Versorgung mit Cochlear Implantaten

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Versorgung mit Cochlear Implantaten
J. Müller-Deile
Cochlear - Implant Centrum Schleswig – Kiel
Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie
des Klinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Direktorin Prof. Dr. P. Ambrosch
Dipl.Phys. Joachim Müller-Deile
HNO Uni Klinik
Audiologie
Arnold-Heller-Strasse 14
24105 Kiel
Tel.:0431 597 2273
E-Mail: [email protected]
Die Leserin/der Leser soll über folgende Fragenkomplexe informiert werden :
1.
2.
3.
4.
5.
Was ist ein Cochlear Implant und wie funktioniert es ?
Wem kann mit einem Cochlear Implant geholfen werden und wie wird die Indikation
gestellt?
Wie ist der Ablauf der Cochlear Implant Versorgung?
Welche Aufgaben haben Pädagogen und Logopäden bei der Cochlear Implant Versorgung?
Wie erfolgt die Qualitätssicherung bei der Cochlear Implant Versorgung?
1
Fragen zur Selbstkontrolle
Welche Patienten sind für ein Cochlear Implant geeignet ?
1.
Von Geburt an taube und resthörige Kinder und Erwachsene.
2.
Patienten, bei denen die Rückkopplung der Hörgeräte nicht beherrschbar ist oder die
erhebliche Probleme mit den Otoplastiken haben.
3.
Patienten, die mit ihren Hörgeräten im Störgeräusch nicht mehr als 60% im Einsilbertest erreichen.
4.
Patienten, die an keiner postoperativen Therapie teilnehmen können oder wollen.
5.
Von Geburt an taube Kinder sowie ertaubte und resthörige Kinder und Erwachsene.
Was verstehen sie unter dBopt ?
1. Eine neue Option, der Deutschen Bahn zur attraktiven Fahrkartenpreisgestaltung.
2. Den Schalldruckpegel bei dem die bestmögliche Sprachverständlichkeit erzielt wird.
3. Den Sprachschallpegel bei dem das Open Paragraph Tracking durch geführt wird.
4. Die optimale Kalibrierung der Lautheit bei der Cochlear Implantat Überprüfung.
Wofür dient das Kieler Kinder Profil?
1. Das Kieler Kinder Profil dient der Operationsplanung und gibt die mittlere Ansicht der
norddeutschen Kinder Köpfe von der CI implantierten Seite.
2. Das Kieler Kinder Profil beschreibt klar und allgemeinverständlich die Vorsorgeuntersuchungen, die für die Indikationsstellung zum Cochlear Implant notwendig sind.
3. Das Kieler Kinder Profil bietet eine übersichtliche Darstellung der Ergebnisse der audiologischen Untersuchungen im Rahmen der Kontrolluntersuchungen nach Cochlear
Implant Versorgung.
4. Das Kieler Kinder Profil ist eine ausgezeichnete Schuhbesohlung die bei kleinen Kindern die Unfallgefahr in regennassem Gelände reduziert und so das Implantat schützt.
Was bedeutet die Abkürzung NRT und wofür wird es benötigt?
1.
Die Neuro Radiologische Tomographie wird im Rahmen der Voruntersuchungen vor
Cochlear Implantation zur Darstellung des Hörnerven und Beurteilung der Cochlea
eingesetzt.
2
Die Neural Response Telemetry wird zur Messung von elektrisch evozierten Summenaktionspotentialen eingesetzt und liefert nützliche Informationen für die Sprachprozessoranpassung bei Kindern.
3.
Der Natale Reaktions Test dient der Früherkennung von Hörstörungen und ist ein
wichtiges Hilfsmittel, Kinder für eine frühzeitige Cochlear Implant Versorgung auszuwählen.
4.
Die Nanny Rehabilitation for Toddlers ist ein spezielles Hörtrainingsverfahren, das mit
großem Erfolg im Rahmen der Basistherapie bei kleinen Kindern eingesetzt wird.
5.
New Recreative Toddy ist ein Getränk, das gerne von erschöpften Therapeuten nach
einem erfüllten Arbeitstag mit CI-Nutzern als Alternative oder begleitend zum SSGLesen genossen wird.
2
Zusammenfassung
Das Cochlear Implant bietet die Möglichkeit, die ausgefallene Innenohrfunktion durch ein
technisches System zu ersetzen und den Patienten so, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, das Hören und Verstehen zu ermöglichen. Für diese Therapie geeignet sind taub geborene Kinder sowie ertaubte und resthörige Kinder und Erwachsene. Bei congenital tauben Kindern ist der Versorgungserfolg um so größer, je jünger sie bei der Implantation sind. Die Implantation setzt eine umfangreiche adäquate Diagnostik voraus, die nicht nur medizinische
sondern auch psychosoziale und pädagogische Aspekte abklären muss. Die Operation ist ein
anspruchsvoller mikrochirurgischer Eingriff, bei dem Komplikationen selten sind. Nach der
Einheilung des Implantates muss der sogenannte Sprachprozessor des Cochlear Implant Systems interaktiv mit dem Patienten an seine individuellen Bedürfnisse angepasst werden. Dieses Vorgehen wird insbesondere bei Kindern durch die Ergebnisse objektiver Untersuchungen
unterstützt. Die notwendigen Messungen werden zum Teil bereits während der Operation
durchgeführt. So lassen sich zum Beispiel bei der neuralen Antwort-Telemetrie die intracochleären mehrkanaligen Elektroden sowohl zur Stimulation des Hörnerven als auch zur Registrierung der Reizantworten, der evozierten Aktionspotentiale, nutzen. Der Erfolg der gesamten Maßnahme wird wesentlich durch die postoperative Basistherapie bestimmt. Sie erfolgt
in speziellen Zentren in denen Pädagogen, Logopäden, Audiologen und Mediziner eng zusammenarbeiten. Um den Verlauf der Habilitation bei Kindern beziehungsweise Rehabilitation von Erwachsenen zu evaluieren sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen notwendig. Die
Befunde werden zur Qualitätssicherung in den Kieler CI Profilen für Kinder und Erwachsene
dokumentiert.
Schlüsselwörter
Cochlear Implant, Indikation, Taubheit, Resthörigkeit, Basistherapie, Audiometrie, Dokumentation, Qualitätssicherung, Sprachprozessor Anpassung
3
Einleitung
Mit einem Cochlear Implant können taube Menschen wieder hören, wenn die Taubheit auf
einem Ausfall des Sinnesorgans beruht und der Hörnerv erhalten ist. Das Cochlear Implant
(CI ) ist die einzige Möglichkeit, bei ausgefallenem Innenohr mit Hilfe elektrischer Reizung
des noch funktionsfähigen Hörnervs auditive Sensationen, also Hörempfindungen, und
Sprachverstehen zu ermöglichen. Das CI wurde in den vergangenen Jahren von einer experimentellen Versorgung tauber Patienten zu einer anerkannten klinischen Therapieform entwickelt. Gehörlose Kinder mit einer angeborenen oder erworbenen Taubheit sowie postlingual,
also nach dem Spracherwerb ertaubte Erwachsene werden mit dieser Innenohrprothese erfolgreich versorgt.
Funktion
Das Cochlear Implant System besteht aus mehreren Komponenten, die zum einen im Rahmen
einer mikrochirurgischen Operation implantiert, zum anderen außen am Körper getragen werden (Abbildung 1).
Abbildung 2 Schema der Cochlear Implant Komponenten
Das Mikrophon wandelt den Schall in ein analoges elektrisches Signal, das im Sprachprozessor verarbeitet und
mit patientenspezifischen Daten zu einem digitalen Code kombiniert wird. Dieser wird auf einen Hochfrequenzträger moduliert und induktiv über die Sende- und Empfängerspule durch die geschlossene Haut zum Stimulator
geleitet. Hier wird er in elektrische Reize für die einzelnen Elektroden gewandelt, um den Hörnerven zu stimulieren und damit einen Höreindruck auszulösen.
