Über den Wert frühkindlicher Hördiagnostik mit automatisierten

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Aus der HNO-Klinik
des St.-Elisabeth-Hospitals
Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
Chefarzt: Prof. Dr. med. Henning Hildmann
Über den Wert frühkindlicher Hördiagnostik mit automatisierten
Verfahren zur Mustererkennung in der Hirnstammaudiometrie
Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung des Doktorgrades der Medizin
einer
Hohen Medizinischen Fakultät
der Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von
Marit Vogler Rodrigues dos Santos
aus Dortmund
2001
Dekan:
Professor Muhr
Referent:
Prof. Dr. med. H. Hildmann
Koreferent:
PD Dr. med. R. G. Matschke
Tag der Mündlichen Prüfung:
17.12.2002
Ruhr-Universität
3
Bochum
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung.................................................................................................... 6
2
Die Physiologie des Hörens ....................................................................... 8
2.1
Das periphere Hörorgan und seine Funktionen ........................................... 8
2.1.1
Die Funktionen des Außenohres .................................................................. 8
2.1.2
Die Anatomie und Funktionsweise des Mittelohres .................................... 8
2.1.3
Die Strukturen des Innenohres und ihre Funktionen ................................. 10
2.1.3.1
Die Anatomie der Cochlea und das Phänomen der Wanderwelle ............. 10
2.1.3.2
Die Anatomie des Corti-Organes und der Transduktionsprozeß............... 13
2.2
Das zentrale auditive System ..................................................................... 15
3
Hörstörungen im Säuglingsalter............................................................. 18
3.1
Formen der Hörstörungen .......................................................................... 18
3.2
Prävalenz von frühkindlichen Hörstörungen ............................................. 21
3.3
Risikofaktoren einer frühkindlichen Hörstörung ....................................... 21
3.4
Folgen von unbehandelten Hörstörungen .................................................. 23
3.5
Aufdeckungsmöglichkeiten der Hörstörungen .......................................... 25
3.5.1
Objektive Verfahren der Hördiagnostik..................................................... 26
3.5.2
Subjektive Verfahren der Hördiagnostik ................................................... 28
3.5.3
Konventionelle Verfahren der Hördiagnostik............................................ 30
4
Die Hirnstammaudiometrie .................................................................... 31
4.1
Frühe akustisch evozierte Potentiale und ihre Ableitungen....................... 31
4.1.1
Der Entstehungsmechanismus von evozierten Potentialen........................ 31
4.1.2
Anwendungsmöglichkeiten der frühen akustisch evozierten
Potentiale.................................................................................................... 31
4.2
Der Algo 1e Newborn Hearing Screener ................................................... 35
4.2.1
Die Entwicklungsphase des Algo 1e Hörprüfgerätes ................................ 35
4.2.2
Beschreibung der Systembestandteile des Algo 1e ................................... 38
4.2.3
Technik der Signalverarbeitung ................................................................. 40
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5
Beschreibung des Patientengutes............................................................ 43
5.1
Auswahlkriterien der zu untersuchenden Kinder....................................... 43
5.2
Daten der untersuchten Kinder, der Schwangerschaftsverläufe und
der Geburten............................................................................................... 43
5.3
Otopathogene Risikofaktoren und spezielle familiäre Belastungen .......... 48
6
Descriptive Darstellung einer Hörscreeninguntersuchung.................. 50
6.1
Aufklärung der Eltern des zu untersuchenden Kindes............................... 50
6.2
Praktische Durchführung der Untersuchung.............................................. 51
6.3
Die Abhängigkeit von Umgebungsfaktoren bei einem Hörscreening
mit dem Algo 1e......................................................................................... 53
7
Ergebnisse ................................................................................................. 56
7.1
Ergebnisse der Hirnstammaudiometrie mit dem Algo 1e .......................... 56
7.2
Vergleich mit den Resultaten der Messung von otoakustischen
Emissionen ................................................................................................. 65
7.3
Ergebnisse der klinischen Untersuchung ................................................... 70
8
Diskussion ................................................................................................. 72
9
Zusammenfassung.................................................................................... 81
Literaturverzeichnis................................................................................................. 83
Anhang . .................................................................................................................... 91
Danksagung .............................................................................................................. 94
Lebenslauf mit persönlichem und beruflichem Werdegang ................................ 95
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Bochum
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 01: Schematische Darstellung von innerem und mittlerem Ohr
(Schmidt, R. F., Thews, G., 1995).................................................... 10
Abbildung 02: Schematische Querschnitte durch das Innenohr (Schmidt, R. F.,
Thews, G., 1995) .............................................................................. 12
Abbildung 03: Schematische Darstellung des Transduktionsvorganges
(Schmidt, R. F., Thews, G., 1995).................................................... 15
Abbildung 04: Verlauf der Hörbahn; Kennzeichnung der Orte der Potentialgenerierung durch römische Ziffern (Maurer, K., 1982) ..................... 33
Abbildung 05: Verlauf der Hörbahn; Kennzeichnung der Orte der Potentialgenerierung durch römische Ziffern (Maurer, K., 1982) ..................... 38
Diagramm 01: Geburtsgewichtsverteilung ............................................................... 44
Diagramm 02: Geschlechtsverteilung unter den Zwillingen .................................... 45
Diagramm 03: Geburtsmodus................................................................................... 47
Diagramm 04: Alter der Kinder zum Zeitpunkt der Untersuchung.......................... 48
Diagramm 05: Häufigkeit der pathologischen Befunde ........................................... 56
Diagramm 06: Anzahl der sweep counts bei einem „pass“-Ergebnis ...................... 57
Diagramm 07: Verteilung der LR bei einem sweep count von 1000 ....................... 58
Diagramm 08: Verteilung der LR bei einem sweep count von 1500 ....................... 59
Diagramm 09: Verteilung der LR bei einem sweep count von 2000 ....................... 59
Diagramm 10: Aufteilung der Vorlaufzeit ............................................................... 62
Diagramm 11: Aufteilung der Vorbereitungszeit ..................................................... 62
Diagramm 12: Aufteilung der Ableitzeit .................................................................. 63
Diagramm 13: Verhalten der Säuglinge während der Untersuchung....................... 64
Diagramm 14: Vergleich der „pass“- und „fail“-Ergebnisse nach der ersten
Messung............................................................................................ 66
Diagramm 15: Vergleich der „pass“- und „fail“-Ergebnisse nach Kontrolluntersuchung......................................................................................... 67
Diagramm 16: Verteilung der Stimulusqualitäten unter Berücksichtigung der
Kontrollmessungen........................................................................... 68
Diagramm 17: Aufteilung der Messzeit ................................................................... 69
Diagramm 18: Zeitenvergleich ................................................................................. 70
Diagramm 19: Befundung der Gehörgänge.............................................................. 71
Tabelle 01:
Schwangerschaftsrisiken .................................................................. 46
Tabelle 02:
Cost Analysis of Proposed Universal Newborn Hearing
Screening in Colorado ...................................................................... 77
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Einleitung
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1 Einleitung
Der Wert frühkindlicher Hördiagnostik liegt im Besonderen in einer rechtzeitigen
Diagnose von angeborenen oder erworbenen Hörstörungen.
Nur so ist eine frühzeitige und effektive Behandlung und somit eine Vermeidung oder Minimierung von gravierenden Spätschäden möglich.
Die rechtzeitige Diagnosestellung einer vorliegenden Hörstörung im Säuglingsalter
wird z.B. durch ein routinemäßiges Screening von Neugeborenen gewährleistet. Ein
solches Screening dient als Aussonderungsverfahren, um aus einer großen Bevölkerungsgruppe diejenigen Individuen herauszufinden, bei denen ein Hörschaden vorliegt (Griefahn, B., 1988). Eine qualitative, nicht aber quantitative Aussage über das
Hörvermögen zum Zeitpunkt der Untersuchung ist das angestrebte Ziel.
In der Bundesrepublik Deutschland hat sich ein solches Hörscreening noch nicht
einheitlich durchgesetzt. Bisher existiert nur eine grob orientierende audiologische
Untersuchung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U3, bestehend aus der Beobachtung des Blinzelreflexes auf Händeklatschen im Alter von 4-6 Wochen. Ein regelrechter Hörtest ist erst im 6. Lebensjahr bei der U9 vorgesehen. Die Gründe hierfür finden sich in den Eigenschaften der bislang eingesetzten, nicht automatisierten
Meßverfahren. Diese Verfahren werden in der Hördiagnostik seit langem angewandt,
sie sind aber für Screeninguntersuchungen oft zu zeit- und kostenintensiv. Außerdem
wird für die Auswertung der Meßdaten entsprechend qualifiziertes Personal benötig.
Dies ist ein weiterer Faktor, der gegen den Einsatz bei einem Hörscreening spricht.
Neuerdings stehen aber automatisierte Verfahren zur Disposition, deren Möglichkeiten im Hinblick auf Screeninguntersuchungen noch diskutiert werden.
Im Rahmen dieser Dissertation soll untersucht werden, in wie weit sich die automatisierte Hirnstammaudiometrie für den Einsatz bei einem Hörscreening eignet.
Als wichtige Kriterien stehen hierbei der personelle, materielle und besonders auch
der zeitliche Aufwand, die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sowie die Anforderungen an den Untersucher und den Untersuchungsraum im Vordergrund.
Das Prinzip des getesteten Algo 1e Hörprüfgerätes der Firma Natus Medical Inc.,
1501 Industrial Road, San Carlos, California, 94070 USA, beruht entsprechend der
bekannten Hirnstammaudiometrie auf der Ableitung von frühen akustischen Potentialen. Diese stellen die auditive Hirnstammreaktion dar und werden als der genaueste
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Einleitung
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Maßstab der Hörempfindlichkeit bei Neugeborenen bewertet (Jacobson, J. et al.,
1990). Die Besonderheit des Algo 1e Hörprüfgerätes liegt in der automatisierten
Auswertung der Meßdaten durch eine neuartige Technologie der Signalverarbeitung.
Mit dieser Methode wurden in Datteln 530 Neugeborene des Perinatalzentrums der
St.-Vincenz-Klinik mit der freundlichen Unterstützung von Chefarzt Dr. med. J. Giffei untersucht. Die hierzu notwendige Apparatur wurde freundlicherweise von der
Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie der Vestischen Kinderklinik Datteln unter
der damaligen Leitung von Chefärztin Dr. med. A. Hildmann zur Verfügung gestellt.
Bei den untersuchten Kindern handelte es sich größtenteils um reife gesunde Neugeborene ohne offensichtliche Risikofaktoren einer angeborenen Hörstörung.
Die Außwertung dieser Meßreihe soll eine Einschätzung der automatisierten Hirnstammaudiometrie und des Algo 1e Hörprüfgerätes als Untersuchungsverfahren bei
Hörscreeninguntersuchungen von Neugeborenen ermöglichen.
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Die Physiologie des Hörens
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2 Die Physiologie des Hörens
2.1 Das periphere Hörorgan und seine Funktionen
Das Außen-, Mittel- und Innenohr zählen zum peripheren Hörapparat.
2.1.1 Die Funktionen des Außenohres
Die Ohrmuschel dient primär zum Auffangen des Schalles. Zu diesem Zweck gleicht
ihre Form der eines Trichters, gefestigt durch den muschelförmigen, elastischen
Knorpel. Charakteristisch für jeden Menschen ist die Gestalt der einzelnen Teile wie
Helix, Anthelix, Concha auricular, Tragus und Antitragus. Darüber hinaus besitzt die
Ohrmuschel eine Richtcharakteristik, die zur Lokalisierung der Schallquelle beiträgt.
Dies geschieht durch eine Verzerrung des empfangenen Schallsignales. Abhängig
vom Ort der Schallquelle werden bestimmte Frequenzkomponenten verstärkt oder
abgeschwächt (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995). Der so modifizierte Schall wird
durch den äußeren Gehörgang praktisch dämpfungsfrei bis zum Trommelfell geleitet.
