da vinci, die griechen und das zittern der märkte - Stat-Up

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derivate hedgefonds
DA VINCI, DIE GRIECHEN
UND DAS ZITTERN DER MÄRKTE
Fünfhundert und ein Jahr sind verstrichen, und bis heute sind sich die Experten nicht einig, ob sie lächelt oder nicht: Die Mona Lisa,
vermutlich um 1505 nach mehrjähriger Arbeit von Leonardo da Vinci abgeschlossen, aber nicht vollendet, war und ist ein Phänomen.
Volatilitäten hingegen „lächeln“, und ihr typischer Smile bereitet
Volatilität misst aus technischer Sicht den Grad, in dem die Re-
Portfolio-Managern des 21. Jahrhunderts kaum weniger Kopfzer-
turns eines Assets um einen Mittelwert fluktuieren. Berechnet
brechen. Dabei ist die Betrachtung von Volatilität als Assetklasse
wird die sogenannte historische Volatilität (d.h. die aktuell beob-
keineswegs eine neue Idee, aber sie fand bislang weitestgehend
achtete Volatilität) in der Regel1 als Standardabweichung der lo-
hinter verschlossenen Türen von Bank und Börse statt, und es
garithmierten Tagesrenditen über einen vorgegebenen Zeitraum.
gibt nur eine sehr begrenzte Anzahl von Fonds, die sich an den
Zum statistischen Konzept, das Quadrat der Volatilität – die Vari-
„holprigen Ritt auf der Unsicherheit“ (Hedge Funds Review, Juli
anz – als Inverse der (Fisher-)Information einer Stichprobe zu in-
2006) heranwagen.
terpretieren, passt die Beobachtung, dass die Volatilität zunimmt,
wenn die Ungewissheit steigt. Beispielsweise führt zunehmende
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Verunsicherung über die zukünftigen Cash Flows eines Assets zu
Straddle („grätschen“) und Strangle („erdrosseln“), Butterfly und
häufigeren und stärkeren Preisbewegungen. Damit fungiert Volati-
Condor konstruieren, die den Trader aus Marktturbulenzen Gewinn
lität als ein Indikator für die Angst der Investoren.
schlagen lassen. Je nach Struktur der Position profitiert er dabei von Veränderungen in nur eine, vorab angenommene Richtung
Auf der anderen Seite vergleicht Bernard Kalfon, Manager des
(Butterfly und Condor) oder von Marktdurchbrüchen sowohl nach
SGAM AI Global Volatility Fund, den Volatility Market mit einem
oben als auch nach unten (Straddle und Strangle). Gemeinsam ist
Versicherungsmarkt. Danach könne man implizite Volatilitäten
allen Strategien jedoch, dass die Richtung des zu Grunde liegen-
als Versicherungsprämie auffassen, die sich aus der historischen
den Marktes („Underlying“) keine Rolle spielt, da die Positionen zu
Volatilität, einem Risikoaufschlag und einem „Fear Factor“ zusam-
Beginn delta-neutral konstruiert und dann durch kontinuierliches
mensetze, erläuterte er auf der „Volatility Trading 2006“ in Lon-
Re-Hedging („Gamma-Trading“) gegenüber Kursänderungen der
don. Definiert ist die implizite Volatilität aber nicht als eine solche
Basiswerte abgesichert werden.
Prognoseschranke aus dem Rückspiegel, sondern als diejenige Volatilität, die gemäß dem weithin bekannten Black-Scholes-Modell2
Da Vinci Invest Ltd.
zum aktuellen Marktpreis der Option führen würde. Implizite Vola-
Nomen est Omen – Da Vinci Invest Ltd., eine UK-Firma mit Sitz
tilität ist also der Blick nach vorne und steht stellvertretend für die
in Zug, wagt neue Wege. Gründer und Managing Director Hen-
Unsicherheit der Investoren über zukünftige Preisentwicklungen.
