Spannungserzeugung durch NADH- Oxidation

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Schlaglicht
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Komplex I der Atmungskette:
Spannungserzeugung durch NADH-Oxidation
Julia Steuber
Institut für Mikrobiologie, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, Schweiz
Die NADH:Chinon-Oxidoreduktase
(Komplex I) ist ein energieliefernder Atmungskettenkomplex, der die Reaktion
NADH + Q + H+ + nH+innen →
NAD+ + QH2 + nH+aussen
katalysiert. Gekoppelt an die Elektronenübertragung von NADH auf den lipidlöslichen Elektronenüberträger Chinon (Q)
transportiert der Komplex zwei bis fünf
Protonen (nH+) von der Matrixseite zur zytosolischen Seite der inneren Mitochondrienmembran. Mit 45 verschiedenen
Untereinheiten[1] und einer Masse von ungefähr einer Million Dalton ist diese NADHDehydrogenase einer der grössten Membranproteinkomplexe überhaupt. Obwohl
der mitochondriale Komplex I vor mehr als
40 Jahren erstmals gereinigt wurde[2], ist zum
Mechanismus der Redox-getriebenen Protonentranslokation nur wenig bekannt[3].
Vorliegender Artikel befasst sich mit Komplex I aus den Enterobakterien Escherichia
coli und Klebsiella pneumoniae. Der enterobakterielle Komplex I weist starke Verwandtschaft zu seinem „grossen Bruder“ in
Mitochondrien auf, transportiert aber Na+
statt Protonen, was Untersuchungen zum
Kationentransport erleichtert. Weiterführende Informationen und eine umfassende,
ständig aktualisierte Publikationsliste zu
Komplex I finden sich auf der Internetseite
von Takao Yagi (http://www.scripps.edu/
mem/biochem/CI/).
tuliert. Die zentrale Frage ist, wie der Transfer der Elektronen vom NADH zum Q den
Transport von Protonen (oder Natriumionen) durch das Membranfragment von Komplex I antreibt.
Der Na+-transportierende Komplex I
Bakterien wie Ilyobacter tartaricus oder Klebsiella pneumoniae besitzen Na+-transportierende, spannungserzeugende Membranproteine. Abb. 2 zeigt, wie ein Na+-transportierender Komplex I aus K. pneumoniae und eine Na+-abhängige F1F0 ATP-Synthase aus
I. tartaricus entweder Redox-getriebene
ATP-Synthese oder ATP-getriebene NAD+Reduktion katalysieren können, nachdem
sie gemeinsam in Lipidvesikel eingebaut
wurden[4]. Diese Proteoliposomen reprä-
sentieren ein minimales, funktionelles Modell eines Mitochondriums: Die bei der Oxidation von NADH mit Ubichinon durch
Komplex I freigesetzte Redoxenergie kann
zur energieverbrauchenden Synthese von
ATP aus ADP und anorganischem Phosphat
durch die ATP-Synthase genutzt werden.
Die Proteoliposomen können mit einem
Heizkraftwerk verglichen werden, in dem
eine Turbine die Energieübertragung zwischen der Verbrennungseinheit und dem
Stromgenerator gewährleistet. Im „künstlichen Mitochondrium“ werden die beiden
Krafteinheiten, Komplex I und ATP-Synthase, nicht über eine Turbine, sondern
mittels des elektrochemischen Na+-Gradienten gekoppelt. Dabei ermöglicht der
NADH-getriebene Transport von Na+ ins
Innere der Liposomen durch Komplex I die
Untereinheiten und Kofaktoren
Die bakterielle NADH-Dehydrogenase ist
mit 500 000 Da ungefähr halb so groß wie der
mitochondriale Komplex I und besteht aus
nur 14 Untereinheiten (NuoA bis NuoN).