Die Resonanzfrequenz des circa drei cm langen Gehörganges liegt bei 3 kHz, entsprechend findet sich das Maximum der Übertragungsfunktion im Frequenzbereich
von 1-4 kHz (Biesalski, P.,Frank, F., 1994). Zum Mittelohr wird der Gehörgang
durch das schräg eingelassene Trommelfell abgegrenzt. Die trichterförmig eingezogene Membrana tympani teilt sich in die rötliche Pars flaccida und die graue Pars
tensa auf. Zwischen beiden Anteilen liegt die Plica mallearis. Weiterhin ist die Stria
mallearis, hervorgerufen durch den Hammergriff, zu erkennen.
2.1.2 Die Anatomie und Funktionsweise des Mittelohres
Das Mittelohr beginnt mit dem Trommelfell und besteht aus der Paukenhöhle und
der Gehörknöchelchenkette mit Malleus, Incus und Stapes. Zum Innenohr hin wird
es durch das ovale Fenster begrenzt.
Die Paukenhöhle ist durch die Tuba eustachii mit dem Pharynx verbunden. Hierdurch ist gewährleistet, daß in der Paukenhöhle der gleiche Luftdruck herrscht wie in
der Atmosphäre.
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Die Physiologie des Hörens
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Die Gehörknöchelchenkette stellt die mechanische Verbindung zwischen Trommelfell und ovalem Fenster dar. Der Hammer, der mit seinem Handgriff am Trommelfell
angewachsen ist, steht über den Amboß in Kontakt zum Steigbügel. Dessen Fußplatte wiederum ist in das ovale Fenster eingepaßt. So werden die Schwingungen des
Trommelfelles, ausgelöst durch die Schallwellen, analog auf das ovale Fenster übertragen.
Die wichtigste Aufgabe des Mittelohres ist die Impedanzanpassung, denn es überträgt den Schall aus dem Medium Luft auf das Medium Flüssigkeit des Innenohres.
Da diese beiden Medien verschiedene Schallkennimpedanzen besitzen, entstehen bei
der Übertragung des Schalles Reflexionsverluste. Das Ziel des TrommelfellGehörknöchelchen-Apparates ist es, diese zu minimieren. Die Impedanzanpassung
wird durch eine Druckerhöhung über zwei verschiedene Mechanismen erreicht.
Zum einen ist die Stapedesfußplatte erheblich kleiner als die Kontaktfläche von
Hammer und Trommelfell. Das ovale Fenster weist drei qmm auf im Vergleich zu
der 50 qmm großen Fläche des Trommelfelles. So entsteht bei gleicher Kraft der
Schallwelle ein höherer Druck.
Zum anderen wird durch die Hebelwirkung der unterschiedlich langen Gehörknöchelchen eine Druckerhöhung um den Faktor 1,3 erreicht.
So erfolgt die Schallübertragung im Mittelohr mit nur minimalen Reflexionsverlusten. Allerdings ist die Schallübertragung frequenzabhängig, da physikalische Größen
wie Masse, Elastizität und Schwingungseigenschaften des Trommelfelles beteiligt
sind (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995).
Zusätzlich kann die Schallübertragung durch die zwei Mittelohrmuskeln reguliert
werden. Der Musculus tensor tympani setzt am Hammer an, der Musculus stapedius
am Stapes. Zum Schutze des Innenohres kontrahieren beide reflektorisch bei sehr
hohen Schallintensitäten. Hierdurch verändert sich der Spannungszustand im System
der Gehörknöchelchen, was eine Verschlechterung der Impedanzanpassung und damit der Schallübertragung zur Folge hat.
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Abbildung 1: Schematische Darstellung vom mittleren und inneren Ohr (Schmidt, R. F.,
Thews, G., 1995).
2.1.3 Die Strukturen des Innenohres und ihre Funktionen
Zum Innenohr werden die Cochlea und das Vestibularorgan gerechnet, die beide im
Felsenbein liegen. Die Aufgabe des Gleichgewichtsorganes besteht in der Messung
und Meldung von Translationsbewegungen oder Winkelbeschleunigungen. Die für
die Wahrnehmung des Schalles notwendige Umstrukturierung von mechanischer in
elektrische Energie vollzieht sich jedoch im schneckenförmigen Gang der Cochlea.
2.1.3.1 Die Anatomie der Cochlea und das Phänomen der Wanderwelle
In dem aufgerollten Gang der Cochlea befinden sich die drei Kanäle Scala tympani,
Scala media und Scala vestibuli. Scala tympani und Scala vestibuli sind am Helicotrema miteinander verbunden. Sie enthalten beide die der extracellulären Flüssigkeit gleichende Perilymphe. Als Entstehungsmechanismus der Perilymphe wird die
Ultrafiltration aus dem Blut angesehen. Der perilymphatische Raum wird sowohl
durch das ovale Fenster als auch durch das runde Fenster am Ende der Scala tympani
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Die Physiologie des Hörens
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zur Paukenhöhle hin begrenzt. Die Scala media ist mit Endolymphe gefüllt, deren
Zusammensetzung der des Intracellularraumes ähnelt. Die Endolymphe wird von der
die Scala media lateral begrenzenden Stria vascularis produziert.
Zwischen der Scala vestibuli und der Scala media liegt die Reissnermembran, während Scala media und Scala tympani durch die Basilarmembran getrennt werden. Auf
der Basilarmembran befindet sich das Corti-Organ, das von der Tektorialmembran
bedeckt wird.
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Abbildung 2: Schematische Querschnitte durch das Innenohr (Schmidt, R. F., Thews, G.,
1995).
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Die genannten Strukturen dienen der Weiterleitung des Schallsignales vom Mittelohr
bis zum Corti-Organ. Die vom Stapes am ovalen Fenster übertragene Schallenergie
löst schallsynchrone Flüssigkeitsverschiebungen im perilymphatischen Raum aus.
Die inkompresssible Perilymphe leitet diese weiter und überträgt sie auf die Basilarmembran. So entsteht entlang der Membran eine Wellenbewegung, die im Jahre
1928 von G. von Bekesy entdeckt und als Wanderwelle bezeichnet wurde. Eine Besonderheit der Basilarmembran ist die abhängig von der Lokalisation variierende
Konsistenz. Ihre Steife nimmt im Verhältnis von 104 zu 1 vom Stapes zum Helicotrema ab. Hieraus resultieren kleinere Wellenlängen, geringere Ausbreitungsgeschwindigkeiten, aber wachsende Amplituden im Verlauf der Wanderwelle. Die maximale Amplitude entsteht für jede Frequenz an einem anderen Ort. Nach dem Überschreiten des Amplitudenmaximums verliert sich die Welle durch Reibungsverluste
meist noch vor Erreichen des Helicotremas. Die Frequenz kodiert demnach den Ort
der maximalen Amplitude, höhere Frequenzen liefern ein Maximum in Richtung des
Stapes, niedrigere bilden das Amplitudenmaximum näher am Helicotremas aus. Auf
diese Weise dient die Basilarmembran der Frequenz-Ort-Transformation im Sinne
einer Spektralanalyse. Der nächste Schritt ist die Umwandlung des mechanischen in
ein elektrisches Signal.
2.1.3.2 Die Anatomie des Corti-Organes und der Transduktionspro
zeß
Das Corti-Organ liegt als wulstförmige Verdickung auf der Basilarmembran und enthält die sekundären Rezeptoren des Hörorganes in Form von inneren und äußeren
Haarzellen. Die circa 3500 inneren Haarzellen sind einreihig angeordnet, die 12000
äußeren bilden in der Basalwindung der Schnecke drei, in der mittleren Windung
vier und in der oberen Windung fünf Reihen. Alle Haarzellen tragen an ihrer oberen
Fläche eine dichte kutikulare Schicht, in der die Stereovilli befestigt sind. Diese stehen im Halbkreis, meist in drei abgestuften Reihen. Die Stereovilli sind untereinander durch dünne Proteinfäden, sogenannte tip-links, verbunden. Außerdem besteht
zumindest bei den äußeren Haarzellen eine Befestigung der Zilien an der Tektorialmembran. Bei den inneren Haarzellen ist diese Frage noch umstritten. Die Sinneshärchen könnten auch frei in der Endolymphe liegen. Das normalerweise neben den
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Stereovilli existierende Kinozilium ist bei den Haarzellen des Corti-Organes rudimentär. An der Basis der Haarzellen bestehen synapsenartige Kontakte zu den zugehörigen Nervenfasern. Die afferente Versorgung entstammt aus den Bipolarzellen
des Ganglion spirale. 90% der Afferenzen ziehen als myelinisierte Fasern zu den inneren Haarzellen. Dabei innerviert jede Faser nur genau eine innere Haarzelle. Lediglich die restlichen 10% der peripheren Fortsätze der Bipolarzellen innervieren die
zahlenmäßig stark überlegenen äußeren Haarzellen. So kommt es vor, daß bis zu 20
äußere Haarzellen von nur einer Faser versorgt werden (Spoendlin, H., 1972).
Über den Nervus cochlearis erreichen auch efferente Fasern die Haarzellen. Interessanterweise werden die inneren Haarzellen hauptsächlich von dünnen, nicht myelinisierten Fasern versorgt, die Innervation der äußeren Haarzellen erfolgt jedoch durch
dickere myelinisierte Fasern. Oft ziehen mehrere efferente Fasern zu einer einzelnen
äußeren Haarzelle. Somit liegt die hauptsächliche Bedeutung der Efferenzen in der
Steuerung der äußeren Haarzellen. Es wird eine Erhöhung der Sensitivität vermutet,
z.B. zur besseren Hörbarkeit von Signalen in verrauschter Umgebung (Silbernagel,
S., Despopoulos, A., 1991; Kim, D. O., 1986).
Das von den Haarzellen zu verarbeitende Signal besteht in der Auslenkung der Basilarmembran um 10-10 m an der Stelle des Amplitudenmaximums. Die Umwandlung
erfolgt durch eine Abbiegung der Stereovilli. Bei den angehefteten Zilien der äußeren Haarzellen geschieht dies durch eine Relativbewegung zwischen Tektorialmembran und Basilarmembran. Die freien Zilien der inneren Haarzellen werden
durch die Strömung der Endolymphe bewegt. Das Abbiegen der Stereovilli und das
Dehnen der tip-links stellt den adäquaten Reiz zur Öffnung der Ionenkanäle an der
Spitze der Zilien dar. Aufgrund des vorhandenen Potentialgefälles zwischen Endolymphe und Intracellularraum der äußeren Haarzelle beginnt nun ein Kaliumeinstrom
in die Zelle. Die hieraus resultierende Depolarisierung induziert eine oszilierende
Längenänderung der äußeren Haarzelle. Diese Fähigkeit zur aktiven Bewegung ist in
zahlreichen Studien an isolierten vitalen Haarzellen erwiesen worden (Ashmor, J. F.,
1987; Zenner, H. P., 1988). Sie erfolgt nach mechanischer, elektrischer aber auch
biochemischer Stimulation. Durch diese Kontraktion entsteht eine zusätzliche
Schwingungsenergie, die die Auslenkung der inneren Haarzellen verstärkt. Es fließt
jetzt auch ein Transduktionsstrom in die innere Haarzelle, der die Transmitterfreisetzung an den afferenten Synapsen, wahrscheinlich Glutamat, zur Folge hat. Über die
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Afferenzen des Nervus cochlearis werden die Signale zum zentralen Hörorgan weitergeleitet.
Abbildung 3: Schematische Darstellung des Transduktionsvorganges (Schmidt, R. F.,
Thews, G., 1995).
2.2 Das zentrale auditive System
Die zentrale Hörbahn beginnt mit dem Ganglion spirale cochleae im Felsenbein. Die
hier liegenden Bipolarzellen stellen das erste Neuron dar und erhalten über ihre
Dendriten die Informationen aus dem peripheren Hörorgan. Die Axone der Bipolarzellen schließen sich zur Pars cochlearis des 8. Hirnnerven zusammen und ziehen
zum Rautenhirn. Die Nervenfasern teilen sich auf und enden am Nucleus cochlearis
ventralis, beziehungsweise am Nucleus cochlearis dorsalis. In den Nuclei cochlearis
befindet sich das 2. Neuron. Die vom Nucleus ventralis abgehenden Axone stellen
die ventrale Hörbahn dar. Sie ziehen um den oberen Teil des Nucleus olivaris herum
und bilden den Trapezkörper, an dem ein geringer Teil der Axone endet. Der übrige
Anteil wird im Trapezkörper auf das 3. Neuron umgeschaltet und zieht daraufhin zur
Gegenseite, wo er sich dem Lemniscus lateralis anschließt.