drik Klein konzentriert sich auf Volatility Arbitrage Strategien und
setzt diese mit modernsten Computersystemen um. Proprietäre
Der Blick auf Volatilitäts-Strategien verändert sich erst in jüngerer
statistische Systeme und automatisierte Handelsroboter spüren
Zeit – weg von einem Produkt mit Versicherungscharakter zu einer
global Arbitrage-Möglichkeiten in Marktnischen auf, wobei 70 Pro-
Möglichkeit, in Zeiten schwacher Märkte systematisch Outperfor-
zent der Strategien auf Spread Trading basieren. Klein vertraut
mance zu generieren. Erstaunlich umso mehr, als sowohl histori-
auf die kontinuierliche Risiko-Adjustierung durch die Trading-Robo-
sche als auch implizite Volatilitäten nach einem extremen Hoch in
ter und auf die Leistung seines achtköpfigen Teams. Mit mehr als
den Jahren 1998 bis 2002 derzeit, zumindest in den meisten Ak-
85 Jahren kumulierter Erfahrung entwickelt Da Vinci laufend neue
tienmärkten und FX, auf einem sehr niedrigen Niveau stagnieren,
Trading-Strategien und verbessert die firmeneigenen statistischen
was einem Fonds-Manager viel Fingerspitzengefühl abverlangt.
Modelle.
Weitere Einstiegsbarrieren, wie das erforderliche Fachwissen hinsichtlich der Komplexität der Positionen, die Modellierungsproble-
Volatility Arbitrage Strategien setzen ebenso auf die Diskrepanz
matik angesichts eines Mangels an historischen Volatilitätsdaten
zwischen Wunsch und Wirklichkeit, aber sie nutzen die Schwächen
und vergleichsweise hohe Transaktionskosten veranlassen viele
theoretischer Optionspreismodelle aus, die nicht ganz zur Realität
Volatility Trader zu einer freiwilligen Selbstbeschränkung auf eine
passen wollen. Als Relative Value Ansätze zielen sie auf systema-
kleine Handvoll Strategien und/oder Märkte.
tische Gewinne aus der Fehlbewertung von Volatilitäten, die aus
vereinfachenden Annahmen der Modelle resultieren. Beispiels-
Recht intuitiv erscheint zunächst der Ansatz des Directional Vola-
weise unterstellt das Black-Scholes-Modell eine Normalverteilung
tility Trading, von den Differenzen zwischen impliziter und tatsäch-
der logarithmierten Renditen des Underlyings. Tatsächlich wird
lich realisierter Volatilität zu profitieren, ähnlich dem KfZ-Versi-
dadurch jedoch die Häufigkeit extremer Kursänderungen massiv
cherer, der die Risikoprämie des unfallfreien Fahrers einstreicht.
unterschätzt. Empirische Renditenverteilungen besitzen oft „fat
Aus Optionen lassen sich Instrumente mit so bildhaften Namen wie
tails“ und werden auch als „leptokurtisch“ bezeichnet. Optionen,
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die weit „in the money“ oder weit „out of the money“ liegen (d.h.
deren Ausübungspreis derzeit weit vom aktuellen Kurs des Basiswertes entfernt ist), besitzen deshalb höhere Volatilitäten als nach
dem Black-Scholes-Modell zu erwarten wäre. Zeichnet man die
implizite Volatilität von Optionen als Funktion ihres Strikes (Ausübungspreises), so ähnelt die Kurve einem Lächeln (Volatility Smile)
oder einem linksschiefen Grinsen. Letztere Form des so genannten
horizontalen Skews (Schiefe) zeigt sich seit dem Crash im Oktober
1987 typischerweise an Aktienmärkten und bildet die relativ höheren impliziten Volatilitäten von out-of-the-money Put-Optionen als
Ausdruck der Angst vor plötzlichen extremen Verlusten ab.
Ein ähnliches Phänomen, der vertikale Skew, tritt auf, wenn längs
besitzen über lange Phasen hinweg die wünschenswerte Eigen-
der Zeitachse die implizite Volatilität von Optionen gegen ihre
schaft der Mean Reversion und somit der Prognostizierbarkeit.
