MEDIZIN Therapie des Hallux valgus Nikolaus Wülker, Falk Mittag 3 Punkte cme ZUSAMMENFASSUNG Hintergrund: Der Hallux valgus ist mit einer Prävalenz von etwa 23–35 % die häufigste Vorfußdeformität und bereitet Beschwerden am Innenrand des Fußes, bei Belastung unter dem Fuß und an den kleinen Zehen. Die konservative Therapie zielt auf eine Minderung der Beschwerden. Eine dauerhafte Stellungskorrektur der großen Zehe ist damit nicht möglich. Die Operationsindikation kann gestellt werden, wenn regelmäßig Schmerzen auftreten. Aus einer großen Zahl von Operationsverfahren muss die richtige Technik ausgewählt werden. Methoden: Selektive Literaturrecherche unter Berücksichtigung nationaler und internationaler Empfehlungen sowie eigener Erfahrungen. Ergebnisse: Zur Therapie des Hallux valgus existieren zahlreiche klinische Studien oder Beobachtungsstudien, wobei diese nur selten randomisiert sind und meist kleine Fallzahlen aufweisen. Milde Deformitäten werden vorzugsweise durch eine distale Metatarsale-I-Osteotomie korrigiert, zum Beispiel die Chevron-Osteotomie. Bei schweren Deformitäten erfolgt die Korrektur durch einen Weichteileingriff am Großzehengrundgelenk und eine gleichzeitige Osteotomie an der Basis des Metatarsale I. Bei einer Arthrose und bei alten Patienten eignet sich die Resektionsarthroplastik, bei körperlich aktiven Patienten auch eine Arthrodese. Nach Korrekturen eines Hallux valgus kann der Fuß in aller Regel in einem flachen Verbandsschuh voll belastet werden. Mit den geeigneten Operationsverfahren ist bei etwa 85 % der Patienten ein sehr gutes und gutes Ergebnis, bei weiteren 10 % ein befriedigendes Ergebnis zu erzielen. Schlussfolgerung: Bei überwiegend guten klinischen Ergebnissen bedarf es dennoch randomisierter Studien mit großen Fallzahlen, um die Effizienz der Vielzahl an Operationsverfahren und Fixationstechniken zu überprüfen. ►Zitierweise Wülker N, Mittag F: The treatment of hallux valgus. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(49): 857−68. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0857 eine Deformität am Vorfuß ist so häufig wie der Hallux valgus. In einer aktuellen Übersichtsarbeit wird die globale Prävalenz mit bis zu 23 % bei 18bis 65-Jährigen und 35 % bei Älteren über 65 Jahren angegeben, wobei es naturgemäß schwierig ist, eine Grenze zwischen normaler und pathologischer Großzehenstellung zu ziehen (1). Warum der Hallux valgus entsteht, lässt sich im Einzelfall nur schwer klären: Oft kann unsachgemäßes Schuhwerk verantwortlich gemacht werden, manchmal spielt eine familiäre Disposition eine Rolle. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer, weil sie häufig enge Schuhe mit hohem Absatz tragen und oft flexiblere Weichteile haben (2). Auch wenn der Hallux valgus im mittleren und höheren Lebensalter besonders häufig ist, sind oft schon junge Patientinnen und Patienten betroffen, häufiger nur auf einer Seite, manchmal beidseits (1–3, e1–e3). Die Pathogenese des Hallux valgus ist komplex. Allgemein akzeptiert ist, dass es im Verlauf zu einer Dysbalance zwischen der extrinsischen und intrinsischen Fußmuskulatur sowie der Bandstrukturen kommt. Auch beim normalen Fuß sind die Streck- und Beugesehnen leicht nach lateral dezentriert. Dies wird jedoch durch andere Fußmuskeln und Bandstrukturen sowie die Konfiguration des Fußskeletts ausgeglichen, so dass insgesamt ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis besteht. Dieses Gleichgewicht reagiert empfindlich auf innere oder äußere Einflüsse (zum Beispiel Tragen von engen, hochhackigen und spitz zulaufenden Schuhen). Die notwendige Energie zur Aufrechterhaltung einer sich entwickelnden Deformität wird dabei immer kleiner. Schließlich kommt es zu einer kontrakten valgischen Fehlstellung der Großzehe mit Verbreiterung des Vorfußes (3–6, e3). Beschwerden bereitet der Hallux valgus insbesondere an drei Stellen. Im Vordergrund stehen Schmerzen am prominenten Ballen, also der druckschmerzhaften Vorwölbung medial am Metatarsale-I-Kopf. K Teilnahme nur im Internet möglich: aerzteblatt.de/cme Beschwerden Beschwerden bereitet ein Hallux valgus insbesondere am vorgewölbten Ballen am Fußinnenrand, bei Belastung unter dem Fuß und an den kleinen Zehen. Orthopädische Universitätsklinik Tübingen: Prof. Dr. med. Wülker, Dr. med. Mittag Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 49 | 7. Dezember 2012 857 MEDIZIN Diagnostik Abbildung 1: Hallux valgus mit einem Fußinnenrandwinkel von 20° und Druckbeschwerden am Ballen auf der Innenseite. Hier drückt der Schuh. Zusätzlich führt die Valgusstellung der großen Zehe regelmäßig dazu, dass die kleinen Zehen nicht mehr genug Platz haben. Sie weichen dann meist nach oben aus, was zum Druck gegen den Schuh und gegen die benachbarten Zehen führt und als Hammerzehe oder Krallenzehe bezeichnet wird. Schließlich ist die normale Funktion am Vorfuß wesentlich davon abhängig, dass die große Zehe beim Gehen gegen den Boden drückt. Da sie dies in einer Valgusstellung nicht mehr ausreichend kann, werden die Mittelfußköpfe II–IV mehr belastet. Die resultierenden Schmerzen werden als Transfermetatarsalgie bezeichnet. Lernziele Lernziele für den Leser des Beitrags sind ● die unterschiedlichen Varianten der Hallux-valgus-Deformität richtig einschätzen zu können ● die Möglichkeiten und Grenzen der konservativen, symptomatischen Therapie des Hallux valgus zu erlernen ● die Operationsindikation beim Hallux valgus stellen zu können ● unterschiedliche Operationsverfahren einschließlich der differenzierten Indikation zur Therapie des Hallux valgus kennen zu lernen. Röntgenbild Auf einem Röntgenbild im Stehen werden der Winkel zwischen Metatarsale I und Metatarsale II beurteilt, außerdem die Kongruenz am Großzehengrundgelenk und Anzeichen einer Arthrose. 