Aus der HNO-Klinik des St.-Elisabeth-Hospitals Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum Chefarzt: Prof. Dr. med. Henning Hildmann Über den Wert frühkindlicher Hördiagnostik mit automatisierten Verfahren zur Mustererkennung in der Hirnstammaudiometrie Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Marit Vogler Rodrigues dos Santos aus Dortmund 2001 Dekan: Professor Muhr Referent: Prof. Dr. med. H. Hildmann Koreferent: PD Dr. med. R. G. Matschke Tag der Mündlichen Prüfung: 17.12.2002 Ruhr-Universität 3 Bochum Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.................................................................................................... 6 2 Die Physiologie des Hörens ....................................................................... 8 2.1 Das periphere Hörorgan und seine Funktionen ........................................... 8 2.1.1 Die Funktionen des Außenohres .................................................................. 8 2.1.2 Die Anatomie und Funktionsweise des Mittelohres .................................... 8 2.1.3 Die Strukturen des Innenohres und ihre Funktionen ................................. 10 2.1.3.1 Die Anatomie der Cochlea und das Phänomen der Wanderwelle ............. 10 2.1.3.2 Die Anatomie des Corti-Organes und der Transduktionsprozeß............... 13 2.2 Das zentrale auditive System ..................................................................... 15 3 Hörstörungen im Säuglingsalter............................................................. 18 3.1 Formen der Hörstörungen .......................................................................... 18 3.2 Prävalenz von frühkindlichen Hörstörungen ............................................. 21 3.3 Risikofaktoren einer frühkindlichen Hörstörung ....................................... 21 3.4 Folgen von unbehandelten Hörstörungen .................................................. 23 3.5 Aufdeckungsmöglichkeiten der Hörstörungen .......................................... 25 3.5.1 Objektive Verfahren der Hördiagnostik..................................................... 26 3.5.2 Subjektive Verfahren der Hördiagnostik ................................................... 28 3.5.3 Konventionelle Verfahren der Hördiagnostik............................................ 30 4 Die Hirnstammaudiometrie .................................................................... 31 4.1 Frühe akustisch evozierte Potentiale und ihre Ableitungen....................... 31 4.1.1 Der Entstehungsmechanismus von evozierten Potentialen........................ 31 4.1.2 Anwendungsmöglichkeiten der frühen akustisch evozierten Potentiale.................................................................................................... 31 4.2 Der Algo 1e Newborn Hearing Screener ................................................... 35 4.2.1 Die Entwicklungsphase des Algo 1e Hörprüfgerätes ................................ 35 4.2.2 Beschreibung der Systembestandteile des Algo 1e ................................... 38 4.2.3 Technik der Signalverarbeitung ................................................................. 40 Ruhr-Universität 4 Bochum 5 Beschreibung des Patientengutes............................................................ 43 5.1 Auswahlkriterien der zu untersuchenden Kinder....................................... 43 5.2 Daten der untersuchten Kinder, der Schwangerschaftsverläufe und der Geburten............................................................................................... 43 5.3 Otopathogene Risikofaktoren und spezielle familiäre Belastungen .......... 48 6 Descriptive Darstellung einer Hörscreeninguntersuchung.................. 50 6.1 Aufklärung der Eltern des zu untersuchenden Kindes............................... 50 6.2 Praktische Durchführung der Untersuchung.............................................. 51 6.3 Die Abhängigkeit von Umgebungsfaktoren bei einem Hörscreening mit dem Algo 1e......................................................................................... 53 7 Ergebnisse ................................................................................................. 56 7.1 Ergebnisse der Hirnstammaudiometrie mit dem Algo 1e .......................... 56 7.2 Vergleich mit den Resultaten der Messung von otoakustischen Emissionen ................................................................................................. 65 7.3 Ergebnisse der klinischen Untersuchung ................................................... 70 8 Diskussion ................................................................................................. 72 9 Zusammenfassung.................................................................................... 81 Literaturverzeichnis................................................................................................. 83 Anhang . .................................................................................................................... 91 Danksagung .............................................................................................................. 94 Lebenslauf mit persönlichem und beruflichem Werdegang ................................ 95 Ruhr-Universität 5 Bochum Abbildungsverzeichnis Abbildung 01: Schematische Darstellung von innerem und mittlerem Ohr (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995).................................................... 10 Abbildung 02: Schematische Querschnitte durch das Innenohr (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995) .............................................................................. 12 Abbildung 03: Schematische Darstellung des Transduktionsvorganges (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995).................................................... 15 Abbildung 04: Verlauf der Hörbahn; Kennzeichnung der Orte der Potentialgenerierung durch römische Ziffern (Maurer, K., 1982) ..................... 33 Abbildung 05: Verlauf der Hörbahn; Kennzeichnung der Orte der Potentialgenerierung durch römische Ziffern (Maurer, K., 1982) ..................... 38 Diagramm 01: Geburtsgewichtsverteilung ............................................................... 44 Diagramm 02: Geschlechtsverteilung unter den Zwillingen .................................... 45 Diagramm 03: Geburtsmodus................................................................................... 47 Diagramm 04: Alter der Kinder zum Zeitpunkt der Untersuchung.......................... 48 Diagramm 05: Häufigkeit der pathologischen Befunde ........................................... 56 Diagramm 06: Anzahl der sweep counts bei einem „pass“-Ergebnis ...................... 57 Diagramm 07: Verteilung der LR bei einem sweep count von 1000 ....................... 58 Diagramm 08: Verteilung der LR bei einem sweep count von 1500 ....................... 59 Diagramm 09: Verteilung der LR bei einem sweep count von 2000 ....................... 59 Diagramm 10: Aufteilung der Vorlaufzeit ............................................................... 62 Diagramm 11: Aufteilung der Vorbereitungszeit ..................................................... 62 Diagramm 12: Aufteilung der Ableitzeit .................................................................. 63 Diagramm 13: Verhalten der Säuglinge während der Untersuchung....................... 64 Diagramm 14: Vergleich der „pass“- und „fail“-Ergebnisse nach der ersten Messung............................................................................................ 66 Diagramm 15: Vergleich der „pass“- und „fail“-Ergebnisse nach Kontrolluntersuchung......................................................................................... 67 Diagramm 16: Verteilung der Stimulusqualitäten unter Berücksichtigung der Kontrollmessungen........................................................................... 68 Diagramm 17: Aufteilung der Messzeit ................................................................... 69 Diagramm 18: Zeitenvergleich ................................................................................. 70 Diagramm 19: Befundung der Gehörgänge.............................................................. 71 Tabelle 01: Schwangerschaftsrisiken .................................................................. 46 Tabelle 02: Cost Analysis of Proposed Universal Newborn Hearing Screening in Colorado ...................................................................... 77 Ruhr-Universität Einleitung 6 Bochum 1 Einleitung Der Wert frühkindlicher Hördiagnostik liegt im Besonderen in einer rechtzeitigen Diagnose von angeborenen oder erworbenen Hörstörungen. Nur so ist eine frühzeitige und effektive Behandlung und somit eine Vermeidung oder Minimierung von gravierenden Spätschäden möglich. Die rechtzeitige Diagnosestellung einer vorliegenden Hörstörung im Säuglingsalter wird z.B. durch ein routinemäßiges Screening von Neugeborenen gewährleistet. Ein solches Screening dient als Aussonderungsverfahren, um aus einer großen Bevölkerungsgruppe diejenigen Individuen herauszufinden, bei denen ein Hörschaden vorliegt (Griefahn, B., 1988). Eine qualitative, nicht aber quantitative Aussage über das Hörvermögen zum Zeitpunkt der Untersuchung ist das angestrebte Ziel. In der Bundesrepublik Deutschland hat sich ein solches Hörscreening noch nicht einheitlich durchgesetzt. Bisher existiert nur eine grob orientierende audiologische Untersuchung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U3, bestehend aus der Beobachtung des Blinzelreflexes auf Händeklatschen im Alter von 4-6 Wochen. Ein regelrechter Hörtest ist erst im 6. Lebensjahr bei der U9 vorgesehen. Die Gründe hierfür finden sich in den Eigenschaften der bislang eingesetzten, nicht automatisierten Meßverfahren. Diese Verfahren werden in der Hördiagnostik seit langem angewandt, sie sind aber für Screeninguntersuchungen oft zu zeit- und kostenintensiv. Außerdem wird für die Auswertung der Meßdaten entsprechend qualifiziertes Personal benötig. Dies ist ein weiterer Faktor, der gegen den Einsatz bei einem Hörscreening spricht. Neuerdings stehen aber automatisierte Verfahren zur Disposition, deren Möglichkeiten im Hinblick auf Screeninguntersuchungen noch diskutiert werden. Im Rahmen dieser Dissertation soll untersucht werden, in wie weit sich die automatisierte Hirnstammaudiometrie für den Einsatz bei einem Hörscreening eignet. Als wichtige Kriterien stehen hierbei der personelle, materielle und besonders auch der zeitliche Aufwand, die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sowie die Anforderungen an den Untersucher und den Untersuchungsraum im Vordergrund. Das Prinzip des getesteten Algo 1e Hörprüfgerätes der Firma Natus Medical Inc., 1501 Industrial Road, San Carlos, California, 94070 USA, beruht entsprechend der bekannten Hirnstammaudiometrie auf der Ableitung von frühen akustischen Potentialen. Diese stellen die auditive Hirnstammreaktion dar und werden als der genaueste Ruhr-Universität Einleitung 7 Bochum Maßstab der Hörempfindlichkeit bei Neugeborenen bewertet (Jacobson, J. et al., 1990). Die Besonderheit des Algo 1e Hörprüfgerätes liegt in der automatisierten Auswertung der Meßdaten durch eine neuartige Technologie der Signalverarbeitung. Mit dieser Methode wurden in Datteln 530 Neugeborene des Perinatalzentrums der St.-Vincenz-Klinik mit der freundlichen Unterstützung von Chefarzt Dr. med. J. Giffei untersucht. Die hierzu notwendige Apparatur wurde freundlicherweise von der Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie der Vestischen Kinderklinik Datteln unter der damaligen Leitung von Chefärztin Dr. med. A. Hildmann zur Verfügung gestellt. Bei den untersuchten Kindern handelte es sich größtenteils um reife gesunde Neugeborene ohne offensichtliche Risikofaktoren einer angeborenen Hörstörung. Die Außwertung dieser Meßreihe soll eine Einschätzung der automatisierten Hirnstammaudiometrie und des Algo 1e Hörprüfgerätes als Untersuchungsverfahren bei Hörscreeninguntersuchungen von Neugeborenen ermöglichen. Ruhr-Universität Die Physiologie des Hörens 8 Bochum 2 Die Physiologie des Hörens 2.1 Das periphere Hörorgan und seine Funktionen Das Außen-, Mittel- und Innenohr zählen zum peripheren Hörapparat. 2.1.1 Die Funktionen des Außenohres Die Ohrmuschel dient primär zum Auffangen des Schalles. Zu diesem Zweck gleicht ihre Form der eines Trichters, gefestigt durch den muschelförmigen, elastischen Knorpel. Charakteristisch für jeden Menschen ist die Gestalt der einzelnen Teile wie Helix, Anthelix, Concha auricular, Tragus und Antitragus. Darüber hinaus besitzt die Ohrmuschel eine Richtcharakteristik, die zur Lokalisierung der Schallquelle beiträgt. Dies geschieht durch eine Verzerrung des empfangenen Schallsignales. Abhängig vom Ort der Schallquelle werden bestimmte Frequenzkomponenten verstärkt oder abgeschwächt (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995). Der so modifizierte Schall wird durch den äußeren Gehörgang praktisch dämpfungsfrei bis zum Trommelfell geleitet. Die Resonanzfrequenz des circa drei cm langen Gehörganges liegt bei 3 kHz, entsprechend findet sich das Maximum der Übertragungsfunktion im Frequenzbereich von 1-4 kHz (Biesalski, P.,Frank, F., 1994). Zum Mittelohr wird der Gehörgang durch das schräg eingelassene Trommelfell abgegrenzt. Die trichterförmig eingezogene Membrana tympani teilt sich in die rötliche Pars flaccida und die graue Pars tensa auf. Zwischen beiden Anteilen liegt die Plica mallearis. Weiterhin ist die Stria mallearis, hervorgerufen durch den Hammergriff, zu erkennen. 2.1.2 Die Anatomie und Funktionsweise des Mittelohres Das Mittelohr beginnt mit dem Trommelfell und besteht aus der Paukenhöhle und der Gehörknöchelchenkette mit Malleus, Incus und Stapes. Zum Innenohr hin wird es durch das ovale Fenster begrenzt. Die Paukenhöhle ist durch die Tuba eustachii mit dem Pharynx verbunden. Hierdurch ist gewährleistet, daß in der Paukenhöhle der gleiche Luftdruck herrscht wie in der Atmosphäre. Ruhr-Universität Die Physiologie des Hörens 9 Bochum Die Gehörknöchelchenkette stellt die mechanische Verbindung zwischen Trommelfell und ovalem Fenster dar. Der Hammer, der mit seinem Handgriff am Trommelfell angewachsen ist, steht über den Amboß in Kontakt zum Steigbügel. Dessen Fußplatte wiederum ist in das ovale Fenster eingepaßt. So werden die Schwingungen des Trommelfelles, ausgelöst durch die Schallwellen, analog auf das ovale Fenster übertragen. Die wichtigste Aufgabe des Mittelohres ist die Impedanzanpassung, denn es überträgt den Schall aus dem Medium Luft auf das Medium Flüssigkeit des Innenohres. Da diese beiden Medien verschiedene Schallkennimpedanzen besitzen, entstehen bei der Übertragung des Schalles Reflexionsverluste. Das Ziel des TrommelfellGehörknöchelchen-Apparates ist es, diese zu minimieren. Die Impedanzanpassung wird durch eine Druckerhöhung über zwei verschiedene Mechanismen erreicht. Zum einen ist die Stapedesfußplatte erheblich kleiner als die Kontaktfläche von Hammer und Trommelfell. Das ovale Fenster weist drei qmm auf im Vergleich zu der 50 qmm großen Fläche des Trommelfelles. So entsteht bei gleicher Kraft der Schallwelle ein höherer Druck. Zum anderen wird durch die Hebelwirkung der unterschiedlich langen Gehörknöchelchen eine Druckerhöhung um den Faktor 1,3 erreicht. So erfolgt die Schallübertragung im Mittelohr mit nur minimalen Reflexionsverlusten. Allerdings ist die Schallübertragung frequenzabhängig, da physikalische Größen wie Masse, Elastizität und Schwingungseigenschaften des Trommelfelles beteiligt sind (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995). Zusätzlich kann die Schallübertragung durch die zwei Mittelohrmuskeln reguliert werden. Der Musculus tensor tympani setzt am Hammer an, der Musculus stapedius am Stapes. Zum Schutze des Innenohres kontrahieren beide reflektorisch bei sehr hohen Schallintensitäten. Hierdurch verändert sich der Spannungszustand im System der Gehörknöchelchen, was eine Verschlechterung der Impedanzanpassung und damit der Schallübertragung zur Folge hat. Ruhr-Universität Die Physiologie des Hörens 10 Bochum Abbildung 1: Schematische Darstellung vom mittleren und inneren Ohr (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995). 2.1.3 Die Strukturen des Innenohres und ihre Funktionen Zum Innenohr werden die Cochlea und das Vestibularorgan gerechnet, die beide im Felsenbein liegen. Die Aufgabe des Gleichgewichtsorganes besteht in der Messung und Meldung von Translationsbewegungen oder Winkelbeschleunigungen. Die für die Wahrnehmung des Schalles notwendige Umstrukturierung von mechanischer in elektrische Energie vollzieht sich jedoch im schneckenförmigen Gang der Cochlea. 