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Erfahrungsbericht PJ-Tertial in der Chirurgie
am Tygerberg-Hospital der Universität Stellenbosch
von Dezember 2009 bis April 2010
von Julian Mehl
Vorbereitung / Planung:
Nachdem der Kontakt mit der medizinischen Fakultät der Universität Stellenbosch, im
speziellen mit der Koordinatorin Mariska April, hergestellt war, liefen die Formalien
prinzipiell komplikationslos. Jedoch bekommt man hier schon einen kleinen Vorgeschmack
auf die im Vergleich zur deutschen Mentalität eher etwas „trägere“ südafrikanische
Arbeitsweise. So kann es schon mal ein paar Wochen dauern, bis man eine Antwort auf seine
emails bekommt, bzw. bis die eingereichten Formulare bearbeitet werden. Im Großen und
Ganzen haben der Datenaustausch, sowie die Zusendung aller Unterlagen und das
Überweisen der Gebühren ganz gut funktioniert. Was man alles braucht, und wie das
Prozedere abläuft, steht eigentlich ganz gut erklärt im Infomaterial, das man gleich nach
Kontaktaufnahme zugeschickt bekommt. Man sollte jedoch nicht alles erst auf den letzten
Drücker organisieren. Vor allem die Beantragung das Visum (bzw. study permit) ist recht
aufwändig und benötigt einige Zeit, da hierfür unter Anderem ein polizeiliches
Führungszeugnis, ein hausärztliches Attest und eine aktueller Röntgen Thorax Befund
eingereicht werden muss (weitere Infos dazu unter
www.suedafrika.org/downloads/Studienerlaubnis.pdf ).
Klinik:
Obwohl das Tygerberg-Hospital das Lehrkrankenhaus der Universität Stellenbosch ist, so
liegt es nicht in dieser Kleinstadt, sondern befindet sich in Bellville, einem Stadtteil der
südafrikanischen Metropole Kapstadt, ca. 20 km östlich des Stadtzentrums. Das TygerbergHospital ist ein sehr großer Krankenhaus-Komplex, der mit seinen mehr als 10 Stockwerken
schon von weiten zu erkennen ist. Das Klinikgebäude hat schon einige Jahre hinter sich und
einige Stationen sind von den vielen Jahren etwas gezeichnet. Doch auch wenn hier und da
der Putz von den Wänden kommt, so machte die Klinik auf mich doch einen recht
hygienischen Eindruck, da man unter Anderem ständig Personal sieht, das die Böden reinigt
und desinfiziert. Zudem gibt es einige Abteilungen, die wie zum Beispiel die Radiologie
frisch renoviert wurden. Trotzdem muss man sich im Klaren darüber sein, dass man es hier
nicht mit europäischen Standards zu tun hat.
Auch wenn die Klinik im Prinzip mit höchstmoderner Technologie ausgestattet ist, so merkt
man doch, dass es im Vergleich zu europäischen Kliniken an einigen Ecken an finanziellen
und damit auch technologischen Mitteln fehlt. So müssen manche Patienten aufgrund des
Mangels an speziellen Gerätschaften auf spezielle Untersuchungen sehr lange warten oder
sogar komplett darauf verzichten.
Während die wohlhabenderen Südafrikaner in moderne Privatkliniken gehen, ist für die
ärmere Bevölkerung ein staatliches Krankenhaus wie das Tygerberg-Hospital die
Anlaufstation. Dadurch erklärt sich auch der Anteil von ca. 90-95% an Schwarzen und
Farbigen am Patientengut.
Trotz all dieser Unterschiede im Vergleich zu europäischen Standards hatte ich jedoch den
Eindruck, dass die ärztliche Versorgung und Kompetenz am Tygerberg-Hospital sehr gut ist
und im Vergleich zu Europa in Nichts nachsteht.
