43 Ist ∆UH die Verdampfungswärme ∆Hfl-g, so bezeichnet Vα das Molvolumen des Dampfes VD und Vβ das Molvolumen Vfl der Flüssigkeit, die mit dem Dampf im Gleichgewicht steht. In der Regel (d.h. bei relativ niedrigen Dampfdrücken) ist Vfl << VD ≈ RT/p, so dass dp ∆H fl-g p = dT RT 2 bzw. ∆H fl -g 1 dp ∆H fl -g dT = = d ln p = d − p R T2 R T (3-61) Nach Integration erhält man die Gleichung für die Dampfdruckkurve (CLAUSIUS-CLAPEYRONGleichung; vgl. 3-34) ln p − ln p0 = ln Kapitel 4: p ∆H fl -g = p0 R 1 1 − T0 T (3-62) Kinetik 4.1.1 Definiton der Reaktionsgeschwindigkeit r Als Beispiel soll die Reaktion H2 + I2 → 2 HI dienen, die in der Gasphase bei ca. 500 K so abläuft. Im Verlauf der Reaktion nehmen die Partialdrücke von H2 und I2 ab, während der HI-Druck zunimmt. Die Geschwindigkeit dieser Vorgänge ist zu beschreiben als Differentialquotient –dp(H2)/dt, der Reaktionsgeschwindigkeit r genannt wird (Ableitung des Drucks oder der Konzentration eines Reaktionspartners nach der Zeit t) Es ist r = –dp(H2)/ dt = –dp(I2)/ dt = +dp(HI)/2 dt (4-1) oder allgemein mit den stöchiometrischen Koeffizienten ν (nü) der Reaktionsgleichung r = νj–1 dpj / dt (4-2). Das Experiment (Messung von p(H2) nach verschiednen Zeiten t) ergibt typischerweise die abgebildete Kurve p(H2) = f (t), bei der die jeweilige Steigung der Reaktionsgeschwindigkeit r entspricht. Diese ändert sich während der Reaktion ständig und ist somit nicht charakteristisch für eine Reaktion. 4.1.2 Reaktion 2. Ordnung Wir betrachten die in der Atmosphärenchemie wichtige Reaktion (Luftverschmutzung) NO + O3 → NO2 + O2. Über den Reaktionsmechanismus weiß man, dass er sehr einfach ist: Stickstoffmonoxid und Ozon stoßen zusammen und bilden Stickstoffdioxid und Sauerstoff-Moleküle. So etwas nennt man eine bimolekulare Reaktion, deren Ablauf mit Hilfe eines Übergangszustands formuliert werden kann (vgl. Skizze in Kap. 4.3). Selbst wenn nicht jeder Zusammenstoß erfolgreich sein sollte, ist r proportional zur Zahl der Zusammenstöße und daher r ~ p(NO) sowie r ~ p(O3); zusammengefasst: 44 r = k ·p(NO) · p(O3) (4-3) k heißt Reaktionsgeschwindigkeitskonstante, sie ist charakteristisch für eine Reaktion. Die differentielle Form der Reaktionsgeschwindigkeitsgleichung (Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz) lautet für obige Reaktion r = –dp(NO) / dt = k ·p(NO) · p(O3) (4-4). Man nennt (4-4) Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz zweiter Ordnung, wenn wie hier die Reaktionsgeschwindigkeit von zwei Drücken (Konzentrationen, etc.) abhängt. Eine bimolekulare Reaktion kann nach der zweiten Ordnung abkaufen, muss aber nicht; z.B. erhält man bei großem Überschuss eines Reaktionspartners experimentell eine Reaktion erster Ordnung, weil sich die Konzentration des Überschussreaktionspartners während der Reaktion praktisch nicht ändert. Zur Vereinfachung der Integration von Gl. (4-4) lassen wir die Reaktion mit gleichen Ausgangsdrücken p0(O3) = p0(NO) starten; dann gilt immer p(O3) = p(NO) und man kann schreiben -dp(NO) / dt = k · p2(NO) Die Integration liefert 1 1 − = kt p (NO) p0 (NO) (4-5). (4-6), k ist also als Steigung einer Auftragung 1/p(NO) gegen t zu bestimmen. Bimolekulare Reaktionen laufen auch in Lösung ab, z.B. die Esterverseifung CH3COOCH3 + OH– → CH3COO + CH3OH Hier wird dann üblicherweise mit Konzentrationen an Stelle von Drücken gerechnet. 