DGP – Deutsche Gesellschaft für Parodontologie Parodontitis – eine Begriffsbestimmung Dr. Barbara Noack, Dresden Wesentliche Erkenntnisse über die parodontalpathogene Mikroflora und die Rolle wirtsspezifischer Abwehrmechanismen auch bei den juvenilen, aggressiven Erkrankungen leiteten Ende der 70er Jahre den Paradigmenwechsel zum ParodontitisPathogenesemodell ein, in dem die Wechselwirkung zwischen Mikroorganismen und Wirtsreaktivität im Mittelpunkt steht. Die Parodontitiden sind demnach bakteriell verursachte Entzündungen des Zahnhalteapparates. Deshalb ist auch die Bezeichnung der Erkrankung Parodontitis, die für entzündliche Veränderung steht, und nicht Parodontose, wie es im Volksmund – und nicht selten auch in der Zahnärzteschaft – fälschlicherweise gebräuchlich ist. Parodontitisformen Die Einteilung der Parodontitiden erfolgt Deutschen Gesellschaft für Parodontologie Klassifikation parodontaler Erkrankungen Classification of Periodontal Diseases and 1999). entsprechend den Empfehlungen der (DGP) auf der Grundlage der aktuellen des „International Workshop for a Conditions“, Oak Brook 1999 (Armitage Chronische Parodontitis Die chronische Parodontitis ist eine bakteriell verursachte Erkrankung, die mit Attachment- und alveolärem Knochenverlust einhergeht. Sie ist durch Bildung von Zahnfleischtaschen und/oder Gingivarezessionen gekennzeichnet und stellt die am häufigsten, überwiegend im Erwachsenenalter vorkommende Parodontitisform dar. Nach Ausmaß und Schwere kann sie in eine lokalisierte oder generalisierte Form (Abb. 1), bzw. mit leichtem, mittleren oder schweren Attachmentverlust (AV) unterschieden werden. Abb. 1: Generalisierte chronische Parodontitis bei einem 60-jährigen Patienten, deutliche Assoziation mit Belagsakkumulation Der bakterielle Biofilm (Plaque) wird als ätiologisches Hauptagenz eingestuft, Verlauf und Schwere werden durch die Wirtsreaktivität und ihre modulierenden Faktoren (Genetik, systemische Erkrankungen, Verhaltensfaktoren) determiniert. APOTHEKENdialog 1/2006, S. 18 Aggressive Parodontitis Der seit 1999 vom „International Workshop for a Classification of Periodontal Diseases and Conditions“ erarbeitete Begriff „aggressive Parodontitis“ (AgP) bezieht sich auf die multifaktorielle, besonders progredient verlaufende Form der Parodontitis, die vor allem, aber nicht ausschließlich, jüngere Patienten betrifft. Direkte und indirekte, die Körperabwehr beeinflussende bakterielle Effekte spielen wie bei der chronischen auch bei der aggressiven Parodontitis eine ausschlaggebende ätiologische Rolle. Neben verschiedenen Virulenzfaktoren spezifischer Parodontopathogene beeinflusst eine genetische Prädisposition die Entstehung und den Verlauf der aggressiven Parodontitis. Anhand bestimmter klinischer Merkmale ist eine Subklassifizierung der AgP in eine lokalisierte und eine generalisierte Form möglich. Die lokalisierte AgP (Abb. 2) beginnt während der Pubertät mit Befall der ersten Molaren und/oder der Schneidezähne, wobei maximal zusätzlich zwei andere Zähne involviert sind. Abb. 2: Lokalisierte, aggressive Parodontitis der mittleren, oberen Inzisivi bei einer 15-jährigen Patientin, klinisch entzündungsfreie Gingiva Demgegenüber tritt die generalisierte AgP meist im jüngeren Erwachsenenalter (es können auch ältere Patienten betroffen sein) mit generalisiertem approximalen Befall und Attachmentverlust an mindestens drei Zähnen neben den ersten Molaren und Schneidezähnen auf. Der Verlauf ist in der Regel deutlich episodenhaft. Parodontitis als Manifestation systemischer Erkrankungen Zur klinischen Manifestation verschiedener Allgemeinerkrankungen, bei denen die Wirtsreaktivität verändert ist, kann eine schwere, in den meisten Fällen äußerst aggressiv verlaufende Parodontitis gehören. Beim Vorliegen z.B. von insulinabhängigem Diabetes mellitus, schweren hämatologischen und Infektionserkrankungen (z.B. HIV) oder genetischen Syndromen wird die Parodontitis als orale Manifestation dieser Erkrankungen klassifiziert und muss von der AgP abgegrenzt werden. OÄ Dr. med. Barbara Noack Medizinische Fakultät der TU Dresden Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Poliklinik für Zahnheilkunde Fetscherstraße 74 01307 Dresden APOTHEKENdialog 1/2006, S. 18