Tygerberg-Hospital
Campus:
Direkt neben dem Krankenhaus befindet sich der medizinische Campus der Universität
Stellenbosch. Der Campus ist komplett eingezäunt und nur über ein rund um die Uhr
bewachtes Haupttor, sowie von Seiten des Klinik-Gebäudes über Drehgitter (Durchgang nur
mit Studentenausweis möglich) zu erreichen. Ich hab mich dadurch immer sehr sicher, und da
das Campusgelände wirklich riesig ist auch nie wirklich eingesperrt gefühlt. Neben den
fakultären Gebäuden mit Labors, Hörsälen, administrativen Büros (u.a. von Mariska April)
etc. befinden sich auf dem Campus Studentenwohnheime der lokalen Studenten, ein
Studentenzentrum, eine Reihe von Rugby-, Fußball- und Tennisplätzen (die frei benutzt
werden können), sowie ein Swimming-Pool und die Unterkunft für die Internationalen
Studenten (International Student Lodge).
Im Studentenzentrum befindet sich eine Mensa, die immer abwechselnde Mittagsmenüs,
sowie den ganzen Tag weitere warme Snacks wie Sandwiches oder Burger anbietet.
Außerdem befindet sich in der Mensa ein kleiner Supermarkt, der die nötigsten Dinge
verkauft. Des Weiteren befinden sich im Studentenzentrum ein gut ausgestattetes
Fitnessstudio (im Vgl. zu Deutschland sehr günstige Mitgliedschaft), eine Sporthalle sowie
ein ATM (Bankautomat).
Zur Sicherheit, aber auch um für Ordnung zu sorgen wird das Campusgelände rund um die
Uhr, auch nachts, von Sicherheitspersonal kontrolliert.
Kleiner Tipp noch für die Anreise am ersten Tag: Das Tor zum Campus befindet sich nicht
auf dem Klinikgelände. Wenn man mit dem Auto bzw. Taxi vom Flughafen kommt, muss
man vor der Klinik der Hauptsrasse nach links folgen und bei der nächsten Möglichkeit rechts
abbiegen.
Studentenzentrum
Unterkunft:
Die meisten internationalen Studenten sind in der International Sudent Lodge untergebracht.
Diese befindet sich wie schon erwähnt direkt auf dem medizinischen Campus. In ihr wohnen
ca. 50-60 Studenten (als ich dort war, ca. 40% Deutsche, 40% Hölländer, 10% Engländer und
10% „Rest“). Die Lodge ist aufgeteilt in mehre „Units“ von ca. 6-8 Studenten, die sich
innerhalb ihrer Unit gemeinsam eine Küche und 2 Bäder teilen.
Es gibt Einzel- und Doppelzimmer. Die Zimmer sind sauber und mit dem wichtigsten
ausgestattet: Bett, Schrank, Schreibtisch, Regal, Wäschekorb. Einmal wöchentlich werden sie
durch das Putzpersonal komplett gereinigt (inklusive Handtuch- und Bettwäschenwechsel).
In den Küchen steht jedem Studenten ein eigenes abschließbares Essensfach und Platz im
Kühlschrank zur Verfügung. Ansonsten sind die Küchen neben einem Esstisch mit
elektrischen Herdplatten, Mikrowellen, Besteck und Geschirr ausgestattet. Sowohl die
Küchen als auch die Bäder werden vom Personal täglich gereinigt.
Vor der Lodge befinden sich im Freien zusätzliche Tische mit Sitzgelegenheiten und ein
großer Grill-Bereich.
Falls man keinen Platz in der International Student Lodge bekommen sollte (was eher selten
vorkommt), oder man dort nicht wohnen möchte, gibt es verschiedene Möglichkeiten für eine
Unterkunft. Zum einen gibt es auf dem Campus selber im Studentenzentrum noch weitere
Zimmer, die etwas größer und moderner, jedoch auch teurer sind. Zum Anderen gibt es
natürlich die Möglichkeit sich auf eigene Faust etwas zu suchen. Von anderen PJ-Studenten
habe ich erfahren, dass es in Kapstadt relativ viele Zimmer gibt, die regelmäßig an Studenten
untervermietet werden, und über diverse Internetportale zu finden sind.