2.1.3.1 Die Anatomie der Cochlea und das Phänomen der Wanderwelle In dem aufgerollten Gang der Cochlea befinden sich die drei Kanäle Scala tympani, Scala media und Scala vestibuli. Scala tympani und Scala vestibuli sind am Helicotrema miteinander verbunden. Sie enthalten beide die der extracellulären Flüssigkeit gleichende Perilymphe. Als Entstehungsmechanismus der Perilymphe wird die Ultrafiltration aus dem Blut angesehen. Der perilymphatische Raum wird sowohl durch das ovale Fenster als auch durch das runde Fenster am Ende der Scala tympani Ruhr-Universität Die Physiologie des Hörens 11 Bochum zur Paukenhöhle hin begrenzt. Die Scala media ist mit Endolymphe gefüllt, deren Zusammensetzung der des Intracellularraumes ähnelt. Die Endolymphe wird von der die Scala media lateral begrenzenden Stria vascularis produziert. Zwischen der Scala vestibuli und der Scala media liegt die Reissnermembran, während Scala media und Scala tympani durch die Basilarmembran getrennt werden. Auf der Basilarmembran befindet sich das Corti-Organ, das von der Tektorialmembran bedeckt wird. Ruhr-Universität Die Physiologie des Hörens 12 Bochum Abbildung 2: Schematische Querschnitte durch das Innenohr (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995). Ruhr-Universität Die Physiologie des Hörens 13 Bochum Die genannten Strukturen dienen der Weiterleitung des Schallsignales vom Mittelohr bis zum Corti-Organ. Die vom Stapes am ovalen Fenster übertragene Schallenergie löst schallsynchrone Flüssigkeitsverschiebungen im perilymphatischen Raum aus. Die inkompresssible Perilymphe leitet diese weiter und überträgt sie auf die Basilarmembran. So entsteht entlang der Membran eine Wellenbewegung, die im Jahre 1928 von G. von Bekesy entdeckt und als Wanderwelle bezeichnet wurde. Eine Besonderheit der Basilarmembran ist die abhängig von der Lokalisation variierende Konsistenz. Ihre Steife nimmt im Verhältnis von 104 zu 1 vom Stapes zum Helicotrema ab. Hieraus resultieren kleinere Wellenlängen, geringere Ausbreitungsgeschwindigkeiten, aber wachsende Amplituden im Verlauf der Wanderwelle. Die maximale Amplitude entsteht für jede Frequenz an einem anderen Ort. Nach dem Überschreiten des Amplitudenmaximums verliert sich die Welle durch Reibungsverluste meist noch vor Erreichen des Helicotremas. Die Frequenz kodiert demnach den Ort der maximalen Amplitude, höhere Frequenzen liefern ein Maximum in Richtung des Stapes, niedrigere bilden das Amplitudenmaximum näher am Helicotremas aus. Auf diese Weise dient die Basilarmembran der Frequenz-Ort-Transformation im Sinne einer Spektralanalyse. Der nächste Schritt ist die Umwandlung des mechanischen in ein elektrisches Signal. 2.1.3.2 Die Anatomie des Corti-Organes und der Transduktionspro zeß Das Corti-Organ liegt als wulstförmige Verdickung auf der Basilarmembran und enthält die sekundären Rezeptoren des Hörorganes in Form von inneren und äußeren Haarzellen. Die circa 3500 inneren Haarzellen sind einreihig angeordnet, die 12000 äußeren bilden in der Basalwindung der Schnecke drei, in der mittleren Windung vier und in der oberen Windung fünf Reihen. Alle Haarzellen tragen an ihrer oberen Fläche eine dichte kutikulare Schicht, in der die Stereovilli befestigt sind. Diese stehen im Halbkreis, meist in drei abgestuften Reihen. Die Stereovilli sind untereinander durch dünne Proteinfäden, sogenannte tip-links, verbunden. Außerdem besteht zumindest bei den äußeren Haarzellen eine Befestigung der Zilien an der Tektorialmembran. Bei den inneren Haarzellen ist diese Frage noch umstritten. Die Sinneshärchen könnten auch frei in der Endolymphe liegen. Das normalerweise neben den Ruhr-Universität Die Physiologie des Hörens 14 Bochum Stereovilli existierende Kinozilium ist bei den Haarzellen des Corti-Organes rudimentär. An der Basis der Haarzellen bestehen synapsenartige Kontakte zu den zugehörigen Nervenfasern. Die afferente Versorgung entstammt aus den Bipolarzellen des Ganglion spirale. 90% der Afferenzen ziehen als myelinisierte Fasern zu den inneren Haarzellen. Dabei innerviert jede Faser nur genau eine innere Haarzelle. Lediglich die restlichen 10% der peripheren Fortsätze der Bipolarzellen innervieren die zahlenmäßig stark überlegenen äußeren Haarzellen. So kommt es vor, daß bis zu 20 äußere Haarzellen von nur einer Faser versorgt werden (Spoendlin, H., 1972). Über den Nervus cochlearis erreichen auch efferente Fasern die Haarzellen. Interessanterweise werden die inneren Haarzellen hauptsächlich von dünnen, nicht myelinisierten Fasern versorgt, die Innervation der äußeren Haarzellen erfolgt jedoch durch dickere myelinisierte Fasern. Oft ziehen mehrere efferente Fasern zu einer einzelnen äußeren Haarzelle. Somit liegt die hauptsächliche Bedeutung der Efferenzen in der Steuerung der äußeren Haarzellen. Es wird eine Erhöhung der Sensitivität vermutet, z.B. zur besseren Hörbarkeit von Signalen in verrauschter Umgebung (Silbernagel, S., Despopoulos, A., 1991; Kim, D. O., 1986). Das von den Haarzellen zu verarbeitende Signal besteht in der Auslenkung der Basilarmembran um 10-10 m an der Stelle des Amplitudenmaximums. Die Umwandlung erfolgt durch eine Abbiegung der Stereovilli. Bei den angehefteten Zilien der äußeren Haarzellen geschieht dies durch eine Relativbewegung zwischen Tektorialmembran und Basilarmembran. Die freien Zilien der inneren Haarzellen werden durch die Strömung der Endolymphe bewegt. Das Abbiegen der Stereovilli und das Dehnen der tip-links stellt den adäquaten Reiz zur Öffnung der Ionenkanäle an der Spitze der Zilien dar. Aufgrund des vorhandenen Potentialgefälles zwischen Endolymphe und Intracellularraum der äußeren Haarzelle beginnt nun ein Kaliumeinstrom in die Zelle. Die hieraus resultierende Depolarisierung induziert eine oszilierende Längenänderung der äußeren Haarzelle. Diese Fähigkeit zur aktiven Bewegung ist in zahlreichen Studien an isolierten vitalen Haarzellen erwiesen worden (Ashmor, J. F., 1987; Zenner, H. P., 1988). Sie erfolgt nach mechanischer, elektrischer aber auch biochemischer Stimulation. Durch diese Kontraktion entsteht eine zusätzliche Schwingungsenergie, die die Auslenkung der inneren Haarzellen verstärkt. Es fließt jetzt auch ein Transduktionsstrom in die innere Haarzelle, der die Transmitterfreisetzung an den afferenten Synapsen, wahrscheinlich Glutamat, zur Folge hat. Über die Ruhr-Universität Die Physiologie des Hörens 15 Bochum Afferenzen des Nervus cochlearis werden die Signale zum zentralen Hörorgan weitergeleitet. Abbildung 3: Schematische Darstellung des Transduktionsvorganges (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995). 2.2 Das zentrale auditive System Die zentrale Hörbahn beginnt mit dem Ganglion spirale cochleae im Felsenbein. Die hier liegenden Bipolarzellen stellen das erste Neuron dar und erhalten über ihre Dendriten die Informationen aus dem peripheren Hörorgan. Die Axone der Bipolarzellen schließen sich zur Pars cochlearis des 8. Hirnnerven zusammen und ziehen zum Rautenhirn. Die Nervenfasern teilen sich auf und enden am Nucleus cochlearis ventralis, beziehungsweise am Nucleus cochlearis dorsalis. In den Nuclei cochlearis befindet sich das 2. Neuron. Die vom Nucleus ventralis abgehenden Axone stellen die ventrale Hörbahn dar. Sie ziehen um den oberen Teil des Nucleus olivaris herum und bilden den Trapezkörper, an dem ein geringer Teil der Axone endet. Der übrige Anteil wird im Trapezkörper auf das 3. Neuron umgeschaltet und zieht daraufhin zur Gegenseite, wo er sich dem Lemniscus lateralis anschließt. Ruhr-Universität Die Physiologie des Hörens 16 Bochum Die dorsale Hörbahn, bestehend aus einem dorsalen und einem intermediären Anteil, wird von Axonen gebildet, die den Neuronen des Nucleus cochlearis dorsalis entstammen. Die Axone kreuzen als Striae acusticae dorsalis im Bereich der Raphe zur Gegenseite. Sie ziehen im Bereich des Lemniscus lateralis zum Colliculus inferior und von dort zum Corpus geniculatum mediale. Durch die Umschaltung auf das 4. Neuron in den medialen Kniehöckern entstehen Kollateralen für Reflexe auf akustische Reize. Die Axone der 4. Neurone vereinigen sich zur Radiatio acustica. Über die Capsula interna erreicht die Hörstrahlung das primäre akustische Rindenfeld, Area 41. Die Heschelschen Querwindungen in den Gyri temporale transversi sind das morphologische Korrelat dieser Area. Die Areale 42 und 22 sind sekundäre Hörfelder, das sogenannte Wernickesche Sprachzentrum für das Verständnis der Sprache eingeschlossen. Als Hörrinde ist also ein Bezirk anzusehen, der wesentlich größer ist als die Heschelschen Querwindungen. Beim Ausfall des Ganglion spirale oder der Nuclei cochlearis kommt es auf der betroffenen Seite zur vollständigen Taubheit. Fallen jedoch höher liegende Kerne der Hörbahn aus, resultiert hieraus keine vollständige Taubheit, da die Hörbahn von den Nuclei cochlearis an aufwärts einen doppelseitigen Verlauf nimmt. Die Aufgabe des zentralen auditiven Systems liegt in der Analyse der eingehenden Informationen. Dies geschieht z.B. mit Hilfe der Spektralanalyse, da über die gesamte Hörbahn und auch in der Hörrinde die geordnete Abbildung der Frequenzen erhalten bleibt. Durch diese tonotope Organisation kann das zentrale auditive System vom Ort der Erregung in der Hörrinde auf die Schallfrequenz des auslösenden akustischen Signales rückschließen. Außerdem führt die Hörrinde eine Periodizitätsanalyse durch. Die Haarzellen des Corti-Organes lösen Aktionspotentiale nur bei der Aufwärtsbewegung der Basilarmembran aus. Man spricht von phasengekoppelter Entladung. Die Sequenz der Aktionspotentiale spiegelt also die Zeitstruktur des Schallreizes wider. Das zentrale auditive System kann von der Zeitstruktur auf die zugehörigen Schallfrequenzen zurückrechnen. Diese Analysen dienen dem Cortex zur Mustererkennung, wobei bestimmte Merkmale des Schallsignales, wie Frequenzübergänge, Intensitätsmuster oder Zeitstrukturen, auch schon im Verlauf der Hörbahn herausgearbeitet werden. Eine weitere Leistung des auditiven Systemes ist die Differenzierung von interauralen Zeit- und Intensitätsunterschieden. So ist bei binauralem Hören eine genauere Ruhr-Universität Die Physiologie des Hörens 17 Bochum Lokalisierung der Schallquelle möglich. Der Cortex kann Laufzeitdifferenzen von bis zu 3⋅10-5 s beurteilen, diese Zeit entspricht einer Abweichung von etwa 3° von der Mittellinie. Auch geringste Intensitätsunterschiede von nur einem dB können von der Hörrinde ausgewertet werden. Die auf diese Weise sehr exakte Lokalisierung der Schallquelle dient der Bildung eines Raumeindruckes. Bei der Erstellung dieses Raumeindruckes spielt neben dem Cortex der Colliculus superior eine wichtige Rolle, da hier eine Karte des Hörraumes aufgebaut wird (Schmidt, R.F., Thews, G., 1995). Die interauralen Zeit- und Intensitätsdifferenzen werden außerdem beim Selektionsprozeß genutzt. Hintergrundlärm kann so unterdrückt und ein biologisch interessantes Signal, wie z.B. die Sprache, hervorgehoben werden. Die Hörbarkeit eines Signales verbessert sich um bis zu 15 dB durch den Selektionsprozeß. Neben der Hörrinde ist hieran vor allem der Colliculus inferior beteiligt. Bei einer monauralen Schwerhörigkeit leiden also sowohl die akustische Raumorientierung als auch die Fähigkeit, akustische Signale herauszufiltern. Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 18 Bochum 3 Hörstörungen im Säuglingsalter 3.1 Formen der Hörstörungen In der pädaudiologischen Klinik werden Hörstörungen unterschiedlich eingeteilt: nach Lokalisation, Ätiologie oder Schweregrad. Im folgenden sollen die Hörstörungen in Anlehnung an J. Wendler et. al. nach ihrer Lokalisation in Schalleitungs-, Innenohr- und retrocochleäre Schwerhörigkeiten unterteilt werden. Diese drei großen Gruppen werden dann entsprechend ihrer Ätologie weiter differenziert (Wendler, J., Seidner, W., Kittel, G., Eysholdt, U., 1996). 1. Schalleitungsschwerhörigkeit Eine Schalleitungsschwerhörigkeit liegt im Bereich des Außen- und/oder Innenohres und beruht auf einer Störung der Schallübertragung aus dem Medium Luft auf das Innenohr. Oftmals läßt sich die genaue Genese der Schalleitungsschwerhörigkeit durch eine äußere Untersuchung und mikroskopische Inspektion des Gehörganges und des Trommelfelles klären: • Eine Verlegung durch Fremdkörper führt nur bei völligem Verschluß des Gehörganges zu einer Schalleitungschwerhörigkeit. Gerade bei Kleinkindern muß neben dem einfachen Cerumenpfropf auch an einen exogenen Fremdkörper gedacht werden. • Mißbildungen im Außen- oder Mittelohr können angeboren oder erworben sein. Die erworbenen Deformationen sind auf eine traumatische, entzündliche oder operative Ursache zurückzuführen und sehr selten. Die angeborenen Mißbildungen sind genetisch bedingt oder durch eine exogene Schädigung des Embryos entstanden. Es werden mono- beziehungsweise polysymptomatische Deformationen unterschieden: Die monosymptomatischen Mißbildungen weisen in der Regel Auffälligkeiten nur im Bereich der Ossikel auf. Bei einer bestehenden Gehörgangsatresie müssen vor der Diagnosestellung assoziierte Fehlbildungen ausgeschlossen werden. Polysymptomatische Mißbildungen kommen manchmal bei Zwillingen vor. Neben der einseitigen Gehörgangsatresie treten oftmals Mißbildungen des ipsilateralen Unterkieferastes und Kiefergelenkes auf. Die zwei häufigsten Sym- Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 19 Bochum ptomkomplexe sind das Franceschetti-Syndrom (Dysostosis mandibulofacialis) und das Goldenhar-Syndrom (Dysplasia oculoauricularis sive oculoauricoluvertebralis). Beide weisen neben der Schalleitungschwerhörigkeit auch Anomalien des Gesichtsschädels auf. • Die Tubenbelüftungsstörungen resultieren meist aus einer eingeschränkten oder ganz aufgehobenen Öffnung der Tuba auditiva Eustachii. Die häufigste Ursache ist ein Infekt der oberen Luftwege. Besonders bei Klein- und Vorschulkindern kann auch eine mechanische Verlegung durch hyperplastische Adenoide vorliegen. Selten beruht die Belüftungsstörung auf angeborenen Form- oder Verlaufsvarianten. Nach Entzündungen können Stenosen persistieren. Häufiger sind Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte oder mit einer Trisomie 21 betroffen. Die Tubenbelüftungsstörung führt von einem Unterdruck im Mittelohr über einen serösen Paukenerguß bis hin zum Mukotympanon. • Die für eine Schalleitungsschwerhörigkeit verantwortlichen Entzündungen werden folgendermaßen unterteilt: Eine Otitis externa führt nur bei völlig zugeschwollenem oder ganz mit Sekret verlegtem Gehörgang zu einer Schwerhörigkeit. Die akute Otitis media tritt im Kleinkindalter sehr häufig auf. Die Infektion behindert die Schalleitung durch die Schwellung und die gesteigerte Sekretion eines eitrigen Exudates. Chronische Otitiden des Mittelohres entstehen häufig auf der Basis einer chronischen Tubenbelüftungsstörung. Typischer Hinweis ist die zentrale Perforation des Trommelfelles. Als Komplikation ist das bei Kindern besonders schnell und aggressiv wachsende Cholesteatom bekannt. • Eine Schalleitungsschwerhörigkeit kann auch durch ein Trauma bedingt sein. Hier sind beispielhaft Trommelfellperforationen aber auch Felsenbeinlängsfrakturen anzuführen. • Nur der Vollständigheit halber soll auch die Otosklerose erwähnt werden, die im Kindesalter sehr selten ist. Tritt die Stoffwechselstörung aber früh auf, so schreitet sie meist sehr aggressiv fort. Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 20 Bochum 2. Innenohrschwerhörigkeiten Eine Störung der Reizaufnahme und -umwandlung im Bereich zwischen Steigbügelfußplatte und dem ersten Neuron wird als Innenohrschwerhörigkeit bezeichnet. Verschiedene Defekte können eine solche Schwerhörigkeit verursachen: • Die angeborenen hereditären Innenohrschwerhörigkeiten werden in isolierte Innenohrschwerhörigkeiten, bei denen keine weiteren organischen Mißbildungen vorliegen, und polysymptomatische Erkrankungen eingeteilt. Zu den zuletzt genannten zählen folgende, klinisch bedeutsame Syndrome: Alport-Syndrom, Pendred-Syndrom und Usher-Syndrom. • Angeborene erworbene Innenohrschwerhörigkeiten werden durch prä- oder perinatale Schädigungen hervorgerufen. Hierunter fallen die prä- und perinatale Asphyxie, die Schwangerschaftsinfektionen, teratogene Medikamente und Geburtstraumen. • Eine postnatal erworbene Innenohrschwerhörigkeit kann durch verschiedene Infektionen verursacht werden. In den meisten Fällen ist eine bakterielle Meningitis verantwortlich, die bis zur beidseitigen Gehörlosigkeit führen kann. Auch andere Infektionen wie die Otitis, Masern oder Mumps gehen mit dem Risiko einer Innenohrschwerhörigkeit einher. Als weitere Ursachen sind ototoxische Substanzen bekannt. Während Folgeschäden durch ototoxische Antibiotika rückläufig sind, treten nun ototoxische Chemotherapeutika in den Vordergrund, die allerdings nur unter vitaler Indikation eingesetzt werden. Bei traumatisch bedingten Innenohrschwerhörigkeiten findet sich häufig eine Felsenbeinquerfraktur oder eine Schädigung der Haarzellen. Der Hörsturz ist bei Kindern sehr selten und stellt eine Ausschlußdiagnose dar. 3. Retrocochleäre und zentrale Schwer- und Fehlhörigkeiten Eine retrocochleäre oder zentrale Schwerhörigkeit beruht meist auf einer Reifestörung der zentralen Hörbahn. Neben diesen Reifestörungen, die sich wie Entwicklungsverzögerungen darstellen, existieren auch akustische Wahrnehmungsstörungen bis hin zur akustischen Agnosie. Die genaue Ätiologie läßt sich in der Mehrheit der Fälle nicht nachweisen, prinzipiell können entzündliche, vaskuläre, traumatische oder metabolische Schädigungen vorliegen. Tumoren wie das Akustikusneurinom oder Meningiome spielen im Kindesalter eine untergeordnete Rolle. Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 21 Bochum Ein Beispiel für eine progrediente zentrale Schwerhörigkeit ist das LandauKleffner-Syndrom. Nach vorausgehender unauffälliger Entwicklung treten im Rahmen dieses Syndromes im 2.-13. Lebensjahr akustische Agnosie und EEGVeränderungen mit Krampfanfällen auf. 3.2 Prävalenz von frühkindlichen Hörstörungen In den folgenden Angaben sind die verschiedenen Hörstörungen zusammengefaßt. Es wird weder nach Lokalisation noch nach Ätiologie unterschieden. Die Prävalenz von frühkindlichen Hörstörungen liegt nach Schätzungen bei 1,5 bis 6 pro 1000 Lebendgeburten (Watkin, P., Baldwin, M., Mc Enery, G., 1991; Parving, A., 1993; White, K. R. und Behrens, S. T., 1993; Joint Commitee on Infant Hearing, 1994). Somit stellen Hörschäden die häufigsten Geburtsfehler bei Neugeborenen dar (The March of Dimes 1990). Hierbei ist zu berücksichtigen, daß alle Kinder mit progredienten Hörstörungen in diesen Angaben nicht enthalten sind, da sie im Neugeborenenalter noch unauffällig sind. In neun Ländern der Europäischen Gemeinschaft ergaben Untersuchungen bei 0,9 von 1000 Kindern einen Hörverlust von 50 dBnHL und mehr (Martin et. al., 1981). Bei fünfjährigen Kindern wird die Prävalenz von schweren Hörstörungen sogar auf 3,5 pro 1000 Kinder geschätzt (Kankkunen, A., 1982). 