Restlaufzeit abgetragen wird. In der dreidimensionalen Darstel-
Diese Beobachtung ermögliche seinem kleinen und flexiblen Team
lung bildet sich eine zweifach gekrümmte Fläche, die Volatility Sur-
die Entwicklung proprietärer statistischer Modelle, deren Vorher-
face. Mit beiden Skews lassen sich Arbitrage-Gewinne abschöpfen.
sagekraft weit jenseits des Zufalls liege. Mehr verraten, als dass
Skew-Positionen sind long/short-Positionen von Optionen auf den-
jene auf einem dynamisch geschätzten Zeitreihenmodell basieren
selben Basiswert und mit derselben Fälligkeit, aber unterschiedli-
und simultan Markteffekte und externe Schocks herausfiltern, will
chen Strikes. Stimmen die Ausübungspreise überein, nicht jedoch
er jedoch nicht.
die Fälligkeiten, spricht man von Calendar-Positionen. Je nach
Markteinschätzung wird der Trader die Positionen auf Calls (Bull
Solche exogenen, singulären Ereignisse, die die Volatilität kurzfris-
Spread) oder Puts (Bear Spread) aufbauen. Auch die Kombination
tig erschüttern können, seien die einzige bislang ungelöste – und
beider Ansätze zu einem „Back Spread“, der delta-neutral als Long-
vielleicht mit rein technischen Mitteln auch unlösbare – Heraus-
Position in einer Option mit langer Restlaufzeit und hohem Strike
forderung. Mit ein Grund, warum Mühlberger ökonometrische
und einer Short-Position in einer Option mit kurzer Restlaufzeit und
Verfahren nur entscheidungsunterstützend anwendet und sich
niedrigem Strike konstruiert wird, ist denkbar.
im entscheidenden Moment doch auf seine nunmehr zehnjährige
Erfahrung im Portfolio-Management verlässt. Bislang scheint die
Mühlberger
Strategie aufzugehen: „Unsere aktuelle und realistische Benchmark
Thomas Mühlberger, Fondsmanager aus München, profitiert hin-
ist der Euribor + 300 Basispunkte bei einem Vola-Target von rund
gegen von den Preisunterschieden des Risikos auf verschiedenen
3 % p.a.; gleichzeitig korreliert unser Ansatz weder zu traditio-
Märkten. Analog zu klassischen Long-/Short-Strategien auf Akti-
nellen Assetklassen, noch zu anderen Hedgefonds-Strategien wie
enmärkten setzt er auf den Volatilitätsspread zwischen zwei As-
Equity Long/Short, Managed Futures oder Convertible Arbitrage.
sets, mit dem Unterschied, dass die Performance nicht anhand
Meine Ideen sind für Deutschland, anders als in angelsächsischen
des Kurses, sondern vielmehr auf Basis der Volatilitäten im Sinne
Ländern, vielleicht etwas gewagt, doch ich halte es da mit Walt
von Risikoprämien gemessen wird. Volatilitätsspreads verhalten
Disney – wenn du es dir vorstellen kannst, kannst du es auch ma-
sich nach seiner Beobachtung weitestgehend marktneutral und
chen.“
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Gefragt, wo denn die Reise hingehe, liebäugelt Mühlberger mit dem
führt, die die Überlegenheit eines aktiv gemanagten Hedgefonds
Dispersion Trading. Letztlich handelt es sich dabei um eine Wette
mit einer Volatility Trading Strategie gegenüber passiven Invest-
auf die unterschiedliche Entwicklung eines Index und seiner einzel-
ments in Optionen auf den VIX oder Variance Swaps auf den S&P
nen Komponenten. Dabei kommt zusätzlich die Korrelation der Ein-
500 vor Augen führt. James Skegg, Head of Statistical Reporting
zeltitel ins Spiel. Da sich die Volatilität eines Index üblicherweise in
des Fimat AIS Teams, erklärt dies aus der Fähigkeit der Fondsma-
engeren Grenzen bewegt als die seiner Komponenten, konstruiert
nager, zusätzlich von Intra-Day-Volatilitäten zu profitieren, die bei
sich die übliche Vorgehensweise aus Long-Positionen auf die Vo-
der üblichen Berechnung der Volatilität als Standardabweichung
latilität der Einzeltitel und Short-Positionen auf den Index. Je un-
unter den Tisch fallen.
