Neue Formen der Unternehmensfinanzierung

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Juli 2006
Neue Formen der
Unternehmensfinanzierung
Hintergrund, Instrumente und Beurteilung
Impressum
Autor: Stefan Hoffmann, Head Economic Analysis and Studies (SBVg)
Herausgeberin und Druck: Schweizerische Bankiervereinigung, Basel
© Schweizerische Bankiervereinigung 2006
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung
Hintergrund, Instrumente und Beurteilung
Stefan Hoffmann*
Inhaltsübersicht
Zusammenfassung
Kontext
3
4
1. Unternehmensfinanzierung vor neuen Herausforderungen
4
2. Wachsende Bedeutung der Kapitalmärkte
5
3. Erweiterte Risikotechniken der Banken
7
3.1 Beispiel Verbriefung von Forderungen (Asset Securitization)
7
3.2 Beispiel Absicherung von Ausfallrisiken durch Kreditderivate
9
4. Banken bewirtschaften Bilanzpositionen vermehrt aktiv
10
5. Wachsende Bedeutung institutioneller Investoren
10
Instrumente
12
6. Alternative Finanzierungsmöglichkeiten im Überblick
12
7. Beispiel Private Equity
13
7.1 Intermediäre
15
7.2 Emittenten
17
7.3 Investoren
17
7.4 Vermittlung von Private Equity durch Banken
18
8. Beispiel Mezzanine Finanzierung
19
8.1 Charakteristika und Erscheinungsformen
19
8.2 Wirtschaftliche Motive
20
8.3 Der Markt für Mezzanine-Finanzierungen
21
Beurteilung
22
9. Kein Ersatz bei fehlender Wirtschaftlichkeit
22
10. Hohe Anforderungen an Corporate Governance
23
11. Kurzfristige Orientierung von Finanzinvestoren?
24
12. Übermässige Verschuldung?
25
13. Sanierung einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer?
26
Fazit: Unternehmensfinanzierng wird mannigfaltiger
27
Zitierte Literatur
*
29
Head Economic Analysis and Studies. Schweizererische Bankiervereinigung, Basel.
[email protected]
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
2
Zusammenfassung
Von den 300'000 Unternehmen in der Schweiz sind nur knapp ein Promille börsenkotierte
Publikumsgesellschaften. Alle übrigen zählen zu den so genannten Kleinen und Mittleren
Unternehmen (KMUs). Die Finanzierung von KMUs beruht in der Schweiz traditionell auf
zwei Säulen: der Gewinnthesaurierung und der Kreditaufnahme bei den Banken. Für
manche KMUs besteht eine Hauptherausforderung in der knappen und für ein nachhaltiges Wachstum oft zu geringen Ausstattung mit Eigenkapital.
Die Bereitstellung von Eigenkapital gehört nicht zu den originären Aufgaben der Banken. Sie sind dazu schon aufgrund der bankengesetzlichen Risiko- und Sorgfaltspflichten
schlecht geeignet. Da eine Verbesserung der Eigenkapitalausstattung durch eine verstärkte Gewinnthesaurierung nur langfristig einen gangbaren Weg darstellt, bleiben vor
allem rasch wachsende KMUs oft auf zusätzliches externes Eigenkapital angewiesen.
In jüngerer Zeit hat sich die Finanzierungspalette für solche KMUs zunehmend erweitert. Insbesondere haben sich die Bedeutung der Beteiligungsfinanzierung (Private Equity) und Mezzanine-Finanzierungen verstärkt. Letzteres wird auch von Banken angeboten,
wohingegen Beteiligungsfinanzierung von den Banken üblicherweise nicht angeboten,
aber zum Teil an Dritte vermittelt wird (Kapitel 1).
Zum Kontext dieser Entwicklung zählt die stärkere Orientierung der Banken und Anleger
am Kapitalmarkt (Kapitel 2), die laufende Erweiterung der Techniken der Banken zur
Steuerung ihrer Risiken (Kapitel 3), insbesondere die Verbriefung von Forderungen und
der Einsatz von Kreditderivaten. Schliesslich nimmt die Nachfrage von Kapitalgebern
nach handelbaren Finanzinstrumenten zu (Kapitel 4). Dies gilt insbesondere für die institutionellen Anleger, deren Gewicht in den letzten Jahren noch weiter zugenommen hat
(Kapitel 5)
Private Equity steht für privates Beteiligungskapital, das von Privatanlegern direkt oder
indirekt zur Verfügung gestellt wird (im Unterschied zum Public Equity, welches an der
Börse aufgebrachtes Kapital darstellt). Private Equity (mit den Unterklassen Buyouts und
Venture Capital) hat bei institutionellen und privaten Investoren in den letzen Jahren grosse Beachtung gefunden (Kapitel 7).
Mezzanine steht für eine Finanzierungsform zwischen Eigen- und Fremdkapital; hierzu
gehören z.B. nachrangige Darlehen, stille, typische und atypische Beteiligungen, die Eigenkapitalcharakter besitzen, da sie im Falle einer Insolvenz erst nachrangig befriedigt
werden, steuerlich aber gleichwohl zum Fremdkapital zählen und dem Kapitalgeber i.d.R.
auch keine Mitspracherechte einräumen (Kapitel 8).
Diese Finanzierungsinstrumente offerieren keine Patentlösung; insbesondere können
sie einen abgelehnten oder gekürzten Kredit infolge ungenügender Bonität oder fehlenden
Sicherheiten nicht substituieren. Ihr Einsatz stellt auch oft höhere Anforderungen an die
Corporate Governance als manche KMUs es bislang gewöhnt waren. Für rasch wachsende und im Markt gut positionierte KMU können sie die traditionelle Finanzierung aber
sinnvoll ergänzen, indem sie den Finanzierungsspielraum erweitern (Kapitel 9-13).
Zielpublikum: Der Bericht richtet sich gleichermassen an Bankiers, KMU-Vertreter und
Wirtschaftspolitiker. Er vermittelt einen Überblick und dokumentiert die zum Teil disparaten Informationen über neue Wege und Formen der Unternehmensfinanzierung. Sodann
stellt er diese in einen internationalen und bankwirtschaftlichen Kontext. Der Bericht ist als
Hintergrundpapier konzipiert und vermittelt keine unmittelbaren Handlungsanweisungen.
Er will den Adressaten primär dabei helfen, das Thema für ihre je eigenen Zwecke rascher und vollständiger zu erschliessen.
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
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Kontext
1. Unternehmensfinanzierung vor neuen Herausforderungen
Die Finanzierung von Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU)1 beruht in der Schweiz
traditionell auf zwei Säulen: der Gewinnthesaurierung und der Kreditaufnahme bei den
Banken. KMU sind in der Regel in hohem Mass durch Bankkredite finanziert. Für manche
KMUs besteht eine Hauptherausforderung in der knappen und für ein nachhaltiges
Wachstum oft zu geringen Ausstattung mit Eigenkapital. Bankkredite können fehlende
oder zu knappe Eigenmittel nicht substituieren.
Die Bereitstellung von Eigenkapital gehört nicht zu den originären Aufgaben der Banken.
Sie sind dazu schon aufgrund der bankengesetzlichen Risiko- und Sorgfaltspflichten
schlecht geeignet. Da eine Verbesserung der Eigenkapitalausstattung durch eine verstärkte Gewinnthesaurierung nur langfristig einen gangbaren Weg darstellt und zudem
eine solide Wettbewerbsposition voraussetzt, bleiben vor allem rasch wachsende KMUs
oft auf zusätzliches externes Eigenkapital angewiesen.
Manche KMUs stehen deshalb vor der Herausforderung, alternative Formen der Fremdund Eigenfinanzierung zu evaluieren und auch verstärkt zu nutzen. Im ersten Teil des
Papiers wird zunächst das rasch ändernde Umfeld für Unternehmensfinanzierungen sowohl aus Sicht der Banken als auch der KMUs analysiert. Dabei werden kapitalmarktorientierte wie auch bankenorientierte Finanzierungsfazilitäten berücksichtigt. Sodann werden neue und/oder in jüngster Zeit stärker zum Einsatz gelangende Techniken der Banken beim eigenen Risikomanagement beleuchtet, soweit sie Einfluss auf die Kreditpolitik
haben können. Dazu zählt insbesondere der Trend zur verstärkten Verbriefung ausgewählter Forderungen sowie der wachsende Einsatz von Kreditderivaten zur Absicherung
von Ausfallrisiken. Auch wird auf die wachsende Bedeutung von institutionellen Anlegern
als potentielle Finanzierungsquelle auch von KMUs eingegangen. Schliesslich werden
zwei mögliche Finanzierungsquellen jenseits des klassischen Bankkredites eingehender
dargestellt: Die Beteiligungsfinanzierung (Private Equity) und Mezzanine-Finanzierungen.
Bei beiden können Banken in unterschiedlichen Funktionen beteiligt sein.
In Zukunft wird die Finanzierungslandschaft noch vielfältiger werden. Insbesondere
marktbasierte Finanzierungen werden längerfristig an Bedeutung gewinnen. Dieser Prozess wird dank der damit einhergehenden Anreize weitere Innovationen auslösen und
dadurch mit dazu beitragen, die Effizienz des Finanzsystems insgesamt zu verbessern
und insbesondere auch dessen Robustheit und Stabilität zu erhöhen.
1
KMUs werden in den meisten nationalen wie internationalen Statistiken aufgrund ihrer Beschäftigtenzahl definiert. In der Schweiz zählen Betriebe mit bis 249 Beschäftigten zu den KMUs: Die
Europäische Kommission verwendet den gleichen Schwellenwert, wobei zusätzlich und alternativ
auch Schwellenwerte für den Umsatz (<50 Mio. EUR) und die Bilanzsumme (< 43 Mio. EUR)
verwendet werden. In der Schweiz entfallen 99,7% der Betriebe auf KMUs; bei den Beschäftigten
sind es 66,8% (Quelle: BfS, Betriebszählung 2001).
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
4
2. Wachsende Bedeutung der Kapitalmärkte
Die Realität der Unternehmensfinanzierung, genauer der Aussenfinanzierung, kennt sowohl die Finanzierung durch Banken als auch jene mittels Kapitalmärkte. Auch in der
Schweiz stehen KMUs die Kotierung von Aktien und die Emission von Anleihen wegen
der hohen Schwellenwerte, die dazu erforderlich sind, meist nicht offen.2
In der Schweiz spielt der Aktienmarkt eine bedeutende Rolle. So ist etwa die Zahl der
börsenkotierten Unternehmungen im internationalen Vergleich relativ (d.h. pro Einwohner)
hoch; das Gleiche gilt für die Marktkapitalisierung des Aktienmarktes (in Prozenten des
BIP) sowie der Anzahl Börsengänge und das Volumen der Neuemissionen.3
Was den Anleihensmarkt betrifft, so zählt die Schweiz zu den weniger entwickelten Staaten. Das Marktvolumen inländischer Unternehmensanleihen beläuft sich relativ zum BIP
nur auf rund einen Drittel des Wertes in den USA und ist etwa gleich hoch wie in Deutschland. Dieser Umstand widerspiegelt sich auch im vergleichsweise geringen Anteil der verbrieften Verschuldung am BIP von lediglich 8% im Vergleich zu 22% in den USA oder
20% in Grossbritannien. In den USA sind vor allem zwei Faktoren für das hohe Gewicht
des Anleihensmarktes verantwortlich: 1. die Tatsache, dass dort Unternehmensübernahmen und -fusionen oft mittels Anleihen finanziert werden und 2. dass dort ein Markt für
hochverzinsliche Anleihen für junge, wachstumsstarke und/oder hoch verschuldete Unternehmen existiert, so genannte High Yield Bonds. Der Stellenwert der Kapitalmarktfinanzierung widerspiegelt sich schliesslich darin, dass in den USA und Grossbritannien weit
mehr nichtfinanzielle Unternehmen über ein Rating verfügen als in Deutschland oder der
Schweiz.4
Findet die Intermediation via Banken statt, so trägt der Einleger kein Gegenparteirisiko
(abgesehen von jenem der Bank natürlich), da die Bank ihre Kredite auf eigene Rechnung
und eigenes Risiko vergibt. Der Risikoausgleich findet innerhalb der Bank statt, wobei
diese ihre Risiken zu diversifizieren sucht (Gesetz der grossen Zahl) und (statistisch) erwartete Gegenparteirisiken in ihren Preisen bzw. Konditionen einkalkuliert. Demgegenüber trägt bei einer Intermediation am Kapitalmarkt der Investor (Aktionär bzw. Obligationengläubiger) Risiken entsprechend seinem Kapitalanteil. Die Preise und Renditen der
gehandelten Wertschriften reflektieren die im Markt zum jeweiligen Zeitpunkt bekannten
und analysierten Risiken und erwarteten Erträge. Bilanzierungs-, Rechnungslegungs- und
Publizitätsvorschriften bilden eine wichtige und notwendige Voraussetzung für die kontinuierliche Bewertung des Firmenwertes bzw. der Schuldnerqualität. Diese laufende Bewertung erfolgt nicht bankintern, sondern über Märkte bzw. Preise. Dieser Prozess wird unterstützt durch spezialisierte Agenten (Finanzanalysten, Rating-Agenturen). Die Diversifikation findet im Rahmen der Asset Allokation und der Titelselektion im Portefeuille des
Anlegers selbst statt. Bei Kreditintermediation werden die Markt- und Kundeninformationen durch die kreditgebende Bank internalisiert und als private, d.h. nicht öffentlich zugängliche Daten nur durch das eigene Management genutzt.