Homologe aller dieser Untereinheiten sind
auch im mitochondrialen Komplex zu finden. Das periphere Komplex I-Fragment
ragt ins bakterielle Zytoplasma und katalysiert die Oxidation von NADH (Abb. 1). Dazu werden Redox-Kofaktoren wie FMN und
neun verschiedene Eisen-Schwefel-Zentren
benötigt, die den Elektronentransfer vom
NADH zum enzymgebundenen Chinon (Q)
ermöglichen. Eine Bindestelle für Q wurde
zwischen dem peripheren Arm und dem
membranständigen Arm von Komplex I pos-
Abb. 1: Widersprüchliche Strukturvorhersagen für Komplex I der Atmungskette. Oben: NADH wird am
peripheren Arm (Rot) des Komplexes in der mitochondrialen Matrix (oder im bakteriellen Zytoplasma)
oxidiert, und es kommt zu einer Elektronenübertragung auf Chinon (Q). Diese Redoxreaktion treibt
den Transport von Protonen (oder Na+) durch den hydrophoben Arm (Gelb) von Komplex I an, der in
der Membran verankert ist. Unten: Vorgeschlagene Lokalisierungen der am Na+-Transport beteiligten
L-Untereinheit (Violett) von Komplex I. Untereinheit L ist an der Spitze des Membranarmes lokalisiert[6]
(unten links), oder steht in Kontakt mit dem peripheren Arm eines L-förmigen Komplexes[7] (unten
Mitte). Kürzlich wurde außerdem eine alternative Konformation für Komplex I beobachtet, die an ein
Hufeisen erinnert[7] (unten rechts)
BIOspektrum · 2/04 · 10. Jahrgang
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Der Na+-transportierende
Komplex I: Ausnahme oder
Regel?
Abb. 2: Energiekopplung von Komplex I und der ATP-Synthase durch einen Na+-Kreislauf. Zwei Na+-transportierende Membranproteinkomplexe werden gemeinsam in Lipidvesikel eingebaut. (A) Nach Zusatz von NADH transportiert Komplex I Natriumionen ins Innere der Lipidvesikel und baut so einen elektrochemischen Na+-Gradienten
auf (innen positiv, +). Verschiedene Chinone in der Lipidmembran () dienen hierbei als Elektronenakzeptoren.
Anschließend kommt es zu einem Ausstrom von Na+ durch die ATP-Synthase, die dabei ATP aus ADP und anorganischem Phosphat erzeugt. (B) Nach Zusatz von ATP ist es die ATPase, die Na+ ins Innere der Liposomen transportiert
und dadurch einen elektrochemischen Na+-Gradienten aufbaut. Der Ausstrom von Na+ durch Komplex I ermöglicht
die Oxidation der Chinole () und Reduktion von NAD+. Obwohl der Kreislauf des Na+ in (A) und (B) in entgegengesetzten Richtungen betrieben wird, ist die Orientierung des elektrochemischen Na+-Gradienten in den Lipidvesikeln
unter beiden Reaktionsbedingungen identisch (innen positiv)
Als letzte Redoxpumpe der Atmungskette hat sich Komplex I
bislang der dreidimensionalen
Kristallisation widersetzt. Die
Röntgenstrukturanalyse von
Komplex I ist eine Herausforderung, der sich zur Zeit viele Forschergruppen weltweit stellen.
Ein Na+-transportierender Komplex I zieht die Frage nach der
Kopplungsionen-Spezifität des
Komplexes in Organismen aus
phylogenetisch diversen Gruppen nach sich. Wie weit verbreitet ist ein Na+-abhängiger Komplex I? Vergleichende Studien an
Komplex I und seiner phylogenetisch verwandten Enzyme in
unterschiedlichen (Mikro-)Organismen werden dazu beitragen, die Funktionsweise dieser
immens großen Redoxmaschine
zu verstehen.
Synthese von ATP bei gleichzeitigem Ausstrom von Na+
durch die ATP-Synthase. Es
kommt zu einem Kreislauf des
Na+ über die Liposomenmembran hinweg. Im Gegensatz zu
einem Heizkraftwerk, das nicht
reversibel betrieben werden
kann, katalysieren diese Proteoliposomen jedoch nach Zusatz
von ATP und NAD+ auch die
umgekehrte Reaktion, nämlich
die ATP-getriebene Reduktion
von NAD+. Was bedeutet dies
für die Funktionsweise von
Komplex I? Prämisse ist, dass
der bakterielle (Na+-transportierende) und der mitochondriale
(H+-transportierende) Komplex
I aufgrund ihrer großen Verwandtschaft einen vergleichbaren Katalysemechanismus aufweisen. Der Transport von Na+
grenzt die für Komplex I diskutierten Mechanismen des
NADH-getriebenen Aufbaus eines elektrochemischen Na+(oder
H+)-Gradienten beträchtlich ein.