International Student Lodge
Arbeit:
Ich habe meine kompletten 16 Wochen des chirurgischen Tertials im Department für GeneralSurgery verbracht, das sich in 5 Abteilungen untergliedert: Trauma-Surgery, Head-Neck-andBreast-Surgery, Abdominal-Surgery, Vascular-Surgery und Pediatric-Surgery. Bis auf HeadNeck-and-Breast bin ich durch alle Abteilungen rotiert (jeweils 4 Wochen). Die Rotationen
liefen im Prinzip bei allen internationalen Studenten ähnlich ab und werden durch das
Sekretariat des Chefarztes der General-Surgery festgelegt. Wenn möglich kommen die
Sekretärinnen auch speziellen Wünschen hinsichtlich des Rotationsplans entgegen.
Andere deutsche Studenten, die ebenfalls ihre chirurgischen Tertiale am Tygerberg-Hospital
verbracht haben, sind auch durch andere Departments, wie z.B. Plastic-Surgery oder NeuroSurgery, rotiert. Jedoch hatten sie dann zum Teil nur sehr kurze Rotationen von 2 Wochen.
Hinsichtlich der Einteilung für die unterschiedlichen Departments gibt man schon vor der
Ankunft in Südafrika im Anmeldeformular seine Präferenzen an. Auch diese Einteilung kann
jedoch falls möglich vor Ort auch kurzfristig geändert werden.
Als „Elective-Student“ ist man den lokalen Studenten, die sich im letzten Studienjahr
befinden („Student Interns“) prinzipiell genau gleich gestellt. Anfällige Stationsarbeiten und
Assistenzen im OP werden so unter allen Studenten aufgeteilt. Außerdem besucht man
zusammen dieselben Lehrveranstaltungen (Bedside-Teaching, Tutorials). Dies ist zumindest
der Fall während des Semesters. Haben die lokalen Studenten jedoch Ferien, so sind die
Elective-Students unter sich, was zum Teil zwar ein bisschen anstrengender, aber dafür (wie
z.B. in der Notaufnahme) auch umso interessanter sein kann, weil man mehr praktische Dinge
lernen kann.
Die Arbeit sah in allen 4 Abteilungen, die ich kennen gelernt habe sehr ähnlich aus. Jeden
Morgen wurde zunächst zusammen mit den Ober- und Assistenzärzten eine ausführliche
Visite gemacht. Diese war (zumindest während des lokalen Semesters) durch intensives
Teaching oft sehr lehrreich. Die meisten Ärzte waren eigentlich auch immer bereit, den
internationalen Studenten zu Liebe in Englisch zu reden. Nach der Visite stand die übliche
Stationsarbeit wie Blutabnehmen an. Dabei hatte jeder Student seine eigenen Patienten, für
die er verantwortlich war. War ein Patient für den OP vorgesehen, so wurde von den
zuständigen Studenten in der Regel auch erwartet, dass sie bei der Operation assistierten.
Ebenso war es die Aufgabe der Studenten, alle neuen Befunde (Röntgen, Labor etc.) in die
Patientenakte zu übertragen und sich morgens noch vor der Visite über den aktuellen
Gesundheitszustand des Patienten zu informieren und ihn anschließend bei der Visite
vorzustellen. Ab und zu wurde nachmittags noch eine zweite Visite gemacht, dann aber
kürzer. Meistens war man gegen frühen Nachmittag mit der Arbeit fertig und konnte gehen,
außer man war noch länger im OP beschäftigt oder man hatte Rufbereitschaft („on call“).
Im Schnitt hatte man einmal pro Woche Rufbereitschaft. In der Vascular-Surgery gingen die
Rufbereitschaftsdienste bis Abends. In der Abdominal-Surgery und in der Trauma-Surgery
gingen die Dienste 24 Stunden bis zum nächsten Morgen. Dafür konnte man am nächsten Tag
jedoch kompensieren und nach der Visite gehen. In der Pediatric-Surgery mussten die
Studenten keine Dienste machen. Im Prinzip wurde man nur gerufen um im OP zu assistieren,
was zum Teil allerdings schon mal eine Nacht in Anspruch nehmen konnte.
