Sonnenlicht-, Vitamin-D- und Krebs-Prävention: Was sind die Fakten

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Dermatologie und Venerologie: Sonnenlicht-,
Vitamin-D- und Krebsprävention – was sind die Fakten?
Stephan Lautenschlager
Dermatologisches Ambulatorium, StadtspitalTriemli, Zürich
Eine adäquate Vitamin-D-Konzentration ist unzweifelhaft essentiell für unsere Gesundheit. In jüngster Zeit
sind nun zahlreiche, zum Teil kontroverse wissenschaftliche Publikationen und Artikel in der Laienpresse zur Frage der Bedeutung des Vitamins D, des erforderlichen Spiegels sowie der optimalen Art, diesen
zu erreichen, erschienen. Da lediglich drei Quellen für
das als zunehmend bedeutsam erachtete Vitamin D
existieren – Sonnenlicht, Nahrung und Nahrungsergänzungsmittel –, müssen die aufgrund der aktuellen
Datenlage vorliegenden möglichen Konsequenzen sorgfältig geprüft werden.
Vitamin D
Vitamin D ist ein fettlösliches Vitamin, das in zwei Hauptformen vorkommt: Vitamin D3 (Cholecalciferol) und
Vitamin D2 (Ergocalciferol, pflanzliche Form). Während
etwa 90% der Gesamtmenge von Vitamin D nach Sonneneinstrahlung in der Haut synthetisiert werden, werden
etwa 10% Vitamin D2 und D3 mit der Nahrung aufgenommen. Nur wenige Nahrungsmittel (v.a. Meeresfische)
enthalten natürliches Vitamin D, sogar Vitamin-Dangereicherte Lebensmittel, wie sie in einigen Ländern
gebräuchlich sind, können den Tagesbedarf an Vitamin D
in der Regel nicht decken. Nach Aufnahme von Vitamin D mittels Nahrung oder nach dessen Synthese in
der Haut erfolgt eine Metabolisierung in der Leber zum
biologisch inaktiven 25-Hydroxy-Vitamin-D (25-OH-D),
der hauptsächlich zirkulierenden Form, die auch zur
Bestimmung des individuellen Vitamin-D-Spiegels
verwendet wird. Die aktive Form (1,25-DihydroxyVitamin-D) wird durch eine weitere Hydroxylierung
primär in den Nieren erreicht. Eine zentrale Funktion
findet sich in der Kalzium- und Phosphat-Homöostase
sowie in direkten Effekten auf die Muskulatur, weshalb
die Vitamin-D-Versorgung zur Prävention von Stürzen
und Knochenbrüchen im Alter unbestritten ist.
Vitamin-D-Mangel
und mögliche assoziierte Krankheiten
Stephan
Lautenschlager
Aufgrund der Tatsache, dass Vitamin-D-Rezeptoren in
weiteren Geweben gefunden werden konnten (unter
anderem in Gefässwänden und Herzmuskelzellen) und
dass Vitamin D nicht nur in der Niere aktiviert werden
kann, wurde ein Mangel an Vitamin D mit anderen
Erkrankungen in Verbindung gebracht. In mehreren
Beobachtungsstudien wurde eine Assoziation zwischen
Vitamin-D-Mangel und über einem Dutzend Formen
von Neoplasien nahegelegt, insbesondere Kolon-,
Mamma- und Prostatakarzinom. Eine kürzlich erschienene Metaanalyse kommt zum Schluss, dass die Studienlage diesbezüglich noch nicht konklusiv ist [1].
Zusätzlich bestehen Anhaltspunkte, dass niedrige Spiegel
kardiovaskuläre Auswirkungen haben könnten, wobei
die Daten im Gegensatz zur Osteoporose weniger verlässlich sind und der direkte Zusammenhang noch nicht
bewiesen werden konnte.
Ist die Welt Vitamin-D-defizient?
Vitamin-D-Defizienz wird in der Literatur als pandemisch beschrieben, in dem mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung betroffen zu sein scheint [2]. Eine kürzlich
publizierte bevölkerungsbasierte Studie in den USA
(NHANES III) [3] konnte zeigen, dass sich die 25-OH-DKonzentration in den letzten 10 Jahren erniedrigt hat.
