegengewicht zu den hier dargelegten Argumenten vorgebracht werden könnten. So
könnten zum Beispiel entgangene Mieteinnahmen, die Gerechtigkeit von Kapitalerträgen für Käufer usw. berechnet
werden. Das zentrale Anliegen dieser kurzen Diskussion bestand jedoch darin aufzuzeigen, dass die finanziellen Fragen
sich keineswegs eindeutig darstellen und dass sich stets
nachweisen lassen wird, dass Nachlässe im Vergleich zu
Beihilfen für die Mieter von Sozialwohnungen in finanzieller
Hinsicht gerechtfertigt sind.
Dennoch rechtfertigt diese auf die Finanzen bezogene Diskussion nicht zwangsläufig die betroffenen Grundsätze. Unabhängig von der jeweiligen Situation der Mieter von Sozialwohnungen stellt sich die Frage, ob es grundsätzlich
gerechtfertigt sein kann, Eigenheimbesitzern Beihilfen zu
gewähren. Diese Frage führt zu unserem zweiten Argument
gegen das RTB, das vom rechten Flügel des politischen
Spektrums vorgebracht wurde.
Man könnte annehmen, dass das RTB von der gesamten
Rechten begrüßt würde. Doch wäre dies eine eher vereinfachende Annahme bezüglich der Homogenität der Rechten.
211
Während viele Konservative nichts Falsches an einer Intervention der Regierung finden können (je nachdem, worauf
eine solche Intervention abzielt), gibt es bei der so genannten Neuen Rechten, die die Regierung von Margaret Thatcher beeinflusste, eine starke Strömung, die klassisches liberales bzw. libertäres Gedankengut verficht (Green 1987;
King 2006). Diese besondere Strömung stellt infrage, ob
eine Regierung in die Wohnungsmärkte eingreifen sollte.
Stattdessen sind ihre Vertreter der Ansicht, dass die Rolle
der Regierung einzig darauf begrenzt sein sollte, für niedrige
und stabile Zinssätze zu sorgen. Wenn Mieter von Sozialwohnungen folglich eine Wohnung kaufen möchten, steht es
ihnen selbstverständlich frei, dies zu tun – doch sollten sie
dabei nicht auf finanzielle Beihilfe durch den Staat vertrauen
können. Einzelne Libertäre akzeptieren zwar, dass Mietern
die Möglichkeit geboten werden sollte, ihre Sozialwohnung
zu kaufen, um sie dadurch von der Kontrolle durch den Staat
zu befreien, doch möchten auch sie keinen Preisnachlass
gewährt wissen.
Von diesem Standpunkt aus wird das RTB als illegitimes Social Engineering betrachtet, da es versucht, die Entscheidungen Einzelner zu manipulieren und ihr Verhalten durch
besondere Anreize zu beeinflussen, mit dem Ziel, die bestimmten Ziele anderer zu erreichen. Selbstgenutztes Wohneigentum ist aus dieser Sicht zwar eine gute Sache, doch
sollte dies nicht anderen durch den Einsatz von Anreizen
aufgenötigt werden. Dabei ist es kaum relevant, dass das
Ziel dieser besonderen Form des Social Engineering das
212
Schaffen von Unabhängigkeit und persönlicher Verantwortung ist.
Dies wirft die allgemeinere Frage auf, ob der Staat in der
Lage ist, Menschen durch sein Handeln freier zu machen
oder ob alle Entscheidungen von den Individuen selbst getroffen werden sollten (Narveson 1988). Hier könnte es zu
einer gewissen Spannung zwischen Freiheit und Verantwortung kommen. Das RTB zeigt in der Tat die Unterschiede
zwischen den libertären und konservativen Positionen auf,
von denen gesagt wird, sie haben die konservative Partei in
der Thatcher-Ära beeinflusst. Erstens: Das RTB fördert Unabhängigkeit, persönliche Verantwortung, Selbstständigkeit
und Freiheit von staatlicher Intervention. Doch zweitens ist
dies nur in Ausübung der Staatsgewalt einer Regierung
möglich, die zu wissen glaubt, was für ihre Bürger am besten ist. Das RTB beruht also auf einem Top-down-Ansatz
und auf staatlichen Beihilfen, die sich an besonders bedürftige Gesellschaftsgruppen wenden.
Eine Möglichkeit, damit umzugehen besteht darin, das RTB
nicht als Social Engineering zu begreifen, sondern einfach
als eine Art Privatisierung. Unter diesem Blickwinkel versetzt das RTB Wohnraum schlicht in seinen „natürlichen“
Zustand als Teil eines Marktes zurück und zwar dorthin, wo
er vor der staatlichen Intervention gewesen wäre. An dieser
Stelle könnte die Frage diskutieren werden, was genau mit
„natürlich“ gemeint ist: Es könnte im Sinne Hayeks als Ergebnis nicht zielgerichteter Gestaltung, sondern einfacher
213
menschlicher Interaktion verstanden werden (Haye 1988).
Dies wäre jedoch Haarspalterei, denn Fakt ist, dass das
RTB Wohnraum in dem Zustand belässt, in dem er sich auch
ohne staatliche Intervention befände.
Unabhängig vom Wert dieses Arguments müssen wir jedoch anerkennen, dass das RTB primär auf einer konservativen und nicht auf einer libertären Politik fußte. Wie bereits
in A Conservative Consensus? (King 2006) dargelegt, stellte das
RTB wie viele politischen Handlungen der Thatcher-Ära die
Dominanz der praktischen und pragmatischen Reaktion auf
das unmittelbar Ideologische unter Beweis. Solange das
RTB auf einer klaren ideologischen Grundlage stand, ging
es den Konservativen darum, dass eine bestimmte politische Entscheidung, wenn sie erst einmal getroffen war,
auch so gut wie möglich umgesetzt werden sollte. Der britische Konservatismus ist eine Ideologie, der es eher auf
den Prozess als auf das Ergebnis ankommt. Dieser extrinsische Ansatz ist von Bedeutung für das Verhältnis zu Sachverhalten wie Eigeninteresse, persönliche Verantwortung
und Erwartungen sowie für das Gespür dafür, was praktikabel und möglich ist. All diese Begriffe betreffen ein oberflächliches Gespür für die Dinge und eine Unmittelbarkeit
von Erfahrungen und Reaktionen. Der Konservativismus ist
im Gegensatz zum Libertarismus und den Ideologien des
linken Spektrums willkürlich und befasst sich damit, wie Einzelne auf Anreize zur Schaffung einer sozialen Stabilität reagieren. Das RTB ist ein konkretes Beispiel für diesen konservativen Ansatz. Das mag alle Libertäre enttäuschen,
214
Konservative hingegen würden sicher argumentieren, dass
der Zweck die Mittel rechtfertigt.
Doch verschafft sich heute noch ein weiteres Argument
über die Rolle der Regierung bei der Unterstützung des Eigenheimerwerbs Raum, das auf den Zusammenbruch der
Immobilienmärkte infolge der Kreditverknappung in den
Jahren 2007 und 2008 zurückzuführen ist. Sicher kann an
dieser Stelle argumentieren werden, dass es deshalb zu dieser Krise kam, weil die Regierung selbstgenutztes Wohneigentum unterstützt und das Ziel verfolgt hat, Haushalten zu
einem Leben im Eigenheim zu verhelfen (Ferguson 2008;
Shiller 2008). Der Subprime-Immobilienskandal in den USA
und der Zusammenbruch von Northern Rock in Großbritannien im Jahr 2007 entstanden auf Grundlage der allgemeinen Förderung des Erwerbs von Wohneigentum durch die
Regierungen und ihre Aufsichtsbehörden.
Auch das RTB wurde von dem Wunsch geleitet, Wohneigentum zu besitzen, sodass angesichts der Geschehnisse
seit 2007 die Frage aufgeworfen werden kann, ob die Regierung diesen Wunsch unterstützen und zu seiner Befriedigung öffentliche Ressourcen verwenden sollte. Dabei kann
wie von anderen Kommentatoren und Politikern auch nach
den Auswirkungen der Kreditverknappung und der Immobilienrezession auf das RTB gefragt werden. Verändert sich
dadurch die Haltung gegenüber dem RTB wesentlich?
215
Im Dezember 2008 forderte die National Housing Federation5 (NHF) angesichts der Immobilienkrise die Aussetzung
des RTB (Beattie 2008). Sie stützte ihre Forderung darauf,
dass die hohe Anzahl von Wiederinbesitznahmen und der
Mangel an Neubauten die Nachfrage nach Sozialwohnungen
steigern würden und es daher nicht sonderlich sinnvoll sei,
eben diese nicht in ausreichender Anzahl vorhandenen Sozialwohnungen zu verkaufen.
