Duftes Grün im Schatten

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Pflanzenverwendung
Fa r n e
Duftes Grün
im Schatten
Bis heute beherrschen Farne eine urige Schattenwelt im
Unterholz. Hier halten sie eine Illusion von Urzeitwäldern wach,
und dies nicht nur durch ihre Erscheinung, sondern auch durch
ihren Duft. An einem regnerischen Frühjahrsmorgen, an einem
heißen Sommertag, in einer Novembernebelnacht liegt in der
Luft noch die Erinnerung an eine blütenlose, grüne Welt, die
nach Farnen roch.
uch wenn jeder Gärtner den merk-
A
Im Whisky von der schottischen Insel
würdigen, einzigartigen Duft der
Islay, deren Wasser durch Torf und Farnwur-
Farne kennt, auch wenn viele
zeln gefiltert die Destille erreicht, schwingt
Schriftsteller diesen Duft als atmosphäri-
in einem Bouquet nicht minder geheimnis-
sches Element in ihren Werken erwähnen,
voller Düfte und Aromen ein Hauch von
so erweist es sich doch als äußerst schwer,
Farnkraut mit. Ihn künstlich erzeugen zu
ihn wirklich näher zu beschreiben. Der Au-
wollen ist dagegen offenbar ein aussichts-
tor Friedrich Georg Jünger fasst dies wie
loses Unterfangen und Duftstoffe, die Farn-
folgt zusammen: „Es ist ein eigener Ge-
namen beanspruchen, schmücken sich mit
ruch, nicht würzig, nicht süß, streng irgend-
fremden Federn.
wie, unbeschreibbar wohl, in Worten nicht
Fougère Royale – königlicher Farn – hieß
wiederzugeben. Er ist farnig, erinnert nicht
1882 das erste Parfüm, das synthetische
an Blüten und lässt sich mit nichts verglei-
Duftstoffe verwendete. Bis heute bezeich-
chen.“
net „Fougère“ eine Gruppe von Duftkompositionen, die vor allem in Rasierwasser ver-
Farnduft ist kaum zu
reproduzieren
wendet werden und typischerweise Eichenmoos, Lavendel und den Extrakt der Tonkabohne (Dipteryx odorata) enthalten. Dieser
Ebenso schwer, wie das typische Farnaroma
ist reich an Kumarin, die Verbindung, die
zu beschreiben, ist es, diesen Duft zu repro-
dem Waldmeister, der Maibowle und frisch
duzieren. Nur einigen der größten Künstler,
geschnittenem Heu das charakteristische
was Duft- und Geschmackserlebnisse an-
Aroma verleiht und die auch tatsächlich
geht, gelingt es, den Duft aus der Natur
dem Bouquet einiger Farne beigemischt ist.
einzufangen und in Flaschen abzufüllen.
Doch der echte farnige Farnduft ist es nicht.
So kann wohl mancher Farn an Fougère
erinnern, nicht aber umgekehrt Fougère an
den Farn.
Der Duft des Phymatosorus grossus hat
Ähnlichkeit mit Marzipan und Mandel,
mit einer Spur Lakritz und Vanille.
Der süßliche Duft von Polypodium vulgare
ist auf die unterirdischen Rhizome
beschränkt.
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Farne mit Heuduft
Werden die Wedel des Wurmfarns (Dryopteris aemula) auch nur leicht berührt, so
setzen zahlreiche Drüsen einen süßlichen
Geruch frei. Sind die Wedel trocken, so ist
es ein starker Duft, der an frisch gemähtes
Ländern auch als Lemon-scented Fern be-
Heu erinnert. Aus diesem Grund wird die
zeichnet. Einen Zitronenduft verströmt auch
Pflanze auch Heufarn genannt. Auch Chei-
die in Südostasien heimische und heute in
lanthes fragrans, der Wohlriechende Schup-
vielen Teilen der Welt eingebürgerte Art Ne-
penfarn, verdient sich seinen Namen durch
phrolepis cordifolia. Noch stärker ist der
einen heuähnlichen Wohlgeruch. Einen wei-
Zitrusduft bei einem neotropischen Farn,
teren, intensiv nach Heu duftenden Farn
der dieser Eigenschaft auch seinen wissen-
findet man im Osten Nordamerikas, in den
schaftlichen Namen verdankt: Anetium ci-
Wäldern der Appalachen, den Hay Scented
trifolium.
Fern (Dennstaedtia punctilobula).
Ein ganz anderes Fruchtaroma besitzt
Weitere Farne mit Heuaroma finden sich
Thelypteris patens, der in Florida, der Karibik
weiter westlich und bis auf den Südteil des
sowie Mittel- und Südamerika zu finden ist.
