Größenbereiche

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Größenbereiche
Der Begriff Größe“ drückt zunächst einmal eine bestimmte Qualität von Gegenständen aus, wie es
”
beispielsweise auch die Begriffe Farbe“ oder Form“ tun. Andererseits ist es zur näheren Spezifizierung
”
”
der Größe“ eines Gegenstandes nötig, Vergleiche und Abstufungen, also quantitative Überlegungen,
”
mit einzubeziehen. Mathematisch ergibt sich die Aufgabe, diese beiden Zielsetzungen – die nähere
Eingrenzung der gemeinsamen Qualität“ und die Quantifizierung – durch geeignete Begriffsbildungen
”
zu bewältigen.
Der Größenbereich der Längen
Definition
Wir gehen von der Menge S aller Strecken aus. Dann ist die Relation auf S, gegeben durch
S 3 s1 ∼
= s2 ∈ S
bekanntlich eine Äquivalenzrelation. (Zur Erinnerung: Das Zeichen ∼
=“ bedeutet kongruent“.) Die
”
”
zu dieser Äquivalenzrelation gehörigen Äquivalenzklassen nennt man Längen“.
”
Eine Länge ist also eine Äquivalenzklasse kongruenter Strecken. Zu jeder Länge gehören unendlich
viele kongruente Strecken, die als Repräsentanten“ dieser Länge dienen.
”
Die gemeinsame Qualität“ drückt sich also im Beispiel der Längen durch Äquivalenzklassenbildung
”
aus. Wir werden weiter unten sehen, daß ein analoges Vorgehen zur Festlegung weiterer Größen, wie
Massen oder Volumina, dienen kann.
Addition und Größenvergleich
In der Menge aller Längen läßt sich nun folgendermaßen eine Addition“ und eine strenge Ordnung
”
einführen:
Zur Addition werden die Repräsentanten der einen Länge a und der anderen Länge b hintereinandergefügt. Die Länge c = a + b besteht also per definitionem aus allen Strecken, die kongruent zu
solchen sind, die sich durch Streckenaddition“ aus jeweils einem Repräsentanten von a und einem
”
von b ergeben.
Da das Aneinanderfügen einzelner Strecken kommutiert und auch (bei drei Strecken) assoziativ ist, muß
die entsprechende Addition der Äquivalenzklassen einem Kommutativ- und einem Assoziativgesetz
genügen.
Der Größenvergleich zwischen zwei Längenklassen kann ebenfalls repräsentantenweise erfolgen. Ist ein
Repräsentant der Länge b kürzer als einer der Länge a, so gilt per definitionem: b < a.
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Multiplikation mit einer natürlichen Zahl
Sei a eine Länge und sei n eine natürliche Zahl. Dann ist
n · a := a + a + · · · + a (n − mal).
Die Multiplikation mit einer natürlichen Zahl entspricht also (ganz entsprechend den Gewohnheiten
mit dem Rechnen in N) einer wiederholten Addition.
Division durch eine natürliche Zahl
Eine beliebige Länge a läßt sich durch eine beliebige natürliche Zahl n nach folgender Festlegung
teilen:
a : n = x ⇔ n · x = a.
Aus den beiden vorangehenden Festlegungen heraus läßt sich auch die Multiplikation einer Länge mit
einer positiven rationalen Zahl folgendermaßen festlegen:
r
· a := (r · a) : s = r · (a : s)
s
Die letztgenannte Gleichheit ist eigentlich nicht selbstverständlich und muß bewiesen werden (Übungsaufgabe!).
Messen und Längeneinheiten
Eine Länge a läßt sich (per def.) durch eine Länge b messen, genau dann, wenn es eine natürliche Zahl
n gibt, sodaß a = n · b. n heißt dann Maßzahl von a bezüglich der Einheit b“.
”
Um beim Messen eine gewisse Einheitlichkeit zu schaffen, wählt man eine bestimmte Länge e —
willkürlich, aber zweckmäßig — aus und versucht alle Längen in dieser Einheit oder in Bruchteilen
dieser Einheit zu messen. Die Längeneinheit 1 m“ ist diejenige Klasse von Strecken, die zum Urmeter“
”
”
kongruent sind.