Austin Mitchell, Parlamentsabgeordneter der Labour-Partei,
geht noch einen Schritt weiter als die NHF und fordert die
Abschaffung des RTB (Beattie 2008). Mitchell ist Vorsitzender des Ausschusses für sozialen Wohnungsbau des britischen Unterhauses und führt an, dass nach dem Rückzug
privater Investoren aus dem Geschäft die Förderung des sozialen Wohnungsbaus das einzige Mittel sei, die Baubranche anzuregen. Auf den ersten Blick erscheint dieses Argument sehr reizvoll: Ist es nicht unmoralisch, Sozialwohnungen
unter Gewährung von Preisnachlässen zu verkaufen, während viele Haushalte gleichzeitig darum kämpfen, ihre Hypotheken ableisten und ihr Haus behalten zu können?
Doch nach einem Augenblick des Nachdenkens wird klar,
wie opportunistisch eine solche Forderung nach einer Aussetzung bzw. Abschaffung des RTB tatsächlich ist. Keine
der 2008 verkauften Wohnungen und auch keine der Wohnungen, die 2009 verkauft werden, stünde leer und damit
5 Englischer Interessenverband der Wohnungsbaugesellschaften.
216
zur Neuvermietung zur Verfügung. Würde das RTB ausgesetzt, kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass
diese Mieter nicht ausziehen würden, da sie kaum auf anderem Wege als über das RTB an ein Eigenheim kommen
könnten. Die Lage auf den Wohnungsmärkten hat dieser
Gesellschaftsgruppe sowie Personen mit Hypothekenrückständen alle anderen Alternativen verbaut. Zudem war eine
Folge der Rezession ein starker Einbruch bei den RTB-Verkäufen. Dies bedeutet, dass eine Abschaffung des RTB nur
wenig Wirkung zeigen würde, selbst wenn alle Wohnungen
neu vermietet werden könnten. Die Äußerungen der NHF
sind daher eher zu verstehen als ein Beispiel für unzulängliche Gedankengänge oder als Versuch, die Rezession auf
den Immobilienmärkten dazu zu nutzen, eine Politik anzugreifen, der sie seit jeher ablehnend gegenüberstand.
Interessant war jedoch zu beobachten, wie schnell und wie
nachdrücklich die Antwort der Regierung an die NHF erfolgte. Die Argumentation der Regierung lautete, dass das
RTB ein wesentlicher Teil ihrer wohnungspolitischen Strategie sei und daher keinesfalls ausgesetzt werden könne.
Ebenso interessant war die Tatsache, dass die NHF in ihrem
Anliegen von anderer Seite kaum offen unterstützt wurde
und das Thema damit schnell ad acta gelegt war. Es kam zu
keiner Kampagne gegen das RTB. Dies deutet darauf hin,
dass offenbar kein echtes Interesse daran bestand, das
Thema anzugreifen, vielleicht in dem Wissen, dass die Regierung seine Abschaffung als politischen Selbstmord begreifen würde. Und obwohl das RTB heute nur noch margi217
nale Wirkung zeigt, hat die namentlich links von der Mitte
angesiedelte Regierung noch immer das Gefühl, diese Politik offen unterstützen zu müssen.
Aber wirkt das RTB trotz der nachhaltigen Unterstützung
durch die Regierung in Zeiten einer Rezession nicht doch
etwas unangebracht? Man könnte vorbringen, dass die Beihilfen für den Wohneigentumserwerb besser an diejenigen
ausbezahlt werden sollten, die Gefahr laufen, ihre Wohnung
zu verlieren, anstatt andere zu einer Änderung ihrer Wohnsituation zu ermutigen. Doch auch hier zeigt eine genaue Betrachtung der zentralen Wesenseigenschaften des RTB,
dass diese Überlegungen inkohärent sind. Um Zugang zu
den Beihilfen für RTB-Haushalte zu erhalten, müssten die
Vermieter von Sozialwohnungen ihre Wohnungen verkaufen. Das liegt daran, dass die im Rahmen des RTB gewährten Beihilfen nicht wie die Sozialhilfe oder andere Zuschüsse einfach ausbezahlt werden, sondern die Form von
Kapital annehmen, das vom Verkaufswert der Immobilie abgekoppelt wird. Die Beihilfe ist damit so lange in der Wohnung gebunden, bis ein RTB-Antrag gestellt und der Verkauf
bewilligt wird6 und kann daher nicht für andere Zwecke verwendet werden, sofern die Regierung nicht beschließt, RTBHaushalte mit einem Betrag in Höhe eines Teils oder des
gesamten gewährten Preisnachlasses zu besteuern. Eine
solche Steuer würde nur im Falle eines Weiterverkaufs wirk6 Man könnte auch argumentieren, dass die Beihilfe nur dann realisiert
wird, wenn die Wohnung vom RTB-Haushalt weiterverkauft wird.
218
sam und könnte dabei als eine Art Dauerüberweisung fungieren. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass eine Regierung
auf der einen Seite die Unterstützung von Wohneigentum
fordert und auf der anderen Seite eine solche Steuer vorschlägt.
Besonders interessant ist bei allen genannten Argumenten
zum RTB, dass die Kritik nicht aus Sorge um den sozialen
Wohnungsbau an sich, sondern aufgrund der schweren Krise des Wohneigentums entstanden ist. Das von Austen Mitchell vorgetragene Argument für mehr Sozialwohnungen beruht auf der Notwendigkeit, Ersatz für die Wohnungen zu
schaffen, die nicht von privaten Investoren gebaut werden.
Die NHF wendet ein, dass die wachsende Anzahl von Wiederinbesitznahmen und der Mangel an Neubauten die Nachfrage nach Sozialwohnungen steigern wird. Doch keines der
genannten Argumente fußt auf einer klaren und auf Prinzipien beruhenden Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus. Vielmehr scheinen diese Argumente sich auf die Normalität von Wohneigentum als Hauptform des Wohnens und
die Möglichkeit, der soziale Wohnungsbau könne in einer
Krise unterstützend wirken, zu berufen. Darin verborgen liegen die implizite Annahme der zentralen Rolle von Wohneigentum sowie die These, der soziale Wohnungsbau könne
nur als diesem untergeordnete Form des Wohnens gerechtfertigt werden. In diesen Argumenten, mit denen zur Beendigung einer Politik aufgerufen wird, die Wohneigentum fördert, liegt eine geradezu bewusste Perversion, da gerade
219
Sozialwohnungen zur Unterstützung von Wohneigentum benötigt werden.
Die Diskussion hat eine Veränderung im Wesen der geäußerten Kritik aufgezeigt. Es ist heute nicht mehr die Sorge
um den sozialen Wohnungsbau, welche die Gemüter bewegt, sondern die Lage auf den Immobilienmärkten und die
mögliche Rolle anderer Wohnformen bei deren Unterstützung. Wir könnten nun darauf verweisen, dass wir in einer
Zeit nach dem RTB leben, in der die Argumente, die gegen
dieses vorgebracht werden, von der ernsthaften oder gleich
wie anders gearteten Sorge um die Lage des Wohneigentums herrühren. Vielleicht ist diese Haltung rein opportunistisch und die Kritiker, die diese vorführen standen dem
RTB schon immer ablehnend gegenüber. Doch unabhängig
davon zeigt sie uns, dass sich die Debatte über das RTB
grundlegend geändert hat. Vieles weist darauf hin, dass diese Veränderung zumindest teilweise den Folgen des RTB
im Bereich der Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums geschuldet ist.
Es kann davon ausgegangen werden, dass es auch in Zukunft Kritik am RTB geben wird, weil es immer Verfechter
der Interessen des sozialen Wohnungsbaus geben wird. Es
gibt jedoch keinen Grund anzunehmen, dass diese Kritik
mehr Erfolg haben wird. Alle großen politischen Parteien
stehen klar für eine Förderung von selbstgenutztem Wohneigentum und dem RTB kommt als Nachweis dieser Förderung eine symbolische Bedeutung zu. Das wurde durch die
220
Rezession nur noch deutlicher. Die Frage, die offen bleibt
ist, was das RTB so einzigartig macht: Ist sein Erfolg rein
zufällig und auf ein bloßes glückliches Zusammentreffen von
Interessen und Umständen zurückzuführen oder können daraus für künftige politische Entscheidungen allgemeinere
Lehrengezogen werden?
5. Gründe für den Erfolg des Right to Buy
Die Wohnungspolitik hat einen großen Vorteil bei der Reform der öffentlichen Ordnung (King 2003; 2009). Sie bietet
mehr Raum für die Privatwirtschaft als dies bei Gesundheits- und Bildungspolitik der Fall ist. Dies ist auf die Tatsache
zurückzuführen, dass der Bedarf an Wohnraum beständig
und vorhersehbar ist. Wohnraum wird immer benötigt und
unsere Bedürfnisse verändern sich in dem Bereich für gewöhnlich nicht so schnell wie der unvorhersehbare Bedarf
im Gesundheitswesen. Selbst die Bedürfnisse von obdachlosen Haushalten können einfach erfasst werden und bleiben stabil. Bedeutend ist dabei natürlich die Fähigkeit einzelner Haushalte, ihre Bedürfnisse zu befriedigen (King 2003).
