Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science Die Suche nach den sehr seltenen 0 Zerfällen Bd,s → µ+µ−µ+µ− Peter Klauke Oktober 2015 Lehrstuhl für Experimentelle Physik V Fakultät für Physik Technische Universität Dortmund Betreuer dieser Arbeit ist Dr. Johannes Albrecht. Zweitgutachter ist Prof. Dr. Bernhard Spaan. Typeset using LATEX and KOMA - Script. Inhaltsverzeichnis 1. Motivation 7 2. Theoretische Grundlagen 9 2.1. Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik . . . . . . . . . . . 2.2. Flavour-ändernde neutrale Ströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Die seltenen Bq → `+ `− γ Zerfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das LHCb-Experiment 15 3.1. Das Spurfindungssystem . . . . . 3.2. Die Teilchenidentifikation . . . . 3.2.1. Die Cherenkov-Detektoren 3.2.2. Die Kalorimeter . . . . . . 3.2.3. Die Myon-Kammern . . . 3.3. Der Trigger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Strategie der Messung 4.1. Messung mit 1 fb Datensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Optimierung der Selektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Signalselektion Datensätze . . . . . . . . . . Effizienzberechnung . . . . . . Geometrische Akzeptanz . . . Vorselektion . . . . . . . . . . Trigger . . . . . . . . . . . . . Signalselektion . . . . . . . . 5.6.1. Massenvetos . . . . . . 5.6.2. Multivariate Methoden 5.6.3. Teilchenidentifikation . 16 17 17 18 18 20 21 −1 5.1. 5.2. 5.3. 5.4. 5.5. 5.6. 9 10 12 22 23 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 29 29 30 32 34 34 35 40 6. Anzahl Kandidaten im Kontrollkanal 41 7. Systematische Unsicherheiten 43 7.1. 7.2. 7.3. 7.4. Triggereffizienz auf Daten . . . . . . . . Teilchenidentifikation . . . . . . . . . . . Anzahl der Kandidaten im Kontrollkanal Effizienz des Entscheidungswaldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 47 49 50 3 8. Ergebnisse und Ausblick 51 Literaturverzeichnis 53 A. Eidesstattliche Versicherung 55 Kurzfassung Diese Arbeit beschreibt eine Suche nach den sehr seltenen Zerfällen Bd0 → µ+µ−µ+µ− und Bs0 → µ+µ−µ+µ− . Diese Messung wurde auf einem Datensatz des LHCb-Experiments durchgeführt. Dieser Datensatz entspricht einer integrierten Luminosität von 3 fb−1 . Die Signalselektion wurde neu optimiert, wobei multivariate Methoden eingesetzt wurden. Dadurch konnten die Normierungskonstanten αd = (0,10929 ± 0,00244(stat.)±0,00497(syst.))·10−9 und αs = (0,4269±0,0095(stat.)±0,0386(syst.))· 10−9 bestimmt werden. Diese Normierungskonstanten sind deutlich kleiner als sie in einer vorherigen Messung am LHCb-Experiment zu diesem Zerfall bestimmt werden konnten. Außerdem wurden verbesserte Verfahren zur Bestimmung der systematischen Unsicherheiten entwickelt. Abstract This thesis describes a search for the very rare decays Bd0 → µ+µ−µ+µ− and Bs0 → µ+µ−µ+µ− using data corresponding to an integrated luminosity of 3.0 fb−1 . This data was taken by the LHCb detector. Signal selection was optimised using multivariate methods. This led to normalization constants of αd = (0.10929 ± 0.00244(stat.) ± 0.00497(syst.)) · 10−9 and αs = (0.4269 ± 0.0095(stat.) ± 0.0386(syst.)) · 10−9 . Those are significantly smaller than calculated in a previous measurement at LHCb. Additionally improvements on the calculation of systematic uncertainties were made. 6 1. Motivation b J/ψ c W− + µ µ− c q q + µ φ + γ b W− µ µ− µ− q t + W + µ Z0 µ− Abb. 1.1.: Feynman-Diagramme des resonanten (links) und des nicht-resonanten Zerfalls Bq0 → µ+µ−µ+µ− (rechts). Das Standardmodell der Teilchenphysik [1, 2, 3] ist eine umfassende Theorie, die regelmäßig in Experimenten getestet wird. Sie wurde experimentell vielfach bestätigt. Γ(KL →µ+ µ− ) So hat beispielweise der geringe Wert des Zerfallsbreitenverhältnisses Γ K + →µ+ ν ( ) zur korrekten Vorhersage eines vierten Quarks geführt. Allerdings werden messbare Phänomene wie z.B. der Dunklen Materie und Dunklen Energie nicht durch das Standardmodell erklärt. Daher gibt es Grund zur Annahme, dass das Standardmodell unvollständig ist. Auf niedrigen Energieskalen ist das Standardmodell bereits gut überprüft. Weitere Überprüfungen sind daher mit der Messung von seltenen Zerfällen und deren Verzweigungsverhältnissen an Teilchenbeschleunigern mit immer höheren Schwerpunktsenergien möglich. Im SM finden die seltenen Zerfälle Bq0 → µ+µ−µ+µ− mit q = d, s dominant über die resonanten Zwischenzustände J/ψ und φ statt. Das Verzweigungsverhältnis dieses Zerfalls beträgt BR(Bs0 → J/ψ(→ µ+ µ− )φ(→ µ+ µ− )) = (2,3 ± 0,9) · 10−8 [4]. Das Verzweigungsverhältnis der nicht-resonanten Zerfälle wurde bislang noch nicht bestimmt. Es wird kleiner als 10−10 angenommen [5]. Feynman-Diagramme für diese Zerfälle sind in Abbildung 1.1 dargestellt. Minimal-supersymmetrische Modelle postulieren jedoch weitere Prozesse über pseudoskalare Teilchen P und skalare Teilchen S [6]. Diese Prozesse erhöhen die Verzweigungsverhältnisse der Zerfälle Bq0 → µ+µ−µ+µ− . Ein Feynman-Diagramm eines solchen Zerfalls ist in Abb. 1.2 dargestellt. Im Jahr 2008 hat die HyperCP Kollaboration bereits experimentelle Hinweise für ein solches pseudoskalares Teilchen mit einer Masse von 214,3 ± 0,5 MeV/c2 gefunden [7]. 7 1. Motivation + µ b q P µ− S µ + µ− Abb. 1.2.: Feynman-Diagramm eines minimal-supersymmetrischen Zerfalls Bq0 → µ+µ−µ+µ− über ein skalares Teilchen S und ein pseudoskalares Teilchen P . 8 2. Theoretische Grundlagen 2.1. Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik Das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt die bekannten Elementarteilchen und deren Wechselwirkungen. Es umfasst die schwache, die starke und die elektromagnetische Wechselwirkung. Nach dem Standardmodell besteht Materie aus 6 Leptonen, 6 Quarks, deren Antiteilchen, den Eichbosonen und dem Higgs-Boson. Die Leptonen ` und Quarks q gehören wegen ihres halbzahligen Spins zur Gruppe der Fermionen. Der einzige Unterschied zwischen einem Fermion und seinem Antiteilchen liegt in dem Vorzeichen der ladungsartigen Quantenzahlen. Die elementaren Fermionen werden in 3 Generationen bestehend aus je einem Up-Typ (u, c, t) und einem Down-Typ (d, s, b) respektive einem geladenem Lepton und einem Neutrino eingeteilt: ! ! ! ! ! ! ! ! U u c t ` e µ τ = , = . D d s b `ν νe νµ ντ L L L L Eine schematische Darstellung dieser Teilchen mit einigen ihrer Eigenschaften befindet sich außerdem in Abbildung 2.1. Alle Teilchen mit elektrischer Ladung koppeln an die elektromagnetische Wechselwirkung über dessen Eichboson, das Photon. Die Kopplungen der Teilchen sind in Abbildung 2.2 illustriert. Quarks tragen neben ihrer elektrischen zusätzlich eine Farbladung (rot, grün, blau). Dadurch koppeln sie als einzige an die Gluonen, den Eichbosonen der starken Wechselwirkung. Gebundene Zustände aus Quarks und Gluonen werden als Hadronen bezeichnet. Hadronen sind stets farblos, sie bestehen also z.B. aus einem Quark-Antiquark-Paar (Mesonen) oder aus drei Quarks (Baryonen). Die W - und Z-Bosonen der schwachen Wechselwirkung koppeln an alle linkshändigen Teilchen und rechtshändigen Antiteilchen. Die Händigkeit eines Teilchen ist die Projektion seines Spins auf seinen Impuls. Ein linkshändiges, massebehaftetes Teilchen lässt sich stets über Lorentz-Transformation in ein System transformatieren, in dem das Teilchen rechtshändig ist. Da die Neutrinos im Standardmodell masselos 9 2. Theoretische Grundlagen 1,275 GeV 2/3 1/2 up charm Quarks u 4,8 MeV -1/3 1/2 d down < 2 eV 0 1/2 νe Leptonen ElektronNeutrino 0,511 MeV -1 1/2 e Elektron c 173,1 GeV 2/3 1/2 t top 95 MeV -1/3 1/2 4,18 GeV -1/3 1/2 strange bottom < 0,19 MeV 0 1/2 < 18,2 MeV 0 1/2 MyonNeutrino TauNeutrino s νµ 105,7 MeV -1 1/2 µ Myon b ντ 1,777 GeV -1 1/2 τ Tau 0 0 1 125,9 GeV 0 0 γ H HiggsBoson Photon 0 0 1 g Gluon 91,2 GeV 0 1 0 Z Z Boson 80,4 GeV ±1 ± 1 W W Boson Eichbosonen Masse→ 2,3 MeV Ladung→ 2/3 Spin→ 1/2 Abb. 2.1.: Übersicht über die elementaren Teilchen des Standardmodells mit einigen ihrer Eigenschaften. sind, koppelt keines der Eichbosonen an die rechtshändigen Neutrinos oder linkshändigen Antineutrinos. Heutzutage ist jedoch bekannt, dass Neutrinos oszillieren. Ein Effekt, der im Standardmodell durch die Masse der beteiligten Teilchen beschrieben ist. Ein Teilchen erhält seine Masse im Standardmodell über die Yukawa-Kopplung an das Higgs-Feld. Der Higgs-Mechanismus erklärt, warum die Fermionen und die Eichbosonen der schwachen Wechselwirkung eine Masse besitzen, während die Gluonen und das Photon masselos sind. 2.2. Flavour-ändernde neutrale Ströme Bei der Wechselwirkung eines Quarks mit einem W -Boson alterniert der Up- bzw. Down-Typ des Quarks, es ändert seinen Flavour. Hier wird von flavour-ändernden geladenen Strömen gesprochen. Die Wahrscheinlichkeiten der drei Flavouränderungsmöglichkeiten werden durch die Cabibbo-Kobayashi-Maskawa-Matrix (CKM-Matrix) beschrieben. Die Drehung zwischen schwachen Eigenzuständen q 0 und Massen-Eigenzuständen q wird geschrieben als d0 Vud Vus Vub d 0 s V V V = cd cs cb s . 