858 Die Diagnose eines Hallux valgus wird gestellt, wenn der Patient barfuß steht. Die Abweichung der großen Zehe nach lateral ist offensichtlich (Abbildung 1). Zusätzlich kann der Winkel am Fußinnenrand mit Scheitel am Metatarsale-I-Kopf (Fußinnenrandwinkel) gemessen werden. Über 15° entspricht er nicht mehr der Norm, jedoch gibt es erhebliche interindividuelle Unterschiede (3). Die Valgusstellung der großen Zehe ist nicht die einzige Deformität. In aller Regel ist der Mittelfuß verbreitert, also aufgespreizt, was zusätzlich zur Prominenz des Ballens nach medial beiträgt. Außerdem ist die große Zehe häufig etwas gedreht, in Pronation, wobei der Nagel der großen Zehe dann nach medial zeigt. Bei der Untersuchung wird zusätzlich geklärt, ob die Deformität flexibel, also manuell zu korrigieren ist und ob die Beweglichkeit des Großzehengrundgelenkes schmerzhaft eingeschränkt ist, was auf eine Arthrose hindeutet. Weiterhin sollte die Stabilität des ersten Tarsometatarsalgelenkes geprüft werden. Ebenso ist eine Untersuchung der Fußwurzel und des Rückfußes erforderlich, um Begleitdeformitäten auszuschließen. Die Überprüfung der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität ist obligat. Ein Röntgenbild im dorsoplantaren Strahlengang unter Belastung des Fußes wird benötigt. Eine zusätzliche seitliche oder schräge Aufnahme ist weniger hilfreich, da sich die Knochen überlagern. Als Belastungsaufnahme kann sie jedoch Aufschluss über Kleinzehendeformitäten und Instabilitäten benachbarter Gelenke geben. Nur auf einer belasteten Aufnahme kann der Winkel zwischen dem Metatarsale I und II (Intermetatarsalwinkel) korrekt bestimmt werden. Auf dem Röntgenbild wird zusätzlich die Kongruenz des Grundgelenks beurteilt, also ob eine Subluxation vorliegt. Am Großzehengrundgelenk müssen eventuell bestehende Anzeichen einer Arthrose (Gelenkspaltverschmälerung, subchondrale Sklerosierung) gefunden werden. Konservative Therapie Die Stellung der großen Zehe lässt sich ohne Operation allenfalls beim wachsenden Skelett dauerhaft verbessern. In dieser Zeit können Nachtschienen verordnet werden, die die große Zehe nach medial zügeln. Nach Abschluss des Wachstums ist dies nicht mehr ausreichend möglich, so dass sich die konservative Therapie auf eine symptomatische Behandlung beschränkt. Druckbeschwerden am Ballen haben meist schon dazu geführt, dass die Patienten weiche und weitere Schuhe Konservative Therapie Durch Einlagen unter dem Vorfuß bei Belastungsschmerzen können Beschwerden gelindert werden. Eine permanente Stellungsverbesserung der großen Zehe ist nicht möglich. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 49 | 7. Dezember 2012 MEDIZIN TABELLE 1 Auswahl bekannter Operationsverfahren in der Hallux-valgus-Chirurgie Nr. Bezeichnung Prinzip Lokalisation Literatur Vorteile/Nachteile Kommentar 1 Akin Korrekturosteotomie Grundglied Akin (1925) (8), Arnold (2008) (e4), Chacon et al. (2012) (9) in Kombination mit anderen Techniken, Stabilität technisch schwierig Anwendung beim Hallux valgus interphalangeus 2 Arthrodese Grundgelenk Versteifung Metatarsophalangealgelenk Kumar et al. (2010) (10) dauerhafte Korrektur, Aufgabe der Beweglichkeit, Anschlussarthrosen Anwendung bei schweren Deformitäten und/oder Hallux rigidus 3 Basisosteotomie Korrekturosteotomie Metatarsale I proximal Mann (1992) (11), Wülker (2005) (12) in Kombination mit Weichteileingriff, Stabilität technisch schwierig, Implantat erforderlich, nicht bei Instabilität des Tarsometatarsalgelenks geeignet zur Korrektur schwerer Deformitäten 4 Chevron Korrekturosteotomie Metatarsale I distal Austin (1981) (13), Wülker (2005) (12) zuverlässige Technik, wenig Weichteiltrauma, Implantat erforderlich, nicht bei starken Deformitäten, Metatarsale-I-Kopf-Durchblutung vermindert Anwendung bei milden Deformitäten 5 Hohmann Korrekturosteotomie Metatarsale I distal Hohmann (1923) (14) wenig Stabilität mit Drähten oder Nähten, Metatarsale-I-Kopf-Durchblutung vermindert kaum noch gebräuchlich 6 Hueter Resektionsarthroplastik MetatarsaleI-Kopf Hueter (1871) (15), Mayo (1908) (e6) einfache Technik, fehlende Abstützung Metatarsale-I-Kopf, häufig Transfer-Metatarsalgie nicht mehr gebräuchlich 7 Keller-Brandes Resektionsarthroplastik Grundglied proximal Keller (1904) (16), Brandes (1929) (17) einfache Technik, Funktionsverlust des Hallux, häufig Transfer-Metatarsalgie Anwendung bei älteren und inaktiven Patienten 8 Kramer Korrekturosteotomie Metatarsale I distal Kramer (1990) (18) wenig Stabilität mit Drähten, Metatarsale-I-Kopf-Durchblutung vermindert kaum noch gebräuchlich 9 Lapidus Versteifung Tarsometatarsalgelenk Lapidus (1934) (19), Taylor et al. (2008) (20), Hyer et al. (2011) (e7) in Kombination mit Weichteileingriff, Implantat erforderlich, Aufgabe der Beweglichkeit, technisch schwierig, Gefahr von Pseudarthrosen Anwendung bei instabilem TMT-I-Gelenk oder Arthrose 10 McBride Weichteilbalancing mit Verlagerung der Adduktorensehne Metatarsophalangealgelenk McBride (1928) (21) häufige Rezidive, weil unzureichende Korrektur des Metatarsale I kaum noch gebräuchlich, wurde durch Weichteileingriff ersetzt 11 Scarf Korrekturosteotomie Metatarsale I diaphysär Patton et al. (1994) (e8), Weil (2000) (22), genauer Korrekturwinkel, Implantat erforderlich, ausgedehnte Weichteilpräparation geeignet zur Korrektur milder bis moderater Deformitäten 12 Weichteileingriff Weichteilbalancing Metatarsophalangealgelenk Mann (1992) (4) vollständige Weichteilkorrektur, zwei Hautschnitte erforderlich meist in Kombination mit Basisosteotomie Operationsverfahren Den Operationsverfahren liegen unterschiedliche Prinzipien zugrunde, wie beispielsweise Korrekturosteotomie, Resektionsarthroplastik oder Versteifung. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 49 | 7. Dezember 2012 Nachteile einiger Operationstechniken Ein Nachteil einiger Operationsmethoden ist die verminderte Durchblutung des Metatarsale-I-Kopfes. 859 MEDIZIN Abbildung 2: Operative Ansatzpunkte in der Hallux-valgusChirurgie. Die Nummerierung entspricht der ersten Spalte in Tabelle 1. 860 tragen, die dem Hallux ausreichend Platz lassen. Ringpolster und vergleichbare Zurichtungen tragen eher noch mehr auf und sind meist nicht erfolgreich. Lokal kann auch mit entzündungshemmenden Salben gearbeitet werden, systemisch mit nichtsteroidalen Antiphlogistika. Beschwerden an den kleinen Zehen kann mit Polstern und Zehenrichtern entgegengewirkt werden. Auch hier sind weite und weiche Schuhe hilfreich, wenn sie den kleinen Zehen ausreichend Platz lassen. Allerdings ist die Grenze zur Operation regelmäßig dann erreicht, wenn sich Hammerzehen oder Krallenzehen gebildet haben. Eine Metatarsalgie lässt sich nach Erfahrung der Autoren im Rahmen der symptomatischen Therapie gut mit Einlagen behandeln (7). Sie müssen eine Pelotte haben, die die Mittelfußknochen proximal zu den druckempfindlichen Köpfen nach oben drückt. Oft reicht es auch, wenn man mit den Patienten über Schuhwerk mit weicher Sohle und ohne übermäßigen Absatz (maximal 4 cm) spricht. Die Fehlstellung der großen Zehe selbst lässt sich naturgemäß mit Einlagen alleine nicht beheben. Studienlage Metatarsalgie Diese lässt sich nach Erfahrung der Autoren im Rahmen der symptomatischen Therapie gut mit Einlagen behandeln. Sie müssen eine Pelotte haben, die die Mittelfußknochen proximal zu den druckempfindlichen Köpfen nach oben drückt. Studienlage Prospektive randomisierte Studien zum Vergleich verschiedener Operationsverfahren beziehungsweise zur konservativen Therapie finden sich in der Literatur nur spärlich. Vier Studien verglichen Operationstechniken, alle ohne klares Ergebnis. Zur operativen Therapie des Hallux valgus sind über 150 Operationsverfahren beschrieben worden. Eine Auswahl bekannter Verfahren sind in Tabelle 1 und Abbildung 2 dargelegt. Prospektive randomisierte Studien zum Vergleich verschiedener Operationsverfahren beziehungsweise zur konservativen Therapie finden sich in der Literatur nur spärlich (Tabelle 2). Nur bei vier Studien (23, 29, 30, 31) in der gesamten verfügbaren Literatur wurden Operationstechniken verglichen, alle ohne klares Ergebnis. Hier zeigen sich die Grenzen der gegenwärtigen wissenschaftlichen Durchdringung, besonders bei speziellen, chirurgischen Fragestellungen. Ob zum Beispiel die Adduktorensehne durchtrennt werden muss, oder ob der Intermetatarsalwinkel zu korrigieren ist, muss anhand der jeweiligen Deformität entschieden werden. Diese Techniken zu randomisieren, ohne die jeweilige Deformität zu berücksichtigen, ist sehr problematisch. Hierzu wären angesichts der Vielgestaltigkeit der Deformitäten Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 49 | 7. Dezember 2012 MEDIZIN TABELLE 2 Randomisierte klinische Studien in der Hallux-valgus-Chirurgie Studie [Literatur] Untersuchung Klosok et al. (1993) [23] Chevron-Osteotomie versus Wilson-Osteotomie Resch et al. (1994) [24] Untersuchte Patienten (n) Ergebnis Bewertung 87 schnellerer Arbeitsbeginn bei der Chevron-Osteotomie, funktionelle Ergebnisse besser bei der Wilson-Osteotomie Nachuntersuchungszeit drei Jahre, Wilson-Osteotomie heute kaum noch gebräuchlich Chevron-Osteotomie mit versus ohne Adduktorentenotomie 84 Hallux-Korrektur 9,8°/7,5° mit/ohne Tenotomie, sonst keine Unterschiede begrenzte Relevanz, weil Kapsel nicht durchtrennt Connor et al. (1995) [25] Nachbehandlung nach Chevron-Osteotomie mit versus ohne kontinuierliche Bewegung 39 Beweglichkeit mit kontinuierlicher Bewegung besser Nachuntersuchungszeit nur 90 Tage, geringe Relevanz der Fragestellung Easley et al. (1996) [26] bogenförmige versus proximale ChevronOsteotomie 97 keine signifikanten Unterschiede bzgl. Korrektur, jedoch kürzere und zuverlässigere Heilung mit der proximalen ChevronOsteotomie Nachuntersuchungszeit nur zwei Jahre, unterschiedliche Fixationstechniken, begrenzte Relevanz der Fragestellung Calder et al. (1999) [27] Faden versus Schraubenfixation bei der Mitchell-Osteotomie 30 bessere Ergebnisse mit Schrauben überlegene Stabilität von Schrauben war zu erwarten, Mitchell-Osteotomie wenig gebräuchlich Torkki et al. (2003) [28] Operativ versus ein Jahr konservative Behandlung mit oder ohne Orthese 209 Operation ist konservativem Vorgehen nach einem Jahr überlegen, kein Unterschied nach zwei Jahren unklare Interpretation der Daten Faber et al. (2004) [29] Hohmann-Osteotomie versus Lapidus-Operation 101 kein signifikanter Unterschied, auch nicht bezüglich Hypermobilität 1. Tarsometatarsalgelenk keine schweren Deformitäten eingeschlossen, Nachuntersuchungszeit nur zwei Jahre Saro et al. (2007) [30] Lindgren versus Chevron-Osteotomie 100 keine signifikanten Unterschiede, beide Verfahren nur für milde Deformitäten geeignet lange Nachuntersuchungszeit von sechs Jahren; Vergleich von zwei sehr ähnlichen Techniken; Lindgren-Technik wenig gebräuchlich Deenik et al. (2008) [31] Scarf-Osteotomie versus Chevron-Osteotomie 136 keine signifikanten Unterschiede mit guten Vergleich von zwei sehr ähnlichen TechniErgebnissen in beiden Gruppen ken; Autoren empfehlen Chevron-Osteotomie, weil diese technisch einfacher ist. Tonbul et al. (2009) [32] Schraube versus K-Drähte zur Stabilisierung; bogenförmige, distale Metatarsale-Osteotomie 16 keine signifikanten Unterschiede mit guten Gruppengröße zu gering, Ergebnissen in beiden Gruppen geringe Relevanz der Fragestellung du Plessis et al. (2011) [33] Bewegungsübung versus Nachtschiene in der konservativen Hallux-valgus-Therapie 30 kein Unterschied zwischen den Gruppen Gruppengröße zu gering Pentikäinen et al. (2012) [34] Chevron-Osteotomie mit Fixation (resorbierbarer Stift) versus ohne Fixation, mit Gips versus elastische Bandage postoperativ 100 Verschiebung der Osteotomie 3,9 mm mit Fixation versus 3,1 mm ohne Fixation (statistisch signifikant), kein Unterschied bei postoperativer Behandlung Genauigkeit der Messmethode nicht dargestellt, gemessener Unterschied klinisch nicht relevant Operationstechniken Ob zum Beispiel die Adduktorensehne durchtrennt werden muss, oder ob der Intermetatarsalwinkel zu korrigieren ist, muss anhand der jeweiligen Deformität entschieden werden. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 49 | 7. Dezember 2012 Studien Alle randomisierten kontrollierten Studien hatten keine hinreichend großen Fallzahlen und einen zu geringen Nachbeoachtungszeitraum. 861 MEDIZIN GRAFIK Hallux valgus Grundgelenksarthrose keine Grundgelenksarthrose wenig aktiver Patient körperlich aktiver Patient Resektions-Arthroplastik Arthrodese Hallux valgus interphalangeus inkongruentes Grundgelenk kongruentes Grundgelenk Osteotomie proximale Phalanx distaler Weichteileingriff Chevron-Osteotomie Intermetatarsalwinkel < 10º < 10º 10º –15º > 15º ohne ggf. mit Basisosteotomie MT- I distaler Gelenkflächenwinkel < 10º > 10º ohne mit medialer Keilentnahme Klinikinterner Algorithmus der Autoren zur Einteilung des Hallux valgus mit geeigneten operativen Therapieverfahren. Der Algorithmus entspricht im Wesentlichen anderen Empfehlungen (36). Distale und proximale Umstellungsoperationen am Metatarsale I sowie die Arthrodese des Großzehengrundgelenkes können mit verschiedenen Osteotomien und Fixationstechniken realisiert werden. MT-I, Metarstasale I. sehr große Fallzahlen und daher multizentrische Kooperationen nötig. Daher beschäftigen sich prospektive, randomisierte Studien mit operationstechnischen Details oder mit Verfahren, die einander sehr ähneln. Die eigentliche Auswahl des Verfahrens über die gesamte Palette aller Hallux-valgus-Deformitäten wird daher wesentlich von der Erfahrung des Experten bestimmt. In der Cochrane Datensammlung wurden 2004 und 2009 insgesamt 21 randomisierte oder „quasi randomisierte“ klinische Studien von einer Gruppe von Podiatern in London ausgewertet, deren operationstechnischer Anteil im Wesentlichen den Studien in Tabel- Algorithmus Grundgelenk mit oder ohne Arthrose, kongruentes oder inkongruentes Grundgelenk, Patienten mit hoher oder geringer körperlicher Aktivität. 862 le 2 entspricht: „Die methodische Qualität der Studien war allgemein schlecht und die Gruppengröße war klein“. Zwischen konservativer Therapie und keiner Therapie ergab sich kein Unterschied. Empfehlungen zur Auswahl von Operationstechniken werden nicht gegeben. Studien zu Operationstechniken lieferten uneinheitliche Ergebnisse, keine Technik war der anderen überlegen. Bemerkenswert war, dass in einigen Studien 25–33 % der Patienten mit der Operation nicht zufrieden waren, obwohl die maßgeblichen Winkel verbessert waren. Kritisiert wurde die maximale Nachuntersuchungszeit von drei Jahren, gefordert wurden 20–30 Jahre (35). Von der Deutschen Assoziation für Fuß und Sprunggelenk (DAF), Sektion der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (DGOOC), existiert eine S1-Leitlinie „Hallux valgus“ (36). Anhand von Evidenzlevel-III- und IV-Studien wurde ein Algorithmus erstellt, der zwischen milden, moderaten und schweren Deformitäten unterscheidet und distale, diaphysäre und proximale Osteotomien sowie eine Arthrodese des ersten Tarsometatarsalgelenks als Therapien aufführt. Jedes Verfahren ist für alle Deformitäten anwendbar, nur bei milden Deformitäten nicht die proximale Osteotomie/ Arthrodese und für schwere Deformitäten nicht die distale Osteotomie. Eine Durchtrennung der Weichteile lateral zum Grundgelenk soll bei schweren Deformitäten gemacht werden, eine retrokapitale Korrekturosteotomie bei abgewinkelter Gelenkfläche, eine Resektionsarthroplastik bei geringer Mobilität und bei Arthrose des Grundgelenks eine Verkürzung des Metatarsale I, was nicht mit Literaturstellen begründet wird. Obwohl die Leitlinie also recht allgemein gefasst ist, werden hier Empfehlungen gegeben, die im Wesentlichen den Angaben in der vorliegenden Arbeit entsprechen. Ein Beispiel für andere Übersichtsarbeiten zum Thema wäre die Arbeit von Wanivenhaus et al. (37). Angesichts der Vielzahl der bekannten Operationsverfahren und dem meist geringen Evidenzgrad der veröffentlichten Untersuchungen ist es sehr schwierig, Therapieempfehlungen auf hohem Evidenzniveau zu geben. Die in dieser Übersicht dargestellten Operationsverfahren reflektieren die Vorgehensweise an der eigenen Klinik. Andere, hier nicht aufgeführte Verfahren, können in gleicher Weise geeignet sein, wobei sie die jeweilige Deformität zielgerichtet beseitigen müssen. Evidenzgrad Angesichts der Vielzahl der bekannten Operationsverfahren und dem meist geringen Evidenzgrad der veröffentlichten Untersuchungen ist es sehr schwierig, Therapieempfehlungen auf hohem Evidenzniveau zu geben. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 49 | 7. Dezember 2012 MEDIZIN Operationsindikation Kosmetische Operationen beim Hallux valgus sind nicht sinnvoll. Die Gefahr ist viel zu groß, dass ein beschwerdefreier Patient dann für Wochen und Monate nach dem Eingriff Schmerzen hat. Vielmehr müssen Beschwerden bestehen, die durch einen einfachen Wechsel des Schuhwerks oder durch andere, konservative Therapien nicht zu beheben sind. Außerdem müssen die Beschwerden regelmäßig auftreten und zu einer spürbaren Funktionsbeeinträchtigung des betroffenen Fußes führen. Dabei muss die große Zehe selbst nicht unbedingt schmerzhaft sein. Oft klagen Patienten mit einem Hallux valgus zunächst über Beschwerden an den kleinen Zehen, die vielleicht schon als Hammerzehen oder Krallenzehen nach oben getreten sind. Dann ist es nicht sinnvoll nur die Deformität der kleinen Zehen zu korrigieren. Vielmehr muss auch der Hallux valgus beseitigt werden. Die wesentliche Kontraindikation zur Operation ist eine arterielle Verschlusserkrankung (e10). Da der Hallux am Fuß ist, der vom Herz am weitesten entfernt ist, äußert sich die Minderdurchblutungen hier als erstes. Wenn die Fußpulse nicht eindeutig sind, muss eine Abklärung des Gefäßstatus erfolgen. Nur wenn sich hier eine ausreichende Perfusion erkennen lässt, kann operiert werden. Ein Diabetes, auch mit beginnender Polyneuropathie, ist noch keine Kontraindikation. Auch ein Hallux valgus bei einer chronischen Polyarthritis oder sonstigen rheumatischen Erkrankung ist keine Kontraindikation. Allerdings muss hier die Wahl des Operationsverfahrens entsprechend ausgerichtet sein. Operationstechnik Der Weichteilmantel am Fuß ist denkbar dünn, was die Wundheilung beeinträchtigt. Außerdem ist der Fuß am schlechtesten durchblutet, weil die Entfernung zum Herzen am größten ist. Schließlich ist die mechanische Belastung am Fuß von allen Körperabschnitten am höchsten. Wundheilungsstörungen am Fuß sind daher, anhängig vom Umfang der Operation und den Vorerkrankungen des Patienten, häufiger als an den meisten anderen Körperregionen. Angestrebt wird jedoch eine unkomplizierte Wundheilung bei über 99 % der Patienten, was den eigenen Erfahrungen entspricht. Bei Operationen am Hallux muss daher besonders schonend vorgegangen werden. Die Zeit der Blutleere muss so kurz wie möglich gehalten werden. Dies erreicht man am besten, indem man den Fuß nach der sterilen Abdeckung mit einer Gummibinde auswickelt. Der Schnitt muss direkt zum Operationstechnik nach Deformität Entscheidend für den Erfolg einer Operation ist die richtige Auswahl der Operationstechnik nach der jeweils vorliegenden Deformität. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 49 | 7. Dezember 2012 a b Abbildung 3: Röntgenaufnahme eines Fußes einer Patientin mit einer milden Deformität. a) Milde Deformität mit einem Intermetatarsalwinkel von 13°, einem kongruenten Grundgelenk und einer redressierbaren Fehlstellung. b) Korrektur durch die Chevron-Osteotomie, bei der der Metatarsale-I-Kopf um 5 mm nach lateral verschoben und die Kapsel auf der Medialseite des Großzehengrundgelenkes gerafft wurde. Ziel führen, ohne übermäßige Präparation von Weichteilen. Eine Blutstillung mit dem Elektrokauter sollte unterbleiben. An den Haken darf nicht übermäßig gezogen werden. Auf eine sorgfältige Kompression durch den postoperativen Verband ist Wert zu legen. Es dürfen nur trockene Verbände angelegt werden, um eine Mazeration der Hautränder zu verhindern. Die Wundfäden sollen bis zum 14. Tag nach der Operation verbleiben. Auch wenn eine funktionelle Nachbehandlung unter voller Belastung in aller Regel möglich ist, muss der Fuß hoch gelagert werden, um eine übermäßige Schwellung zu verhindern. Operationsverfahren Jeder Operateur muss etwa vier Verfahren beherrschen, um alle Varianten des Hallux valgus behandeln zu können. Dabei liegt der grundsätzliche Unterschied zwischen Operationen, die die normale Anatomie am Vorfuß wieder herstellen und daher insbesondere bei jüngeren Patienten in Betracht kommen, und Verfahren, bei denen das Gelenk geopfert wird (also reseziert oder versteift), was insbesondere bei älteren Patienten und bei einer Arthrose des Groß- Kontraindikation Die wesentliche Kontraindikation zur Operation ist eine arterielle Verschlusserkrankung. 863 MEDIZIN a b Abbildung 4: Röntgenaufnahme eines Patienten mit einer nicht redressierbaren Fehlstellung. a) Schwere Deformität mit einem Intermetatarsalwinkel von 19°, einem inkongruenten Gelenk und einer nicht redressierbaren Fehlstellung. b) Hier erfolgte die Korrektur durch einen distalen Weichteileingriff mit Entfächerung der Weichteile auf der lateralen Seite und Raffung der Weichteile medial zum Zehengrundgelenk. Zusätzlich Korrektur der Stellung des Metatarsale I durch eine Osteotomie an dessen Basis. zehengrundgelenks in Betracht kommt (12, 38, 39). Für die hier beschriebenen Operationsverfahren benötigt ein geübter Operateur etwa 30–45 Minuten. Einen Überblick zur Einteilung des Hallux valgus sowie gängige Operationsverfahren, welche in der Folge näher erläutert werden, gibt die Grafik. Milde Deformitäten Milde Deformitäten kommen überwiegend bei jungen Frauen vor (Abbildung 3a). Sie klagen vorwiegend über Druckbeschwerden am Ballen, der mäßig prominent ist. Die Deformität ist flexibel, das heißt der Hallux kann manuell ohne wesentlichen Widerstand in die korrekte Position gebracht werden. Außerdem ist der Mittelfuß nur wenig verbreitert, so dass der Intermetatarsalwinkel auf der Belastungsaufnahme kleiner als 15° ist. Die Beweglichkeit im Großzehengrundgelenk ist nicht eingeschränkt, eine Arthrose im Röntgenbild besteht nicht. Milde Deformitäten eigenen sich für distale Metatarsale-I-Osteotomien, zum Beispiel die Chevron-Osteotomie (Abbildung 3b). Sie ist seit 1962 bekannt, zunächst unter dem Namen Austin-Osteotomie (13). Mit diesem Verfahren wird der Metatarsale-I-Kopf mit einem V-förmigen Knochenschnitt Milde Deformitäten Bei milden Deformitäten eignen sich vorzugsweise Osteotomien distal am Metatarsale I, insbesondere die Chevron-Osteotomie. 