Doppelkontinents: Aspidium nevadense, A.
Er verströmt den Duft reifer Äpfel. Eine be-
peruvianum, A. trapezoides und die brasili-
sondere Überraschung bietet der aus Jamai-
anische Art Adiantum amabile – die im Eng-
ka und Mittelamerika stammende Dryopte-
lischen „Scented Maidenhair Fern“ genannt
ris cheilanthoides, der aus gutem Grunde
wird.
von früheren Autoren als Nephrodium
sprengellii var. persicinum beschrieben wur-
Duftnoten von Kamille,
Zitrone, Apfel und Pfirsich
de – er duftet nämlich nach Pfirsich.
Erdbeer oder Veilchen?
Doch Kumarin ist nur einer von vielen Zusätzen, die den geheimnisvollen, nicht fass-
Nicht weniger appetitlich-fruchtig ist der
baren Farnduft bei vielen Arten bereichern
Duft von Asplenium fragrans, doch scheiden
und mitunter nahezu überlagern. Einen ge-
sich die Geister daran, wonach, außer eben
radezu überwältigenden Geruch mit kamil-
nach Farn, er denn duftet. Erdbeeren oder
leähnlicher Note verströmt Pteris tremula
Himbeeren, behaupten die einen, andere
aus Neuseeland und Australien. Er wird mit-
ziehen eher blumige Vergleiche, zum Bei-
unter auch Stinkfarn genannt.
spiel zu Rosen oder Schlüsselblumen. So
Angenehmer fallen einige Arten auf, die
ließ im letzten Jahrhundert das „American
über Düfte verfügen, die an Koniferen erin-
Journal of Horticulture and Florist’s Compa-
nern. Die Düfte des neotropischen Polypo-
nion“ verlauten: „Er vermittelt einen ganz
dium dissimile gleichen einer balsamisch-
eindeutigen Geruch von Veilchen – und zwar
harzigen Komposition von Kiefernöl und
so genau von Veilchen, dass es schwierig
Nadelwald. Als balsamartig wird der Duft
beschrieben, den die Wedel des in Taiwan,
Japan und China vorkommenden Grünen
Raupenfarns (Polypodium formosanum)
oder des in Europa und Nordafrika zu findenden Dryopteris mindshelkensis alias D.
submontana bei Berührung freisetzen.
Wie bei Koniferen auch gibt es einen
fließenden Übergang von balsamartigen
Düften zu solchen, die wir am besten im
Vergleich mit Zitrusfrüchten beschreiben
können. Der Berg-Lappenfarn Europas (Thelypteris limbosperma) enthält eine balsamische Note und riecht gleichzeitig nach Zitrone. Er wird daher in englischsprachigen
Drüsen in den Wedeln von Dryopteris
aemula setzen einen süßlichen Geruch
frei. Trockene Wedel erinnern im Duft an
frisch gemähtes Heu.
Zitronenduft verströmt die in Südostasienheimische Art Nephrolepis
cordifolia.
Cystopteris montana (Berg-Blasenfarn)
hat einen Duft von gebrannten Mandeln,
der manchmal auch weniger wohlwollend
als „blausäureähnlich“ beschrieben wird.
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Pflanzenverwendung
Besonders scharf nach Moschus, ein
häufiger Duft bei Farnen, riecht Thelyp­
teris dentata.
ist zu glauben, es wären nicht eben ein paar
Bouquets beigemischt ist. Im Duft des mar-
dieser Blumen in der Nähe.“
zipanartig riechenden Phymatosorus gros-
Derlei Ambiguitäten sind in der Farnwelt
sus ist eine Spur Moschus enthalten. Mo-
nichts Ungewöhnliches. Der südafrikanische
schus ist auch bei Microsorum scandens,
Wiederauferstehungsfarn (Mohria caffro-
einem kletternden Farn des Pazifischen
rum), der sich trotz fortgeschrittener Aus-
Raumes und Neuseelands, zu wittern. Diese
trocknung wieder erholen kann, verströmt
Art diente über Jahrhunderte den Maori zur
bei Verletzung seiner Wedel einen aromati-
Parfümierung.
schen Terpentingeruch, dem auch ein Heu-
Ein besonders süßlicher Moschusduft
duft beigemischt ist. Andere Autoren ver-
findet sich bei Oleandra neriiformis, einem
gleichen das Aroma dieses Farns mit Ben-
Farn des tropischen Asiens und Polynesiens,
zoin, einer aromatischen Verbindung, die
dessen Wedel an Oleanderblätter erinnern,
unter anderem in Bittermandelöl vorkommt.
und gleichfalls beim taiwanesischen Baum-
Mandelähnliches ist übrigens im Bouquet
farn Macrothelypteris polypodioides. Mo-
mehrerer Farne zu finden.