4.1.3. Reaktion erster Ordnung Von einer monomolekularen Reaktion spricht man, wenn ein Molekül reagiert, ohne dass andere Moleküle beteiligt sind, z.B. VaB lenz-Umlagerungen (s. Abb.) oder radioaktive Zerfälle. A → Für die Valenzumlagerung in der Gasphase ist der Partialdruck wieder das adäquate Konzentrationsmaß, so dass für die Reaktionsgeschwindigkeit gilt ln p(A) = ln p0(A) – kt r = –dp(A) / dt = k ·p(A) bzw. integriert oder p(A) = p0(A) · e–kt (4-7). Das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz für den radioaktiven Zerfall lautet – dN / dt = kN, wobei N die Teilchenzahl ist. Integration von der Anfangs-Teilchenzahl N0 bis N ergibt: N = N0 · e–kt oder ln N = ln N0 – kt (4-7a), 45 wobei wieder die Geschwindigkeitskonstante nach Messung von N bei verschiedenen Zeiten t graphisch ermittelt werden kann (Wichtig zur Unterscheidung von Reaktionen erster und zweiter Ordnung ist, dass tatsächlich der Graph angeschaut wird; bloße lineare Regression kann täuschen). Bei radioaktiven Zerfällen wird häufig nicht k sondern die Halbwertszeit τ1/2 angegeben. Beide können ineinander umgerechnet werden, wie man sich nach Integration bis t = τ1/2 klarmachen kann: τ1/2 = (ln 2)/k. 4.2 Reaktionsmechanismus Nebenstehendes Diagramm zeigt ein Beispiel zur Ermittlung eines Reaktionsmechanismus (thermischer Zerfall von Aceton). Nach der Reaktionsgleichung 2 CH3COCH3 → 2 CH4 + 2 CO + C2H4 könnte man erwarten, dass CO mit der gleichen Geschwindigkeit gebildet wird, mit der auch Aceton verschwindet. Die Kurve des CO-Drucks zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Zudem wird eine Kinetik 1. Ordnung bestimmt. Der Grund liegt in der vorübergehenden Bildung des Zwischenprodukts Keten (CH2CO) nach der Gleichung: CH3COCH3 → CH2CO + CH4. Entsprechend liefert die Kurve für p(Aceton) in obigem Diagramm eine Konstante erster Ordnung. Aus Keten wird dann CO abgespalten: 2 CH2CO → CH2CH2 + 2 CO. 4.3 Aktivierungsenergie Die Betrachtung der bereits bekannten bimolekularen Reaktion NO + O3 → NO2 + O2 in einem Energiediagramm liefert die rechtsstehende Abbildung. Die hervorgehobenen Punkte 1 bis 6 sind links unten illustriert. Demnach müssen die Reaktionspartner einen Übergangszustand 3 durchlaufen, in welchem das zu übertragende Sauerstoffatom zu beiden Molekülen gehört. Der Zustand 5 entspricht den Produktmolekülen im Gleichgewichtszustand. Noch kürzere N-O-Abstände (6) bedeuten wegen der Kernabstoßung wieder höhere Energie. Der Übergangszustand entspricht i.a. höherer Energie als der Produktoder Eduktzustand. Deshalb muss den Reaktionspartnern die Aktivierungsenergie EA zu Verfügung stehen, wenn eine Begegnung (Zusammenstoß) der Moleküle zur Reaktion führen soll. Mit steigender Temperatur steigt die Frequenz der Zusammenstöße, bei welchen die (von der Geschwindigkeit beider Reaktionspartner abhängende) Stoßenergie größer als EA ist, stark an. Die Reaktionswahrscheinlichkeit steigt also mit der Temperatur16 (und mit der Zahl der Zusammenstöße). Experimentell macht sich dies in einer Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstanten bemerkbar. Der Anteil der Molekülzusammenstöße