Diese Vorhersehbarkeit führt im Ergebnis dazu, dass wir unsere Wohnraumbedürfnisse besser begreifen und entsprechend planen können. Das wiederum bedeutet, dass Wohnraum eher marktbasiert verfügbar gemacht werden kann.
An dieser Stelle kann der Einwand vorgebracht werden,
dass Wohnraum schon immer eher Zielscheibe von Privatisierungsbestrebungen war als andere Sozialleistungen.
221
Doch erklärt das allein noch nicht die verändernde Wirkung
des RTB. Worauf ist der Erfolg des RTB also zurückzuführen? Hierfür gibt es eine Reihe stichhaltiger Gründe. Einige
davon sind der Maßnahme inhärent, andere eher allgemeiner Natur.
Der erste Punkt ist, dass das RTB immer sehr klare Ziele
verfolgte. Die Absicht dieser Maßnahme war immer leicht
verständlich und auch der Nutzen lag auf der Hand. Sie gereichte offenkundig dem Einzelnen zum Vorteil. Ein zweiter
wesentlicher Faktor ist, dass das RTB als politische Maßnahme nicht schon bald wieder abgeschafft wurde. Im Gegenteil: Es gelang ihm, schnell Fuß zu fassen und die gewünschte Wirkung zu erzielen. Das RTB verfügte über eine
enorme Triebkraft und wurde schnell Teil des wohnungspolitischen Arbeitsalltags. Nach den Parlamentswahlen im Jahr
1983 wurde schnell klar, dass es sich breiter politischer Unterstützung erfreute und nicht untergehen würde. Drittens
war es ebenso wichtig, dass mit der Maßnahme ein konkretes Ziel verfolgt wurde und die Zielgruppe dieses Gesetzes war groß genug, um eine echte Rolle zu spielen. Die
Anzahl berufstätiger Mieter von Sozialwohnungen, die ausreichend Kapital für einen Wohnungskauf angespart hatten,
die aber bereits in einer Wohnung lebten, die ihnen vertraut
war und in der sie sich wohl fühlten, war sehr hoch. Diese
Haushalte verfügten über ein ausreichend hohes, regelmäßiges Einkommen, das ihrem Wunsch nach einem Eigenheim den Rücken stärkte. Das RTB hatte dadurch einen
Vorteil gegenüber anderen politischen Maßnahmen z.B. zur
222
Förderung von Teileigentum (was bedeutet, dass ein Haushalt einen Prozentsatz der Immobilie kauft und für den anderen weiterhin Miete bezahlt), die nur einen Teilbereich umfassen, den Menschen nur eine geringe Auswahl bieten und
sich an diejenigen richten, die per definitionem nicht genug
Geld haben, um auf dem freien Markt eine Immobilie zu kaufen. Viertens handelte es sich um etwas, was sich sehr viele
Mieter wünschten.
Fünftens handelte es sich beim RTB um eine begrenzte politische Maßnahme, die sich nur an bestimmte Wohnungen
und Haushalte richtete und wenige Variablen aufwies, die
von der Regierung problemlos kontrolliert werden konnten.
Zudem konnten Widerstände gegen dieses Gesetz einfach
durch Regulierung und Anreize gelenkt werden (Malpass
und Murie 1999; Sillars 2007). Mit anderen Worten: Die Regierung hatte die Möglichkeit, die Maßnahme zu kontrollieren und sicherzustellen, dass sie Mietern und ihr selbst zum
Vorteil gereichte. Es handelte sich um eine Maßnahme, die
nicht ohne weiteres von bestimmten Branchen oder anderen Interessensgruppen für sich beansprucht werden konnte.
Sechstens: das RTB war eine rein proaktive politische Maßnahme, die bis ins Detail geplant werden konnte und daher
bei null anfing. Es ergab sich nicht als Reaktion auf bestimmte Ereignisse, Probleme oder Krisen. Die Regierung
konnte diese Politik ganz nach ihren Vorstellungen und ih-
223
rem Zeitplan gestalten und sie daher mit einer gewissen
Überzeugung umsetzen.
Die oben genannten Faktoren sind recht allgemeiner Natur
und beziehen sich nicht zwangsläufig auf die besonderen
Merkmale des Kaufs und Verkaufs von Sozialwohnungen.
Es gibt jedoch eine Reihe spezifischerer Gründe, weshalb
das RTB so gut funktionierte und als Vorbild für andere Politikbereiche herangezogen werden kann. Ein wichtiger
Punkt ist in dem Zusammenhang, dass sich das RTB eher
an Einzelne als an die Öffentlichkeit wendet. Es beruht auf
dem Eigeninteresse und nicht auf einem abstrakten Altruismus. Es knüpft an die tatsächlichen Hoffnungen und Sehnsüchte des Einzelnen an, Wohneigentum zu besitzen und
nicht an eher vage Begriffe wie Solidarität, die von uns ein
starkes Gefühl gegenüber uns unbekannten Dritten verlangt. Darüber hinaus ermutigt das RTB Haushalte dazu, die
ständige und kontinuierliche Kontrolle über ihre Ressourcen
zu behalten und bietet ihnen damit eine gewisse Planungssicherheit für die Zukunft und die Möglichkeit, ihr Vermögen
nach Belieben einzusetzen. Das RTB ist nicht bedarfsabhängig oder umstandsbedingt. Es verhilft Haushalten zu einer reellen und dauerhaften Veränderung. Und diese Veränderung, die ebenfalls für Sicherheit und Beständigkeit in den
Entscheidungen der Haushalte sorgt, rückgängig zu machen, zöge hohe politische und finanzielle Kosten nach sich.
Das RTB ist deshalb so wichtig, weil es das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Staat grundlegend und nach224
haltig verändert. Es setzt einer späteren staatlichen Intervention in den Haushalt Grenzen. Haushalte sind damit nicht
länger an eine bürokratische Intervention und Entscheidungen gebunden, die andere gemäß Prioritäten treffen, die
nicht die des Haushaltes sind. Das RTB besteht in einer Beihilfe, die jedoch auf einen anfänglichen Preisnachlass begrenzt ist und keine weitergehende Unterstützung bietet.
Diese Beihilfe hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die
Regierungsausgaben oder die Steuerlast der Einzelnen. Im
Gegenteil könnte man sogar sagen, dass es die Finanzlast
der Regierung durch eine Senkung der Staatsverschuldung
auf längere Sicht erleichtert. Das RTB hat so den deutlichen
Vorteil, dass die Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler im Gegensatz zur Leistung von Wohngeld begrenzt ist,
denn der Zugang eines Haushalts zu anderen Beihilfen wie
z.B. Wohngeld wird durch den Kauf eines Eigenheims versperrt7.
Das RTB zwingt die Menschen, für sich selbst und ihre
Nächsten zu sorgen und diese Verantwortung kann nicht
einfach auf den Staat zurückprojiziert werden. Nach
Schmidtz (1998) sollte die Politik ihre Anstrengungen darauf
verwenden, bei den Menschen ein eigenes Verantwortungsbewusstsein zu verinnerlichen, anstatt sie zu zwingen,
sich auf externe Kräfte wie den Staat zu verlassen. Schmidtz
7 Wohngeld steht ausschließlich Haushalten mit geringem Einkommen in
Mietverhältnissen zur Verfügung, nicht jedoch Besitzern selbstgenutzten
Wohneigentums.
225
stellt fest, dass Verantwortung „verinnerlicht wird, wenn die
Betreffenden selbst Verantwortung übernehmen: für ihr eigenes Wohlergehen, ihre Zukunft oder die Konsequenzen
ihres Handelns“ (S. 8). Er weist darauf hin, dass „Eigentumsrechte für Einrichtungen, die die Menschen dazu bringen,
selbst Verantwortung für ihr Wohlergehen zu übernehmen,
von herausragender Bedeutung sind“ (S. 22). Er geht sogar
so weit zu behaupten, dass der „Aufbau von Eigentum das
umfänglichste und erfolgreichste Experiment im Hinblick auf
eine Verinnerlichung von Verantwortung ist“ (S. 25). Einzelnen Eigentumsrechte zu verleihen schafft also mehr als alles
andere Verantwortungsbewusstsein.
Etwas kontroverser könnte man vielleicht sagen, dass das
RTB die Möglichkeit eröffnet, Immobilienvermögenswerte
zu recyceln und damit Einfluss auf die Wirtschaft im weiteren Sinne nimmt. Sozialwohnungen sind gewissermaßen
totes Vermögen, das nicht für die Aufnahme von Darlehen
herhalten kann und damit unzugängliches Kapital darstellt.