2
3
4
In der Schweiz werden Anleihen üblicherweise im Werte von 50 Mio. CHF und mehr ausgegeben. Kapital via Ausgabe von Aktien wurde in den letzten fünf Jahren im Umfang von durchschnittlich je 1.1 Mrd. CHF pro Emission aufgenommen.
Credit Suisse (2005): Systeme der Unternehmensfinanzierung; Economic Briefing vom 28. Juni
2005, S. 20ff.
In Deutschland haben beispielsweise nur 50 Unternehmen ein Rating von Standard & Poor’s,
während es in den USA und Grossbritannien deren 415 bzw. 151 sind. In der Schweiz sind es 18
Unternehmen; Credit Suisse (2005), S. 24.
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5
Stilisierte Typologie
Bankorientiertes
Finanzsystem
Kapitalmarktorientiertes
Finanzsystem
Finanzierung
Kreditbeziehung direkt zur eigenen
Bank.
Ausgabe von Aktien und Anleihen
durch Banken an Endschuldner vermittelt.
Liquiditätstransformation
Losgrössen- und Fristentransformation durch die Bank.
Losgrössen- und Fristentransformation durch Wertpapierstückelung und
Sekundärmarkt.
Transparenz
Transparenz gering. Nur Bank hat
Zugang zu privilegierten Informationen.
Offenlegungspflichten und Rechnungslegungsstandards: Information
öffentlich verfügbar.
Risikotransformation
Bank sorgt für Risikoausgleich.
Markt bzw. Anleger sorgen für Risikoausgleich.
Unternehmenskontrolle
Kontrollorientierung
lending).
Externe Kontrolle durch Marktbewertung der Aktien/Anleihen.
Shareholder Value
Aufsicht
Gläubiger- und Einlegerschutz.
Anlegerschutz und Funktionsschutz
der Effektenmärkte.
Allokation
Probleme asymmetrischer Information erfordert langfristige Beziehung.
Transparenz und Liquidität fördern
Wettbewerb und allokative Effizienz
Temporäre Fehlbewertung durch
Herdenverhalten möglich.
Stabilität
Versicherungsfunktion (Gesetz der
grossen Zahl) bei firmenspezifischen Schocks.
Bessere Reaktion auf systemische
Schocks.
Anpassungsfähigkeit
Vorteile in der Finanzierung bestehender Firmen und Technologien.
Verflechtung zwischen Bank und
Unternehmen kann Anpassungsfähigkeit vermindern.
Vorteile bei der Finanzierung neuer
Firmen und in Zeiten schnellen technologischen Wandels.
Wettbewerb wirkt als Entdeckungsverfahren und erhöht Anpassungsfähigkeit.
Funktionen
(Relationship
Beurteilung
Bis vor kurzem musste die skizzierte Unterscheidung zwischen bankorientierten und
marktorientierten Finanzsystemen aus der Sicht eines KMUs weitgehend akademisch
anmuten. KMUs hatten keinen oder kaum Zugang zu Kapitalmärkten und Börsen. Zur
Finanzierung ihrer Unternehmen blieben ihnen nebst der Erarbeitung von Gewinnen aus
eigener Geschäftstätigkeit und der Kapitalfreisetzung durch die Veräusserung von Vermögenswerten oft nur die Finanzierung durch Fremdkapital, in der Regel mittels Bankkrediten5, bzw. die Aufstockung des Eigenkapitals durch zusätzliche Einlagen bisheriger Teilhaber. Erst in jüngerer Zeit hat sich der Finanzierungshorizont auch für KMU langsam zu
erweitern begonnen, ohne indessen nur annähernd jene Dimensionen zu erreichen, welche heute einem Anleger bzw. Investor offen stehen.
Hinter dieser Entwicklung stehen verschiedene Treiber: Entwicklungen in den Banken
selbst, eine sich verändernde Investorengemeinde und nicht zuletzt die wandelnden Bedürfnisse von KMUs selbst. Alle drei Faktoren werden im Folgenden erläutert.
5
Ergänzt allenfalls durch Lieferantenkredite, Anzahlungen von Kunden und Leasing von Ausrüstungsgütern.
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6
3. Erweiterte Risikotechniken der Banken
Vor rund zehn Jahren begannen die Banken in der Schweiz die im Kreditgeschäft eingegangen Ausfallrisiken systematisch ex ante zu schätzen und in der Preissetzung ihrer
Kredite zu berücksichtigen. Damit verbunden war die Schaffung eines bankinternen Ratings für KMUs. Heute setzt sich der Kreditzins einer Bank im Wesentlichen zusammen
aus den Refinanzierungskosten der Bank (abhängig u.a. von der Laufzeit, der Art der
Verzinsung, der Zinsstruktur und den Rückzahlungsmodalitäten), den Betriebskosten, den
Kosten für die Unterlegung mit Eigenmitteln, der angestrebten Gewinnmarge und
schliesslich der Ausfallprämie. Letztere berechnet die Bank in Abhängigkeit von der Bonität des Kreditnehmers und vom Wert etwaiger Sicherheiten.6 Risikogewichtete Kreditzinsen sind heute verbreitete best practice und nach anfänglichen Schwierigkeiten mancher
KMUs, das neue Konzept richtig zu verstehen und einzuordnen, wird die dahinter wirkende Logik heute allgemein verstanden und akzeptiert. Inzwischen ist die Entwicklung aber
auch weiter fortgeschritten. Insbesondere grössere Banken haben weitere Techniken zur
Steuerung ihrer Bilanz- und Kreditrisiken entwickelt und angewendet. Dazu zählen insbesondere die Verbriefung von Forderungen sowie der Einsatz von Kreditderivaten zur Absicherung von Ausfallrisiken.
Die skizzierte Entwicklung wird unterstützt durch die im Gang befindliche internationale
Revision der Eigenkapitalvorschriften (Basel II). Die Neuregelung der Eigenkapitalvorschriften strebt insbesondere eine Verbesserung der Risikomessung und eine bessere
Übereinstimmung der Risikogewichte mit den zugrunde liegenden Ausfallrisiken einer
Bank an. Während Basel II eine höhere Systemstabilität und eine effizientere Kapitalunterlegung bei Banken anstrebt, zielt das risikoadjustierte Pricing auf eine nachhaltige Wertschöpfung der Banken ab. Beide Strömungen versuchen, durch den Einsatz einer sophistizierten Methodik die langfristige Überlebensfähigkeit des Finanzsektors sicherzustellen.7
3.1 Beispiel Verbriefung von Forderungen (Asset Securitization)8
Verbriefung oder Asset Securitization ist eine relativ neue, innovative Finanzierungstechnik, die in den USA ihren Anfang (Marktvolumen 3'500 Mia. USD) nahm und zunehmend
auch in Europa (Marktvolumen 132 Mia. USD) an Bedeutung gewinnt.
Asset-backed securities (ABS) sind heute weltweit das zweitgrösste Segment des Kapitalmarktes, übertroffen nur von Staatspapieren. Den grössten Anteil am ABS-Markt bilden
die sog. Mortgage-Backed Securities, durch Hypotheken gedeckte Wertpapiere. In den
USA sind rund 60% aller Hypothekarforderungen und 45% der übrigen Bankkreditforderungen verbrieft; für Europa fehlen Angaben, die Werte dürften aber deutlich tiefer liegen
– mit steigender Tendenz allerdings.
Der Prozess einer Verbriefung lässt sich vereinfacht wie folgt umschrieben: Zunächst bestimmt die Bank jene zinstragenden Forderungen in ihrer Bilanz, die sie verbriefen will.
6
Credit Suisse. Einblick in das Innenleben des Kreditgeschäfts. Economic Briefing Nr. 22, Zürich
2001.
7
Bichsel Robert, Jürg Blum (2005): Eigenkapitalregulierung für Banken: Bestandesaufnahme und
Ausblick. Schweizerische Nationalbank. Quartalsheft, 4, S. 42-51. Müller-Känel Oliver und Beat
M. Barthold (2004): Basel II bietet auch Chancen. Die Finanzierung von KMUs mit MezzanineKapital. Neue Züricher Zeitung, 23.09.2004 Nr. 222 Seite 31.
8
Für einen Überblick: Auckenthaler C.: Asset Securitisation: Verbriefung von Finanzaktiva. Unterlagen zu Vorlesung Banking: Finanzintermediation. Universität Zürich, Wintersemester 2005/06.
Kroll Markus, et al. Securitisation in der Schweiz. IFF Forum für Steuerrecht (FStR) IFF Forum
für Steuerrecht 2002.
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7
Zur Verbriefung geeignet sind grundsätzlich alle Forderungen, die sich hinsichtlich Qualität und weiteren Merkmalen zu homogenen Portfolios bündeln lassen. In der Praxis sind
dies v.a. Hypothekardarlehen (private und kommerzielle), Kreditkartenforderungen, Forderungen aus Autofinanzierungen, Handelsforderungen und Leasing-Forderungen. Die
Bank fasst dazu die ausgewählten Forderungen zusammen und gliedert diese aus der
Bilanz aus, indem sie diese an eine eigens zu diesem Zweck gegründete, selbständige
Zweckgesellschaft verkauft.
Die Zweckgesellschaft finanziert den Kauf der Forderungen durch die Ausgabe eigener
Wertpapiere, so genannten Asset-Backed Securities (durch Aktiven gedeckte Wertpapiere), die wiederum am Kapitalmarkt platziert werden. Die laufenden Erträge aus den erworbenen Forderungen dienen dazu, Kapital und Zinsen auf die platzierten Wertpapiere
zu bezahlen. Die Bonität der Zweckgesellschaft ist dabei für Käufer der Wertpapiere nicht
relevant, da sich die Qualität der Wertpapiere allein auf die Ertragskraft und Werthaltigkeit
der zugrunde liegenden Forderungen stützt.
Für eine Bank kann die Verbriefung eines Teils ihrer Forderungen attraktiv sein, weil sie
durch den Aktiventausch in den Besitz von Liquidität kommt. Auch entlastet sie ihre Bilanz, indem nicht nur die verkauften Forderungen aus der Bilanz „verschwinden“, sondern
auch die in den Forderungen enthaltenen Ausfallrisiken. Damit verbunden ist auch eine
Entlastung bei den Eigenmittelanforderungen.
Die Verbriefung von Forderungen ist in der Schweiz ein relativ neues Phänomen. 1998
hat der damalige Schweizerische Bankverein erstmals Festhypotheken im Wert von CHF
250 Millionen verbrieft. Heute stellen Hypothekarverbriefungen nur einen sehr kleinen Teil
des gesamten schweizerischen Marktes dar, da lediglich im Jahre 2001 eine weitere
Transaktion folgte9. Die UBS lancierte im Jahr 2000 als erste Schweizer Bank eine synthetische Securitisation, mit welcher sie einen Teil des Verlustrisikos eines Portefeuilles
von CHF 2,5 Milliarden, das Kredite für Schweizer KMUs enthielt, verbriefte. Es handelte
sich dabei um die erste Transaktion im inländischen CHF-Kapitalmarkt, bei der nicht die
Kredite selbst, sondern lediglich die Ausfallrisiken an den Kapitalmarkt transferiert und
durch die Emission festverzinslicher Obligationen handelbar gemacht wurden. Die Motivation der UBS war eine doppelte: Einerseits bot sie für Anleger erstmals die Möglichkeit, in
Kreditrisiken schweizerischer KMUs zu investieren und damit ihr Portfolio zu diversifizieren. Andererseits diente die Transaktion der UBS selbst dazu, ihr wirtschaftliches Eigenkapital sowie das Risiko/Rendite-Profil ihres Kreditportfolios zu optimieren. Keinen Einfluss hatte die Transaktion auf das Kundenverhältnis, da alle Kredite bei der UBS verblieben und nur das Risiko transferiert wurde. Auch blieb die UBS für die Bewirtschaftung der
Kredite und die Kundenbetreuung verantwortlich.
Die Bank kann im Prozess der Verbriefung verschiedene Rollen übernehmen: Sie kann
selbst Initiator sein, wenn sie eigene Hypothekar- oder andere Forderungen zur Verbriefung bringt. Sie kann aber auch als Käuferin (Investor) von neu verbrieften Forderungen
Dritter auftreten. Weitere Rollen einer Bank können sein: Trustee, Händler, Underwriter
u.s.w. Insbesondere im Firmenkundengeschäft kann die Bank als Beraterin auftreten.
Kurz, trotz der im Prinzip mit der Verbriefung von Forderungen verbundenen Desintermediation gibt es für eine Bank dadurch auch neue Daseinsberechtigungen.