Die bezüglich der Einheit e (bzw. einem Bruchteil von e) meßbaren Längen a sind dann genau diejenigen, die als positiv-rationales Vielfaches von e darstellbar sind (d.h., für die gilt: a = q · e, q ∈ Q+ ).
Kommensurabilität
Lassen sich alle Längen bezüglich einer vorgegebenen Einheit (bzw. einem Bruchteil dieser Einheit)
messen? Aus dieser Fragestellung resultiert die folgende Definition: Die beiden Längen a1 und a2
heißen kommensurabel“, wenn es eine (i.a. von a1 und a2 abhängige) Länge c und natürliche Zahlen
”
n1 und n2 gibt, sodaß
a1 = n1 c und a2 = n2 c.
Wenn zwei Längen a und b kommensurabel sind, so ist die eine ein positiv-rationales Vielfaches der
anderen (und umgekehrt):
a1 = n1 c und a2 = n2 c ⇔ a1 = n1 c und c = a2 : n2 ⇔ a1 =
2
n1
c.
n2
Wenn die Diagonale d in einem Quadrat der Seitenlänge 1m kommensurabel mit 1m wäre, so müßte
also gelten:
r
d = · 1m.
s
Bekanntlicherweise ist das nicht der Fall. d läßt sich mithin nicht in 1m oder Bruchteilen davon messen.
Weitere konkrete“ Größenbereiche
”
Nach dem Muster der Längen lassen sich noch weitere Größenbereiche durch Äquivalenzklassenbildung
aus konkreten“ Gegenständen nach folgendem Schema bilden:
”
Größenbereich
Geldwerte
Längen
Massen
Volumina
Zeitspannen
Gegenstände
Wertgegenstände
Strecken
alles
Hohlräume
Bewegungsabläufe
Äquiv.-Rel.
Wertgleichheit
Kongruenz
Gleichgewicht
gleiches Fassungsvermögen
Synchronizität
von Anfang und Ende
repräsent. Vergleich
weniger wert
kürzer als
leichter als
faßt weniger
dauert weniger lang
Die Addition in diesen Größenbereichen läßt sich nach dem Muster der Längen durch repräsentantenweises Aneinanderfügen“ festlegen.
”
Abstrakte“ Größenbereiche
”
Die gemeinsamen Eigenschaften der konkreten Größenbereiche führen zur Begriffsbildung des ab”
strakten“ Größenbereichs als einer algebraischen Struktur mit strenger Ordnung:
Eine Menge G zusammen mit einer Verknüpfung + und einer Relation < heißt Größenbereich“, wenn
”
für alle a, b, c ∈ G gilt:
(i) a + b = b + a
(ii) a + (b + c) = (a + b) + c
(iii) entweder a < b oder a = b oder b < a
(iv) Die Gleichung a + x = b hat genau dann eine Lösung in G, wenn a < b.
Wir stellen fest, daß die obigen konkreten Größenbereiche alle diese vier Eigenschaften besitzen.
Darüber hinaus sind aber auch etwa die Zahlenmengen N, Q+ , R+ zusammen mit der gewohnten
Addition und der strengen Ordnung < Größenbereiche. (Z, +, <) dagegen ist kein Größenbereich, weil
(iv) nicht gilt (die Lösbarkeit der Gleichung a + x = b ist auch gegeben, wenn a ≥ b).
Für jedes g ∈ G wird die Multiplikation mit einer natürlichen Zahl n festgelegt durch:
n · g = g + g + ··· + g
(n − mal).
Ein Größenbereich G heißt Größenbereich mit Teilbarkeitseingenschaft“, wenn es zu jedem g ∈ G
”
und zu jeder natürlichen Zahl n ein eindeutig bestimmtes g 0 ∈ G gibt, sodaß ng 0 = g. Man schreibt
dann auch g 0 = g : n. Falls G ein Größenbereich mit Teilbarkeitseigenschaft ist, so existiert zu jeder
positiven Zahl m/n und zu jedem g ∈ G auch (m/n)g := (mg) : n = m(g : n).