Die Druckschwankungen des Schallfeldes werden von einem meistens hinter dem Ohr getragenen Mikrophon registriert und in ein elektrisches Signal gewandelt. Dieses wird in dem
sogenannten Sprachprozessor analysiert und so unter Einbeziehung gespeicherter patientenabhängiger Daten verarbeitet, dass Reize für die einzelnen implantierten Elektroden erzeugt
werden. Sie werden kodiert und dann mit einem Radiofrequenzsignal, transcutan, durch die
geschlossene Haut, übertragen. Hierzu wird mittels eines Magneten eine Sendespule extern
über der unter die Kopfhaut implantierten Empfangsspule fixiert. Mit dieser induktiven Über4
tragung der Information erfolgt auch gleichzeitig die Energieversorgung der implantierten
Komponenten, so dass der implantierte Teil des Systems nicht gewartet werden muss. Das
Signal der implantierten Spule wird in dem Stimulator zu Reizen für die einzelnen Elektroden
dekodiert und über ein Kabel zu diesen geleitet. Je nach Hersteller sind auf dem in die Scala
tympani eingeführten Elektrodenträger 12 – 22 Elektroden angeordnet.
Ziel der Signalverarbeitung in dem Sprachprozessor ist es, den Hörnerven so mit elektrischen
Reizen zu stimulieren, dass die Nervenfasern ein Erregungsmuster nach Zentral leiten, das
möglichst ähnlich dem ist, das bei intakter Cochlea durch die Haarzellen bei dem gleichen
Schallsignal erzeugt wird. Um so Sprache in ein elektrisches Signal zu wandeln, das dann
durch Reizung über die intracochleären Elektroden auf dem Hörnerv ein Informationsmuster
erzeugt, das zum Sprachverständnis führt, werden unterschiedliche Kodierungsverfahren eingesetzt (Wilson 1993) [1]. Hier hat die Forschung große Fortschritte erzielt, wenn sie durchaus noch nicht als abgeschlossen gelten kann. Die sprachbezogene Merkmalsextraktion, die
bis Mitte der neunziger Jahre überwiegend eingesetzt wurde, ist zugunsten immer detaillierterer spektraler Information mit besserer zeitlicher Auflösung verlassen worden.
Mit den neuen sehr hochratigen Stimulationsstrategien, herstellerabhängig sind z.Z. bis 5 kHz
pro Kanal möglich (Freyns et al 2003) [2], ist die Hoffnung verbunden, dass die Übertragung
einer besser aufgelösten zeitlichen Feinstruktur des Signals möglich ist. Anders als es bei akustischer Stimulation über das intakte Innenohr zu beobachten ist, führt die elektrische Stimulation zu einer starken Synchronisation über eine große Population von Nervenfasern. Diese befinden sich dann auch alle zur gleichen Zeit in der Refraktärphase und können auf eine
erneute Stimulation nicht reagieren. Sehr hohe Reizraten können die Antworten desynchronisieren und so kann es möglich werden, kürzere zeitliche Intervalle und damit die für eine bessere Verständlichkeit insbesondere im Störgeräusch und für einen Musikgenuss notwendige
Feinstruktur des akustischen Signals auch bei Elektrostimulation zu nutzen (Rubinstein et al.
1999)[3].
Indikation
Wenn Lehnhardt 1989 schreibt „Hörrestige dürfen nach unserem Verständnis nicht intrakochleär operiert werden“[4], so wissen wir heute, dass auch diese Patienten, die mit ihren
Hörgeräten ein gewisses, jedoch ungenügendes Sprachverständnis erreichen, von einem
Cochlear Implant profitieren können. Insofern wurde die Indikationsstellung von der Forderung nach einer beidseits vollständig erloschenen Innenohrfunktion, die auch mit den bestangepassten Hörgeräten kein Zahlenverstehen erlaubt, hin zu resthörigen Patienten erweitert.
Heute versorgen wir erfolgreich Patienten mit einem Cochlear Implantat, die mit ihren Hörgeräten im Freiburger Sprachverständlichkeitstest (Hahlbrock 1957)[5] bei 65 dB nicht besser
als 30% Einsilberverständlichkeit erreichen (Fraysse et al 1998)[6]. Bei vielen dieser Patienten ist das Restgehör so gut, dass sie noch ein hundertprozentiges Zahlenverständnis im Freiburger Mehrsilber Test über ihre Hörgeräte erzielen.
Die Ergebnisse im Freiburger Sprachverständlichkeitstest einer Gruppe erwachsener resthöriger Patienten, die mit Hörgeräten präoperativ besser als 80 % Zahlenverständlichkeit bei 80
dB erzielt haben (im Mittel 91 ± 13 %), sind in Abbildung 3 wiedergegeben. Ein Jahr nach
der Erstanpassung des Cochlear Implant Systems erreichen zweidrittel dieser Patienten im
Freiburger Einsilber Test bei 70 dB mit dem Cochlear Implant mindestens 70 % (im Mittel 73
± 25 %). Dies entspricht einem Gewinn gegenüber der Hörgeräteversorgung von 55 ± 26 %
im schwierigen Einsilbertest. In Abhängigkeit von ihrem Sprachverstehen mit dem Hörgerät
auf dem Gegenohr nutzen einige dieser Patienten das Cochlear Implant zusammen mit dem
Hörgerät mit Gewinn.
5
100
Sprachverständlichkeit [ % ]
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10 11
12 13 14 15
16 17 18 19
Patienten
Zahlen vor CI 80 dB
Einsilber vor CI 70dB
Einsilber mit CI 70 dB
Abbildung 4 Freiburger Sprachverständlichkeitstest bei resthörigen CI Patienten.
Daten von 19 erwachsenen CI Trägern, die mit ihren Hörgeräten bei den Voruntersuchungen keine schlechtere
Sprachverständlichkeit als 80 % im Zahlentest bei 80 dB erreichten. Es sind die Ergebnisse der präoperativen
Messungen mit Hörgerät im Zahlentest bei 80 dB und im Einsilbertest bei 70 dB den Ergebnissen im Einsilbertest bei 70 dB mit CI ein Jahr nach Erstanpassung gegenübergestellt. Mit CI erreichen diese Patienten im Freiburger Zahlentest 100 %-Verständlichkeit mindestens im Bereich zwischen 60 und 85 dB.
Wenn also resthörige Patienten mit gutem Erfolg mit einem CI versorgt werden, fällt es leichter, jungen und sehr jungen Kindern, bei denen sich häufig ein tieffrequentes Restgehör nicht
absolut sicher ausschließen lässt, die Chance einer Hörsprachentwicklung mit einer Cochlear
Implant Operation zu eröffnen. Die Indikationsstellung bei Kindern wird in der Regel nicht
ohne eine Beobachtungsphase bei optimierter Hörgeräteversorgung und sonderpädagogischer
Frühförderung von ca. sechs Monaten erfolgen. Eine Ausnahme bilden Ertaubungen in Folge
einer bakteriellen Meningitis, bei denen die Gefahr einer Obliteration der Cochlear innerhalb
weniger Wochen besteht. Die alterskorrigierte Aufblähkurve bei 2 und 4 kHz sollte nicht
besser als 50 dB sein, damit Kindern ein Cochlear Implant empfohlen werden kann. Für die
Indikationsstellung mindestens ebenso wichtig wie die reaktions- oder spielaudiometrisch
bestimmten Aufblähkurven sind die Beobachtungen der betreuenden Fachleute, dass eine ausreichende auditive Sprachperzeption ausbleibt und die Sprachproduktion sich nicht adäquat
entwickelt. Selbstverständlich sind diese Untersuchungen durch objektive audiometrische
Verfahren zu ergänzen, mit denen nachgewiesen wird, dass es sich um einen Innenohrschaden
handelt.
Entscheidend für den Erfolg der Cochlear Implant Versorgung beim Kleinkind ist das frühzeitige Erkennen des Hörschadens und eine Implantation innerhalb der ersten Lebensjahre. Je
jünger congenital taube Kinder zum Zeitpunkt der Cochlear Implant Versorgung sind, desto
vielversprechender ist der Rehabilitationserfolg. Sind von Geburt an taube Kinder bei der Implantation älter als etwa sechs Jahre, so ist mit erheblich gesteigertem Rehabilitationsbedarf
zu rechnen. Prälingual taube Teenager müssen ebenso wie Erwachsene, die taub geboren wurden, mit vergleichsweise geringem Nutzen durch das Implantat rechnen. In diesen Fällen ist
eine Implantation nur unter besonders günstigen Bedingungen empfehlenswert.