pro Zeiteinheit ZAB*, bei welchen die Stoßenergie größer ist als EA, ist nach BOLTZMANN gegeben durch den Ausdruck: 16 Radioaktiver Zerfall ist keine chemische Reaktion, Radionuclid-Halbwertszeiten sind nicht temperaturabhängig 46 Z AB * =e Z AB E − A RT (4-8) (vgl. 2-26). Dagegen steigt insgesamt die Frequenz der Zusammenstöße ZAB vernachlässigbar, nämlich mit T–1/2 (vgl. 2-46). Zusammenfassend sollte die Reaktionsgeschwindigkeit proportional sein zu Stoßzahl, BOLTZMANN-Faktor und Druck (Konzentration) der reagierenden Moleküle. Es folgt für die Reaktionsgeschwindigkeit E r = k ⋅ p ( NO) p (O3 ) = k∞ exp − A p ( NO) p (O3 ) RT (4-9), wobei k∞ der Stoßfrequenz (vgl. Kap.2.4) entspricht (nur bei einfachen Reaktionen, Genaueres in Teil II). Daraus ergibt sich die ARRHENIUS-Gleichung für die Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstanten E k = k ∞ exp − A RT (4-10). Bestimmen lässt sich EA durch Messen von k bei mehreren Temperaturen und graphische Auftragung von lnk gegen 1/T. Die Steigung der erhaltenen Geraden ist –EA/R. 4.4 Katalyse Der Begriff Katalysator wird gebraucht für einen Stoff, der die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht, ohne in der Reaktionsgleichung vorzukommen. Beispielsweise beschleunigt Vanadiumpentoxid V2O5 die Oxidation von SO2 zu SO3, die für die Herstellung von Schwefelsäure notwendig ist. Genauere Untersuchungen haben folgenden Mechanismus gezeigt: 1. Schritt SO2 + V2O5 → V2O4 + SO3 2. Schritt V2O4 + 1/2 O2 → V2O5 Summe: SO2 + 1/2 O2 → SO3; Das Vandiumpentoxid dient also nur als Sauerstoffüberträger. Offensichtlich ist die Summe der Aktivierungsenergien für die Schritte 1 und 2 kleiner als die der direkten Oxidation. Die Wirkung des V2O5 nennt man Katalyse, und zwar heterogene Katalyse, wenn wie hier Katalysator und Reaktanden in verschiedenen Aggregatzuständen vorliegen (vgl. Abgasreinigung im Auto). Bei der homogenen Katalyse liegen Katalysator und reagierende Stoffe in derselben Phase, z.B. gelöst vor. Negative Katalyse wird als Inhibierung bezeichnet. Eine geeignete Katalyse ermöglicht die Optimierung der Führung chemischer Verfahren in vielerlei Hinsicht: Effekte Vorteile Beschleunigung von Reaktionen durch Herabsetzung Zeitgewinn der Aktivierungsenergie oder Durchführung von Reaktionen bei niedrigerer Energieeinsparung Temperatur Steuerung von Reaktionen: Es wird bei mehreren Möglichkeiten die gewünschte Reaktion katalysiert, dadurch wird die Bildung von Nebenprodukten unterdrückt Minimierung von Trennproblemen, bessere Ausnutzung der eingesetzten Chemikalien, vermindertes Entsorgungsproblem 47 Kapitel 5: 5. Chemisches Gleichgewicht Gleichgewichtsreaktionen und Massenwirkungsgesetz Die schon bekannte Reaktion H2 + I2 → 2 HI verläuft so bei Temperaturen um 500 K. Ab etwa 700 K läuft die Reaktion auch in umgekehrter Richtung ab: 2 HI → H2 + I2. In diesem Temperaturbereich beobachtet man also beides, d.h. ausgehend von H2 und I2 wird HI gebildet und ausgehend von HI bilden sich Wasserstoff und Iod, in beiden Reaktionen erzielt man jedoch keinen vollständigen Umsatz sondern erreicht einen identischen Gleichgewichtszustand (s. Skizze), in welchem Hin- und Rückreaktion gleich schnell sind (sog. dynamisches Gleichgewicht). Man