Seminar: Einführung in die Logik Wintersemester 2002/03 Mittwoch, 12.00-13.30 Uhr, Phil I, Raum C/3 Jasper Liptow 1/8 5 Aussagenlogik III - die Semantik von AL 1. Semantische Werte des Basisvokabulars Die Grundfrage der Semantik lautet: In welcher Weise hängt die Wahrheit (Falschheit) eines Satzes von seinen Bestandteilen ab? Als den semantischen Wert eines Ausdrucks der Sprache AL bezeichnen wir entsprechend den Beitrag, den er zu der Wahrheit oder Falschheit der Sätze leistet, in denen er vorkommt. Der Beitrag, den Elementarsätze zu der Wahrheit oder Falschheit der komplexen Sätze leisten, in denen sie vorkommen, besteht darin, dass sie entweder wahr oder falsch sind. Der Beitrag, den die Junktoren zu der Wahrheit oder Falschheit der komplexen Sätze leisten, in denen sie vorkommen, besteht darin, dass sie den Wahrheitswert der komplexen Sätze in Abhängigkeit von den Wahrheitswerten weniger komplexer Sätze (und letztlich der Elementarsätze) bestimmen. Seminar: Einführung in die Logik Wintersemester 2002/03 Mittwoch, 12.00-13.30 Uhr, Phil I, Raum C/3 Jasper Liptow 2/8 2. Konjunktion Der Einfluss der Junktoren auf die Wahrheit der komplexen Sätze, in denen sie vorkommen, kann durch sogenannte Wahrheitswert-Tabellen bestimmt werden. Wir definieren: A B A∧B W W W W F F F W F F F F Lies: Wenn A und B WFFs sind, dann ist die Konjunktion von A und B dann und nur dann wahr, wenn A und B beide wahr sind. Das Grundprinzip der Konjunktion: Ein aus zwei Aussagesätzen x und y zusammengesetzter Aussagesatz z ist eine Konjunktion genau dann, wenn 1. aus der Wahrheit von z die Wahrheit seiner beiden Komponenten x und y folgt 2. aus der Wahrheit der Sätze x und y die Wahrheit von z folgt. Seminar: Einführung in die Logik Wintersemester 2002/03 Mittwoch, 12.00-13.30 Uhr, Phil I, Raum C/3 Jasper Liptow 3. Sätze über Wahrheitswerte Prinzip der Valenz: Jeder Aussagesatz hat mindestens einen Wahrheitswert. Prinzip der Bivalenz: Es gibt genau zwei Wahrheitswerte: W und F Prinzip der Exklusion: Kein Aussagesatz hat mehr als einen Wahrheitswert Zusammen: Jeder Aussagesatz ist entweder wahr oder falsch 3/8 Seminar: Einführung in die Logik Wintersemester 2002/03 Mittwoch, 12.00-13.30 Uhr, Phil I, Raum C/3 Jasper Liptow 4/8 4. Logische Konjunktion und grammatische Konjunktion in der Alltagssprache 4.1 Beispiele Welche der folgenden Sätze stellen logische Konjunktionen dar? 1. Hans ging duschen, aber Maria blieb im Bett. 2. Hans ging duschen, während Maria im Bett blieb. 3. Hans ging duschen, weil Maria im Bett blieb. 4. Hans ging duschen, obwohl Maria im Bett blieb. 5. Hans ging duschen, Maria blieb jedoch im Bett. 6. Hans ging duschen, oder Maria blieb im Bett. 7. Hans ging duschen, Maria blieb im Bett. 8. Hans ging duschen, Maria blieb nichtsdestotrotz im Bett. Seminar: Einführung in die Logik Wintersemester 2002/03 Mittwoch, 12.00-13.30 Uhr, Phil I, Raum C/3 Jasper Liptow 4.2 Grammatische Konjunktion von Phrasen Konjunktion von Hauptverben: • Hans hob und warf das Glas. • Ich kam, sah und siegte. Konjunktion von Hilfsverben: • Ich war und bin ein Anhänger der Friedensbewegung Konjunktion von Adverben: • Peter sprach schnell und undeutlich. Konjunktion von Satz-Objekten: • Maria liest das Abendblatt und die Morgenpost. Konjunktion von Satz-Subjekten: • Maria und Hans sind dünn. 5/8 Seminar: Einführung in die Logik Wintersemester 2002/03 Mittwoch, 12.00-13.30 Uhr, Phil I, Raum C/3 Jasper Liptow 6/8 Es handelt sich bei diesen Sätzen zunächst nicht um logische Konjunktionen im definierten Sinn, da wir es nicht mit Aussagesätzen zu tun haben, die grammatisch aus zwei Aussagesätzen zusammengesetzt sind. Dennoch gilt: aus der Wahrheit eines jeden dieser Sätze folgt die Wahrheit zwei bestimmter anderer Sätze und umgekehrt. Wir standardisieren daher die obigen Sätze als logische Konjunktionen. Z.B.: Maria und Hans sind dünn. als Maria ist dünn, und Hans ist dünn. Und können dann formalisieren: Maria ist dünn ∧ Hans ist dünn. M∧ H Seminar: Einführung in die Logik Wintersemester 2002/03 Mittwoch, 12.00-13.30 Uhr, Phil I, Raum C/3 Jasper Liptow 7/8 4.3 Aufzählungen Logische Konjunktionen können mehr als zwei Aussagesätze verbinden. So behandeln wir Aufzählungen wie Hans, Maria, Peter und Sarah sind dünn. als Konjunktionen mit vier Teilsätzen: Hans ist dünn und Maria ist dünn und Peter ist dünn und Sarah ist dünn. Dasselbe gilt für Aufzählungen anderer Phrasen: Maria redete schnell, unkonzentriert, nuschelig und leise. Hans kaufte, wusch, schnitt und kochte die Möhren. Anmerkung: der Ausdruck S∧ U ∧ N∧ L ist keine WFF. Die Erzeugungsregeln lassen in diesem Fall nur Möglichkeiten der folgenden Art zu: (S ∧ U) ∧ (N ∧ L) ((S ∧ U) ∧ N) ∧ L Seminar: Einführung in die Logik Wintersemester 2002/03 Mittwoch, 12.00-13.30 Uhr, Phil I, Raum C/3 Jasper Liptow 8/8 4.4 Probleme mit der Konjunktion von Phrasen Folgende Beispiele bereiten Probleme: 1. Romeo und Julia sind verliebt. 2. Romeo und Julia sind ein Paar. 3. Hans und Peter trugen ein Klavier. 4. Die Fahne ist schwarz, rot und gold. Wir müssen von der bisher betrachteten distributiven Lesart von Sätzen wie (1) bis (4) eine kollektive Lesart unterscheiden: Kollektive Lesart: Die durch »und« zusammengefassten Ausdrücke benennen eine Gruppe von Gegenständen oder Eigenschaften und es gilt: • Der Gruppe von Gegenständen als Ganzer kommt eine bestimmte Eigenschaft (Gruppe von Eigenschaften) zu. • Die Gruppe von Eigenschaften kommt als Ganze einem bestimmten Gegenstand (oder einer Gruppe davon) zu. Wichtig: Wir können bei der Schematisierung von alltagssprachlichen Sätzen nicht mechanisch vorgehen!