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Voruntersuchungen
Neben den beschriebenen audiologischen Untersuchungen ist eine intensive präoperative
Diagnostik notwendig, bevor der implantierende Operateur die Indikation zum CI stellen
kann. Er stützt sich dabei auf Daten, die von einem multidisziplinären Team erhoben werden.
Neben den HNO-ärztlichen, neuropädiatrischen, anästhesiologischen und audiologischen sind
besonders die logopädisch-phoniatrischen Befunde und die der betreuenden Pädagogen wichtig. Nicht nur zur Operationsplanung sind die Ergebnisse bildgebender Untersuchungen unverzichtbar, auch im Rahmen der Indikationsstellung ist es wichtig, die anatomischen Strukturen zu beurteilen. Die neuroradiologische Diagnostik stützt sich dabei auf ein hochauflösendes Computer-Tomogramm und wenn es notwendig ist auch auf eine Kernspintomographie.
Kontraindikationen für eine Cochlear Implant Versorgung sind in schwersten anatomischen
Missbildungen zu sehen, wenn z.B. die Cochlear oder der Hörnerv gar nicht angelegt sind.
Auch wenn der Hörnerv soweit ausgefallen ist, dass eine Elektrostimulation nicht zu auditiven Sensationen führt, wird von einer Cochlear Implantation abgesehen. In diesen Fällen
könnte ein auditorisches Hirnstammimplantat hilfreich sein. Eine nicht sichergestellte postoperative Rehabilitation ist eine absolute Kontraindikation. Während im Verlauf einer akuten
Mittelohrinfektion zwar nicht operiert werden wird, ist nach der Sanierung jedoch in der Regel eine CI Operation problemlos möglich (Lenarz et al 2001) [7].
Operation
Sind alle Voraussetzungen erfüllt, kann der Patient mit einem Implantat versorgt werden. Er
wird zur Operation stationär aufgenommen. Das operative Vorgehen ist standardisiert und
komplikationsarm. Als Zugang wird von uns ausschließlich ein Schnitt hinter dem Ohr verwendet, der sehr viel kleiner ist als die von Lehnhardt beschriebene und bis 2001 auch von
uns routinemäßig eingesetzte Inzision (Lehnhardt 1998)[4]. Der Hautschnitt entspricht in etwa dem bei anderen Mittelohroperationen eingesetzten. Bei dieser sehr viel weniger invasiven
Technik wird das Cochlear Implantat nach dem Fräsen eines Knochenbetts in einer Tasche
unter der straffen Kopfhaut fixiert. Von dort wird ein Kanal für den Elektrodenträger durch
den Warzenfortsatz ins Mittelohr gebohrt um so den Zugang zum Innenohr herzustellen. Dieses neue Vorgehen hat sich mit den in Deutschland zur Zeit eingesetzten Systemen Clarion,
Cochlear und MedEl bewährt. Mit der operativen Eröffnung der Cochlea mittels der „soft
surgery technique“ (Lehnhardt 1993)[8] ist es in einigen Fällen möglich, tieffrequente Hörreste nach der Implantation des Elektrodenarrays zu erhalten. Vereinzelt nutzen Patienten diese
Hörreste in dem sie auf dem gleichen Ohr wie das Cochlear Implant zusätzlich ein Hörgerät
tragen (von Ilberg et al 1999)[9]. Diese Operationstechnik wird auch bei tauben Patienten
ohne Restgehör eingesetzt, da durch das behutsame Einführen des Elektrodenträgers eine geringe Traumatisierung und damit eine möglichst reizlose Einheilung erreicht wird.
Während das Innenohr bereits bei der Geburt vollständig ausgewachsen ist, nimmt die Schädelgröße innerhalb der ersten Lebensjahre erheblich zu. Dabei vergrößert sich der Abstand
zwischen dem intracochleären Elektrodenarray und dem unter der Kopfhaut liegenden Stimulator um bis zu 2 cm (Dahm et al 1993)[10]. Damit die Elektroden ihre Lage innerhalb der
Cochlea im Verlauf des Wachstums nicht verändern oder gar herausgezogen werden, muss im
Mittelohr und dem ausgebohrten Warzenfortsatz eine ausreichend lange Kabelreserve untergebracht werden, die den Längenzuwachs ausgleicht, ohne dabei Zug auf den Elektrodenträger auszuüben.
Direkt vor der Operation wird das Implantat in physiologische Kochsalzlösung gelegt und auf
seine Funktion überprüft. Diese Kontrollen werden wiederholt, wenn das Elektrodenarray in
die Scala tympani eingeführt ist und die Öffnung der Cochlear mit Bindegewebsstückchen
abgedichtet wird. Zusätzlich zu diesen rein technischen telemetrischen Kontrollen mit der
Registrierung der Elektrodenimpedanzen, lässt sich die Wirkung der elektrischen Stimulation
über das Implantat auf das Hörsystem bereits zu diesem Zeitpunkt messen. Hierzu dient die
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Registrierung des Stapediusreflexes ebenso wie die Messung von elektrisch evozierten Potentialen der Hörbahn. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen dienen nicht nur der Funktionskontrolle, sondern liefern wichtige Informationen, die insbesondere bei der Sprachprozessoranpassung von Kindern benötigt werden.
Die korrekte intracochleäre Position der Elektroden wird röntgenologisch geprüft.
Komplikationen bei der Operation sind selten und übersteigen die einer Mittelohroperation
nicht. Der stationäre Aufenthalt wird durch den Verlauf der Wundheilung bestimmt und dauert etwa eine Woche.
Um das Risiko einer Meningitis zu reduzieren, empfehlen wir generell allen CI Patienten eine
Impfung gegen Pneumokokken und Hämophilus B.
Erstanpassung
Nach einer Einheilungsphase von ungefähr einem Monat erfolgt dann die Erstanpassung des
externen Sprachprozessors an die Bedürfnisse des Patienten. Sie geht parallel mit dem Beginn
eines intensiven Hör- und Sprachtrainings und erfordert in der Regel einen ein- bis zweiwöchigen stationären Aufenthalt.
Für die elektrische Reizung des N. acusticus werden häufig monopolare Stimulationsmodi mit
der Referenz am Stimulatorgehäuse oder unter dem M. temporalis gewählt. Sie haben gegenüber bipolarer Stimulation, bei der die Referenzelektrode aus den intracochleären Elektroden
gewählt wird, den Vorteil, dass in der Regel die Schwellenunterschiede benachbarter Elektroden nur gering sind und dass zum Erreichen der maximalen Lautheit weniger Stimulationsintensität benötigt wird.
Schwellenbestimmung
Eine wichtige Aufgabe der Anpassung der Sprachprozessoren besteht in der Bestimmung von
Schwellenwerten. Zur Festlegung der Hörschwelle (T), also der Reizintensität, bei der der
Patient gerade etwas sehr leise wahrnimmt, und des Wertes maximal angenehmer Lautheit
(M) nutzen wir die aus der Audiometrie bekannten psychoakustischen Verfahren. Für jede
Elektrode wird aus dem unhörbaren Bereich kommend die Reizstärke gesteigert, bis der Patient den ersten Höreindruck angibt. Dieses Vorgehen wird so lange wiederholt, bis die Reizintensität, bei der der Patient gerade eine Hörempfindung hat, sicher gefunden ist. Es folgt die
Messung bei der nächsten Elektrode. Auffällig abweichende Elektroden sollten, nachdem die
T-Werte aller Elektroden bestimmt sind, nochmals gemessen werden. Abweichend von dem
für die Reintonaudiometrie standardisierten Verfahren (ISO 8253)[11] erweist es sich häufig
für das Sprachverstehen günstig, nicht die Hörschwelle, die bei dem ansteigenden Verfahren
ja erreicht ist wenn die Hälfte der Stimuli erkannt wurde, zur Bestimmung des T-Wertes
heranzuziehen, sondern einen Pegel, bei dem alle Reize sicher erkannt werden. Dies lässt sich
überprüfen, indem der Patient gebeten wird, die angebotenen Stimuli zu zählen, eine Aufgabe,
die häufig insbesondere für Patienten mit Tinnitus leichter ist als die Schwellenbestimmung
mit ansteigender Pegelfolge.
