Differentialformen Plan ◮ Zuerst lineare Algebra: Schiefsymmetrische Formen im Rn . ◮ Dann Differentialformen: Invarianz bzgl. Diffeomorphismen (und sogar beliebigen glatten Abbildungen). ◮ Äußere Ableitung. ———————————————————————– ◮ Lie-Ableitung von Differentialformen und Poincaré-Formel. ◮ Differentialform dp ∧ dx und ihre Invarianz bzgl. Hamiltonischer Flüsse. Lineare Algebra: Wir arbeiten in Rn Def. Eine (lineare) schiefsymmetrische k-Form ist eine Abbildung ω : Rn × ... × Rn → R, | {z } k Stück welche folgende Eigenschaften besitzt: ◮ Linearität bzgl. jedes Arguments: ω(ξ1 , ..., ξi−1 , λ′ ξ ′ + λ′′ ξ ′′ , ξi+1 , ..., ξk ) = λ′ ω(ξ1 , ..., ξi−1 , ξ ′ , ξi+1 , ..., ξk ) + λ′′ ω(ξ1 , ..., ξi−1 , ξ ′′ , ξi+1 , ..., ξk ). ◮ Schiefsymmetrie: Für jedes i < j gilt ω(ξ1 , .., ξj , ..., ξi , ..., xk ) = −ω(ξ1 , .., ξi , ..., ξj , ..., xk ) Bemerkung. Wegen der Schiefsymmetrie reicht es, nur Linearität bzgl. des ersten Arguments zu verlangen. Bemerkung — Definition. Schiefsymmetrische k-Formen sind für alle k ∈ N definiert. Wir werden jedoch sehen, dass für k > n jede schiefsymmetrische k-Form identisch Null ist. Wir werden 0-Formen wie folgt definieren: 0-Formen sind für uns Konstanten (also Elemente in R). Beispiele ◮ Jede lineare Abbildung ℓ : Rn → R1 (also: lineare Funktion) ist eine 1-Form. Erklärung. Schiefsymmetrie ist hier automatisch erfüllt, weil es nur ein Argument gibt. ◮ Sei Ω = (ωij ) eine schiefsymmetrische (d.h. ΩT = −Ω) n × n-Matrix. Wir definieren die 2-Form ω durch X ω(x, y ) = x T Ωy = xi ωij yj . i,j ◮ Determinante: Wir definieren die n-Form ω(ξ1 , ..., ξn ) = Determinante der n × n Matrix, deren i−te Spalte gleich ξi ist. Schiefsymmetrie und Linearität folgen aus den Eigenschaften der Determinante. Wie kann man lineare Formen angeben? Um zum Beispiel eine lineare Abbildung von Rn nach Rn anzugeben, können wir ihre Matrix (also im Wesentlichen n2 Zahlen) angeben. Die Abbildung bestimmt die Matrix und die Matrix bestimmt die Abbildung. Was ist das Analogon der Darstellungsmatrizen für k-Formen? Bsp. Eine 1-Form ist eine lineare Abbildung von Rn nach R, also im Wesentlichen eine 1 × n-Matrix ω = (ω1 , ..., ωn ). Die 1-Form ω ist dann gegeben durch x 7→ ω1 x1 + ... + ωn xn . Bsp. Wie aus dem Standardkurs LA I bekannt (vgl. z.B. meine Vorlesungen am Ende des ersten Semesters),ist eine 2-Form im Wesentlichen eine schiefsymmetrische n × n-Matrix Ω = ωij . Tatsächlich wissen wir aus der LA, dass jede Bilinearform mit Hilfe ihrer Gramschen Matrix dargestellt werden kann (mit Einträgen ωij = ω(ei , ej )). Für schiefsymmetrische