korrelierter die Komponenten sind und je stärker gegenläufig sie
sich verhalten, umso leichter lässt sich aus einem Dispersion Trade
Volatilität ist und bleibt vorerst eine geheimnisumwitterte, aber
profitieren. Klingt dies zwar einfach in der Theorie, so verlangt
vielleicht gerade deswegen so reizvolle Asset Klasse. Die Zunah-
nachhaltiger Erfolg jedoch großes Fachwissen und vereinte Kräfte,
me der Assets under Management bei den Volatilität handelnden
da weder Volatilitäten noch Korrelationen im Zeitverlauf konstant
Hedgefonds beweist jedenfalls eindrucksvoll das große Interesse
bleiben, insbesondere in Phasen starker Marktbewegungen.
von Investoren an solchen relativ neuen Strategien. Ähnlich wie der
„echte“ Leonardo stehen Manager wie Mühlberger und Klein vor
Jenseits der vorgestellten Relative Value Strategien auf Basis von
der Herausforderung, dass Techniken wenig erprobt und Volatili-
Optionen lässt sich Volatilität auch auf andere Arten handeln. Ex-
täten theoretisch zwar gut erforscht sind, die Umsetzung der oft
emplarisch seien hier Futures und Optionen auf Volatilitätsindizes
hoch komplexen Modelle in die Praxis aber derzeit eher eine Skizze
wie den VIX der CBOE, welcher die implizite Volatilität des S&P
als ein vollendetes Kunstwerk darstellt. Manchmal sind eben kleine
500 trackt, oder den VDAX der Deutschen Börse sowie die Vo-
Revolutionen gefordert, und wer sich die Sinne nicht von Da Vincis
latilitäts- und Variance-Swaps genannt. Diese Instrumente erlau-
Sfumato- oder Rauchschleier-Technik und Mona Lisas Silberblick
ben unmittelbares Trading mit der Volatilität eines Underlyings.
vernebeln lässt, sondern eher dessen Standpunkt zweier gleich-
Variance Swaps auf die großen Aktienindizes sind hoch liquide und
zeitiger Perspektiven folgt, der kommt vielleicht dem Lächeln der
eignen sich beispielsweise zur Diversikation eines Portfolios, zum
Volatilität auf die Spur.
Trading der Term Structure von Varianzen, für spezielle HedgingZwecke oder auch zur Umsetzung der genannten Strategien, etwa
im Correlation Trading.
Über die Autorin
Katharina Schüller, Diplom-Statistikerin, ist Lehrbeauftragte an der Fachhochschule Erding und
Entscheidend für den Investor ist bei allen Möglichkeiten jedoch,
Geschäftsführerin der STAT-UP Intelligent Busi-
wie sich der größte Profit aus einem Engagement in Volatilitäten
ness Solutions – ein auf quantitatives Research,
ziehen lässt. Im vergangenen Juni hat dazu Fimat eine Modellrech-
Modell- und Softwareentwicklung im Finanzbe-
nung für den low-volatility Zeitraum seit Januar 2003 durchge-
reich spezialisiertes Beratungsunternehmen.
1 Gelegentlich wird mit „Volatilität“ auch eine durchschnittliche Spannweite von Tageshöchst- zu Tagestiefstkurs bzw. aktuellem Höchst- oder Tiefst- zu letztem Schlusskurs
bezeichnet. Die Verfahren führen zu unterschiedlichen Ergebnissen; ihr Vergleich kann dazu dienen, das Ausmaß von Intraday-Volatilitäten zu bestimmen.
2 Das Modell von Black & Scholes ermöglicht die Berechnung eines Optionspreises, der in dem Sinne „fair“ ist, dass bei Erfüllung einiger Grundannahmen jeder andere
Marktpreis risikofreie Arbitrage-Geschäfte durch Investitionen in den Basiswert ermöglichen würde. Aus der Black-Scholes-Formel lassen sich durch die erste und zweite
Ableitung nach dem Kurs und die Ableitung nach der Restlaufzeit der Option die so genannten „Griechen“ Delta, Gamma und Theta bestimmen, die die Sensitivität des
Optionspreises gegenüber Veränderungen dieser Parameter messen.
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