3.3 Risikofaktoren einer frühkindlichen Hörstörung Der begründete Verdacht auf eine Hörstörung im Säuglingsalter besteht beim Vorliegen von hörspezifischen Risikofaktoren. Das Joint Commitee on Infant Hearing hat hierzu für Neugeborene bis zum 28. Lebenstag folgenden Risikokatalog erarbeitet. Als prädisponierende Risikofaktoren für frühkindliche Hörstörungen werden angesehen: • positive Familienanamnese bezüglich angeborener Hörschäden • intrauterine Virusinfektionen, z.B. Cytomegalievirus, Rubellavirus, Herpesvirus • intrauterine Infektionen mit Treponema pallidum oder Toxoplasma gondii Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 22 Bochum • Geburtsgewicht von weniger als 1500 g • Anomalien des Gesichtsschädels; besonders solche, die mit morphologischen Veränderungen des Gehörganges oder des Kiefers einhergehen (z.B. Dysostosis mandibulofascialis) • angeborene Erkrankungen, die nachgewiesenermaßen mit Schalleitungs- oder Schallempfindungsstörungen einhergehen • Hyperbilirubinämie mit Bilirubinwerten von mehr als 20 mg/dl • Ototoxische Pharmaka: hier gelten Aminoglykosid-Antibiotika als besonderes Risiko, vor allem wenn sie über einen längeren Zeitraum und/oder in hoher Dosierung verabreicht werden; darüberhinaus ist auch für Schleifendiuretika (Furosemid, Tolbutamid, Etacrynsäure u.a.) die Ototoxizität bewiesen • bakterielle Meningitis • Hypoxie in der Schwangerschaft und unter der Geburt • APGAR-Werte von 0-4 in der 1. Minute und von 0-6 nach 5 Minuten • maschinelle Beatmung für länger als 5 Tage Ein entsprechender, alphabetisch geordneter Risikokatalog für den deutschen Sprachraum ist von Prof. Dr. Plath aus Recklinghausen erstellt worden. Bei 50% der signifikanten Hörstörungen liegen jedoch keine Risikofaktoren vor. Das selektive Screening von Säuglingen, die nach den im Risikokatalog aufgeführten Kriterien in bezug auf Hörstörungen gefährdet sind, würde somit lediglich 50 % der schwerwiegenden Hörminderungen aufdecken (Pappas, D. G., 1983; Stein, L., Clark, S. & Kraus, N., 1983; Elssman, S., Matkin, N. und Sabo, M., 1987; Mauk, G. W., White, K. R., Mortensen, L. B., Behrens, T. R., 1991; Mehl, A. L., Thomson, V., 1998). Nachdem 20 Jahre lang eine Hörprüfung nur bei Kindern mit Risikofaktoren durchgeführt wurde, ist es nicht erstaunlich, daß z.B. in den USA das Durchschnittsalter der Kinder zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ihrer Hörstörung bei 36 Monaten liegt (U. S. Department of Health and Human Service, 1990). Diese Altersangabe deckt sich mit den Erfahrungen in Deutschland, wo die Erfassung im Durchschnitt mit 2-2,5 Jahren erfolgt. Für eine normale sprachliche Entwicklung wäre jedoch die Erkennung der Hörstörung bis zum dritten Lebensmonat wünschenswert, da bis zum sechsten Lebensmonat eine erfolgsversprechende Intervention möglich ist (Kuhl, P. K., Williams, K. A., Lacerda, F., Stepheus, K. N. and Lindbloom, B., 1992). Andere Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 23 Bochum Autoren sind der Auffassung, daß eine bis zum ersten Lebensjahr begonnene Therapie Aussicht auf Erfolg hat (Plath, P., 1984). Darum fordern viele Pädaudiologen und Kinderärzte das frühe, routinemäßige Screening aller Neugeborenen ohne eine Vorauswahl anhand von Risikofaktoren. Auch in dieser Studie wurden gesunde, reife Neugeborene ohne augenscheinliche Risikofaktoren untersucht. 3.4 Folgen von unbehandelten Hörstörungen Die Relevanz der frühzeitigen Diagnose einer Hörstörung im Säuglingsalter wird deutlich durch Betrachtung der audiogenen Entwicklungsstörung bei einer unbehandelten Dysakusis. Die Entwicklung der Organe des Gehörsinnes erfolgt nahezu vollständig pränatal. Das bedeutet, daß ein gesunder Fetus schon gegen Ende der Schwangerschaft über einen funktionierenden Gehörsinn verfügt. Er kann bereits akustische Reize, wie z.B. die Stimme der Mutter oder musikalische Klänge, wahrnehmen und verarbeiten (Matschke, R. G., 1993). Diese Stimulierung fördert die weitere Ausreifung des Hörsinnes. Bei einem Feten mit angeborener Hörstörung liegt der Beginn der Entwicklungsverzögerung also bereits vor der Geburt. In den ersten Lebensmonaten zeigt sich diese Entwicklungsstörung in einer erschwerten Kontaktaufnahme zwischen Eltern und Kind. Das Kind reagiert kaum oder gar nicht auf liebevolle Ansprache oder musikalische Stimuli. Wird zu diesem Zeitpunkt eine gravierende Hörstörung diagnostiziert, besteht die Gefahr, daß die Eltern die verbale Kommunikation mit dem Kind stark reduzieren. Dieses Verhalten kann sich ungünstig auf die weitere Entwicklung auswirken, da die zentralnervöse Weiterverarbeitung der Höreindrücke noch nicht voll ausgereift ist und die akustischen Reize dringend benötigt. Bei einer normalen Entwicklung ist die zentralnervöse Funktion mit circa 8 Monaten ausgereift. Trotzdem ist man in der Pädaudiologie der Auffassung, daß bei hörgeschädigten Kindern durch eine Cochlearreizung eine Verbesserung des Hörvermögens auch noch bis zum 18. Lebensmonat erzielt werden kann. Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 24 Bochum Aus Anamnesen von Eltern hörgeschädigter Kinder ist zu entnehmen, daß auch die motorische Entwicklung, festzumachen an Meilensteinen wie z.B. erstes freies Sitzen oder erstes freies Gehen, verzögert ist (Mattheis, S., 1994). Ab etwa einem Jahr zeigt sich, daß für eine reguläre Sprachentwicklung die Intaktheit des auditiven Systemes unerläßlich ist (Betke, K., Lampert, F., Riegel, K., 1991) Je nach Schweregrad der Hörstörung kommt es zur retardierten oder unvollständigen Ausbildung der Sprache. Eine absolute Taubheit kann bei totalem Ausbleiben der Stimm- und Sprachentwicklung zur Surdomutitas führen. Das fehlerhafte oder fehlende Erlernen der Sprache stellt die gravierendste Folge einer Hörstörung dar, da die Sprache als wichtigstes Medium der zwischenmenschlichen Kommunikation gilt. Als weitere Ausdrucksmittel stehen nur noch die Mimik und die Gestik zur Verfügung, deren Bedeutung sicher nicht außer acht gelassen werden darf. Der Informationsgehalt, der durch die Sprache übermittelt wird, ist jedoch als wesentlich höher anzusehen. Der Sprache werden zwei zu differenzierende Funktionen zugeschrieben, zum einen die emotionale, zum anderen die semantisch-signifikative. Die emotionale Funktion tritt beim Sprechen in Rhythmus, Pausengestaltung und der Melodieführung hervor und läßt sich nur sehr schwer fassen und objektivieren. Gerade diese emotionale Färbung aber wird vom Kleinkind, welches die semantischsignifikative Funktion noch nicht begreifen kann, verstanden und nachgeahmt. Außerdem dient die emotionale Funktion dem Aufbau eines geordneten Gefühlslebens. Ohne den Vermittler Sprache ist jeder zwischenmenschliche Kontakt nur sehr schwierig aufzubauen. Den hörgeschädigten Kindern fällt es ohne das Verstehen von Verboten und Geboten sehr schwer, sich in den Normen des sozialen Verhaltens zurecht zu finden. Darüberhinaus besteht die Gefahr, daß diese Kinder in die gesellschaftliche Isolation geraten. Um der absoluten Vereinsamung zu entgehen, suchen diese Kinder häufig den Kontakt zu Mitbetroffenen. Dies jedoch ist ihrer Sprachentwicklung eher hinderlich als förderlich. Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 25 Bochum Abgesehen von ihrer Verwendung für den zwischenmenschlichen Kontakt besitzt die Sprache vor allem durch ihre semantisch-signifikative Funktion auch eine große Bedeutung für die Entwicklung der Denkfähigkeit des Individuums. Sie steht in Beziehung zu vielen Erkenntnisprozessen und auch zu der Bewußtseinsbildung. Durch ihren Ausfall werden sowohl die räumliche Orientierung, als auch das logischabstrakte Denken und der indirekte Wissens- und Kenntniserwerb beeinträchtigt (Lindner, G., 1975). In der modernen Gesellschaft ist aber der indirekte Kenntniserwerb außerordentlich wichtig. Das durch eigene Erfahrung erworbene Wissen macht nur einen Bruchteil des gesamten Wissens aus. Dem hörgeschädigten Kind entgeht zumindest der verbale indirekte Kenntniserwerb und damit eine Möglichkeit zur Erweiterung des Bewußtseinsumfanges. Diese Ausführungen zeigen, daß das fehlende Sprachvermögen die gesamte geistige und gesellschaftliche Entwicklung eines Individuums stark beeinträchtigt. 3.5 Aufdeckungsmöglichkeiten der Hörstörungen Erfahrungsgemäß stellen sich für den Untersucher in der pädaudiologischen Diagnostik zahlreich spezifische Probleme. Die größte Schwierigkeit besteht darin, daß Kinder frühestens ab dem 3. Lebensjahr in der Lage sind, aktiv an einem Hörtest mitzuwirken. Dies bedeutet, daß konventionelle Methoden der Hördiagnostik, wie z.B. die Tonaudiometrie bei Neugeborenen und Kleinkindern nicht in Betracht kommen. Gerade aber in diesem Alter ist es besonders wichtig, verläßliche Aussagen über das Hörvermögen des Kindes zu erhalten. In dieser Phase stehen dem Untersucher „subjektive“ und „objektive“ Methoden der Diagnostik zur Verfügung. „Subjektiv“ meint, daß Reaktionen der Kinder auf angebotene Schallreize von einem Untersucher beobachtet und registriert werden. Unter „objektiven Methoden“ versteht man Untersuchungsverfahren, die nicht auf aktive Mitarbeit des Kindes angewiesen sind. Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 26 Bochum 3.5.1 Objektive Verfahren der Hördiagnostik Die objektiven Methoden können lediglich die physiologischen Korrelate des Hörens überprüfen. Die Intaktheit derselbigen ist notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für ein bestehendes Hörvermögen. Der wesentliche Vorteil dieser Verfahren liegt in ihrer Unabhängigkeit von der Mitarbeit des Probanden. Vor allem aus diesem Grund haben sie weite Verbreitung auf dem Gebiet der Pädaudiologie gefunden. Ein wichtiger Bestandteil der objektiven Hörprüfung ist die Impedanzmessung durch die Tympanometrie oder Stapediusreflexmessung. Bei der Tympanometrie wird die akustische Impedanz des Trommelfelles während einer Druckänderung im äußeren Gehörgang gemessen. Dazu wird eine Sonde in den Gehörgang eingebracht, die diesen vollständig verschließt. Durch die daraus resultierende Änderung des Luftdruckes kommt es zur Auslenkung des Trommelfelles aus seiner Ruhelage. Dies führt zu einer Modifizierung der reflektierten Schallenergie des dargebotenen Testtones, welche registriert wird (Mattheis, S., 1994). Das Verfahren der Tympanometrie gestattet die Beurteilung der Trommelfellbeweglichkeit, derTubenfunktion, der Funktion der Gehörknöchelchen wie auch des Mittelohrdruckes. Letztgenannter ist besonders bei Kleinkindern von großer Relevanz, da in diesem Alter häufig Affektionen des Mittelohres anzutreffen sind. Im Rahmen der Stapediusreflexmessung wird die Eigenschaft des M. stapedius genutzt, bei Schallreizen, die mehr als 70 dB über der Hörschwelle liegen, zu kontrahieren. Die Kontraktion führt zu einer meßbaren Änderung der akustischen Impedanz. Pathologische Befunde sind etwa bei Adhäsionen und Unbeweglichkeit des Trommelfelles, bei Trommelfellperforation, Otosklerose, Paukenhöhlenerguß und Schallempfindungsschwerhörigkeit zu erwarten. Beide Verfahren zur Impedanzmessung liefern aussagekräftige Ergebnisse zur Funktion des Gehörknöchelchen-Trommelfell-Apparates und können bei entsprechenden Meßwerten Hinweise auf eine Hörstörung geben (Esser, G., 1982; Gross, M., 1990). Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 27 Bochum Einen großen Anteil an der objektiven Hördiagnostik haben Verfahren, bei denen unter Zuhilfenahme verschiedener Meßmethoden, Potentialänderungen neuronaler Synapsen der menschlichen Hörbahn nach Stimulation durch Schallreize abgeleitet werden. Diese werden unter dem Begriff ERA (Electric Response Audiometry) zusammengefaßt. An dieser Stelle ist zunächst die Elektrocochleographie anzuführen, bei der es sich um ein Meßverfahren zur objektiven Funktionsprüfung des Innenohres handelt. Hierbei werden elektrische Impulse, sogenannte Biosignale, die durch akustische Reize induziert werden, aus den dem Mittelohr unmittelbar nachgeschalteten Gehörgangsabschnitten abgeleitet. Zu diesen Schneckenpotenentialen gehören das Mikrophonpotential, welches die Potentiale der Gesamtheit der erregten Sinneszellen darstellt und das Summenpotential, das durch die Erregung der Fasern des N. acusticus entsteht (Klinke, R., 1995). Auch auf der Ebene des Hirnstammes ist die Ableitung von Potentialen möglich. Das Verfahren zur Registrierung dieser Hirnstammpotentiale ist als Brainstem Electric Response Audiometry, kurz BERA, bekannt geworden. Erfaßt werden frühe akustisch evozierte Potentiale (FAEP). Darüberhinaus existieren Methoden, die die Ableitung von Potentialen mit mittlerer und später Latenz ermöglichen. Dadurch werden Erkenntnisse über die Funktion der Hirnrinde bei der Verarbeitung von Schallreizen gewonnen. Durch die Möglichkeit, Potentialableitungen auf verschiedenen Ebenen durchzuführen (Schnecke, Hirnstamm, Cortex), gelingt es, pathologische Prozesse im Bereich der Hörbahn relativ genau zu lokalisieren (Suter, C. M., et al., 1983). Neben der Topodiagnostik wird der ERA auch die Fähigkeit zur Bestimmung der Reizantwortschwelle zugeschrieben, wodurch der Hörverlust ermittelt werden kann (Döring, W. H., 1990). Mit Hilfe der ERA ist es sogar möglich, Rückschlüsse auf den Reifungszustand der Hörbahn zu ziehen, da die registrierten Potentiale Altersabhängigkeit aufweisen (Matschke, R. G., 1993; Lippert, K. L., 1990). Zu den objektiven Methoden der Hördiagnostik zählen ebenfalls mathematischsignalstatistische Auswerteverfahren zur Ermittlung von otoakustischen Emissionen. Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 28 Bochum Diese haben in letzter Zeit große Bedeutung in der Früherkennung von Hörstörungen im Säuglingsalter erlangt und kommen zunehmend in Screeningtests zum Einsatz. Bei den otoakustischen Emissionen handelt es sich um Schallwellen, die in der Cochlea aufgrund aktiver Prozesse spontan oder auf akustische Reize evoziert entstehen und über das Mittelohr in den Gehörgang abgestrahlt werden. 3.5.2 Subjektive Verfahren der Hördiagnostik Bei dieser Vorgehensweise werden Reaktionen auf angebotene Schallreize bewertet und auf ihre Reproduzierbarkeit überprüft. Da hierbei überschwellige akustische Stimuli eingesetzt werden, ist eine exakte Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Hörorganes nicht möglich. Es handelt sich bei den subjektiven Methoden somit um eine relativ „grobe“ Form der Hördiagnostik, die zudem stark an die Beobachtungsgabe und die Genauigkeit des Untersuchers gebunden ist. Darüberhinaus variieren die zu beobachtenden Reaktionen in Abhängigkeit vom Alter des untersuchten Kindes. Die Reflexaudiometrie findet bei Neugeborenen bis zum 4. Lebensmonat Verwendung.Das Prinzip dieses Verfahrens beruht auf der Auslösung unbedingter Reflexe durch die Stimulation mit überschwelligen Reizen. Diese Reflexe zeigen sich in Form von sogenannten Reflexbewegungen, wie beispielsweise Augenbewegung zur Schallquelle hin oder auch in dem Innehalten von Bewegungen. Darüberhinaus lassen sich Änderungen der Atem- und Herzfrequenz sowie der Mimik beobachten. Beobachtete Reaktionen der Säuglinge nach akustischem Stimulus: • Moro-Reflex • Aureopalpebralreflex • Augenbewegung zur Schallquelle hin • Bewegung der oberen Extremität(en), STARTL-Reflex • Bewegung der unteren Extremitäten • Innehalten der Bewegung • Atemfrequenzänderung, wiederholbar Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 29 Bochum • Mimikänderungen, Saug-Schmatzbewegungen • sonstige reproduzierbare Reaktionen • keine Reaktionen Von Säuglingen auf Schallreize hin produzierte und wiederholbar auslösbare Reaktionen (Matschke, R. G. und Plath, P., 1985) Trotz der bereits erwähnten Einschränkungen stellt die Reflexaudiometrie wegen ihres geringen zeitlichen und materiellen Aufwandes einen wichtigen Teil der pädaudiologischen Diagnostik dar. Ab etwa dem 4. Lebensmonat berücksichtigt der Untersucher unbewußte Orientierungsreaktionen (Heinemann, M., 1990), welche entwicklungsphysiologisch an die Stelle der unbedingten Reflexbewegungen treten. Als problematisch erweist sich die schlechte Reproduzierbarkeit dieser unbewußten Orientierungsreaktionen (Gross, M., 1990). Hieraus resultieren unbefriedigende Ergebnisse, die den großen technischen Aufwand zur Registrierung der Orientierungsreaktionen kaum rechtfertigen (Shimizu, H. et al., 1985). Im 2.-3. Lebensjahr eingesetzte Verfahren beruhen auf der Bahnung von Orientierungsreaktionen. Dies geschieht durch Stimulation mit Licht- und Schallreizen, wobei der Lichtreiz als Belohnung für die Reaktion auf den überschwelligen Schallreiz dient (Gross, M., 1990). Durch wiederholtes „Training“ dieser bedingten Reflexe wird die Reaktion des Kindes auf die angebotenen Reize zunehmend exakter. Bekanntgeworden sind diese Verfahren unter den Namen Audiometrie mit konditionierten Orientierungsreflexen (CORA) sowie Audiometrie mit visueller Verstärkung (VCR). Mit etwa 3 Jahren ist bei Kindern ein gewisses Maß an Kooperation zu erwarten, was den Einsatz der Spielaudiometrie erlaubt. Hierbei soll das Kind bei Wahrnehmung eines Prüftones eine Spielhandlung ausführen. Idealerweise werden für diese Methode Kopfhörer zur Darbietung des Testtones verwendet, um eine seitengetrennte Analyse des Hörvermögens zu ermöglichen (Plath, P., 1992). Das Kind lernt einen gehörten Ton als Aufforderung für eine Spielhandlung anzusehen (Plath, P., 1992). Nachdem es einen Ton über den Kopfhörer wahrgenommen hat, darf es beispiels- Ruhr-Universität Hörstörungen im Säuglingsalter 30 Bochum weise Bauklötze aufeinander stellen. Hier stehen mehrere Varianten bezüglich der „Belohnung“ zur Verfügung, wobei es sinnvoll ist, die „Belohnungsform“ den spielerischen Vorlieben des Kindes anzupassen. Aufgeführt seien hier nur das Ingangsetzen einer Eisenbahn (Huizing, H. C., 1953) oder das Abspielen eines Märchenfilmes auf Knopfdruck nach wahrgenommenem Testton (Jakobi, H., 1956). Wichtig ist zu erwähnen, daß bei der Spielaudiometrie die bewußte Reaktion des Kindes auf Schallreize im Vordergrund steht. 