schus ist ein komplexer Duft, von dem es
Cystopteris montana (Berg-Blasenfarn)
endlose Variationen gibt, wovon einige
hat einen Duft von gebrannten Mandeln, der
durchaus nicht unproblematisch sind. Be-
manchmal weniger wohlwollend als „blau-
sonders scharf ist er bei Davallodes hirsu-
säureähnlich“ beschrieben wird. Dem Man-
tum des Indopazifiks, beim Marianen Frau-
delaroma des asiatischen Farns Lindsaea
enhaarfarn (Macrothelypteris torresiana)
odorata soll eine moschusähnliche Note
und Thelypteris dentata, beheimatet in den
beigemischt sein. Der im pazifischen Raum
Tropen der Alten Welt, doch heute auch in
zu findende Farn Phymatosorus grossus hat
Amerika eingebürgert.
einen Duft, der dem der Blüten der Maile-
Besonders scharf nach Moschus, ein
Liane ähnelt, einem süssen Duft, der zu
häufiger Duft bei Farnen, riecht Thelypteris
hawaiianischen Festen so dazugehört wie
dentata. Noch markanter ist die Duftmarke
Hula, Blumenkränze und die Ukulele. Für
der brasilianischen Art Adiantumtrapezifor-
Europäer ist dieser Duft am ehesten anhand
me: Hier ist dem Heuduft ein eindeutiger
einer entfernten Ähnlichkeit mit Marzipan
Geruch nach Raubkatze beigemischt.
was Vanille zu beschreiben.
Bedeutung der Duftstoffe
Süsswaren und Moschus
Den chemischen Hintergründen einiger dieser Düfte können wir im Labor auf die Spur
Der autor
Dr. Marcel
Robischon
Süßliche Düfte vermögen auch europäische
kommen und unter Umständen sogar The-
Farne zu erzeugen, so etwa der Tüpfelfarn
orien zur biologischen Bedeutung der Duft-
(Polypodium vulgare), der auch als Mauer-
stoffe aufstellen. Das heuduftende Kumarin
raute bezeichnet wird. Sein süßlicher Duft
zum Beispiel dürfte eine Rolle als Abwehr-
ist allerdings nicht nur viel schwächer als
stoff spielen. Auch ist es kein Zufall, dass
der von Phymatosorus grossus, sondern
manche Farne Erinnerungen an Bitterman-
zudem auch noch auf die unterirdischen
del wecken, enthalten sie doch häufig in
Rhizome beschränkt. Ähnlich gelagert ist
Spuren Blausäure, die ebenfalls als Schutz
der Fall bei Polypodium glycyrrhiza, zu Hau-
gegen Pflanzenfresser dienen dürfte.
se im Pazifischen Nordwesten Amerikas.
Seit Urzeiten mussten Farne ein ganzes
Wie seine Rhizome riechen und schmecken,
Arsenal an Schutz- und Signalstoffen pro-
verrät sein deutscher Name: Lakritzfarn.
duzieren, um nicht von gefräßigen Insekten
Erinnerungen an Süßwaren und Konfekt
oder hungrigen Sauriern mit Stumpf und
ist Fortwissen-
erweckt der Farn Asplenium lamprophyllum
Stiel ausgerottet zu werden. Bis heute ha-
schaftler, promo-
gleich auf zweierlei Weise. Er verbreitet ei-
ben die Farne ihr chemisches Arsenal be-
vierter Biologe und
nen Geruch von Salicylsäuremethylester,
halten, ein Erbe der Urzeit und Resultat von
ist derzeit
einer Verbindung, die in vielen ätherischen
Jahrmillionen der Evolution – und heute Be-
akademischer Rat
Ölen und in manchen Kaugummis und Men-
standteil eines mit vielen Sinnen wahrge-
an der Universität Freiburg. Er ist Autor
tholbonbons vorliegt. Gleichzeitig erinnert
nommenen, entspannenden und friedlichen,
zahlreicher Zeitschriftenartikel und
dieses Aroma jedoch auch an die Luft so
doch gleichzeitig geheimnisvollen „wilden“
Buchbeiträge zu naturhistorischen und
mancher Zahnarztpraxis.
Naturerlebnisses.
biologischen Themen.
Moschus ist eine Duftnote, die Farne
Kontakt: [email protected]
fraglos besonders gut zu erzeugen vermö-
text: Dr. Marcel Robischon, Freiburg
burg.de
gen und die vielen der komplexen Farn-
Bilder: Wikimedia Commons
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Bilder: commons.wikimedia.org; Forest+Kim Starr (2), H. Zell, Johan N, Digigalos, H. Schachner
und Mandel, mit einer Spur Lakritz und et-
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