Während in der Zeitperiode von 1988 bis 1994 2% der
untersuchten Bevölkerung Mangelzustände aufwiesen,
waren es im Zeitraum von 2001 bis 2004 schon 8%
(<10 ng/ml). Der Prozentsatz der Mangelzustände stieg
in allen Bevölkerungsgruppen an, wobei grundsätzlich
Frauen häufiger betroffen waren als Männer, die
schwarze Bevölkerung mehr als weisse und die Älteren
mehr als die Jüngeren. Ebenfalls wiesen adipöse Individuen niedrigere Serumkonzentrationen auf. Diese epidemiologischen Daten werfen einige Fragen bezüglich
der Ursachen der sinkenden Vitamin-D-Spiegel auf, die
letztlich ungeklärt sind. Denkbar erscheint eine verminderte Aufnahme durch Änderung der Ernährungsgewohnheiten. Eine Änderung des Vitamin-D-Metabolismus bei möglicherweise verstärkter Sequestrierung
von Vitamin D3 im subkutanen Fettgewebe von adipösen
Individuen sollte allenfalls berücksichtigt werden. Immer
wieder werden auch fehlende Sonneneinstrahlung oder
die propagierten Sonnenschutz-Massnahmen verantwortlich gemacht. Dem widerspricht, dass insbesondere
Dunkelhäutige in sonnenexponierten Ländern betroffen
sind, sowie der Umstand, dass Sonnenschutzcrèmen
viel zu sparsam aufgetragen werden, da durchschnittlich
lediglich ein Drittel der erforderlichen Menge appliziert
wird. Zusätzlich ist zu bemerken, dass Langzeitstudien
bei Gebrauch von regelmässiger Sonnencrème weder
einen Effekt auf den Vitamin-D-Spiegel, die Induktion
einer Osteoporose noch die Ausbildung eines sekundären Hyperparathyroidismus nachweisen konnten [4].
Eine prospektive Studie untersuchte die Wirkung einer
Sonnenschutzcrème mit Schutzfaktor 17 und zeigte bei
Schweiz Med Forum 2010;10(1–2):6
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Tabelle 1. Individuen, die von einer Bestimmung der Serumkonzentration von Vitamin D profitieren können [3].
zur Erhöhung des Vitamin-D-Spiegels kann somit aufgrund der Datenlage nicht empfohlen werden [3, 12].
Ältere Patienten mit niedriger Knochendichte
Sturzgefährdete Patienten
Häuslich gebundene ältere Menschen
Patienten mit bekannter Muskelschwäche
Schwangere
Adipöse Menschen
täglicher Anwendung keinen Unterschied der Blutspiegel
im Vergleich zur Kontrollgruppe [5]. Im Gegensatz dazu kann eine Vitamin-D-Defizienz auch bei ausgeprägter Sonnenexposition bestehen, wie zum Beispiel auf
Hawaii, wo 51% der Erwachsenen mit mindestens
drei Stunden täglicher Sonnenexposition während fünf
Tagen pro Woche Serumkonzentrationen von 25-OH-D
von unter 30 ng/ml aufwiesen [6]; ebenfalls waren 39%
der untersuchten Erwachsenen in Florida Vitamin-Ddefizient [7]. Eine Tatsache, die sich kürzlich auch bei
einem Viertel der untersuchten Erwachsenen in Südarizona nachweisen liess [8].
UV-Exposition und Hautkrebs
UV-Strahlung (UVA und UVB) ist bekanntermassen der
wichtigste exogene Risikofaktor für die Entstehung von
Hautkrebserkrankungen. Weltweit werden weiterhin
steigende Raten registriert, was sowohl auf das maligne
Melanom als auch in noch bedeutenderem Ausmass für
die nichtmelanozytären Tumoren (Basalzellkarzinom
und spinozelluläres Karzinom) zutrifft. Neben der kumulativen UV-Dosis sind bekanntermassen vor allem beim
malignen Melanom auch die Sonnenbrände in der Kindheit als wichtige Risikofaktoren zu nennen. Eine soeben
publizierte Studie [9] weist zusätzlich darauf hin, dass
bereits eine Bräunung bei hellhäutigen Kindern mit
einer Zunahme der Entwicklung von melanozytären Nävi
vergesellschaftet ist, was mit einem erhöhten Risiko für
die spätere Ausbildung von Melanomen einhergeht.