Bilinearformen ist diese Matrix offensichtlich schiefsymmetrisch. Die Formel für ω ist dann X ω(x, y ) = ωij xi yj . i,j Da schiefsymmetrische Matrizen wir also n(n−1) 2 n(n−1) 2 unabhängige Komponenten haben, brauchen Zahlen, um eine 2-Form zu bestimmen. Das Wedge-Produkt (Dachprodukt) von 1-Formen. Seien ℓ1 , ..., ℓk 1-Formen. Das Wedgeprodukt ℓ1 ∧ ... ∧ ℓk dieser Formen ist eine k-Form, gegeben durch ℓ1 (ξ1 ) · · · ℓ1 (ξk ) .. = det ℓ (ξ ). ℓ1 ∧ ... ∧ ℓk (ξ1 , ..., ξk ) = det ... i j . ℓk (ξ1 ) · · · ℓk (ξk ) Bsp. Sei ℓ(x) = x1 + x2 und f (x) = x1 − x2 . Dann ist x1 + x2 y1 + y2 ℓ ∧ f (x, y ) = det = −2 x1 y2 + 2 x2 y1 . x1 − x2 y1 − y2 Wichtige Bezeichnung. Mit dxi bezeichnen wir die folgende 1-Form: x1 .. dxi . = xi . xn Bsp. dx1 ∧ ... ∧ dxn ist eine der n-Formen aus der 3. Folie: dx1 ∧ ... ∧ dxn (ξ1 , ..., ξn ) = Determinante der n × n Matrix, deren i−te Spalte gleich ξi ist. Ein Satz aus der Linearen Algebra Es ist offensichtlich, dass die Menge Λk = {alle k-Formen} bzgl. der natürlichen Addition und Multiplikation einen Vektorraum bildet. n -dimensional. Die k-Formen Satz 15. Der Raum Λk ist k dxi1 ∧ · · · ∧ dxik wobei i1 < · · · < ik bilden eine Basis. Beweis wird an der Tafel vorgetragen. Folgerung. Jede lineare k-Form kann man in der Form P ω i1 <...<ik i1 ...ik dxi1 ∧ · · · ∧ dxik darstellen, wobei ωi1 ...ik ∈ R. Folgerung. Jede lineare k-Form mit k > n ist identisch Null. Differentialformen Def. Eine k-Differentialform auf U ist eine (glatte) Abbildung ω : U × Rn × ... × Rn → R, | {z } k Stück sodass für jedes p die Einschränkung von ω auf p × Rn × ... × Rn eine {z } | k Stück lineare k-Form ist. Bsp. Eine Funktion ist eine 0-Differentialform (weil die Einschränkung der Funktion auf p konstant ist, und wir die Konstanten mit linearen 0-Formen identifizieren). Bsp. Sei f eine Funktion auf U. Wir betrachten das Differential df (als Abbildung von U × Rn nach R, (p, ξ) 7→ dp f (ξ)). Das ist eine 1-Differentialform. Im Punkt (p, ξ) ∈ U × Rn nimmt sie den Wert ∂f ∂f dp f (ξ) = ∂x ξ1 + · · · ∂x ξn an. 1 n Bsp. Als Spezialfall des vorherigen Beispiels betrachten wir die i-te x1 . Koordinatenfunktion xi .. := xi . Das Differential dieser Funktion xi ist dann die xn 1-Differentialform mit dxi (ξ) = ξi . Man kann die Definition des Wedgeprodukts auf Differentialformen erweitern: Das Wedgeprodukt ℓ1 ∧ ... ∧ ℓk von 1-Differentialformen ℓ1 , ..., ℓk ist eine k-Form, gegeben durch ℓ1(p) (ξ1 ) · · · ℓ1(p) (ξk ) .. .. ℓ1 ∧ ... ∧ ℓk (p) (ξ1 , ..., ξk ) = det = det ℓi (p) (ξj ) . . . ℓk (p) (ξ1 ) ··· ℓk (p) (ξk ) Folgerung. Jede lineare k-Form kann man als ωi1 ...i ∈ R. P i1 <...