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Die dorsale Hörbahn, bestehend aus einem dorsalen und einem intermediären Anteil,
wird von Axonen gebildet, die den Neuronen des Nucleus cochlearis dorsalis entstammen. Die Axone kreuzen als Striae acusticae dorsalis im Bereich der Raphe zur
Gegenseite. Sie ziehen im Bereich des Lemniscus lateralis zum Colliculus inferior
und von dort zum Corpus geniculatum mediale. Durch die Umschaltung auf das 4.
Neuron in den medialen Kniehöckern entstehen Kollateralen für Reflexe auf akustische Reize. Die Axone der 4. Neurone vereinigen sich zur Radiatio acustica. Über
die Capsula interna erreicht die Hörstrahlung das primäre akustische Rindenfeld, Area 41. Die Heschelschen Querwindungen in den Gyri temporale transversi sind das
morphologische Korrelat dieser Area. Die Areale 42 und 22 sind sekundäre Hörfelder, das sogenannte Wernickesche Sprachzentrum für das Verständnis der Sprache
eingeschlossen. Als Hörrinde ist also ein Bezirk anzusehen, der wesentlich größer ist
als die Heschelschen Querwindungen.
Beim Ausfall des Ganglion spirale oder der Nuclei cochlearis kommt es auf der betroffenen Seite zur vollständigen Taubheit. Fallen jedoch höher liegende Kerne der
Hörbahn aus, resultiert hieraus keine vollständige Taubheit, da die Hörbahn von den
Nuclei cochlearis an aufwärts einen doppelseitigen Verlauf nimmt.
Die Aufgabe des zentralen auditiven Systems liegt in der Analyse der eingehenden
Informationen. Dies geschieht z.B. mit Hilfe der Spektralanalyse, da über die gesamte Hörbahn und auch in der Hörrinde die geordnete Abbildung der Frequenzen erhalten bleibt. Durch diese tonotope Organisation kann das zentrale auditive System vom
Ort der Erregung in der Hörrinde auf die Schallfrequenz des auslösenden akustischen
Signales rückschließen. Außerdem führt die Hörrinde eine Periodizitätsanalyse
durch. Die Haarzellen des Corti-Organes lösen Aktionspotentiale nur bei der Aufwärtsbewegung der Basilarmembran aus. Man spricht von phasengekoppelter Entladung. Die Sequenz der Aktionspotentiale spiegelt also die Zeitstruktur des Schallreizes wider. Das zentrale auditive System kann von der Zeitstruktur auf die zugehörigen Schallfrequenzen zurückrechnen.
Diese Analysen dienen dem Cortex zur Mustererkennung, wobei bestimmte Merkmale des Schallsignales, wie Frequenzübergänge, Intensitätsmuster oder Zeitstrukturen, auch schon im Verlauf der Hörbahn herausgearbeitet werden.
Eine weitere Leistung des auditiven Systemes ist die Differenzierung von interauralen Zeit- und Intensitätsunterschieden. So ist bei binauralem Hören eine genauere
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Lokalisierung der Schallquelle möglich. Der Cortex kann Laufzeitdifferenzen von
bis zu 3⋅10-5 s beurteilen, diese Zeit entspricht einer Abweichung von etwa 3° von
der Mittellinie. Auch geringste Intensitätsunterschiede von nur einem dB können von
der Hörrinde ausgewertet werden. Die auf diese Weise sehr exakte Lokalisierung der
Schallquelle dient der Bildung eines Raumeindruckes. Bei der Erstellung dieses
Raumeindruckes spielt neben dem Cortex der Colliculus superior eine wichtige Rolle, da hier eine Karte des Hörraumes aufgebaut wird (Schmidt, R.F., Thews, G.,
1995).
Die interauralen Zeit- und Intensitätsdifferenzen werden außerdem beim Selektionsprozeß genutzt. Hintergrundlärm kann so unterdrückt und ein biologisch interessantes Signal, wie z.B. die Sprache, hervorgehoben werden. Die Hörbarkeit eines
Signales verbessert sich um bis zu 15 dB durch den Selektionsprozeß. Neben der
Hörrinde ist hieran vor allem der Colliculus inferior beteiligt.
Bei einer monauralen Schwerhörigkeit leiden also sowohl die akustische Raumorientierung als auch die Fähigkeit, akustische Signale herauszufiltern.
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Hörstörungen im Säuglingsalter
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3 Hörstörungen im Säuglingsalter
3.1 Formen der Hörstörungen
In der pädaudiologischen Klinik werden Hörstörungen unterschiedlich eingeteilt:
nach Lokalisation, Ätiologie oder Schweregrad. Im folgenden sollen die Hörstörungen in Anlehnung an J. Wendler et. al. nach ihrer Lokalisation in Schalleitungs-, Innenohr- und retrocochleäre Schwerhörigkeiten unterteilt werden. Diese drei großen
Gruppen werden dann entsprechend ihrer Ätologie weiter differenziert (Wendler, J.,
Seidner, W., Kittel, G., Eysholdt, U., 1996).
1. Schalleitungsschwerhörigkeit
Eine Schalleitungsschwerhörigkeit liegt im Bereich des Außen- und/oder Innenohres und beruht auf einer Störung der Schallübertragung aus dem Medium Luft
auf das Innenohr. Oftmals läßt sich die genaue Genese der Schalleitungsschwerhörigkeit durch eine äußere Untersuchung und mikroskopische Inspektion des
Gehörganges und des Trommelfelles klären:
• Eine Verlegung durch Fremdkörper führt nur bei völligem Verschluß des Gehörganges zu einer Schalleitungschwerhörigkeit. Gerade bei Kleinkindern muß
neben dem einfachen Cerumenpfropf auch an einen exogenen Fremdkörper
gedacht werden.
• Mißbildungen im Außen- oder Mittelohr können angeboren oder erworben
sein. Die erworbenen Deformationen sind auf eine traumatische, entzündliche
oder operative Ursache zurückzuführen und sehr selten. Die angeborenen Mißbildungen sind genetisch bedingt oder durch eine exogene Schädigung des
Embryos entstanden. Es werden mono- beziehungsweise polysymptomatische
Deformationen unterschieden:
Die monosymptomatischen Mißbildungen weisen in der Regel Auffälligkeiten nur im Bereich der Ossikel auf. Bei einer bestehenden Gehörgangsatresie
müssen vor der Diagnosestellung assoziierte Fehlbildungen ausgeschlossen
werden.
Polysymptomatische Mißbildungen kommen manchmal bei Zwillingen vor.
Neben der einseitigen Gehörgangsatresie treten oftmals Mißbildungen des ipsilateralen Unterkieferastes und Kiefergelenkes auf. Die zwei häufigsten Sym-
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ptomkomplexe sind das Franceschetti-Syndrom (Dysostosis mandibulofacialis)
und das Goldenhar-Syndrom (Dysplasia oculoauricularis sive oculoauricoluvertebralis). Beide weisen neben der Schalleitungschwerhörigkeit auch
Anomalien des Gesichtsschädels auf.
• Die Tubenbelüftungsstörungen resultieren meist aus einer eingeschränkten
oder ganz aufgehobenen Öffnung der Tuba auditiva Eustachii. Die häufigste
Ursache ist ein Infekt der oberen Luftwege. Besonders bei Klein- und Vorschulkindern kann auch eine mechanische Verlegung durch hyperplastische
Adenoide vorliegen. Selten beruht die Belüftungsstörung auf angeborenen
Form- oder Verlaufsvarianten. Nach Entzündungen können Stenosen persistieren. Häufiger sind Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte oder mit einer
Trisomie 21 betroffen. Die Tubenbelüftungsstörung führt von einem Unterdruck im Mittelohr über einen serösen Paukenerguß bis hin zum Mukotympanon.
• Die für eine Schalleitungsschwerhörigkeit verantwortlichen Entzündungen
werden folgendermaßen unterteilt:
Eine Otitis externa führt nur bei völlig zugeschwollenem oder ganz mit Sekret
verlegtem Gehörgang zu einer Schwerhörigkeit.
Die akute Otitis media tritt im Kleinkindalter sehr häufig auf. Die Infektion
behindert die Schalleitung durch die Schwellung und die gesteigerte Sekretion
eines eitrigen Exudates.
Chronische Otitiden des Mittelohres entstehen häufig auf der Basis einer
chronischen Tubenbelüftungsstörung. Typischer Hinweis ist die zentrale Perforation des Trommelfelles. Als Komplikation ist das bei Kindern besonders
schnell und aggressiv wachsende Cholesteatom bekannt.
• Eine Schalleitungsschwerhörigkeit kann auch durch ein Trauma bedingt sein.
Hier sind beispielhaft Trommelfellperforationen aber auch Felsenbeinlängsfrakturen anzuführen.
• Nur der Vollständigheit halber soll auch die Otosklerose erwähnt werden, die
im Kindesalter sehr selten ist. Tritt die Stoffwechselstörung aber früh auf, so
schreitet sie meist sehr aggressiv fort.
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2. Innenohrschwerhörigkeiten
Eine Störung der Reizaufnahme und -umwandlung im Bereich zwischen Steigbügelfußplatte und dem ersten Neuron wird als Innenohrschwerhörigkeit bezeichnet.
Verschiedene Defekte können eine solche Schwerhörigkeit verursachen:
• Die angeborenen hereditären Innenohrschwerhörigkeiten werden in isolierte Innenohrschwerhörigkeiten, bei denen keine weiteren organischen
Mißbildungen vorliegen, und polysymptomatische Erkrankungen eingeteilt.
Zu den zuletzt genannten zählen folgende, klinisch bedeutsame Syndrome: Alport-Syndrom, Pendred-Syndrom und Usher-Syndrom.
• Angeborene erworbene Innenohrschwerhörigkeiten werden durch prä- oder
perinatale Schädigungen hervorgerufen. Hierunter fallen die prä- und perinatale Asphyxie, die Schwangerschaftsinfektionen, teratogene Medikamente und
Geburtstraumen.
• Eine postnatal erworbene Innenohrschwerhörigkeit kann durch verschiedene Infektionen verursacht werden. In den meisten Fällen ist eine bakterielle
Meningitis verantwortlich, die bis zur beidseitigen Gehörlosigkeit führen kann.
Auch andere Infektionen wie die Otitis, Masern oder Mumps gehen mit dem
Risiko einer Innenohrschwerhörigkeit einher. Als weitere Ursachen sind ototoxische Substanzen bekannt. Während Folgeschäden durch ototoxische Antibiotika rückläufig sind, treten nun ototoxische Chemotherapeutika in den Vordergrund, die allerdings nur unter vitaler Indikation eingesetzt werden.
Bei traumatisch bedingten Innenohrschwerhörigkeiten findet sich häufig eine
Felsenbeinquerfraktur oder eine Schädigung der Haarzellen.
Der Hörsturz ist bei Kindern sehr selten und stellt eine Ausschlußdiagnose dar.
3. Retrocochleäre und zentrale Schwer- und Fehlhörigkeiten
Eine retrocochleäre oder zentrale Schwerhörigkeit beruht meist auf einer Reifestörung der zentralen Hörbahn. Neben diesen Reifestörungen, die sich wie Entwicklungsverzögerungen darstellen, existieren auch akustische Wahrnehmungsstörungen bis hin zur akustischen Agnosie. Die genaue Ätiologie läßt sich in der Mehrheit der Fälle nicht nachweisen, prinzipiell können entzündliche, vaskuläre, traumatische oder metabolische Schädigungen vorliegen.