3.5.3 Konventionelle Verfahren der Hördiagnostik Die konventionelle Hördiagnostik beruht auf der Befragung nach dem subjektiven Höreindruck. Sie ermöglicht die Beurteilung der Informationsverarbeitung vom Außenohr bis zur Hirnrinde. Konventionelle Verfahren kommen vor allem bei älteren Kindern und Erwachsenen zur Anwendung. Voraussetzung ist, daß die Probanden entsprechend kooperativ sind. Bei der Tonaudiometrie werden dem Probanden mittels Kopfhörer Testtöne mit verschiedenen Frequenzen und Lautstärken angeboten. Nach Wahrnehmung des Tones erfolgt eine Rückmeldung der Testperson durch Knopfdruck oder Handzeichen. Durch dieses Verfahren kann die Hörschwelle für Knochen-und Luftleitung mit Hilfe des Audiogrammes bestimmt werden. Überschwellige tonaudiometrische Prüfungen ermöglichen bei einer Schallempfindungsstörung die Differenzierung einer Schädigung der Haarzellen oder des Hörnerves. Die Sprachaudiometrie dient der Prüfung des Sprachverständnisses. Über Kopfhörer werden dem Probanden von einem Tonträger Zahlen, Einsilber und Satzreihen entweder monaural oder binaural in unterschiedlichen Lautstärken vorgespielt. Das Sprachverständnis wird in Prozent der verstandenen Wörter angegeben. Speziell zur Erfassung des kindlichen Sprachverständnisses existieren standardisierte Testverfahren, z.B. der Mainzer Kindersprachtest (Biesalski, P. et al., 1974) oder der Göttinger Kindersprachverständnistest. Diese Tests bieten aber nur bei der gleichzeitigen Verwendung von Bildkarten eine ausreichende Sicherheit. Ruhr-Universität Die Hirnstammaudiometrie 31 Bochum 4 Die Hirnstammaudiometrie 4.1 Frühe akustisch evozierte Potentiale und ihre Ableitungen 4.1.1 Der Entstehungsmechanismus von evozierten Potentialen Bei evozierten Potentialen handelt es sich um spezifische, corticale oder subcorticale Reaktionen, die durch Sinnesreize oder durch Reizung peripherer Nerven ausgelöst werden. Diese meßbaren Reaktionen spiegeln nach vorherrschender Meinung die langsame, synaptische Aktivität der Pyramidenzellen und deren Dendriten und nicht die Impulsaktivität der Neurone wider (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995). Die evozierten Potentiale sind in den üblichen EEG-Ableitungen bereits enthalten, ohne weitere Verarbeitung können sie jedoch wegen ihrer sehr geringen Amplitude (oft kleiner als 1 µV) meist nicht sichtbar gemacht werden. Die Ableitung ist aber auswertbar, wenn nicht nur ein Reiz, sondern zahlreiche, aufeinanderfolgende Reize appliziert werden. Ein elektronisches Verfahren (averaging) ermöglicht das Aufsummieren der Reizantworten, die in einem festen Zeitabstand zum Stimulus auftreten. Die nicht reizkorrelierten Anteile des EEGs heben sich gegenseitig auf. Auf diese Weise gelingt die Registrierung niedrigster Antwortpotentiale bis herab zu einer Größenordnung von 0,1 µV (Institut für Physiologie der Ruhr-Universität Bochum, 1996). 4.1.2 Anwendungsmöglichkeiten der frühen akustisch evozierten Potentiale Um frühe akustisch evozierte Potentiale zu erzeugen, bedient man sich als Stimulus kurzer, über einen Kopfhörer applizierter Rechteckimpulse von 0,1 ms Dauer und unterschiedlicher Lautstärke. Bei einer Frequenz von circa 10 Hz evozieren diese sogenannten „Clicks“ Potentiale im Hirnstamm, die über Hautelektroden abgeleitet werden können. Alle auditiven Verfahren, die mit diesen Potentialen arbeiten, werden daher der Hirnstammaudiometrie zugerechnet. Die Ableitung der Hirnstammpotentiale ergibt nach einer Summation von 1000-2000 Reizantworten innerhalb der ersten 10 ms nach Reizbeginn eine typische Folge von Ruhr-Universität Die Hirnstammaudiometrie 32 Bochum 5-7 positiven Wellen, die den verschiedenen Schaltstationen der Hörbahn zwischen dem Nervus acusticus und der primären Hörrinde zugeordnet werden. Sie werden üblicherweise mit römischen Ziffern bezeichnet. Die Welle I entspricht der synaptischen Aktivität des ersten Neurons im Ganglion spirale, während Welle II an den Nuclei cochleares generiert. In Welle III stellt sich die elektrische Aktivität des Trapezkörpers dar, in Welle IV die der Nuclei lemnisci laterales. Im Colliculus inferior entsteht die Welle V, die als die aussagekräftigste gilt, da sie im Gegensatz zu den anderen Wellen bis zur subjektiven Hörschwelle nachweisbar ist (Lauffer, H., Pröschel, U., Gerling, S., Wenzel ,D., 1994). Außerdem können noch die Wellen VI undVII abgeleitet werden, die die auditiven Reaktionen des Corpus geniculatum mediale bzw. der Radiatio acustica widerspiegeln (Maurer, K., 1982). Diese Wellen stellen die frühen akustisch evozierten Potentiale dar und hängen direkt von den physikalischen Reizeigenschaften ab. Sie werden auch als frühe exogene Komponente der ereigniskorrelierten Potentiale bezeichnet. Ruhr-Universität Die Hirnstammaudiometrie 33 Bochum Abbildung 4: Verlauf der Hörbahn, Kennzeichnung der Orte der Potentialgenerierung durch römische Ziffern (Maurer, K.,1982). Ruhr-Universität Die Hirnstammaudiometrie 34 Bochum Im Gegensatz hierzu bilden sich komplexe Prozesse der Verarbeitung von Information und die Planung von Verhalten in der späten endogenen Komponente der ereigniskorrelierten Potentiale ab. Diese weisen auch eine deutlich längere Latenzzeit von mehr als 60 ms auf (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995). Von der Norm abweichende frühe akustisch evozierte Potentiale, die durch einen untypischen Verlauf der Wellen apparent werden, können auf eine Beeinträchtigung im Verlauf der Hörbahn hinweisen. So bedingen Krankheitsprozesse, je nach Lokalisation der Läsion, eine Erniedrigung und/oder Verzögerung bestimmter Wellen: • Als Folge einer Mittelhirnläsion (z.B. im Rahmen einer Einklemmung bei intrakranieller Drucksteigerung) resultiert ein Verlust der V. oder evtl. auch der IV. Welle. • Prozesse in der Brücke (z.B. Ponstumoren, -blutungen, -infarkte) führen bereits zu Veränderungen der III. oder auch der II. Welle. • Bei einer Schädigung des Nervus acusticus oder der Cochlea fällt hingegen die I. Welle aus. • Entmarkungskrankheiten wie die multiple Sklerose führen vorwiegend zu einer Verzögerung einzelner Wellen als Ausdruck der dabei verminderten Erregungsleitungsgeschwindigkeit (Institut für Phyliologie der Ruhr-Universität Bochum, 1996). Wichtige Anwendungsgebiete der frühen akustisch evozierten Potentiale sind z.B. die Früherkennung von Kleinhirn-Brückenwinkel-Tumoren oder auch die frühzeitige Aufdeckung von Hörschäden. Als Vorteil erweist sich hierbei der nicht-invasive Charakter dieser Untersuchungsmethode. Nachteilig ist jedoch die relativ anspruchsvolle Auswertung der EEGs. Nur ein speziell geschulter Untersucher kann die frühen akustisch evozierten Potentiale und ihre Ableitungen sicher beurteilen und Krankheitsprozesse wie z.B. Blutungen, Neoplasien oder aber Schädigungen der Cochlea bzw. des Nervus acusticus ausschließen. Daher wurde die Hirnstammaudiometrie bisher in Deutschland nur bei Risikokindern oder zur Verlaufskontrolle einer bekannten Hörstörung eingesetzt, nicht jedoch im Rahmen eines Hörscreenings bei Neugeborenen angewandt. Ruhr-Universität Die Hirnstammaudiometrie 35 Bochum 4.2 Der Algo 1e Newborn Hearing Screener 4.2.1 Die Entwicklungsphase des Algo 1e Hörprüfgerätes Die relativ hohen Inzidenzen von Hörstörungen bei Patienten von neonatalen Intensivstationen rechtfertigten bisher den großen zeitlichen und personellen Aufwand der nicht automatisierten Hirnstammaudiometrie zur Aufdeckung von Hörfehlern. Für ein generelles Hörscreening auch bei Neugeborenen ohne typische Risikofaktoren sollte nun ein automatisiertes Verfahren entwickelt werden. Drei Phasen mit entsprechenden Experimenten kennzeichnen diese Entwicklung. • In der ersten Testphase wurde nach den optimalen Bedingungen für die Durchführung eines Screeningtestes mit der konventionellen Hirnstammaudiometrie gesucht. Außerdem sollten kritische Faktoren identifiziert werden, die exakte Untersuchungsergebnisse verhindern können. • Schwerpunkt der zweiten Phase war die Konstruktion eines HörprüfgerätPrototypen mit automatischer Kontrolle der nun bekannten Störfaktoren und mit neuer Signalverarbeitungstechnologie. Die Zuverlässigkeit des neuen Prototypen wurde überprüft, indem Hörscreeningtests durchgeführt, und die Ergebnisse mit denen der konventionellen Hirnstammaudiometrie verglichen wurden. • Abschließend wurde in der dritten Phase die Durchführung der ScreeningUntersuchungen mit dem neuen Prototypen unter den zu erwartenen Bedingungen auf einer neonatalen Intensivstation beurteilt. Phase 1: In diesem ersten Experiment wurden 451 Neugeborene einer Intensivstation mit Hilfe der nicht automatisierten Hirnstammaudiometrie untersucht. Die Screeningtests fanden unter optimalen Bedingungen statt: • Der Untersuchungsraum war sowohl elektronisch als auch akustisch abgeschirmt. • Die Neugeborenen befanden sich zum Zeitpunkt der Untersuchung im natürlichen Schlaf oder wurden mit Chloralhydrat ausreichend beruhigt. • Die Auswertung der abgeleiteten EEGs übernahmen zwei Audiologen, die beide seit mindestens zwei Jahren mit der nicht automatisierten Hirnstammaudiometrie arbeiteten und somit über ausreichende Erfahrungen verfügten. Ruhr-Universität Die Hirnstammaudiometrie 36 Bochum Die bei diesen Untersuchungen entdeckten kritischen Faktoren der Hirnstammaudiometrie konnten in zwei Kategorien eingeteilt werden: die mit den untersuchten Neugeborenen assoziierten Störfaktoren und die durch die Screeningtechnik verursachten Störfaktoren (Murray, A., Javel, E. & Watson, C., 1985). Neugeborenen-Störfaktoren: • vorübergehende neurologische Auffälligkeiten • schlechter Allgemeinzustand • passagere Schalleitungsschwerhörigkeit • erniedrigte Sensibilitätsschwelle Technische Störfaktoren: • schlechte Kontrolle der Muskelartefakte • schlechte Kontrolle der Störgeräusche • variable Kalibrierung des Stimulus • unterschiedliche Screeningziele • variable „pass“-Kriterien Als Ergebnis dieser Screening-Serie konnten die Untersucher zwei wichtige Aussagen präsentieren: 1. Ein „pass“-Ergebnis erhielten 91 % der untersuchten Neugeborenen. Die auditiven Hirnstammreaktionen dieser Kinder zeigen sehr ähnliche Konfigurationen, die als Maßstab für eine normale Hirnstammreaktion angesehen werden können. Dies weist die relativ geringe Bedeutung der Neugeborenen-Störfaktoren auf, da trotz des kritischen Zustandes der Patienten der neonatalen Intensivstation und des Altersunterschiedes von bis zu 28 Wochen die abgeleiteten Wellenformen der EEGs weitgehend übereinstimmen. 2. Die „fail“-Rate von 8 % liegt weit niedriger als bei anderen Studien, wo sie zwischen 5,3 % und 59 % schwankt (Fria, T. J., 1985). Diese hohen „fail“-Raten sprachen gegen den Einsatz der konventionellen Hirnstammaudiometrie als Screeningmethode. Bei Beherrschung der technischen Störfaktoren treten jedoch niedrige „fail“-Raten wie in diesem Fall von 8 % auf, die den Einsatz von Hörscreenern nach dem Prinzip der Hirnstammaudiometrie ermöglichen. Ruhr-Universität Die Hirnstammaudiometrie 37 Bochum Phase 2: Aufbauend auf den Ergebnissen aus dem ersten Experiment wurde ein Hörscreeningverfahren entwickelt, das mit der bereits bekannten Technik der automatisierten Hirnstammaudiometrie arbeitet (Thornton, A. R., 1978; Srague, B. H. & Thornton, A. R., 1979; Thornton, A. R. & Obemour, J. L., 1981). Ein passendes, mit wiederaufladbaren Batterien arbeitendes Gerät und ein Gerätegehäuse fanden sich bei Algotek Inc. unter der Leitung von Maurizzio Liverani. 1985 wurde die erste Generation des Algo 1 Infant Hearing Screener eingeführt. Mittlerweile produziert die Firma Natus Medical Inc. die Hörprüfgeräte. Mit dem Prototypen des Algo 1 Infant Hearing Screener wurden Screeninguntersuchungen an 153 Neugeborenen bzw. Kindern im Gestationsalter von 31 bis 131 Wochen durchgeführt. Die Ergebnisse des Algo 1 sind über zwei verschiedene Wege überprüft worden: Entweder befundeten Audiologen eine Kopie der EEG-Aufzeichnungen des Algo 1 und verglichen ihre Ergebnisse mit der Auswertung durch die technische Signalverarbeitung des Hörprüfgerätes; oder es wurde eine zusätzliche konventionelle Hirnstammaudiometrie unter den idealen Bedingungen wie im ersten Experiment durchgeführt und die Übereinstimmung der Ergebnisse geprüft. Von den 153 untersuchten Neugeborenen und Kindern erhielten 127 vom Algo 1 ein „pass“-Ergebnis. Bei allen 127 Probanden ergab sich auch bei der Kontrolle ein unauffälliger Befund. Mit einem „fail“-Ergebnis bewertete der Algo 1 25 Neugeborene bzw. Kinder, von denen lediglich bei vieren während der Überprüfung doch eine entsprechende Hirnstammreaktion festgestellt wurde. Allerdings zeigten zwei EEGAufzeichnungen sehr niedrige Amplituden, was auf eine passagere Schalleitungsschwerhörigkeit hindeutete. Ein drittes Neugeborenes wies eine deutliche, aber stark von der Norm abweichende Wellenkonfiguration auf, die der Algo 1 nicht als unauffällig eingestuft hatte. Insgesamt zeigten diese Ergebnisse eine gute Übereinstimmung zwischen der automatisierten und der konventionell vom Audiologen bewerteten Hirnstammaudiometrie. Ruhr-Universität Die Hirnstammaudiometrie 38 Bochum Phase 3: In der dritten Phase wurden 393 Neugeborene der aus dem ersten Experiment bekannten Intensivstation mit dem Algo 1 untersucht. Es ergab sich eine „pass“-Rate von 87 % bei einer „fail“-Rate von 11 %.Diese Ergebnisse weisen keine signifikante Differenz zu denen aus dem ersten Experiment auf (Chi-square Test of Proportions, p > 0,05; Snedecor, G. W. & Cochran, W. G., 1967). Somit bestätigte dieses Experiment die Übereinstimmung zwischen den ScreeningResultaten des Algo 1, durchgeführt von minimal ausgebildetem Personal, und der konventionellen Hirnstammaudiometrie, abgeleitet unter idealen Bedingungen und ausgewertet von Audiologen mit langjähriger Erfahrung auch unter normalen Konditionen auf einer Neugeborenenstation. Seitdem wird der Algo 1, basierend auf der automatisierten Hirnstammaudiometrie und versehen mit der neuen Signalverarbeitungstechnologie, als geeigneter Hörscreener akzeptiert (Herrmann, B. S., Thornton, A. R., Joseph, J. M., 1995). 4.2.2 Beschreibung der Systembestandteile des Algo 1e Abbildung 5: Das ALGO-1 e Hörtestgerät für Neugeborene der Firma Natus Medical Inc. Ruhr-Universität Die Hirnstammaudiometrie 39 Bochum Zur Grundausstattung des Algo 1e Hörprüfgerätes zählen folgende Bestandteile: • das Gerätegehäuse Die Gerätevorderseite enthält den Anzeigeschirm, von welchem die Hörtestparameter und Ergebnisse abgelesen werden können. Außerdem befindet sich hier der mit internationalen Symbolen beschriftete Netzschalter und die beiden Tasten „Start/Stop“ und „Auswahl“. Über diese Tasten werden alle Verfahrensschritte des Gerätes ausgeführt. Die Anzeigelampen „Störlärm“ und „Artefakte“ zeigen eine Störung der Datenerfassung an, wohingegen die grüne Anzeigelampe „Bereit“ die Testbereitschaft des Algo 1e symbolisiert. Auf der Geräterückseite befinden sich das Fach und die Abdeckung des Batteriepacks und eine Anschlußmöglichkeit für einen Drucker. Außerdem können die akustische Transducereinheit und die Patientenkabeleinheit auf der linken Seite angeschlossen werden. • die akustische Transducereinheit Diese Einheit besteht aus zwei Kabeln mit farbkodierten Plastikgehäusen an ihren Enden. Hierin sind zum einen Lautsprecher enthalten, die die Clickgeräusche erzeugen, zum anderen Mikrophone zur Abhörung von Störlärm. Die Spitzen der Transducer werden an Einmal-Kopfhörer angeschlossen, wobei rot die rechte und blau die linke Seite kodiert. • die Patientenkabeleinheit Drei einzelne Kabel, die mit einem Mini-Din-Stecker zu einem Kabel vereinigt werden, stellen die Patientenkabeleinheit dar. Jedes der drei Kabel ist am Ende mit einer farbkodierten Federklemme versehen. Die Klemmen werden an Elektroden auf der Neugeborenenhaut angeschlossen und leiten die Gehirnwellen-Signale weiter. • der Vorverstärkerkasten Der Vorverstärkerkasten ist mit der Patientenkabeleinheit verbunden und an das Hörprüfgerät angeschlossen, so werden die über die Hautelektroden aufgenommenen Signale zum Gerät zurückgeleitet. • das Batteriepack Das Algo 1e Hörprüfgerät kann ausschließlich mit dem eigenen Batteriepack betrieben werden. Dieses enthält Nickel-Kadmium-Batterien, die in regelmäßigen Abständen im zugehörigen Batterieladegerät aufzuladen sind. Ruhr-Universität Die Hirnstammaudiometrie 40 Bochum Alle genannten Bestandteile des Algo 1e Hörprüfgerätes sind an einem Rollständer zu befestigen, der außerdem über zwei Körbe zur Unterbringung der benötigten Testmaterialien verfügt. Vom Hersteller werden folgende Testmaterialien empfohlen: • DRI-PREP Hautreinigungskompressen • NuPrep Hautvorbereitungsgel • Jelly Button Elektroden • Earcouplers Einmal-Kopfhörer Auf die Hautvorbereitung wird vom Hersteller sehr viel Wert gelegt, da die abzuleitenden Signale äußerst gering sind, und ein hoher Hautwiderstand die Messung empfindlich stören oder unmöglich machen kann. Zusätzlich besteht beim Algo 1e Hörprüfgerät die Möglichkeit, einen Drucker anzuschließen. Auf der Geräteoberfläche befindet sich hierzu eine spezielle Halterung und an der Geräterückseite der Druckeranschluß. Passend zu diesem Drucker sind Ergebnisaufkleber erhältlich, die in das Krankenblatt des Neugeborenen oder in die Nachuntersuchungsbögen eingeklebt werden können (Natus Medical Inc., 1997). 