<ik ωi1 ...ik dxi1 ∧ · · · ∧ dxik darstellen, wobei k Folgerung. Jede k-Differentialform auf U kann man als X ωi1 ...ik dxi1 ∧ · · · ∧ dxik i1 <...<ik darstellen, wobei ωi1 ...ik : U → R (glatte) Funktionen sind. P Bsp. Jede 1-Differentialform ist dann i ωi (p)dxi . Das Differential einer P ∂f ∂f Funktion f ist i ∂xi dxi , also ωi (p) = ∂x (p). i Verhalten von Differentialformen bezüglich Diffeomorphismen und Abbildungen Def. Sei U ⊂ Rn und φ : U → V ⊆ Rm eine glatte Abbildung (sonst keine Regularitätsvoraussetzungen). Sei ω eine k-Differentialform auf V . Wir definieren den Pullback φ∗ ω durch die Regel φ∗ ωp (ξ1 , ..., ξk ) = ωφ(p) (dp φ(ξ1 ), ..., dp φ(ξk )). (Linearität, Glattheit und Schiefsymmetrie sind offensichtlich). Bemerkung. Diese Definition ist offenbar verträglich mit dem äußerem Produkt: φ∗ (ℓ1 ∧ ... ∧ ℓk ) = φ∗ ℓ1 ∧ ... ∧ φ∗ ℓk . Beweis wird auf der Tafel vorgetragen. Bemerkung. Aus der Definition des Differentials folgt, dass φ∗ (df ) = d(φ∗ f ), wobei φ∗ f := f ◦ φ. Hier ist f eine Funktion auf V und φ : U → V . Deswegen ist φ∗ dφ(p) f1 ∧ ... ∧ dφ(p) fk = dp (φ∗ f1 ) ∧ ... ∧ dp (φ∗ fk ). ∗ ∗ ∗ φ (ℓ1 ∧ ... ∧ ℓk ) = φ ℓ1 ∧ ... ∧ φ ℓk . Bemerkung.Als Spezialfall betrachten wir die Basisform dyi1 ∧ · · · ∧ dyik auf V ⊆ Rm (wobei y1 , ..., ym die Koordinaten auf Rm sind). Die Abbildung φ : U → V sei y1 (x) φ(x) = ... . ym (x) Dann ist φ∗ (α(y ) dyi1 ∧ ... ∧ dyik ) = α(φ(x)) dyi1 ◦ φ ∧ · · · ∧ dyik ◦ φ. Äußere Ableitung von k-Differentialformen Sei Λk die Menge (eigentlich: Vektorraum) von k-Differentialformen. Die Äußere Ableitung ist eine Abbildung d : Λk → Λk+1 , gegeben durch d X ωi1 ...ik (x) dxi1 ∧ · · · ∧ dxik i1 <...<ik ! = X dωi1 ...ik ∧ dxi1 ∧ · · · ∧ dxik . i1 <...<ik Satz 16. d(φ∗ ω) = φ∗ (dω). Folgerung. Die Äußere Ableitung hängt nicht von den Koordinaten ab. Beweis wird auf der Tafel vorgetragen. Die wichtige Schritte des Beweises ist die folgenden Aussagen: Lemma A. d(dω) = 0. Lemma B. Seien ℓ1 , ..., ℓk 1-Formen sodass dℓi = 0. Dann gilt: d (f ℓ1 ∧ ... ∧ ℓk ) = df ∧ ℓ1 ∧ ... ∧ ℓk . Lie-Ableitung Die Lie-Ableitung kann man für beliebige Objekte definieren, für welche das Verhalten bezüglich Diffeomorphismen erklärt ist (=geometrische Objekte): In unserer Vorlesung sind folgende geometrische Objekte vorgekommen: ◮ Vektorfelder ◮ Differentialformen Def. Sei Ω ein geometrisches Objekt und V ein Vektorfeld. Wir definieren Lv Ω durch der Regel: Lv Ω = d dt |t=0 (Φt∗ Ω) . Bemerkung. Lie hat seine Ableitung “Fischer-Ableitung” genannt: Ein Fischer sitzt am Ufer, beobachtet eine Stelle