Ein Größenbereich G heißt kommensurabel“, wenn es für alle a, b ∈ G ein e ∈ G und natürliche
”
Zahlen m, n gibt, sodaß a = ne und b = me.
Von den obigen konkreten Größenbereichen ist der Bereich der Geldwerte kommensurabel, falls man
die niedrigste Münzeinheit als kleinste Größe auffaßt; dies vorausgesetzt, hat der Bereich der Geldwerte aber nicht die Teilbarkeitseigenschaft. Alle anderen konkreten Größenbereiche besitzen zwar die
Teilbarkeitseigenschaft, sie sind aber – analog zum Beispiel der Längen – nicht kommensurabel.
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Ein Größenbereich heißt Bürgerlicher Größenbereich“, wenn er die Teilbarkeitseigenschaft besitzt und
”
kommensurabel ist. Ist e ein beliebiges, aber festes Element ( Einheit“) eines bürgerlichen Größenbe”
reiches G, so gilt:
G = {qe|q ∈ Q+ }.
Bei Vorgabe einer (willkürlichen) Einheit e eines bürgerlichen Größenbereichs G kann man also zu
jedem Element a von G eine eindeutig bestimmte rationale Zahl r finden, sodaß a = re. Das Auffinden
von r bezeichnet man (in Erweiterung des bei den Längen festgelegten Begriffs) ebenfalls als Messen
”
von a in der Einheit e“. Bei vorgegebener Einheit treten in einem bürgerlichen Größenbereich also
ausschließlich Maßzahlen aus Q+ auf und zu jeder Maßzahl gibt es genau eine Größe mit dieser
Maßzahl.
Wenn G ein beliebiger Größenbereich mit Teilbarkeitseigenschaft ist, und wenn e ∈ G, so ist Ge =
{qe|q ∈ Q+ } ein von e erzeugter“ bürgerlicher Größenbereich, der in der Regel aber nur einen Teilbe”
reich von ganz G ausmacht. Im Falle der Längen bildet etwa die Teilmenge {q · 1m|q ∈ Q+ } denjenigen
Teilbereich, mit dem man im bürgerlichen Leben“ (in dem man höchstens Bruchrechnung betreibt)
”
auskommt.
Typische Examensaufgaben
Hauptschule:
1. Erläutern Sie die Begriffe Größenbereich, Repräsentant einer Größe, Messen!
2. a) Erklären Sie, wieso die rationalen Zahlen nicht ausreichen, um alle Punkte der Zahlengeraden zu
erfassen!
b) Ein Rechteck mit ganzzahligen Seitenlängen a und b sei gegeben. Zu welchem Zahlenbereich gehören
die Längen der Diagonalen? Begründen Sie Ihre Antwort!
3. a) Definieren Sie den Begriff Größenbereich!
b) Wann hat ein Größenbereich die Teilbarkeitseigenschaft, wann ist er kommensurabel? Geben Sie
Beispiele für solche Größenbereiche an!
4. Beweisen Sie, daß der Größenbereich der Längen nicht kommensurabel ist!
Grundschule:
1. a) Was versteht man unter einem Größenbereich?
b) Geben Sie einen Überblick über die Größenbereiche, die in der Grundschule behandelt werden!
2. Erläutern Sie die Begriffe Größe, Repräsentant einer Größe und Größenbereich! Konkretisieren Sie
diese Begriffe anhand von Beispielen!
3. Erklären Sie am Beispiel Größenbereich der Längen“ die Begriffe Repräsentant, Größe, Maßzahl,
”
Teilbarkeit und Kommensurabilität.
4. a) Definieren Sie den Begriff Größenbereich“. b) Zeigen Sie, daß die Längen zusammen mit der
”
Addition und Kleinerrelation einen Größenbereich bilden. Gehen Sie dabei auf die Menge aller Strecken
als Repräsentantensystem für die Längen ein.
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