Die Bank selbst kann aus der Verbriefung eigener Forderungen ebenfalls Nutzen für sich
ziehen: Sie setzt durch die Veräusserung ihrer unterlegungspflichtigen Forderungen Eigenmittel frei, welche sie für neue Geschäfte einsetzen kann. Verbriefung macht sodann
vormals weitgehend illiquide Kreditpositionen, welche die Bank i.d.R. bis zum Ende der
Laufzeit in ihren Büchern hielt, liquide und handelbar. Dies wiederum ermöglicht eine akti9
Durch die Pfandbriefzentrale der schweizerischen Kantonalbanken, welche Festhypotheken der
Zürcher Kantonalbank im Gegenwert von 355 Millionen Euro verbriefte.
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vere Risikobewirtschaftung des Kreditportfolios. Die Verbriefung von Forderungen einer
Bank in der Schweiz erfordert jeweils das Einverständnis der Bankkunden.
3.2 Beispiel Absicherung von Ausfallrisiken durch Kreditderivate
Eine der bedeutendsten Finanzmarktentwicklungen der letzten Jahre war das Aufkommen
neuer Wertpapiere für die Übertragung von Kreditrisiken, sog. Kreditderivate. Insbesondere das exponentielle Wachstum des Credit Default Swap (CDS) ist für den Wandel vor
allem des internationalen Kreditgeschäftes von zentraler Bedeutung.
Der weltweite Markt für Kreditderivate ist allein in der zweiten Jahreshälfte 2005 um 39%
auf 17,3 Billionen USD gewachsen; über das ganze Jahr hat sich der Markt verdoppelt.10
Schon im Jahr 2004 verzeichnete der Markt ein Wachstum von 123%. Damit ist der Markt
für Kreditderivate unter den Derivatmärkten der am schnellsten wachsende Markt. Dominiert wird der Markt für Kreditderivate von Credit Default Swaps.
Das geschätzte Volumen von Kreditderivaten auf Schweizer Kreditrisiken betrug im Jahr
2004 rund 50 Mia. CHF. Dieses Volumen bezieht sich auf rund ein Dutzend Titel bonitätsmässig erstklassiger Unternehmen für die ein relativ liquider Markt existiert. Der
Schweizer Anteil am Weltmarkt ist somit gering. Auch als Handelsplatz spielt die Schweiz
keine bedeutende Rolle. Zwei Drittel der weltweit gehandelten Kreditderivate werden in
London verbucht.11
Die drei wichtigsten Produktgruppen im Markt für Kreditderivate sind Total Rate of Return
Credit Swaps, Credit Spread Derivate und Credit Default Swaps. Credit Linked Notes nehmen eine Sonderstellung ein, da sie eine Verknüpfung von klassischen Wertschriften und
Kreditderivaten darstellen.
Der Credit Default Swap (CDS) ist das wichtigste Instrument aus der Familie von Kreditderivaten. Ein CDS beruht auf einer bilateralen, zeitlich begrenzten Vereinbarung, die die
Übertragung von definierten Kreditrisiken (Einzel- oder auch Portfoliorisiken) von einem
Vertragspartner zum anderen regelt. Der Verkäufer des CDS erhält vom Käufer eine auf
den Nominalbetrag berechnete periodische Prämie für die Übernahme des Kreditrisikos.
Diese Prämie richtet sich nach der Qualität des zugrunde liegenden Referenzschuldners.
Solange kein Kreditereignis (Credit Events) stattfindet, muss der CDS-Verkäufer keine
Leistung erbringen. Credit Events können sein: Konkurs, nicht erfolgte Zahlung bei Fälligkeit, Verzug, Zahlungsverweigerung, Moratorium u.ä. Bei Eintritt eines Kreditereignisses,
zahlt der Verkäufer den Nennwert. Der Käufer hat das Recht, ein in der Vereinbarung
qualifiziertes Asset des Referenzschuldners anzudienen. Die Prämienzahlungen des Käufers werden ab diesem Zeitpunkt eingestellt.
In jüngerer Zeit hat sich der Markt insbesondere durch die Einführung von BenchmarkIndizes für Spreads auf Einzeladressen weiterentwickelt. An diese Indizes gebundene
Kontrakte werden mittlerweile weithin gehandelt, während eine solche Marktaktivität bei
Wertpapieren auf der Basis herkömmlicher Unternehmensanleiheindizes noch nicht erreicht ist. Zusätzlich dienen diese Benchmark-Indizes als Basis für standardisierte Derivate, insbesondere CDS-Indextranchen.
Strukturierte Kreditinstrumente haben dem Finanzsystem viele Vorteile gebracht. Kreditderivate sind in der Verwaltung von Obligationenportfolios zu einem unverzichtbaren Bestandteil geworden. Sie ermöglichen die Trennung des Kreditrisikos von der zu Grunde
10
International Swaps and Derivatives Association (ISDA): Year-End 2005 Market Survey, published March 15, 2006. Die Angaben basieren auf einer Umfrage bei 98 Firmen und berücksichtigen auch Transaktionen, die nicht über die Börse laufen.
11
Bank for International Settlements :75th Annual Report (for the financial year which began on 1
April 2004 and ended on 31 March 2005); Basel, June 2005.
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liegenden Kreditbeziehung und damit den separaten Handel dieses Risikos. Dadurch
verbessern sich für Investoren die Möglichkeiten, ihre Anlagen zu diversifizieren und Positionen in spezifischen Arten von Kreditrisiken einzugehen. Die Einführung strukturierter
Kreditinstrumente bedeutet, dass die verschiedenen Asset-Qualitäten innerhalb einer
Portfolios aktiv gehandelt werden können. Insbesondere lassen sich mit CDO-Tranchen
auch Kreditrisikokorrelationen gezielter nutzen. Auch haben die neuen Instrumente die
Liquidität an den Kreditmärkten erhöht. Manche Obligationenmärkte waren nur wenig liquide. Demgegenüber ist der Markt für Kreditderivate oft liquider. Kreditrisiken lassen sich
deshalb auf dem Markt für Kreditderivate rascher transferieren. Die Volumina sind erheblich gewachsen, und die Geld-Brief-Spannen von CDS-Indizes und -Indextranchen sind
sehr eng geworden. Insgesamt dürfte diese Stärkung des Kreditmarktes auf lange Sicht
zu einem allgemeinen Rückgang finanzieller Risiken und insbesondere zu niedrigeren
durchschnittlichen Kreditrisikoprämien führen.
Eine breitere Verteilung der Kreditrisiken verbessert insgesamt die Fähigkeit des Finanzsystems, Schocks zu absorbieren.
4. Banken bewirtschaften Bilanzpositionen vermehrt aktiv
Die skizzierte Entwicklung deutet in ihrer Gesamtheit auf einen Paradigmawechsel im
Kreditgeschäft hin: Lange Zeit herrschte eine Mentalität des „buy-and-hold“ vor: Kredite
wurden einmal vergeben und blieben dann, bis zum ggf. bitteren Ende in den Büchern
bzw. den Bilanzen der Banken. Heute ist der Übergang zu einem aktiven Management,
primär der Risiken, aber auch der Positionen selbst unverkennbar.
Die zunehmende direkte oder indirekte Finanzierung über Kapitalmärkte hat zu einer erhöhten Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems gegen exogene Schocks geführt, vor
allem, weil mit der Möglichkeit der Übertragung von Kreditrisiken eine verbesserte Diversifikation der Risiken unter einer Vielzahl von Marktteilnehmern möglich wurde.12
Andererseits gibt es auch berechtigte Bedenken der Aufsichtsbehörden. Die gehandelten
Risiken konzentrieren sich heute möglicherweise bei Institutionen, welche einer verhältnismässig geringen Regulierung unterliegen (aufsichtsrechtliche Arbitrage). Die Handelbarkeit von Risiken kann schliesslich auch den Konzentrationsgrad an einigen Märkten so
stark erhöhen, dass diese anfällig gegenüber Veränderungen im Verhalten einer relativ
kleinen Zahl von Akteuren werden. Sodann kann es durch die Entwicklung komplexer
Finanzinstrumente schwieriger werden, das Risikoniveau als Ganzes sowie die Risikoverteilung innerhalb des Finanzsystems abzuschätzen. Schliesslich kann die Entwicklung
von Instrumenten, die die Kreditrisikoübertragung erleichtern, den Anstieg der Fremdfinanzierung im Unternehmenssektor fördern.13
5. Wachsende Bedeutung institutioneller Investoren
Die wachsende Handelbarkeit und in der Folge Übertragbarkeit von Kreditrisiken durch
Kreditderivate und forderungsunterlegte Wertpapiere ging und geht einher mit einer Veränderung der Anlegerschaft. In den letzten zwangzig Jahren hat insbesondere das Gewicht der institutionellen Anleger markant zugenommen. Unter den Oberbegriff fällt eine
12
13
Die traditionellen Instrumente der Kreditsicherung spielen daneben weiterhin ein wichtige Rolle
(z.B. Sicherheiten, Convenants, Kreditrationierung, Syndizierung etc.).
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2002). 72. Jahresbericht (1. April 2001 - 31. März
2002), Basel, 8. Juli 2002. S. 147ff.
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10
Vielzahl von Akteuren mit unterschiedlichen Zielsetzungen, Regulierungs- und Publizitätsanforderungen. Mangels Legaldefinition werden in der Literatur meist Abgrenzungen
verwendet, die aus der Statistik stammen. Die OECD beispielsweise zählt zu den institutionellen Anlegern Versicherungen, Pensionskassen, Anlagefonds und übrige, worunter
unter anderem private Investmentgesellschaften fallen. In der Statistik der Schweizerischen Nationalbank (Wertschriftenbestände in Kundendepots) zählt dazu das gesamte
Versicherungs- und Kreditgewerbe exklusive Banken, Sozialversicherungen, Versicherungen, inklusive Pensionskassen. Eine in unserem Zusammenhang sachdienliche Definition, die auch international anwendbar ist und Sinn macht, muss auf funktionalen Kriterien
basieren. Dabei sind vor allem zwei Elemente hervorzuheben: Institutionelle Anleger verwalten und investieren Geld von Dritten, und zwar einer unbestimmten Anzahl von Dritten.
Als Sammelstelle vieler Vermögenseigner stehen institutionellen Investoren in der Regel
grosse Vermögen zur Verfügung. Als zweites Kriterium kann deshalb dienen, dass sie
diese Vermögen professionell anlegen.14
In der Schweiz war die obligatorische Einführung der betrieblichen Vorsorge (zweite Säule) im Jahre 1985 ein entscheidender Markstein; davon haben insbesondere Versicherungen und Anlagefonds profitiert. Das Nettofinanzvermögen der privaten Haushalte in der
Schweiz belief sich Ende 2003 auf 984 Mrd. Franken. 44% der Forderungen entfielen auf
Ansprüche gegenüber Versicherungen und Pensionskassen. Dieser hohe Anteil ist darauf
zurückzuführen, dass in der Schweiz für die berufliche Altersvorsorge das Kapitaldeckungsverfahren vorgeschrieben ist.15
Von den Wertschriftenbeständen in Kundendepots von Bankstellen in der Schweiz entfallen rund die Hälfte oder 1'800 Mrd. Franken auf institutionelle Anleger, davon 822 Mrd.
Franken auf inländische institutionelle Anleger (Ende 2004). Davon wiederum beanspruchten Versicherungsunternehmen mit einem Anteil von 455 Mrd. Franken oder 55%
den grössten Teil. Zwei Drittel der Wertschriftenbestände der Versicherungen entfielen
auf Pensionskassen.
Es sind vor allem zwei Faktoren, welche das rasche Wachstum institutioneller Anleger
bewirkten:
1. Die wachsende Bedeutung von Anlageinstrumenten, welche dem institutionellen Sektor
zugerechnet werden (selbst dann, wenn diese Instrumente durch individuelle Sparer gekauft werden, wie z.B. Anlagefonds). Die Bedeutung von Anlagefonds als Sparvehikel
nimmt zum Beispiel weltweit zu, verbunden mit einer rasch wachsenden Vielfalt an Produkten. In der Schweiz besitzt rund ein Viertel der Bevölkerung Anlagefonds. Rund 10%
der frei verfügbaren Aktiven der privaten Haushalte sind in einer der rund 5’000 zum öffentlichen Vertrieb zugelassenen Anlagefonds investiert. Deren Marktwert betrug Ende
2005 rund 500 Mrd. Franken.
Sodann hat das Aufkommen und der Erfolg von passiven Verwaltungsstrategien, die auf
der Nachbildung von Indizes basieren, eine Wende in den Anlagepräferenzen privater wie
institutioneller Anleger herbeigeführt. In jüngster Zeit ist durch die Lancierung von börsengehandelten Indexfonds („Exchange Traded Funds“ oder ETF) eine flexiblere Handhabung dieses Anlagetyps möglich geworden. Und schliesslich kann durch die Indexierung
eine marktkonforme Rendite zu niedrigeren Kosten erzielt werden, da das Portefeuille nur
14
15
Hier verstanden als Professionalität der Anlageentscheide. Ob die Professionalität auch ein
aktives Engagement bei der Ausübung der Mitwirkungsrechte umfassen soll, kann hier offen
bleiben; dazu: Forstmoser, Peter. Exit oder Voice? Das Dilemma institutioneller Investoren, in:
Norm und Wirkung. Festschrift für Wolfgang Wiegand zum 65. Geburtstag. Bern und München,
2005, S. 787ff.