Bei sehr hohen Stimulationsraten ist der Lautheitsanstieg in Schwellennähe recht flach, so
dass eine exakte T-Wertbestimmung in vielen Fällen keinen Gewinn in der Sprachverständlichkeit bringt. Hiervon ausgehend empfehlen einige Hersteller im Rahmen der Erstanpassung
die T-Werte nicht zu messen, sondern sie auf 10% der M-Werte festzulegen, um Zeit zu sparen.
Die Bestimmung der für angenehme Lautheit notwendigen Reizstärke (M) erfolgt durch langsame Reizerhöhung. Häufig ist es nützlich, dem Patienten selbst die Möglichkeit der Pegelvariation zu geben.
Nachdem der nutzbare Dynamikbereich für jede Elektrode durch die Bestimmung von T- und
M-Werten festgelegt worden ist, wird die Lautheit benachbarter Elektroden auf dem M-Pegel
angeglichen. Für eine gute Gesamtqualität und einen möglichst natürlichen Klang ist es wich8
tig, dass die Lautheitsempfindung bei allen Elektroden des Arrays gleich ist. Häufig ist diese
Aufgabe des Lautheitsabgleichs für die Patienten sehr schwer, insbesondere dann, wenn die
Reizung benachbarter Elektroden mit unterschiedlichen Tonhöhenempfindungen verbunden
ist.
Lautheitsskalierung
Um eine genauere Vermessung des Lautheitsanstiegs in Abhängigkeit von der Reizstärke bei
elektrischer Stimulation durchzuführen und damit zu einer verbesserten Feinanpassung zu
gelangen, präsentieren wir elektrische Stimuli unterschiedlicher Intensität in zufälliger Reihenfolge über eine Elektrode. Die Cochlear-Implant-Patienten müssen dann anhand einer elfstufigen Skala zwischen „nicht gehört“ und „zu laut“ ihre Lautheitsempfindung beschreiben.
Die Abbildung 3 zeigt zwei Beispiele so gemessener Lautheitsanstiege in Abhängigkeit von
der Stimulusstärke. Nicht immer erfolgt der Anstieg so linear wie bei der Elektrode 19 dieses
Patienten. Recht häufig sehen wir Elektroden mit einem sogenannten T-Tail. Hier steigt über
einen relativ weiten Bereich in der Nähe der Hörschwelle die empfundene Lautheit nicht mit
steigender Reizstärke an. In diesen Fällen erweist es sich für das Sprachverstehen als günstiger nicht die Hörschwelle, sondern den Knickpunkt der Lautheitsanstiegsfunktion zur Programmierung heranzuziehen.
Abbildung 3 Lautheitsanstieg bei Elektrostimulation
Der mit kategorialer Lautheitsskalierung registrierte Lautheitsanstieg bei elektrischer Stimulation ist in Abhängigkeit der Stimulusintensität für zwei Elektroden (E19 und E2) eines Arrays dargestellt. Der erwachsene, postlingual ertaubte, erfahrene CI Patient skaliert dabei die Lautheit von 1 ms langen 500 Hz Bursts auf einer 11teiligen Skala, die von unhörbar (0) bis zu laut (50) reicht.
Objektive Verfahren
Wenn wir immer jüngere Kinder mit einem Cochlear Implant sehr erfolgreich versorgen, ist
es selbstverständlich, dass wir von ihnen subjektive Antworten, wie wir sie bei der Feinanpassung der Sprachprozessoren bei Erwachsenen erwarten, nicht erhalten können. Bei von Geburt an tauben Kindern kommt erschwerend hinzu, dass diese kleinen Patienten mit einem
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Stimulus völlig neuer Qualität konfrontiert werden. Die jüngsten in Kiel implantierten Kinder
waren zum Zeitpunkt der Erstanpassung noch kein Jahr alt, so dass wir uns in diesen Fällen,
wie in der Pädaudiometrie allgemein, gerne neben den subjektiven kinderaudiometrischen
Methoden, wie Reaktions- und Spielaudiometrie, auf sogenannte objektive Verfahren stützen.
Hierbei handelt es sich um Untersuchungsmethoden, die keine direkte Mitarbeit des Patienten
voraussetzen und Anhaltspunkte für die zur Anpassung benötigten Parameter liefern. Diese
Untersuchungen können direkt nach der Implantation des Elektrodenarrays noch im Operationssaal durchgeführt werden.
Abbildung 4 Stapediusreflexe bei elektrischer Stimulation
Bestimmung der Stapediusreflexschwelle an 22 Elektroden eines mit einem Nucleus CI 24 versorgten Patienten.
Contralateral zum CI wird mit handelsüblichem Impedanzmessgerät der Reflex registriert, der mit 1 Sekunde
langen 1,2 kHz Bursts unterschiedlicher Intensität über das Implantat ausgelöst wurde.
Stapediusreflex
Ebenso wie bei akustischer Stimulation kommt es bei deutlich überschwelliger elektrischer
Reizung des Hörnervs zur Auslösung des Stapediusreflexes. Dies ist ein akustikofazialer Reflex mit dem Hörnerven als afferentem und dem Nervus facialis als efferentem Schenkel des
Reflexbogens. Der N. facialis enerviert nicht nur die Gesichtsmuskulatur, sondern auch einen
kleinen Muskel im Mittelohr, den M. stapedius, dessen Sehne am Steigbügel ansetzt. Die evozierte Kontraktion dieses Muskels lässt sich intraoperativ mit dem Operationsmikroskop
beobachten. Postoperativ wird der Stapediusreflex, wie in der klinisch-audiometrischen Rou10
tine üblich, durch Registrierung der damit verbundenen akustischen Impedanzänderung gemessen. Zur Auslösung des Reflexes wird dabei nicht akustisch, sondern mit einer Serie elektrischer Impulse von 1s Dauer stimuliert. Die Amplitude der Impedanzänderung nimmt mit
steigender Stimulusintensität bis zu einem Sättigungswert zu. Durch systematische Variation
der Reizintensität lässt sich die Reflexschwelle bestimmen, also die kleinste Reizstärke, bei
der sich der Stapediusreflex registrieren lässt (Abbildung 4). Die Stapediusreflexschwellen
liegen bei erwachsenen, erfahrenen Nutzern des Cochlear Implantates im Bereich angenehmer
Lautheit und können als Schätzwerte für die zur Sprachprozessorprogrammierung benötigten
M-Werte dienen. Dabei wird der psychoakustisch bestimmte Wert der maximalen angenehmen Lautheit im Mittel um 5 % des Dynamikbereiches unterschätzt. Es treten jedoch Abweichungen bis zu 50 % auf (Müller-Deile et al. 1990)[12].
Zieht man diese Schätzwerte im Rahmen der Erstanpassung zur Bestimmung von für die maximale angenehme Lautheit notwendigen Intensitäten heran, ist zu bedenken, dass die vorgestellten Daten bei erwachsenen, erfahrenen Cochlear Implant Patienten gewonnen wurden. In
der Regel beobachtet man einen Anstieg der M-Werte mit der Nutzungsdauer des Implantates. Deshalb sollten bei Kindern in den ersten Programmen M-Werte genutzt werden, die die
Stapediusreflexschwelle nicht überschreiten. Die auf die beschriebene Weise geschätzten MWerte müssen in jedem Fall mit psychoakustischen Verfahren überprüft werden.