Beispielsweise wurde angenommen, dass Komplex I Protonierungs- und Deprotonierungsreaktionen des Chinons (Q) an
gegenüberliegenden Seiten der
Lipidmembran katalysiert. Zwei
BIOspektrum · 2/04 · 10. Jahrgang
Protonen könnten so unter Reduktion des Chinons an der Matrixseite des Mitochondriums
aufgenommen werden, als neutrales Chinol (QH2) über die
Membran diffundieren, um
dann bei der Reoxidation an der
cytosolischen Seite zwei Protonen freizusetzen. Dieses Modell
beruht auf der Bildung einer kovalenten Bindung zwischen einem Proton und dem reduzierten Chinon, einer Reaktion, die
offensichtlich mit Na+ nicht
stattfinden kann. Der Schluss
liegt nahe, dass der Transport
von Na+ durch Komplex I auf einer redoxgetriebenen Konformationsänderung beruht, möglicherweise unter Beteiligung der
membranständigen L-Untereinheit (Abb. 1). Unterstützt wird
diese Annahme durch Untersuchungen am Komplex I aus
Escherichia coli, der ebenfalls Natriumionen transloziert. Die isolierte, C-terminal verkürzte LUntereinheit des E. coli-Komplexes besitzt Na+-Transportaktivität und bildet möglicherweise eine Pore durch den
hydrophoben Arm von Komplex
I [5].
Danksagung
Ich möchte mich für die finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Forschungskommission
der ETH Zürich, den Schweizerischen Nationalfonds sowie die Roche Research Foundation bedanken. Ein herzlicher Dank geht
auch an meine wissenschaftlichen Mentoren, Peter Dimroth (ETH Zürich) und Peter M. H. Kroneck (Universität Konstanz).
Literatur
[1] Carroll, J., Shannon, R. J., Fearnley, I. M.,
Walker, J. E., and Hirst, J. (2002): Definition of the
nuclear encoded protein composition of bovine heart mitochondrial complex I. Identification of two new subunits.
J. Biol. Chem. 277: 50311–50317
[2] Hatefi, Y., Haavik, A. G., and Griffiths, D. E.
(1962): Studies on the electron transfer system. Preparation and properties of mitochondrial DPNH-coenzyme Q
reductase. J. Biol. Chem. 237: 1676–1680
[3] Brandt, U., Kerscher, S., Drose, S., Zwicker, K.,
and Zickermann, V. (2003): Proton pumping by
NADH:ubiquinone oxidoreductase. A redox driven conformational change mechanism? FEBS Lett. 545: 9–17
[4] Gemperli, A. C., Dimroth, P., and Steuber, J.
(2003): Sodium ion cycling mediates energy coupling between complex I and ATP synthase. Proc. Natl. Acad. Sci.
USA 100: 839–844
[5] Steuber, J. (2003): The C-terminally truncated NuoL
subunit (ND5 homologue) of the Na+-dependent complex
I from Escherichia coli transports Na+. J. Biol. Chem. 278:
26817–26822
[6] Holt, P. J., Morgan, D. J., and Sazanov, L. A.
(2003): The location of NuoL and NuoM subunits in the
membrane domain of the Escherichia coli complex I: Implications for the mechanism of proton pumping. J. Biol.
Chem. 278: 43114–43120
[7] Böttcher, B., Scheide, D., Hesterberg, M.,
Nagel-Steger, L., and Friedrich, T. (2002): A novel,
enzymatically active conformation of the Escherichia coli
NADH:ubiquinone oxidoreductase (complex I). J. Biol.
Chem. 277: 17970–17977
Korrespondenzadresse:
Dr. Julia Steuber
Institut für Mikrobiologie
Eidgenössische Technische Hochschule
ETH Zentrum
Schmelzbergstr. 7
CH-8092 Zürich
Schweiz
Tel.: 0041 1 632 3830
Fax: 0041 1 632 1148
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