Schweizerische Nationalbank (2005): Finanzierungsrechnung der Schweiz. Bestände der Forderungen und Verpflichtungen 1999–2003. Zürich, November 2005.
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
11
noch begrenzt umgeschichtet werden muss und die Kosten der Finanzanalyse ebenfalls
geringer ausfallen.
2. Ein weiterer Faktor, welcher zum wachsenden Gewicht institutioneller Anleger beiträgt,
ist die wirtschaftliche Notwendigkeit, Sozialversicherungssysteme angesichts der demographischen Alterung nachhaltig zu stabilisieren. In allen Industriestaaten ist mittelfristig
eine Verschiebung von der umlagefinanzierten Rente zu einer stärker kapitalgedeckten
privaten und betrieblichen Altersversorgung (funded pensions) absehbar. Die Schweiz ist
dabei mit ihrer zweiten Säule im internationalen Vergleich bereits weit fortgeschritten.
Systeme kapitalgedeckter Altersvorsorge basieren auf einem individuellen Sparprozess.
In der Schweiz beginnt dieser mit 25 Jahren und ab einem jährlichen Erwerbseinkommen
von 19'350 Franken (Stand 2005). Der Sparprozess endet mit dem Erreichen des Rentenalters. Das während der Jahre auf dem individuellen Konto der Versicherten angesparte Altersguthaben dient der Finanzierung der Altersrente. Das vorhandene Kapital wird
dabei mit einem Umrechnungsfaktor in die jährliche Altersrente umgewandelt.16
Instrumente
6. Alternative Finanzierungsmöglichkeiten im Überblick
Die wachsende Bedeutung von Finanzmärkten für die Volkswirtschaft im Allgemeinen und
die Unternehmensfinanzierung im Besonderen ist seit Jahren absehbar; in jüngerer Zeit
fängt diese Entwicklung sich auch auf die Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung
im Bereich der KMUs auszuwirken.
Oft stossen KMUs an finanzielle Grenzen, wenn es darum geht, Innovationen mit erheblichen Vorleistungen marktfähig zu machen, neue Märkte zu erschliessen und allgemein
rasch zu wachsen. In dem Fall reichen die Quellen der Innenfinanzierung (Mittel aus Geschäftstätigkeit und der Freisetzung von Kapital) allein oft nicht aus, um den zusätzlichen
Bedarf zu decken. Auch die Aufnahme von zusätzlichem Fremdkapital bietet meist keine
befriedigende Lösung, sei es weil der Verschuldungsgrad bereits hoch ist und keine weiteren Sicherheiten vorhanden sind, oder, weil potentielle Fremdkapitalgeber aufgrund des
hohen Risikos und der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Kreditgeber und
Kreditnehmer nicht oder nur zu einem hohen Preis bereit sind, sich zu engagieren. In dem
Fall bleibt nur die Aufnahme von zusätzlichem Eigenkapital. Auch dieser Weg kann sich
als schwierig erweisen. Bisherige Teilhaber sind oft nicht in der Lage, zusätzliche Einlagen zu tätigen und neue Teilhaber zu gewinnen. Für einen Börsengang (Public Equity)
schliesslich sind die meisten KMUs zu klein. So bleiben zwei Formen der Finanzierung
übrig: Private Equity und Mezzanine Finanzierung.
Was ist darunter zu verstehen? Private Equity ist ein Sammelbegriff; bei der Finanzierungsform stellt ein bislang aussenstehender Investor neues und zusätzliches Eigenkapital zur Verfügung bzw. kauft Unternehmensanteile. In der Regel ist die Gesellschaft nicht
kotiert. Als Gegenleistung für die Übertragung der Eigentumsrechte werden dem Unternehmen nebst neuem Eigenkapital meist auch Managementressourcen zur Verfügung
gestellt.17
16
Der Umwandlungssatz beträgt derzeit 7,15 Prozent für Männer und 7,20 Prozent für Frauen; mit
der 1. BVG Revision wurde der Umwandlungssatz für Männer wie für Frauen bis 2014 schrittweise auf 6,80 Prozent gesenkt. Am 25.1.06 eröffnete der Bundesrat eine Vernehmlassung, wonach
der Umwandlungssatz zur Berechnung der BVG-Altersrenten bis Anfang 2011 schrittweise auf
6,4 Prozent gesenkt werden soll.
17
Im Zusammenhang mit Private Equity Investitionen wird auch immer wieder von „Venture Capital“ gesprochen. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die beiden Begriffe oft synonym verNeue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
12
Bei Mezzanine18 Finanzierungen handelt es sich um einen Sammelbegriff für hybride Finanzierungsformen, die Elemente der Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung miteinander
verbinden. Mezzanine-Kapital verkörpert je nach Spielart eine variable Mischform aus
reinem Eigenkapital und reinem Fremdkapital. Damit können unter bestimmten Voraussetzungen Finanzierungslücken geschlossen werden, die durch die klassischen Formen
der Unternehmensfinanzierung nicht gedeckt werden.
Mezzanine und Private Equity werden im folgenden eingehender charakterisiert, sowohl
als Finanzierungsinstrumente wie auch als Anlagevehikel. Während die Angaben zu Private Equity als Anlageinstrument riesig sind und täglich wachsen, finden sich vergleichsweise nur spärliche Angaben zu Potential und Entwicklung von Private Equity als Finanzierungsinstrument. Ähnlich, wenn auch auf deutlich tieferem Niveau, präsentiert sich die
Situation bei Mezzanine Finanzierungen.
7. Beispiel Private Equity
Private Equity kann dann eingesetzt werden, wenn eine Unternehmung nicht über genügend Eigenkapital verfügt und der Kreditspielraum ausgeschöpft ist. Häufig werden für
den Oberbegriff des Private Equity Termini verwendet in Abhängigkeit der verschiedenen
Reifephasen der kapitalnachfragenden Unternehmung; so wird üblicherweise für frühe
Phasen der Begriff Venture Capital verwendet. Wird viel Fremdkapital eingesetzt, so
spricht man von „leveraged buy-out“, wird das Unternehmen durch die eigene Geschäftsleitung übernommen, so handelt es sich um ein „management buy-out“; wird die Unternehmung schliesslich durch eine Gruppe aussenstehender Manager übernommen, so
wird dafür der Ausdruck „management buy-in“ verwendet. Insbesondere im Rahmen von
Nachfolgeregelungen gewinnen „management buy-out“ und „management buy-in“ auch
für KMU in der Schweiz an Bedeutung.
Voraussetzung auf Seiten der Kapitalnehmer für jede Form des Private Equity ist die Bereitschaft zu Transparenz sowie die Einräumung von Mitspracherechten in unterschiedlicher Abstufung. Bei Private Equity Transaktionen handelt es sich oft nicht um reine Finanzgeschäfte; vielmehr werden im Rahmen solcher Engagements von den Kapitalgebern oftmals auch Know-how und Managementkapazitäten zur Verfügung gestellt. In den
USA wurde hierfür der Begriff der „Business Angels“ geprägt. Solche Unterstützung kann
in der Gründungsphase aber auch bei weitreichenden Expansionen entscheidend für den
Erfolg einer Unternehmung sein. Dabei geht es gleichermassen um fachliche Betreuung
sowie die Einführung junger Unternemer in bestehende, überbetriebliche Netzwerke spezifischer Branchen und /oder Märkte.
Da Private Equity Engagements sich nicht im Rahmen organisierter Märkte (Börsen) abspielen, sind die dazu erhältlichen öffentlichen Informationen insgesamt eher spärlich und
stammen aus unterschiedlichsten Quellen. Weltweit ist der Private Equity Markt noch immer von den USA dominiert. Weltweit entfallen schätzungsweise 70 Prozent des Marktes
auf die USA. Der europäische Markt gewann in den letzen Jahren rasch an Bedeutung
und hatte 2002 einen Anteil von rund 18% am Weltmarkt.19 Die Herkunft der Mittel im Europäischen Private Equity Markt ist breit gestreut: 25% stammen von Banken, 23% von
wendet, was allerdings der eigentlichen Bedeutung des Venture Capital Begriffs (früheste Phase
eines Unternehmens) nicht gerecht wird.
18
Der Begriff «Mezzanine» (vom italienischen «mezzanino») stammt ursprünglich aus der Architektur und bezeichnet ein Zwischengeschoss zwischen zwei Hauptetagen eines Gebäudes.
19
Quarry Adam: State of the Venture Finance Market. A presentation to “Sustainable Venture Finance”, 7 June 2002.
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
13
Pensionskassen, 13% von Versicherungen, aber nur 7% von Privaten Anlegern (19982002).20
Typischerweise werden Anlagen in Private Equity für eine begrenzte Dauer eingegangen.
Die Entschädigung für solche Anlagen besteht aus dem erwarteten Mehrwert, der aus
dem Verkauf der Beteiligung oder der Börsenkotierung der Gesellschaft resultiert. Während der Dauer der Beteiligung sind hingegen die Zins- oder Dividendenzahlungen nur
von untergeordneter Bedeutung.
Die Entwicklung des Marktes wird sowohl von Anleger- als auch Nachfragerseite vorangetrieben. Auf der Anlegerseite waren es insbesondere die gelockerten Anlagebestimmungen für Versicherungen und Pensionskassen, welche erst die Möglichkeiten schufen, einen Teil der Aktiven in Private Equity zu investieren.21 Nur die wenigsten Anleger besitzen
allerdings das Wissen und das Vermögen, um einerseits Direktanlagen zu selektionieren,
daraus ein risikooptimales, diversifiziertes Portefeuille zusammenzustellen sowie dessen
Positionen laufend zu überwachen. Erst mit der Schaffung von Private Equity Fonds wurde diese Anlagekategorie auch einer breiteren Anlegerschaft zugänglich.
Das Volumen des Private Equity Marktes wird auf etwa 2’500 Mrd. USD geschätzt.22 Es
ist damit mehr als doppelt so gross wie jenes der Hedge Funds. Die weltweite Anzahl der
Private Equity Funds dürfte über 8’000 betragen.23
Die Angaben zu den jährlichen Transaktionen im Private Equity Markt divergieren je nach
Quelle. Beispielsweise meldet der europäische Branchenverband EVCA, dass 2005 die
europäischen Private-Equity Häuser insgesamt 38,5 Mrd. Euro in Übernahmen, Beteiligungen und Wachstumsfinanzierungen in Europa investiert haben; insgesamt wurden in
Europa 59,5 Mrd. Euro Investorengelder für Private Equity mobilisiert. Dies entspricht einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr.24 Andere Quellen gehen von ähnlichen
Wachstumswerten aus, allerdings bei anderen absoluten Zahlen. Nach Angaben des britischen Forschungsinstituts Centre for Management Buy-Out Research (CMBOR) betrug
das Volumen des europäischen Private Equity Marktes im Jahre 2005 33 Mrd. Euro, ebenfalls rund 50% mehr als im Vorjahr. Angetrieben wurde der Markt durch grosse amerikanische Private-Equity-Fonds, die ihre Investitionen in Europa nach Angaben des von
Barclays Private Equity und Deloitte unterstützten CMBOR auf mehr als 21 Milliarden Euro fast verdreifacht haben.
In der nachstehend aufgeführten Tabelle wird die Bedeutung des Marktes für Venture
Capital (hier synonym zu Private Equity) im Verhältnis zum jeweils nationalen Bruttoinlandprodukt (BIP) ersichtlich. Dabei sind drei Bereiche zu unterscheiden: Das Land der
Mittelherkunft, womit bei Direktinvestitionen das Domizil des Investors und bei indirekten
Engagements (Funds of Funds) der Standort des Intermediärs gemeint ist; sodann das
Land, in welchem die Investition verwaltet wird (inkl. Standort des Intermediärs bei Private
Equity Funds) und schliesslich das Land, in welchem die kapitalnachfragende Gesellschaft domiziliert ist.
20
AXA Private Equity: European Private Equity Market. United Kingdom, September 2003.
Die USA lockerten ihre Anlagevorschrifren für Pensionkassen bereits 1978 („prudent man rule“).
22
Zum Vergleich: Das weltweite Finanzvermögen (inkl. Bankeinlagen) wird auf 136'000 Mrd. USD
geschätzt (McKinsey Global Institute: Mapping the Global Capital Market 2006. January 2006.)
23
Philipp M. Hildebrand: Gedanken zum Asset Management in der Schweiz. Referat, gehalten
beim Schweizerischer Anlagefondsverband, 28. März 2006 in Bern.
24
EVCA Quarterly Activity Indicator Trends in Q4 2005. Conducted on behalf of EVCA by Thomson
Venture Economics PricewaterhouseCoopers.