0 b Vtd Vts Vtb b 10 2.2. Flavour-ändernde neutrale Ströme Leptonen g Quarks νe νµ ντ Gluon u c t d s b e µ τ γ Photon Higgs-Boson H W± Z0 schwache Bosonen Abb. 2.2.: Schematische Darstellung der möglichen Kopplungen zwischen Fermionen und Bosonen. Teilchen, die aneinander koppeln, sind mit einer Linie verbunden. Das Betragsquadrat eines Matrixelements |Vij |2 , das den Übergang eines Quarks i nach j beschreibt, ist proportional zur Wahrscheinlichkeit dieses Übergangs. Die Beträge der CKM-Matrixelemente sind abhängig von ihrem Abstand zur Hauptdiagonalen. Die Größe dieser Beträge lässt sich durch den Wolfenstein-Parameter λ ≈ 0,2257 annähern [8]. Dies ist durch Gleichung (2.1) beschrieben. 1 λ λ3 |Vud | |Vus | |Vub | (2.1) |VCKM | = |Vcd | |Vcs | |Vcb | ∝ λ 1 λ2 . 3 2 λ λ 1 |Vtd | |Vts | |Vtb | In erster Ordnung sind nur flavour-ändernde geladene Ströme möglich. In zweiter Ordnung sind zusätzlich flavour-ändernde neutrale Ströme über virtuelle Teilchen zulässig. Flavour-ändernde neutrale Ströme erfolgen im SM durch zwei hintereinander stattfindende flavour-ändernde geladene Ströme. Feynman-Diagramme solcher Prozesse für Down-Typ-Quarks D sind in Abbildung 2.3 dargestellt. FeynmanDiagramme sind eine grafische Darstellungsmethode von mathematischen Ausdrücken, die das Verhalten von subatomaren Teilchen beschreiben. Die Beiträge der virtuellen Up-Typ-Quarks U zur Amplitude A des Prozesses Di → Dj Z(γ) sind im Glashow-Iliopolus-Maiani-Mechanismus (GIM-Mechanismus) [9] beschrieben: ∗ ∗ ∗ A ∝ VuDi VuD mu + VcDi VcD mc + VtDi VtD mt . (2.2) j j j 11 2. Theoretische Grundlagen Uj Di W Di u, c, t Dj Di W− Dj u, c, t W− − Z, Z, γ γ Abb. 2.3.: Feynman-Diagramme eines flavour-ändernden geladenen Stromes (links) und von flavour-ändernden neutralen Strömen (mittig und rechts). Da mt mc + mu gilt, sind die Beiträge der beiden leichteren Quarks für die Übergänge b → d, s vernachlässigbar. Dies gilt auch nach Berücksichtigung der Matrixelementprodukte in Gleichung (2.2) (vgl. Gleichung (2.1)). 2.3. Die seltenen Bq → `+ `− γ Zerfälle Der Zerfall eines B 0 -Mesons in zwei Myonen und ein Photon stellt einen Zwischenzustand der nicht-resonanten Zerfälle Bq0 → µ+µ−µ+µ− dar. Zur Abschätzung einer oberen Grenze lässt sich daher das Verzweigungsverhältnis der seltenen Bq → `+ `− γ Zerfälle verwenden. Bei diesen Zerfällen handelt es sich um b → d, s Übergänge. Die Amplitude dieser Zerfälle ist durch + `− b→q` + − A(1) µ = hγ(k, ), ` (p1 ), ` (p2 )|Heff |B(p)i gegeben. Der effektive Hamiltonian dieser schwachen Übergange lautet X GF b→q Heff = √ Vtb Vtq∗ Ci (µ)Oi (µ), 2 i mit der Fermikonstanten GF , den Wilson-Koeffizienten Ci und den Basisoperatoren Oi . Die Feynman-Diagramme, die zur Amplitude der Zerfälle Bq → `+ `− γ beitragen, sind in Abbildung 2.4 dargestellt. Damit wird der effektive Hamiltonian zu [5] + `− b→q` Heff h C7γ (µ) ¯ GF αem ¯ η` =√ Vtb Vtq∗ − 2imb dσην q ν (1 + γ5 )b`γ 2 2π q 2 i eff ¯ η (1 − γ5 )b`γ ¯ η ` + C10A (µ)dγ ¯ η (1 − γ5 )b`γ ¯ η γ5 ` , + C (µ, q 2 )dγ 9V mit der elektromagnetischen Kopplung αem , den Dirac-Matrizen γν (ν = 0, 1, 2, 3) und γ5 = iγ0 γ1 γ2 γ3 , dem Imuplsübertrag q der beiden Leptonen und dem metrischen Tensor σην im Minkowski-Raum. 12 2.3. Die seltenen Bq → `+ `− γ Zerfälle Bq `− b γ q `+ q Bq b q γ `+ (a) Bq − ` b (b) `− b γ q q `+ Bq b b q γ (c) − ` `+ (d) Abb. 2.4.: Feynman-Diagramme die zur Amplitude A(Bq → `+ `− γ) beitragen. Die schraffierten Flächen in den Diagrammen (a) und (b) stehen für den b → qγ Operator O7γ und die in den Diagrammen (c) und (d) für die b → q`+ `− Operatoren O9V und O10AV . In den schraffierten Flächen fließen flavour-ändernde neutrale Ströme (vgl. Abschnitt 2.2). Nach der Berücksichtigung von Formfaktoren und Bremsstrahlungseffekten konnten in Referenz [5], die in Tabelle 2.1 aufgelisteten, Verzweigungsverhältnisse für Bq → `+ `− γ numerisch berechnet werden. Tab. 2.1.: Verzweigungsverhältnisse der Zerfälle Bd,s → `+ `− γ in Abhängigkeit der γ minimalen Photonenergie Emin [5]. γ (MeV) Emin 20 50 80 BR(Bd → e+ e− γ) · 1010 BR(Bs → e+ e− γ) · 109 BR(Bd → µ+ µ− γ) · 1010 BR(Bs → µ+ µ− γ) · 109 BR(Bd → τ + τ − γ) · 1010 BR(Bs → τ + τ − γ) · 109 3,95 24,6 1,34 18,9 3,39 11,6 3,95 24,6 1,32 18,8 2,37 8,10 3,95 24,6 1,31 18,8 1,87 6,42 Mit diesen Ergebnissen lassen sich obere Grenzen für die Verzweigungsverhältnisse Bq0 → µ+µ−µ+µ− abschätzen: BR(Bd0 → µ+µ−µ+µ− ) < O(10−10 ) und BR(Bs0 → µ+µ−µ+µ− ) < O(10−9 ). Da in den Zerfällen Bd,s → `+ `− γ keine Helizitätsunterdrückung existiert, lässt sich erkennen, dass die Verzweigungsverhältnisse der Zerfälle Bq0 → τ +τ −τ +τ − und Bq0 → e+e−e+e− in der gleichen Größenordnung liegen wie die der Zerfälle Bq0 → µ+µ−µ+µ− . 13 14 3. Das LHCb-Experiment Das LHCb-Experiment ist eines der vier großen Experimente am Large Hadron Collider (LHC) bei Genf. Der LHC ist ein unterirdischer ringförmiger Teilchenbeschleuniger mit einem Umfang von fast 27 km. Der Teilchenbeschleuniger wurde für √ Proton-Proton Kollisionen mit einer Schwerpunktsenergie s von bis zu 14 TeV entwickelt. Zwei Protonstrahlen werden in dem Ring in entgegengesetzte Richtungen beschleunigt und an den Positionen der großen Experimente zur Kollision gebracht. √ Im Jahr 2011 lief der Beschleuniger mit einer Schwerpunktsenergie von s = 7 TeV und im Jahr 2012 mit 8 TeV. Anschließend wurde der LHC für Modernisierungen heruntergefahren. Während dieses ersten Runs hat das LHCb-Experiment Daten entsprechend einer integrierten Luminosität von 3 fb−1 aufgenommen. Im Rahmen des LHCb-Experiments werden neue Phänomene in seltenen Zerfällen und Ursachen der Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie im Universum untersucht. Dazu werden Hadronen untersucht, die ein bottom- oder charm-Quark enthalten. Frühere Experimente zum bottom-Quark setzten auf Elektron-PositronKollisionen mit einer Schwerpunktsenergie nahe der Masse des Υ(4S)-Mesons, welches mit einer Wahrscheinlichkeit von über 96 % in zwei B-Mesonen zerfällt [4]. Damit haben diese Experimente reinere bb̄-Datensätze aufnehmen können. Da die Synchrotronstrahlung eines beschleunigten, geladenen Teilchens aber invers proportional zur 4. Potenz der Masse ist, können Hadronbeschleuniger deutlich höhere Schwerpunktsenergien und damit höhere bb̄-Wirkungsquerschnitte erreichen. Der Datensatz, den das LHCb-Experiment im Run 1 aufgezeichnet hat, umfasst 8·1010 bb̄ Ereignisse. Damit ist er der bisher größte, zum bottom-Quark aufgenommene, Datensatz und ist somit optimal zur Untersuchung sehr seltener B-Zerfälle geeignet. Die dominant wechselwirkenden Partonen bei der Kollision von Hadronen mit Schwerpunktsenergien in der Größenordnung von Teraelektronenvolt sind Gluonen. Die beiden, bei einer Kollision wechselwirkenden Gluonen, tragen unterschiedliche Bruchteile des Hadronimpulses. Aus diesem Grund und weil die Masse des bottom-Quarks klein gegenüber der Schwerpunktsenergie ist, sind die Winkel der beiden erzeugten bottom-Quarks zur Strahlachse überwiegend gering. Daher ist der LHCb-Detektor ein Einarm-Vorwärts-Spektrometer. Dieser ist in Abbildung 3.1 dargestellt. Der abgedeckte Raumbereich des Detektors beträgt 2 < η < 5. Die Pseudorapidität ist als Θ 1 p + pz η = − ln tan = − ln 2 2 p − pz 15 3. Das LHCb-Experiment Abb. 3.1.: Der Detektor des LHCb-Experiments [10]. mit dem Winkel zur Strahlachse Θ und dem (Longitudinal-)Impuls p(z) eines Teilchens definiert. 3.1. Das Spurfindungssystem Die Detektorkomponente, die um den Kollisionspunkt der Protonen gebaut ist, ist der Vertex-Detektor. Dieser ist in Abb. 3.1 als Vertex Locator gekennzeichnet. Die Hauptaufgabe des Vertex-Detektors ist die Lokalisation der Primär- und Sekundärvertices. Der Kollisionspunkt der Protonen ist der Primärvertex und die Stellen an denen die entstandenen Teilchen zerfallen sind die Sekundärvertices. Der VertexDetektor basiert aus 21 Modulen in z-Richtung. Die z-Achse ist die Strahlachse, sie ist in Abb. 3.1 gekennzeichnet. Die Module bestehen auf einer Seite aus ϕ-Sensoren und auf der anderen aus r-Sensoren. Der Winkel ϕ beschreibt den Winkel einer Teilchenbahn zur Strahlachse und der Radius r deren Abstand voneinander an einem bestimmten Wert von z. Die r-Sensoren sind in Kreisbögen, die ϕ-Sensoren in geraden Linien angeordnet. Dies ist in Abb. 3.2 verdeutlicht. Die Spurfindung innerhalb des Vertex-Detektors rekonstruiert Spuren zunächst in der (r, z)-Ebene und erweitert diese anschließend mithilfe der ϕ-Sensoren ins Dreidimensionale [11]. Die weitere Spurfindung erfolgt durch den Tracker Turicensis (TT) vor und den 16 3.2. Die Teilchenidentifikation ϕ-Sensor r-Sensor + 256 + 384 10 5 44 + m µm 2· 256 µm 60 40 µm 40 µ µ 104 40 - 80 640 µm Str x eife n 241 y m Abb. 3.2.: Darstellung eines Sechstels einer ϕ-Streifen (links) und einer r-Streifen Seite (rechts) eines Vertex-Detektor Moduls. Die angegebenen Längen geben die Breite eines Streifens in dem jeweiligen Bereich an. drei Tracking-Stationen (T1 bis T3) nach dem Dipolmagneten. Die rekonstruierten Spuren des Vertex-Detektors werden mithilfe der Messpunkte in diesen beiden Detektorkomponenten erweitert. Das Magnetfeld innerhalb dieses Spurfindungssystems verursacht eine Krümmung der Bahnen von geladenen Teilchen. Durch die Stärke der Krümmung lassen sich Informationen über den Impuls und die Ladung eines Teilchens extrahieren. 