Über das RTB wird dieses Kapital für die Wirtschaft freigesetzt, indem es Wohnungen und Haushalte in den allgemeinen Wohnungsmarkt eingliedert, anstatt sie in einem Randbereich zu isolieren.
Einige der hier genannten Faktoren sind freilich von eher untergeordneter Bedeutung. Voraussetzung für das RTB waren ein vorhandener Wohnungsbestand und eine Reihe bereitwilliger Teilnehmer. Sein Erfolg ist jedoch mit Sicherheit
mehr als den bloßen Umständen geschuldet. Mit der poli226
tischen Maßnahme wurden nachhaltige und unumkehrbare
Veränderungen herbeigeführt, die den Beteiligten materiell
zum Vorteil gereichten. Aus diesem Grund nutzte es private
Interessen in deutlicher und leicht zu verstehender Weise
aus. Dabei kam es besonders darauf an, dass die betreffenden Haushalte infolge der politischen Maßnahme in der
Lage waren, ihre Wohnung in anderer Weise zu nutzen.
6. Schlussfolgerungen
Das RTB ist nicht nur ein erfolgreiches, sondern auch ein
besonderes Beispiel einer Privatisierung. Es umfasste den
Ausverkauf von Staatsvermögen, doch im Gegensatz zu anderen Privatisierungen in Großbritannien in den 1980er und
1990er Jahren handelte es sich dabei um eine direkte Übertragung der Vermögenskontrolle an Privatpersonen. Die Privatisierung öffentlicher Gas- und Elektrizitätsbetriebe sowie
der Eisenbahn setzte voraus, dass an die Stelle staatlicher
Einrichtungen private Einrichtungen traten, was jedoch nicht
zwangsläufig unmittelbare Folgen für den Einzelnen hatte.
Das RTB übergab die Kontrolle hingegen direkt an den Nutzer und übertrug diesem auch die Verantwortung für den
betreffenden Vermögenswert. Die Veränderung war somit
unmittelbar greifbar. Zudem handelte es sich dadurch, dass
die Regierung jegliche Einflussmöglichkeit auf den Vermögenswert verloren hatte, im Gegensatz zu privatisierten
Versorgungsbetrieben, bei denen die Aufsichtsbehörden
der Regierung nach wie vor Preise, Kapitalrendite und Bedingungen und die erbrachten Dienstleistungen festlegen
227
konnte, um eine dauerhafte Übertragung der Verantwortung. Das RTB kann damit als eine grundlegende Form der
Privatisierung betrachtet werden, mit welcher die Kontrolle
direkt an Einzelhaushalte übertragen wurde.
In den vergangenen Jahren hat das RTB an Bedeutung verloren und die Rezession des Jahres 2007 hat dazu geführt,
dass kaum noch Verkäufe auf Grundlage dieses Gesetzes
abgewickelt werden. Doch ist das RTB nach wie vor weit
davon entfernt, abgeschafft zu werden und man kann davon
ausgehen, dass es auch in Zukunft weiter Bestand haben
wird. Man könnte nun einwenden dass es heute nurmehr
eine symbolische Rolle spielt, doch verringert dies die
Macht, die es noch immer auf die politischen Entscheider
ausübt, in keiner Weise. Das RTB ist und bleibt ein starkes
Symbol für den Wunsch nach Wohneigentum.
Und auch wenn die Verkaufszahlen heute kaum mehr nennenswert sind, lässt sich die historische Bedeutung des
RTB, das 2,5 Millionen Haushalten und damit nahezu allen
Angehörigen der Arbeiterklasse die Möglichkeit eröffnet
hat, Wohneigentum zu erwerben und damit zum ersten Mal in
ihrem Leben zu spüren, was es bedeutet, Eigentümer zu sein,
nicht von der Hand weisen. Das RTB hatte dadurch eine enorme Wirkung auf die Wünsche und Ziele von Millionen von
Menschen und trug wesentlich zur Schaffung einer ganzen
neuen Generation bei, für die der Traum vom Eigenheim Wirklichkeit wurde.
228
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the sale of council houses’, Economic Affairs, Band 27, Nr.
1, S. 52-7.
Wilcox, S. (1999), Housing Finance Review, 1999/2000,
York: Joseph Rowntree Foundation.
Wilcox, S. (2008), UK Housing Review, 2007/2008, York:
Chartered Institute of Housing/Council for Mortgage Lenders.
231
Gijs Dröge
Der niederländische
Wohnungsmarkt: gegenseitige
Behinderung von
Miete und Eigentum1
1. Einleitung
Wohnen ist Politik
Der niederländische Wohnungsmarkt unterteilt sich in zwei
Hauptsegmente: den Mietmarkt (44%) und den Eigentumsmarkt (56%). Diese Teilung ist symbolisch für die Herangehensweise der Politik an beide Segmente: Menschen mit
geringeren Einkommen, Studenten und jüngere Menschen
werden vorrangig über den Mietmarkt bedient und dabei
stark finanziell unterstützt, um die Mietwohnungen für sie
erschwinglich zu machen, wohingegen Eigentümer (beginnend mit mittleren Gehältern) als Ausgleich für die progressive Einkommenssteuer von Steuerabzügen profitieren. Po1 Übersetzung aus dem Englischen von Tanja Felder.
232
litiker der linken Parteien interessieren sich eher für den
Mietmarkt, die der Parteien des rechten Spektrums fördern
Wohneigentum.
Diese Situation hat sich seit den 1960er und 1970er Jahren
nach und nach in dieser Form entwickelt, als Mietbeihilfen
für Privatpersonen eingeführt und durch die Möglichkeit,
Hypothekenzinsen von den Steuern abzuziehen, Anreize für
den Erwerb von Wohneigentum geschaffen wurden.
Die beiden Seiten des politischen Spektrums bremsen sich in
dieser Situation gegenseitig aus und hindern einander daran,
die Maßnahmen zu ergreifen, die für eine Marktöffnung nötig
sind. Die aktuelle Wirtschaftskrise zeigt, dass der niederländische Wohnungsmarkt einer Neuordnung bedarf, um als
Markt richtig funktionieren zu können. Die staatliche Einflussnahme lastet schwer auf allen Beteiligten, die regierenden
Sozialisten halten jedoch weiterhin große Stücke darauf. Der
Wohnungsmarkt sollte liberalisiert werden – zumindest nach
Meinung der niederländischen Liberalen (VDD), die in dieser
Legislaturperiode Teil der parlamentarischen Opposition sind.
Die Finanzkrise
Die Finanzkrise führte zu einem Stillstand auf dem niederländischen Wohnungsmarkt: Neubauprojekte werden verschoben, weil die Bauherren keine Käufer finden können,
Eigentümer können keine Käufer finden, weil keine Hypotheken vergeben werden. Die Banken zögern aufgrund der ver233
schärften Regeln (höchstens das Fünffache des persönlichen Jahreseinkommens des Darlehensnehmers),
Hypotheken zu gewähren und fürchten, dass die Immobilienpreise einbrechen und Darlehen zu einem Risiko werden
könnten.
Die niederländische Regierung hat zur Bekämpfung der Krise ein Paket geschnürt, das finanzielle Beihilfen für neue
Wohnungsbauprojekte (insbesondere Sozialwohnungen)
und Investitionen in Isolierungen und erneuerbare Energien
(Wind- und Solarenergie), höhere Darlehensbürgschaften
von bis zu 350.000 Euro sowie Hilfsprogramme für die Rettung und Umstrukturierung der am stärksten betroffenen Industriezweige der großen Städte vorsieht. Dies verlieh den
sozialen Wohnungsbaugesellschaften neuen Aufschwung,
der private Wohneigentumsmarkt leidet hingegen noch immer unter den Folgen der Krise. Die Eigenheimkäufe sind
auf 50% und weniger zurückgegangen. Unter den Liberalen
wurden Forderungen nach weiteren Maßnahmen insbesondere zur Unterstützung von Wohneigentümern laut. Die Regierung stimmte lediglich der steuerlichen Abzugsfähigkeit
von Zinszahlungen für Hypotheken in den Fällen zu, in denen
eine neue Immobilie gekauft, die alte jedoch noch nicht verkauft wurde und ein Käufer damit einer doppelten Belastung
ausgesetzt ist.