Folglich ist eine «sichere» Sonnenexposition nicht definierbar, da gleichzeitig zur Vitamin-D-Produktion die
DNA-Schädigung beginnt und demzufolge die Karzinogenese einsetzt [10]. Bekanntermassen werden nur
sehr geringe UVB-Mengen zur Vitamin-D-Synthese benötigt, jedoch ist dies abhängig vom Hauttyp, von der
Jahreszeit, vom Breitengrad, vom Körpermass, vom
Alter, von der exponierten Hautfläche, von den Witterungsverhältnissen sowie von der Umweltverschmutzung [11]. Eine generell verstärkte Sonnenexposition
Korrektur des Vitamin-D-Spiegels
Individuen, die von einer Bestimmung des 25-OH-DSpiegels profitieren können, sind in Tabelle 1 p dargestellt. Obwohl der optimale Vitamin-D-Spiegel noch
nicht mit exakten Daten untermauert werden kann,
wird heute entsprechend der Empfehlung mehrerer Experten ein 25-OH-D-Spiegel von 75 bis 100 nmol (>30 ng/
ml) angestrebt. Mittels oraler Supplementation können
die meisten Fälle von Mangelzuständen behoben werden
[14]. Abhängig von Alter, BMI und Schweregrad des
Mangels ist eine tägliche Einnahme von 800 bis 2000 IU
Vitamin D (Tropfen oder Tabletten) zu empfehlen. Mit
einer täglichen Einnahme von 1000 IU kann in etwa
der Hälfte der Individuen ein Spiegel von 30 ng/ml erreicht werden [13, 14]. Bei bestehender Malabsorption
kann nach fehlendem Erfolg einer oralen Supplementation Vitamin D parenteral verabreicht werden.
Schlussfolgerungen
Trotz zunehmenden Erkenntnissen bezüglich der Wichtigkeit von Vitamin D für die Gesundheit sollte insbesondere bei hellhäutigen Individuen nicht von den bekannten Sonnenschutzmassnahmen [15] abgewichen
werden und bei bestehendem Vitamin-D-Defizit eine
Supplementation durchgeführt werden.
Korrespondenz:
Prof. Stephan Lautenschlager
Chefarzt
Dermatologisches Ambulatorium
StadtspitalTriemli
Herman Greulich Strasse 70
CH-8004 Zürich
[email protected]
Empfohlene Literatur
– Rhee HV, Coebergh JW, Vries ED. Sunlight, vitamin D and the prevention of cancer: a systematic review of epidemiological studies. Eur
J Cancer Prev. 2009; epub ahead.
– Bischoff-Ferrari HA. Optimal serum 25-hydroxyvitamin D levels for
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– Lautenschlager S, Wulf HC, Pittelkow MR. Photoprotection. Lancet.
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– Barysch MJ, Bischoff-Ferrari H, Hofbauer G, Dummer R. Vitamin D,
UV-Strahlung und Hautkrebs. SAeZ. 2009;90:1372–3.
Die vollständige nummerierte Literaturliste finden Sie unter
www.medicalforum.ch
Schweiz Med Forum 2010;10(1–2):7
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Dermatologie und Venerologie: Sonnenlicht-, Vitamin-D- und KrebsPrävention – was sind die Fakten? /
Dérmatologie et Vénérologie: Soleil, vitamine D et prévention du
cancer: quels sont les faits?
Weiterführende Literatur (Online-Version) / Références complémentaires (online version)
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Rhee HV, Coebergh JW, Vries ED. Sunlight, vitamin D and the prevention of cancer: a systematic review of
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