Tumoren wie das Akustikusneurinom oder Meningiome spielen im Kindesalter
eine untergeordnete Rolle.
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Ein Beispiel für eine progrediente zentrale Schwerhörigkeit ist das LandauKleffner-Syndrom. Nach vorausgehender unauffälliger Entwicklung treten im
Rahmen dieses Syndromes im 2.-13. Lebensjahr akustische Agnosie und EEGVeränderungen mit Krampfanfällen auf.
3.2 Prävalenz von frühkindlichen Hörstörungen
In den folgenden Angaben sind die verschiedenen Hörstörungen zusammengefaßt.
Es wird weder nach Lokalisation noch nach Ätiologie unterschieden.
Die Prävalenz von frühkindlichen Hörstörungen liegt nach Schätzungen bei 1,5 bis 6
pro 1000 Lebendgeburten (Watkin, P., Baldwin, M., Mc Enery, G., 1991; Parving,
A., 1993; White, K. R. und Behrens, S. T., 1993; Joint Commitee on Infant Hearing,
1994).
Somit stellen Hörschäden die häufigsten Geburtsfehler bei Neugeborenen dar (The
March of Dimes 1990). Hierbei ist zu berücksichtigen, daß alle Kinder mit progredienten Hörstörungen in diesen Angaben nicht enthalten sind, da sie im Neugeborenenalter noch unauffällig sind. In neun Ländern der Europäischen Gemeinschaft ergaben Untersuchungen bei 0,9 von 1000 Kindern einen Hörverlust von 50 dBnHL
und mehr (Martin et. al., 1981). Bei fünfjährigen Kindern wird die Prävalenz von
schweren Hörstörungen sogar auf 3,5 pro 1000 Kinder geschätzt (Kankkunen, A.,
1982).
3.3 Risikofaktoren einer frühkindlichen Hörstörung
Der begründete Verdacht auf eine Hörstörung im Säuglingsalter besteht beim Vorliegen von hörspezifischen Risikofaktoren.
Das Joint Commitee on Infant Hearing hat hierzu für Neugeborene bis zum 28. Lebenstag folgenden Risikokatalog erarbeitet.
Als prädisponierende Risikofaktoren für frühkindliche Hörstörungen werden angesehen:
• positive Familienanamnese bezüglich angeborener Hörschäden
• intrauterine Virusinfektionen, z.B. Cytomegalievirus, Rubellavirus, Herpesvirus
• intrauterine Infektionen mit Treponema pallidum oder Toxoplasma gondii
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• Geburtsgewicht von weniger als 1500 g
• Anomalien des Gesichtsschädels; besonders solche, die mit morphologischen Veränderungen des Gehörganges oder des Kiefers einhergehen (z.B. Dysostosis mandibulofascialis)
• angeborene Erkrankungen, die nachgewiesenermaßen mit Schalleitungs- oder
Schallempfindungsstörungen einhergehen
• Hyperbilirubinämie mit Bilirubinwerten von mehr als 20 mg/dl
• Ototoxische Pharmaka: hier gelten Aminoglykosid-Antibiotika als besonderes Risiko, vor allem wenn sie über einen längeren Zeitraum und/oder in hoher Dosierung verabreicht werden; darüberhinaus ist auch für Schleifendiuretika (Furosemid, Tolbutamid, Etacrynsäure u.a.) die Ototoxizität bewiesen
• bakterielle Meningitis
• Hypoxie in der Schwangerschaft und unter der Geburt
• APGAR-Werte von 0-4 in der 1. Minute und von 0-6 nach 5 Minuten
• maschinelle Beatmung für länger als 5 Tage
Ein entsprechender, alphabetisch geordneter Risikokatalog für den deutschen
Sprachraum ist von Prof. Dr. Plath aus Recklinghausen erstellt worden.
Bei 50% der signifikanten Hörstörungen liegen jedoch keine Risikofaktoren vor. Das
selektive Screening von Säuglingen, die nach den im Risikokatalog aufgeführten
Kriterien in bezug auf Hörstörungen gefährdet sind, würde somit lediglich 50 % der
schwerwiegenden Hörminderungen aufdecken (Pappas, D. G., 1983; Stein, L., Clark,
S. & Kraus, N., 1983; Elssman, S., Matkin, N. und Sabo, M., 1987; Mauk, G. W.,
White, K. R., Mortensen, L. B., Behrens, T. R., 1991; Mehl, A. L., Thomson, V.,
1998). Nachdem 20 Jahre lang eine Hörprüfung nur bei Kindern mit Risikofaktoren
durchgeführt wurde, ist es nicht erstaunlich, daß z.B. in den USA das Durchschnittsalter der Kinder zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ihrer Hörstörung bei 36 Monaten liegt (U. S. Department of Health and Human Service, 1990). Diese Altersangabe
deckt sich mit den Erfahrungen in Deutschland, wo die Erfassung im Durchschnitt
mit 2-2,5 Jahren erfolgt. Für eine normale sprachliche Entwicklung wäre jedoch die
Erkennung der Hörstörung bis zum dritten Lebensmonat wünschenswert, da bis zum
sechsten Lebensmonat eine erfolgsversprechende Intervention möglich ist (Kuhl, P.
K., Williams, K. A., Lacerda, F., Stepheus, K. N. and Lindbloom, B., 1992). Andere
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Autoren sind der Auffassung, daß eine bis zum ersten Lebensjahr begonnene Therapie Aussicht auf Erfolg hat (Plath, P., 1984). Darum fordern viele Pädaudiologen und
Kinderärzte das frühe, routinemäßige Screening aller Neugeborenen ohne eine Vorauswahl anhand von Risikofaktoren.
Auch in dieser Studie wurden gesunde, reife Neugeborene ohne augenscheinliche
Risikofaktoren untersucht.
3.4 Folgen von unbehandelten Hörstörungen
Die Relevanz der frühzeitigen Diagnose einer Hörstörung im Säuglingsalter wird
deutlich durch Betrachtung der audiogenen Entwicklungsstörung bei einer unbehandelten Dysakusis.
Die Entwicklung der Organe des Gehörsinnes erfolgt nahezu vollständig pränatal.
Das bedeutet, daß ein gesunder Fetus schon gegen Ende der Schwangerschaft über
einen funktionierenden Gehörsinn verfügt. Er kann bereits akustische Reize, wie z.B.
die Stimme der Mutter oder musikalische Klänge, wahrnehmen und verarbeiten
(Matschke, R. G., 1993). Diese Stimulierung fördert die weitere Ausreifung des Hörsinnes. Bei einem Feten mit angeborener Hörstörung liegt der Beginn der Entwicklungsverzögerung also bereits vor der Geburt.
In den ersten Lebensmonaten zeigt sich diese Entwicklungsstörung in einer erschwerten Kontaktaufnahme zwischen Eltern und Kind. Das Kind reagiert kaum oder gar nicht auf liebevolle Ansprache oder musikalische Stimuli. Wird zu diesem
Zeitpunkt eine gravierende Hörstörung diagnostiziert, besteht die Gefahr, daß die Eltern die verbale Kommunikation mit dem Kind stark reduzieren. Dieses Verhalten
kann sich ungünstig auf die weitere Entwicklung auswirken, da die zentralnervöse
Weiterverarbeitung der Höreindrücke noch nicht voll ausgereift ist und die akustischen Reize dringend benötigt. Bei einer normalen Entwicklung ist die zentralnervöse Funktion mit circa 8 Monaten ausgereift. Trotzdem ist man in der Pädaudiologie
der Auffassung, daß bei hörgeschädigten Kindern durch eine Cochlearreizung eine
Verbesserung des Hörvermögens auch noch bis zum 18. Lebensmonat erzielt werden
kann.
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Aus Anamnesen von Eltern hörgeschädigter Kinder ist zu entnehmen, daß auch die
motorische Entwicklung, festzumachen an Meilensteinen wie z.B. erstes freies Sitzen
oder erstes freies Gehen, verzögert ist (Mattheis, S., 1994).
Ab etwa einem Jahr zeigt sich, daß für eine reguläre Sprachentwicklung die Intaktheit des auditiven Systemes unerläßlich ist (Betke, K., Lampert, F., Riegel, K.,
1991)
Je nach Schweregrad der Hörstörung kommt es zur retardierten oder unvollständigen
Ausbildung der Sprache. Eine absolute Taubheit kann bei totalem Ausbleiben der
Stimm- und Sprachentwicklung zur Surdomutitas führen.
Das fehlerhafte oder fehlende Erlernen der Sprache stellt die gravierendste Folge einer Hörstörung dar, da die Sprache als wichtigstes Medium der zwischenmenschlichen Kommunikation gilt.
Als weitere Ausdrucksmittel stehen nur noch die Mimik und die Gestik zur Verfügung, deren Bedeutung sicher nicht außer acht gelassen werden darf. Der Informationsgehalt, der durch die Sprache übermittelt wird, ist jedoch als wesentlich höher
anzusehen.
Der Sprache werden zwei zu differenzierende Funktionen zugeschrieben, zum einen
die emotionale, zum anderen die semantisch-signifikative. Die emotionale Funktion
tritt beim Sprechen in Rhythmus, Pausengestaltung und der Melodieführung hervor
und läßt sich nur sehr schwer fassen und objektivieren.
Gerade diese emotionale Färbung aber wird vom Kleinkind, welches die semantischsignifikative Funktion noch nicht begreifen kann, verstanden und nachgeahmt.
Außerdem dient die emotionale Funktion dem Aufbau eines geordneten Gefühlslebens.
Ohne den Vermittler Sprache ist jeder zwischenmenschliche Kontakt nur sehr
schwierig aufzubauen. Den hörgeschädigten Kindern fällt es ohne das Verstehen von
Verboten und Geboten sehr schwer, sich in den Normen des sozialen Verhaltens zurecht zu finden. Darüberhinaus besteht die Gefahr, daß diese Kinder in die gesellschaftliche Isolation geraten.
Um der absoluten Vereinsamung zu entgehen, suchen diese Kinder häufig den Kontakt zu Mitbetroffenen. Dies jedoch ist ihrer Sprachentwicklung eher hinderlich als
förderlich.
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Abgesehen von ihrer Verwendung für den zwischenmenschlichen Kontakt besitzt die
Sprache vor allem durch ihre semantisch-signifikative Funktion auch eine große Bedeutung für die Entwicklung der Denkfähigkeit des Individuums. Sie steht in Beziehung zu vielen Erkenntnisprozessen und auch zu der Bewußtseinsbildung.
Durch ihren Ausfall werden sowohl die räumliche Orientierung, als auch das logischabstrakte Denken und der indirekte Wissens- und Kenntniserwerb beeinträchtigt
(Lindner, G., 1975).
In der modernen Gesellschaft ist aber der indirekte Kenntniserwerb außerordentlich
wichtig. Das durch eigene Erfahrung erworbene Wissen macht nur einen Bruchteil
des gesamten Wissens aus.
Dem hörgeschädigten Kind entgeht zumindest der verbale indirekte Kenntniserwerb
und damit eine Möglichkeit zur Erweiterung des Bewußtseinsumfanges.
Diese Ausführungen zeigen, daß das fehlende Sprachvermögen die gesamte geistige
und gesellschaftliche Entwicklung eines Individuums stark beeinträchtigt.
3.5 Aufdeckungsmöglichkeiten der Hörstörungen
Erfahrungsgemäß stellen sich für den Untersucher in der pädaudiologischen Diagnostik zahlreich spezifische Probleme.
Die größte Schwierigkeit besteht darin, daß Kinder frühestens ab dem 3. Lebensjahr
in der Lage sind, aktiv an einem Hörtest mitzuwirken. Dies bedeutet, daß konventionelle Methoden der Hördiagnostik, wie z.B. die Tonaudiometrie bei Neugeborenen
und Kleinkindern nicht in Betracht kommen.
Gerade aber in diesem Alter ist es besonders wichtig, verläßliche Aussagen über das
Hörvermögen des Kindes zu erhalten.
In dieser Phase stehen dem Untersucher „subjektive“ und „objektive“ Methoden der
Diagnostik zur Verfügung.