In der Zwischenzeit fallen die Immobilienpreise weiter um
durchschnittlich 10%, was an sich noch nicht besonders
problematisch ist. Die Anzahl der Zwangsversteigerungen
234
liegt bei unter 1%. Der Preisverfall um nahezu 50% in manchen Gegenden muss unter dem Blickwinkel der Preisentwicklung der vergangenen Jahre betrachtet werden. Sicher
ist die Anzahl der Angebote auch deshalb gesunken, weil
die Menschen mit dem Verkauf ihrer Immobilie warten, bis
der Preis stimmt und sie einen angemessenen Gewinn erzielen können. Dieses Verhalten sowie die Verknappung
neuer Immobilien sorgen dafür, dass die Preise auf ihrem
aktuellen Niveau verharren.
Es wird erwartet, dass es weitere zwei Jahre dauern wird,
bevor der Wohnungsmarkt in den Niederlanden wieder das
Niveau erreichen kann, auf dem er sich vor der Krise befand. Die derzeitige Regierungskoalition aus Christdemokraten (CDA) und Sozialdemokraten (PvdA) stellte von Beginn an bereits weit vor der Krise klar, dass sie keine
Umstrukturierung des Marktes anstrebt. Die Regierung ist
aufgrund der Krise gezwungen, scharfe Einschnitte in ihren
Haushalt vorzunehmen; die Ausgaben für das Wohnungswesen dürften einen Teil davon ausmachen. Eine Möglichkeit bestünde darin, die Steuerabzugsmöglichkeit auf Hypotheken bis zu einer Million Euro auszuweiten. Derzeit ist
noch unklar, welche Maßnahmen die Regierung tatsächlich
plant und kritische Kommentare aus Opposition und Gesellschaft sind an der Tagesordnung.
Vorausgesetzt, die aktuelle Regierung bleibt im Amt, werden die nächsten Wahlen 2011 über die Zukunft der Wohnungspolitik zu entscheiden haben.
235
2. Der Wohnungsmarkt: ein kurzer Blick zurück
Der Wohnungsbestand nach Bereichen
Die Niederlande sind ein dicht bevölkertes Land. Die Bevölkerungszahl von 11,4 Millionen Menschen im Jahr 1960 war
Anfang 2007 auf mehr als 16,3 Millionen Einwohner angestiegen. Die Anzahl der Haushalte ist in Relation dazu noch
sprunghafter in die Höhe gegangen: von drei auf knapp sieben Millionen innerhalb desselben Zeitraums. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte lag am 1. Januar 2007 bei
482 Menschen pro Quadratkilometer. Im städtisch geprägten Westen des Landes liegt diese Zahl bei knapp
1.000.
In den Niederlanden gibt es über 6,9 Millionen Wohnimmobilien. 80% davon wurden nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut. Dieser Wohnungsbestand kann in drei Bereiche unterteilt werden:
– Sozialwohnungen;
– Mietwohnungen;
– Eigentumswohnungen.
Zu den Sozialwohnungen zählen auch Wohnimmobilien im Eigentum von sozialen Wohnungsbaugesellschaften. Der Bereich der Mietwohnungen setzt sich zusammen aus Wohnimmobilien in Privatbesitz und Wohnimmobilien gewerblicher
Investoren (wie Pensionsfonds und Versicherungsgesell236
schaften). Der Wohneigentumssektor (Eigentumswohnungen) schließlich umfasst Immobilien, die den Menschen
gehören, die in ihnen wohnen.
Anteile der einzelnen Bereiche am niederländischen Wohnungsbestand
Bereiche
Eigentumswohnungen
Mietwohnungen
Sozialwohnungen
Gesamt (x 1.000)
1993
47%
15%
35%
6.044
1997
50%
13%
37%
6.366
2001
53%
11%
35%
6.649
2006
56%
10%
34%
6.913
Quelle: Ministerium für Wohnungswesen
Innerhalb des niederländischen Wohnungsbestandes ist insbesondere der Anteil der von ihren Eigentümern selbstgenutzten Wohnungen im Anstieg begriffen. Im Vergleich zu
den meisten anderen europäischen Ländern ist Wohneigentum in den Niederlanden jedoch nicht allzu stark verbreitet.
Die Vermieter von Sozialwohnungen spielen bei der Förderung von Wohneigentum durch den Bau von Eigentumswohnungen (7.200 im Jahr 2005) und durch den weitreichenden
Verkauf ihres eigenen Wohnungsbestands (durchschnittlich
19.000 jährlich zwischen 2001 und 2006) eine bedeutende
Rolle. Darüber hinaus wurde es Wohnungsbaugesellschaften
jüngst gestattet, Anfangsdarlehen zu vergeben, so dass die
Möglichkeit, ein Eigenheim zu erwerben nun auch für Familien
mit geringeren Einkommen in greifbare Nähe gerückt ist.
Steuervergünstigungen tragen ebenfalls stark zu den Wachs237
tumszahlen von Wohneigentum bei. Selbst nach einer grundlegenden Revision der Steuervorschriften im Jahr 2001 kann
in den Niederlanden (für selbstgenutztes Wohneigentum) der
Hypothekenzins über einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren
beinahe nahezu uneingeschränkt von der Einkommenssteuer
abgezogen werden. Steuerliche Vergünstigungen sind zum
Teil mit dafür verantwortlich, dass das Verhältnis zwischen
Angebot und Nachfrage auf dem niederländischen Wohnungsmarkt aus dem Gleichgewicht geraten ist und der Markt
damit für einige Zeit zusammenbrach.
Anstieg der Wohnungsnachfrage
Holland ist von einer starken Wohnungsbauaktivität geprägt.
Dennoch besteht weiterhin eine große Nachfrage nach
Wohnimmobilien. Hierfür können verschiedene Erklärungen
angeführt werden. Die niederländische Bevölkerung wächst
stetig, wenn auch etwas langsamer als früher. Die starke
Nachfrage hat jedoch unter anderem auch mit neuen Immigranten zu tun. In den vergangenen Jahren hat sich diese Situation etwas beruhigt, da die Regierung eine strenge Einwanderungspolitik verfolgt hat. Für das Jahr 2030 wird eine
Bevölkerung von 17,9 Millionen erwartet.
Mehr als alles andere kann der Wohnungsbedarf jedoch dem
Anstieg der Anzahl der Haushalte zugeschrieben werden.
Dieses Wachstum ist insbesondere auf die sinkende Anzahl
an Personen je Haushalt zurückzuführen, was wiederum mit
der veränderten Zusammensetzung von Haushalten zu tun
238
hat. Die Anzahl der Haushalte wächst unter anderem aus dem
Grund, dass die Menschen deutlich länger leben und länger
ein unabhängiges Leben führen können. Ein weiterer Grund
sind die hohen Scheidungs- und Trennungsraten.
Holland sieht sich einem Reife- und Alterungsprozess der Bevölkerung gegenüber, was bedeutet, dass die Anzahl junger
Menschen in den vergangenen Jahrzehnten gesunken ist und
es immer mehr ältere Menschen gibt.
Nach Angaben des Niederländischen Zentralamts für Statistik (CBS) wird die Anzahl der Ein-Personen-Haushalte bis
2010 auf 2,7 Millionen ansteigen. Dem stehen 2,4 Millionen
Haushalte, in denen zwei Personen leben, gegenüber. Daraus ergibt sich nicht nur, dass ein hoher Bedarf an Neubauwohnungen bestehen wird, sondern auch, dass genau geprüft werden muss, welche Art von Wohnungen für wen und
zu welchem Preis gebaut wird.
Entwicklung der Haushaltsanzahl
Jahr
1900
1930
1960
1680
2000
2006
2012
(Prognose)
Bevölkerung
(x 1.000)
5.104
7.832
11.417
14.091
15.848
16.357
Haushalte
(x 1.000)
1.113
1.958
3.171
5.006
6.824
7.146
Durchschnittl.
Personenanzahl
4,51
4,00
3,56
2,97
2,32
2,29
16.,497
7.450
2,21
Quelle: CBS
239
Momentan liegt die Zahl der Ein-Personen-Haushalte bei
2,6 Millionen. Für 2050 sehen die Prognosen 3,6 Millionen
Ein-Personen-Haushalte voraus, was auf einen geringeren
Nutzungsdurchschnitt (heute etwa 2,2 Personen je Haushalt), wachsenden Wohlstand und die Überalterung der Gesellschaft zurückzuführen ist.
Raumplanungspolitik
In den Sechzigerjahren unternahm die Regierung den Versuch, Bevölkerung und Beschäftigung über das Land zu verteilen. In den 1980er Jahren wurde in den so genannten Trabantenstädten wie Almere, Zoetermeer und Nieuwegein so
viel wie möglich gebaut. Der in den großen Städten im Westen des Landes (der so genannten „Randstad“) verfügbare
Raum reichte nicht aus, um der Wohnungsnachfrage gerecht zu werden. Aus diesem Grund wurden neue Städte
gebaut, bestehende Städte erweitert und Kleinstädte in
große Wohngebiete umstrukturiert. Kleinere Gemeinden erhielten nur die Genehmigung, in kleinerem Rahmen zu bauen, was für gewöhnlich nicht ausreichte, um mit dem natürlichen Bevölkerungswachstum Schritt zu halten.