3.2. Die Teilchenidentifikation Neben der Spurfindung ist die Identifikation der Teilchen ein wichtiger Bestandteil des Detektors. Diese findet mithilfe der Cherenkov-Detektoren, den Kalorimetern und den Myon-Kammern statt. 3.2.1. Die Cherenkov-Detektoren Zur Teilchenidentifikation wird unter anderem die Cherenkov-Strahlung der Teilchen ausgenutzt. Diese elektromagnetische Strahlung entsteht, wenn sich ein Teilchen in einem Medium mit einer höheren Geschwindigkeit als der Phasengeschwindigkeit von elektromagnetischen Wellen in diesem Medium bewegt. Der Ring-Imaging Cherenkov-Detektor RICH1 dient zur Identifikation von geladenen Teilchen mit niedrigen Impulsen 1 < p < 60 GeV/c. Dazu werden zwei Substanzen mit unterschiedlichen Brechungsindizes verwendet. Die erste Substanz ist Aerogel mit einem Brechungsindex n = 1,030. Die zweite ist Perfluorbutangas C4 F10 17 3. Das LHCb-Experiment mit n = 1,0014. Der RICH1 ist vor dem Dipolmagneten angeordnet, da Teilchen mit niedrigen Impulsen mit nicht vernachlässigbarer Wahrscheinlichkeit innerhalb des Magnetfeldes den Detektor verlassen. Für Teilchen mit hohem Impuls ist der RICH2 nach dem Magnetfeld zuständig. Dieser ist für Teilchenimpulse von 15 GeV/c bis zu über 100 GeV/c optimiert. Als Radiator dient das Gas Tetrafluormethan. Dieses hat einen Brechungsindex von 1,0005. Das emittierte Cherenkov-Licht wird mithilfe von Spiegeln auf Photodetektoren geworfen. Zur Identifikation eines Teilchens müssen die Informationen des Cherenkov-Winkels ΘC mit denen des Teilchenimpulses kombiniert werden. Der (ΘC , p)-Phasenraum der typischen B-Meson-Zerfallsprodukte ist für die drei Radiatoren in Abbildung 3.3 illustriert. Es zeigt sich, dass die Radiatoren den Phasenraum gut abdecken. Aufgrund der hohen Auslastung der RICH-Detektoren wird ein Log-Likelihood-Algorithmus auf alle Spuren eines Ereignisse simultan angewandt. Der Prozess der LikelihoodMinimierung läuft iterativ für jede Spur mit jeweils einer Massenhypothese für Elektronen, Myonen, Pionen, Kaonen und Protonen durch, ohne dabei die Hypothese der anderen Spuren zu verändern. Dabei werden zunächst alle Teilchen als Pionen angenommen. Die Hypothese, die die größte Verbesserung erzielt, wird für die weitere Berechnung der anderen Spuren verwendet. Dieser Prozess wird mehrfach wiederholt. Die Unterschiede in den Log-Likelihood Werten zwischen zwei Teilchenhypothesen ∆ log L werden als Variablen zur Teilchenidentifikation benutzt. Dies wird in Referenz [12] näher beschrieben. 3.2.2. Die Kalorimeter Das Kalorimetersystem besteht aus einem elektronischen (ECAL) und einem hadronischen Kalorimeter (HCAL). Eine wichtige Aufgabe dieser Kalorimeter ist die Übergabe von Energie- und Positionsinformationen von Elektronen, Photonen und Hadronen an das Triggersystem. Elektronen und Photonen deponieren ihre gesamte Energie im ECAL und Hadronen deponieren Energie im HCAL. Das elektronische Kalorimeter besteht aus einer alternierenden Struktur von szintillierenden Fasern und Bleiplatten. Im hadronischen Kalorimeter werden statt Blei- Eisenplatten verwendet. Weitere Informationen lassen sich in Referenz [10] finden. 3.2.3. Die Myon-Kammern Myonen sind, wie auch in dieser Messung, ein häufiger Bestandteil in den Endzuständen von B-Meson-Zerfällen. Dementsprechend ist die Myon-Identifikation ein wichtiger Punkt bei LHCb. Das Myon-System besteht aus 5 Stationen (M1-M5) rechteckiger Form, von denen sich vier am Ende des Detektors befinden. Der Energieverlust von Myonen in Materie ist gering. Damit sind Myonen, abgesehen von Neutrinos, die einzigen Teilchen, die die Kalorimeter passieren. Zum Bremsen der Myonen werden 18 3.2. Die Teilchenidentifikation 250 ΘC (mrad) 200 e µ Aerogel π 150 100 K p C4 F10 Gas 50 0 0 10 C4 Gas 101 Impuls (GeV/c) 102 Abb. 3.3.: Schematische Darstellung des Verlaufs von Hadronen (rot) und Leptonen (lila) im (ΘC , p)-Phasenraum. Der Verlauf des Kaons und des Pions sind für alle drei Radiatoren eingezeichnet. Die Datenpunkte sind Referenz [10] entnommen. in den Myon-Stationen daher Eisenfilter verwendet. Die erste Myon-Station ist noch vor den Kalorimetern platziert. Sie ist zur Verbesserung der Transversalimpulsmessung im Hardware-Trigger zuständig. Die restlichen Stationen sind verschachtelt mit 80 cm dicken Absorbern, um durchfliegende Myonen zu selektieren. Alle Stationen sind mit Vieldrahtproportionalkammern und Gas-Elektronen-Vervielfachern ausgestattet. Das gesamte Myon-System stellt sowohl für den Trigger, als auch für die Offline-Rekonstruktion, Informationen zur Selektion von Myonen mit hohem Transversalimpuls bereit. Die Myon-Identifikation findet in drei Schritten statt [13]. Zunächst wird eine lockere Selektion, basierend auf der Eindringtiefe durch die Eisenfilter, auf die MyonKandidaten angewandt. Dies wird als IsMuon Entscheidung bezeichnet. Die Anzahl der Kammern, die ein Myon-Signal zu einem bestimmten Kandidaten haben müssen, ist abhängig vom Impuls. Details lassen sich Tabelle 3.1 entnehmen. Anschließend wird eine Likelihood-Funktion für eine Myon- und eine Nicht-Myon-Hypothese erstellt. Diese basiert auf dem Muster der Messpunkte in den Myon-Stationen an den Stellen der extrapolierten Teilchenspuren aus dem Spurfindungssystem. Der Logarithmus der Differenz von Myon- und Nicht-Myon-Hypothese ∆ log Lµ wird zur Teilchenidentifikation benutzt. Zuletzt wird eine kombinierte Likelihood-Funktion mit den zusätzlichen Informationen aus den Cherenkov-Detektoren und den Kalorimetern berechnet. Der Logarithmus aus dem Verhältnis der Myon- und Pion-Hypothese wird mit ∆ log Lµπ bezeichnet. 19 3. Das LHCb-Experiment Tab. 3.1.: Erforderliche Myon-Stationen zur Erreichung einer positiven IsMuonEntscheidung in Abhängigkeit des Teilchenimpulses. Impulsintervall Myon-Stationen 3 < p < 6 GeV/c M2∧M3 6 < p < 10 GeV/c M2∧M3∧(M4∨M5) p > 10 GeV/c M2∧M3∧M4∧M5 3.3. Der Trigger Die Strahlkreuzungsrate der beiden Protonenstrahlen innerhalb des LHCb-Detektors beträgt 40 MHz. Die Datenrate, die der LHCb-Detektor dazu aufnimmt, wird deutlich reduziert bevor sie abgespeichert wird. Die interessanten Ereignisse müssen möglichst früh von den uninteressanten getrennt werden. Dies wird durch ein mehrstufiges Triggersystem gewährleistet: • Der Hardware-Trigger L0 reduziert die Datenrate mithilfe der Transversalimpulsinformationen aus den Myonkammern und den Transversalenergieinformationen aus den Kalorimetern auf 1 MHz. • Der erste High-Level-Trigger HLT1 ist ein Software-Trigger, der die Datenrate auf 80 kHz reduziert. Die Ereignisse, die den Hardware-Trigger passieren, werden zunächst partiell rekonstruiert. Auf diesen Daten erfolgen Selektionen basierend auf unterschiedlichen Kriterien. • Der HLT2 reduziert die Datenrate, die nach dem HLT1 noch verbleibt, auf 5 kHz. Dazu werden die Ereignisse vollständig rekonstruiert. Die Algorithmen zur Bestimmung der Spurparameter in HLT1 und HLT2 sind die gleichen, wie sie in der Offline-Rekonstruktion verwendet werden. Im High-Level-Trigger sind diese Algorithmen jedoch vereinfacht. Für jede Triggerstufe gibt es eine Vielzahl an Triggerentscheidungen, von denen mindestens eine positiv sein muss, damit ein Ereignis die jeweils nächste Stufe erreicht. Jede Triggerentscheidung stellt verschiedene Anforderungen an die Kinematik, Rekonstruktion oder Topologie eines Ereignisses. 20 4. Strategie der Messung Das Verzweigungsverhältnis der Zerfälle Bq0 → µ+µ−µ+µ− ist gegeben durch BR(Bq0 → µ+µ−µ+µ− ) = NBq0→µ+µ−µ+µ− 2 L σbb̄ Bq0→µ+µ−µ+µ− fq=(d, s) . Hierbei steht L für die Luminosität, σbb̄ für den bb̄-Wirkungsquerschnitt, Bq0→µ+µ−µ+µ− für die Effizienz mit der Bq0 → µ+µ−µ+µ− Ereignisse selektiert werden und die Größe NBq0→µ+µ−µ+µ− für die Anzahl der Ereignisse, die gemessen wurden. Das Produktionsverhältnis fd,s gibt das Verhältnis, wie oft ein b-Quark mit einem u- oder einem d- respektive einem s-Quark hadronisiert, an. Da gemessene Werte des Wirkungsquerschnitts und der Luminosität große relative Unsicherheiten haben, wird das Verzweigungsverhältnis in dieser Messung relativ zu dem Normierungskanal B + → J/Ψ(→ µ+ µ− )K + bestimmt: NBq0→µ+µ−µ+µ− B +→J/ψK + BR(Bq0 → µ+µ−µ+µ− ) = fq . BR(B + → J/ψK + ) NB +→J/ψK + Bq0→µ+µ−µ+µ− (4.1) In dieser Arbeit ist mit B + → J/ψK + stets B + → J/Ψ(→ µ+ µ− )K + gemeint. Die Wahl dieses Kanals erklärt sich durch die niedrige relative Unsicherheit von 3,3 % auf das Verzweigungsverhältnis BR(B + → J/ψK + ) [4]. Zusätzlich lässt sich dieser Kanal sehr gut mit lockeren rechteckigen Schnitten selektieren. Gleichung (4.1) lässt sich zu BR(B + → J/ψK + ) B +→J/ψK + BR(Bq0 → µ+µ−µ+µ− ) = NBq0→µ+µ−µ+µ− fq (4.2) NB +→J/ψK + Bq0→µ+µ−µ+µ− | {z } αq umformen. Hier wurden die Normierungskonstanten αq definiert. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Bestimmung dieser Konstanten. Die Strategie der Messung ist in Abb. 4.1 illustriert. Die Ereignisse des Signal- und Kontrollkanals müssen zunächst selektiert werden. Dazu durchlaufen sie die Selektionen des Triggers und eine lockere Vorselektion. Zur Unterdrücking einiger dominanter Untergründe werden Massenvetos auf den Signalkanal angewandt. Im letzten Schritt der Signalselektion erfolgen Schnitte auf Teilchenidentifikationsvariablen und für den Signalkanal werden zusätzlich multivariate Methoden verwendet. Anschließend können die Normierungskonstanten bestimmt werden. Zuletzt wird die erwartete Anzahl von Untergrundkandidaten und die Ergebnisse für die Verzweigungsverhältnisse bestimmt. 21 4. Strategie der Messung Signalselektion Trigger Vorselektion Normierung Massenvetos Bestimmung von Untergrund und Ergebnis finale Signalselektion Abb. 4.1.: Schematische Darstellung der Messungsstrategie. Die Massenvetos in der Signalselektion werden nicht für den Kontrollkanal B + → J/ψK + angewandt. 4.1. Messung mit 1 fb−1 Datensatz Im Jahr 2012 hat das LHCb-Experiment bereits eine Messung zum Verzweigungsverhältnis der nicht-resonanten Zerfälle Bq0 → µ+µ−µ+µ− publiziert [14]. Die Messung wurde bei einer Schwerpunktsenergie von 7 TeV mit einem Datensatz entsprechend einer integrierten Luminosität von 1 fb−1 durchgeführt. Zur Selektion der Ereignisse wurden vollständig rechteckige Schnitte verwendet. Der resonante Zerfall wurde unterdrückt, indem für die invarianten Massen zweier Myonen auf die Massen der Resonanzen Vetos eingelegt wurden. Diese Massenvetos lagen für das φ-Meson bei 950 < mµ+ µ− < 1090 MeV und für das J/Ψ-Meson bei 3000 < mµ+ µ− < 3200 MeV. Um die Triggereffizienzen zwischen Signal- und Normierungskanal Bd0 → J/ΨK ∗0 so ähnlich wie möglich zu halten, wurden für beide Kanäle die gleichen Anforderungen an die Triggerentscheidungen gewählt. Die Normierungskonstanten wurden zu αs = (5,36 ± 0,88) · 10−9 und αd = (1,41 ± 0,20) · 10−9 bestimmt. Im ±60 MeV/c2 Massenfenster des B 0 -Mesons wurde ein Ereignis, im Massenfenster des Bs0 -Mesons wurde kein Ereignis gefunden. Diese Beobachtung ist konsistent mit dem erwarteten Untergrund. Mithilfe der CLs Methode [15] wurde daraufhin eine obere Grenze auf die Verzweigungsverhältnisse bestimmt. Diese lagen mit 95 % (90 %) Konfidenzlevel bei BR(Bs0 → µ+µ−µ+µ− ) < 1,6 (1,2) · 10−8 und BR(Bd0 → µ+µ−µ+µ− ) < 6,4 (5,1) · 10−9 . 22 4.2. Optimierung der Selektion 4.2. Optimierung der Selektion Die größte Verbesserung dieser Messung zu der publizierten Messung ist eine Optimierung der Signalselektion. Dies wurde durch einen „geboosteten“ Entscheidungswald gewährleistet. Ein Entscheidungswald ist eine Menge aus Entscheidungsbäumen. Ein Entscheidungsbaum dient zur automatischen Klassifikation von Datenobjekten, er besteht aus einer Sequenz von binären Teilungen der Daten. Ein schematisches Beispiel eines solchen Entscheidungsbaumes ist in Abb. 4.2 dargestellt. B0 : p ≤ 20 GeV/c > 20 GeV/c µ± : pT B0 : τ ≤ 1 ps > 5 GeV/c > 1 ps x1 x2 cos(DIRA) ≤ 0,9999 x4 ≤ 5 GeV/c x3 > 0,9999 x5 Abb. 4.2.: Schematische Darstellung eines Entscheidungsbaums. An den Knoten (blau) werden die Daten basierend auf einer Variable geteilt. Die Blätter (grün) geben eine Wahrscheinlichkeit pT ∈ {x1 , x2 , x3 , x4 , x5 } an, wie signalähnlich ein Ereignis ist. Für jedes Ereignis i gibt ein Entscheidungsbaum T eine Wahrscheinlichkeit pT (i) ∈ [0,1] an. Um einen solchen Entscheidungsbaum zu erstellen muss er trainiert werden. Dazu wird ein Signal- und ein Untergrunddatensatz benötigt. Jeder Baum eines Entscheidungswaldes wird unabhängig voneinander trainiert. Aus den Wahrscheinlichkeiten aller Bäume wird schließlich eine Diskriminante berechnet [16]: T 1X p= pT . T t=1 Diese Diskriminante dient zur Separation von Signal- und Untergrundverteilungen. Ein Entscheidungsbaum ist jedoch eine instabile Klassifikationsmethode [17]. Eine kleine Änderung in den Trainingsdatensätzen kann große Änderungen im Entscheidungsbaum verursachen. Darum wird die Methode des Boostings verwendet. Ereignisse, die durch einen Entscheidungsbaum falsch klassifiziert wurden, werden stärker 23 4. Strategie der Messung gewichtet. Anschließend wird ein neuer Baum berechnet. In dieser Messung wurde das −Boosting verwendet. Das Gewicht falsch klassifizierter Ereignisse wird mit dem Faktor e2 (mit = 0,05) multipliziert. 24 5. Signalselektion Die aufgenommenen Daten des LHCb-Experiments müssen selektiert werden, um die Ereignisse des Signal- und des Kontrollkanals zu extrahieren. Gewünscht ist dabei eine möglichst hohe Untergrundunterdrückung bei möglichst wenig Verlust von Signal- respektive Kontrollkanalereignissen. Zunächst können nur Ereignisse gemessen werden, die in der geometrischen Akzeptanz des Detektors liegen. Die Ereignisse müssen dann vom Trigger (TOS) akzeptiert werden. Danach wird auf die gemessenen Ereignisse eine lockere Vorselektion angewandt. Für die Zerfallskanäle Bq0 → µ+µ−µ+µ− werden zur Unterdrückung bestimmter Untergründe Vetos auf die invarianten Massen der Myonen gelegt. Die abschließende Signalselektion erfolgt durch Schnitte auf Teilchenidentifikationsvariablen ∆ log L und für den Signalkanal mithilfe multivariater Methoden (BBDT). Die totalen Effizienzen in Gleichung (4.2) zur Selektion der Bq0 → µ+µ−µ+µ− respektive B + → J/ψK + Ereignisse setzen sich demnach aus mehreren Effizienzen zusammen. Dies wird durch (tot )B +→J/ψK + = geo Vorsel TOS ∆ log L und (tot )Bq0→µ+µ−µ+µ− = geo Vorsel TOS Veto BBDT ∆ log L beschrieben. 5.1. Datensätze Die Messung wird auf Daten des LHCb-Experiments durchgeführt, die einer integrierten Luminosität von 3 fb−1 entsprechen. Davon wurde 1 fb−1 bei 7 TeV und 2 fb−1 bei 8 TeV Schwerpunktsenergie aufgenommen. Sämtliche Effizienzen des Signalkanals werden nur mit dem Bs0 → µ+µ−µ+µ− Datensatz berechnet, da die beiden Signalzerfälle sehr ähnliche Signaturen besitzen. In diesem Datensatz wurde das Massenfenster des Bs -Mesons ausgeblendet, um eine unvoreingenommene Messung zu gewährleisten. Zur Berechnung der Effizienzen werden Monte-Carlo-generierte Simulationsdaten verwendet. Zur Generierung der Proton-Proton-Kollisionen wurde das Programm Pythia 8 [18] verwendet. Die Zerfälle der generierten B-Mesonen wurden mit dem 25 5. Signalselektion Programm EVTGEN [19] simuliert. Die Simulation der Detektorwechselwirkungen übernahm das Programm Geant4 [20]. In einigen Variablen beschreibt die Simulation die Daten allerdings unzureichend. Daher wurde zunächst die Multiplizität im szintillierenden Pad-Detektor (SPD) und danach der Transversalimpuls des B-Mesons so umgewichtet, dass die Verteilungen der Simulation denen der Daten ähneln. Der szintillierende Pad-Detektor ist ein Teilsystem der Kalorimeter. Zur Berechnung der Bq0 → µ+µ−µ+µ− Gewichte wurde der Vierkörperzerfall B 0 → J/ψφ benutzt. Die Verteilungen vor und nach der Umgewichtung sind in Abbildung 5.1 dargestellt. Der plötzliche Sprung in der Bq0 → µ+µ−µ+µ− SPD-Multiplizitätsverteilung bei 600 resultiert aus unterschiedlichen Anforderungen in den L0-Triggerentscheidungen in den Jahren 2011 und 2012. Es zeigt sich, dass in den Verteilungen der Multiplizität im szintillierenden Pad-Detektor des Kontrollkanals auch nach dem Umgewichten noch Abweichungen zwischen Simulation und Daten vorhanden sind. Ein Effekt, der im weiteren Verlauf der Messung noch untersucht werden muss. Da die Teilchenidentifikationsvariablen der Simulation die Daten ebenfalls schlecht beschreiben, wurden die Variablen µ : ∆ log Lµπ , µ : ∆ log LKπ und K : ∆ log LKπ neu kalibriert. Die Rekalibrierung berechnet mithilfe der Impuls- p, Pseudorapiditätsη und Spurmultiplizitätsinformationen eines Ereignisses neue Werte für deren Teilchenidentifikationsvariablen. Dazu werden dreidimensionale Histogramme erstellt. Die Achsen der Histogramme stellen die Variablen p, η und die Spurmultiplizität. Mithilfe von Kalibrationsdaten wird eine neue Verteilung für die jeweilige Teilchenidentifikationsvariable in jedem Phasenraumbereich errechnet. Aufgrund mangelnder Statistik der Kalibrationsdaten wurde für die Myon-Teilchenidentifikationsvariablen die Grenze des letzten η-Bereichs so gewählt, dass für jedes der Bq0 → µ+µ−µ+µ− Ereignisse Kalibrationsdaten im Histogramm vorhanden sind. Die verbleibenden Grenzen wurden für jede Dimension so gewählt, dass die Anzahl der gewichteten Ereignisse in jedem Bereich der Dimension gleich sind. Die Kalibrationsdaten stammen aus Datensätzen des PIDCalib Pakets [21]. Die Datensätze zur Rekalibrierung der Myonen wurden mit J/ψ-Zerfällen und die der Kaonen mit D∗ -Zerfällen erstellt. Die rekalibrierten Simulationsdaten sind in Abbildung 5.2 dargestellt. 