„Subjektiv“ meint, daß Reaktionen der Kinder auf angebotene Schallreize von einem Untersucher beobachtet und registriert werden.
Unter „objektiven Methoden“ versteht man Untersuchungsverfahren, die nicht auf
aktive Mitarbeit des Kindes angewiesen sind.
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3.5.1 Objektive Verfahren der Hördiagnostik
Die objektiven Methoden können lediglich die physiologischen Korrelate des Hörens
überprüfen. Die Intaktheit derselbigen ist notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für ein bestehendes Hörvermögen.
Der wesentliche Vorteil dieser Verfahren liegt in ihrer Unabhängigkeit von der Mitarbeit des Probanden.
Vor allem aus diesem Grund haben sie weite Verbreitung auf dem Gebiet der Pädaudiologie gefunden.
Ein wichtiger Bestandteil der objektiven Hörprüfung ist die Impedanzmessung
durch die Tympanometrie oder Stapediusreflexmessung.
Bei der Tympanometrie wird die akustische Impedanz des Trommelfelles während
einer Druckänderung im äußeren Gehörgang gemessen. Dazu wird eine Sonde in den
Gehörgang eingebracht, die diesen vollständig verschließt.
Durch die daraus resultierende Änderung des Luftdruckes kommt es zur Auslenkung
des Trommelfelles aus seiner Ruhelage. Dies führt zu einer Modifizierung der reflektierten Schallenergie des dargebotenen Testtones, welche registriert wird (Mattheis,
S., 1994).
Das Verfahren der Tympanometrie gestattet die Beurteilung der Trommelfellbeweglichkeit, derTubenfunktion, der Funktion der Gehörknöchelchen wie auch des Mittelohrdruckes. Letztgenannter ist besonders bei Kleinkindern von großer Relevanz,
da in diesem Alter häufig Affektionen des Mittelohres anzutreffen sind.
Im Rahmen der Stapediusreflexmessung wird die Eigenschaft des M. stapedius genutzt, bei Schallreizen, die mehr als 70 dB über der Hörschwelle liegen, zu kontrahieren.
Die Kontraktion führt zu einer meßbaren Änderung der akustischen Impedanz.
Pathologische Befunde sind etwa bei Adhäsionen und Unbeweglichkeit des Trommelfelles, bei Trommelfellperforation, Otosklerose, Paukenhöhlenerguß und Schallempfindungsschwerhörigkeit zu erwarten.
Beide Verfahren zur Impedanzmessung liefern aussagekräftige Ergebnisse zur Funktion des Gehörknöchelchen-Trommelfell-Apparates und können bei entsprechenden
Meßwerten Hinweise auf eine Hörstörung geben (Esser, G., 1982; Gross, M., 1990).
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Einen großen Anteil an der objektiven Hördiagnostik haben Verfahren, bei denen unter Zuhilfenahme verschiedener Meßmethoden, Potentialänderungen neuronaler Synapsen der menschlichen Hörbahn nach Stimulation durch Schallreize abgeleitet
werden.
Diese werden unter dem Begriff ERA (Electric Response Audiometry) zusammengefaßt.
An dieser Stelle ist zunächst die Elektrocochleographie anzuführen, bei der es sich
um ein Meßverfahren zur objektiven Funktionsprüfung des Innenohres handelt.
Hierbei werden elektrische Impulse, sogenannte Biosignale, die durch akustische
Reize induziert werden, aus den dem Mittelohr unmittelbar nachgeschalteten Gehörgangsabschnitten abgeleitet.
Zu diesen Schneckenpotenentialen gehören das Mikrophonpotential, welches die Potentiale der Gesamtheit der erregten Sinneszellen darstellt und das Summenpotential,
das durch die Erregung der Fasern des N. acusticus entsteht (Klinke, R., 1995).
Auch auf der Ebene des Hirnstammes ist die Ableitung von Potentialen möglich. Das
Verfahren zur Registrierung dieser Hirnstammpotentiale ist als Brainstem Electric
Response Audiometry, kurz BERA, bekannt geworden. Erfaßt werden frühe akustisch evozierte Potentiale (FAEP).
Darüberhinaus existieren Methoden, die die Ableitung von Potentialen mit mittlerer und später Latenz ermöglichen. Dadurch werden Erkenntnisse über die Funktion der Hirnrinde bei der Verarbeitung von Schallreizen gewonnen.
Durch die Möglichkeit, Potentialableitungen auf verschiedenen Ebenen durchzuführen (Schnecke, Hirnstamm, Cortex), gelingt es, pathologische Prozesse im Bereich
der Hörbahn relativ genau zu lokalisieren (Suter, C. M., et al., 1983).
Neben der Topodiagnostik wird der ERA auch die Fähigkeit zur Bestimmung der
Reizantwortschwelle zugeschrieben, wodurch der Hörverlust ermittelt werden kann
(Döring, W. H., 1990).
Mit Hilfe der ERA ist es sogar möglich, Rückschlüsse auf den Reifungszustand der
Hörbahn zu ziehen, da die registrierten Potentiale Altersabhängigkeit aufweisen
(Matschke, R. G., 1993; Lippert, K. L., 1990).
Zu den objektiven Methoden der Hördiagnostik zählen ebenfalls mathematischsignalstatistische Auswerteverfahren zur Ermittlung von otoakustischen Emissionen.
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Diese haben in letzter Zeit große Bedeutung in der Früherkennung von Hörstörungen
im Säuglingsalter erlangt und kommen zunehmend in Screeningtests zum Einsatz.
Bei den otoakustischen Emissionen handelt es sich um Schallwellen, die in der
Cochlea aufgrund aktiver Prozesse spontan oder auf akustische Reize evoziert entstehen und über das Mittelohr in den Gehörgang abgestrahlt werden.
3.5.2 Subjektive Verfahren der Hördiagnostik
Bei dieser Vorgehensweise werden Reaktionen auf angebotene Schallreize bewertet
und auf ihre Reproduzierbarkeit überprüft.
Da hierbei überschwellige akustische Stimuli eingesetzt werden, ist eine exakte Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Hörorganes nicht möglich.
Es handelt sich bei den subjektiven Methoden somit um eine relativ „grobe“ Form
der Hördiagnostik, die zudem stark an die Beobachtungsgabe und die Genauigkeit
des Untersuchers gebunden ist.
Darüberhinaus variieren die zu beobachtenden Reaktionen in Abhängigkeit vom Alter des untersuchten Kindes.
Die Reflexaudiometrie findet bei Neugeborenen bis zum 4. Lebensmonat Verwendung.Das Prinzip dieses Verfahrens beruht auf der Auslösung unbedingter Reflexe
durch die Stimulation mit überschwelligen Reizen. Diese Reflexe zeigen sich in
Form von sogenannten Reflexbewegungen, wie beispielsweise Augenbewegung zur
Schallquelle hin oder auch in dem Innehalten von Bewegungen.
Darüberhinaus lassen sich Änderungen der Atem- und Herzfrequenz sowie der Mimik beobachten.
Beobachtete Reaktionen der Säuglinge nach akustischem Stimulus:
• Moro-Reflex
• Aureopalpebralreflex
• Augenbewegung zur Schallquelle hin
• Bewegung der oberen Extremität(en), STARTL-Reflex
• Bewegung der unteren Extremitäten
• Innehalten der Bewegung
• Atemfrequenzänderung, wiederholbar
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• Mimikänderungen, Saug-Schmatzbewegungen
• sonstige reproduzierbare Reaktionen
• keine Reaktionen
Von Säuglingen auf Schallreize hin produzierte und wiederholbar auslösbare Reaktionen
(Matschke, R. G. und Plath, P., 1985)
Trotz der bereits erwähnten Einschränkungen stellt die Reflexaudiometrie wegen ihres geringen zeitlichen und materiellen Aufwandes einen wichtigen Teil der pädaudiologischen Diagnostik dar.
Ab etwa dem 4. Lebensmonat berücksichtigt der Untersucher unbewußte Orientierungsreaktionen (Heinemann, M., 1990), welche entwicklungsphysiologisch an die
Stelle der unbedingten Reflexbewegungen treten.
Als problematisch erweist sich die schlechte Reproduzierbarkeit dieser unbewußten
Orientierungsreaktionen (Gross, M., 1990).
Hieraus resultieren unbefriedigende Ergebnisse, die den großen technischen Aufwand zur Registrierung der Orientierungsreaktionen kaum rechtfertigen (Shimizu, H.
et al., 1985).
Im 2.-3. Lebensjahr eingesetzte Verfahren beruhen auf der Bahnung von Orientierungsreaktionen. Dies geschieht durch Stimulation mit Licht- und Schallreizen,
wobei der Lichtreiz als Belohnung für die Reaktion auf den überschwelligen Schallreiz dient (Gross, M., 1990).
Durch wiederholtes „Training“ dieser bedingten Reflexe wird die Reaktion des Kindes auf die angebotenen Reize zunehmend exakter.
Bekanntgeworden sind diese Verfahren unter den Namen Audiometrie mit konditionierten Orientierungsreflexen (CORA) sowie Audiometrie mit visueller Verstärkung
(VCR).
Mit etwa 3 Jahren ist bei Kindern ein gewisses Maß an Kooperation zu erwarten, was
den Einsatz der Spielaudiometrie erlaubt. Hierbei soll das Kind bei Wahrnehmung
eines Prüftones eine Spielhandlung ausführen. Idealerweise werden für diese Methode Kopfhörer zur Darbietung des Testtones verwendet, um eine seitengetrennte Analyse des Hörvermögens zu ermöglichen (Plath, P., 1992). Das Kind lernt einen gehörten Ton als Aufforderung für eine Spielhandlung anzusehen (Plath, P., 1992).
Nachdem es einen Ton über den Kopfhörer wahrgenommen hat, darf es beispiels-
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weise Bauklötze aufeinander stellen. Hier stehen mehrere Varianten bezüglich der
„Belohnung“ zur Verfügung, wobei es sinnvoll ist, die „Belohnungsform“ den spielerischen Vorlieben des Kindes anzupassen. Aufgeführt seien hier nur das Ingangsetzen einer Eisenbahn (Huizing, H. C., 1953) oder das Abspielen eines Märchenfilmes
auf Knopfdruck nach wahrgenommenem Testton (Jakobi, H., 1956).
Wichtig ist zu erwähnen, daß bei der Spielaudiometrie die bewußte Reaktion des
Kindes auf Schallreize im Vordergrund steht.
3.5.3 Konventionelle Verfahren der Hördiagnostik
Die konventionelle Hördiagnostik beruht auf der Befragung nach dem subjektiven
Höreindruck. Sie ermöglicht die Beurteilung der Informationsverarbeitung vom Außenohr bis zur Hirnrinde. Konventionelle Verfahren kommen vor allem bei älteren
Kindern und Erwachsenen zur Anwendung. Voraussetzung ist, daß die Probanden
entsprechend kooperativ sind.
Bei der Tonaudiometrie werden dem Probanden mittels Kopfhörer Testtöne mit verschiedenen Frequenzen und Lautstärken angeboten. Nach Wahrnehmung des Tones
erfolgt eine Rückmeldung der Testperson durch Knopfdruck oder Handzeichen.
Durch dieses Verfahren kann die Hörschwelle für Knochen-und Luftleitung mit Hilfe
des Audiogrammes bestimmt werden.
Überschwellige tonaudiometrische Prüfungen ermöglichen bei einer Schallempfindungsstörung die Differenzierung einer Schädigung der Haarzellen oder des Hörnerves.
Die Sprachaudiometrie dient der Prüfung des Sprachverständnisses. Über Kopfhörer
werden dem Probanden von einem Tonträger Zahlen, Einsilber und Satzreihen entweder monaural oder binaural in unterschiedlichen Lautstärken vorgespielt. Das
Sprachverständnis wird in Prozent der verstandenen Wörter angegeben.