schreibt dann in einer Gleichung H2 + I2 ⇌ 2 HI (5-1). Für die im Gleichgewicht gleichen Reaktionsgeschwindigkeiten gilt rhin = khin p(H2) p(I2) und rrück = krück p2(HI) (5-2). Dies kann wegen rhin = rrück zusammengefasst werden zu pG2 ( HI ) k = hin = K pG (H 2 ) pG ( I 2 ) k rück (5-3). Solche Gleichungen heißen Massenwirkungsgesetz, die Massenwirkungskonstante K ist (wie die Geschwindigkeitskonstanten) von der Temperatur und von dem Gesamtdruck abhängig, jedoch nicht von den Partialdrücken. Zur Aufstellung von Massenwirkungsgesetzen werden konventionsgemäß die Drücke (Konzentrationen, Mengenanteile, etc.) der Produkte in den Zähler, die der Edukte in den Nenner geschrieben. Der Index G besagt, dass es sich um Gleichgewichtsdrücke handelt, nicht um sich ändernde Drücke während der Reaktion. Das Massenwirkungsgesetz bedeutet für obige Reaktion, dass sich in jeder Probe, die H2, I2 und HI in irgendeinem Verhältnis enthält, die Partialdrücke durch Hin- oder Rückreaktion solange ändern, bis das Massenwirkungsgesetz erfüllt ist. Erhöhung des HI-Partialdrucks führt zu vermehrter Bildung von Wasserstoff und Iod, Erhöhung des Wasserstoff-Partialdrucks zu vermehrter HI-Bildung und zur Verringerung des Iod-Partialdrucks. Eine allgemeine Formulierung des Massenwirkungsgesetzes für beliebige Reaktionsgleichungen ist νA A + νB B + ... ⇌ νN N +νMM + ... K (T ) = pνGN ( N )· pνGM ( M )·... pνGA ( A )· pνGB ( B) ⋅ ... (5-4) 48 Als weiteres Beispiel sei die Synthese des Ammoniaks NH3 genannt: N2 + 3 H2 ⇌ 2 NH3 Man erkennt zunächst, dass die Massenwirkungskonstante p 2 ( NH 3 ) K= 3 G (5-5) pG ( H 2 ) pG ( N 2 ) hier im Unterschied zum Iodwasserstoff-Beispiel dimensionsbehaftet ist17. Konstanten verschiedener Gleichgewichte können also – ebenso wie Geschwindigkeitskonstanten verschiedener Ordnung – nicht einfach durch Unterschiedsbildung verglichen werden. Technisch wird die Reaktion unter hohem Druck und in Gegenwart eines Katalysators durchgeführt (HABER-BOSCH-Verfahren). Gesamtdruckerhöhung verschiebt das Gleichgewicht zu NH3, weil sich bei der Reaktion die Zahl der Gasteilchen verringert (Prinzip vom kleinsten Zwang, LE-CHATELIER-Prinzip). Der Katalysator kann die Gleichgewichtslage nicht beeinflussen, weil Hin- und Rückreaktionen gleiche Übergangszustände durchlaufen (Prinzip der Mikroreversibilität). Er kann aber die Reaktionsgeschwindigkeiten und damit die Geschwindigkeit der Einstellung des Gleichgewichts beschleunigen. Schwache Säuren wie Essigsäure CH3COOH dissoziieren in Wasser nicht vollständig in Acetat-Anionen CH3COO- und Protonen H+. Am Massenwirkungsgesetz5 cG,CH COO − ·cG, H + 3 CH3COOH ⇌ CH3COOH– +H+; (5-6) K= cG,CH 3COOH (jetzt nicht mit Partialdrücken sondern mit Gleichgewichtskonzentrationen formuliert) kann nachvollzogen werden, dass 1. eine Erhöhung der Essigsäurekonzentration nicht eine proportionale Erhöhung der H+-Ionenkonzentration zur Folge hat (stark saure Lösungen können mit Essigsäure nicht hergestellt werden) und 2. eine Erhöhung der Acetat-Konzentration die Gleichgewichtslage nach links verschiebt (Pufferwirkung). 