26 5.1. Datensätze Ereignisse (a. u.) / (750 MeV/c) Ereignisse (a. u.) / (22,5) 0.0040 0.0035 0.0030 0.0025 0.0020 0.0015 0.0010 0.0005 0.0000 0 0.00014 0.00012 0.00010 0.00008 0.00006 0.00004 0.00002 0.00000 0 B + → J/ψK + 100 200 300 400 500 Ereignisse (a. u.) / (750 MeV/c) 0.00035 0.00030 0.00025 0.00020 0.00015 0.00010 0.00005 0.00000 0 600 700 800 900 Spuren im SPD Daten Simulation gew. Simulation B + → J/ψK + 5000 10000 15000 Ereignisse (a. u.) / (22,5) 0.0045 0.0040 0.0035 0.0030 0.0025 0.0020 0.0015 0.0010 0.0005 0.0000 0 Daten Simulation gew. Simulation 20000 25000 30000 B + :pT [MeV/c] Daten Simulation gew. Simulation B0 100 200 300 400 500 → µ + µ− µ + µ− 600 700 800 900 Spuren im SPD Daten Simulation gew. Simulation B0 5000 10000 15000 → µ + µ− 20000 µ + µ− 25000 30000 B0 :pT [MeV/c] Abb. 5.1.: Verteilungen der umgewichteten Variablen von B + → J/ψK + (1 und 2) und Bq0 → µ+µ−µ+µ− (3 und 4). Zu beachten ist, dass die gewichteten Verteilungen von Bq0 → µ+µ−µ+µ− nicht den Daten ähneln, da sich in den Daten nur Untergrund befindet. 27 5. Signalselektion Ereignisse (a. u.) / (0,6) 0.14 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.00 → µ + µ− 5 Ereignisse (a. u.) / (0,6) 0.14 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.00 B0 Simulation rekal. Simulation µ + µ− 0 5 10 15 Simulation rekal. Simulation B + → J/ψK + 5 20 µ :∆logLµπ 0 5 15 20 µ :∆logLµπ Ereignisse (a. u.) / (3,0) 0.040 0.035 B + → J/ψK + 0.030 0.025 Simulation rekal. 0.020 Simulation 0.015 0.010 0.005 0.000 100 80 60 10 Ereignisse (a. u.) / (2,6) 0.035 0.030 0.025 0.020 0.015 0.010 0.005 0.000 40 20 0 20 µ :∆logLKπ Simulation rekal. Simulation B + → J/ψK + 20 0 20 40 60 80 100 K :∆logLKπ Abb. 5.2.: Verteilungen der rekalibrierten Teilchenidentifikationsvariablen von B + → J/ψK + und Bq0 → µ+µ−µ+µ− . 28 5.2. Effizienzberechnung 5.2. Effizienzberechnung Eine Effizienz wird durch Anwendung des jeweiligen Schnitts auf die Simulationsdaten und anschließendem Vergleich der Ereignisse vor und nach dem Schnitt bestimmt. Die Effizienz einer Selektion, mit der verbleibenden Anzahl an Ereignissen NSel ≤ N0 auf der gesamten Menge an Ereignissen N0 , wird durch = NSel N0 definiert. Die statistische Unsicherheit ergibt sich durch die Varianz σ 2 auf die Binomialverteilung: p N0 NSel (1 − NSel ) p NSel (1 − ) . = N0 σ= Da die Simulationsdaten nach der Vorselektion in den Variablen B : pT und Multiplizität im szintillierendem Pad-Detektor umgewichtet wurden, müssen die nachfolgenden Effizienzen mithilfe der Gewichte berechnet werden. Mit dem Gewicht wi eines Ereignisses i folgt für die Effizienz: N Sel P = i N0 P wi . wi i 5.3. Geometrische Akzeptanz Der Pseudorapiditätsbereich des LHCb-Detektors ist, bedingt durch seinen Aufbau, begrenzt. Daher liegt nur ein Bruchteil der Signalereignisse in der Akzeptanz des Detektors und kann rekonstruiert werden. Die Effizienzen der geometrischen Rekonstruktion sind in Tabelle 5.1 aufgelistet. Tab. 5.1.: Effizienzen der geometrischen Rekonstruktion. Zerfallskanal Effizienz 0 + − + − Bq → µ µ µ µ (15,27 ± 0,10) % B + → J/ψK + (15,78 ± 0,17) % 29 5. Signalselektion Tab. 5.2.: Schnitte in der Vorselektion des Signalkanals Bq0 → µ+µ−µ+µ− [22]. Selektionsvariable Kriterium mB 4366,3 < mµ+ µ− µ+ µ− < 6366,3 MeV/c2 B : χ2SP < 25 B :Vertex χ2 /ndf <9 B : cos βdira >0 2 B : Flugdistanz χ > 100 µ : Spur χ2 /ndf < 2,5 µ : IsMuon Positiv µ : pT > 250 MeV/c µ : χ2SP >9 max (DOCAµ+ µ− µ+ µ− ) < 0,3 mm 5.4. Vorselektion Der erste Schritt der Selektion besteht aus einer einfachen Vorselektion mit rechteckigen Schnitten. Die Schnitte der Vorselektion lassen sich für den Signalkanal in Tabelle 5.2 und für den Kontrollkanal in Tabelle 5.3 ablesen. Die Flugdistanz (FD), der Stoßparameter (SP) und der Winkel zur Strahlachse βdira sind in Abbildung 5.3 veranschaulicht. µ1 µ1 µ2 FD µ3 Bq PV SP Bq µ4 p µ2 µ3 βdira µ4 p Abb. 5.3.: Veranschaulichung einiger verwendeter Variablen in der Vorselektion. Links ist die Flugdistanz (FD) des Bq -Mesons und der Stoßparameter (SP) eines Myons dargestellt. Der Stoßparameter ist der minimale Abstand eines Teilchens zum Primärvertex (PV), dem Ort der Proton-Proton-Kollision. Rechts ist der Winkel βdira des Bq -Mesons zur Strahlachse eingezeichnet. Der Stoßparameter wurde zur Selektion verwendet, um nur B−Mesonen auszuwählen, die aus dem Primärvertex kommen bzw. Zerfallsprodukte, die nicht aus dem Primärvertex kommen. Die Größen χ2SP , Vertex χ2 und Flugdistanz χ2 beziehen 2 sich auf die Qualität der Rekonstruktion. So ist beispielsweise χ2SP = SP/sSP , mit dem Fehler sSP auf den Stoßparameter, als seine Signifikanz definiert. Die Größe DOCA (distance of closest approach) steht für den geringsten Abstand zweier 30 5.4. Vorselektion Tab. 5.3.: Schnitte in der Vorselektion des Kontrollkanals B + → J/ψK + [23]. Selektionsvariable Kriterium mB 4866,3 < mK + µ+ µ− < 5866,3 MeV/c2 B : χ2SP < 25 B : Vertex χ2 /ndf < 45 mJ/ψ 2996,9 < mµ+ µ− < 3196,9 MeV/c2 J/ψ : Vertex χ2 /ndf <9 J/ψ : cos βdira >0 2 J/ψ : Flugdistanz χ > 169 K + : Spur χ2 /ndf <3 K + : pT > 250 MeV/c µ : Spur χ2 /ndf <3 µ : IsMuon Positiv µ : pT > 250 MeV/c µ : χ2SP > 25 DOCAµ+ µ− < 0,3 mm rekonstruierter Spuren. Im Falle des Signalkanals wird das Maximum der 4 möglichen µ+ µ− -Kombinationen des Zerfalls benutzt. Der Winkel βdira (direction angle) beschreibt den Winkel eines Teilchens zur Strahlachse. Die Effizienz der Vorselektion für die beiden Zerfallskanäle beträgt (Vorsel )Bq0→µ+µ−µ+µ− = (13,57 ± 0,05) % und (Vorsel )B +→J/ψK + = (18,343 ± 0,017) %. Die Anzahl der Daten- und der gewichteten Simulationsereignisse nach der Vorselektion ist in Tabelle 5.4 aufgelistet. Tab. 5.4.: Anzahl der Ereignisse im jeweiligen Datensatz nach der Vorselektion. Zu beachten ist, dass in den Bq0 → µ+µ−µ+µ− Daten nur das obere und das untere Seitenband vorhanden sind. B + → J/ψK + Bq0 → µ+µ−µ+µ− Simulation Daten 832 400 3 347 000 139 200 247 500 31 5. Signalselektion 5.5. Trigger Um die Triggereffizienzen so ähnlich wie möglich zu halten, wurden die gleichen Anforderungen an die Triggerentscheidungen beider Zerfallskanäle gestellt. Für die drei Triggerstufen muss jeweils eine gewählte Triggerentscheidung positiv sein. Die kinematischen Anforderungen der gewählten Triggerentscheidungen sind den Tabellen 5.5 bis 5.7 zu entnehmen. Zusätzlich wurden die topologischen Triggerentscheidungen Hlt2Topo(N )BodyBBDT und Hlt2TopoMu(N )BodyBBDT (N = 2, 3, 4) benutzt. Diese basieren auf „geboosteten“ Entscheidungswäldern. Die Hlt2TopoMu(N )BodyBBDT-Entscheidungen fordern zusätzlich noch eine positive IsMuon-Entscheidung für eine der Spuren. Die relativen und kombinierten Effizienzen sind in Tabelle 5.8 aufgelistet. Tab. 5.5.: Anforderungen an die Myon-Transversalimpulse Triggerentscheidungen [24]. Die Impulse sind in MeV/c angegeben. Muon DiMuon 2011 2012 2011 2012 pT > 1480 > 1760 √ pT,1 pT,2 > 1296 > 1600 der L0- Tab. 5.6.: Kinematische Anforderungen der Hlt1-Triggerentscheidungen [24]. Die Impulse sind in MeV/c und Massen in MeV/c2 angegeben. TrackAllL0 TrackMuon DiMuonLowMass 2011 2012 2011 2012 2011 2012 p > 10000 > 8000 pT > 1700 > 1000 mµ+ µ− > 1000 >0 Tab. 5.7.: Kinematische Anforderungen zweier Hlt2-Triggerentscheidungen [24]. Die Impulse sind in MeV/c und Massen in MeV/c2 angegeben. DiMuonDetached DiMuonDetachedHeavy 2011 2012 2011 2012 pT > 500 > 300 > 500 > 300 Muon pT > 1500 > 600 >0 DiMuon mµ+ µ− > 1000 >0 > 2950 32 5.5. Trigger Tab. 5.8.: Relative und kombinierte Effizienzen der Triggerentscheidungen für Bq0 → µ+µ−µ+µ− und B + → J/ψK + . Die Effizienzen der Hlt1- bzw. Hlt2Triggerentscheidungen wurden auf der Teilmenge der Simulationsdaten bestimmt, die die vorherige Triggerstufe passiert hat. Die statistischen Fehler sind für den Zerfall B + → J/ψK + stets kleiner als 0,06 % und für den Zerfall Bq0 → µ+µ−µ+µ− stets kleiner als 0,15 %. Entscheidung Effizienz [%] B + → J/ψK + Bq0 → µ+µ−µ+µ− L0Muon L0DiMuon L0 kombiniert Hlt1TrackAllL0 Hlt1TrackMuon Hlt1DiMuonLowMass Hlt1 kombiniert Hlt2Topo2BodyBBDT Hlt2Topo3BodyBBDT Hlt2Topo4BodyBBDT Hlt2TopoMu2BodyBBDT Hlt2TopoMu3BodyBBDT Hlt2TopoMu4BodyBBDT Hlt2DiMuonDetached Hlt2DiMuonDetachedHeavy Hlt2 kombiniert Trigger kombiniert 77,86 56,53 84,30 84,67 93,83 72,02 96,67 80,58 73,73 < 0,02 89,20 75,56 < 0,02 84,79 91,87 97,08 79,11 87,97 87,83 94,64 80,50 95,50 95,14 98,06 66,05 73,35 42,00 78,57 79,07 43,28 90,59 57,26 96,70 89,75 33 5. Signalselektion 5.6. Signalselektion Die dominanten Untergründe bei dem Zerfall Bq0 → µ+µ−µ+µ− sind: 1. Bs → J/ψ(→ µ+ µ− )φ(→ µ+ µ− ) 2. Bs → ψ(2S)(→ µ+ µ− )φ(→ µ+ µ− ) 3. Bs → J/ψ(→ µ+ µ− )µ+ µ− 4. Kombinatorischer Untergrund Diese Untergründe wurden mit Massenvetos, Schnitte auf Teilchenidentifikationsvariablen und multivariaten Methoden unterdrückt. 