Speziell zur Erfassung des kindlichen Sprachverständnisses existieren standardisierte
Testverfahren, z.B. der Mainzer Kindersprachtest (Biesalski, P. et al., 1974) oder der
Göttinger Kindersprachverständnistest. Diese Tests bieten aber nur bei der gleichzeitigen Verwendung von Bildkarten eine ausreichende Sicherheit.
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4.1 Frühe akustisch evozierte Potentiale und ihre Ableitungen
4.1.1 Der Entstehungsmechanismus von evozierten Potentialen
Bei evozierten Potentialen handelt es sich um spezifische, corticale oder subcorticale
Reaktionen, die durch Sinnesreize oder durch Reizung peripherer Nerven ausgelöst
werden. Diese meßbaren Reaktionen spiegeln nach vorherrschender Meinung die
langsame, synaptische Aktivität der Pyramidenzellen und deren Dendriten und nicht
die Impulsaktivität der Neurone wider (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995).
Die evozierten Potentiale sind in den üblichen EEG-Ableitungen bereits enthalten,
ohne weitere Verarbeitung können sie jedoch wegen ihrer sehr geringen Amplitude
(oft kleiner als 1 µV) meist nicht sichtbar gemacht werden. Die Ableitung ist aber
auswertbar, wenn nicht nur ein Reiz, sondern zahlreiche, aufeinanderfolgende Reize
appliziert werden. Ein elektronisches Verfahren (averaging) ermöglicht das Aufsummieren der Reizantworten, die in einem festen Zeitabstand zum Stimulus auftreten. Die nicht reizkorrelierten Anteile des EEGs heben sich gegenseitig auf. Auf diese Weise gelingt die Registrierung niedrigster Antwortpotentiale bis herab zu einer
Größenordnung von 0,1 µV (Institut für Physiologie der Ruhr-Universität Bochum,
1996).
4.1.2 Anwendungsmöglichkeiten der frühen akustisch evozierten
Potentiale
Um frühe akustisch evozierte Potentiale zu erzeugen, bedient man sich als Stimulus
kurzer, über einen Kopfhörer applizierter Rechteckimpulse von 0,1 ms Dauer und
unterschiedlicher Lautstärke. Bei einer Frequenz von circa 10 Hz evozieren diese sogenannten „Clicks“ Potentiale im Hirnstamm, die über Hautelektroden abgeleitet
werden können. Alle auditiven Verfahren, die mit diesen Potentialen arbeiten, werden daher der Hirnstammaudiometrie zugerechnet.
Die Ableitung der Hirnstammpotentiale ergibt nach einer Summation von 1000-2000
Reizantworten innerhalb der ersten 10 ms nach Reizbeginn eine typische Folge von
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5-7 positiven Wellen, die den verschiedenen Schaltstationen der Hörbahn zwischen
dem Nervus acusticus und der primären Hörrinde zugeordnet werden. Sie werden üblicherweise mit römischen Ziffern bezeichnet. Die Welle I entspricht der synaptischen Aktivität des ersten Neurons im Ganglion spirale, während Welle II an den
Nuclei cochleares generiert. In Welle III stellt sich die elektrische Aktivität des Trapezkörpers dar, in Welle IV die der Nuclei lemnisci laterales. Im Colliculus inferior
entsteht die Welle V, die als die aussagekräftigste gilt, da sie im Gegensatz zu den
anderen Wellen bis zur subjektiven Hörschwelle nachweisbar ist (Lauffer, H., Pröschel, U., Gerling, S., Wenzel ,D., 1994). Außerdem können noch die Wellen VI
undVII abgeleitet werden, die die auditiven Reaktionen des Corpus geniculatum mediale bzw. der Radiatio acustica widerspiegeln (Maurer, K., 1982).
Diese Wellen stellen die frühen akustisch evozierten Potentiale dar und hängen direkt von den physikalischen Reizeigenschaften ab. Sie werden auch als frühe exogene Komponente der ereigniskorrelierten Potentiale bezeichnet.
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Abbildung 4: Verlauf der Hörbahn, Kennzeichnung der Orte der Potentialgenerierung durch
römische Ziffern (Maurer, K.,1982).
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Im Gegensatz hierzu bilden sich komplexe Prozesse der Verarbeitung von Information und die Planung von Verhalten in der späten endogenen Komponente der ereigniskorrelierten Potentiale ab. Diese weisen auch eine deutlich längere Latenzzeit von
mehr als 60 ms auf (Schmidt, R. F., Thews, G., 1995).
Von der Norm abweichende frühe akustisch evozierte Potentiale, die durch einen untypischen Verlauf der Wellen apparent werden, können auf eine Beeinträchtigung im
Verlauf der Hörbahn hinweisen. So bedingen Krankheitsprozesse, je nach Lokalisation der Läsion, eine Erniedrigung und/oder Verzögerung bestimmter Wellen:
• Als Folge einer Mittelhirnläsion (z.B. im Rahmen einer Einklemmung bei
intrakranieller Drucksteigerung) resultiert ein Verlust der V. oder evtl. auch der
IV. Welle.
• Prozesse in der Brücke (z.B. Ponstumoren, -blutungen, -infarkte) führen bereits zu
Veränderungen der III. oder auch der II. Welle.
• Bei einer Schädigung des Nervus acusticus oder der Cochlea fällt hingegen die I.
Welle aus.
• Entmarkungskrankheiten wie die multiple Sklerose führen vorwiegend zu einer
Verzögerung einzelner Wellen als Ausdruck der dabei verminderten Erregungsleitungsgeschwindigkeit (Institut für Phyliologie der Ruhr-Universität Bochum,
1996).
Wichtige Anwendungsgebiete der frühen akustisch evozierten Potentiale sind z.B.
die Früherkennung von Kleinhirn-Brückenwinkel-Tumoren oder auch die frühzeitige
Aufdeckung von Hörschäden. Als Vorteil erweist sich hierbei der nicht-invasive
Charakter dieser Untersuchungsmethode. Nachteilig ist jedoch die relativ anspruchsvolle Auswertung der EEGs. Nur ein speziell geschulter Untersucher kann die frühen
akustisch evozierten Potentiale und ihre Ableitungen sicher beurteilen und Krankheitsprozesse wie z.B. Blutungen, Neoplasien oder aber Schädigungen der Cochlea
bzw. des Nervus acusticus ausschließen.
Daher wurde die Hirnstammaudiometrie bisher in Deutschland nur bei Risikokindern
oder zur Verlaufskontrolle einer bekannten Hörstörung eingesetzt, nicht jedoch im
Rahmen eines Hörscreenings bei Neugeborenen angewandt.
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4.2 Der Algo 1e Newborn Hearing Screener
4.2.1 Die Entwicklungsphase des Algo 1e Hörprüfgerätes
Die relativ hohen Inzidenzen von Hörstörungen bei Patienten von neonatalen Intensivstationen rechtfertigten bisher den großen zeitlichen und personellen Aufwand der
nicht automatisierten Hirnstammaudiometrie zur Aufdeckung von Hörfehlern. Für
ein generelles Hörscreening auch bei Neugeborenen ohne typische Risikofaktoren
sollte nun ein automatisiertes Verfahren entwickelt werden. Drei Phasen mit entsprechenden Experimenten kennzeichnen diese Entwicklung.
• In der ersten Testphase wurde nach den optimalen Bedingungen für die Durchführung eines Screeningtestes mit der konventionellen Hirnstammaudiometrie gesucht. Außerdem sollten kritische Faktoren identifiziert werden, die exakte Untersuchungsergebnisse verhindern können.
• Schwerpunkt der zweiten Phase war die Konstruktion eines HörprüfgerätPrototypen mit automatischer Kontrolle der nun bekannten Störfaktoren und mit
neuer Signalverarbeitungstechnologie. Die Zuverlässigkeit des neuen Prototypen
wurde überprüft, indem Hörscreeningtests durchgeführt, und die Ergebnisse mit
denen der konventionellen Hirnstammaudiometrie verglichen wurden.
• Abschließend wurde in der dritten Phase die Durchführung der ScreeningUntersuchungen mit dem neuen Prototypen unter den zu erwartenen Bedingungen
auf einer neonatalen Intensivstation beurteilt.
Phase 1:
In diesem ersten Experiment wurden 451 Neugeborene einer Intensivstation mit Hilfe der nicht automatisierten Hirnstammaudiometrie untersucht. Die Screeningtests
fanden unter optimalen Bedingungen statt:
• Der Untersuchungsraum war sowohl elektronisch als auch akustisch abgeschirmt.
• Die Neugeborenen befanden sich zum Zeitpunkt der Untersuchung im natürlichen
Schlaf oder wurden mit Chloralhydrat ausreichend beruhigt.
• Die Auswertung der abgeleiteten EEGs übernahmen zwei Audiologen, die beide
seit mindestens zwei Jahren mit der nicht automatisierten Hirnstammaudiometrie
arbeiteten und somit über ausreichende Erfahrungen verfügten.
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Die bei diesen Untersuchungen entdeckten kritischen Faktoren der Hirnstammaudiometrie konnten in zwei Kategorien eingeteilt werden: die mit den untersuchten
Neugeborenen assoziierten Störfaktoren und die durch die Screeningtechnik verursachten Störfaktoren (Murray, A., Javel, E. & Watson, C., 1985).
Neugeborenen-Störfaktoren:
• vorübergehende neurologische Auffälligkeiten
• schlechter Allgemeinzustand
• passagere Schalleitungsschwerhörigkeit
• erniedrigte Sensibilitätsschwelle
Technische Störfaktoren:
• schlechte Kontrolle der Muskelartefakte
• schlechte Kontrolle der Störgeräusche
• variable Kalibrierung des Stimulus
• unterschiedliche Screeningziele
• variable „pass“-Kriterien
Als Ergebnis dieser Screening-Serie konnten die Untersucher zwei wichtige Aussagen präsentieren:
1. Ein „pass“-Ergebnis erhielten 91 % der untersuchten Neugeborenen. Die auditiven Hirnstammreaktionen dieser Kinder zeigen sehr ähnliche Konfigurationen,
die als Maßstab für eine normale Hirnstammreaktion angesehen werden können.
Dies weist die relativ geringe Bedeutung der Neugeborenen-Störfaktoren auf, da
trotz des kritischen Zustandes der Patienten der neonatalen Intensivstation und des
Altersunterschiedes von bis zu 28 Wochen die abgeleiteten Wellenformen der
EEGs weitgehend übereinstimmen.
2. Die „fail“-Rate von 8 % liegt weit niedriger als bei anderen Studien, wo sie zwischen 5,3 % und 59 % schwankt (Fria, T. J., 1985). Diese hohen „fail“-Raten
sprachen gegen den Einsatz der konventionellen Hirnstammaudiometrie als
Screeningmethode. Bei Beherrschung der technischen Störfaktoren treten jedoch
niedrige „fail“-Raten wie in diesem Fall von 8 % auf, die den Einsatz von Hörscreenern nach dem Prinzip der Hirnstammaudiometrie ermöglichen.
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Die Hirnstammaudiometrie
37
Bochum
Phase 2:
Aufbauend auf den Ergebnissen aus dem ersten Experiment wurde ein Hörscreeningverfahren entwickelt, das mit der bereits bekannten Technik der automatisierten
Hirnstammaudiometrie arbeitet (Thornton, A. R., 1978; Srague, B. H. & Thornton,
A. R., 1979; Thornton, A. R. & Obemour, J. L., 1981). Ein passendes, mit wiederaufladbaren Batterien arbeitendes Gerät und ein Gerätegehäuse fanden sich bei Algotek
Inc. unter der Leitung von Maurizzio Liverani. 1985 wurde die erste Generation des
Algo 1 Infant Hearing Screener eingeführt. Mittlerweile produziert die Firma Natus
Medical Inc. die Hörprüfgeräte.
Mit dem Prototypen des Algo 1 Infant Hearing Screener wurden Screeninguntersuchungen an 153 Neugeborenen bzw. Kindern im Gestationsalter von 31 bis 131 Wochen durchgeführt. Die Ergebnisse des Algo 1 sind über zwei verschiedene Wege
überprüft worden:
Entweder befundeten Audiologen eine Kopie der EEG-Aufzeichnungen des Algo 1
und verglichen ihre Ergebnisse mit der Auswertung durch die technische Signalverarbeitung des Hörprüfgerätes; oder es wurde eine zusätzliche konventionelle Hirnstammaudiometrie unter den idealen Bedingungen wie im ersten Experiment durchgeführt und die Übereinstimmung der Ergebnisse geprüft.