5.2 Triebkraft und Gleichgewicht Wie schon in der Skizze zum Iod-Wasserstoff-Gleichgewicht angedeutet, haben Gleichgewichtslage und Triebkraft der Reaktion miteinander zu tun. Die vor der Reaktion zur Verfügung stehende Triebkraft lässt sich mit den Mitteln des Kapitels 3 als ∆RG⊝ berechnen. Diese Größe ist eine Konstante (wenn p und T konstant sind). Während die Reaktion dem Gleichgewicht zustrebt, nimmt die Triebkraft ab. Sie ist dann eine Variable: die Freie Reaktionsenthalpie ∆RG, die 0 wird, wenn das Gleichgewicht erreicht ist. Diese Variable gibt den "Abstand" zum Gleichgewicht an. Sie ist mit der Konstanten ∆RG⊝ verknüpft durch die Beziehung ∆ R G = ∆ R G Θ + RT ln ∏ pνi i (5-7) ( pi ≠ pi , G ). Im Gleichgewicht (∆RG = 0, pi = pG ,i ) gilt daher die wichtige Gleichung 17 Das Auftreten einer Dimension ist eine Folge der gegebenen kinetischen Ableitung des Massenwirkungsgesetzes. Bei der im Grunde exakteren thermodynamischen Ableitung, bei der Gl. 5-8 unmittelbar folgt, verschwindet die Dimension, indem jeder Druck bzw. jede Konzentration auf einen Standardzustand bezogen wird: z.B. c/c⊝ (c⊝ = 1 mol dm–3) oder p/p⊝, (p⊝ = 1 bar) vgl. Lehrbücher. Ähnlich kann auch bei Geschwindigkeitskonstanten verfahren werden. 49 ∆RG⊝ = –RT lnKp (5-8). Zur Herleitung von 5-8 werden die Begriffe Chemisches Potential µ (Kap. 3.4) und Reaktionslaufzahl ξ benötigt (µ i = ∂g/∂ni; dξ = dni /νi). Reaktionslaufzahl Für eine allgemein formulierte Reaktion |νA| A + |νB| B → |νC| C + |νD| D ergibt sich ein differentieller Umsatz dnA/νA = dnB/νB = dnC/νC = dnD/νD (5-9), wobei die Vorzeichen zu den stöchiometrischen Koeffizienten gezogen werden, d.h. νA und νB sind negativ. Die Definition von ξ lautet d ξ = dn i / ν i (5-10). dξ ist demnach gleich 1 mol, wenn sich νA mol A mit νB mol B verbinden entsprechend einem Formelumsatz. Es ist dann für alle i ni ∫ n ξ dni = ni − n = ν i ∫ dξ 0 i 0 i (5-11). 0 Mit Hilfe der Reaktionslaufzahlen ξ kann die Problematik unterschiedlicher stöchiometrischer Koeffizienten in verschiedenen Gleichungen aufgelöst werden (vgl. "Formelumsatz"). Zahlenbeispiel: Gibt man 1 mol H2 und 1 mol N2 zusammen, so reagieren diese nach N2 + 3 H2 → 2 NH3. Wenn 1/3 mol H2 reagiert hat, ist nach Anwendung von (5-10) 2 −1 1 ξ= 3 mol = mol −3 9 (5-12) Damit wird n N 2 = n0 N 2 − ξ = 8 mol 9 und n NH 3 = 2ξ = 2 mol 9 (5-13) sowie 8 2 3 =3 ; x = 9 =1 ; x 9 =1 = N2 NH 3 8 2 8 2 16 16 2− 9 9 9 2 xH2 = (5-14) 50 Herleitung von 5-8 (endgültiges Verstehen der physikalischen Chemie chemischer Reaktionen) Für eine beliebige chemische Reaktion |νA| A + |νB| B → |νC| C + |νD| D, gilt wie immer, dass für spontan und freiwillig ablaufende Reaktionen ∆RG negativ sein muss, wenn p und T konstant sind, bzw. ∆RF < 0, wenn T und V konstant sind. Bekanntlich gilt: ∆G = -SdT + Vdp + 3νiµidξ; ∆F = -SdT – pdV + 3νiµidξ. (vgl. 3-44 bis 3-50) Deshalb fallen die mit p, T und ggf. v behafteten Terme weg und ∂ G ∆RG = R = ∑νi µi ∂ξ p,T sowie ∂ F ∆R F = R = ∑νi µi ∂ξ V ,T (5-15) (5-16) werden jeweils # 0. Sie heißen Freie Reaktionsenthalpie ∆RG bzw. Freie Reaktionsenergie ∆RF. (Nochmals: ∆G ist eine Variable, die im Verlauf der Reaktion gegen 0 geht, ∆Gσ ist eine Konstante!) Die µi können in einem Reaktionsgemisch keine reinen Stoffe sein, daher müssen sie als µi = µiσ* + RTlnxi bzw. für reale Mischungen µi = µiσ* + RTlnai (5-17) angesetzt werden (Allgemeines zu RTln..