Diese Politik der Trabantenstädte wurde beendet und zwar
vornehmlich deshalb, weil die Beschäftigung den Menschen
nicht in die neuen Wohngebieten folgte, was zu einem
starken Anstieg des Pendlerverkehrs auf den Straßen
führte.
240
Eine weitere nachteilige Folge war, dass Familien mit Kindern in diese Trabantenstädte zogen und in den übrigen
Städten nur Senioren, junge Menschen und Bewohner kostengünstigerer Wohnungen zurückblieben. Im Gegensatz
zu Großstädten wie London und Paris ist in niederländischen
Städten der Anteil an preisgünstigeren Wohnungen recht
hoch.
In den 1990er Jahren wurde im Zuge des Landschaftsschutzes einer Städtepolitik der Vorzug gegeben, die Neubauten soweit wie möglich innerhalb der größeren Städte
bzw. in deren Einzugsgebiet konzentrierte. Diese Standorte
erhöhten die Aufnahmekapazitäten der Städte insbesondere im Dienstleistungs- und Kulturbereich.
Menschen mit höheren Einkommen ziehen häufig aus Wohnungen mit niedrigerer Miete aus und eröffnen so Haushalten mit geringerem Einkommen die Möglichkeit, eine (finanziell) geeignete Wohnung zu finden. Das Grundsatzpapier
zur Raumordnung von 2005 gewährt kleineren Gemeinden
und Ortschaften das Recht, sich in ihren Baumaßnahmen
am eigenen Bevölkerungswachstum zu orientieren.
241
3. Aktuelle Politik und Beteiligte
Der Einflussnahme der Regierung im Einzelnen
Die Einflussnahme der Regierung auf den Wohnungsmarkt
hat eine lange Geschichte und es ist per definitionem sehr
viel einfacher, neue, ergänzende Vorschriften zu verabschieden als bestehende Vorschriften abzuschaffen. Die Anzahl
der Vorschriften neigt daher dazu, sich in jeder Legislaturperiode weiter zu erhöhen, was jedoch von der letzten Regierung ernsthaft zu ändern versucht wurde. Der Erfolg dieses
Vorhabens ist dem liberalen Minister Dekker zuzuschreiben.
Die gegenwärtige Regierung mit einem sozialistischen Minister hat nicht zuletzt in Anbetracht der aktuellen Krise und
der sozialen Schwierigkeiten in 40 Großstadtbezirken andere Prioritäten. Das Interesse der Politik für die Problematik
schrumpfender Städte und Ortschaften wächst.
Die Wohnungspolitik legte ihr Augenmerk in den vergangenen Jahren auf eine kontrollierte Planung, Anreize für
den Eigentumserwerb durch die Abzugsfähigkeit von der
Einkommenssteuer und Maßnahmen, mit denen angemessene Häuser auch für Menschen mit geringeren Einkommen
erschwinglich gemacht werden sollten. Das Ministerium war
in sozialistischer Hand, was sich in den Regelungen und
Vorschriften sowie der dem Sozialwesen beigemessenen
Priorität niederschlug.
242
Nachfolgend ein Überblick über die wichtigsten Maßnahmen:
1.Hypothekenzinsen für den Eigentumserwerb sind vorbehaltlich einiger Beschränkungen von der Einkommenssteuer abzugsfähig. Dieser Steuerabzug wird jedoch
gleichzeitig durch die Tatsache gemindert, dass ein bestimmter Prozentsatz des Häuserwertes auf das Einkommen aufzurechnen ist. Für Personen ohne Hypothek besteht die Möglichkeit, sich von dieser Steuer befreien zu
lassen. Die Steuerabzüge übersteigen insgesamt einen
Betrag von 10 Milliarden Euro und schlagen sich deutlich
im Staatshaushalt nieder.
2.Hauseigentümer bezahlen bei Kauf eines bestehenden
Hauses eine Transaktionssteuer in Höhe von 6%. Neubauten sind von dieser Steuer befreit, unterliegen jedoch
einer Mehrwertsteuer in Höhe von 19% auf die Gesamtkosten für den Bau des Hauses.
3.Hauseigentümer bezahlen eine örtliche Grundsteuer auf
den Gesamtwert ihres Hauses an die örtlichen Behörden. Diese Steuer wurde für Mieter vor einigen Jahren
abgeschafft.
4.Bauprojekte (vor allem für den sozialen Wohnungsmarkt),
die Sanierung von Altbauten sowie zusätzlich anfallende Infrastruktur- und Baukosten werden als Ausgleich für die
Grundstückskosten von der Regierung subventioniert. Die243
se Subventionen werden zwischen den örtlichen Behörden
für gewöhnlich im Rahmen von Verträgen mit sozialen
Wohnungsbaugesellschaften aufgeteilt und können je Haus
bis zu 20% der Grundstücks- und Baukosten erreichen.
5.Etwa einer von drei Miethaushalten erhält je nach persönlichem Einkommen und Mietkosten Sonderzuschüsse.
6.Renovierungsmaßnahmen mit ökologischem Hintergrund
wie bspw. Isolierungen zur Senkung der Energiekosten
und Anlagen zur Energieerzeugung aus erneuerbaren
Ressourcen (Wind, Solar) werden besonders bezuschusst.
7.Haushalte mit geringeren Einkommen können zur Förderung des Wohneigentumserwerbs von besonderen Konstruktionen und Zuschüssen profitieren: Bis zu
350.000 Euro können sich Hauseigentümer um eine Darlehensbürgschaft bewerben (durch die sich der Zinssatz
verringert), Haushalte mit geringeren Einkommen können
besondere Finanzierungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen (einkommensbasierte monatliche Zinszahlung, Gewinnaufteilung bei Verkauf des Hauses).
8.Die Entscheidung darüber, in welchen Gebieten neue Häuser gebaut werden dürfen, obliegt den örtlichen Behörden
und muss der Politik und den Richtlinien der Staatsregierung und der Provinzverwaltungen folgen. In der Praxis
sind diese Verfahren für gewöhnlich langwierig.
244
9.Die Regierung stellt hohe Anforderungen an die Errichtung neuer oder den Umbau bestehender Häuser. Für
Räume, Türen und Fenster gelten so beispielsweise bestimmte Abmessungen, für den Energieverbrauch bestimmte Kriterien (mit den Kraftstoffverbrauchsnachweisen für Autos vergleichbarer Energiepass).
10.Darüber unterliegen die Architektur, Entwürfe und Abmessungen neuer Häuser bestimmten Vorschriften der
örtlichen Behörden, die von diesen jedoch unterschiedlich streng gehandhabt werden.
Rolle des Privatsektors
Der Privatsektor spielt bei der Entwicklung und der Errichtung neuer Häuser eine wichtige Rolle, da ein Großteil der
Grundstücke sich in der Hand privater Unternehmen befindet. Seit den 1980er Jahren wurde der meiste Grund und
Boden, der für den Siedlungsbau verfügbar gemacht werden konnte, von Immobiliengesellschaften aufgekauft.
Diese Entwicklungsgesellschaften, bei denen es sich häufig
um Tochtergesellschaften großer Baukonzerne handelt, dominieren das Siedlungswesen heute. Der Grundbesitz verleiht diesen Gesellschaften die Sicherheit eines anhaltenden
Baustroms. Sie einigen sich mit den örtlichen Behörden darüber, was geplant und gebaut werden soll, sowie über
Preiskategorien, Stil und Architektur. Bisweilen kontrollieren
245
sie angesichts eines Mangels an Alternativen auch den lokalen Neubaumarkt.
Aufgrund dieser Verknappung sind die Grundstückspreise
gegenüber den Immobilienpreisen deutlich angestiegen, so
dass diese heute etwa ein Drittel der Gesamtkosten eines
Neubaus ausmachen. In manchen Gegenden beläuft sich
der Anteil der Grundstückskosten auf bis zu 50%. Die örtlichen Behörden, die Grundstücke verkaufen, profitieren dabei von den steigenden Preisen sowie nach dem Verkauf
von der örtlichen Grundsteuer, die auf dem Gesamtwert der
Immobilie beruht.
Das System, in dem Immobiliengesellschaften tätig sind, arbeitete in den vergangenen Jahrzehnten profitabel und
bricht nun aufgrund der Krise in sich zusammen. Es bedarf
daher einer neuen Herangehensweise an den Bau neuer
Häuser, durch die die Kosten (insbesondere für die Grundstücke) gesenkt und die Produktion zur Bekämpfung der
Neubauknappheit angeregt werden können. Die Umsetzung
eines solchen Wandels hin zu Grundstückspreisen, die im
Hinblick auf mehr Wettbewerb ausreichend niedrig sind,
wird ein weiteres Jahrzehnt in Anspruch nehmen. Ideale
Marktbedingungen zu schaffen wird immer schwierig sein,
da Grund und Boden in den Niederlanden aufgrund einer
Bevölkerungsdichte, die (insbesondere im Westen des
Landes) zu den höchsten weltweit zählt, besonders knapp
sind.