4.2.3 Technik der Signalverarbeitung Zur Erzeugung der frühen akustisch evozierten Potentiale bedient sich das Algo 1e Hörprüfgerät der üblichen Methode: Von den Lautsprechern der akustischen Transducereinheit erzeugte Clickgeräusche mit der Lautstärke von 35 dB, entsprechend der normalen Hörschwelle, erreichen über die Einmal-Kopfhörer die Ohren des zu untersuchenden Neugeborenen. Die hierdurch ausgelösten Potentiale werden in der zugehörigen Literatur auch als auditive Hirnstammreaktionen bezeichnet. Über die Hautelektroden werden diese Signale am Neugeborenen registriert und durch die Patientenkabeleinheit und den Vorverstärker zum Hörprüfgerät weitergeleitet. Die Auswertung der auditiven Hirnstammreaktionen in Form der abgeleiteten Wellen I-VII im EEG wird aber nicht vom Untersucher gefordert. Diese Aufgabe übernimmt das Algo 1e Hörprüfgerät mit Hilfe einer fortgeschrittenen Signalverarbeitungstechnologie. Allerdings ist hierzu ein relativ ruhiger Untersuchungsraum zur Vermeidung von Stör- bzw. Hintergrundgeräuschen notwendig. Außerdem sollte das zu untersuchende Neugeborene im optimalen Falle schlafen oder sich zumindest in einem ruhigen Zustand befinden, damit die Un- Ruhr-Universität Die Hirnstammaudiometrie 41 Bochum terscheidung der auditiven Hirnstammreaktionen von anderen Hirntätigkeiten oder von Muskelartefakten für den Algo 1e möglich ist (Natus Medical Inc., 1997). Das Hörprüfgerät mittelt die auditiven Wellen aus dem Hirnstamm und vergleicht sie mit einer Schablone. Das Konzept der Schablone beruht auf der Struktur und Form einer normalen schwellennahen auditiven Hirnstammreaktion eines Neugeborenen. Diese wurde durch die Überlagerung der Reaktionen von 35 Neugeborenen mit normalem Hörvermögen bei Clickgeräuschen von 35 dB nHS ermittelt. Auf der Grundlage dieser abgeleiteten Kurvenform der auditiven Hirnstammreaktionen wurde eine Schablone mit neun Datenpunkten ausgewählt. Diese neun Punkte wurden dann im Hinblick auf ihren Anteil bei der Identifizierung einer Reaktion gewichtet. Diese Schablone liefert die konsistenteste Übereinstimmung von auditiven Hirnstammreaktionen bei unterschiedlichen Reizintensitäten und von unterschiedlich alten Neugeborenen. Normale Variationen in der Latenzzeit einer Antwort werden durch das Modell der verschieblichen Schablone ausgeglichen. Die Schablone verschiebt sich in Abständen von 0,25 ms über einen Bereich von 3 ms und sucht dabei die Domäne der Latenzzeit, die am besten paßt. Das Verschieben der Schablone und die Anwendung des Algorithmus erfolgen bei jedem fünfhundertsten Durchgang, bis ein statistisch signifikantes Signal identifiziert wurde. Dies bedeutet, daß eine Reaktion schon nach fünfhundert Durchgängen festgestellt werden kann, wobei ein Durchgang den zeitlichen Ablauf definiert, in dem das Algo 1e Hörprüfgerät ein Clickgeräusch erzeugt und dann Daten als Reaktion auf dieses Geräusch erfaßt. Es kann aber auch nötig sein, die Durchschnittsermittlung bis zum Maximum von 15000 Durchgängen fortzusetzen, um den Wert des vorgegebenen statistischen Sicherheitsniveaus zu erreichen. Die Anwendung dieser gewichteten Neun-Punkt-Schablone erhöht die Wirksamkeit des Algorithmus. Der für das Algo 1e Hörprüfgerät entwickelte Algorithmus wird wegen seines binären Charakters auch als Neymann-Pearson Algorithmus bezeichnet (Schwarz, M. & Shaw, L., 1975; Thornton, A. R. & Obenour, J. L., 1981; Thornton, A. R., 1991). Er basiert auf der Wahrscheinlichkeit von zwei Bedingungen: • eine Antwort-Plus-Lärm-Bedingung und • eine reine Lärm- oder fehlende-Reaktion-Bedingung Ruhr-Universität Die Hirnstammaudiometrie 42 Bochum Für viele Algorithmen ist eine Schätzung der Lärmvarianz erforderlich. Eine solche Schätzung schwächt jedoch jeden Algorithmus, wenn interne oder externe Artefakte auftreten. Der Nachweis-Algorithmus des Algo 1e Hörprüfgerätes umgeht dieses Problem durch eine binominale Stichprobensammlung, die sich eines rigorosen Testes bedient. Der Bediener erhält, als Meldung auf der Bildschirmanzeige, ein Nebenprodukt des benutzten statistischen Testes, das Wahrscheinlichkeitsverhältnis oder Likelihood ratio (LR) genannt wird. Das Wahrscheinlichkeitsverhältnis ist eine Funktion der standardisierten Variablen, die im Algorithmus verwendet wird. In der Praxis kann das Wahrscheinlichkeitsverhältnis als eine Leistungsbeurteilung betrachtet werden. Erreicht das Wahrscheinlichkeitsverhältnis einen Wert von 160 oder höher, beendet das Algo 1e Hörprüfgerät die Datenerfassung und zeigt für das betreffende Ohr die Meldung UNAUFFÄLLIG an. Dies bedeutet, daß die erfaßten Daten ausreichten, um zwischen dem Auftreten einer Reaktion-Plus-Lärm-Bedingung und dem Auftreten von reinem Lärm oder einer fehlende-Reaktion-Bedingung bei einer statistischen Sicherheit von über 99,98 % zu unterscheiden. Dieses Verfahren liefert ein genaues Kriterium für die Bewertung UNAUFFÄLLIG. Wenn bei 15000 Durchgängen ein Wahrscheinlichkeitsverhältnis von mindestens 160 nicht erreicht werden kann, zeigt das Algo 1e Hörprüfgerät die Meldung AUFFÄLLIG an. Das Gerät zeigt damit an, daß sich die erfaßten Daten, bei einem statistischen Sicherheitsniveau von über 99,98 % nicht von der Bedingung fehlende Reaktion unterscheiden. In diesem Fall wird ein Nachtesten erforderlich (Auszug aus: Peters, J., An automated infant hearing screener using advanced evoked response technology. The Hearing Journal, 39 (September), 1986). Abgesehen von dem Wahrscheinlichkeitsverhältnis wird dem Untersucher noch ein zweiter Parameter angezeigt: die Anzahl der sweep counts. Diese entspricht der Absolutzahl von sicher von der Hintergrundaktivität abgrenzbaren Reizantworten. Zuletzt gibt der Algo 1e noch den qualitativen Befund über die Intaktheit des Hörvermögens an. Ruhr-Universität Beschreibung des Patientengutes 43 Bochum 5 Beschreibung des Patientengutes 5.1 Auswahlkriterien der zu untersuchenden Kinder Für diese vergleichende Studie verschiedener Hörscreeningmethoden wurden mindestens 500 Kinder gesucht, die folgende Bedingungen erfüllen sollten: 1. Bei den ausgesuchten Testpersonen sollte es sich um reife Neugeborene mit einem relativ komplikationslosen, postpartalen Verlauf handeln. Somit durften weder extrem Frühgeborene, noch Kinder mit großen, postpartalen Anpassungsschwierigkeiten oder bereits erkennbaren Krankheiten einbezogen werden. 2. Zum Untersuchungszeitpunkt mußten die Neugeborenen bereits 48 Stunden alt sein, um einen durch das Geburtstrauma hervorgerufenen Paukenerguß mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können. Ein solcher Paukenerguß ist von Bedeutung, da er die Nachweisbarkeit von otoakustischen Emissionen beeinflußt. 3. Eine weitere Voraussetzung war ein normaler bis allenfalls mäßig erhöhter Bilirubinwert, da die in der Haut abgelagerten Moleküle die Ableitung der frühen akustischen Potentiale erschweren. 4. Selbstverständlich mußte auch die Zustimmung der Eltern für das Hörscreening vorliegen. In seltenen Fällen scheiterte hieran die Durchführung der Höruntersuchung. 5.2 Daten der untersuchten Kinder, der Schwangerschaftsverläufe und der Geburten Trotz der oben genannten Einschränkungen ist es gelungen, 530 Neugeborene im Zeitraum eines Jahres pädaudiologisch zu untersuchen. Von diesen Kindern waren 278 männlichen Geschlechts, was 52 % entsprach. Die Mädchen waren mit 253 und 48 % vertreten. Das minimale Geburtsgewicht belief sich auf 2050 g, das maximale auf 5080 g. Als Mittelwert ergab sich das Gewicht von 3327 g mit einer Stichprobenvarianz von 310906,66 g. Ruhr-Universität Beschreibung des Patientengutes 44 Bochum Diagramm 1: Geburtsgewichtsverteilung Anzahl 250 Geburtsgewicht 200 180 150 127 124 100 0 48 37 50 14 0 <=2000 > 2000 >2500 >3000 >3500 >4000 >4500 Gewicht in g Die Körperlänge variierte von 44 cm bis zu 58 cm mit einem Mittel bei 50 cm und folgender Varianz: 6,37 cm. Bei dem biparietalen Kopfumfang traten Schwankungen von 30 cm bis zu 39 cm auf. Der Mittelwert lag bei 35 cm mit einer Varianz von 2,51 cm. Unter den untersuchten Kindern fanden sich 63 Zwillingskinder, Drillinge oder Vierlinge zählten nicht zum Kollektiv. Der Anteil der Mehrlingsgeburten lag somit bei 11,9 %. Die Geschlechtsverteilung innerhalb der Zwillingspärchen ist in der folgenden Graphik dargestellt: Ruhr-Universität Beschreibung des Patientengutes 45 Bochum Diagramm 2: Geschlechtsverteilung unter den Zwillingen 3% 6% 1% 3% Einlinge Zwillinge (m/m) Zwillinge (w/w) Zwillinge (m/w) Zwillinge (k.A.) 87% Mit einer Anzahl von 232 Müttern waren fast die Hälfte (44 %) Erstgebärende; und das Durchschnittsalter der Mütter betrug 31 Jahre, die älteste Mutter war 41, die jüngste 16 Jahre alt. Die kürzeste Schwangerschaftsdauer wurde mit 34 Schangerschaftswochen angegeben, bei den Zwillingsschwangerschaften mit 35 Wochen. Keine Geburt erfolgte später als in der 42. Schwangerschaftswoche. Hieraus errechnet sich ein Mittelwert von 39 Wochen. Eine Belastung der Schwangerschaft durch einen oder mehrere Risikofaktoren war in 188 Fällen vorhanden. Hierbei traten folgende, nach ihrer Häufigkeit geordnete Schwangerschaftsrisiken auf: Ruhr-Universität Beschreibung des Patientengutes 46 Bochum Tabelle 1: Schwangerschaftsrisiken Vorzeitiger Blasensprung 74 (22,2 %) Alter der Mutter: ≥ 35 Jahre 71 (21,3 %) Erkrankungen der Mutter 38 (11,4 %) Zwillingsschwangerschaften 34 (10,2 %) Vorzeitige Wehen 24 (7,2 %) Blutungen 19 (5,7 %) Medikamenteneinnahme 14 ( 4,2 %) ≥ 2 Aborte 14 ( 4,2 %) Familiäre Belastungen 13 ( 3,9 %) Plazentainsuffizienz 11 ( 3,3 %) In-Vitro-Fertilisation 7 ( 2,1 %) Zustand nach Frühgeburt 7 ( 2,1 %) Sterilitätsbehandlungen 3 ( 0,9 %) Auffälliges CTG 1 ( 0,5 %) Fehlbildungen 1 ( 0,5 %) Bei dem Risikofaktor „Alter der Mutter ≥ 35 Jahre“ ist hinzuzufügen, daß hierbei zwischen Erstgebärenden und II. oder III. Gravida zu unterscheiden ist. Außerdem spielen die persönliche Einstellung und das biologische Alter eine große Rolle, so daß nicht jede Schwangerschaft im Alter von 35 Jahren als echte Risikoschwangerschaft angesehen werden kann. Zu den Erkrankungen der Mütter zählten Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus, Adipositas per magna, Uterus myomatosus, Myasthenia gravis oder auch Epilepsie. An Infektionen sind eine Toxoplasmose und eine Mumpserkrankung angegeben worden. Außerdem löste die Schwangerschaft selbst Erkrankungen wie den Gestationsdiabetes, die Gestose oder das HELLP-Syndrom aus. Ruhr-Universität Beschreibung des Patientengutes 47 Bochum Den Hauptteil der Medikamente stellten Tokolytika oder Dauermedikationen bei Vorerkrankungen der Mütter. Familiäre Belastungen waren durch vorangegangene Tot- oder Fehlgeburten, sowie behinderte Geschwisterkinder gegeben. Der häufigste Geburtsmodus war die spontane Geburt bei 331 Neugeborenen (62 %). In 130 Fällen, also 25 %, wurde eine Sectio caesarea durchgeführt. Mit 5 % liegt die manuelle Extraktion noch vor der Geburt mittels Forceps (4 %) oder der Vakuumextraktion (4 %). Diagramm 3: Geburtsmodus 4% 5% 4% spontan Sectio Vakuumextraktion Forceps manuell 25% 62% 396 Kinder wurden aus der Schädellage geboren. Diesem großen Anteil von 75 % standen 133 Beckenendlagen, das entspricht 25 %, und nur eine Querlage (0,2 %) gegenüber. Der Apgar-Index lag bei 79,66 % der untersuchten Neugeborenen in der 1., 5. und 10. Minute bei 9-10-10. Der niedrigste Apgar-Index betrug nur 2-4-6, der höchste jedoch 10-10-10. Ruhr-Universität Beschreibung des Patientengutes 48 Bochum Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren die Kinder zwischen minimal 48 Stunden und maximal 18 Tagen alt. Die prozentuale Verteilung zeigt die folgende Graphik: Diagramm 4: Alter der Kinder zum Zeitpunkt der Untersuchung Anzahl 200 174 180 Alter in Tagen 160 150 140 120 106 100 80 60 44 40 20 30 1 25 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Tage 5.3 Otopathogene Risikofaktoren und spezielle familiäre Belastungen Die angegebenen otopathogenen Risikofaktoren und speziellen familiären Belastungen beruhen ausschließlich auf den Angaben der Eltern während der kurzen Anamnese. Diese Informationen konnten somit weder in Bezug auf ihre medizinische Korrektheit noch auf Vollständigkeit überprüft werden. Als otopathogener Risikofaktor ist nur eine Antibiotikaeinnahme während der Schwangerschaft bekannt geworden. Ansonsten sind mehrere Hinweise auf eine familiäre Belastung gegeben worden: Ruhr-Universität Beschreibung des Patientengutes 49 Bochum • Schwerhörigkeit In zwei Fällen (0,4 %) litten die Mütter selber unter Schwerhörigkeit. Auch zwei Geschwisterkinder waren betroffen, von denen eines in logopädischer Behandlung und das andere zusätzlich geistig schwer behindert ist. Weitere zwei Familien (0,4 %) gaben ein familiär gehäuftes Auftreten von Hörstörungen an, konnten diese Aussage aber nicht präzisieren. • Surdomutitas Bei einer Mutter (0,19 %) lag eine Surdomutitas vor. Ihr erstes Kind ist bereits in der Vestischen Kinderklinik Datteln pädaudiologisch untersucht worden und laut Angabe der Mutter unauffällig. • Hörsturz Ein Vater (0,19 %) hat einen Hörsturz mit mehreren Rezidiven angegeben. Bei einer Mutter (0,19 %) ist sogar schon siebenmal ein Hörsturz aufgetreten. Trotz gleichzeitig bestehender Hör- und Sprachstörung lehnte diese jedoch eine Versorgung mit Hörgeräten ab. • Tinitus Bei einer Mutter (0,19 %) war die Problematik eines Tinitus bekannt. • Rezidivierende Otitiden Drei Geschwisterkinder (0,6 %) sind hiervon betroffen und zum Teil mit Paukenröhrchen versorgt worden. Eines dieser Kinder befindet sich wegen einer gleichzeitig vorliegenden Sprachstörung in logopädischer Behandlung. • Otosklerose Eine Otosklerose lag bei zwei Müttern (0,4 %) vor. Leider konnten diese keine weiteren Angaben hierzu machen. • Cholesteatom Ein Elternpaar (0,19 %) gab bei der Frage nach familiären Belastungen das gehäufte Auftreten von Cholesteatomen an. Trotz der aufgeführten Risikofaktoren und familiären Belastungen wurde bei keinem der Kinder von einem erhöhten Risiko für eine pränatale Hörschädigung ausgegangen. Ruhr-Universität Bochum Descriptive Darstellung einer 50 Hörscreeninguntersuchung 6 Descriptive Darstellung einer Hörscreeninguntersuchung 6.1 Aufklärung der Eltern des zu untersuchenden Kindes Noch ist ein Hörscreening kein offizieller Bestandteil der Neugeborenenerstuntersuchung U1 oder der Neugeborenenbasisuntersuchung U2. Außerdem sind die Hörscreeningmethoden nicht so bekannt und im allgemeinen von den Eltern akzeptiert wie andere Screeningtestes z.B. für Stoffwechselerkrankungen oder Hüftanomalien. Aus diesen Gründen haben alle Eltern einen schriftlichen Aufklärungsbogen mit Informationen über das angebotene Hörscreening erhalten. In diesem Bogen wurden die große Aussagekraft und der nicht invasive Charakter des Untersuchungsverfahrens betont (siehe Anhang 1). Nur in seltenen Fällen wurde die Höruntersuchung von den Eltern prinzipiell abgelehnt. Viele Fragen konnten in dem folgenden Gespräch geklärt werden, so daß die Eltern anschließend in die Untersuchung einwilligten. Natürlich wurde den Eltern die Möglichkeit gegeben, während des HörTestes im Untersuchungsraum anwesend zu sein. Dieses Angebot wurde fast immer angenommen und hat viele Eltern zusätzlich überzeugt. Insgesamt waren die Eltern einem Hörscreening gegenüber sehr positiv eingestellt und überrascht, daß schon für die ersten Lebenstage Untersuchungsmethoden zur Verfügung stehen. Insbesondere Familien mit der Erfahrung einer spät entdeckten Hörstörung befürworteten ein Hörscreening mittels objektiver Methoden zu diesem frühen Zeitpunkt. Die Eltern der untersuchten Kinder erhielten mit einem „pass“-Ergebnis die Gewißheit, daß ihr Neugeborenes zum Untersuchungszeitpunkt über ein normales Hörvermögen verfügt. Ein normales Hörvermögen bedeutet in diesem Falle, daß eine etwaige Hörstörung unter der Nachweisgrenze von 30 dB liegt und somit spracherwerbsrelevante Konsequenzen nahezu ausgeschlossen sind. Ruhr-Universität Bochum Descriptive Darstellung einer 51 Hörscreeninguntersuchung 6.2 Praktische Durchführung der Untersuchung Die Hörscreeninguntersuchungen fanden im Perinatalzentrum des St.-VincenzKrankenhauses statt und waren nach folgender Systematik gegliedert: 1. Zuerst wurde eine Schwangerschafts- und Geburtsanamnese erhoben. 2. Anschließend sind die otoakustischen Emissionen des Neugeborenen mit Hilfe des Echo-Screens untersucht worden. Bei einem „fail“-Ergebnis wurde die Messung am Ende der gesamten Untersuchung wiederholt. 3. Danach wurde die auditive Hirnstammreaktion mit dem Algo 1e überprüft. Im Falle eines „fail“-Ergebnisses fand eine Kontrollmessung statt. 