-Gliedern in thermodynamischen Gleichungen siehe unten 5-21 bis 5-23), wobei im realen System die Stoffmengenanteile xi durch Aktivitäten ai ersetzt sind, bei welchen Abweichungen vom idealen Verhalten durch Aktivitätskoeffizienten fi korrigiert werden: ai = xifi. Man beachte, dass die Aktivität in dieser Definition dimensionslos ist, und man mache sich klar, dass für einen reinen Stoff ai = 1 und damit µi = µiσ*. µiσ* ist also das chemische Potenzial des reinen Stoffes i. Für das gesamte Reaktionsgemisch erhält man ∆RG = ∑νi µiΘ∗ + RT∑νi lnai , was dasselbe ist wie ( ) ∆RG = ∑νi µiΘ∗ + RTln Πaνi i (5-18) i und entsprechendes für ∆RF. Für eine Gasphasenreaktion folgt die thermodynamisch abgeleitete Gleichgewichtskonstante Kp aus der Gleichgewichtsbedingung ( ) ∆RG = 0 = ∑νi µiΘ* + RTln ΠaνG,i i = ∆RGΘ + RTlnΠaνG,i i i i bzw. ln(ΠaνG,i i ) = − i ∆RGΘ = lnKp RT (5-19). Für die (spontan) laufende Reaktion gilt mit diesen Größen ∆RG = Σµ i dni = (∂g / ∂ξ )T,p = Σ(νi µ i) ≤ 0 (5-20) Analog 5-18 kann man auch schreiben ∆RG = Σ(νi µ i⊝*) + RT Σ(νi ln xi) (5-21), 51 wobei xi Mengenanteile sind, die ggf. durch Aktivitäten ersetzt werden müssen. 5-21 definiert eine Abhängigkeit der Freien Reaktionsenthalpie ∆RG von der Zusammensetzung des Systems. Diese soll an Hand nebenstehender Skizze (für ein nicht reagierendes System) erläutert werden. Es handelt sich dabei um zwei gasförmige Teilsysteme A und B, die in Temperatur und Druck übereinstimmen. A enthält eine Gasmischung, B nur ein Gas, die Komponente i. Entfernt man jetzt die Trennwand, so wird spontane Durchmischung eintreten, d.h. es gibt für die Durchmischung eine Triebkraft: ∆G = Σ(νk µ k) < 0 (5-22). Dabei ändern sich die Stoffmengen nk nicht; trotzdem muss µ i kleiner geworden sein, ist also abhängig von der Zusammensetzung des Systems, hier auszudrücken durch die Partialdrücke. Die Abhängigkeit des chemischen Potentials eines Gases (vom Druck allgemein oder) vom Partialdruck ist von (für T konstant) der Form µp p2 p2 p2 1 ∫ dµ = ∫ V d p = RT ∫ p d p = RT ∫ d ln p µ p1 p1 p1 p1 2 (5-23), wobei V = v/n nach dem idealen Gasgesetz substituiert wurde. Es gilt also ∆µ = RT ln (p1/p2) oder mit 2-4: ∆µ = RT ln xi, womit sich 5-17 ergibt. Diese Betrachtung erläutert allgemein das Auftreten von RT ln ... - Gliedern in thermodynamischen Gleichungen, die insbesondere zur Beschreibung von Konzentrationsabhängigkeiten dienen. Kapitel 6: Elektrochemie Diese behandelt (physikalische) Chemie unter Beteiligung von Ionen und Phasengrenzen. Sie teilt sich in drei große Gebiete: Elektrische Leitfähigkeit von Elektrolyt-Lösungen, Elektrodenspannungen und Kinetik der Elektrodenprozesse 6.1 Grundlagen OHMsches Gesetz U / I = R; OHMscher Widerstand R=ρl/F Leitfähigkeit κ=1/ρ (F: Elektrodenfläche, l: Elektrodenabstand ρ: spezifischer Widerstand) Messtechnisch wird i.a. mit Elektroden gearbeitet, die in Lösungen eintauchen. Dabei treten bereits Grenzflächeneffekte auf, die Messungen beeinflussen: Dipole richten sich aus, Ladungen (Elektronen oder Ionen) treten aus der festen Phase aus oder in diese ein. Diese ersten Ladungsübertritte bedingen entsprechende Ladungen der Elektroden bzw. der Lösung, die dem weiteren Durchtritt von Ladungen elektrostatisch entgegenwirken. Dadurch bilden sich