NRT
Die neueste Generation der Cochlear Implantate erlaubt, die neurale Antwort auf den elektrischen Stimulus telemetrisch zu registrieren. Bei der sogenannten Neural Response Telemetry
(je nach Hersteller NRT oder NRI genannt) erfolgt mittels der intracochleären Elektroden
nicht nur die Stimulation des Hörnervs, sondern sie werden gleichzeitig als Ableitelektroden
zur Registrierung der evozierten Nervenaktionspotentiale genutzt. Diese neuralen Antworten
werden in dem Implantat verstärkt, kodiert und über die Spulen zum Sprachprozessor zurückgesandt, von wo aus sie in dem auch zur Prozessorprogrammierung benötigten Rechner bearbeitet werden können (Abbas et al 1999, Dillier et al 2002) [13][14]. Es müssen also keine
Elektroden auf die Schädeloberfläche geklebt werden und Bewegungsartefakte spielen auf
Grund der Nähe der Ableitelektroden zum Generator ebenfalls keine entscheidende Rolle. In
Abhängigkeit von der Stimulusintensität wächst das Summenaktionspotential im wesentlichen
linear, so dass sich mittels linearer Regression eine Schwelle, das sogenannte T-NRT,
bestimmen lässt. Verschiedene Autoren haben Verfahren vorgeschlagen, wie die für alle Elektroden registrierten T-NRTs als Basis für die Sprachprozessor-Programmierung dienen
können (Brown et al. 1999, Almquist et al 2000, Smoorenburg et al.2002)[15][16][17].
Wir verwenden bei der Erstanpassung der Sprachprozessoren von kleinen Kindern eine Modifikation des von Smoorenburg vorgeschlagenen Verfahrens. Die mittels NRT für alle Elektroden registrierten Schwellen des Summenaktionspotentials, das sogenannte T-NRT- Profil,
bildet dabei den Ausgangspunkt. Wir erzeugen ein Sprachprozessorprogramm (Map) in dem
wir die T-Werte entsprechend dem T-NRT-Profil wählen und die M-Werte mit einer Dynamik von einer Stimuluseinheit einstellen. Dann reduzieren wir die Werte soweit, dass die Stimulation über diese Map für die Kinder sicherlich unhörbar ist. Nun benutzen wir dieses Programm und stimulieren breitbandig mit lauter Sprache. Mittels Verhaltensbeobachtung können wir nun bei globaler Erhöhung der T- und M-Werte die Reaktionsschwelle bestimmen.
Dann wird der Dynamikbereich durch Absenken der T-Werte auf 50 Stimulationseinheiten
erhöht. Damit wird für das Kind das Sprachsignal sehr leise, vielleicht auch unhörbar, so dass
wir nochmals alle T- und M-Werte schrittweise erhöhen, bis das Kind erneut reagiert. Dabei
achten wir darauf, dass für diese erste MAP die Werte der Stapediusreflexschwellen nicht
überschritten werden. Auf diese Weise sind wir sehr schnell in der Lage, auch für kleine Kinder Maps zu erstellen, von denen wir sicher sind, dass sie zu auditiven Sensationen führen
und ihnen den Weg in die hörende Welt eröffnen können (Abbildung 5).
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Abbildung 5 Schwellenverlauf bei der Sprachprozessorprogrammierung
Elektrodenbezogener Verlauf der Hörschwelle (T-Wert), der Schwelle maximal angenehmer Lautheit (M-Wert)
und der Schwelle des Summenaktionspotentials (T-NRT) eines Kindes am Ende der Erstanpassung (Ausschnitt
des Bildschirms der Sprachprozessoranpasssoftware R126 der Firma Cochlear).
Die intraoperative Registrierung des T-NRT-Profils verlängert die Narkosedauer nicht oder
nur unwesentlich, da die Messung erfolgt während der Operateur die Wunde schließt. Eine
Serie bei der an 22 Elektroden zur Schwellenbestimmung Antworten auf Stimuli mit fünf unterschiedlichen Intensitäten registriert werden dauert 10 Minuten. Schnell und einfach lassen
sich mit dieser neuen telemetrischen Technik wichtige Informationen für die Programmierung
der Sprachprozessoren gewinnen, so dass die E BERA, bei der die elektrisch evozierten auditorischen Hirnstammpotentiale mit Oberflächenelektroden abgeleitet werden, für die Schätzung dieser Parameter an Bedeutung verloren hat.
In jedem Fall müssen die auf der oben beschriebenen Weise gewonnenen Werte mit altersgerechten subjektiven Verfahren überprüft werden. Dabei ist ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Geduld erforderlich, denn die Aufmerksamkeitsspanne und Kooperationsbereitschaft der Kinder ist oft nur kurz. Hier ist eine enge Zusammenarbeit mit den Pädagogen
und Eltern notwendig. Pädaudiologische Verhaltensbeobachtungen über einen längeren Zeitraum sind zur Optimierung der Sprachprozessorprogramme bei Kindern unabdingbar.
Basistherapie
Bei Erwachsenen kann die Basistherapie nach der ein- bis zweiwöchigen stationären Erstanpassung in der Regel teilstationär oder ambulant erfolgen. Der notwendige Aufwand ist am
individuellen Therapiefortschritt ausgerichtet. Dieser ist neben anderem von der Kooperationsfähigkeit, der Ertaubungsursache und –dauer sowie dem Alter der Patienten abhängig und
damit individuell sehr unterschiedlich.
Die Hörübungen müssen sich immer wieder an den Lernfortschritten orientieren. Sie reichen
von der Geräuschdifferenzierung und –identifikation über das Erkennen von Silben- und
12
Wortlängen, über die Vokal- und Konsonantendifferenzierung zum Wortverstehen und dem
offenen Sprachverstehen in Ruhe und im Störgeräusch bis hin zum Telefontraining (Burian et
al 1986)[18]. Ferner werden den Patienten Hilfen zum adäquaten Verhalten in unterschiedlichen Hörsituationen gegeben und der Gebrauch der Technik wird trainiert. Die Patienten werden in die Fehlersuche eingewiesen und lernen den Austausch von defekten Verbrauchsteilen.
Bei den in der Regel ganztägigen Aufenthalten in der Klinik liegt ein weiterer Schwerpunkt
auf der Optimierung und Feinanpassung der Sprachprozessoren und den dazu notwendigen
audiologischen Untersuchungen.
Ziel der Basistherapie bei Kindern ist, ihnen das Hören als einen integralen Bestandteil ihres
Lebens zu vermitteln und sie bei der Entwicklung ihrer sprachlichen und kommunikativen
Fähigkeiten zu unterstützen. Hierzu werden die Kinder mit ihren Eltern in einem für die Rehabilitation nach Cochlear Implantation spezialisierten Zentrum stationär aufgenommen, in
der Regel für 60 Therapietage verteilt über mehrere Jahr. In Einzelfällen kann eine Verlängerung notwendig sein und wird durch die betreuenden Ärzte verordnet. Die jeweilige Kursdauer ist altersabhängig und umfasst bis zu fünf Tage. Auch die Frequenz der Kurse wird von den
Bedürfnissen und der Leistungsfähigkeit des Kindes bestimmt. Die interaktionelle HörSpracherziehung erfolgt nach den Prinzipien des hörgerichteten Spracherwerbs und orientiert
sich an der normalen Sprech- und Sprachentwicklung. Ausgangspunkt der Maßnahmen bei
denen die kommunikativ – situative Interaktion des Kindes mit dem Kommunikationspartner
eine grundlegende Rolle spielt, sind die Interessen und der Entwicklungsstand des kleinen
Patienten. Voraussetzungen wie Alter des Kindes, Dauer der Taubheit und Zeitpunkt der Ertaubung sowie seine allgemeine Entwicklung, seine Intelligenz, seine Kommunikationsfähigkeiten und der Stand seiner Hör-Sprachentwicklung sind wichtige Parameter, die die Therapie
beeinflussen. Die ganzheitlich ausgerichteten Rehabilitationskurse beinhalten neben der HörSprachtherapie eine motorisch-rhythmische, sensorische und kognitive Förderung und eine
intensive Elternarbeit (Diller 1997)[19].
Die Eltern haben eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Cochlear Implant Versorgung, und
der Erfolg der Maßnahme wird nicht unwesentlich von ihrer intensiven Mitarbeit beeinflusst.