Von den 153 untersuchten Neugeborenen und Kindern erhielten 127 vom Algo 1 ein
„pass“-Ergebnis. Bei allen 127 Probanden ergab sich auch bei der Kontrolle ein unauffälliger Befund. Mit einem „fail“-Ergebnis bewertete der Algo 1 25 Neugeborene
bzw. Kinder, von denen lediglich bei vieren während der Überprüfung doch eine entsprechende Hirnstammreaktion festgestellt wurde. Allerdings zeigten zwei EEGAufzeichnungen sehr niedrige Amplituden, was auf eine passagere Schalleitungsschwerhörigkeit hindeutete. Ein drittes Neugeborenes wies eine deutliche, aber stark
von der Norm abweichende Wellenkonfiguration auf, die der Algo 1 nicht als unauffällig eingestuft hatte.
Insgesamt zeigten diese Ergebnisse eine gute Übereinstimmung zwischen der automatisierten und der konventionell vom Audiologen bewerteten Hirnstammaudiometrie.
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Die Hirnstammaudiometrie
38
Bochum
Phase 3:
In der dritten Phase wurden 393 Neugeborene der aus dem ersten Experiment bekannten Intensivstation mit dem Algo 1 untersucht.
Es ergab sich eine „pass“-Rate von 87 % bei einer „fail“-Rate von 11 %.Diese Ergebnisse weisen keine signifikante Differenz zu denen aus dem ersten Experiment
auf (Chi-square Test of Proportions, p > 0,05; Snedecor, G. W. & Cochran, W. G.,
1967).
Somit bestätigte dieses Experiment die Übereinstimmung zwischen den ScreeningResultaten des Algo 1, durchgeführt von minimal ausgebildetem Personal, und der
konventionellen Hirnstammaudiometrie, abgeleitet unter idealen Bedingungen und
ausgewertet von Audiologen mit langjähriger Erfahrung auch unter normalen Konditionen auf einer Neugeborenenstation. Seitdem wird der Algo 1, basierend auf der
automatisierten Hirnstammaudiometrie und versehen mit der neuen Signalverarbeitungstechnologie, als geeigneter Hörscreener akzeptiert (Herrmann, B. S., Thornton,
A. R., Joseph, J. M., 1995).
4.2.2 Beschreibung der Systembestandteile des Algo 1e
Abbildung 5: Das ALGO-1 e Hörtestgerät für Neugeborene der Firma Natus Medical Inc.
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Die Hirnstammaudiometrie
39
Bochum
Zur Grundausstattung des Algo 1e Hörprüfgerätes zählen folgende Bestandteile:
• das Gerätegehäuse
Die Gerätevorderseite enthält den Anzeigeschirm, von welchem die Hörtestparameter und Ergebnisse abgelesen werden können. Außerdem befindet sich hier der
mit internationalen Symbolen beschriftete Netzschalter und die beiden Tasten
„Start/Stop“ und „Auswahl“. Über diese Tasten werden alle Verfahrensschritte
des Gerätes ausgeführt. Die Anzeigelampen „Störlärm“ und „Artefakte“ zeigen
eine Störung der Datenerfassung an, wohingegen die grüne Anzeigelampe „Bereit“ die Testbereitschaft des Algo 1e symbolisiert.
Auf der Geräterückseite befinden sich das Fach und die Abdeckung des Batteriepacks und eine Anschlußmöglichkeit für einen Drucker. Außerdem können die
akustische Transducereinheit und die Patientenkabeleinheit auf der linken Seite
angeschlossen werden.
• die akustische Transducereinheit
Diese Einheit besteht aus zwei Kabeln mit farbkodierten Plastikgehäusen an ihren
Enden. Hierin sind zum einen Lautsprecher enthalten, die die Clickgeräusche erzeugen, zum anderen Mikrophone zur Abhörung von Störlärm. Die Spitzen der
Transducer werden an Einmal-Kopfhörer angeschlossen, wobei rot die rechte und
blau die linke Seite kodiert.
• die Patientenkabeleinheit
Drei einzelne Kabel, die mit einem Mini-Din-Stecker zu einem Kabel vereinigt
werden, stellen die Patientenkabeleinheit dar. Jedes der drei Kabel ist am Ende
mit einer farbkodierten Federklemme versehen. Die Klemmen werden an Elektroden auf der Neugeborenenhaut angeschlossen und leiten die Gehirnwellen-Signale
weiter.
• der Vorverstärkerkasten
Der Vorverstärkerkasten ist mit der Patientenkabeleinheit verbunden und an das
Hörprüfgerät angeschlossen, so werden die über die Hautelektroden aufgenommenen Signale zum Gerät zurückgeleitet.
• das Batteriepack
Das Algo 1e Hörprüfgerät kann ausschließlich mit dem eigenen Batteriepack betrieben werden. Dieses enthält Nickel-Kadmium-Batterien, die in regelmäßigen
Abständen im zugehörigen Batterieladegerät aufzuladen sind.
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Die Hirnstammaudiometrie
40
Bochum
Alle genannten Bestandteile des Algo 1e Hörprüfgerätes sind an einem Rollständer
zu befestigen, der außerdem über zwei Körbe zur Unterbringung der benötigten
Testmaterialien verfügt. Vom Hersteller werden folgende Testmaterialien empfohlen:
• DRI-PREP Hautreinigungskompressen
• NuPrep Hautvorbereitungsgel
• Jelly Button Elektroden
• Earcouplers Einmal-Kopfhörer
Auf die Hautvorbereitung wird vom Hersteller sehr viel Wert gelegt, da die abzuleitenden Signale äußerst gering sind, und ein hoher Hautwiderstand die Messung empfindlich stören oder unmöglich machen kann.
Zusätzlich besteht beim Algo 1e Hörprüfgerät die Möglichkeit, einen Drucker anzuschließen. Auf der Geräteoberfläche befindet sich hierzu eine spezielle Halterung
und an der Geräterückseite der Druckeranschluß. Passend zu diesem Drucker sind
Ergebnisaufkleber erhältlich, die in das Krankenblatt des Neugeborenen oder in die
Nachuntersuchungsbögen eingeklebt werden können (Natus Medical Inc., 1997).
4.2.3 Technik der Signalverarbeitung
Zur Erzeugung der frühen akustisch evozierten Potentiale bedient sich das Algo 1e
Hörprüfgerät der üblichen Methode:
Von den Lautsprechern der akustischen Transducereinheit erzeugte Clickgeräusche
mit der Lautstärke von 35 dB, entsprechend der normalen Hörschwelle, erreichen
über die Einmal-Kopfhörer die Ohren des zu untersuchenden Neugeborenen. Die
hierdurch ausgelösten Potentiale werden in der zugehörigen Literatur auch als auditive Hirnstammreaktionen bezeichnet. Über die Hautelektroden werden diese Signale
am Neugeborenen registriert und durch die Patientenkabeleinheit und den Vorverstärker zum Hörprüfgerät weitergeleitet. Die Auswertung der auditiven Hirnstammreaktionen in Form der abgeleiteten Wellen I-VII im EEG wird aber nicht vom Untersucher gefordert. Diese Aufgabe übernimmt das Algo 1e Hörprüfgerät mit Hilfe
einer fortgeschrittenen Signalverarbeitungstechnologie. Allerdings ist hierzu ein relativ ruhiger Untersuchungsraum zur Vermeidung von Stör- bzw. Hintergrundgeräuschen notwendig. Außerdem sollte das zu untersuchende Neugeborene im optimalen
Falle schlafen oder sich zumindest in einem ruhigen Zustand befinden, damit die Un-
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Die Hirnstammaudiometrie
41
Bochum
terscheidung der auditiven Hirnstammreaktionen von anderen Hirntätigkeiten oder
von Muskelartefakten für den Algo 1e möglich ist (Natus Medical Inc., 1997).
Das Hörprüfgerät mittelt die auditiven Wellen aus dem Hirnstamm und vergleicht sie
mit einer Schablone. Das Konzept der Schablone beruht auf der Struktur und Form
einer normalen schwellennahen auditiven Hirnstammreaktion eines Neugeborenen.
Diese wurde durch die Überlagerung der Reaktionen von 35 Neugeborenen mit normalem Hörvermögen bei Clickgeräuschen von 35 dB nHS ermittelt. Auf der Grundlage dieser abgeleiteten Kurvenform der auditiven Hirnstammreaktionen wurde eine
Schablone mit neun Datenpunkten ausgewählt. Diese neun Punkte wurden dann im
Hinblick auf ihren Anteil bei der Identifizierung einer Reaktion gewichtet. Diese
Schablone liefert die konsistenteste Übereinstimmung von auditiven Hirnstammreaktionen bei unterschiedlichen Reizintensitäten und von unterschiedlich alten Neugeborenen.
Normale Variationen in der Latenzzeit einer Antwort werden durch das Modell der
verschieblichen Schablone ausgeglichen. Die Schablone verschiebt sich in Abständen von 0,25 ms über einen Bereich von 3 ms und sucht dabei die Domäne der
Latenzzeit, die am besten paßt. Das Verschieben der Schablone und die Anwendung
des Algorithmus erfolgen bei jedem fünfhundertsten Durchgang, bis ein statistisch
signifikantes Signal identifiziert wurde. Dies bedeutet, daß eine Reaktion schon nach
fünfhundert Durchgängen festgestellt werden kann, wobei ein Durchgang den zeitlichen Ablauf definiert, in dem das Algo 1e Hörprüfgerät ein Clickgeräusch erzeugt
und dann Daten als Reaktion auf dieses Geräusch erfaßt. Es kann aber auch nötig
sein, die Durchschnittsermittlung bis zum Maximum von 15000 Durchgängen fortzusetzen, um den Wert des vorgegebenen statistischen Sicherheitsniveaus zu erreichen. Die Anwendung dieser gewichteten Neun-Punkt-Schablone erhöht die Wirksamkeit des Algorithmus.
Der für das Algo 1e Hörprüfgerät entwickelte Algorithmus wird wegen seines binären Charakters auch als Neymann-Pearson Algorithmus bezeichnet (Schwarz, M. &
Shaw, L., 1975; Thornton, A. R. & Obenour, J. L., 1981; Thornton, A. R., 1991). Er
basiert auf der Wahrscheinlichkeit von zwei Bedingungen:
• eine Antwort-Plus-Lärm-Bedingung und
• eine reine Lärm- oder fehlende-Reaktion-Bedingung
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42
Bochum
Für viele Algorithmen ist eine Schätzung der Lärmvarianz erforderlich. Eine solche
Schätzung schwächt jedoch jeden Algorithmus, wenn interne oder externe Artefakte
auftreten. Der Nachweis-Algorithmus des Algo 1e Hörprüfgerätes umgeht dieses
Problem durch eine binominale Stichprobensammlung, die sich eines rigorosen Testes bedient. Der Bediener erhält, als Meldung auf der Bildschirmanzeige, ein Nebenprodukt des benutzten statistischen Testes, das Wahrscheinlichkeitsverhältnis oder
Likelihood ratio (LR) genannt wird. Das Wahrscheinlichkeitsverhältnis ist eine
Funktion der standardisierten Variablen, die im Algorithmus verwendet wird. In der
Praxis kann das Wahrscheinlichkeitsverhältnis als eine Leistungsbeurteilung betrachtet werden. Erreicht das Wahrscheinlichkeitsverhältnis einen Wert von 160 oder höher, beendet das Algo 1e Hörprüfgerät die Datenerfassung und zeigt für das betreffende Ohr die Meldung UNAUFFÄLLIG an. Dies bedeutet, daß die erfaßten Daten
ausreichten, um zwischen dem Auftreten einer Reaktion-Plus-Lärm-Bedingung und
dem Auftreten von reinem Lärm oder einer fehlende-Reaktion-Bedingung bei einer
statistischen Sicherheit von über 99,98 % zu unterscheiden. Dieses Verfahren liefert
ein genaues Kriterium für die Bewertung UNAUFFÄLLIG. Wenn bei 15000 Durchgängen ein Wahrscheinlichkeitsverhältnis von mindestens 160 nicht erreicht werden
kann, zeigt das Algo 1e Hörprüfgerät die Meldung AUFFÄLLIG an. Das Gerät zeigt
damit an, daß sich die erfaßten Daten, bei einem statistischen Sicherheitsniveau von
über 99,98 % nicht von der Bedingung fehlende Reaktion unterscheiden. In diesem
Fall wird ein Nachtesten erforderlich (Auszug aus: Peters, J., An automated infant
hearing screener using advanced evoked response technology. The Hearing Journal,
39 (September), 1986).