4. Den Abschluß bildete eine kurze klinische Untersuchung, die aus der Beurteilung der äußeren Ohrmuschel, einer otoskopischen Überprüfung des Gehörganges und des Trommelfelles und der Kontrolle der Nasenatmung bestand. Alle Anamnese- und Untersuchungsbefunde wurden für jedes Kind in einem speziell ausgearbeiteten Untersuchungsbogen festgehalten (siehe Anhang 2). Dieser Bogen läßt sich in vier Komplexe aufteilen: 1. Vorgeschichte • Geburtsjahr der Mutter • frühere Schwangerschaften und Aborte • Risikoschwangerschaft (Schwangerschafts- und gynäkologische Risiken) • vorzeitiger Blasensprung 2. Geburt • Geschlecht • Mehrling • Entbindungsmodus • Geburtslage • Apgar-Index • Geburtsgewicht und -länge, Kopfumfang • Reife, small for date Ruhr-Universität Bochum Descriptive Darstellung einer 52 Hörscreeninguntersuchung 3. Klinische Untersuchung • Ohrbefund − Ohrmuschel − Gehörgang − Trommelfell • Nasenatmung 4. Objektive Audiometrie • Algo 1e − Vorlaufzeit − Vorbereitungszeit − Ableitzeit − Likelihood ratio rechts und links − sweep count rechts und links − Ergebnisse − Kontrollmessungen • Echo-Screen − Vorlaufzeit − Vorbereitungszeit − Ableitzeit − Stimulusqualität rechts und links − Artefaktehäufigkeit rechts und links − Ergebnisse − Kontrollmessung − Bemerkungen Im Idealfall lief eine Hörscreeninguntersuchung folgender Maßen ab: Voraussetzung war das Einverständnis der Eltern nach deren Aufklärung durch den Informationsbogen und ein zusätzliches Gespräch. Im Falle der Einwilligung erschienen die Eltern mit dem schläfrigen oder sogar schlafenden Säugling zum Hörscreening. Die Zeitspanne vom Aufruf der Eltern bis zum Eintreffen im Untersuchungsraum wird im weiteren Verlauf der Dissertation als Vorlaufzeit bezeichnet. Ruhr-Universität Bochum Descriptive Darstellung einer 53 Hörscreeninguntersuchung Auf eine kurze Schwangerschafts- und Geburtsanamnese erfolgte die Messung der otoakustischen Emissionen mit dem Echo-Screen. Bei einem „pass“-Ergebnis mit guten Stabilitäten (>85 %) wurde nur einmal gemessen, ansonsten ist später eine Kontrolle durchgeführt worden. Anschließend ist das Neugeborene für die automatisierte Hirnstammaudiometrie vorbereitet worden: Die farblich gekennzeichneten Elektroden mußten auf die Stirn, die Wange und in den Nacken geklebt werden. An den entsprechenden Stellen wurde die Haut durch Abwischen mit einer in alkoholhaltiger Lösung getränkten Baumwollkompresse vorbereitet. In wenigen Fällen gelang es so nicht, den Hautwiderstand unter die vom Algo 1e vorgegebene Grenze von 12 kOhm zu senken. Dies erforderte ein Peeling der betroffenen Hautstellen. Nach den Elektroden sind die Einmalkopfhörer plaziert worden, rot kodierte hierbei die rechte und blau die linke Seite. Diese Vorbereitungen sind in der im weiteren Verlauf angegebenen Vorbereitungszeit enthalten. Im Anschluß hieran lief die Überprüfung der auditiven Hirnstammreaktion erst für das rechte und danach für das linke Ohr ab. Beim Auftreten von Artefakten, wie z.B. spontanen Bewegungen im Schlaf, stoppte der Algo 1e die Messung und signalisierte das Vorliegen der Artefakte. Auch Störlärm führte zu einer kurzen Unterbrechung der Ableitung. Im Mittel benötigte der Algo 1e nur 6,37 Minuten für die Ableitung der Hirnstammpotentiale und die Beurteilung des Hörvermögens beider Seiten. Lediglich bei acht Neugeborenen, das heißt 1,51 %, mußte eine Kontrollmessung durchgeführt werden. Bei allen Kindern sind anschließend der Gehörgang und das Trommelfell otoskopisch untersucht worden. Zusätzlich wurde die Nasenatmung kontrolliert und die Form der äußeren Ohrmuschel beurteilt. Bei auffälligen Echo-Screen-Ergebnissen fand abschließend eine Kontrollmessung statt. Die Eltern erfuhren sofort nach dem Hörscreening das Ergebnis, welches auch in den Krankenhausunterlagen der Neugeborenen vermerkt wurde. 6.3 Die Abhängigkeit von Umgebungsfaktoren bei einem Hörscreening mit dem Algo 1e Da der Algo 1e nach dem Prinzip der automatisierten Hirnstammaudiometrie arbeitet, wird er zu den objektiven Methoden gerechnet. Somit ist dieses Untersuchungsverfahren unabhängig von der Kooperation der Testperson und durch die neue Signalverarbeitungstechnik auch vom durchführenden Untersucher. Trotzdem wird der Ablauf der Messung von verschiedenen Faktoren beeinflußt. Hierzu sind als wich- Ruhr-Universität Bochum Descriptive Darstellung einer 54 Hörscreeninguntersuchung tigste die räumlichen Bedingungen, die Compliance der Eltern und die Kooperation und Flexibilität des Krankenhauspersonales zu zählen: • Ein nur für die Hörscreeningtests reservierter Raum ist eine der Voraussetzungen für akzeptable Ableitzeiten und Screeningergebnisse. Ohne einen eigenen Raum wird die Messung durch Störlärm stark verzögert oder kann unter Umständen nicht zu Ende geführt werden. Außerdem schläft das Neugeborene abseits vom normalen Stationslärm leichter ein oder wird zumindest ruhiger. Eine akustische Isolierung in Form von schalldichten Türen und Wänden ist von Vorteil, nicht aber als Grundvoraussetzung anzusehen. Hiervon unabhängig sollten Wechlselstromüberlagerungen, z.B. durch Monitore oder die Heizungen von Wärmebetten, vermieden werden. • Neben der Zustimmung für den Hörtest ist auch die Compliance der Eltern für den Ablauf des Hörscreenings wichtig. Die Eltern können z.B. durch ihre Mitarbeit für eine zügige und reibungslose Abwicklung der Screeninguntersuchung sorgen. Bei weniger kooperativen Eltern kommt es z.B. durch Telefonate oder durch anwesende Besucher zu zeitlichen Verzögerungen. • Die Kooperation und Flexibilität der Krankenhausmitarbeiter fördert vor allem das Vertrauen der Eltern. Sie geben ihre Zustimmung zu einem Hörscreening viel leichter, wenn schon vorher von Ärzten und Säuglingsschwestern über diese Möglichkeiten gesprochen wurde. Außerdem können die Stationsmitarbeiter den Ablauf des Hörscreenings durch die richtige Vorbereitung positiv beeinflussen. So ist es z.B. sehr hilfreich, wenn das Neugeborene während der Untersuchung gesättigt ist. Das Pflegepersonal kann somit den Hörtest durch die Bereitstellung von Milch, Glukose oder Tee unterstützen. Es ist auch wichtig, daß am Tag der Untersuchung ölhaltige Cremes oder Badezusätze vermieden werden, da solche Substanzen den Hautwiderstand erhöhen. Alle genannten Faktoren können vor allem den zügigen Ablauf des Screening stören, so daß oftmals Zeitverluste resultieren. Der auch ökonomisch bedeutsame Faktor Zeit wird zusätzlich noch durch die Problematik des externen oder internen Untersuchers beeinflußt. Einem externen Untersucher stehen meist maximal 10 Wochenstunden zur Verfügung. In dieser kurzen Zeit steht der Untersucher zwei Problemen gegenüber: Zum einen müssen alle Kinder untersucht werden, die bereits 48 Stunden Ruhr-Universität Bochum Descriptive Darstellung einer 55 Hörscreeninguntersuchung alt sind und eventuell beim nächsten Screeningtermin entlassen sein könnten. Die Anzahl der Neugeborenen unterliegt aber natürlicherweise starken Schwankungen, so daß die zur Verfügung stehende Zeit oft nicht mit dem Arbeitsaufwand konform geht. Zum anderen kann der Untersucher keine Rücksicht auf ungünstige Umstände nehmen, da aufgrund des kurzen Krankenhausaufenthaltes nur selten auf einen Ausweichtermin zurückgegriffen werden kann. Die durchschnittliche Liegezeit beträgt zwar bei Sectiones 10 Tage, aber nur vier Tage bei Spontangeburten. Eine interne Pflegekraft, die nach einer kurzen Schulung für das Hörscreening verantwortlich ist, kann sich ihre Meßzeiten flexibel einteilen. Sie kennt die zu untersuchenden Kinder und den Stationsablauf, so daß günstige Momente für einen Hörtest genutzt werden können. Außerdem ist eine solche Pflegekraft schon mit den Eltern bekannt, wodurch zusätzlichen Vertrauen entsteht. Ruhr-Universität Ergebnisse 56 Bochum 7 Ergebnisse 7.1 Ergebnisse der Hirnstammaudiometrie mit dem Algo 1e Von den 530 durchgeführten Hörscreeninguntersuchungen mit dem Algo 1e wiesen nur acht Ableitungen pathologische Ergebnisse auf. Diagramm 5: Häufigkeit der pathologischen Befunde Anzahl 10 9 8 8 7 6 6 5 4 3 2 1 1 1 path. B. li path. B. beidseitig 0 path. B. gesamt path. B. re In diesen acht Untersuchungen erreichten die Neugeborenen bei 15.000 SWPs keine LR von 160 und wurden deshalb vom Algo 1e als auffällig deklariert. Bei der direkt folgenden Kontrollmessung erhielten sieben dieser Kinder ein „pass“-Ergebnis. Nur in einem Fall mußte später eine zweite Kontrollmessung durchgeführt werden, die dann letztendlich auch ein unauffälliges Ergebnis lieferte. Die 522 „pass“-Ergebnisse lassen sich nach ihren SWPs und LRs noch weiter unterscheiden: Zum einen kann eine Einteilung vorgenommen werden, die auf der unterschiedlichen Anzahl von sweep counts bis zum Erreichen eines ausreichenden Wahrscheinlichkeitsverhältnisses beruht. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß Ruhr-Universität Ergebnisse 57 Bochum keitsverhältnisses beruht. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß der Algo 1e für das Bestehen mindestens 1000 sweep counts fordert und die Ergebnisse in Abständen von 500 sweep counts angibt. Bei den in dieser Studie untersuchten Neugeborenen erhielt der größte prozentuale Anteil ein „pass“-Ergebnis bereits bei 1000 sweep counts. Für das rechte Ohr ergaben sich 29,06 %, für das linke 35,47 %. Den zweithöchsten Prozentsatz nahmen die Messungen mit 1500 sweep counts ein, und zwar 17,17 % für das rechte und 20,57 % für das linke Ohr. Mit steigenden sweep counts sanken die prozentualen Anteile antiproportional. Eine Ausnahme bildeten die Werte bei 3500-5000 sweep counts. Hier wurden noch einmal 11,70 % für das rechte, beziehungsweise 9,62 % für das linke Ohr gemessen. Eine genaue Übersicht gibt die folgende Graphik: Diagramm 6: Anzahl der sweep counts bei einem „pass“-Ergebnis Anzahl 200 188 180 160 links 154 rechts 140 120 109 100 91 80 66 77 60 48 51 40 38 42 51 62 31 17 20 0 1000 1500 2000 2500 3000 35005000 55007500 7 6 5 13 1 3 8000- 10500- 1300010000 12500 15000 SWPs Zum anderen ist eine Klassifizierung aufgrund unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsverhältnisse bei festgelegten sweep counts möglich. In diesem Falle ist anzumerken, daß der Algo 1e ein Wahrscheinlichkeitsverhältnis von 160 als Minimum für ein „pass“-Ergebnis benötigt. Zuerst wurden die Wahrscheinlichkeitsverhältnisse für eine Zahl von 1000 Sweep counts aufgeschlüsselt: In der Spanne von einer LR von 201-250 zeigte sich ein Gipfel mit 24,03 % beim rechten und 22,87 % beim linken Ohr. Die einzige nennenswerte Seitendifferenz fiel bei einer LR von 301-400 auf: Hier bildete sich eine Differenz von 6,99 % zwischen der rechten (14,29 %) und Ruhr-Universität Ergebnisse 58 Bochum der linken Seite (21.28 %) aus. Die weitere Verteilung wird in der nachstehenden Graphik deutlich. Diagramm 7: Verteilung der LR bei einem sweep count von 1000 Anzahl 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 43 links rechts 40 37 30 26 24 24 23 20 22 23 22 6 2 160-180 181-200 201-250 251-300 301-400 401-700 >700 LR Analog hierzu sind die Daten zu sweep counts von 1500 und 2000 erstellt worden. Bei einer Anzahl von 1500 sweep counts lag der größte prozentuale Anteil mit 35,16 % für das rechte und 34,86 % für das linke Ohr bei einer LR von 201-250. Große Seitendifferenzen ergaben sich bei einer LR von 160-180 mit 14,52 % und bei einer LR von 180-200 mit 13,72 %. Weiterhin war auffällig, daß nur einmal eine LR von über 400 erreicht wurde. Bei einer Zahl von 1000 sweep counts war dies 53 mal der Fall. Die Graphik verdeutlicht die aufgeführten Meßdaten. Ruhr-Universität Ergebnisse 59 Bochum Diagramm 8: Verteilung der LR bei einem sweep count von 1500 Anzahl 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 links rechts 38 32 30 29 21 14 11 12 7 5 0 160-180 181-200 201-250 251-300 301-400 1 401-700 0 0 >700 LR Für 2000 sweep counts ergab sich ein Maximum von 40,16 % auf der rechten und 33,33 % auf der linken Seite bei einer LR von 201-250. Hier befand sich auch der größte Unterschied zwischen rechtem und linkem Ohr mit 6,93 %. Außerdem lieferten fünf Messungen eine LR von über 400. Die genauen Ergebnisse werden in der folgenden Graphik dargestellt. Diagramm 9: Verteilung der LR bei einem sweep count von 2000 Anzahl 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 links rechts 31 21 20 22 17 15 6 2 160-180 181-200 201-250 251-300 2 2 301-400 2 2 401-700 0 1 >700 LR Die großen Schwankungen im Bereich der sweep counts und der Wahrscheinlichkeitsverhältnisse erklären sich durch die Unterschiede in der Kurvenform der abgeleiteten Potentiale der Neugeborenen und der des Algo 1e. Im Falle einer absoluten Kongruenz ergäben sich bei dem geforderten Minimum von 1000 sweep counts ein maximales Wahrscheinlichkeitsverhältnis. Mit zunehmender Abweichung der Kur- Ruhr-Universität Ergebnisse 60 Bochum venform des Neugeborenen von der der Schablone nimmt die benötigte Anzahl der sweep counts zu, das Wahrscheinlichkeitsverhältnis jedoch ab. Diese Abweichungen werden bis zu einer Anzahl von 15.000 sweep counts akzeptiert und als unauffällig befundet, falls sie ein Wahrscheinlichkeitsverhältnis von 160 aufweisen. Alle darüber hinausgehenden Werte werden wegen der großen Differenzen zwischen den Kurvenformen als auffällig deklariert. Somit kennzeichnen die variierenden sweep counts und Wahrscheinlichkeitsverhältnisse den Grad der Abweichung von der Schablone des Algo 1e. Allerdings ist dies innerhalb der genannten Grenzen kein Hinweis auf das Vorhandensein einer Fehlfunktion des Hörorganes. Im weiteren werden die zeitlichen Parameter der Hörscreeninguntersuchungen mit dem Algo 1e vorgestellt: Gemäß des Ablaufes des Neugeborenenscreenings wurde zuerst die Vorlaufzeit gemessen und bewertet. Diese beginnt mit der Frage nach dem Einverständnis und dem Aufruf der Eltern und endet mit dem Erscheinen im Untersuchungsraum. Das Aufklärungsgespräch, welches sowohl die Hirnstammaudiometrie als auch die Messung der otoakustischen Emissionen betraf, ist nicht enthalten. Bei 268 Kindern (50,47 %) betrug die Vorlaufzeit genau zwei Minuten. Als Mittelwert ergaben sich 3,81 Minuten. Die weitere Verteilung ist der folgenden Graphik zu entnehmen: Ruhr-Universität Ergebnisse 61 Bochum Diagramm 10: Aufteilung der Vorlaufzeit 5% 8% 11% < 2 min = 2 min > 2-5 min > 5-10 min > 10 min 25% 51% Hieran schloß sich die Vorbereitungszeit an, in der das Neugeborene mit Kopfhörern und Elektroden für die Messung mit dem Algo 1e versorgt wurde. Bei 73,03 %, das heißt 388 Kindern, betrug diese Zeit weniger als zwei Minuten, bei 17 Untersuchungen (3,2 %) jedoch mehr als sechs Minuten. Insgesamt ergab sich eine mittlere Vorbereitungszeit von 2,68 Minuten. Die nachstehende Graphik zeigt die prozentuale Verteilung: Ruhr-Universität Ergebnisse 62 Bochum Diagramm 11: Aufteilung der Vorbereitungszeit 4% 3% 20% <= 2 min > 2-4 min > 4-6 min > 6 min 73% Wesentlichen Einfluß auf den Parameter Vorbereitungszeit hatte der Hautwiderstand. Bei einem niedrigen Hautwiderstand ließ sich die Haut zügig und problemlos für die Ableitung der frühen akustischen Potentiale vorbereiten. Bei 37 Kindern (7 %) bereitete jedoch ein hoher Hautwiderstand Probleme beim Kleben der Elektroden beziehungsweise beim Ableiten der Hirnstammreaktionen. In diesen Fällen war ein mehrfacher Elektrodenwechsel, im Höchstfalle sogar vierfach, und ein Peeling zur Reduzierung des Hautwiderstandes erforderlich. Ein Neugeborenes konnte trotz wiederholter Elektrodenwechsel und mehreren Peelings nicht untersucht werden, da der Hautwiderstand weiterhin über dem Grenzwert des Algo 1e lag. Ein einziges Mal mußte das Hörscreening aufgrund einer allergischen Reaktion auf die Pflasterelektroden und/oder das Peeling abgebrochen werden. Das Kind hatte mit einer flächenhaften Rötung der Haut reagiert. Die eigentliche Ableitzeit betrug im Mittel 6,37 Minuten. Den größten prozentualen Anteil von 45,39 % (241 Neugeborene) nahm eine Ableitzeit zwischen drei und fünf Minuten ein. Die weiteren Werte sind in der nachstehenden Graphik aufgeführt. Ruhr-Universität Ergebnisse 63 Bochum Diagramm 12: Aufteilung der Ableitzeit 4% 3% 1% 22% 7% < 3 min 3-5 min > 5-10 min > 10-15 min > 15-20 min > 20-30 min > 30 min 18% 45% Die Ableitzeit verlängert sich vor allem durch verschiedene Hirnaktivitäten des Neugeborenen während der Messung. Solch eine erhöhte Hintergrundtätigkeit, ausgelöst z.B. durch Muskelartefakte, Träume oder auch den Wechsel zwischen den einzelnen Schlafphasen, erschwert die Abgrenzung der echten Reizantworten. Bei zu starken Hirnaktivitäten bricht der Algo 1e das Hörscreening daher ab. Es ist somit wünschenswert, daß die Neugeborenen während der Untersuchung schlafen, da im Schlaf die Hintergrundtätigkeiten von relativ schwacher Intensität sind und die Ableitung der echten Reizantworten kaum behindern. Von den 530 Untersuchungen dieser Studie mußten 31 (5,8 %) aufgrund des unruhigen Verhaltens oder starken Weinens der Neugeborenen ganz oder teilweise abgebrochen werden. Diese 31 Wiederholungsmessungen sind in den folgenden Punkten erneut enthalten, so daß sich insgesamt 561 Untersuchungen ergeben. Eine große Anzahl von 282 (53,1 %) Ableitungen konnte bei tief schlafenden Kindern durchgeführt werden, die auch während der Messungen nicht aufwachten. 