im Fluss und untersucht wie sich diese Stelle infinitesimal verändert. Die Lie-Ableitung eines Objekts ist ein geometrisches Objekt (weil die Koordinaten in der Definition nicht vorkommen). Es gilt: Wenn die Wirkung von Differeomorphismen auf ein Objekt linear ist (wenn also φ∗ (λ′ Ω′ + λ′′ Ω′′ ) = λ′ φ∗ (Ω′ ) + λ′′ φ∗ (Ω′′ ) , so ist die Lie Ableitung ein Objekt desselben Typs wie das abgeleitete Objekt. Def. Sei Ω ein geometrisches Objekt und V ein Vektorfeld. Wir definieren Lv Ω durch der Regel: d Lv Ω = dt (Φt∗ Ω) . |t=0 1 , dann ist Φt (x, y ) = (x + t, y ) und für jedes feste t Bsp. Sei V = 0 ist dΦt = Id. Als Objekt Ω betrachten wir ein Vektorfeld y ). Es ist U(x, ∂U1 − ∂x d dann (Φt∗ U)(x, y ) = U(x − t, y ) und dt (Φt∗ U) = . 2 |t=0 − ∂U ∂x 1 Bsp. Sei wieder V = , also Φt (x, y ) = (x + t, y ) und für jedes feste 0 t ist dΦt = Id. Als P Objekt Ω betrachten wir eine Differentialform, z.B. eine 2-Form i,j ωij dxi ∧ dxj . Dann ist wieder (Φt∗ Ω)(x, y ) = Ω(x − t, y ) und d dt |t=0 (Φt∗ Ω) = X ∂ω − ∂x1ij dxi ∧ dxj . i,j Bsp. Sei f eine Funktion. Dann ist: LV f = −V (f ) = −df (V ). Lie-Ableitung und Kommutatoren von Vektorfelder Satz 17. Für alle Vektorfelder U, V gilt −[U, V ] = LU V . Beweis. Da die Lie-Ableitung eine geometrische Operation ist, kann man die zwei Vektorfelder, [U, V ] und LU V , in einem beliebigen Koordinatensystem vergleichen. Ist U(p) 6= 0, so wählen wir Koordinaten, sodass U = (1, 0, ..., 0)T . In diesen Koordinaten ist ∂V1 ∂x1 LU V = − ... = −[U, V ]. ∂Vn ∂x1 Sei jetzt V ≡ ~0 in einer Umgebung U(p). Dann ist Φt ≡ Id auf U(p) und deswegen Φt∗ V = V und LU V = 0. Ebenso ist auch [U, V ] = ~0. Da fast jeder Punkt entweder W (p) 6= 0 hat oder eine Umgebung besitzt sodass in dieser Umgebung U ≡ 0 ist, und weil die beide Seiten der Gleichung −[U, V ] = LU V stetig sind, erhalten wir in allen Punkten −[U, V ] = LU V . Innere Ableitung Def. Sei ω eine k-Differentialform und V ein Vektorfeld. Wir definieren die innere Ableitung iV ω als eine k − 1-Differentialform definiert durch iV ω(ξ1 , ..., ξk−1 ) = ω(V , ξ1 , ..., ξk−1 ). Bemerkung. Bei der inneren Ableitung wird nichts abgeleitet! Die Poincaré-Formel Satz 18. Für jede Differentialform ω und für jedes Vektorfeld gilt: −LV ω = iV dω + d(iV ω). Schema des Beweises: Wie in Satz 17 können wir zwei Fälle betrachten: V (p) 6= 0 oder V ≡ 0 in einer Umgebung W (p). Im ersten Fall können wir im Koordinatensystem mit V = (1, 0, ..., 0)T arbeiten – und die Poincare-Formel rechnerisch nachprüfen. Der Fall V ≡ 0 ist trivial: Beide Seiten der Poincare-Formel sind identisch Null.