21
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
14
Venture Capital: Verhältnis zu BIP (1999, in %)
Country of Origin
Finnland
Niederlande
Grossbritannien
Schweiz
Frankreich
Schweden
Deutschland
Norwegen
Irland
Dänemark
Italien
Spanien
Österreich
USA
Country of Management
0.69
0.56
0.33
0.32
0.28
0.26
0.21
0.18
0.15
0.14
0.07
0.05
0.05
0.05
Grossbritannien
USA
Schweden
Niederlande
Frankreich
Finnland
Norwegen
Schweiz
Italien
Deutschland
Spanien
Irland
Dänemark
Österreich
0.85
0.64
0.57
0.46
0.21
0.21
0.19
0.18
0.16
0.16
0.13
0.12
0.07
0.05
Country of Destination
Grossbritannien
USA
Schweden
Irland
Niederlande
Dänemark
Finnland
Frankreich
Italien
Deutschland
Spanien
Schweiz
Norwegen
Österreich
0.67
0.65
0.55
0.53
0.43
0.31
0.31
0.2
0.17
0.17
0.16
0.16
0.15
0.05
Quelle: Baygan-Freudenberg (2000) zitiert nach Die Volkswirtschaft 12-2005
Die Schweiz nimmt als Finanzierungsquelle eine vergleichsweise bedeutende Rolle ein,
belegt bei der Verwaltung eine Mittelposition und rangiert bei den kapitalnachfragenden
Gesellschaften im unteren Feld der Tabelle. Diese Verhältnisse bestätigen den Eindruck,
wonach hierzulande Private Equity als Anlagekategorie in der Vermögensverwaltung einen prominenteren Platz einnimmt, als dies in der Unternehmensfinanzierung der Fall ist.
Dies hat sicher auch damit zu tun, dass der Finanzplatz Schweiz als spezialisierter
Standort der Vermögensverwaltung und insbesondere des Private Banking einen weit
überregionalen Stellenwert besitzt und demzufolge hierzulande weit mehr Vermögen verwaltet werden, als regional investiert werden. Schliesslich ist die Schweiz insgesamt ein
grosser Netto-Kapital-exporteur, so dass die Tatsache, dass dies auch für das Segment
des Private Equity zutrifft, nicht überraschend ist.
Trotz der markanten nationalen Unterschiede sind die Grössenverhältnisse im Auge zu
behalten: Private Equity bzw. Venture Capital erreicht in keinem Land mehr als ein Prozent des BIP. Zum Vergleich: Die Bilanzsumme aller Banken erreicht in den OECDStaaten in der Regel das Zwei- bis Dreifache des BIP (in der Schweiz sogar das Fünffache). Selbst wenn man berücksichtigt, dass nur 20 bis 40 Prozent der Bankkredite auf
Unternehmensfinanzirungen entfallen (der Rest sind Forderungen gegenüber privaten
Haushalten – mehrheitlich Hypothekarforderungen – sowie gegenüber Finanzinstituten
und öffentliche Hand), so wird doch ersichtlich, dass die klassische Unternehmensfinanzierung im Umfang gut hundertmal bedeutsamer ist als Private Equity.
Wer sind in der Schweiz die Emittenten von Private Equity, wer die Investoren und welche
Rolle spielen die Finanzintermediäre in dem Markt?
7.1 Intermediäre
Intermediären kommt bei Anlagen in Private Equity eine bedeutende Rolle zu, weil Direktanlagen wegen der fehlenden Diversifikation meist sehr riskant sind. Es existieren im wesentlichen drei Formen der Intermediation: Private Equity Funds, Funds of Funds und
Beteiligungsgesellschaften.
Durch Anlagen in Private Equity Funds kommt es zu einer indirekten Beteiligung an nichtkotierten Unternehmen. Der Fondsmanger als Intermediär evaluiert, selektioniert und überwacht Beteiligungen. Durch die Fondsstruktur wird insbesondere eine gewisse DiversiNeue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
15
fikation erreicht und eine professionelle Auswahl der Investitionsprojekte gewährleistet.
Allerdings eignet sich diese Anlageform für Retailkunden wegen der oft hohen Mindesteinlagen nur eingeschränkt.
Private Equity Fonds treten in unterschiedlicher Form auf: Als geschlossene Fonds, als
Beteiligungsgesellschaften (Deutschland), als Risikokapitalgesellschaften (Schweiz), oder
Partnership im angelsächsischen Raum. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie als geschlossene kollektive Kapitalanlagen gelten (im Unterschied zu offenen kollektiven Kapitalanlagen wie z.B. Anlagefonds). Bei geschlossenen kollektiven Kapitalanlagen haben
die Anleger zulasten des Kollektivvermögens keinen Rechtsanspruch auf Rückgabe ihrer
Anteile zum Nettoinventarwert. Wegen der meist fehlenden Liquidität von Private-EquityAnlagen ist die fehlende Pflicht zur Rücknahme durch die Gesellschaft bzw. das fehlende
Recht auf Rückgabe der Anteile durch die Anleger vorteilhaft.
In den USA dominieren die sog. „limited partnerships“ unter den Private Equity Gesellschaften.25 Dabei tritt das Management der Private Equity Gesellschaft (Fondsleitung) als
Komplementäre und die Anleger als „limited partners“ bzw. Kommanditäre auf. Die Anleger bringen 95% bis 99% des Kapitals auf und das Management die verbleibenden 1%
bis 5%. Letzteres dient auch als Haftungssubstrat der Anleger gegenüber dem Management und soll helfen, für dieses günstige Anreize zu schaffen bzw. „moral hazzard“ zu
unterbinden.
Private-Equity-Fonds
Investoren (Kommandisten)
95% Kapital
Limited Partnership Agreement
5% Kapital
Fondsgesellschaft
100% Kapital
& Gewinn
Beteiligungsvertrag
Managementgesellschaft
Investment
Advisory
Agreement
Unternehmen
25
Der Private Equity Fond ist das Investitionsvehikel der Private-Equity-Gesellschaft.
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
16
Als weitere Gruppe von Intermediären fungieren die „Funds of Funds“ oder Dachfonds,
deren Vermögen in Private-Equity-Fonds investiert werden. Für einen Anleger ist es oft
schwierig, ein Private-Equity-Portfolio aufzubauen, weil er nicht über die Informationen zur
Identifikation und Überwachung geeigneter Fonds verfügt. Auch ist der Zugang zu erstklassigen und etablierten Fonds oft nur über den Umweg von Funds of Funds überhaupt
möglich. Schliesslich ermöglichen Dachfonds auch Private-Equity-Engagements bezüglich Branchen, Anlagehorizont und Geographie zu diversifizieren. Nachteilig wirken sich
demgegenüber die relativ hohen Gebühren wegen der doppelten Struktur aus.
Eine weitere Möglichkeit, in Private Equity zu investieren, besteht durch ein Engagement
mit sog. Listed Private Equity. Dies sind börsenkotierte Unternehmen, deren Haupttätigkeit darin besteht, Private-Equity-Investitionen zu tätigen. Ein Investor kann mit Listed
Private Equity eine traditionelle und liquide Anlage in Aktien vornehmen und sich dabei
indirekt in der alternativen Anlageklasse Private Equity engagieren. Hohe Mindestvolumen
und fehlende Liquidität haben dazu geführt, dass bisher fast ausschliesslich institutionelle
Anleger in dieses Segment investiert haben. Nur 5% der in Private Equity angelegten
Gelder in Europa stammen von Privatanlegern. Börsenkotierte Private Equity-Vehikel investieren ihr Kapital in Unternehmen und allozieren ihr Kapital nicht mittels eines Fonds,
wie dies Private-Equity-Fonds tun. Erst seit kurzem bieten Banken auch Private-EquityAktienindex-Produkte an und ermöglichen auf diese Weise, weniger vermögenden Privatpersonen, direkt zu investieren.26
Schliesslich sind auch noch jene Private-Equity-Produkte von Banken zu erwähnen, welche zwar nicht an einer Börse gehandelt werden, jedoch zum Net Asset Value am Sekundärmarkt gekauft bzw. verkauft werden können. 27
7.2 Emittenten
Es gibt keine umfassenden Statistiken darüber, welche Unternehmen sich durch Private
Equity finanzieren. Die Angaben, die von Investorenseite vorliegen, legen den Schluss
nahe, dass solche Firmen primär stark exportorientiert sind und meist in technologieintensiven Branchen, insbesondere Pharmazie, Life Science, IT und Medizin, bzw. Medizinaltechnik zu finden sind (s. nächster Abschnitt). Dies ist auch nicht überraschend. Diese
Branchen sind forschungsintensiv, zwischen Forschung und Erträgen vergeht oft eine
lange Zeitspanne, die Märkte wachsen rasch und können nicht zuletzt aus wirtschaftlichen
Gründen nur global bearbeitet werden. Alles Faktoren, welche die Unternehmensfinanzierung vor grosse Herausforderungen stellt.
7.3 Investoren
Die Bedeutung von Private Equity für Anleger besteht vor allem darin, dass diese zur Diversifikation eines Portefeuilles geeignet sind, um dadurch die bestmögliche risikoadjustierte Performance für Kunden zu erreichen. Dabei verfügt die Schweiz als bedeutender Vermögensverwaltungsplatz sowohl vermögender Privater als auch institutioneller
Kundinnen und Kunden über ein beträchtliches Platzierungspotenzial für Risikokapital.
Die grössten Investoren in der Schweiz sind Unternehmen. Dabei fällt auf, dass fast das
gesamte Kapital, welches schweizerische Beteiligungsgesellschaften vermitteln, auf die
Branchen Life Science, Health Care und Informatik entfallen. Unter den grossen Investoren figurieren auch einige prominente Unternehmen wie z.B. Nestle, UBS AG oder Novartis.
26
Bespielsweise lancierte die Swisscanto Anfang 2006 mit der „Swisscanto Equity Fund Listed
Private Equity“ ein solches Anlagevehikel. Der Fonds investiert weltweit in Listed Private Equity.
27
Ein Beispiel in der Schweiz ist die Aktie der UBS Alternativ Porfolio AG, einer Beteiligungsgesellschaft, welche als Funds of Funds sowohl in Hegde Funds als auch in Private Equity Funds investiert.
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
17
Private Equity in der Schweiz: Beteiligungsgesellschaften
Investoren
Aravis
Aventic (UBS AG)
Bio Medinvest AG
CapVis
HBM Bio Ventures
Inventages (Nestle)
Invision
Sustainable Ass. Mang.
Schweizerhall Holding
Urteia Capital Ldt.
Venture Incubator
Index Ventures
Novartis Ventures Fund
Partners Group
Sektor
Kapital (Mio. Euro) Anzahl Gesellschaften
LS, HS
n/a
5
IT, LS, HS
n/a
30+9
LS, HS
33
5
Med.
400+
25+
LS, HS
700+
44
LS, HS
n/a
n/a
Tech, IT
200+
21
n/a
90
n/a
Chem. LS
164
21
LS, HS
130
25
Tech, LS
100+
10
LS, HS, IT
497
36
LS, HC
204
117
n/a
n/a
n/a
LS = Life Science, HC = Health Care, IT = Information Technology
Quelle: Patrick Frei, Venture Valution AG 2/23/2005, zitiert nach
Venture Capital Experts www.cvexperts.com
Die „Swiss Private Equity & Corporate Finance Association“ (SECA) führt auf ihrer Homepage namentlich 38 (der total 76) Mitglieder auf, welche Venture Capital zur Verfügung
stellen. Darunter figurieren aber vier Banken: Bank Sal. Oppenheim jr. & Cie. (Schweiz)
AG, die Credit Suisse, die Deutsche Bank Private Wealth Management und die UBS AG.
Die beiden Grossbanken bieten die ganze Palette möglicher Dienstleistungen an (Buyout,
Buyin, Delisting, Expansion - Development Capital, Mezzanine, Bridge Finance, Privatisation, Replacement Capital).
7.4 Vermittlung von Private Equity durch Banken
Im Allgemeinen erachten Banken die Bereitstellung von Eigenkapital durch Private Equity
nicht als ihre Kernkompetenz; ihr primäres Geschäft sehen sie in der Kreditvermittlung.
Hingegen gibt es auch Banken, die KMUs bei Bedarf und Eignung behilflich sind bei der
Vermittlung von Eigenkapital in Form von Private Equity/Venture Capital. Dies geschieht
nicht durch die Bank selbst, sondern in Zusammenarbeit mit spezialisierten Beteiligungsgesellschaften, welche in nicht-börsenkotierte KMUs investieren.28 So hat sich zwar der
Markt für Beteiligungskapital in den letzten Jahren deutlich vergrößert. Mehr denn je konzentrieren sich die dort engagierten Private Equity-Gesellschaften aber neben jungen
Wachstumsunternehmen vor allem auf wenige sehr große, etablierte Unternehmen mit
stabilen Cash Flows, die aufgrund der damit einhergehenden langfristig planbaren
Fremdkapitaltilgung und des dadurch möglichen hohen Verschuldungsgrads äusserst
hohe Eigenkapitalrenditen von 20% und mehr erwarten lassen. Der Risikokapitalmarkt für
KMUs, die sich durch ein stetiges, aber moderates Umsatzwachstum und deutlich geringere Eigenkapitalrenditen auszeichnen, ist hingegen weniger entwickelt, und gerade für
die kleineren Unternehmen bestehen nach wie vor kaum Möglichkeiten, sich an diesem
Markt zu finanzieren.