246
Der Anteil der pro Jahr neu gebauten Häuser liegt gerade
einmal bei 1% der Gesamtanzahl an Häusern in den Niederlanden. Die Regierung möchte diesen Prozentsatz gerne
steigern, sieht sich jedoch mit dem Problem konfrontiert,
dass Raumplanungsverfahren langwierig und die Subventionsmöglichkeiten aufgrund von Haushaltsbeschränkungen
begrenzt sind. Und sowohl Immobiliengesellschaften als
auch Grundbesitzer (bei denen es sich oft um örtliche Behörden handelt) profitieren im Grunde von einer solchen auf
die beschriebene Knappheit zurückzuführenden Preisentwicklung.
Soziale Wohnungsbaugesellschaften bauen ihre Position
auf dem Eigentumsmarkt durch den Verkauf ihres Mieteigentums und die Umsetzung von gemischten Eigentumsund Mietbauprojekten weiter aus, um dadurch die Kosten
vom Miet- auf den Eigentumssektor zu verlagern und die
Mietkosten innerhalb eines sozial verträglichen Rahmens zu
halten.
Verbesserte Verbraucherposition
Verbraucher nehmen beim Hauskauf die Dienste von Maklern in Anspruch und greifen daneben immer häufiger auch
auf Informationen aus dem Internet zurück. Die dafür zur
Verfügung stehenden Seiten stärken die Position der Verbraucher und bieten eine bessere Übersicht über die Marktsituation. Bei ausgeglichenen Marktbedingungen können
Verbraucher so stärker auf den Markt Einfluss nehmen. Bis
247
zum Beginn der Krise schränkte das knappe Angebot den
Handelsspielraum insbesondere der Haushalte mit niedrigeren Einkommen leider erheblich ein. Die Anzahl neu gebauter Häuser konnte die Nachfrage dabei nicht ausgleichen. Die Preise richteten sich damals (aufgrund der
niedrigen Zinssätze und der Steuerabzugsmöglichkeiten)
eher danach, was Käufer zahlen konnten, als nach dem tatsächlichen Immobilienwert. In manchen Jahren stiegen die
Preise für die schönsten Häuser infolge der hohen Nachfrage überdurchschnittlich an.
Aufgrund der Krise und einiger Regierungsmaßnahmen wie
den Beschränkungen bei der Vergabe von Hypotheken ist
der Markt insgesamt verbraucherfreundlicher geworden, da
diese nun ihre Wünsche äußern können und nicht darauf angewiesen sind zu akzeptieren, was ihnen der Markt bietet.
Bestehende Häuser stehen durchschnittlich mindestens
sechs Monate zum Verkauf, was dazu führt, dass sinkende
Preise und Sonderangebote (kostenloses Auto bei Kauf
eines Hauses) nicht mehr die Ausnahme, sondern vielmehr
die Regel sind. Um der Nachfrage von Erstkäufern auf dem
Häusermarkt (meist junge Paare) gerecht zu werden und
den Erwerb von Wohneigentum für Mieter von Sozialwohnungen attraktiver zu gestalten, werden günstigere Häuser
gebaut. Der durchschnittliche Baupreis für ein kleines Einfamilienhaus liegt so häufig bei nur 100.000 Euro oder weniger, wobei der Gesamtpreis vom Grundstückspreis bestimmt wird. Bei den aktuellen Zinssätzen ist es möglich, für
Hypothekenraten von nur wenigen Hundert Euro im Monat
248
Wohneigentum zu erwerben; ein Preis, der sich kaum mehr
von den üblichen Mietpreisen unterscheidet.
4. Schlussfolgerungen
Die liberale Position
2008 debattierte die VVD das Thema Wohnungspolitik und
verständigte sich auf eine neue Position. Zentraler Punkt dabei ist die Überzeugung, dass jeder Einwohner der Niederlande selbst entscheiden können sollte, wie und wo er leben
möchte. Jeder sollte auf Grundlage realistischer Preise und
ohne allzu starke Eingriffe durch die Regierung die Wahl zwischen Mietwohnung oder Eigenheim haben. Die Aufgabe
der Regierung sollte dabei nur in der Überwachung von Mindestqualitätsstandards bestehen. Der Markt muss von den
meisten bestehenden Vorschriften, insbesondere den häufig durch eine finanzielle Unterstützung der örtlichen Behörden und sozialen Wohnungsbaugesellschaften verschleierten Beihilfen für Sozialwohnungen befreit werden. Nur
diejenigen, die nicht in der Lage sind, sich einen grundlegenden Lebensstandard zu finanzieren, sollten von der Regierung unterstützt werden. Diese Personengruppe sollte
dabei 10% der Gesamtbevölkerung nicht übersteigen. Ein
Beispiel: Etwa 50% des Gesamtwohnungsbestandes in
Amsterdam sind Sozialwohnungen und werden damit in der
einen oder anderen Weise subventioniert.
249
Die VVD schlägt vor, die sechsprozentige Transaktionsabgabe abzuschaffen, da diese Steuer all diejenigen benachteiligt, die in die Nähe ihre Arbeitsstätte oder ihre Familie
ziehen oder aus anderen Gründen umziehen möchten. Zudem ist diese Steuer nach Meinung der VVD mit für die alltäglichen Verkehrsstaus verantwortlich und erhöht die Preise, da die Menschen diese Steuer im Falle eines Verkaufs
wieder hereinholen möchten. Um hinsichtlich des Vorschlags, die Transaktionsabgabe abzuschaffen, zu einem
politischen Konsens zu gelangen, muss zunächst eine Finanzierungsmöglichkeit im Staatshaushalt eröffnet werden,
was sich angesichts notwendiger Budgetkürzungen als nicht
ganz einfach erweisen dürfte.
Die steuerliche Abzugsfähigkeit von
Hypothekenzinsen – ein besonders sensibles Thema
Nach Auffassung der VVD sollte das System der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen Teil der Steuerpolitik, nicht der Wohnungspolitik sein. Es handelt sich dabei um ein politisch sensibles Thema, da die Politiker unter
den Wählern keine Angst und Unsicherheit hinsichtlich ihrer
finanziellen Zukunft schüren wollen. Der Steuerabzug von
bezahlten Zinsen ist Teil desselben Systems, in dem für
Sparanlagen erhaltene Zinserträge besteuert werden. Wenn
also bezahlte Zinsen nicht länger abzugsfähig sein sollen,
sollte auch die Besteuerung von Zinserträgen entfallen. Die
Frage ist, ob dies für das Finanzministerium eine attraktive
Alternative darstellt. Steuerabzüge sind auch ein Mittel, die
250
progressiven Besteuerungssätze im niederländischen Steuersystem und insbesondere die Zinsen, die auf höhere Einkommen erhoben werden, auszugleichen. Träfe die Regierung also die Entscheidung, das System der steuerlichen
Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen neu zu gestalten,
würde dadurch im Grunde das gesamte Steuersystem infrage gestellt.
Die auf dem nationalen Parteitag der VVD im vergangenen
Jahr verabschiedete Position gibt einen wichtigen Input für
das Parteiprogramm für die Wahlen 2011. Im Falle einer Regierungsbeteiligung der VVD erhielte sie damit die Möglichkeit, ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Im Falle der politischen Opposition ist eine kurzfristige Umsetzung der
liberalen Position hingegen eher unwahrscheinlich. Das beweist allein die Tatsache, dass es im vorigen Kabinett selbst
unter liberaler Führung nicht gelang, eine Liberalisierung des
Mietmarktes durch das Parlament zu bringen. Fest steht,
dass sich die Parteien des linken und des rechten Flügels
gegenseitig daran hindern, ihre Ideen und politischen Visionen umzusetzen. Die Unterschiede in den Auffassungen
sind zu grundlegend und die Gefahr einer Abstrafung durch
die Wähler zu groß. Die im vergangenen Jahrzehnt geführten
Debatten über den Wohnungsmarkt zeigen, wie schwierig
und offenbar nicht dringlich genug es bis heute ist, Kompromisse zu finden.