In der Vascular-Surgery und in der Pediatric-Surgery gab es einmal pro Woche Ambulanz, in
der man eigenständig Patienten untersuchte und anschließend den Ärzten vorstellte.
In der Abdominal-Surgery wurde man an dem Tag, an dem man Bereitschaftsdienst hatte, für
die Ambulanz eingeteilt.
In der Trauma Surgery verbrachte man seine Bereitschaftsdienste in der chirurgischen
Notaufnahme. Aufgrund des im Vergleich zu Deutschland doch sehr unterschiedlichen
chirurgischen Verletzungsspektrums (viele Stich- und Schussverletzungen) war das anfangs
etwas gewöhnungsbedürftig, jedoch auch unglaublich interessant und vor allem praktisch sehr
lehrreich. So hatte man unter Anderem die Möglichkeit sehr viel zu nähen und auch selbst
unter Anleitung Thoraxdrainagen zu legen.
Neben der eigentlichen Arbeit gab es fast täglich in der Früh ca. 45minütige chirurgische
Tutorials und einmal pro Woche nachmittags Bedside-Teaching mit dem Chefarzt.
Insgesamt kann man am Tygerberg-Hospital sehr viel lernen, da man viel eigenständig
arbeiten darf und auch das Teaching nicht zu kurz kommt. Jedoch hängt das alles auch sehr
vom eigenen Engagement ab, das man vor allem den Ärzten entgegenbringt. Je mehr Interesse
und Motivation man selber zeigt, desto mehr darf man auch machen, und desto eher sind die
Ärzte gewillt, einem etwas beizubringen.
Freizeit:
Kapstadt und Umgebung haben einen enormen Freizeitwert. Deshalb sollte man dies auch auf
alle Fälle ausnützen, wenn man dort hinkommt. Da der Campus genau zwischen dem
Stadtzentrum Kapstadts und Stellenbosch liegt, hat man einen idealen Ausgangspunkt für
Tages- oder Wochenendausflüge.
Seien es die berühmten Weinberge um die Städte Stellenbosch, Paarl und Franschhoek,
beliebte Badeorte wie Camps Bay, Llandudno oder Muizenberg, die Nationalparks um
Tafelberg und Kaphalbinsel oder das kapstädter Zentrum mit Waterfront und Long Street, all
diese Ziele sind innerhalb weniger Autominuten zu erreichen.
Zudem gibt es wohl kaum eine Aktivität, die man in näherer Umgebung nicht ausüben kann:
seien es Klettern, Sandboarden, Fallschirmspringen, Tauchen, Surfen, Kiteboarden, Shoppen,
Wine-tasting oder Strandausritte zu Pferd, um nur ein paar zu nennen.
Um diesen Freizeitwert nutzen zu können, ist jedoch ein Auto unbedingt notwendig.
Allerdings kann man sich vor Ort einen zuverlässigen Wagen schon ab ca. 10€ pro Tag
mieten. Da man in der Studenten-Lodge ohnehin viele Gleichgesinnte hat, schließt man sich
am besten zusammen und teilt sich zu zweit oder zu dritt die Kosten.
Fazit:
Insgesamt habe ich in Kapstadt ein absolut gelungenes PJ-Tertial verbracht. Aus
medizinischer Sicht kann man hier mit einem gewissen Maß an Engagement sehr viel
theoretisches und praktisches Wissen mitnehmen. Besonders beeindruckend fand ich auch die
Erkenntnis, wie leicht man fehlende finanzielle und apparative Mittel durch ärztliche
Kompetenz annähernd wettmachen kann.
Zudem haben mich die abwechslungsreiche Landschaft, die Freizeitmöglichkeiten aber auch
die südafrikanischen Menschen mit ihren unterschiedlichen Kulturen absolut beeindruckt.
Ein Tertial am Tygerberg-Hospital zu verbringen ist absolut empfehlenswert, und ich
wünsche Jedem, der dort hingehen sollte, eine genauso schöne Zeit, wie ich sie hatte.
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