28
Dazu drei Beispiele aus der Gruppe der Kantonalbanken: Die Berner Kantonalbank arbeitet mit
Risikokapitalgesellschaften: BioMedinvest AG für Neugründungen auf den Gebieten Biomedizin,
Biotechnologie, Medizinaltechnik und Diagnostik sowie Ypsomed Innovationsfonds für Neuunternehmen im Espace Mittelland zusammen. Die Thurgauische Kantonalbank arbeitet mit der Beteiligungsgesellschaft New Value AG zusammen. Diese investiert in mittlere und grössere Unternehmen, die nicht-börsenkotiert sind. Die Zürcher Kantonalbank bietet im Sinn eines Generalunternehmers Übernahmefinanzierung für Management Buyout (MBO) bzw. Management Buyin
(MBI) oder im Rahmen einer familieninternen Lösung bei einem Inheritors Buyout (IBO) an.
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
18
8. Beispiel Mezzanine Finanzierung29
8.1 Charakteristika und Erscheinungsformen
Mezzanine-Kapital wird als Oberbegriff für verschiedene hybride Finanzierungsformen
verwendet. Mezzanine-Kapital weist jeweils Charakteristika von Fremd- und Eigenkapital
in unterschiedlicher Mischung auf. Je nach Ausgestaltung ist das Kapital eher eigenkapitalnah oder fremdkapitalnah. Als Mischform kann Mezzanine die Finanzierungspalette
wirkungsvoll ergänzen, vor allem dadurch, dass sich abhängig von der jeweiligen Situation flexibel unterschiedliche Risiko-Rendite-Profile konstruieren lassen.
Zentrales Merkmal von Mezzanine-Kapital ist seine Nachrangigkeit der MezzanineInvestoren im Falle von Konkurs, Nachlass oder Liquidation gegenüber den anderen
Fremdkapitalgläubigern. Das heisst: Im Falle eines Konkurses werden in der Regel zuerst
die vorrangigen Fremdkapitalgeber bedient und dann die Mezzanine-Gläubiger. Deshalb
werden Mezzanine-Mittel – obwohl rechtlich bzw. steuerlich als Fremdkapital eingestuft –
auch als „wirtschaftliches Eigenkapital“ oder „Quasi-Eigenkapital“ bezeichnet, weil es aus
Sicht der vorrangigen Fremdkapitalgeber haftendes Eigenkapital darstellt. Im Vergleich zu
reinen Eigenkapitalgebern werden Mezzanine-Investoren aber als vorrangig eingestuft.
Zu den Instrumenten, die dabei zum Einsatz kommen können, zählen unter anderem
nachrangige Darlehen, stille Beteiligungen, partialische Darlehen30, Genussrechte sowie
Wandel- und Optionsanleihen. Diese Elemente lassen sich bezüglich Volumen, Laufzeit,
Rückzahlungsmodalitäten und weiteren Vergütungsregeln vielseitig spezifizieren. Entsprechend gross ist die Vielfalt der in der Praxis anzutreffenden Erscheinungsformen von
Mezzanine. Auf der einen Seite des Spektrums findet man z.B. Nachrangdarlehen, die
29
Detailliert und aktuell dazu: Credit Suisse (2005):, Mezzanine Finance – Mischform mit Zukunft.
Economic Briefing Nr. 42. Die folgende Ausführen stützen sich primär auf diese Publikation. Ferner: Müller-Känel, Oliver (2004): Mezzanine Finance, Neue Perspektiven in der Unternehmensfinanzierung, SECA, Band 1, 2. Auflage.
30
Kredit, wobei keine feste, sondern eine vom Geschäftsergebnis abhänige Vergütung vereinbart
ist. Eine Verlustbeteiligung wird vertraglich ausgeschlossen. Im Konkursfall partizipiert der Darlehensgeber wie die übrigen Fremdkapitalgläubiger am Ergebnis der Liquidation.
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
19
ähnlich wie normales Fremdkapital mit einer fest laufenden Verzinsung versehen und
nach einer bestimmten Laufzeit rückzahlbar sind. Diese unterscheiden sich von ungesichertem Fremdkapital nur durch den Rangrücktritt. Am anderen Ende des Spektrums finden sich stille Beteiligungen, die wie normales Eigenkapital an Verlust und Gewinn partizipieren und sich nur durch die Beschränkung der Einflussnahme auf die Geschäftsführung unterscheiden. Dazwischen existiert ein breites Spektrum an Mischformen, zum Beispiel Genussscheine, Wandel- und Optionsanleihen. Diese zeichnen sich unter anderem
dadurch aus, dass sie die Eigenkapitalquote der KMUs verbessern können, ohne dass die
Kapitalgeber unternehmerischen Einfluss auf die Firma nehmen wollen. Häufigstes Instrument im Rahmen einer Mezzanine-Finanzierung sind nachrangige Darlehen (Junioroder Subordinated Debt).
8.2 Wirtschaftliche Motive
Grundsätzlich bestimmt die prospektive Ertragskraft eines Unternehmens dessen Fähigkeit, Eigenkapital wie auch Fremdkapital aufzunehmen. Bei raschem Wachstum und hohem Investitionsbedarf erreichen gerade erfolgreiche Unternehmen indessen rasch die
Grenzen ihrer Kreditfähigkeit. Um die unternehmerischen Risiken abzusichern, benötigen
sie eine breitere Basis an Eigenkapital. Dabei kann Mezzanine-Kapital als Ergänzung zu
den traditionellen Formen der Finanzierung eine attraktive Variante sein. MezzanineInstrumente gewinnen auch in der Schweiz an Bedeutung, wenngleich ihr Gewicht im
Vergleich zur klassischen Fremdkapitalfinanzierung noch bescheiden ist. Welches sind
die wirtschaftlichen Faktoren, die im Einzelfall diese Option attraktiv machen können?
Ist das Kreditpotential einer Firma erschöpft, so müssen die Möglichkeiten, zusätzliches
Eigenkapital einzubringen, geprüft werden. Eine Kapitalmarktfinanzierung scheidet für die
meisten KMUs wegen der fehlenden Grösse aus. Neue Einlagen bisheriger oder neuer
Teilhaber lassen sich auch nicht immer realisieren und auch die Bereitstellung von Beteiligungskapital durch Finanzinvestoren (Private Equity) kann mit Nachteilen verbunden
sein. Insbesondere sind mit Beteiligungsfinanzierungen entsprechende Mitsprache- und
Mitbestimmungsrechte einzuräumen, was nicht immer den Präferenzen der bisherigen
Eigner entspricht.
Durch die Finanzierung eines Unternehmens mit Mezzanine kann dieser Nachteil einer
Equity Finanzierung vermieden werden. Da keine neuen Fremdgesellschafter in die Firma
aufgenommen werden müssen, kommt es auch nicht zu einer Verwässerung der Eigentumsposition oder einem Verlust der Eigentumsrechte bisheriger Gesellschafter. Diese
können auch nach der Aufnahme von Mezzanine-Kapital eigenständig agieren, weil Mezzanine-Kapitalgeber in der Regel weitgehend auf Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte
im finanzierten Unternehmen verzichten. Bedingt durch den Rangrücktritt und die fehlende Besicherung von Mezzanine-Kapital fordern die Investoren aber im Gegenzug detaillierte und zeitnahe Informationen zur wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und
schreiben diesem in der Regel konkret einzuhaltende Finanzkennzahlen vor. Für die Unternehmen – insbesondere für KMUs – ergeben sich dadurch erhöhte Anforderungen hinsichtlich Rechnungswesen, Controlling und Informationspolitik. Umgekehrt erfordert es für
Mezzanine-Investoren ein intensives Monitoring.
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
20
Merkmale von Mezzanine-Kapital im Vergleich
Klassischer Kredit
Mezzanine
Eigenkapital
Wirtschaftliche Betrachtungsweise
Fremdkapital
Eigenkapital
Eigenkapital
Rechtliche Betrachtungsweise
Fremdkapital
Fremdkapital
Eigenkapital
Steuerliche Wirkung
Schuldzinsen abzugsfähig
Schuldzinsen abzugsfähig
Kapitalsteuer
Mitbestimmung Investor
Keine direkte Mitbestimmung
Keine direkte Mitbestimmung
Direkte Mitbestimmung
Laufzeit
4-5 Jahre, befristet
5-8 Jahre, befristet
Langfristig
Sicherheiten
I.d.R. besichert
Ohne Sicherheiten
Ohne Sicherheiten
Verwendungszweck
Vertraglich festgelegt
Nicht festgelegt
Nicht festgelegt
Quelle: Credit Suisse Economic Research
Die Nachrangigkeit von Mezzanine-Kapital gegenüber dem übrigen Fremdkapital bedeutet für den Investor ein höheres Risiko. Mezzanine-Darlehen sind deshalb höher verzinst
als klassische Kredite.31 Da die Aufnahme von Mezzanine-Kapital die wirtschaftliche Eigenkapitalbasis stärkt und sich dies günstig auf die Kreditkonditionen auswirken kann,
können die höheren Zinsen auf Mezzanine-Darlehen oft ganz oder teilweise kompensiert
werden.
Die Ausgestaltung der Vergütung ist in der Praxis sehr unterschiedlich. Üblich ist neben
einer Zinskomponente eine erfolgsabhängige Prämie in Form einer Partizipation am Unternehmenserfolg bzw. einer Option auf den Erwerb oder Erhalt von Gesellschaftsanteilen
(sog. Equity Kicker). Die Zinskomponente wiederum kann sich aus einem festen, für die
ganze Laufzeit fixierten Zins, einer variablen Verzinsung, die sich am Gewinn oder zu
definierenden Performance-Kennzahlen orientiert, oder einer so genannten „Zero-CashCoupon-Konstruktion“ zusammensetzen. Diese Elemente werden auch häufig miteinander kombiniert. Damit lassen sich Verzinsung und Rückzahlung des Mezzanine-Kapitals
flexibel an die Situation eines Unternehmens anpassen.
8.3 Der Markt für Mezzanine-Finanzierungen
Obwohl Mezzanine-Kapital bei KMUs in der Schweiz eine neue Erscheinung sind, existieren deren Elemente bei börsenkotierten Unternehmen schon lange, z.B. in Form von
Wandel- und Optionsanleihen. Seit den achtziger Jahren wird Mezzanine Finance vor
allem im Management-Buy-out-Bereich in den USA eingesetzt. In Europa existiert die
Finanzierung seit Beginn der neunziger Jahre.
Statistisch sind die Finanzierungen kaum erfasst, was an den vielfältigen Erscheinungsund Ausgestaltungsformen sowie den unterschiedlichen Bezeichnungen von MezzanineKapital liegt. Ein britischer Spezialist (Incisive Financial Publishing) schätzt, dass Grossbritannien hinsichtlich der Anzahl und des Volumens mit dem Anteil von 40% in Europa
führend ist, gefolgt von Frankreich (21%) und Deutschland (13%); dabei wurden allerdings
nur Transaktionen von Private-Equity-Gesellschaften erfasst.
Gemäss Angaben von Incisive Financial Publishing bewegte sich in der Schweiz zwischen 1999 und 2004 das jährlich investierte Mezzanine-Kapitalvolumen im Bereich von 0
bis 260 Mio. Euro. Das tatsächliche Volumen könnte indessen auch höher sein, weil Banken Mezzanine-Finanzierungen in Form nachrangiger Kredite oftmals nicht als solche
31
Bei der Credit Suisse begann die Verzinsung für Mezzanine-Finanzierungen im 4. Quartal 2005
bei rund acht Prozent. Manche KMUs neigen fälschlicherweise dazu, in Mezzanine-Kapital einen
teuren Kredit zu sehen statt einer günstigen Alternative zu Eigenkapital. Hier ist noch viel Aufklärung notwendig (Aussage von Urs P. Gauch, Head Corporate Clients Switzerland, Credit Suisse,
anlässlich des SUERF Seminars „The Changing Face of Corporate Financing“, am 16. März
2006 in Zürich).
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deklarieren. Angeboten wird Mezzanine in der Schweiz von den Grossbanken32, einigen
Kantonalbanken33, sowie Corporate Finance Einheiten einiger international tätigen Beratungs- und Finanzierungsunternehmen. Hingegen fehlen spezialisierte Anbieter und Investoren. Der Löwenanteil (80 bis 90%) der Transaktionen dürfte nach Schätzung von
Experten34 auf den Buy-out-Bereich entfallen, ähnlich wie auch in den anderen europäischen Ländern. Insgesamt kann festgestellt werden, dass der Kreditmarkt in der Schweiz
sehr liquide ist, und die Nachfrage nach Mezzanine auch deshalb im normalen Corporate
Bereich (d.h. keine Buyouts) verhältnismässig gering ist.
Was die Instrumente betrifft, so entfallen in der Schweiz fast alle Mezzanine Transaktionen auf partialische oder nachrangige Darlehen. In Deutschland dagegen, wo Mezzanine
Ende der 90er Jahre Einzug hielt, sind nebst Nachrangdarlehen auch stille Beteiligungen
und Genussscheine beliebte Mezzanine-Instrumente.35
Beurteilung
9. Kein Ersatz bei fehlender Wirtschaftlichkeit
Weder Private Equity noch Mezzanine Kapital sind Finanzierungsmittel, welche geeignet
wären, unternehmerische Wunder zu vollbringen. Kein Finanzierungsinstrument ist für in
der Lage, eine unzureichende Ertragssituation einer Unternehmung zu kompensieren. Die
Verschuldungskapazität einer Unternehmung richtet sich vielmehr nach dem erwarteten
(und prognostizierbaren) so genannten free Cashflow.36 Die Höhe des zulässigen Verschuldungsgrades bzw. die erforderliche Eigenmittelausstattung hängt daneben auch ab
von der Volatilität des Geschäftsverlaufs sowie der Marktposition und den Entwicklungsperspektiven einer Unternehmung.