Über sachgerechte Informationen zum Umgang mit dem CI-System und eine Schulung im
Erkennen und Beseitigen von Fehlerquellen hinaus, erfolgt eine Anleitung zur Förderung der
Hör-, Sprech- und Sprachentwicklung ihres Kindes und zur Gestaltung einer natürlichen Interaktion im familiären Umfeld (Bertram 1998)[20]. Der Aufenthalt im Cochlear Implant
Zentrum bietet den Eltern auch Möglichkeiten zum Austausch mit anderen Eltern. Die familienzentrierte Ausrichtung macht es notwendig, den individuellen Therapieplan in Zusammenarbeit mit den Eltern zu erstellen.
Diese pädagogische Arbeit im Rahmen der Basistherapie wird ergänzt durch technische Kontrollen des Systems und eine schrittweise Optimierung der Sprachprozessorprogramme. Informationen für diese Feinanpassungen liefern Verhaltensbeobachtungen und altersgerechte
audiometrische Kontrolluntersuchungen.
Nach Abschluss der Basistherapie wechseln immer mehr Kinder in den Regelbereich. Insbesondere bei den frühimplantierten Kindern ist der Lernort dann häufig die Regelschule.
Evaluation und Dokumentation
Die Qualität der Cochlear Implant Versorgung wird ganz wesentlich durch die postoperative
Basistherapie bestimmt. Um den Verlauf der Habilitation bei Kindern beziehungsweise Rehabilitation bei Erwachsenen zu evaluieren und zu dokumentieren, führen wir regelmäßige Kontrolluntersuchungen durch. Sie erlauben uns auch den Verlauf der Folgetherapie den Bedürfnissen der einzelnen Patienten anzupassen. Diese Untersuchungen erfolgen im ersten Jahr
nach der Erstanpassung vierteljährlich, dann einmal im Halbjahr und ab dem dritten Jahr lebensbegleitend jährlich. Sie beinhalten eine ohrenärztliche Untersuchung und allgemeine
13
Abbildung 6 Kieler Erwachsenen Profil zur Dokumentation der auditiven Leistung von CI Pati-
enten.
Es werden die auditiven Leistungen der Cochlear Implant Patienten auf unterschiedlichen Ebenen der auditorischen Verarbeitung dokumentiert. Die Ergebnisse der kategorialen Lautheitsskalierung von Schmalbandrauschen
sind im Hörfeld zusammengefasst. In Form eines Balkendiagramms sind Sprachtestergebnisse in Ruhe und im
Störgeräusch zusammen mit den Daten des audio-visuellen Speech-Tracking (SPT) und der subjektiven Beurteilung des Versorgungserfolges dargestellt. Die Ergebnisse mit dem Freiburger Sprachverständlichkeitstest werden
in der gewohnten Form eines Sprachaudiogramms wiedergegeben.
14
Beratungen, audiometrische und phoniatrische Untersuchungen zur Dokumentation des Hör-,
Sprech- und Sprachstatus und die Überprüfungen der Sprachprozessoranpassung sowie technische Kontrollen des Systems. Eine umfangreiche Evaluation und Dokumentation des Therapieverlaufs ist Grundlage der Qualitätssicherung der gesamten Cochlear Implant Versorgung. Dabei erfolgen die audiologischen Untersuchungen auf unterschiedlichen Ebenen der
auditorischen Verarbeitung (Kießling 1997)[21] .
Hörfeld
Zur Überprüfung der erstellten Programme ist die Bestimmung des Hörfeldes nützlich. Hierzu
werden dem Patienten über Lautsprecher Schmalbandrauschen unterschiedlicher Mittenfrequenz mit ebenfalls zufällig verteiltem Pegel vorgespielt. Über einen berührungsempfindlichen Bildschirm, auf dem die bereits beschriebene Skala abgebildet ist, gibt der CochlearImplant-Patient seine Lautheitsempfindung an (Kollmeier 1997)[22]. Auf diese Weise lassen
sich Werte für sehr leise, mittellaut, sehr laut und zu laut für jede einzelne Frequenz des für
das Sprachverständnis wichtigen Bereiches bestimmen. Diese werden dann in ein Audiogrammformular übertragen, so entsteht das in den Profilen wiedergegebene Hörfeld (Abbildungen 6 und 7 ). Die einzelnen Linien geben Kurven gleicher Lautheit an. Diese sollten ähnlich wie bei einem Normalhörenden horizontal und parallel verlaufen. Man erkennt die typische reduzierte Dynamik sowie Mängel in der Festlegung der T- und C-Werte einzelner Elektroden. Diese können dann in Zusammenarbeit mit dem Patienten ausgeglichen werden.
Sprachaudiometrie
Auch Sprachteste sowohl in Ruhe als auch im Störgeräusch können Möglichkeiten zur Optimierung der Sprachprozessorprogramme aufzeigen.
Zum Beispiel lassen sich mit dem Kieler Logatom Test (Müller-Deile et al 1994)[23] Hinweise auf Probleme in der Zuordnung der Frequenzbänder zu den Elektroden aufdecken, aber
auch Informationen für das logopädische Hörtraining gewinnen. Dabei werden den Patienten
nichtsinnkonnotierte Triphonemkombinationen der deutschen Hochlautung, sogenannte Logatome, von der Harddisk eines PCs über den Lautsprecher vorgespielt und er spricht das nach,
was er verstanden hat. Die Sprachstimuli sind dem vorangestellten Ankündigungssatz „bitte
wiederholen sie das Wort“ in der Lautheit angeglichen. Die Antworten werden genutzt, um
Verwechslungsmatrizen für jedes Phonem zu erstellen. Für die Systeme der Firma Cochlear
sind wir mit Hilfe des in der Züricher Arbeitsgruppe unter Leitung von Dillier erstellten Programms SCILAB [24] in der Lage, mit der aktuellen Map des Patienten für jedes Logatom
das Stimulationsmuster zu erstellen. So können wir auf systematischen Verwechslungen mit
Programmänderungen reagieren. Darüber hinaus bieten die Verwechslungsmatrizen Informationen für das Logopädische Hörtraining, z.B. mit Minimalpaaren.
Die Ergebnisse des Logatomtests werden im Kieler CI Erwachsenenprofil (Abbildung 6) zur
Dokumentation des Rehabilitationsfortschritts als Prozentwert der richtig wiedergegebenen
Phoneme getrennt für den anlautenden Konsonanten, den Vokal und den Konsonanten im
Auslaut dargestellt. Bei der übersichtlichen Darstellung in Form eines Balkendiagramms geben die offenen Säulen die Ergebnisse zurückliegender Untersuchungen wieder.
Für die sprachaudiometrische Kontrolle von Hörhilfen in Ruhe ist im deutschen Sprachraum
der Freiburger Sprachverständlichkeitstest (DIN 45621) etabliert. Die mit dem Mehr- und
Einsilber Teil dieses Tests gewonnen Daten sind in der gewohnten Form eines Sprachaudiogramms in dem Kieler CI Profil grafisch dokumentiert. Zusätzlich werden die Hörschwelle
für Sprache, also der Sprachschallpegel mit dem eine fünfzigprozentige Verständlichkeit er15
reicht wird, der Pegel bester Verständlichkeit (dBopt) und der Diskriminationsverlust in Prozent angegeben.
Die Messung der Diskriminationsfunktion mit den Freiburger Mehrsilbern führen wir hauptsächlich zur Überprüfung und Dokumentation der gewählten Empfindlichkeitseinstellung der
Sprachprozessoren durch. Denn in der Regel erreichen die Erwachsenen bereits während der
Erstanpassung ein hundertprozentiges Zahlenverstehen, so dass dieser Testteil zur Dokumentation von Sprachverständlichkeitsleistungen mit dem CI ungeeignet ist.
Die Einsilberverständlichkeit messen wir bei den klinischen Kontrollen mit 60, 70 und 80 dB
zur Erfassung des mit dem CI verbliebenen Diskriminationsverlusts und des Pegels bestmöglichen Einsilberverstehens. Letzterer sollte möglichst 70 dB nicht überschreiten. Es zeigt sich
jedoch, dass etwa die Hälfte der erfahrenen CI Nutzer die Sprachprozessorempfindlichkeit so
einstellen, dass das dBopt oberhalb des Zielbereichs liegt. Da die Patienten überwiegend die
gewählten Einstellungen nicht ständig den unterschiedlichen Hörsituationen anpassen, werden
in einer normalen ruhigen Kommunikationssituation von diesem Teil der Patienten die Möglichkeiten des CIs nicht voll genutzt.