5.6.1. Massenvetos Die Untergründe 1-3 wurden mit Vetos auf die invarianten Massen der vier Kombinationen aus Myonen unterschiedlicher Ladung unterdrückt. Es wurden Massenfenster von ±100 MeV/c2 um die Massen des J/ψ- und des ψ(2S)-Mesons und ±70 MeV/c2 um die Masse des φ-Mesons ausgeschnitten. Die Massenfenster sind zusätzlich zu den invarianten Myonmassenverteilungen der Bq0 → µ+µ−µ+µ− Simulation und Daten in Abbildung 5.4 dargestellt. Die Effizienzen der Vetos sind Tabelle 5.9 zu entnehmen. Abb. 5.4.: Verteilungen der invarianten Myonmassen des Zerfalls Bq0 → µ+µ−µ+µ− auf Simulation (blau) und Daten (grün). Die Bereiche der Massenvetos sind durch gestrichelte Linien gekennzeichnet. 34 5.6. Signalselektion Tab. 5.9.: Effizienzen der Massenvetos. Die Effizienz des ψ(2S)- bzw. des φ-Vetos ist auf der Teilmenge der Simulationsdaten gemessen, die nach dem vorherigen Veto noch übrig sind. Resonanz Bereich Effizienz 2 J/ψ 3000 < mµ+ µ− < 3200 MeV/c (84,00 ± 0,10) % ψ(2S) 3600 < mµ+ µ− < 3800 MeV/c2 (90,88 ± 0,08) % φ 950 < mµ+ µ− < 1090 MeV/c2 (78,57 ± 0,13) % gesamt (59,97 ± 0,13) % 5.6.2. Multivariate Methoden Zur weiteren Trennung von Bq0 → µ+µ−µ+µ− Signal und Untergrund wurde ein „geboosteter“ Entscheidungswald verwendet. Dieser berechnet anhand von Eingangsvariablen eine Diskriminante für jedes Ereignis. Die Diskriminante trifft eine Aussage darüber, ob ein Ereignis signal- oder untergrundähnlich ist. Um Übertraining zu vermeiden, wird der Datensatz auf einem Teildatensatz trainiert und auf dem restlichen Datensatz getestet. Ein Klassifizierer ist übertrainiert, wenn er zufällige Abweichungen in den Daten, statt des eigentlichen Modells beschreibt. Ein übertrainierter Klassifizierer würde auf dem Trainingsdatensatz bessere Resultate als auf dem Testdatensatz erzielen. Außerdem wird eine 4-faltige Kreuzvalidierung verwendet. Dies ermöglicht es den vollen Datensatz zum Trainieren nutzen zu können. Das Prinzip der Kreuzvalidierung ist in Abb. 5.5 veranschaulicht. gesamter Datensatz Faltung 1 1 2 3 k Faltung 2 Faltung k Abb. 5.5.: Veranschaulichung der k-faltigen Kreuzvalidierung. Der gesamte Datensatz wird in k Teildatensätze aufgeteilt. Für eine Faltung i wird der i-te Teildatensatz als Testdatensatz (lila, gestrichelt) und die restlichen k − 1 Teildatensätze zum Trainieren verwendet. 35 5. Signalselektion Die verwendeten Eingangsvariablen des „geboosteten“ Entscheidungswaldes sind in Tabelle 5.10 aufgelistet. Die Größe ϕij beschreibt den Winkel zwischen zwei Myonen i und j. Tab. 5.10.: Eingangsvariablen für den „geboosteten“ Entscheidungswald. Teilchen Variablen FDχ2 τ cos(βDIRA ) Vertex χ2 /ndf B p pT SP DOCA 1 P pT SP Spur χ2 /ndf ϕij 6 µ i6=j min ϕij max ϕij i6=j i6=j Diese Variablen wurden aufgrund ihrer Separationsstärke von Signal und Untergrund ausgewählt. Deren Verteilungen für Signal und Untergrundereignisse sind in den Abbildungen 5.6 und 5.7 dargestellt. Zum Trainieren wurde das obere Seitenband der gemessenen Daten mit mµ+ µ− µ+ µ− > 5500 MeV/c2 als Untergrund verwendet. Die Signal- und Untergrundverteilungen der Diskriminante für die vier Klassifizierer sind in Abb. 5.8 dargestellt. Anhand der Übereinstimmungen der Vorhersagen auf Test- und Trainingsdatensätzen lässt sich Übertraining der Klassifizierer ausschließen. Der Schnitt zur Trennung von Signal und Untergrund wurde anschließend mithilfe der Punzi-Funktion [25] FPunzi = σ 2 s √ + b optimiert. Durch die Maximierung dieser Funktion wird das Verhältnis zwischen Signal- s und Untergrundkandidaten b optimiert. Die statistische Signifikanz σ wurde zu 3 gewählt. Die Punzi-Funktion ist in Abhängigkeit der Diskriminante in Abb. 5.9 abgebildet. Der optimale Schnitt für die Diskriminante wurde zu 0,53 bestimmt. Die gemittelte Effizienz der 4 Klassifizierer auf dem jeweiligen Testdatensatz liegt damit bei BBDT = (93,07 ± 0,36) %. 36 5.6. Signalselektion Abb. 5.6.: Verteilungen von Eingangsvariablen des Entscheidungswaldes für Signal (blau, Kreise) und Untergrund (grün, Dreiecke). 37 5. Signalselektion Abb. 5.7.: Verteilungen von Eingangsvariablen des Entscheidungswaldes für Signal (blau, Kreise) und Untergrund (grün, Dreiecke). 38 5.6. Signalselektion Abb. 5.8.: Diskriminantenverteilungen der 4 Klassifizierer für Signal (blau) und Untergrund (grün). Die Verteilungen auf Trainingsdaten (Dreiecke) zeigen keine signifikanten Abweichungen von den Testdaten (Kreise). Der optimierte Schnitt ist gestrichelt dargestellt. Abb. 5.9.: Punzi-Funktion für die 4 Klassifizierer in Abhängigkeit der Diskriminante. Der optimierte Schnitt ist gestrichelt dargestellt. 39 5. Signalselektion 5.6.3. Teilchenidentifikation Auf die Zerfallsprodukte des Signalkanals Bq0 → µ+µ−µ+µ− und des Kontrollkanals B + → J/ψK + wurden Schnitte auf die Teilchenidentifikationsvariablen ∆ log p L angewandt. Diese Schnitte wurden in Referenz [14] mithilfe der Signifikanz S/ (S + B) optimiert. Hierbei gibt S die Anzahl der Signal- und B die Anzahl der Untergrundkandidaten an. Die Schnitte und deren Effizienzen sind in Tabelle 5.11 aufgelistet. Tab. 5.11.: Effizienzen der Schnitte auf die Teilchenidentifikationsvariablen. Die Effizienz der Schnitte auf µ : ∆ log LKπ bzw. K : ∆ log LKπ wurde auf der Teilmenge der Daten bestimmt, die den vorherigen Schnitt passiert haben. ()B +→J/ψK + Variable Schnitt ()Bq0→µ+µ−µ+µ− µ : ∆ log Lµπ µ : ∆ log LKπ K : ∆ log LKπ gesamt >0 <0 >5 (85,48 ± 0,14) % (85,48 ± 0,14) % (93,77 ± 0,03) % (73,28 ± 0,06) % (83,96 ± 0,05) % (57,92 ± 0,07) % Auf den Datensätzen, auf denen diese Schnitte optimiert wurden, wurden nicht vollständig die gleichen Triggerentscheidungen und Massenvetos angewandt. Außerdem war der Normierungskanal nicht der Zerfall B + → J/ψK + , sondern der Zerfall Bd0 → J/ΨK ∗0 . Dementsprechend sind kleinere Unterschiede in den Verteilungen der Datensätze zu erwarten und die Schnitte sollten im weiteren Verlauf der Messung neu optimiert werden. 40 6. Anzahl Kandidaten im Kontrollkanal Zur Bestimmung der Normierungskonstanten αq muss die Anzahl der Kandidaten im Kontrollkanal NB +→J/ψK + bestimmt werden. Dazu muss ein Modell gefunden werden, welches die Verteilung der invarianten Masse des J/ψ-Mesons und des Kaons gut beschreibt. Das Modell wird an die Massenverteilung der Daten angepasst, die die Signalselektion passieren. Um die Modelle an die Daten anzupassen, wurde die Extended-Maximum-Likelihood-Methode [26] verwendet. Diese wird von der Bibliothek Roofit [27] bereitgestellt. Das verwendet Modell zur Modellierung des Untergrunds ist eine Exponentialfunktion: U (m, a) = U0 eam mit U0 , a ∈ R. Zur Maximierung der Likelihood-Funktion wird der Parameter a variiert. Der Vorfaktor U0 wird durch die Normierung ermittelt. Die Größe m entspricht der invarianten Masse des Kaons und der Myonen. Das Signal B + → J/ψK + wurde mithilfe einer doppelten Crystal-Ball-Funktion [28] modelliert. Diese wird oft benutzt, um verlustbehaftete Prozesse zu modellieren. Die Crystal-Ball-Funktion entspricht auf einer Seite einer Gaußkurve und geht auf der anderen Seite an der Stelle α in ein Potenzgesetz über. Sie ist gegeben durch: 2 e− 12 m−µ σ , ∀ m−µ σ > −α . −n CB(m; µ, σ, α, n) = N0 A B − m−µ , ∀ m−µ σ σ ≤ −α Die Parameter A und B werden so festgelegt, dass die Crystal-Ball-Funktion stetig differenzierbar ist. Die Größen µ, σ und α werden zur Maximierung der LikelihoodFunktion variiert. Die Stelle des Übergangs der Gaußkurve in das Potzenzgesetz hat in den beiden Crystal-Ball-Funktionen unterschiedliches Vorzeichen. Durch Anpassung der Crystall-Ball-Funktion an Simulationsdaten wurde die Größe n auf 35 gesetzt. Der Parameter µ entspricht der Stelle des Massenhöchstpunkts des B + Mesons und daher teilen sich beide Crystal-Ball-Funktionen diesen Parameter. Die angepasste Funktion ist in Abb. 6.1 dargestellt. Dies führt zu NB +→J/ψK + = 713400 ± 12700 Kandidaten. 41 Ereignisse / (6,4 MeV/c2) 6. Anzahl Kandidaten im Kontrollkanal 5 10 104 3 10 102 5200 5250 5300 5350 5400 5450 5500 mK+ µ+µ- [MeV/c2] Abb. 6.1.: Angepasste doppelte Crystal-Ball-Funktion (blau) und Exponentialfunktion (grün, gestrichelt) an die B + → J/ψK + Daten. 