Sodann hat die Phase der Unternehmensentwicklung Einfluss auf die Art der Finanzierung: Frühe Phasen einer Unternehmung sind meist gekennzeichnet durch einen hohen
Investitionsbedarf und einen noch ungewissen Mittelzufluss. Es zeigt sich erst nach einiger Zeit, ob sich ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung am Markt durchsetzen
wird. Die Ausfallwahrscheinlichkeit der eingesetzten Mittel ist deshalb zunächst relativ
hoch.
32
Die Credit Suisse hat im September 2005 zwei Varianten von Mezzanine-Finanzierungen lanciert. Credit Suisse Anlagestiftung (CSA) gewährt Mezzanine Finanzierungen für KMU ab einem
Umsatz von rund zehn Millionen Franken und bei einem Finanzierungsbedarf zwischen 0,5 und
5,0 Millionen Franken. Die Finanzierungen werden ausschliesslich in Form von nachrangigen
Darlehen der CSA vergeben. Deren Investoren sind Pensionskassen, welchen mit den Mezzanine Finanzierungen ein attraktives Anlagesegment erschlossen wird. Zweitens sog. „Preferred
Pooled Shares“, welches als Verbriefungs-Plattform Unternehmen mit einem Umsatz ab 50 Millionen Franken die Möglichkeit bietet, wirtschaftliches Eigenkapital (Nachrangkapital) indirekt über
den Kapitalmarkt aufzunehmen. Beide Varianten bieten Investoren die Möglichkeit, breit diversifiziert in mittelgrosse Unternehmen zu investieren, was bisher über den Kapitalmarkt nicht möglich
war.
33
Namentlich bieten die Kantonalbanken von Zürich, St. Gallen, Thurgau, Graubünden, Glarus,
Luzern und Baselland die Möglichkeit einer direkten oder indirekten (durch Vermittlung an Dritte)
Mezzanine-Finanzierung.
34
Beat M. Barthold (2005): Mezzanine Finance - Rechtliche Aspekte. Referat am IFZ Institut für
Finanzdienstleistungen Zug vom 21. Juni 2005.
35
Das deutschrechtliche Genussrecht mit Eigenkapitalcharakter entspricht als eine MezzanineBeteiligung wirtschaftlich der Vorzugsaktie nach Art. 654 OR.
36
Geldzufluss aus operativer Tätigkeit nach Abzug der Nettoinvestitionen. Der free Cashflow steht
für die Schuldentilgung, die Gewinnausschüttung oder Aktenrückrückkäufe zur Verfügung.
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
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Zur Absicherung solcher unternehmerischer Risiken benötigt ein Betrieb in erster Linie
Eigenkapital. Nebst klassischem Eigenkapital eignet sich hierfür Private Equity gut, zumal
damit oft nicht nur Kapital, sondern auch fachliche Unterstützung verbunden ist. Allerdings
ist das Risiko hoch. Nebst dem direkten Unternehmensrisiko beinhaltet Private-Equity
meist zusätzliche Risiken wie eingeschränkte oder nicht vorhandene Liquidität sowie erhebliche Bewertungsrisiken. Auch ist nicht sicher, ob die Investition nach Ablauf der vereinbarten Zeit erfolgreich veräussert werden kann (Exitrisiko). Etwa jedes zehnte mit Private Equity finanzierte Unternehmen muss liquidiert und vollständig abgeschrieben werden.
Direktinvestitionen in Private-Equity-Anlagen sind risikoreich und erfordern einen hohen
Betreuungs- und Überwachungsaufwand durch den Investor. Andererseits versprechen
erfolgreiche Anlagen nach erfolgter Veräusserung (meist durch Initial Public Offering IPO
oder Trade sale37) hohe Kapitalgewinne. Nebst vermögenden Privaten, bei welchen oftmals auch philanthropische Motive eine Rolle spielen, kommen für Direktinvestitionen vor
allem institutionelle Anleger in Frage, welche ihre umfangreichen Mittel gut diversifizieren
und dadurch das Risiko begrenzen können. Weniger finanzkräftige Investoren wählen mit
Vorteil Private-Equity-Fonds oder gar einen entsprechenden Dachfonds.
In einer frühen Entwicklungsphase bietet Mezzanine-Kapital keine Alternative zu klassischem Eigenkapital oder Private Equity. Auch der alleinige Einsatz von traditionellen
Bankkrediten ist nicht geeignet für die Gründungsfinanzierung. Grundsätzlich sind Bankkredite nicht da, um Unternehmerrisiken zu tragen. Das Geschäftsrisiko sollte in erster
Linie vom Eigenkapital getragen werden. Mezzanine-Kapital darf insbesondere nicht dazu
dienen, einen mangels genügender Bonität abgelehnten Bankkredit zu substituieren.
Mezzanine-Finanzierungen eignen sich demgegenüber primär für ertragskräftige Unternehmen, deren Selbstfinanzierungsmöglichkeiten bereits ausgeschöpft sind, und die zum
Beispiel aufgrund einer grösseren Expansion ins Ausland zusätzliche Finanzierungsquellen erschliessen müssen. Wegen der Nachrangigkeit und der fehlenden Besicherung verfügt der Mezzanine-Kapitalgeber meist über keine dinglichen Sicherheiten. Die Sicherheit
seines Kapitals beruht somit ausschliesslich auf der Summe der in Zukunft erwarteten
Cash Flows. Eine starke Marktstellung in Bezug auf Produkte und Technik sowie eine
gute Ertragskraft mit möglichst regelmässigem Gewinnzuwachs sind deshalb wesentliche
Voraussetzungen für den sinnvollen Einsatz von Mezzanine-Kapital.
Anders als Private Equity, welches als Venture Capital primär in der Gründungsphase
eines Unternehmens zum Einsatz kommen kann, liegt der Schwerpunkt von Mezzanine
Finance auf der Finanzierung von Wachstums- und Expansionsvorhaben sowie insbesondere von Management-Buy-Outs (MBO) bzw. Management-Buy-Ins im Rahmen von
Unternehmensnachfolgeregelungen. Die Privatmittel eines Managements sind oft beschränkt, so dass ein grosser Teil des Kaufpreises von dritter Seite bereitgestellt werden
muss. Hierfür kann Mezzanine-Kapital eine geeignete Finanzierungslösung sein, da das
Management in den meisten Fällen auch nicht über ausreichende Sicherheiten verfügt,
welche für eine traditionelle Kreditfinanzierung notwendig sind.
10. Hohe Anforderungen an Corporate Governance
Der zunehmende Einfluss der meist angelsächsisch geprägten institutionellen Investoren
bringt auch neue Anforderungen an die Kapital nachfragenden Unternehmen. Anders als
im Rahmen der traditionell bankzentrierten Finanzintermediation, wo Allokation und Kon37
Bei einem IPO wird der Titel an einer Börse platziert und ans Pulikum veräussert; bei einem Trade Sale wird das Unternehmen an eine andere Unternehmung verkauft. Weitere Möglichkeiten
eines Ausstieg sind die Kapitalherabsetzung oder Aktienrückkauf durch die Gesellschaft.
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trolle im Rahmen einer bilateralen Beziehung erfolgen, werden diese Funktionen bei Private Equity und Mezzanine-Finanzierungen verstärkt durch Dritte wahrgenommen (z.B.
Fondsleitungen, Rating Agenturen, etc.). Entsprechend höher sind die Anforderungen
bezüglich Offenlegung sowie Transparenz und generell im Bezug auf die Corporate Governance. Dies trifft in voller Konsequenz zwar nur börsenkotierte Unternehmen; mit Abstufungen sind davon auch weitere Unternehmen, mitunter KMUs, betroffen.
Corporate Governance betrifft nicht nur die Unternehmensleitung im engeren Sinn, sondern umfasst die gesamte rechtliche und tatsächliche Aufgabenverteilung zwischen Verwaltungsrat und Eigentümern des Unternehmens sowie das Verhalten der Gesellschaft
nach aussen, insbesondere gegenüber Investoren.
Die Annäherung an angelsächsisch geprägte Corporate Governance-Vorstellungen haben
vielfältige Auswirkungen auf die Unternehmenspraxis. Zunächst ist die zunehmende Ausrichtung der Unternehmen auf eine langfristige und nachhaltige Wertschöpfung im Anlegerinteresse zu nennen. Darüber hinaus sind eine steigende Bedeutung erfolgsabhängiger Vergütungsstrukturen (oftmals bereits für das mittlere Management), höhere Anforderungen an Transparenz und Vergleichbarkeit in der Rechnungslegung sowie eine verbesserte Qualität und adressatengerechtere Aufbereitung der Unternehmensberichterstattung
zu verzeichnen.
Der „Swiss Code of Best Practice“ der economiesuisse und die „Richtlinien betreffend
Informationen zur Corporate Governance“ der Schweizer Börse SWX Swiss Exchange
sind die beiden im Jahre 2002 erlassenen Standardwerke zur Umsetzung von Corporate
Governance in der Schweiz. Beim Swiss Code handelt es sich um eine unverbindliche
Selbstregulierung, die Richtlinien der SWX sind nur für börsenkotierte Unternehmen zwingend. Deren Corporate Governance wird durch weitere Ansprüche herausgefordert: Der
amerikanische „Sarbanes-Oxley Act“ wirkt sich auch in der Schweiz aus, die OECD hat
ihre Empfehlungen überarbeitet, schliesslich werden Schweizer Publikumsgesellschaften
mit Zweitkotierung an ausländischen Börsenplätzen von internationalen Investoren mit
kritischen Fragen zur Einhaltung von Corporate-Governance-Grundsätzen konfrontiert.
Die heute noch begrenzte Nutzung von externem Eigenkapital durch KMUs lässt sich
nicht allein auf dessen beschränkte Verfügbarkeit zurückführen. Nicht selten stehen
KMUs der Aufnahme von externem Eigenkapital skeptisch gegenüber, weil sie nicht bereit
sind, etwaigen Miteigentümern Mitspracherechte zu gewähren und ihre Unabhängigkeit
einzuschränken.
11. Kurzfristige Orientierung von Finanzinvestoren?
Dahinter steht die konkrete Befürchtung, externe Finanzinvestoren könnten versucht sein,
den Unternehmensgewinn für kurze Zeit in die Höhe zu treiben, um dann ihre Beteiligung
wieder zu verkaufen und das Unternehmen geschwächt zurückzulassen. Solche Investoren würden Unternehmensstrategien verhindern, die auf eine langfristige Profitabilitätssteigerung zielten, weil ihr eigener Zeithorizont kurz und ihre Interessen nur finanzieller Art sind.
Für eine Beurteilung mag es hier zweckmässig sein, zunächst einmal zu unterscheiden
zwischen echten Publikumsgesellschaften und privaten Firmen, deren Aktien in einem
geschlossenen Kreis von Aktionären liegen (z.B. Familien AG). Bei einer Publikumsgesellschaft herrscht typischerweise ein Dualismus zwischen Eigentümern und Managern,
wohingegen bei privaten Firmen beide oftmals identisch oder weitgehend deckungsgleich
sind. Dies kann deshalb von Bedeutung sein, weil vor allem im Fall grosser Publikumsgesellschaften Eigner (Prinzipal) und Manager (Agent) nicht deckungsgleiche Interessen
verfolgen und auch meist nicht über symmetrische Informationen verfügen. Eine wesentliNeue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
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che Aufgabe des Gesellschaftsrechts und insbesondere des Aktienrechts ist es sicherzustellen, dass die Interessen der Eigner gegenüber den Managern angemessen zum Tragen kommen können. Das geltende schweizerische Aktienrecht von 1991 sowie die laufende Revision tragen diesen Forderungen nach „checks and balances“ Rechnung.38
Die Eigentümer einer Firma profitieren vom Expertenwissen und Können der angestellten
Manager; diese wiederum verdanken ihren Status und ihre Macht den Aktionären. Gleichwohl ist es nicht selbstverständlich, dass das Management selbstlos die Interessen der
Eigner vertritt und die eigenen hinten anstellt. Dies sicherzustellen ist vielmehr eine zentrale Aufgabe der Corporate Governance einer Firma.