251
Breite Akzeptanz
In dieser Situation verfolgt die VVD die offizielle Linie, das
Steuerabzugssystem nicht zu debattieren, da dies nur zu
Unruhe unter den Eigenheimbesitzern führen und den Parteien des linken Flügels die Möglichkeit bieten würde, die
Realbesteuerung (Steuersatz abzüglich aller Abzüge) für höhere Einkommensstufen anzuheben. Eine Reihe wichtiger
Stellen wie der Rat des Ministeriums für Wohnungswesen,
der frühere Parlamentsbeirat und im Übrigen auch die OCDE
fordern eine Überprüfung des Steuerabzugssystems und
die Suche nach anderen Möglichkeiten der Einflussnahme
durch die Regierung auf den Markt.
Eine Veränderung des niederländischen Wohnungsmarktes
ist den meisten Berufsverbänden, Regierungsberatern und
Branchenvertretern zufolge unabdingbar. Auch verschiedene politische Parteien fordern einen Wechsel – mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Schlüssen. Bis es soweit
ist, könnten noch einige Jahre ins Land ziehen, doch fest
steht: Wenn der Markt weiterhin unter Ineffizienz und mangelnder Dynamik leidet, wird früher oder später politische
Einigkeit über die Notwendigkeit eines Wechsels herrschen.
Ziel des gewünschten Wandels sind weniger Unterschiede
im Umgang mit dem Miet- und dem Eigentumsmarkt, eine
geringere Einflussnahme der Regierung und eine höhere
Markteffizienz durch Wettbewerb, eine den Tatsachen entsprechende Preisbildung, eine schnelle Planung und ein
252
ausgeglichenes Verhältnis von Angebot und Nachfrage.
Gleichzeitig wird der Druck auf die Kosten der steuerlichen
Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen und Beihilfen für
das soziale Wohnungswesen steigen und die Lösungsfindung weiter erschweren und verkomplizieren. Ein neues
Steuersystem (Pauschalsteuer) könnte dem Wohnungsmarkt die so dringend notwendige Öffnung bringen. Die
VVD sollte in diesem Prozess eine führende Rolle übernehmen.
253
Über die Autoren
Dr. Reiner Braun, Diplom-Volkswirt, Mitglied des Vorstandes der empirica AG Forschung und Beratung (Berlin),
Studium der Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Osnabrück und Bonn, Promotion an der Universität zu Köln.
1994 bis 1998 war Reiner Braun Projektleiter bei der empirica GmbH, Bonn. Von 1999 bis 2003 war er als selbständiger Autor und Berater tätig, im Jahr 2003 wurde er in den
Vorstand der empirica AG Berlin berufen. Die Arbeitsschwerpunkte seiner Tätigkeit liegen im Bereich Wohnungsmärkte, Einkommens- und Vermögensanalysen sowie Altersvorsorge.
Gijs Dröge ist niederländischer Unternehmer im Bereich
Kommunikation, public affairs und soziale Verantwortung in
seinem Unternehmen „Public Green“. Seine Interessengebiete sind die Entwicklung des Immobilienmarktes, Bauwirtschaft und Finanzdienstleistungen. Gijs Dröge ist langjähriges Mitglied der niederländischen liberalen Partei VVD. Er
ist Mitglied des Ausschusses für Raumplanung und Wohnungswesen und veröffentlichte jüngst einen Artikel über
die liberale Sicht des Wohnungsmarktes im wissenschaftlichen Magazin der VVD.
Dr. Kerstin Funk ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Sie studierte Politikwissenschaften, Philosophie und
Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in Mün254
chen und promovierte an der Freien Universität Berlin. Im
Liberalen Institut der Stiftung für die Freiheit ist sie zuständig für die Stiftungsinitiative „umSteuern – Freiheit braucht
Mut!“
Dr. Peter King ist Lektor für Sozialphilosophie an der De
Montfort Universität in Großbritannien. Er ist der Autor von
13 Büchern und zahlreichen Artikeln über so unterschiedliche Themen wie Immobilienfinanzierung, Subventionen,
Bedarf, Auswahl und die Bedeutung von Immobilien. Sein
jüngstes Buch ist „Housing Policy Transformed: the Right to
Buy and the Desire to Own” (Reformierte Wohnungspolitik:
Das “Right to buy” und das Streben nach Besitz), das im
Januar 2010 von Policy Press veröffentlicht werden wird.
Arnold Kling ist Mitglied der “Financial Markets Working
Group” am Mercatus Centre der George Mason Universität
in Fairfax, Virginia. Er ist der Autor von „Not What they Had
in Mind: A History of Policies that Produced the Financial Crisis of 2008,“ (papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_
id=1474430). Seine aktuellen Bücher sind “Crisis of Abundance: Rethinking How We Pay for Health Care”,
herausgegegeben vom Cato Institut, “From Poverty to Prosperity: Intangible Assets, Hidden Liabilities and the Lasting
Triumph over Scarcity” (gemeinsam mit Nick Schulz) sowie
“Unchecked and Unbalanced: How the Discrepancy Between Knowledge and Power Caused the Financial and Threatens Democracy”,. Er schreibt außerdem für econlog
(econlib.org).
255
Prof. Dr. Ulrich van Suntum hat in Münster und Bochum
Ökonomie studiert. Er lebt mit seiner Familie in Nordkirchen
im Münsterland. Er war Generalsekretär des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung und lehrte an den Universitäten Bochum, Köln
und Witten-Herdecke. Seit 1995 ist er Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Münster. Dort leitet er
das Institut für Siedlungs-und Wohnungswesen und ist Gründer und Geschäftsführender Direktor des Centrums für angewandte Wirtschaftsforschung der Universität. In der Forschung beschäftigt er sich neben Regionalprognosen und
Wohnungspolitik auch mit Steuerfragen sowie mit Kapitalund Zinstheorie, zuletzt im Rahmen eines mehrmonatigen
Forschungsaufenthaltes an der Universität Cambridge
(2008).
Dr. rer. pol. Michael Voigtländer studierte Volkswirtschaftslehre in Münster und Köln und war von 2000 bis 2005 wissenschaftlicher Assistent am Wirtschaftspolitischen Seminar der Universität zu Köln, Lehrstuhl Prof. Dr. J. Eekhoff.
Seit Oktober 2005 ist er am Institut der deutschen Wirtschaft Köln tätig und seit Januar 2008 ist er Leiter der Forschungsstelle Immobilienökonomik innerhalb des Wissenschaftsbereichs Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik. Er ist
außerdem Dozent für Immobilienwirtschaft an der Bergischen Universität Wuppertal und an der Bauakademie Biberach.
256
Dr. Peter Westerheide ist stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs „Internationale Finanzmärkte und Finanzmanangement“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) in Mannheim. Er hat an der Universität
Witten-Herdecke Wirtschaftswissenschaften studiert. Nach
seinem Abschluss als Diplom-Ökonom im September 1994
war er zunächst für ein Jahr im Forschungsbereich Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement am ZEW tätig.
Von September 1995 bis Ende 1998 war er Assistent von
Prof. Dr. Ulrich van Suntum an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Dort promovierte er im Herbst 1998 mit einer Dissertation über Ziele und Wirkungsmöglichkeiten der
Vermögenspolitik im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft.
Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Immobilienmärkte und Immobilienfinanzierung, kapitalgedeckte
Alterssicherung sowie Vermögensbildung und Vermögenspolitik. Er koordiniert das Leibniz-Netzwerk Immobilien und
Kapitalmärkte (www.recapnet.org).
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Kerstin Funk (Hrsg.): Aspekte des Wohneigentums
Wohneigentum ist eine besondere Form des Eigentums. Zahlreiche Menschen
in Deutschland, aber auch in anderen europäischen und nichteuropäischen
Ländern streben nach dieser Form des Eigentums. Menschen, die Wohneigentum besitzen, sind – so heißt es – glücklicher. Sie haben ihr Kapital in
einer Immobilie angelegt: einem unbeweglichen Sachgut. Mit dieser Anlage
haben sie viel Freiheit erlangt, sie haben aber auch eine große Verantwortung für dieses Eigentum übernommen. Für die Stabilität der Gesellschaft
und der Demokratie ist Eigentum eine wichtige Voraussetzung. Denn die Verantwortung, die mit dem Gebrauch des individuellen Eigentums verbunden
ist, erzeugt die umfassende Anerkennung von rechtstaatlichen Regeln.
Mit Beiträgen von:
Reiner Braun
Gijs Dröge
Kerstin Funk
Peter King
Arnold Kling
Ulrich van Suntum
Michael Voigtländer
Peter Westerheide
Aspekte des Wohneigentums
Argumente der Freiheit 25
ISBN 978-3-920590-39-4
Kerstin Funk (Hrsg.)
liberal Verlag
Argumente der Freiheit, Band 25
Der vorliegende Sammelband beleuchtet verschiedene Aspekte des Wohneigentums. Er beschränkt sich dabei nicht nur auf die Situation in Deutschland, sondern schaut auch über den Tellerrand hinaus und stellt dar, wie die
Wohnungspolitik in anderen europäischen Ländern gestaltet ist.
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