42 7. Systematische Unsicherheiten 7.1. Triggereffizienz auf Daten Die Triggereffizienz TOS wurde auf Simulationsdaten bestimmt. Sie ist durch TOS = NTOS|Vorsel NVorsel (7.1) gegeben. Die Größe NVorsel gibt die Anzahl der Ereignisse, die die Vorselektion passieren und NTOS|Vorsel die Anzahl der Ereignisse, die zusätzlich den Trigger passieren, an. Zur Angabe einer systematischen Unsicherheit kann die Triggereffizienz ebenfalls auf Daten bestimmt. Dies geschieht durch die TISTOS-Methode [29]. Diese Methode nutzt aus, dass der Trigger nicht nur getriggerte Ereignisse abspeichert, sondern ebenfalls angibt ob ein Ereignis nur aufgrund der Signalkanalspuren getriggert wurde oder nicht. Somit können Ereignisse, die vom Trigger akzeptiert wurden, in 3 Kategorien eingeteilt werden. Ereignisse können nur aufgrund der Spuren, die aus dem Signal stammen, vom Trigger ausgewählt werden. Solche Ereignisse werden als TOS-Ereignisse (trigger on signal) bezeichnet. Da b-Quarks paarweise erzeugt werden, werden häufig auch Ereignisse getriggert, bei denen nur die restlichen Spuren zur positiven Triggerentscheidung ausreichen. Derartige Ereignisse werden als TIS-Ereignisse (trigger independent of signal) bezeichnet. Falls weder die Signalkanal-Spuren, noch die restlichen Spuren alleine zu einer positiven Triggerentscheidung führen, dann können dennoch diese beiden Kategorien gemeinsam zu einer positiven Triggerentscheidung führen. Ereignisse dieser Kategorie werden TOB-Ereignisse genannt (trigger on both). Diese 3 Kategorien sind in Abbildung 7.1 verdeutlicht. Dabei ist anzumerken, dass Ereignisse sowohl zur TOS-, wie auch zur TIS-Kategorie gehören können. Solche Ereignisse werden als TISTOS-Ereignisse bezeichnet. Es lassen sich zusätzlich die partiellen Effizienzen NTIS|Vorsel und NVorsel NTISTOS|Vorsel = NVorsel TIS = TISTOS 43 7. Systematische Unsicherheiten Getriggertes Ereignis Spuren des Signalkandidaten (S) Trigger? Rest des Ereignisses (R) Nein S+R Nein Ja Trigger? Ja Trigger? TOS TOB TIS Abb. 7.1.: Schematische Darstellung der Kategorien von Triggerentscheidungen, in die Ereignisse eingeteilt werden können. definieren. Somit lässt sich die Triggereffizienz (7.1) umschreiben: NTOS|Vorsel NTIS|Vorsel NTIS|Vorsel NVorsel NTOS|Vorsel TIS . = NTIS|Vorsel TOS = (7.2) (7.3) Da die TIS-Effizienz identisch auf jeder Teilmenge der Daten ist, kann sie umgeschrieben werden zu TIS = TIS|TOS NTIS|TOS = . NTOS Darin steckt die Annahme, dass TIS und TOS unkorreliert sind. Damit folgt für Gleichung (7.3): NTOS|Vorsel NTIS|TOS . TOS = NTIS|Vorsel NTOS Die B−Mesonen werden im LHCb-Experiment jedoch meistens als Paare erzeugt. Daher ist der Rest eines Ereignisses (vgl. Abbildung 7.1) höchstwahrscheinlich nicht unabhängig von den Spuren des Signalkandidaten. Allerdings kann angenommen werden, dass TIS und TOS für ausreichend kleine Bereiche des B-Meson-Phasenraumes unkorreliert sind. Darum wird die TIS-Effizienz im Folgenden für alle Bereiche des 44 7.1. Triggereffizienz auf Daten Phasenraumes berechnet und anschließend aufsummiert: NTOS|Vorsel TOS = P i i NVorsel NTOS|Vorsel =P i NTIS|Vorsel i =P i iTIS NTOS|Vorsel i i NTIS|Vorsel NTOS|Vorsel i NTIS|TOS|Vorsel . Da die Triggerentscheidungen stark von den Impulsen der Teilchen abhängen, wurde der B-Meson-Phasenraum in Bereiche des Longitudinal-Impulses pz und des maximalen Myon-Impulses max (µ : pT ) aufgeteilt. Die Bereichsgrenzen einer Dimension wurden so bestimmt, dass in jedem Bereich der Dimension eine identische Anzahl von TISTOS-Ereignissen liegt. Anschließend wurde die systematische Unsicherheit mit der statistischen Unsicherheit auf Daten und der Differenz der TISTOS-Effizienz zwischen Daten und Simulation des Kontrollkanals eingeführt: r 2 2 syst Trig = stat + TISTOS,Daten − TISTOS,Sim . TISTOS,Daten Zur Extraktion der Signalkandidaten aus den B + → J/ψK + Daten wurde die s PlotMethode [30] verwendet. Diese beschreibt eine Entfaltung in einer diskriminierenden Variable, um die Beiträge verschiedener Quellen aus einer Verteilung zu extrahieren. Eine Maximum-Likelihood-Funtion (vgl. Kapitel 6) wird an die Diskriminante mK + µ+ µ− angepasst. Das Ergebnis der s Plot-Methode ist ein Gewicht ws, i für jedes Ereignis, das beschreibt wie signalähnlich das Ereignis i ist. Diese Methode lässt sich nicht für den Zerfall Bq0 → µ+µ−µ+µ− wiederholen, da in den Daten nur das obere und untere Seitenband vorhanden ist. Um ebenfalls einen systematischen Fehler für Bq0 → µ+µ−µ+µ− angeben zu können, wurde daher der Kanal B + → J/ψK + in der Variable max (µ : pT ) so umgewichtet, dass diese wie die max (µ : pT ) Verteilung des Zerfalls Bq0 → µ+µ−µ+µ− aussieht. Die TISTOSEffizienzen und die resultierende systematische Unsicherheit sind für verschiedene Bereichsschemas in Abbildung 7.2 eingezeichnet. Weitere Bereichsschemas wurden untersucht, resultierten aber in größeren Differenzen zwischen Simulation und Daten. Die Effizienzen für das optimale Bereichsschema sind in Tabelle 7.1 zusammengefasst. In Abbildung 7.2 zeigt sich, dass die systematische Unsicherheit für drei B : pz Bereiche und mehr als einem max (µ : pT ) Bereich stets kleiner als 1 % ist. Da die einzelnen systematischen Unsicherheiten quadratisch in die Unsicherheiten der Normierungskonstanten eingehen, ist die systematische Unsicherheit vernachlässigbar klein gegenüber der Unsicherheit auf das Verzweigungsverhältnis des Zerfalls B + → J/ψK + . 45 7. Systematische Unsicherheiten 0.90 0.85 Effizienz Simulation Daten 3B :pz Bereiche 0.80 Syst. Uns.: 1.52 % 0.93 % 0.77 % 0.68 % 0.61 % 0.65 % 0.56 % 0.55 % 0.52 % 0.49 % 0.47 % 0.75 0.70 0 2 4 0.90 8 10 12 Simulation gew. Daten 3B :pz Bereiche 0.85 Effizienz 6 max(µ :pT) Bereiche 0.80 Syst. Uns.: 1.59 % 0.99 % 0.83 % 0.74 % 0.66 % 0.71 % 0.61 % 0.60 % 0.55 % 0.52 % 0.48 % 0.75 0.70 0 2 4 6 max(µ :pT) Bereiche 8 10 12 Abb. 7.2.: Berechnete TISTOS-Effizienzen für B + → J/ψK + Daten (grün) und Simulation (blau) für verschiedene Bereichsschemas. Im unteren Bild sind die Simulationsdaten zusätzlich mit der Variable max (µ : pT ) umgewichtet. Die gestrichelten Linien zeigen die schnittbasierte Triggereffizienz. In der Grafik sind die systematischen Unsicherheiten, die mit der jeweiligen Anzahl von Bereichen resultiert, angegeben. 46 7.2. Teilchenidentifikation Tab. 7.1.: Triggereffizienzen mit der TISTOS-Methode bei 3 B : pz Bereichen und 11 max (µ : pT ) Bereichen. Unterschiede in der Daten TISTOS-Effizienz zwischen gewichteten und ungewichteten B + → J/ψK + Daten entstehen durch verschiedene Bereichsgrenzen. B + → J/ψK + B + → J/ψK + gew. Daten TISTOS (80,55 ± 0,46) % (80,05 ± 0,31) % Simulation (80,49 ± 0,36) % (79,110 ± 0,048) % 0,47 % TISTOS Schnitt syst Trig (80,42 ± 0,31) % (79,091 ± 0,041) % 0,48 % 7.2. Teilchenidentifikation Zur Rekalibrierung der Teilchenidentifikationsvariablen wurden der Impuls, die Pseudorapidität und die Spurmultiplizitäten nS in Bereiche eingeteilt. Die Anzahl dieser Bereiche und die Wahl ihrer Grenzen haben einen Einfluss auf den rekalibrierten Wert einer Variable. Dementsprechend ist die Effizienz der Schnitte auf die Teilchenidentifikationsvariablen abhängig von dieser Wahl. Zur Angabe einer systematischen Unsicherheit auf diese Effizienz wurde dessen Berechnung mit verschiedenen Bereichsschemas durchgeführt. Dazu wurden für jedes Bereichsschema Effizienzhistogramme für die Schnitte mit dem PIDCalib Paket [21] erstellt. Die Grenzen der Bereiche wurden mit derselben Methode, wie in Abschnitt 5.1 beschrieben, berechnet. Die erstellten Histogramme geben für jeden (p, η, nS )-Phasenraumbereich die Selektionseffizienz Heff (p, η, nS ) eines Myons respektive Kaons auf dem jeweiligen Schnitt an. Die Selektionseffizienzen werden für ein Teilchen x = µ, K über alle Ereignisse aufsummiert und anschließend mit den Effizienzen der verbleibenden Teilchen multipliziert. Diese Vorgehensweise wird durch die Gleichungen (7.4) bis (7.5) beschrieben. Die Massen-Hypthese y ist in dieser Messung stets entweder µ oder K. x∆ log Lyπ = nTeilchen Y (7.4) xi ∆ log Lyπ i=0 = nTeilchen Y nEreignisse X i=0 j=0 xi ∆ log Lyπ j (7.5) Da die Simulationsdaten in den Variablen B : pT und der Anzahl der Messpunkte im SPD umgewichtet wurden, müssen die Gewichte w des Umgewichtens (vgl. Abschnitt 5.1) berücksichtigt werden. Daher wird Gleichung (7.5) zu Gleichung (7.6) 47 7. Systematische Unsicherheiten umgeschrieben. x∆ log Lyπ = nTeilchen Y i=0 nEreignisse P wj Heff (pi,j , ηi,j , nS,j ) j=0 nEreignisse P . (7.6) wj j=0 Für jedes der vier untersuchten Bereichsschemas wurde das Verhältnis (x∆ log Lyπ )B +→J/ψK + (x∆ log Lyπ )Bq0→µ+µ−µ+µ− (7.7) berechnet. Die maximale relative Änderung dieses Verhältnisses wird als systematische Unsicherheit verwendet. Diese Verhältnisse sind in Tabelle 7.2 für die drei Schnitte (vgl. Tabelle 5.11) aufgelistet. Die Effizienzen der Histogramme zeigen jedoch Abweichungen von den Effizienzen der rekalibrierten Teilchenidentifikationsvariablen. Eine Ursache könnte sein, dass die Rekalibrierung zusätzlich die Teilchenidentifikationsvariable in Bereiche unterteilen muss. Die Berechnung der Effizienzhistogramme benötigt lediglich zwei Bereiche. Ein Bereich für die Ereignisse, die den Schnitt passieren, und einen für diejenigen die abgeschnitten werden. Außerdem werden in beiden Methoden Gewichte ws für die Kalibrationsdaten mit der s Plot Methode berechnet. Bei der Berechnung der