92 Neugeborene (17,3 %) schliefen zwar zu Beginn, erwachten aber im Laufe des Hörscreenings und wurden unruhig oder weinten. Allerdings wachte die deutliche Mehrheit bereits bei der Messung der otoakustischen Emissionen und nicht erst bei der Hirnstammaudiometrie auf. Ein Anteil von 33 Kindern (6,2 %) wurde sehr unruhig in den Untersu- Ruhr-Universität Ergebnisse 64 Bochum chungsraum gebracht, schlief dann aber, meist während der Messung mit dem Algo 1e, ein. Bei 125 Kindern (23,5 %) konnte das Hörscreening nur mit großen Schwierigkeiten durchgeführt werden, da diese extrem unruhig waren oder geweint haben. In solchen Fällen ist das Neugeborene oft auf dem Arm eines Elternteils untersucht worden, oder die Mutter hat es sogar zum Stillen angelegt. Diagramm 13: Verhalten der Säuglinge während der Untersuchung 1. Messung wegen Unruhe abgebrochen 31 125 schreiend 33 anfangs unruhig 92 anfangs ruhig 282 schlafend 0 50 100 150 200 250 300 Anzahl Prinzipiell wird darauf hingewiesen, daß bei keiner Untersuchung Sedativa verwendet wurden, was in vergleichbaren Studien durchaus der Fall war. Ein weitere Störquelle, die die Ableitzeit negativ beeinflußt, ist der Umgebungslärm. Bei zu hohem Lärmpegel kann der Algo 1e die registrierten Antworten nicht mehr sicher auf die von ihm produzierten Clicks zurückführen und unterbricht daher die Ableitung. In dieser Studie führte bei 25 Untersuchungen (4,7 %) ein erheblicher Störlärm zu Unterbrechungen und damit zu einer Verlängerung der Ableitzeit. Einige Ursachen für einen solchen Störlärm werden im folgenden exemplarisch aufgeführt: Ruhr-Universität Ergebnisse 65 Bochum • Dienstbesprechung im Nebenzimmer des Untersuchungsraumes • pädiatrische Untersuchungen • Handwerkerlärm • Gespräche der Eltern oder von Besuchern • Hubschrauberlandungen • Schützen- oder St. Martinsumzüge im Krankenhauspark Bei einem nicht schallisolierten Untersuchungsraum können alle genannten Faktoren zu einer Unterbrechung der Messung aufgrund von Störlärm führen. Selbstverständlich gilt dies für alle Hörscreeningverfahren, die auf eine ruhige Umgebung angewiesen sind. 7.2 Vergleich mit den Resultaten der Messung von otoakustischen Emissionen Ähnlich wie bei der Hirnstammaudiometrie mittels des Algo 1e werden bei der Messung der otoakustischen Emissionen mit dem Echo-Screen zusätzlich zum qualitativen Befund zwei weitere Parameter angegeben: die Stimulusqualität und die Artefaktehäufigkeit. Allerdings ist der qualitative Befund nicht an bestimmte Vorgaben in bezug auf diese Parameter gebunden, so daß auch bei niedriger Stimulusqualität und hoher Artefaktehäufigkeit „pass“-Ergebnisse vorkamen. Orientiert an der pädaudiologischen Fachliteratur sind in dieser Studie eine Stimulusqualität von 85 % und eine Artefaktehäufigkeit von weniger als 2 % angestrebt worden. Die nun folgenden Daten erfüllen diese Vorgaben jedoch nicht zwingend; bei dem Vergleich mit der Hirnstammaudiometrie wurde mehr Wert auf die „pass“- beziehungsweise „fail“-Ergebnisraten gelegt. Insgesamt sind 519 Messungen auswertbar. Die Rate von „fail“-Ergebnissen lag sehr viel höher als beim Algo 1e. Es erhielten 154 Kinder (29,6 %) ein „fail“-Ergebnis, welches bei 44 (8,4 %) beide Ohren betraf. Zum direkten Vergleich sind die prozentualen Verteilungen der Hirnstammaudiometrie in der Graphik mitabgebildet. Ruhr-Universität Ergebnisse 66 Bochum Diagramm 14: Vergleich der „pass“- und „fail“-Ergebnisse nach der ersten Messung 100% 90% 98,49% Algo 1e Echo-Screen 80% 70,33% 70% 60% 50% 40% 30% 21,19% 20% 8,48% 10% 1,32% 0% bds. pass eins. fail 0,19% bds. fail Beim Auftreten von „fail“-Ergebnissen, Stimulusqualitäten von weniger als 85 % oder Artefaktehäufigkeiten von über 2 % sollten Folgeuntersuchungen durchgeführt werden. Diese Kontrollen waren aber aufgrund von unruhigen Kindern, einer ablehnenden Haltung der Eltern oder aber auch wegen Störlärms nicht immer möglich. Das rechte Ohr ist trotz dieser Schwierigkeiten 83 mal (15,9 %), das linke 110 mal (21,2 %) nachgemessen worden. Eine beidseitige Kontrolle war 141 mal (27,2 %) erforderlich, so daß insgesamt bei 334 Kindern (64,4 %) 504 Folgemessungen stattgefunden haben. Durch diese Kontrollen konnten weitere 46 Neugeborene mit einem vorerst einseitigen „fail“-Ergebnis und 5 weitere mit einem zuvor beidseitigen „fail“Ergebnis ein beidseitiges „pass“-Ergebnis erzielen (52 Kinder, entspricht 9,8 %). 11 mal (2,1 %) ergab sich zumindest einseitig nach erst negativem Befund ein positives Ergebnis. Die nach den Kontrollen geänderte prozentuale Verteilung stellt sich folgendermaßen dar: Ruhr-Universität Ergebnisse 67 Bochum Diagramm 15: Vergleich der „pass“- und „fail“-Ergebnisse nach Kontrolluntersuchungen 100% 90% 80% 100,00% Algo 1e Echo-Screen 80,15% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 14,45% 10% 0,00% 0% bds. pass eins. fail 0,00% 5,40% bds. fail Ziel der Kontrollmessungen war neben dem Erreichen eines „pass“-Ergebnisses auch eine Verbesserung der Stimulusqualität. Unabhängig vom qualitativen Befund „pass“ / „fail“ konnte bei 67 Neugeborenen (12,9 %) inklusive der Nachmessungen keine Stimulusqualität von mindestens 85 % für das rechte Ohr erreicht werden. Für das linke Ohr trat dieser Fall 78 mal (15 %) auf, so daß bei 145 Ergebnissen einseitig eine unbefriedigende Stimulusqualität bestehen blieb. Bei 27 Kindern (5,2 %) brachten die Kontrollmessungen beidseits keine Stimulusqualität von über 85 % ein. In 21 Fällen (4,03 %) erfolgten sogar mehrere beidseitige Nachmessungen, ohne daß dies die Ergebnisse verbessert hätte. Ruhr-Universität Ergebnisse 68 Bochum Diagramm 16: Verteilung der Stimulusqualitäten unter Berücksichtigung der Kontrollmessungen 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 12,90% 87,10% 15,00% 85,00% 27,90% 5,20% 33,10% 94,80% 72,10% 66,90% Stimulus > 85% Stimulus < 85% rechts links einseitig gesamt beidseitig gesamt Der Parameter „Stimulusqualität“ läßt keinen direkten Vergleich mit den Parametern der Hirnstammaudiometrie zu. Er ist aber hier aufgeführt, da niedrige Stimulusqualitäten zu Kontrollmessungen führen, und diese wiederum die Meßzeit deutlich verlängern. Im folgenden sollen die verschiedenen zeitlichen Parameter der Hirnstammaudiometrie und der Messung der otoakustischen Emissionen verglichen werden: Im Rahmen dieser Studie waren die Vorlaufzeiten für beide Verfahren identisch, da die Untersuchungen direkt nacheinander durchgeführt wurden. Die Vorbereitungszeit beinhaltete bei der Messung mit dem Echo-Screen die Kontrolle des Ladezustandes der Batterie und die Auswahl eines adäquaten Silikonadapters, orientiert an der Gehörgangsweite des zu untersuchenden Kindes. Da der Batteriecheck zeitlich genormt ist, und die Auswahl des passenden Silikonadapters nur wenige Sekunden in Anspruch nahm, belief sich die Vorbereitungszeit regelmäßig auf eine Minute. Die Meßzeit, die der Ableitzeit der Hirnstammaudiometrie entspricht, ist als die Zeit zu verstehen, in der ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden konnte. Es sind also mindestens zwei Messungen, je einmal rechts und einmal links, höchstens je- Ruhr-Universität Ergebnisse 69 Bochum doch sechs Messungen enthalten. Bei dieser Definition ergab sich eine mittlere Meßzeit von 4,43 Minuten. Dies bestätigte sich auch durch den größten prozentualen Anteil von 24,42 % (127 Messungen) bei einer Meßzeit zwischen drei und fünf Minuten. Ein Ergebnis unter zwei Minuten erreichten 11,71 % (61 Messungen). Dem stehen 0,58 % (4 Messungen) mit einer Meßzeit von über 15 Minuten gegenüber. Diagramm 17: Aufteilung der Meßzeit 5% 1% 12% 9% 11% 21% 24% < 2 min = 2 min = 3 min > 3-5 min > 5-7 min > 7-10 min > 10-15 min > 15 min 17% Insgesamt stellt sich der Vergleich der verschiedenen Zeiten folgendermaßen dar: Ruhr-Universität Ergebnisse 70 Bochum Diagramm 18: Zeitenvergleich min 14 12 12,86 Algo 1e Echo-Screen 10 9,24 8 6,37 6 4 3,81 4,43 3,81 2,68 2 1,00 0 Vorlaufzeit Vorbereitungszeit Meßzeit Gesamtzeit Hierbei muß berücksichtigt werden, daß bei einer Gesamtuntersuchungszeit von 12,86 Minuten beim Algo 1e 100 % verwertbare, beidseitige „pass“-Ergebnisse vorlagen. Der Echo-Screen konnte nur eine Rate von 80,15 % für beidseitige „pass“Ergebnisse aufweisen. Außerdem ist bei 33,1 % der Messungen trotz Wiederholungen die Aussagekraft wegen schlechter Stimulusqualitäten fraglich. 7.3 Ergebnisse der klinischen Untersuchung Bei den klinischen Untersuchungen der 530 Neugeborenen konnten keine pathologischen Besonderheiten festgestellt werden. Es zeigten sich aber einige Auffälligkeiten in bezug auf die Ohrmuschel und den Gehörgang. Acht Kinder (1,5 %) boten das Bild einer einseitig unvollständigen Entfaltung der Ohrmuschel. Einmalig ist eine durch das Geburtstrauma verursachte Wunde aufgetreten (0,19 %). Bei einem Neugeborenen (0,19 %) fand sich ein Anhängsel der Ohrmuschel, welches vom Pädiater abgebunden wurde. Im Gehörgang ist bei 81 Kindern (15,3 %) ein Sekret aufgefallen, wie z.B. Cerumen, Vernix caseosa oder Fruchtwasser. Bei 38 Neugeborenen (7,2 %) stellte sich der Ge- Ruhr-Universität Ergebnisse 71 Bochum hörgang extrem schmal oder schlitzförmig dar, und neunmal (1,7 %) wurde eine Rötung beschrieben. Die genannten Auffälligkeiten traten sowohl einseitig als auch beidseitig auf. Diagramm 19: Befundung der Gehörgänge 7% 2% 15% o.p.B. Sekret schmaler Gehörgang Rötung 76% Alle gut einsehbaren Trommelfelle waren altersentsprechend und unauffällig. In 17 Fällen (3,2 %) konnte das Trommelfell jedoch nicht beurteilt werden, da es nicht oder nur schlecht einsehbar war. Auch die Kontrolle der Nasenatmung zeigte keine auffälligen Befunde. Bei 92 Kindern (17,36 %) fand sich ein Sekret, und zwar 57 mal einseitig (10,75 %) und 35 mal beidseitig (6,60 %). In den ersten Lebenstagen ist hierbei jedoch eher von Fruchtwasserresten als von einer Infektion auszugehen. Insgesamt erbrachte die klinische Untersuchung bei keinem Neugeborenen einen Hinweis auf eine Schädigung des Hörorganes oder eine sonstige Erkrankung. Ruhr-Universität Diskussion 72 Bochum 8 Diskussion Aufgrund der aktuellen Diskussion über die Einführung eines generellen Hörscreenings wird die Eignung verschiedener Hörprüfverfahren getestet. Das Anliegen dieser Dissertation besteht aus einer Einschätzung der automatisierten Hirnstammaudiometrie als Hörscreeningmethode. Hierzu sind 530 Neugeborene mit dem Algo 1e und zusätzlich mit dem Echo-Screen auf einen angeborenen Hörschaden hin untersucht worden. Der Beurteilung des Algo 1e wird eine Darstellung der Anforderungen an ein Neugeborenenhörscreening vorangestellt. Eine Screeninguntersuchung erweist sich bei solchen Erkrankungen als sinnvoll, deren Frühdiagnose eine gute Therapie ermöglicht und somit den sonst schweren Verlauf bei Nichterkennung verhindert. Diese Konstellation trifft auf eine angeborene Hörstörung zu. Die Therapiemöglichkeiten bestehen aus einer frühen Hörgeräteversorgung oder auch aus einem Cochleaimplantat. Die Effizienz dieser frühen Interventionen wird in einer Studie von Yoshinaga-Itano und seinen Mitarbeitern deutlich. Verglichen wurde die sprachliche Entwicklung von Kindern, deren angeborene Hörstörung bereits im Neugeborenenalter durch einen Screeningtest festgestellt wurde, mit der von solchen Kindern, deren seit Geburt bestehende Hörschädigung erst nach dem sechsten Lebensmonat diagnostiziert wurde. Hierbei zeigte das erstgenannte Kollektiv eine nahezu normale Sprachentwicklung, die die des zweiten Kollektives signifikant übertraf (Yoshinaga-Itano C.; 1995). Die audiogenen Entwicklungsstörungen als Folgen einer unentdeckten und somit unbehandelten Dysakusis sind in pädaudiologischen Fachkreisen seit langem bekannt und werden als Argument für ein universelles Hörscreening angeführt. Ein Literaturvergleich liefert als Ergebnis die nahezu einstimmige Forderung eines generellen Hörscreenings in den ersten Lebenstagen. Pionierarbeit leistete auf diesem Gebiet Marion Down bereits in den frühen siebziger Jahren in den USA (Down, M. P., Sterritt; G. M., 1964). Auch Bess und Paradise wiesen später auf die Notwendigkeit, aber auch auf die Schwierigkeiten eines allgemeinen Neugeborenenhörscreenings hin (Bess, F. H.; Paradise, J. L.; 1994). Im Jahre 1996 gab das Comittee on Genetics Informationsschriften zum Neugeborenenhörscreening in den USA und allen seinen Territorien heraus (Comittee on Genetics, 1996). Als wichtige Institutionen, die sich für die Einführung eines universellen Hörscreenings im Neugeborenenalter seit Ruhr-Universität Diskussion 73 Bochum sellen Hörscreenings im Neugeborenenalter seit Jahren einsetzen, sind beispielhaft die National Institutes of Health und das Joint Comittee on Infant Hearing zu nennen (National Institutes of Health, 1993; Joint Comittee on Infant Hearing, 1995). Auch in Deutschland bemühen sich viele Pädaudiologen um die Durchsetzung eines flächendeckenden Hörscreenings. Prinzipiell wird das Neugeborenenhörscreening also von vielen Seiten befürwortet und sogar gefordert. Im Vordergrund steht nun die Suche nach einer geeigneten Screeningmethode. Neben finanziellen Aspekten spielen auch klinische Überlegungen eine Rolle. Die hieraus resultierenden Anforderungen an ein Verfahren, das im Rahmen eines Neugeborenenhörscreenings eingesetzt werden soll, können folgendermaßen formuliert werden (H. Röchling, 1998): 1. Die Untersuchungsmethode muß selbstverständlich bei Neugeborenen angewandt werden können. Weiterhin wird von der Hörscreeningmethode ein non-invasiver, dem Patienten zumutbarer Charakter gefordert. 2. Die Sensitivität des eingesetzten Verfahrens sollte bei 100 % liegen, außerdem ist eine hohe Spezifität von Vorteil, nicht aber unbedingt notwendig. 3. Die Anwendung der ausgewählten Untersuchungsmethode sollte sowohl zeit- als auch kostengünstig sein und eine hohe Praktikabilität bei großen Reihenuntersuchungen aufweisen. Zu 1.: Die erste Anforderung wird vom Algo 1e erfüllt, da die automatisierte Hirnstammaudiometrie als objektives Verfahren unabhängig von der Kooperation des Probanden durchgeführt werden kann. Weiterhin wird der Algo 1e vom Hersteller als ein bedienerfreundliches, tragbares, nicht invasives Gerät zur Prüfung eines Hörschadens bei Neugeborenen bezeichnet (Nautus Medical Inc., 1997). Zu 2.: Der in den Bedingungen für ein Screeningverfahren enthaltenen Forderung nach einer hohen Sensitivität kann der Algo 1e ebenfalls gerecht werden. Ein Literaturvergleich zeigt, daß die Sensitivität häufig mit 100 % angegeben wird (Northern, J. L. und Hayes, D., 1994; Mehl; A. L., Thomson, V., 1998). Für die Spezifität existieren unterschiedliche Angaben innerhalb der Fachliteratur. Bei vielen Studien ergab sich jedoch auch hier ein Wert von über 90 % (Röchling, H., 1998; Northern, J. Ruhr-Universität Diskussion 74 Bochum L. und Hayes, D., 1994). Auch die von B. S. Herrmann et al. zusammengefaßten Studien liefern ähnliche Daten für die Sensitivität beziehungsweise für die Spezifität: 100 % bzw. 97 % bei Hall, Kileny, Ruth und Kripal (1987), 80 % bzw. 96 % bei von Wedel, Schauseil-Zipf und Doring (1988), 100 % bzw. 96 % bei Jacobson, Jacobson und Spahr (1990) und 100 % bzw. 98 % bei Herrmann et al. (Herrmann, B. S., et.al., 1995). Der Algo 1e entspricht aufgrund seiner technischen Voraussetzungen somit den ersten beiden Anforderungen und bietet sich daher für den Einsatz im Rahmen eines Hörscreeningprogrammes an. Zu 3.: Zielsetzung dieser Studie ist die Überprüfung der unter drittens genannten Anforderungen an ein geeignetes Screeningverfahren. Mit Hilfe der Daten von 530 Neugeborenenhörscreeninguntersuchungen mit dem Algo 1e sollten dessen Zeit- und Kostenintensität, sowie die Praktikabilität beurteilt werden. Unter den Begriff der Praktikabilität fallen viele verschiedene Aspekte, wie die Invasivität, die Sicherheit, die geforderten Qualifikationen der Untersucher, die Notwendigkeit von Wiederholungsmessungen oder auch die Anforderungen an den Untersuchungsraum. Im Hinblick auf die Zeitintensität lieferte die Studie folgende Ergebnisse: Unter angemessenen Bedingungen, das heißt ein eigener Untersuchungsraum und ein oder zwei nicht notwendigerweise spezialisierte Untersucher, dauerte eine Hörscreeninguntersuchung mit dem Algo 1e im Durchschnitt 12,86 Minuten. Diese Zeit beinhaltet den Vorlauf, sowie die Vorbereitungs- und Ableitzeit und korreliert sehr gut mit den Angaben des Herstellers, der die Dauer einer typischen Hörprüfung mit maximal 15 Minuten angibt. Deutlich hebt sich diese Untersuchungszeit von der anderer Studien mit dem Algo 1e ab, in denen teilweise bis zu 45 Minuten angegeben werden (Röchling, H., 1998). In einer Untersuchungsreihe von H. Lauffer et al. wird für die konventionelle Hirnstammaudiometrie sogar ein Zeitaufwand von bis zu einer Stunde angegeben. Auch durch die Einführung der automatisierten Hirnstammaudiometrie verringerte sich die durchschnittliche Untersuchungszeit nur um circa 50 % und lag damit deutlich über der der vorliegenden Studie (Lauffer, H., Pröschel, U., Gerling, S., Wenzel, D., 1994). H. von Wendel et al. gibt hingegen eine reine Ableit- Ruhr-Universität Diskussion 75 Bochum zeit von 2-3 Minuten bei einem „pass“-Ergebnis und 7 Minuten bei einem „fail“Ergebnis an (von Wedel, H., Schauseil-Zipf, U. & Doring, W. H., 1988). Diese Zeitangabe stimmt relativ gut mit der vorliegenden Ableitzeit von 6,38 Minuten überein. Da die Messung der otoakustischen Emissionen als Alternative zur Hirnstammaudiometrie diskutiert wird, sind alle Kinder dieser Studie auch mit diesem Verfahren mittels des Echo-Screens zum Ausschluß einer Hörstörung gescreent worden. Hierbei belief sich die durchschnittliche Untersuchungszeit, die dieselben Parameter wie bei der Hirnstammaudiometrie enthält, auf 9,24 Minuten. Diese sehr geringe Differenz ist meiner Meinung nach nicht als Nachteil für den Algo 1e zu bewerten. Vor allem muß berücksichtigt werden, daß beim Screening mit dem Algo 1e nach 12,86 Minuten 100 % verwertbare, beidseitige „pass“-Ergebnisse vorlagen. Dieses Ergebnis korreliert durchaus mit der Inzidenz von angeborenen Hörstörungen, die vom Joint Comittee on Infant Hearing mit 1,5 bis 6 pro 1000 angegeben wird (Watkin, P., Baldwin, M. and Mc Enery, G., 1991; Parving, A., 1993; White, K. R. and Behrens, T. R., 1993). Obwohl die Untersuchungszeit von 9,24 Minuten des Eche-Screens bereits Nachmessungen enthält, lieferten nur 80,2 % aller Untersuchungen beidseitige „pass“-Ergebnisse. Diese hohe Rate von 19,8 % der „fail“-Ergebnisse beinhaltet selbstverständlich auch Hinweise auf passagere Hörstörungen oder ungünstige Meßbedingungen. Trotzdem fällt die deutliche Diskrepanz zur Inzidenz von angeborenen Hörstörungen auf, wodurch die Aussagekraft der Echo-Screen-Untersuchungen doch fraglich wird. Weiterhin wird diese Aussagekraft in 33,1 % der Messungen durch schlechte Stimulusqualitäten gemindert. Aufgrund der dargestellten Verhältnisse darf die durchschnittliche Untersuchungszeit meines Erachtens nach nur im Zusammenhang mit den erfahrungsgemäß erzielbaren Ergebnissen beurteilt werden. Hieraus ergibt