Einen besseren Eindruck vom Kommunikationsvermögen der Cochlear Implant Patienten in
realen, alltagsrelevanten Hörsituationen erhält man durch die sprachaudiometrischen Untersuchungen im Störgeräusch. Diese werden in der Regel mit Satztesten und sprachähnlichen
Störgeräuschen durchgeführt. Es stehen uns verschiedene Satzteste zur Verfügung.
Der Marburger Satztest hat auf Grund seines altertümlichen Satzmaterials keine Bedeutung
mehr.
Der Innsbrucker Satztest wurde speziell für die Bedürfnisse schlechter verstehender Cochlear
Implant Patienten entwickelt. Er wurde mit einer geschulten Sprecherin aufgezeichnete und
ist Dank der sehr langsamen Sprechweise (im Mittel 121 ± 18 Silben/Min) und der deutlichen
Artikulation recht einfach zu verstehen.
Der Göttinger Satztest ist sehr schnell (im Mittel 279 ± 38 Silben/Min) aufgesprochen und
entspricht in der etwas undeutlichen Artikulation eher der Umgangssprache. Er ist damit für
viele CI Patienten recht schwer.
Der HSM Test [25] liegt im Schwierigkeitsgrad zwischen den beiden anderen Satztesten. Er
ist mit deutlich artikulierter Bühnensprache bei normaler Sprechgeschwindigkeit (im Mittel
222 ± 40 Silben/Min) aufgezeichnet und hat mit 30 Testlisten á 20 Sätzen den größten Umfang. Aufgrund des erheblichen Lerneffekts sollten Listen erst nach einem Zeitraum von etwa
einem Jahr wiederholt werden.
Mit diesen Sprachtesten führen wir Messungen in Ruhe bei einem Sprachschallpegel von 70
dB durch und wenn das Ergebnis oberhalb 70 % liegt, setzen wir den Test auch mit Störgeräusch ein. Dabei wird das jeweilige Geräusch kontinuierlich mit einem Pegel von 65 dB präsentiert und jeweils eine vollständige Liste mit einem festen Signal/Störsignalabstand geprüft.
Diese Versuchsbedingungen sollen eine möglichst große Realitätsnähe ermöglichen. Beim
Betreten eines lärmigen Restaurants es ist ja auch nur möglich den Signal/Rauschabstand zu
verbessern, in dem man lauter spricht. Die richtig wiedergegebenen Worte werden in Prozent
der gesamten Wortzahl als Säulen in Abhängigkeit von dem Signal/Rauschabstand in dem
Profil dargestellt. Dabei werden die Signal/Rauschabstände im Bereich zwischen 0 und 15
dBS/N so gewählt, dass möglichst eine Sprachverständlichkeit unter und eine über 50 % gemessen wird. Die Sprachverständlichkeitsschwelle (L50) lässt sich dann mit linearer Regression berechnen.
Ein schnelles und gut reproduzierbares Verfahren zur Bestimmung der Sprachverständlichkeitsschwelle im Störgeräusch, also dem Signal/Störsignalabstand bei dem die Hälfte aller
Worte verstanden wird (L50), lässt sich mit dem Oldenburger Satztest [26] durchführen. Dabei
wird der Sprachsignalpegel in Abhängigkeit der Satzverständlichkeit des vorhergehenden
Satzes verändert. Wurde mehr als 50 % des Satzes verstanden, wird der Sprachschallpegel
16
reduziert, die Verständlichkeit des nächsten Satzes wird also schlechter werden. Wurde weniger als 50% verstanden, wird der Sprachschallpegel erhöht. Die Untersuchung wird durch
einen Rechner gesteuert, der am Untersuchungsende auch die Sprachverständlichkeitsschwelle aus den Umkehrpunkten der Sprachschallpegel berechnet. Die Darstellung der Ergebnisse
dieser Schwellenmessungen wird als Säule normiert auf die Satzverständlichkeitsschwelle im
Störgeräusch von Normalhörenden dargestellt.
Audiovisuelle Sprachperzeption
Zur Beurteilung der Kommunikationsfähigkeit bei Patienten mit Hörschädigungen wird häufig das sogenannte Speech-Tracking-Verfahren nach de Filippo u. Scott (1978)[27] eingesetzt,
mit dem eine möglichst natürliche Kommunikationssituation nachgebildet werden soll. Um
die große Testvariabilität der Live-Voice-Präsentationen zu reduzieren und eine bessere Reproduzierbarkeit zu erreichen wurden das Open Paragraph Tracking [28] und das Kieler
Speechtrack Programm entwickelt. Dabei werden Textpassagen rechnergesteuert visuell über
einen Videomonitor und auditiv mittels eines Lautsprechers angeboten. Es werden die korrekt
wiederholten Worte pro Zeiteinheit gewertet. Die Untersuchungen werden in den drei Modi
auditiv, visuell und auditiv visuell kombiniert durchgeführt. Sie erlauben es, die Absehleistungen und den Zugewinn der Kommunikationsrate durch die CI-Nutzung zu erfassen.
Subjektive Beurteilung
Eine quantitative Erfassung des subjektiven Versorgungserfolgs führen wir mit einer rechnergestützten systematischen Befragung an Hand der auch bei der Hörgeräteversorgung erfolgreich eingesetzten standardisierten Fragebögen durch. Hierzu nutzen wir das Oldenburger
Inventar [29] und das von Kießling ins Deutsche übertragene Göteborger Profil [30, 31].
Kinder Profil
Bei Kindern lehnen wir uns mit der Testbatterie zur Evaluation der Hör- Sprachentwicklung
an die Ergebnisse des Arbeitskreises „Testmaterial für CI-Kinder“ der Arbeitsgemeinschaft
Deutscher Audiologen und Neurootologen und der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und
Pädaudiologie an (Lamprecht-Dinnesen et al 2002)[32]. Die Daten werden in dem Kieler
Kinder Profil übersichtlich dokumentiert (Abbildung 7).
Hörfeld
Zur Beurteilung des überschwelligen Hörens im Sprachbereich setzen wir auch bei Kindern
die kategoriale Skalierung ein. Wir nutzen dabei eine kindgerechte fünfteilige Skala bei der
die verschiedenen Kategorien durch unterschiedlich große Bären dargestellt werden. Diese
rollen nach der Berührung auf dem Touchscreen mit den Augen und winken. Die Anzahl der
zu messenden Testfrequenzen wird durch die Kooperationsbereitschaft des Kindes bestimmt.
Bei kleinen Kindern, die die Skalierungsaufgabe noch nicht beherrschen, messen wir mit der
Sprachprozessoreinstellung, die von den Patienten täglich genutzt wird, eine Aufblähkurve
und die Unbehaglichkeitsschwelle.
Die Wahrnehmung (Detektion), die Unterscheidung (Diskrimination) und das Erkennen (Identifikation) von Geräuschen wird mit Untertesten des Frankfurter Funktionellen Hörtests
für Kinder (Kiefer et al 1999) [33] untersucht. Mit diesem computergestützten standardisierten Verfahren wird auch überprüft, ob die Kinder in der Lage sind, Einsilber und Mehrsilber
zu unterscheiden.
Sprachaudiometrie
Der Einsatz der traditionellen Kindersprachteste richtet sich nach dem Höralter und dem Entwicklungsstand der Kinder. Wir nutzen die geschlossenen Mainzer Kinder Sprachteste I und
17
Abbildung 7
Kieler Kinder Profil zur Dokumentation der auditiven Leistung von CI Patienten
Es werden die auditiven Leistungen der Cochlear Implant Patienten auf unterschiedlichen Ebenen der auditorischen Verarbeitung dargestellt. Die mit dem FFHT gewonnenen Daten zur Geräusch-Detektion, -Diskrimination
und –Identifikation werden zusammen mit den Ergebnissen der Satzverständnis Teste Kartoffelkopf und GASP,
des audio-visuellen Speechtracking (SPT) und der subjektiven Beurteilung in Form eines Balkendiagramms
dargestellt. Die pegelabhängigen Ergebnisse mit den klassischen Kindersprachtesten (Mainzer und Göttinger)
werden mit den Befunden des Oldenburger Kinderreimtests in Form eines Sprachaudiogramms dargestellt.