Effizienzhistogramme werden mögliche Gewichte ws < 0 berücksichtigt und bei der Rekalibrierung werden diese abgeschnitten. Die relative Abweichung dieser zwei Effizienzen wurde als weitere systematische Unsicherheit verwendet und ist ebenfalls Tabelle 7.2 zu entnehmen. Die entstehenden systematischen Unsicherheiten sind alle kleiner als 2 % und damit klein gegenüber der Unsicherheit auf das Verzweigungsverhältnis des Kontrollkanals. Tab. 7.2.: Effizienzverhältnisse (7.7) und resultierende systematische Unsicherheiten der Schnitte auf Teilchenidentifikationsvariablen. Die oberen Systematiken geben die Unsicherheit auf die Wahl des Bereichsschemas an, die Unteren auf die Differenzen zwischen den mit den rekalibrierten Teilchenidentifikationsvariablen (vgl. Tabelle 5.11) und den in Gleichung (7.6) beschriebenen, berechneten Effizienzen. Anzahl Bereiche µ∆ log Lµπ µ∆ log LKπ K∆ log LKπ 20 1,0842 ± 0,0014 0,7381 ± 0,0005 0,8614 ± 0,00023 72 1,084 ± 0,003 0,7334 ± 0,0009 0,8587 ± 0,0004 144 1,083 ± 0,004 0,7310 ± 0,0012 0,8575 ± 0,0006 250 1,090 ± 0,006 0,730 ± 0,0017 0,8564 ± 0,0008 0,61 % 1,16 % 0,58 % syst. Unsicherheit 0,64 % 0,31 % 1,96 % 48 7.3. Anzahl der Kandidaten im Kontrollkanal 7.3. Anzahl der Kandidaten im Kontrollkanal Die Anzahl der Kandidaten im Kontrollkanal ist abhängig von der Wahl des Modells, das auf die gemessenen Daten angepasst wird. Dementsprechend entsteht eine systematische Unsicherheit durch das gewählte Modell. Das gewählte Modell zur Modellierung des Signals in dieser Messung ist eine doppelte Crystal-Ball-Funktion. Der Parameter n wurde fest auf den Wert 35 gesetzt. Durch Variation dieses Wertes lässt sich eine systematische Unsicherheit angeben. Die Anzahl der Kandidaten für unterschiedliche n-Werte sind Tabelle 7.3 zu entnehmen. Die maximale relative Abweichung der Anzahl an Kandidaten wurde als systematische Unsicherheit verwendet. Die entstehende systematische Unsicherheit ist mit 0,24 % deutlich kleiner als die statistische Unsicherheit. Das Signal- und das Untergrundmodell geben gemeinsam die gemessene Massenverteilung gut wieder. Dennoch sollte im weiteren Verlauf der Messung die Anzahl der Signalkandidaten im Kontrolkanal mit weiteren Modellen berechnet werden, um weitere Beiträge zur systematischen Unsicherheit zu bestimmen. Tab. 7.3.: Anzahl der Kandidaten im Kontrollkanal B + → J/ψK + für verschiedene Werte des Parameters n. Die maximale relative Abweichung zwischen der Anzahl an Kandidaten für verschiedene n wird als systematische Unsicherheit benutzt. n NB +→J/ψK + 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 syst. Uns. 714400 ± 713700 ± 713400 ± 713680 ± 713000 ± 713400 ± 712900 ± 713100 ± 712900 ± 713000 ± 712800 ± 713020 ± 712700 ± 0,24 % 12500 11100 10500 1800 9780 12700 9500 11200 10100 13700 9100 1490 8800 49 7. Systematische Unsicherheiten 7.4. Effizienz des Entscheidungswaldes Auch nach der Umgewichtung von B : pT und der Multiplizität im szintillierenden Pad-Detektor existieren Unterschiede in den Verteilungen der Simulation und den Daten. Es ist zu erwarten, dass diese Unterschiede zu Differenzen in der Effizienz des Entscheidungswaldes auf Simulation und Daten führen. Dementsprechend wurde die Signaleffizienz des Entscheidungswaldes mithilfe des Kontrollkanals B + → J/ψK + verifiziert. Die Signalkandidaten dieses Kanals wurden mithilfe der s Plot-Methode [30] extrahiert. Die relative Abweichung der beiden Effizienzen wurde als systematische Unsicherheit verwendet: 1− (Sim )B +→J/ψK + (Daten )B +→J/ψK + =1− 0,96414 ± 0,00159 = 1,4 %. 0,97746 ± 0,00082 Diese systematische Unsicherheit ist klein gegenüber der Unsicherheit auf das Verzweigungsverhältnis des Kontrollkanals. Der Kontrollkanal B + → J/ψK + ist allerdings ein Dreikörperzerfall. Der Signalkanal Bq0 → µ+µ−µ+µ− ist dagegen ein Vierkörperzerfall. Dementsprechend sind die kinematischen Eigenschaften der beiden Kanäle unterschiedlich. Da viele der Eingangsvariablen des Entscheidungswaldes kinematische Variablen sind, ist der Kontrollkanal zur Ermittlung einer systematischen Unsicherheit suboptimal gewählt. Eine bessere Wahl wäre daher ein Vierkörperzerfall. 50 8. Ergebnisse und Ausblick Die in Kapitel 5 berechneten Effizienzen führen auf die totalen Effizienzen (tot )B +→J/ψK + = (1,149 ± 0,012(stat.) ± 0,030(syst.)) % und (tot )Bq0→µ+µ−µ+µ− = (0,887 ± 0,007(stat.) ± 0,015(syst.)) %. Das Produktionsverhältnis wurde zu fs = 3,906 ± 0,305 [31] und das Verzweigungsverhältnis des Kontrollkanals zu BR(B + → J/ψK + ) = (6,12 ± 0,20) · 10−5 [4] gemessen. Das Produktionsvehältnis fd eines u-Quarks zu einem d-Quark wird als eins angenommen. Damit folgt nach Gleichung (4.2) für die Normierungskonstanten: αd = (0,10929 ± 0,00244(stat.) ± 0,00497(syst.)) · 10−9 und αs = (0,4269 ± 0,0095(stat.) ± 0,0386(syst.)) · 10−9 . Eine kleinere bestimmte Normierungskonstante führt zu geringeren oberen Grenzen auf die Verzweigungsverhältnisse. Die bestimmten Normierungskonstanten in der vorangegangenen Messung waren um einen Faktor 12,6 größer. Ein Faktor von etwa 3,8 war aufgrund der größeren verwendeten Datensätze zu erwarten. Die restliche Differenz resultiert hauptsächlich aus der deutlich höheren Signalselektionseffizienz mit multivariaten Methoden. Im weiteren Verlauf der Messung muss die erwartete Anzahl von Untergrundereignissen im Signalbereich ermittelt werden. Dies geschieht durch Anpassung eines Modells an die Untergrundereignisse, die alle Selektionsschritte passieren. Danach kann eine obere Grenze für die Verzweigungsverhältnisse der Bq0 → µ+µ−µ+µ− Zerfälle bestimmt werden. Davor sollte in Betracht gezogen werden, die systematische Unsicherheit auf die Effizienz des Entscheidungswaldes mit einem Zerfallskanal zu ermitteln, dessen kinematische Eigenschaften den Zerfällen Bq0 → µ+µ−µ+µ− ähnlicher sind. Für die Rekalibrierung der Teilchenidentifikationsvariablen und die Berechnung einer systematischen Unsicherheit auf die Effizienz der Schnitte auf diese Variablen wurden Bereichsschemas verwendet. Die letzte η-Grenze dieser Bereichsschemas wurde so gewählt, dass für alle Signalkandidaten Kalibrationsdaten vorhanden sind. Kalibrationsdaten fehlen in bestimmten (p, η)-Phasenräumen. Anders als in den Kalibrationsdaten existieren in diesen Phasenräumen Bq0 → µ+µ−µ+µ− Ereignisse, da die Kalibrationsdaten aus anderen Zerfällen stammen. Diese besitzen andere 51 8. Ergebnisse und Ausblick kinematische Eigenschaften. Im weiteren Verlauf der Messung sollten daher Kalibrationsdaten aus Zerfällen zusammengestellt werden, die ähnlichere kinematische Eigenschaften zu den Zerfällen Bq0 → µ+µ−µ+µ− haben. 52 Literaturverzeichnis [1] N. Cabibbo. Unitary Symmetry and Leptonic Decays. Phys. Rev. Lett., 10:531– 533, 1963. [2] S. Weinberg. A Model of Leptons. Phys. Rev. Lett., 19:1264–1266, 1967. [3] A. Salam et al. Weak and electromagnetic interactions. Nuovo Cim., 11:568– 577, 1959. [4] K. A. Olive et al. Review of Particle Physics. Chin. Phys., C38:090001, 2014. [5] D. Melikhov et al. Rare radiative leptonic decays Bd,s → `+ `− γ. Phys. Rev., D70:114028, 2004. [6] S. V. Demidov et al. Flavor violating processes with sgoldstino pair production. Phys. Rev., D85:077701, 2012. [7] H. Park et al. Evidence for the decay Σ+ → pµ+ µ−. Phys. Rev. Lett., 94:021801, 2005. [8] L. Wolfenstein. Parametrization of the Kobayashi-Maskawa Matrix. Phys. Rev. Lett., 51:1945, 1983. [9] S. L. Glashow et al. 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Eidesstattliche Versicherung Ich versichere hiermit an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit mit dem 0 → µ+µ−µ+µ− “ selbständig Titel „Die Suche nach den sehr seltenen Zerfällen Bd,s und ohne unzulässige fremde Hilfe erbracht habe. Ich habe keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt sowie wörtliche und sinngemäße Zitate kenntlich gemacht. Die Arbeit hat in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen. Ort, Datum Unterschrift Belehrung Wer vorsätzlich gegen eine die Täuschung über Prüfungsleistungen betreffende Regelung einer Hochschulprüfungsordnung verstößt handelt ordnungswidrig. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu 50 000,00 C geahndet werden. Zuständige Verwaltungsbehörde für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ist der Kanzler/die Kanzlerin der Technischen Universität Dortmund. Im Falle eines mehrfachen oder sonstigen schwerwiegenden Täuschungsversuches kann der Prüfling zudem exmatrikuliert werden (§ 63 Abs. 5 Hochschulgesetz). Die Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt wird mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Technische Universität Dortmund wird ggf. elektronische Vergleichswerkzeuge (wie z.B. die Software „turnitin“) zur Überprüfung von Ordnungswidrigkeiten in Prüfungsverfahren nutzen. Die oben stehende Belehrung habe ich zur Kenntnis genommen. Ort, Datum Unterschrift 55