864 durchtrennt und um ein Drittel bis die Hälfte nach lateral verschoben, wodurch der Intermetatarsalwinkel korrigiert wird. Zusätzlich werden medial am Metatarsale-I-Kopf die Exostose abgetragen und die Kapsel so gerafft, dass die große Zehe zum Abschluss der Operation sachgerecht steht. Eine Fixation mit kleinen Implantaten ist notwendig, weil es ansonsten zu einem Repositionsverlust kommen kann. Dabei reichen eine kostengünstige Kleinfragmentschraube oder ein Draht aus. Die Durchführung eines zusätzlichen lateralen Release bei inkongruentem Grundgelenk wird kontrovers diskutiert. Die Autoren führen dies im Rahmen der Chevron-Osteotomie nicht durch, weil es zum einen bei milden Deformitäten nicht nötig ist beziehungsweise bei schwereren Deformitäten auf andere Verfahren ausgewichen werden kann und zum anderen die Gefahr einer Minderdurchblutung des Metatarsale-IKopfes mit folgender Nekrose erhöht wird. Nach dem Eingriff muss die Zehe für sechs Wochen mit einem redressierenden Verband in der achsengerechten Position gehalten werden. In dieser Zeit ist ein flacher Verbandsschuh erforderlich, in dem der Fuß voll belastet werden kann. Schwere Deformitäten Schwere Deformitäten betreffen meist Menschen im mittleren und höheren Lebensalter, überwiegend Frauen (Abbildung 4a) (1). Die große Zehe kann nicht mehr vollständig manuell korrigiert werden und das Gelenk ist im Röntgenbild inkongruent, das heißt das Grundglied ist nach lateral auf dem Metatarsale-I-Kopf subluxiert. Der Mittelfuß ist deutlich verbreitert, was zur Prominenz des Ballens auf der Innenseite des Metatarsale-I-Kopfes beiträgt. Auf dem Röntgenbild unter Belastung liegt der Intermetatarsalwinkel bei 15° und mehr (3). In diesem Fall müssen die Weichteile auf der lateralen Seite des Großzehengrundgelenkes durchtrennt werden, was als laterales Release bezeichnet wird. Vorläufer vom Weichteileingriff sind schon lange bekannt und wurden insbesondere von McBride empfohlen (21). Die heute am weitesten verbreitete Technik wurde von Mann geprägt (11). Ein Intermetatarsalwinkel von 15° und mehr erfordert zusätzlich eine Korrekturosteotomie an der Basis des Metatarsale I, da hier das Korrekturpotenzial größer ist (Abbildung 4b). Zahlreiche unterschiedliche Techniken der Osteotomie wurden beschrieben. Grundsätzlich sind hier aufklappende Osteotomien einfacher, in die dann medial Knochen eingebracht wird, zum Beispiel von der resezierten Exostose. Gleichzeitig sind Osteotomien in zwei Ebenen stabiler als in einer Ebene, da dies die knöcherne Auflagefläche erhöht Schwere Deformitäten Schwere Deformitäten erfordern einen Weichteileingriff am Großzehengrundgelenk und in aller Regel eine Osteotomie an der Basis des Metatarsale I. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 49 | 7. Dezember 2012 MEDIZIN und die Gefahr einer Dislokation verringert wird. Die Osteotomie muss nach der Korrektur mit einem Implantat stabilisiert werden. Auch hier reicht eine kostengünstigere Spongiosaschraube. Aufwendige Implantate, zum Beispiel winkelstabile Platten, sind aus Sicht der Autoren nicht erforderlich. Beim Verschluss der Kapsel auf der medialen Seite des Metatarsophalangealgelenks muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Kapsel ausreichend angespannt wird, nachdem die Pseudoexostose knöchern reseziert wurde. Hallux valgus et rigidus Patienten mit einer Arthrose im Großzehengrundgelenk (Hallux rigidus) sind in der Regel älter. Bei genauer Betrachtung weisen die meisten Patienten ab einem Alter von 65 Jahren beim Hallux valgus bereits degenerative Veränderungen auf (Abbildung 5a). Hier sind rekonstruktive Verfahren nicht mehr sinnvoll, weil sich die Gelenkbeweglichkeit meist nicht ausreichend erholt und häufig Schmerzen verbleiben. Bei körperlich inaktiven Patienten greift man daher vorzugsweise auf ein sehr altes Operationsverfahren zurück: die Resektionsarthroplastik mit Entfernung der Basis des Grundglieds der großen Zehe (16, 17). Das Verfahren ist einfach und die Rehabilitationszeit kurz. Nach Erfahrung der Autoren sind die Patienten innerhalb von 4–6 Wochen wieder ohne spezielles Schuhwerk mobil. Nachteilig ist allerdings der fast vollständige Funktionsverlust der großen Zehe, die nicht mehr ausreichend beim Abrollen auf den Boden drückt. Häufige Folge sind Schmerzen unter den mittleren Mittelfußköpfen, was als Transfermetatarsalgie bezeichnet wird. Auch starke Deformitäten können korrigiert werden, wobei dann in der Regel gleichzeitig eine Osteotomie an der Basis des Metatarsale I erfolgen muss (Abbildung 6). Bei körperlich sehr aktiven Patienten kommt alternativ eine Versteifung (Arthrodese) des Gelenks in Betracht. Entgegen der häufigen Erwartung ist die Arthrodese eine Operation, die funktionelle Aspekte berücksichtigt, da die große Zehe im Anschluss als fester Hebel beim Abrollen auf den Boden kommt und die kleinen Mittelfußköpfe entlastet. So ist in der Regel auch eine alltagssportliche Belastung gut möglich. Ein Vorteil ist auch die endgültige Positionierung der großen Zehe. So kommt die Arthrodese insbesondere bei sehr ausgeprägten Deformitäten in Betracht. Dabei muss bei einem stark vergrößerten Intermetatarsalwinkel darauf geachtet werden, dass der Mittelfuß bei der Arthrodese komprimiert wird, um den Winkel zwischen Grundglied und Metatarsale I sachgerecht einzustellen. Die Fixation erfolgt vorzugsweise mit einer dorsal Arthrose Bei einer Arthrose des Großzehengrundgelenkes und bei sehr alten Patienten führen die Resektionsarthroplastik oder eine Arthrodese des Großzehengrundgelenks zu dem besten Ergebnis. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 49 | 7. Dezember 2012 a b Abbildung 5: Röntgenaufnahme eines Fußes mit Hallux valgus bei einem 68-jährigen Patienten. a) bei Arthrose des Großzehengrundgelenkes mit Verschmälerung des Gelenkspaltes b) operative Therapie durch eine Arthrodese mit anschließender, uneingeschränkter Belastbarkeit des Fußes im Verbandschuh mit einer steifen Sohle, der für sechs Wochen zu tragen ist. aufgebrachten Platte (Abbildung 5b). Dies entspricht zwar nicht strengen, biomechanischen Prinzipien, ist jedoch praktikabel und erfolgreich. Auch eine Zugschraube kann zusätzlich verwendet werden. Spezialfälle Selten gibt es speziellere Indikationen. Wenn bei Patienten das Endglied der großen Zehe nach lateral ausgebogen ist, muss (in der Regel zusätzlich zu den genannten Verfahren) eine Osteotomie des Grundglieds mit Entnahme eines medialbasigen Keils erfolgen (8). Eine winkelgenaue Korrektur ist so zwar nicht möglich, bei einer Basis des Keils von ein bis drei Millimetern reicht die Korrektur in der Regel jedoch aus. Zur Stabilisierung stehen sehr aufwendige Implantate (Klammern, Schrauben) zur Auswahl. Es reicht aber auch eine einfache und kostengünstige Fixation mit einem Faden, der durch Bohrlöcher geführt wird. Selten ist die Gelenkfläche am Metatarsale-I-Kopf nach lateral abgekippt, insbesondere wenn der Hallux valgus bereits während der Jugendzeit entstanden ist. Dann muss die Ausrichtung der Gelenkfläche durch Entnahme eines medialbasigen Keils bei der distalen Metatarsale-I-Osteotomie korrigiert werden. Hallux valgus et rigidus Hier sind rekonstruktive Verfahren nicht mehr sinnvoll, weil sich die Gelenkbeweglichkeit meist nicht ausreichend erholt und häufig Schmerzen verbleiben. 865 MEDIZIN trospektiven Untersuchungen mit einer Nachuntersuchungszeit von bis zu fünf Jahren zeigt bei allen Verfahren etwa 85 % zufriedene Patienten mit klinisch gutem Ergebnis, 10 % weniger zufriedene Patienten mit eingeschränktem Ergebnis und 5 % schlechte Ergebnisse. Dies entspricht den Erfahrungen der Autoren. Komplikationen bei rekonstruktiven Verfahren sind insbesondere Rezidive, manchmal infolge einer unzureichenden Korrektur bei der Operation, manchmal infolge der nicht präzise vorherzusagenden Weichteilheilung (40). Die Häufigkeit von Wundheilungsstörungen wird generell mit 2–4 % angegeben, wobei diese jedoch in der Erfahrung der Autoren geringer sein sollte. Pseudarthrosen und Kopfnekrosen des Metatarsale I sind selten (e11, e12). Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht. a b Abbildung 6: Röntgenaufnahmen des Fußes einer 75-jährigen Patientin a) Hallux valgus mit leichter Verschmälerung des Gelenkspaltes. Der Intermetatarsalwinkel beträgt 17°. b) Da in diesem Alter intraoperativ regelmäßig degenerative Veränderungen der Gelenkfläche zu finden sind, erfolgte die Korrektur durch eine Resektionsarthroplastik mit Basisosteotomie zur Korrektur des Intermetatarsalwinkels. Nachbehandlung Bei allen Vorfußeingriffen ist in der Klinik der Autoren die volle Belastung in einem Verbandsschuh, eine Art Halbschuh mit flacher und steifer Sohle, gestattet, der für sechs Wochen getragen wird. Aufgrund der Schwellneigung wird den Patienten empfohlen, den Fuß für zwei Wochen viel hoch zu lagern. Rekonstruktive Eingriffe müssen bis sechs Wochen nach der Operation mit redressierenden Verbänden gesichert werden, bis die Weichteile in der gewünschten Position verheilen. Diese werden vom Patienten täglich neu angelegt. Nach 8–12 Wochen sind die Patienten in der Regel wieder uneingeschränkt gehfähig. Eine Entfernung des eingebrachten Osteosynthesematerials kann ab sechs bis neun Monaten postoperativ durchgeführt werden. Falls es keine Beschwerden bereitet, wird es bei älteren Patienten auch belassen. Fazit Gut kontrollierte, prospektive Studien finden sich in der Literatur praktisch nicht, insbesondere kein Vergleich unterschiedlicher Therapieverfahren. Die große Zahl von re- Nachbehandlung Die Nachbehandlung ist in aller Regel sehr funktionell, meist mit voller Belastung in einem flachen Verbandsschuh. 866 Manuskriptdaten eingereicht: 30. 3. 2012, revidierte Fassung angenommen: 9. 10. 2012 LITERATUR 1. Nix S, Smith M, Vicenzino B: Prevalence of hallux valgus in the general population: a systematic review and metaanalysis. J Foot Ankle Res 2010; 3: 21. 2. 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A prospective, randomised study. J Bone Joint Surg Br 1999; 81: 621–4. Weitere Informationen zu cme 28. Torkki M, Malmivaara A, Seitsalo S, Hoikka V, Laippala P, Paavolainen P: Hallux valgus: immediate operation versus 1 year of waiting with or without orthoses: a randomized controlled trial of 209 patients. Acta Orthop Scand 2003; 74: 209–15. Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung zertifiziert. Die erworbenen Fortbildungspunkte können mit Hilfe der Einheitlichen Fortbildungsnummer (EFN) verwaltet werden. 29. Faber FW, Mulder PG, Verhaar JA: Role of first ray hypermobility in the outcome of the Hohmann and the Lapidus procedure. A prospective, randomized trial involving one hundred and one feet. J Bone Joint Surg Am 2004; 86-A(3): 486–95. Unter cme.aerzteblatt.de muss hierfür in der Rubrik „Persönliche Daten“ oder nach der Registrierung die EFN in das entsprechende Feld eingegeben werden und durch Bestätigen der Einverständniserklärung aktiviert werden. 30. Saro C, Andrén B, Wildemyr Z, Felländer-Tsai L: Outcome after distal metatarsal osteotomy for hallux valgus: a prospective randomized controlled trial of two methods. Foot Ankle Int 2007; 28: 778–87. Die 15-stellige EFN steht auf dem Fortbildungsausweis. 31. Deenik A, van Mameren H, de Visser E, de Waal Malefijt M, Draijer F, de Bie R: Equivalent correction in scarf and chevron osteotomy in moderate and severe hallux valgus: a randomized controlled trial. Foot Ankle Int 2008; 29: 1209–15. 32. Tonbul M, Baca E, Ada M, Ozbaydar MU, Yurdoðlu HC: Crescentic distal metatarsal osteotomy for the treatment of hallux valgus: a prospective, randomized, controlled study of two different fixation methods. Acta Orthop Traumatol Turc 2009; 43: 497–503. 33. du Plessis M, Zipfel B, Brantingham JW, et al.: Manual and manipulative therapy compared to night splint for symptomatic hallux abducto valgus: an exploratory randomised clinical trial. Foot (Edinb) 2011; 21: 71–8. 