18
II mit Bildkarten auf denen die Kinder die verstandenen Wörter zeigen. Der Mainzer Kinder
Sprachtest III und der Göttinger Kindersprachverständnistest I und II werden von uns als offene Teste ohne Bildmaterial durchgeführt. Die Ergebnisse werden in Form eines Sprachaudiogramms in dem Kieler Kinder Profil dokumentiert.
Diese Teste sind nicht zur Untersuchung der Sprachverständlichkeit im Störlärm geeignet.
Durch den fehlenden Ankündigungssatz erweisen sie sich im Störgeräusch eher als eine Vigilanzprüfung denn als ein Hörtest.
Der Oldenburger Kinder-Reimtest [34] ist etwa ab dem Schulalter einsetzbar. Er ist schwerer
als der Göttinger Kindersprachverständnis Test und wird bei uns in einer rechnergestützten
Version mit einem berührungsempfindlichen Bildschirm von den Kindern sehr gerne durchgeführt. Auf dem Monitor sind die graphischen Repräsentationen der zweisilbigen Minimalpaartripel dargestellt (z.B. Sonne, Tonne, Nonne). Das Kind folgt der Aufforderung „bitte
zeige das Wort ....“ und wählt das verstandene Wort aus oder zeigt auf das Feld für „nicht
verstanden“. Wie bei den traditionellen Sprachtesten wird je eine vollständige Liste mit einem
unveränderten Sprachschallpegel präsentiert. Die Ergebnisse werden ebenfalls in Form eines
Sprachaudiogramms dokumentiert.
Die Aufmerksamkeitslenkung durch den Ankündigungssatz lässt den Test auch zum Einsatz
im Störgeräusch geeignet erscheinen [35]. Hier führen wir derzeit erste Untersuchungen mit
cochlear-implantierten Kindern durch.
Elternfragebögen
Zusätzlich zu den audiologischen Untersuchungen erfassen wir die Einschätzung der Eltern
zum Trageverhalten des Cochlear Implants und die kommunikativen Fähigkeiten und Strategien ihrer Kinder. Für diese strukturierten Interviews verwenden wir die aus dem Amerikanischen übertragenen und modifizierten Elternfragebögen Minimal Auditory Integration Scale
(MAIS) [36] und Minimal Use of Speech Scale (MUSS) [37]. Geübte Eltern füllen die Fragebögen interaktiv am Rechner aus.
Sprachentwicklung
Auch eine Bewertung des von den kleinen Kinder erworbenen aktiven und passiven Wortschatzes, führen wir mit einem Elternfragebogen durch und entlasten so die Untersucher.
Grimm konnte eine hohe Korrelation zwischen der Einschätzung der Eltern und den Ergebnissen geschulter Untersucher zeigen. Mit dem Elternfragebogen ELFRA [38] kann die Beurteilung des erworbenen Wortschatzes relativ detailliert erfolgen.
Auf die umfangreiche Testbatterie zur Evaluation der Sprech- und Sprachentwicklung kann
hier aus Platzgründen nicht detailliert eingegangen werden. Es seien lediglich noch einige
Beispiele angeführt. Wir überprüfen bei den Kontrolluntersuchungen das Sprachverständnis
mit der deutschen Übersetzung der Sprachentwicklungsskalen von Reynell [39,40], erheben
einen Lautbefund mit einer Modifikation der Ausspracheprüfung nach Wagner [41] und beurteilen die Grammatikentwicklung nach Clahsen [42]. Die im Rahmen der logopädischphoniatrischen Untersuchungen erhobenen Daten werden ebenfalls in einer Datenbank archiviert.
19
Abbildung 8 Einsilberverständlichkeit postlingual ertaubter Cochlear Implant Patienten
Mittelwert, Standardabweichung und Extremwerte der Ergebnisse im Freiburger Einsilbertest der in Kiel mit
einem Cochlear Implant versorgten Erwachsenen. Einbezogen sind Patienten, die nach dem Spracherwerb ertaubten und zum Zeitpunkt der Versorgung nicht länger als 40 Jahre taub waren. Es wurden die Ergebnisse beim
Pegel bester Einsilberverständlichkeit (dBopt) gemittelt. Mittelwert und Standardabweichung des dBopt sind für
jede Gruppe angegeben.
Die mit den Kieler CI Profilen verbundene Datenbank ermöglicht wissenschaftliche Analysen
der erhobenen Daten des Patientenkollektivs. Als Beispiel gibt Abbildung 8 den Verlauf der
Einsilberverständlichkeit bei den von uns versorgten postlingual ertaubten Erwachsenen. Gemittelt wurde die zum jeweiligen Testzeitpunkt erreichte maximale Einsilberverständlichkeit.
Sie liegt einen Monat nach Erstanpassung im Mittel bei 57 ± 24 % und steigt ein Jahr nach
Erstanpassung auf 69 ± 24 %. Im Verlauf der folgenden Jahre ist der Zuwachs an Sprachverständlichkeit nicht mehr so stark. Drei Jahre nach Erstanpassung zeigt unser Kollektiv im Mittel eine Einsilberverständlichkeit von 74 ± 20 %. Mit dieser Sprachverständlichkeit in Ruhe
kann die weit überwiegende Zahl der Patienten mit Erfolg telefonieren. Über ein Viertel der
Patienten erreicht nach zwei Jahren mit einem Ergebnis von 90% oder besser den Sättigungsbereich des Tests.
Der Sprachschallpegel bei dem die obigen Werte erreicht wurden, liegt im Mittel bei allen
Testzeitpunkten oberhalb von 70 dB (Mittelwerte dBopt 1Mon 72 ±4, 1Jahr 72±5, 2 Jahre
74±6, 3 Jahre 73±4 dB) und bestätigt damit die bereits getroffene Feststellung, dass viele der
Patienten nicht die für eine optimale Sprachverständlichkeit notwendige Empfindlichkeit bei
ihrer alltäglichen Sprachprozessoreinstellung nutzen.
20
Bilaterale Cochlear Implant Versorgung
Das binaurale Gehör ermöglicht Normalhörenden nicht nur die Lokalisation von Schallquellen und die räumliche Orientierung, sondern auch eine signifikante Verbesserung der Sprachverständlichkeit im Störgeräusch und in halliger Umgebung gegenüber dem monauralen Hören. Studien mit Hörgeräteträgern zeigen einen deutlichen Gewinn durch die bilaterale Versorgung, so dass es heute unstrittig ist, beide Ohren mit einem Hörgerät zu versorgen, wenn
immer dies möglich ist.
Es liegen auch bereits einige Berichte vor, die einen teils hochsignifikanten Gewinn durch
eine beidseitige Cochlear Implant Versorgung bei Erwachsenen nachweisen [43 - 46]. So versorgte Patienten sind über den messbaren Gewinn in der Lokalisation und im Sprachverstehen
im Störgeräusch hinaus hoch zufrieden, tragen stets beide CIs, auch wenn das besonders bei
körpergetragenen Sprachprozessoren eine weitere Einbuße an Komfort bedeutet. Sie berichten
von einem Zuwachs an Lebensqualität.
Einzelne Untersuchungen weisen darauf hin, dass es auch bei Kindern einen signifikanten
zusätzlichen Gewinn in den auditiven Leistungen bei bilateraler Implantation geben kann [47]
und weitere kontrollierte multizentrische Studien werden zur Zeit durchgeführt. So stellt
Helms [48] die Forderung nach einer beidseitigen Implantation, wenn immer diese indiziert
ist und gewünscht wird. Er weist dabei nach, dass bei gesamtheitlicher Betrachtung die erheblichen Kosten auch der bilateralen Cochlear Implant Versorgung gedeckt sind.
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