sich, daß die Zeitintensität des Algo 1e nicht gegen den Einsatz als Hörscreeningverfahren spricht. Die Kostenintensität ist ein weiterer wichtiger Faktor in der Diskussion über ein allgemeines Hörscreening. Primär unabhängig von der Untersuchungsmethode ist der finanzielle Aufwand eines universellen Hörscreenings in der pädaudiologischen Literatur bereits ausführlich behandelt worden (Mehl, A.L., Thomson, V., 1998). Im Durchschnitt werden die Screeningkosten für ein einzelnes Kind mit 25 US$ ange- Ruhr-Universität Diskussion 76 Bochum geben. Dieser Betrag enthält alle anfallenden Positionen, wie z.B. Material- oder Laborkosten. Allerdings schwankt er stark in Abhängigkeit vom durchführenden Untersucher. Die niedrigsten Kosten mit 18,30 US$ ergeben sich bei angelernten Freiwilligen, die höchsten von 33,30 US$ fallen bei den Audiologen an. Zieht man den Vergleich zu anderen angeborenen Erkrankungen, die bereits einem generellen Screening unterliegen, so erscheinen die Kosten enorm. Die Phenylketonurie oder auch der Hypothyreoidismus imponieren mit Screeningkosten von 3 US$ pro untersuchtem Kind. Werden jedoch die Kosten für jede neue, gesicherte Diagnose gegenüber gestellt, so liegen die der angeborenen Hörstörung mit 9600 US$ durchaus im Rahmen. Die Phenylketonurie bietet hier Werte von 40500 US$ und der Hypothyreoidismus 10800 US$. Viel bedeutender als der Vergleich mit anderen bereits regelmäßig gescreenten Erkrankungen ist jedoch folgende Überlegung: Werden die Kosten für ein generelles Hörscreening und die hieraus resultierenden therapeutischen Interventionen nicht durch die Reduzierung der Folgeschäden bei spät diagnostizierten, hörgeschädigten Kindern ausgeglichen? Reichen die Einsparungen auf der Seite der Sprach- und Verhaltenstherapien bei hörgeschädigten Kindern im Vorschul- und Grundschulalter aus, um ein Hörscreening im Säuglingsalter finanzieren zu können? A. L. Mehl und V. Thomson haben für den US-Bundesstaat Colorado folgende Kostenanalyse eines geplanten Neugeborenenhörscreenings durchgeführt: Ruhr-Universität Diskussion 77 Bochum Tabelle 2: Cost Analysis of Proposed Universal Newborn Hearing Screening in Colorado Year Initial Confirmatory Screen Evaluation Costs costs Cost of Intervention Cumulative Cost Cumulative Eval and Therapy Savings Cumulative Education Savings Net Cost or (Savings) 1 1.45 0.2 0.07 1.72 0 0 1.72 2 1.45 0.2 0.20 3.56 0 0 3.56 3 1.45 0.2 0.26 5.47 0.10 0 5.37 4 1.45 0.2 0.26 7.38 0.79 0.14 6.46 5 1.45 0.2 0.26 9.29 2.13 0.61 6.55 6 1.45 0.2 0.26 11.2 4.04 1.32 5.84 7 1.45 0.2 0.26 13.1 6.03 2.25 4.82 8 1.45 0.2 0.26 15.0 8.01 3.41 3.58 9 1.45 0.2 0.26 16.9 10.0 4.81 2.09 10 1.45 0.2 0.26 18.8 12.0 6.43 0.37 11 1.45 0.2 0.26 20.7 14.0 8.27 (1.57) 12 1.45 0.2 0.26 22.6 16.0 10.4 (3.80) Diese Hochrechnungen zeigen eindrucksvoll, daß sich ein generelles Hörscreening bereits nach 10 Jahren nahezu selber tragen könnte. Bei den vorliegenden Daten ließe sich ab dem 11. Jahr sogar ein Gewinn erzielen. Eine solche mehrjährige Anlaufphase erklärt sich aus dem erst ab dem dritten Screeningjahr deutlich werdenden Einsparungen. Bis zu diesem Jahr verursachen immer noch spät diagnostizierte Hörstörungen aus den Jahrgängen vor dem Neugeborenenscreening hohe Therapiekosten. Insgesamt zeigt diese Kostenanalyse, daß der Kostenfaktor nicht gegen, sondern für die Einführung eines allgemeinen Hörscreenings spricht. In Deutschland werden die Personalkosten für ein Hörscreening, durchgeführt von angelerntem Assistenzpersonal, auf circa 15 DM geschätzt. Die Kosten für eine vom Pädaudiologen geleistete Hörprüfung belaufen sich nahezu auf das Doppelte. Die Unabhängigkeit von einem Spezialisten oder Pädaudiologen stellt sich somit als ein weiterer Vorteil des Algo 1e dar: Die Screeningkosten können durch angelernte Untersucher deutlich gesenkt werden, da die Personalkosten einen bedeutenden Anteil der Gesamtkosten ausmachen (Hermann, B. S., Thornton, A. R., Joseph, J. M., 1995). Als einziger Kritikpunkt bei der Kostendiskussion verbleibt beim Algo 1e die Verwendung von Einmalartikeln. Diese haben ihren unbestrittenen Vorteil bei Betrachtung der hygienischen Aspekte und der Infektionsrisiken, sie stellen aber einen Ruhr-Universität Diskussion 78 Bochum Kostenpunkt dar. Pro Screeninguntersuchung müssen circa 6,00 DM für die Kopfhörer und je nach Hersteller 1,00 bis 2,00 DM für die Hautelektroden aufgebracht werden. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß ein Hörscreening mit dem Algo 1e den in der Literatur vertretenen Durchschnittswert von 25 US$ nicht überschreitet. Auch unter Berücksichtigung des finanziellen Aspektes kann der Algo 1e somit als ein geeignetes Verfahren für ein Hörscreening angesehen werden. Das Kriterium der Invasivität läßt sich beim Algo 1e leicht bewerten. Er wird bereits vom Hersteller als nicht-invasiv bezeichnet und nach meiner Beobachtung von den Neugeborenen auch so toleriert. Weder das Aufkleben der Hautelektroden, noch das Anlegen der Kopfhörer weisen einen invasiven Charakter auf. Hingegen ist im Rahmen dieser Studie oft aufgefallen, daß die Säuglinge das Einführen des Silikonadapters des Echo-Screens in den vorderen Gehörgang als unangenehm empfanden. Dies äußerte sich durch Aufwachen, Weinen oder auch unwirsche Bewegungen der Neugeborenen. Die Sicherheit der Hirnstammaudiometrie mit dem Algo 1e wird in der pädaudiologischen Fachliteratur allgemein anerkannt. Viele Studien haben gezeigt, daß die Ergebnisse des Algo 1e sehr gut mit denen der konventionellen Hirnstammaudiometrie übereinstimmen (Herrmann, B. S., Thornton, A. R., Joseph, J. M., 1995). Insgesamt wird die Hirnstammaudiometrie, ob nun automatisiert oder konventionell, als der genaueste Maßstab der Hörempfindlichkeit bei Neugeborenen bewertet (Jacobson, J. et al, 1990). Die zu fordernden Qualifikationen der Untersucher sind beim Algo 1e verglichen mit denen anderer Hörprüfmethoden relativ gering. Aufgrund der Tatsache, daß es sich um ein objektives Verfahren handelt, entfällt die Beurteilung der Reaktionen auf den angebotenen akustischen Reiz, welche sich bei Neugeborenen sehr schwierig gestalten kann. Da es sich außerdem um ein automatisiertes Verfahren handelt, entfällt auch die Bewertung der abgeleiteten Hirnstammreaktionen. Somit besteht keine Notwendigkeit, die Untersuchung von einem erfahrenen Arzt oder Pädaudiologen Ruhr-Universität Diskussion 79 Bochum durchführen zu lassen (Hermann, B. S., Thornton, A. R., Joseph, J. M., 1995). Eine grundlegende Einweisung in die Ausrüstung reicht aus, um die Hörprüfung an gesunden, zur Entlassung anstehenden Neugeborenen zu erlernen (Natus Medical Inc., 1997). Nach einer solch kurzen Anlernphase kann der Algo 1e gut von medizinischem Assistenzpersonal, wie z.B. Pflegekräften oder Arzthelferinnen oder auch interessierten medizinischen Laien bedient werden. Natürlich muß ein verantwortungsvoller Umgang mit den Neugeborenen und auch mit dem Gerät vorausgesetzt werden können. Diese bedienerfreundliche Eigenschaft des Algo 1e ist ein ganz klarer Vorteil für den Einsatz im Rahmen eines Neugeborenenhörscreenings. Zum einen eröffnen die geringen Anforderungen einen großen Kreis möglicher Untersucher, zum anderen werden selbstverständlich auch die Kosten des Hörscreenings durch den Einsatz von nicht speziell qualifizierten Kräften deutlich gesenkt. Im Hinblick auf die Notwendigkeit von Wiederholungsmessungen hat diese Studie einen weiteren positiven Aspekt des Algo 1e verdeutlicht. Von insgesamt 530 durchgeführten Screeninguntersuchungen mußten nur acht (1,5 %) wegen eines „fail“Ergebnisses wiederholt werden. In sieben dieser Fälle reichte eine Nachmessung aus, einmal waren zwei notwendig, um endgültig eine Hörstörung ausschließen zu können. Die relative Häufigkeit der „fail“-Ergebnisse liegt mit 1,5 % unter den Werten bereits veröffentlichter Studien. Allerdings sind diese Untersuchungen fast ausschließlich mit Risikokindern durchgeführt worden, so daß eine größere Anzahl von auffälligen Befunden zu erwarten war. Bei der Studie von H. Lauffer et al. ergaben sich in 9 % der Fälle „fail“-Ergebnisse (Lauffer, H., Pröschel, U., Gerling, S., Wenzel, D., 1994). Eine Untersuchung von L. C. Cox et al. mit stark untergewichtigen Neugeborenen (Geburtsgewicht unter 1500 g) zeigte sogar bei 18 % ein „fail“Ergebnis (Cox, L. C., Hack, M., Metz, D. A., 1983). In der Veröffentlichung von B. S. Hermann et al. wies das dritte Experiment einen Prozentsatz von 11 % bei den „fail“-Ergebnissen auf (Hermann, B. S., Thornton, A. R., Joseph, J. M., 1995). Der in dieser Studie ermittelte Anteil der „fail“-Ergebnisse von 1,5 % korreliert jedoch gut mit der Inzidenz von angeborenen Hörstörungen bei gesunden reifen Neugeborenen. Unabhängig vom Befund mußten weitere 31 Screeningtests (5,8 %) aufgrund des Verhaltens der Neugeborenen ganz oder teilweise wiederholt werden. Sehr deutlich hebt sich hiervon die Wiederholungsraten des Echo-Screens ab: Von 519 Messungen Ruhr-Universität Diskussion 80 Bochum mußten 334 wiederholt werden, das entspricht einer Rate von 64,4 %. Aufgrund dieser hohen Anzahl von Nachmessungen enthält die angegebene, durchschnittliche Meßzeit bereits bis zu zwei Kontrollmessungen, jeweils einmal links und rechts. Allgemein kann bei Untersuchungen von Säuglingen keine Kooperation erwartet werden. Daher ist regelmäßig mit einer gewissen Anzahl von Wiederholungsmessungen zu rechnen, die bedingt sind durch Reaktionen der zu testenden Neugeborenen. Dieser Prozentsatz von notwedigen Kontrollen kann eventuell durch den Einsatz von Sedativa gesenkt werden. So erfolgte z.B. in der Untersuchungsreihe von S. Mattheis eine Sedierung einiger Kinder mittels einer Rektiole Chloralhydrat (Mattheis, S., 1995). Bei der Verwendung von Sedativa ist aber zu beachten, daß die Untersuchung damit einen invasiven Charakter annimmt. Insgesamt ist die in dieser Studie angefallene, niedrige Wiederholungsrate von 7,3 % ein große Vorteil des Algo 1e für den Einsatz als Hörscreeningverfahren. Die Ansprüche an einen Untersuchungsraum für ein Hörscreening mit dem Algo 1e sind recht gering. Mit der Bereitstellung eines eigenen Untersuchungsraumes ist ein Haupterfordernis bereits gegeben.Den Hauptanspruch erfüllt bereits ein eigener Untersuchungsraum. Wie nahezu alle Hörprüfverfahren ist auch der Algo 1e abhängig vom Störlärmpegel. Bei zu großem Störlärm reagiert der Algo 1e mit der Unterbrechung der Ableitung der auditiven Hirnstammreaktionen. Im allgemeinen reicht ein ausschließlich für das Hörscreening zur Verfügung stehender Untersuchungsraum aus, um die Störlärmbelastung ausreichend niedrig zu halten. In der Literatur finden sich einigen Untersuchungsreihen, bei denen eine akustische Isolierung durch schalldichte Türen und Fenster vorhanden war; dies ist aber nicht zwingend notwendig. Wünschenswert ist jedoch die Vermeidung von Wechselstromüberlagerungen, die bei der Ableitung der frühen akustischen Potentiale Komplikationen hervorrufen können. In der Regel sind somit die Ansprüche des Algo 1e durch die Bereitstellung eines Untersuchungsraumes bereits erfüllt. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Algo 1e sich in dieser Studie als absolut screeningtauglich erwiesen hat, und nur in seltenen Ausnahmefällen Nachmessungen beziehungsweise weitere diagnostische Schritte notwendig wurden. Es ist al- Ruhr-Universität Zusammenfassung 81 Bochum len Neugeborenen zu wünschen, daß ihr Hörvermögen in den ersten Lebenstagen mit Hilfe des Algo 1e oder einem verwandten Verfahren überprüft wird! 9 Zusammenfassung Ein wichtiger Aspekt bei der Einführung eines generellen Hörscreenings ist die Suche nach einer geeigneten Methode. Mit der Beurteilung der automatisierten Hirnstammaudiometrie als mögliches Screeningverfahren im Vergleich zu der Anwendung der otoakustischen Emissionen möchte die vorliegende Dissertation einen Beitrag zu dieser Fragestellung leisten. Die hierzu durchgeführte Studie beinhaltet 530 pädaudiologische Untersuchungen an reifen, gesunden Neugeborenen, die keine offensichtlichen Risikofaktoren für eine Hörstörung aufwiesen. Die Untersuchung begann mit einer kurzen Schwangerschafts- und Geburtsanamnese. Es folgten die Registrierung der otoakustischen Emissionen und die Ableitung der akustischen Hirnstammreaktionen. Abschließend fand eine klinische Untersuchung statt. Die Messung der otoakustischen Emissionen erfolgte mit dem Echo-Screen, bei der Hirnstammaudiometrie wurde der Algo 1e verwendet. Die Schwangerschafts- und Geburtsanamnese erweckte bei keinem Neugeborenen den begründeten Verdacht einer Hörstörung. Bei allen Kindern konnte die automatisierte Hirnstammaudiometrie durchgeführt werden. Sie ergab nach der ersten Untersuchung nur für 8 von 530 gescreenten Neugeborenen einen auffälligen Befund. Nach einer Kontrollmessung betrug die Rate der „pass“-Ergebnisse sogar 99,8 %. Diese Werte stimmen gut mit der Inzidenz von angeborenen Hörstörungen überein und stellen sich bei einem Literaturvergleich folgendermaßen dar: Die in dieser Studie ermittelte Rate von 1,5 % der „fail“-Ergebnisse ist vergleichsweise niedrig, allerdings sind die Untersuchungen auch bei gesunden, reifen Neugeborenen durchgeführt worden. Ähnliche Studien arbeiteten fast ausschließlich mit einem Kollektiv von Risikokindern und erreichten „fail“-Raten von 9 % (Lauffer, H., Pröschel, U., Ruhr-Universität Zusammenfassung 82 Bochum Gerling, S., Wenzel, D., 1994), 11 % (Hermann, B. S., Thornton, A. R., Joseph, J. M., 1995) oder sogar 18 % (Cox, L. C., Hack, M., Metz, D. A., 1983). Die Registrierung der otoakustischen Emissionen gestaltete sich schwieriger mit hohen Raten an „fail“-Ergebnissen, beziehungsweise wegen schlechter Stimulusqualitäten nicht verwertbarer Befunde. Hier tut sich ein Widerspruch zu den bisherigen, bereits in der Literatur veröffentlichten Erfahrungen bei der Anwendung der otoakustischen Emissionen auf. Bei der Beurteilung der Zeitintensität der automatisierten Hirnstammaudiometrie konnte diese Studie ein überraschendes Ergebnis liefern: Eine Hörscreeninguntersuchung mit dem Algo 1e dauerte im Durchschnitt nur 12,86 Minuten. Diese Zeitangabe korreliert sehr gut mit der Vorgabe des Herstellers, liegt aber deutlich unter der Untersuchungszeit anderer Studien. Die Zeitintensität und damit indirekt auch die Kostenfrage sind wichtige Punkte in der Diskussion über ein generelles Hörscreening. Eine durchschnittliche Untersuchungsdauer von nur 12,86 Minuten spricht daher bei der Suche nach einem geeigneten Untersuchungsverfahren für den Algo 1e. Beim Echo-Screen ergab sich eine durchschnittliche Untersuchungszeit von 9,24 Minuten, wobei von den in dieser Zeit erzielten Ergebnissen aufgrund niedriger Stimulusqualitäten nur 66,9 % sicher verwertbar waren. Die kurze klinische Untersuchung lieferte insgesamt einen unauffälligen Befund. Die Zusammenfassung aller Untersuchungsergebnisse zeigte, daß keiner der 530 untersuchten Neugeborenen eine angeborene Hörstörung von mehr als 30 dB aufwies. In dieser Studie hat sich der Algo 1e als ein vielversprechendes Hörscreeningverfahren erwiesen. Bei bekannter hoher Sensitivität und guter Spezifität stellt sich auch der objektive Charakter der Methode als Vorteil bei der Untersuchung von Neugeborenen dar. Auch die aus den 530 Untersuchungen ermittelten Werte für die durchschnittliche Zeit- und Kostenintensität bestätigen den Algo 1e als ein geeignetes Verfahren für das Neugeborenenhörscreening. Weitere Einsatzmöglichkeiten des Algo 1e liegen in der gezielten Diagnostik bei bekannten Risikokindern und in den Verlaufskontrollen bei bereits diagnostizierten Hörstörungen. Ruhr-Universität 83 Bochum Literaturverzeichnis 1) American Academy of Pediatrics, Comittee on Genetics Newborn screening fact sheets, pediatrics; 98: 473-501, 1996. 2) Ashmor, J. F. A fast motile response in guinea pig outer haircells: the cellular basic of cochlear amplification J. Physiol. 388, pp 323-347, 1987. 3) Bekesy, G. von Zur Theorie des Hörens: Die Schwingungsform der Basilarmembran. Physikalische Zeitung 29, pp29-38, 1928. 4) Bess, F. H., Parpdise, J. L. Universal screening for infant hearing: not simple, not risk-free, not necessarily beneficial and not presently justified. pediatrics; 98: 330-334, 1994. 5) Betke, K., Lampert, F., Riegel, K. Elementare Pädiatrie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1991. 6) Biesalski, B., Frank, F. 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Mein besonderer Dank gilt denen, die mir durch die Betreuung meiner Tochter Luana das Schreiben dieser Dissertation ermöglicht haben! Ruhr-Universität 95 Bochum Lebenslauf mit persönlichem und beruflichem Werdegang Persönliche Daten: • Name: Vogler Rodrigues dos Santos, Marit • Anschrift: Langerohstraße 69, 44319 Dortmund • Geburtsdatum: 20. 08. 1973 • Geburtsort: Dortmund • Eltern: Diplom-Pädagogin Brigitte Vogler, geb. Staufenbiel und Diplom-Ingenieur Franz Josef Vogler • Geschwister: Studentin Kerstin Vogler (1974), Student Henning Vogler (1977), Metallgestalter Oliver Schimanski (1977) • Familienstand: verheiratet, Tochter Luana Vogler dos Santos (1998) • Konfession: römisch-katholisch Bildungsweg: • 1980-1984: Besuch der katholischen Roncalli-Grundschule in Dortmund • 1984-1993: Besuch des Immanuel-Kant-Gymnasiums in Dortmund mit dem Abschluß der allgemeinen Hochschulreife • 1993-1994: Tätigkeit als Missionarin auf Zeit in Coroatá, Maranhão, Brasilien • WS 1994/1995: Beginn des Studiums der Humanmedizin Ruhr-Universität Bochum • Sommer 1996: Ärztliche Vorprüfung • Sommer 1997: Erster Abschnitt der ärztlichen Prüfung • Februar 1998September 2000: Erstellung der vorliegenden Dissertation • Sommer 2000: Zweiter Abschnitt der ärztlichen Prüfung an der