34. Pentikäinen IT, Ojala R, Ohtonen P, Piippo J, Leppilahti JI: Radiographic analysis of the impact of internal fixation and dressing choice of distal chevron osteotomy: randomized control trial. Foot Ankle Int 2012; 33: 420–3. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 49 | 7. Dezember 2012 Wichtiger Hinweis Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist ausschließlich über das Internet möglich: cme.aerzteblatt.de (Einsendeschluss ist der 18. 1. 2013). Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden. Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft 5/2013 an dieser Stelle veröffentlicht. Die cme-Einheit „Diagnostik und Intervention bei Rechenstörung“ (Heft 45/2012) kann noch bis zum 21. 12. 2012 bearbeitet werden. Für Heft 1–2/2013 ist das Thema „Herz und Sport“ vorgesehen. Lösungen zur cme-Einheit in Heft 41/2012: Schmidt-Chanasit J, et al.: Importierte Virusinfektionen: Was muss ein niedergelassener Arzt wissen? Lösungen: 1e, 2c, 3c, 4d, 5e, 6a, 7c, 8c, 9e, 10d 867 MEDIZIN Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung. Pro Frage ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort. Frage Nr. 1 Frage Nr. 6 Die Hallux-valgus-Deformität besteht überwiegend aus einer Abweichung der großen Zehe nach lateral. Zusätzlich gibt es jedoch noch weitere Abweichungen von der normalen Vorfußanatomie. Was ist eine dieser Abweichungen? a) eine Vorwölbung des Metatarsale-V-Kopfs nach medial b) eine Verkürzung der Achillessehne c) eine Pronationsstellung des gesamten Fußes d) eine Verbreiterung des Mittelfußes (Spreizfuß) e) ein zu kurzes Metatarsale IV Wodurch zeichnet sich eine milde Hallux-valgus-Deformität unter anderem aus? a) eine Bewegungseinschränkung im Großzehengrundgelenk b) eine gleichzeitig bestehende Krallenzehe c) eine flexible Deformität d) einen Intermetatarsalwinkel von über 15° e) eine Arthrose des Großzehengrundgelenkes im Röntgenbild Frage Nr. 2 Frage Nr. 7 Wenn die Indikation zur operativen Korrektur des Hallux valgus gestellt wird, muss zusätzlich zur klinischen Untersuchung eine weitere Diagnostik erfolgen. Was ist hier erforderlich? a) ein Röntgenbild im dorsoplantaren Strahlengang unter Belastung b) eine Kernspintomographie des Vorfußes c) eine Knochenszintigraphie d) eine seitliche Röntgenaufnahme des Vorfußes ohne Belastung e) eine Sonographie des Großzehengrundgelenkes Welcher Befund kann bei schweren Hallux-valgusDeformitäten unter anderem erhoben werden? a) eine Inkongruenz (Subluxation) des Großzehengrundgelenkes im Röntgenbild b) ein Intermetatarsalwinkel von unter 10° c) eine Osteoporose d) fehlende Fußpulse e) ein gleichzeitiger Senkfuß Frage Nr. 3 Wie kann eine dauerhafte Korrektur der Hallux-valgus-Deformität beim Erwachsenen mittels konservativer Therapie erreicht werden? a) Einlagen mit Pelotte b) weiche Schuhe c) Nachtschienen d) kann nicht erreicht werden e) Spreizfuß-Bandage Frage Nr. 8 Welches Operationsverfahren beim Hallux valgus eignet sich insbesondere beim älteren, inaktiven Menschen, wenn gleichzeitig eine schmerzhafte Arthrose des Großzehengrundgelenkes besteht? a) Chevron-Osteotomie b) distaler Weichteileingriff mit Basisosteotomie c) distale Metatarsale-I-Osteotomie d) Korrekturosteotomie des Grundglieds e) Resektionsarthroplastik Frage Nr. 4 Wann wird die Indikation zur operativen Korrektur eines Hallux valgus gestellt? a) wenn keine Schuhe mit hohem Absatz mehr getragen werden können b) die Beschwerden regelmäßig zu einer spürbaren Einschränkung im Alltag führen c) die Röntgenaufnahme einen Hallux-valgus-Winkel von mehr als 20° zeigt d) Nachtschienen die Stellung der großen Zehe nicht verbessern konnten e) auf der Kernspintomographie degenerative Veränderungen am Großzehengrundgelenk zu sehen sind Frage Nr. 9 Was sollte bei der allgemeinen Operationstechnik beim Hallux valgus beachtet werden? a) ausgiebige Blutstillung mit dem Elektrokauter b) lockerer Wundverband ohne Kompression c) möglichst geringe Präparation von Weichteilen d) Blutleere so lange wie möglich e) Fadenentfernung nach circa einer Woche Frage Nr. 5 Was ist am ehesten eine Kontraindikation zur operativen Korrektur eines Hallux valgus? a) eine periphere Durchblutungsstörung b) eine chronische Polyarthritis c) ein Diabetes mellitus d) ein beidseitiger Hallux valgus e) eine Arthrose des Großzehengrundgelenkes 868 Frage Nr. 10 Was ist ein Vorteil bei der Chevron-Osteotomie? a) vollständige Weichteilkorrektur b) Anwendung bei schweren Deformitäten möglich c) kein Implantat erforderlich d) wenig Weichteiltrauma e) gute Metatarsale-I-Kopf-Durchblutung Deutsches Ärzteblatt | Jg. 109 | Heft 49 | 7. Dezember 2012 MEDIZIN Therapie des Hallux valgus Nikolaus Wülker, Falk Mittag 3 Punkte cme eLITERATUR e1. Coughlin MJ: Etiology and treatment of the bunioette deformity. Instr Course Lect 1990; 39: 37–48. e2. Coughlin MJ: Roger A. Mann Award. Juveline hallux valgus: etiology and treatment. Foot Ankle Int 1995; 16: 682–97. e3. Coughlin MJ, Mann RA: The pathophysiology of the juveline bunion. Instr Course Lect 1987; 36: 123–36. e4. Arnold H: The Akin procedure as closing wedge osteotomy for the correction of a hallux valgus interphalangeus deformity. Oper Orthop Traumatol 2008; 20: 477–83. e5. Schnirring-Judge M: Technique and pearls in performing the first metatarsal phalangeal joint arthrodesis. Clin Podiatr Med Surg 2011; 28: 345–59. e6. Mayo CH: The surgical treatment of bunions. Minn Med J 1908; 326–31. e7. Hyer CF, Saxena A, Didomenico L: Lapidus arthrodesis. J Foot Ankle Surg 2011; 50: 784–5. e8. Patton GW; Zelichowski JE: Middiaphyseal osteotomies. 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