Zurück zur eingangs gestellten Frage: Ist es plausibel, dass Investoren mit einem kurzfristigen Anlagehorizont kein Interesse an langfristig angelegten Unternehmensstrategien
haben? Im Allgemeinen nicht, denn, damit die These zutrifft, müsste unterstellt werden,
dass Aktienmärkte systematisch ineffizient sind. Nur wenn sich Aktienmärkte systematisch täuschen liessen, wäre es möglich, Aktienkurse willentlich höher zu treiben als die
erwarteten künftigen Gewinne eines Unternehmens rechtfertigten. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall.39 Das heisst nicht, dass Märkte ex ante immer effizient wären, oftmals
lässt sich ex post sehr wohl feststellen, dass sie es nicht waren. Es bedeutet lediglich,
dass auf effizienten Märkten Wertpapierkurse alle zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren
Informationen reflektieren. Bei effizienten Aktienmärkten wird sich auch eine Unternehmensstrategie, die kurzfristig Verluste, langfristig aber hohe Profite verspricht, im heutigen
Aktienkurs niederschlagen, da dieser die erwarteten zukünftigen Gewinne des Unternehmens bewertet. Ist die langfristige Strategie tatsächlich die profitablere, so hat jeder Finanzinvestor, unabhängig von seinem eigenen Anlagehorizont, ein Interesse daran, diese
zu unterstützen, denn sie ist in diesem Fall auch kurzfristig die profitablere Strategie. Dies
gilt im Prinzip für kotierte Publikumsgesellschaften ebenso wie für Private Equity. Allerdings wiegen Bewertungsprobleme bei Private Equity oftmals schwerer wegen des Fehlens eines organisierten Marktes und der Informationsasymmetrie. Aber auch ist nicht
davon auszugehen, dass Finanzinvestoren, wenn sie ihr Engagement veräussern (exit)
Käufer systematisch und damit willentlich täuschen könnten.
12. Übermässige Verschuldung?
Eine andere Sorge bezieht sich auf den hohen Grad der Kreditfinanzierung, der die Unternehmen der Gefahr der Überschuldung aussetzt. Anders als es der Begriff Private Equity vermuten lässt, liegt der Eigenkapitalanteil im Rahmen der Akquisitionsfinanzierung
in der Regel lediglich bei 20 bis 30%, während der Rest durch Darlehen finanziert wird
(bei grossen Firmen meist in Form syndizierter Darlehen von internationalen Banken). Der
Kritik kann zunächst entgegen gehalten werden, dass eine tatsächliche Überschuldung
nicht im Interesse des Finanzinvestors sein kann, da sie den Unternehmenswert und damit auch den erzielbaren Verkaufspreis schmälert.
38
Zentral sind die Artikel 716a, 716b und 717 OR. Darin sind die unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats definiert, die Übertragbarkeit der Geschäftsführung an eine
Geschäftsleitung im Grundsatz geregelt sowie die Sorgfalts- und Treuepflicht des Verwaltungsrates und der mit der Geschäftsführung betrauten Personen definiert. Mit der geplanten Revision
des Obligationenrechts soll namentlich die Stellung der Aktionäre als Eigentümer des Unternehmens gestärkt werden. Deren Informationsrechte werden klarer geregelt; ferner werden die
Schwellenwerte für die Ausübung verschiedener Aktionärsrechte gesenkt, so bei der Sonderuntersuchung, beim Einberufungs- und beim Traktandierungsrecht.
39
Die Hypothese informationseffizienter Kapitalmärkte stellt einen essentiellen Bestandteil der
modernen Kapitalmarkttheorie dar.
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25
Wegen des Risikos des Scheiterns der Private Equity-Gesellschaft bzw. der Ungewissheit
über den später erzielbaren Veräusserungsgewinn fordern Private Equity Anleger meist
eine hohe Rendite. Um solche Renditen überhaupt zu erzielen, wird mitunter eine Kreditfinanzierung gezielt eingesetzt, um damit eine Hebelwirkung (leverage) auf die Eigenkapitalrendite zu erzielen.40 Der hohe Fremdkapitalanteil hat zudem aus Sicht der Investoren
eine wichtige Anreizfunktion, da sie als Zinskosten eine disziplinierende Wirkung auf das
Management ausüben. Ob erzielte, sehr hohe Renditen tatsächlich allein auf die Höhe
des eingegangenen Risikos zurückzuführen sind, ist nur im Einzelfall und auch dort nicht
immer schlüssig zu beurteilen. Das erhöhte Risiko, dass ein mit Private Equity finanziertes
Unternehmen aufgrund der Tendenz zur Überschuldung scheitert, ist nicht von der Hand
zu weisen und muss ernst genommen werden. Deshalb aber Private Equity insgesamt
gering zu schätzen, hiesse das Kind mit dem Bade ausschütten.
13. Sanierung einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer?
Die Befürchtung, Finanzinvestoren könnten zur Erhöhung des Gewinns mehr als wirtschaftlich notwendig Arbeitsplätze abbauen, ist in der Bevölkerung weit verbreitet. Ein
Zielkonflikt zwischen einer hohen angestrebten Rendite und hoher Beschäftigung kann
aber allenfalls vorübergehend bestehen. Langfristig können nur dauerhaft ertragsstarke
Unternehmen einen hohen Beschäftigungsstand halten oder diesen sogar ausbauen.
Selbst wenn es sich um eine solche Strategie handelt, kann aber das Engagement eines
Finanzinvestors kurzfristig sowohl mit Personalabbau als auch -aufbau einhergehen.
Übernahmen durch Finanzinvestoren können ebenso die Schaffung neuer Arbeitsplätze
bewirken, wenn z.B. dadurch neue Geschäftsideen realisiert werden, wie auch mit einem
Personalabbau einhergehen, wenn z.B. in der Vergangenheit notwendige Anpassungen
versäumt wurden oder zu wenig auf die Steigerung des Unternehmenswerts geachtet
wurde. In dem Fall sollten aber Arbeitsplatzverluste nicht den Finanzinvestoren zur Last
gelegt werden: Das Auftreten der Finanzinvestoren führt gerade dazu, dass ohnehin notwendige Anpassungen durchgeführt werden. Genau genommen ist es allerdings im Einzelfall nur schwer möglich, die Frage nach den Beschäftigungswirkungen von Private Equity-Investitionen und Übernahmen durch Finanzinvestoren zu beantworten, da hierzu
eigentlich ein Vergleich mit der Beschäftigungsentwicklung vorgenommen werden müsste, die das Unternehmen ansonsten − ohne diese Investitionen beziehungsweise bei
Nicht-Übernahme − aufgewiesen hätte. Somit ist auch der Verweis darauf, dass Private
Equity-Gesellschaften im Durchschnitt Beschäftigung aufgebaut hätten, allein nicht ausreichend. Eine empirische Untersuchung des europäischen Branchenverbandes über die
Auswirkungen von Private Equity zeigt zwar, dass Private-Equity-finanzierte Unternehmen
− verglichen mit ähnlichen, anderweitig finanzierten Unternehmen − überdurchschnittlich
wachsen, mehr Arbeitsplätze schaffen und einen höheren Anteil von F&E-Investitionen
aufweisen.41 Angesichts geringer Fallzahlen und möglicher Selektionsverzerrungen ist die
Studie mit Vorsicht zu interpretieren. Sie wird in der Tendenz allerdings auch durch weite40
Wenn die Gesamtkapitalrendite höher ist als der Fremdkapitalzinssatz, erhöht sich mit zunehmendem Verschuldungsgrad (Verhältnis von Fremd- und Eigenkapital) die Rendite des eingesetzten Eigenkapitals. Hat ein Investor z.B. 100.000 CHF und erzielt eine 10%ige Rendite
(=10.000 CHF), so entsteht ein Leverage-Effekt, wenn er 50.000 CHF Fremdkapital zu 8%
(4.000 CHF Zinsen) bekommen kann. Die Differenz aus Zinsaufwand CHF 4.000 und der zusätzlichen Rendite (10% auf 50.000 CHF) 5.000 CHF ergibt den Leverage-Effekt in Höhe von 1.000
CHF oder 10% auf sein eingesetztes Kapital. Der Leverage-Effekt kann indes auch negative
Auswirkungen auf die Eigenkapitalverzinsung hervorrufen: Liegt die Gesamtkapitalrentabilität unter dem Soll-Zins, verringert sich die Eigenkapitalrentabilität umso stärker, je größer der Anteil
der Fremdfinanzierung an der Gesamtfinanzierung der Investition ausfällt.
41
Eurpean Private Equity and Venture Capital Associations (EVCA): Employment Contribution of
Private Equity and Venture Capital in Europe. Dezember 2005.
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26
re Studien gestützt, die mit mikroökonometrischen Schätzverfahren das Selektionsproblem zu lösen suchen. So kommt etwa eine Untersuchung für Deutschland zum Ergebnis,
dass sich durch eine Venture Capital-Beteiligung das durchschnittliche jährliche Beschäftigungswachstum der Unternehmen mehr als verdoppelte.42
Fazit: Unternehmensfinanzierng wird mannigfaltiger
Nichts wäre falscher, als die geschilderte Entwicklung im Bereich der Unternehmensbzw. Bankenfinanzierung als einen in sich selbst ruhenden Prozess zu verstehen. In der
Tat stellt die beschriebene Ausweitung der Finanzierungsoptionen für viele Unternehmen
lediglich einen wichtigen Teilaspekt im Rahmen eines weltweit ablaufenden Prozesses
der Konsolidierung, Internationalisierung und Spezialisierung dar. Im Rahmen dieses Prozesses erhöht sich die Arbeitsteilung und Spezialisierung laufend weiter. Sicht- und
messbar wird dieser Prozess unter anderem im rasch wachsenden Volumen globaler
bzw. grenzüberschreitender Fusionen und Übernahmen (M&A). Diese sind im Jahre 2005
weltweit sprunghaft um 33% auf insgesamt 2588 Mrd. USD angestiegen.
Der M&A-Markt wird gleichermassen durch zwei Faktoren getrieben. Den technischen
Fortschritt sowie die derzeitige Schwerpunktverschiebung der Weltwirtschaft mit vor allem
Indien und China als sich rasch etablierenden Wachstumspolen.
Insbesondere die schnell wachsenden Hedge Funds und Private-Equity Industrien tragen
zur Diversifikation der Finanzintermediaton bei. Deren Experten evaluieren unablässig
und weltweit Opportunitäten; dabei entdecken sie Wachstumspotenziale von Firmen, die
sie durch entsprechende Finanztransaktionen (M&A, Management Buy Out etc.) zu erschliessen versuchen.
Solche Transaktionen werden im Moment durch weitere Faktoren begünstigt, insbesondere die niedrigen Zinsen sowie die weltweit gute Verfassung der Aktienmärkte. Auch verfügen viele Firmen zur Zeit über reichlich liquide Mittel.43
Firmen können ihre Free Cash Flows unterschiedlich verwenden. Sie können sie zum
Ausbau ihres Geschäftes einsetzen, sofern rentable Investitionsvorhaben existieren; sie
können damit fremde Firmen kaufen. Schliesslich können sie die Mittel ihren Eignern zurückzahlen, sei es durch Gewinnausschüttungen (Dividenden) oder, indem sie einen Teil
ihres Kapitals zurückzahlen, indem sie ihren Eigentümern Aktien abkaufen (Nennwertrückzahlung). In der Realität geschieht alles zugleich. Vor allem Aktienrückkaufsprogramme haben in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. In den USA haben
die 500 grössten Firmen letztes Jahr eigene Aktien im Wert von total 300 Milliarden USD
zurückgekauft (und rund 200 Milliarden USD Dividenden bezahlt). Ähnliches lässt sich
von grossen Schweizer Firmen sagen. Die UBS hat z.B. zwischen 2000 und 2004 ihren
Aktionären über Nennwertrückzahlungen, Dividenden und Aktienrückkäufe insgesamt 32
Milliarden CHF ausbezahlt. Dies entsprach rund 60% des gesamten Cashflows, den UBS
in dieser Periode erwirtschaftet hat.
Worin besteht der Zusammenhang zwischen der hier skizzierten Praxis grosser Firmen
und neuen Finanzierungsformen wie Private Equity und Mezzanine, die auch von KMUs
genutzt werden? Wenn manche grossen Firmen erheblich Kapital freisetzen, sei dies
durch Dividendenzahlungen und/oder Aktienrückkäufe, steigt der Anlagebedarf. Dieses
Kapital sucht nach lukrativen Anlagemöglichkeiten. Deren Vermittlung erfolgt durch Finanzintermediäre. Diese entwickeln neue Techniken und Instrumente und ermöglichen
ihren Anlegern dadurch den Zugang zu neuen Anlagesegmenten. Umgekehrt ermöglicht
42
Engel, Dirk (2003) Höheres Beschäftigungswachstum durch Venture Capital? Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Discussion Paper No. 01-34, Mannheim.
43
Was sich unter anderem darin widerspiegelt, dass heute rund 70 Prozent der Akquisitionen bar
bezahlt werden – im Jahr 2000 wurden noch 70 Prozent durch Aktientausch finanziert.
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
27
derselbe Prozess rasch wachsenden Firmen ihren entsprechenden Kapitalbedarf zu befriedigen. Dieser Prozess läuft unter Wettbewerbsbedingungen ab; d.h. die kapitalanbietenden Akteure suchen nach möglichst vorteilhaften Rendite/Risiko-Kombinationen, während die Kapitalnachfrager nach möglichst günstigen Finanzierungskonditionen streben.
Der Markt für Finanzintermediation reagiert auf diese divergierenden Erfordernisse durch
Innovationen.
Neue Formen der Unternehmensfinanzierung – SBVg – Juli 2006
28
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