Abgesehen von dem Wahrscheinlichkeitsverhältnis wird dem Untersucher noch ein
zweiter Parameter angezeigt: die Anzahl der sweep counts. Diese entspricht der Absolutzahl von sicher von der Hintergrundaktivität abgrenzbaren Reizantworten. Zuletzt gibt der Algo 1e noch den qualitativen Befund über die Intaktheit des Hörvermögens an.
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Beschreibung des Patientengutes
43
Bochum
5 Beschreibung des Patientengutes
5.1 Auswahlkriterien der zu untersuchenden Kinder
Für diese vergleichende Studie verschiedener Hörscreeningmethoden wurden mindestens 500 Kinder gesucht, die folgende Bedingungen erfüllen sollten:
1. Bei den ausgesuchten Testpersonen sollte es sich um reife Neugeborene mit einem relativ komplikationslosen, postpartalen Verlauf handeln. Somit durften weder extrem Frühgeborene, noch Kinder mit großen, postpartalen Anpassungsschwierigkeiten oder bereits erkennbaren Krankheiten einbezogen werden.
2. Zum Untersuchungszeitpunkt mußten die Neugeborenen bereits 48 Stunden alt
sein, um einen durch das Geburtstrauma hervorgerufenen Paukenerguß mit großer
Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können. Ein solcher Paukenerguß ist von Bedeutung, da er die Nachweisbarkeit von otoakustischen Emissionen beeinflußt.
3. Eine weitere Voraussetzung war ein normaler bis allenfalls mäßig erhöhter Bilirubinwert, da die in der Haut abgelagerten Moleküle die Ableitung der frühen
akustischen Potentiale erschweren.
4. Selbstverständlich mußte auch die Zustimmung der Eltern für das Hörscreening
vorliegen. In seltenen Fällen scheiterte hieran die Durchführung der Höruntersuchung.
5.2 Daten der untersuchten Kinder, der Schwangerschaftsverläufe und der Geburten
Trotz der oben genannten Einschränkungen ist es gelungen, 530 Neugeborene im
Zeitraum eines Jahres pädaudiologisch zu untersuchen.
Von diesen Kindern waren 278 männlichen Geschlechts, was 52 % entsprach. Die
Mädchen waren mit 253 und 48 % vertreten.
Das minimale Geburtsgewicht belief sich auf 2050 g, das maximale auf 5080 g. Als
Mittelwert ergab sich das Gewicht von 3327 g mit einer Stichprobenvarianz von
310906,66 g.
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Beschreibung des Patientengutes
44
Bochum
Diagramm 1: Geburtsgewichtsverteilung
Anzahl
250
Geburtsgewicht
200
180
150
127
124
100
0
48
37
50
14
0
<=2000
> 2000
>2500
>3000
>3500
>4000
>4500
Gewicht in g
Die Körperlänge variierte von 44 cm bis zu 58 cm mit einem Mittel bei 50 cm und
folgender Varianz: 6,37 cm.
Bei dem biparietalen Kopfumfang traten Schwankungen von 30 cm bis zu 39 cm auf.
Der Mittelwert lag bei 35 cm mit einer Varianz von 2,51 cm.
Unter den untersuchten Kindern fanden sich 63 Zwillingskinder, Drillinge oder Vierlinge zählten nicht zum Kollektiv. Der Anteil der Mehrlingsgeburten lag somit bei
11,9 %. Die Geschlechtsverteilung innerhalb der Zwillingspärchen ist in der folgenden Graphik dargestellt:
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Beschreibung des Patientengutes
45
Bochum
Diagramm 2: Geschlechtsverteilung unter den Zwillingen
3%
6%
1%
3%
Einlinge
Zwillinge (m/m)
Zwillinge (w/w)
Zwillinge (m/w)
Zwillinge (k.A.)
87%
Mit einer Anzahl von 232 Müttern waren fast die Hälfte (44 %) Erstgebärende; und
das Durchschnittsalter der Mütter betrug 31 Jahre, die älteste Mutter war 41, die
jüngste 16 Jahre alt.
Die kürzeste Schwangerschaftsdauer wurde mit 34 Schangerschaftswochen angegeben, bei den Zwillingsschwangerschaften mit 35 Wochen. Keine Geburt erfolgte später als in der 42. Schwangerschaftswoche. Hieraus errechnet sich ein Mittelwert von
39 Wochen.
Eine Belastung der Schwangerschaft durch einen oder mehrere Risikofaktoren war in
188 Fällen vorhanden. Hierbei traten folgende, nach ihrer Häufigkeit geordnete
Schwangerschaftsrisiken auf:
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Beschreibung des Patientengutes
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Tabelle 1: Schwangerschaftsrisiken
Vorzeitiger Blasensprung
74
(22,2 %)
Alter der Mutter: ≥ 35 Jahre
71
(21,3 %)
Erkrankungen der Mutter
38
(11,4 %)
Zwillingsschwangerschaften
34
(10,2 %)
Vorzeitige Wehen
24
(7,2 %)
Blutungen
19
(5,7 %)
Medikamenteneinnahme
14
( 4,2 %)
≥ 2 Aborte
14
( 4,2 %)
Familiäre Belastungen
13
( 3,9 %)
Plazentainsuffizienz
11
( 3,3 %)
In-Vitro-Fertilisation
7
( 2,1 %)
Zustand nach Frühgeburt
7
( 2,1 %)
Sterilitätsbehandlungen
3
( 0,9 %)
Auffälliges CTG
1
( 0,5 %)
Fehlbildungen
1
( 0,5 %)
Bei dem Risikofaktor „Alter der Mutter ≥ 35 Jahre“ ist hinzuzufügen, daß hierbei
zwischen Erstgebärenden und II. oder III. Gravida zu unterscheiden ist. Außerdem
spielen die persönliche Einstellung und das biologische Alter eine große Rolle, so
daß nicht jede Schwangerschaft im Alter von 35 Jahren als echte Risikoschwangerschaft angesehen werden kann.
Zu den Erkrankungen der Mütter zählten Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus,
Adipositas per magna, Uterus myomatosus, Myasthenia gravis oder auch Epilepsie.
An Infektionen sind eine Toxoplasmose und eine Mumpserkrankung angegeben
worden. Außerdem löste die Schwangerschaft selbst Erkrankungen wie den Gestationsdiabetes, die Gestose oder das HELLP-Syndrom aus.
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Beschreibung des Patientengutes
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Den Hauptteil der Medikamente stellten Tokolytika oder Dauermedikationen bei
Vorerkrankungen der Mütter.
Familiäre Belastungen waren durch vorangegangene Tot- oder Fehlgeburten, sowie
behinderte Geschwisterkinder gegeben.
Der häufigste Geburtsmodus war die spontane Geburt bei 331 Neugeborenen (62 %).
In 130 Fällen, also 25 %, wurde eine Sectio caesarea durchgeführt. Mit 5 % liegt die
manuelle Extraktion noch vor der Geburt mittels Forceps (4 %) oder der Vakuumextraktion (4 %).
Diagramm 3: Geburtsmodus
4%
5%
4%
spontan
Sectio
Vakuumextraktion
Forceps
manuell
25%
62%
396 Kinder wurden aus der Schädellage geboren. Diesem großen Anteil von 75 %
standen 133 Beckenendlagen, das entspricht 25 %, und nur eine Querlage (0,2 %)
gegenüber.
Der Apgar-Index lag bei 79,66 % der untersuchten Neugeborenen in der 1., 5. und
10. Minute bei 9-10-10. Der niedrigste Apgar-Index betrug nur 2-4-6, der höchste jedoch 10-10-10.
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Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren die Kinder zwischen minimal 48 Stunden
und maximal 18 Tagen alt. Die prozentuale Verteilung zeigt die folgende Graphik:
Diagramm 4: Alter der Kinder zum Zeitpunkt der Untersuchung
Anzahl
200
174
180
Alter in Tagen
160
150
140
120
106
100
80
60
44
40
20
30
1
25
0
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
Tage
5.3 Otopathogene Risikofaktoren und spezielle familiäre Belastungen
Die angegebenen otopathogenen Risikofaktoren und speziellen familiären Belastungen beruhen ausschließlich auf den Angaben der Eltern während der kurzen Anamnese. Diese Informationen konnten somit weder in Bezug auf ihre medizinische Korrektheit noch auf Vollständigkeit überprüft werden.
Als otopathogener Risikofaktor ist nur eine Antibiotikaeinnahme während der
Schwangerschaft bekannt geworden.
Ansonsten sind mehrere Hinweise auf eine familiäre Belastung gegeben worden:
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Beschreibung des Patientengutes
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• Schwerhörigkeit
In zwei Fällen (0,4 %) litten die Mütter selber unter Schwerhörigkeit. Auch zwei
Geschwisterkinder waren betroffen, von denen eines in logopädischer Behandlung
und das andere zusätzlich geistig schwer behindert ist. Weitere zwei Familien
(0,4 %) gaben ein familiär gehäuftes Auftreten von Hörstörungen an, konnten diese Aussage aber nicht präzisieren.
• Surdomutitas
Bei einer Mutter (0,19 %) lag eine Surdomutitas vor. Ihr erstes Kind ist bereits in
der Vestischen Kinderklinik Datteln pädaudiologisch untersucht worden und laut
Angabe der Mutter unauffällig.
• Hörsturz
Ein Vater (0,19 %) hat einen Hörsturz mit mehreren Rezidiven angegeben. Bei
einer Mutter (0,19 %) ist sogar schon siebenmal ein Hörsturz aufgetreten. Trotz
gleichzeitig bestehender Hör- und Sprachstörung lehnte diese jedoch eine Versorgung mit Hörgeräten ab.
• Tinitus
Bei einer Mutter (0,19 %) war die Problematik eines Tinitus bekannt.
• Rezidivierende Otitiden
Drei Geschwisterkinder (0,6 %) sind hiervon betroffen und zum Teil mit Paukenröhrchen versorgt worden. Eines dieser Kinder befindet sich wegen einer gleichzeitig vorliegenden Sprachstörung in logopädischer Behandlung.
• Otosklerose
Eine Otosklerose lag bei zwei Müttern (0,4 %) vor. Leider konnten diese keine
weiteren Angaben hierzu machen.
• Cholesteatom
Ein Elternpaar (0,19 %) gab bei der Frage nach familiären Belastungen das gehäufte Auftreten von Cholesteatomen an.
Trotz der aufgeführten Risikofaktoren und familiären Belastungen wurde bei keinem
der Kinder von einem erhöhten Risiko für eine pränatale Hörschädigung ausgegangen.
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Descriptive Darstellung einer
50
Hörscreeninguntersuchung
6 Descriptive Darstellung einer Hörscreeninguntersuchung
6.1 Aufklärung der Eltern des zu untersuchenden Kindes
Noch ist ein Hörscreening kein offizieller Bestandteil der Neugeborenenerstuntersuchung U1 oder der Neugeborenenbasisuntersuchung U2. Außerdem sind die Hörscreeningmethoden nicht so bekannt und im allgemeinen von den Eltern akzeptiert wie
andere Screeningtestes z.B. für Stoffwechselerkrankungen oder Hüftanomalien. Aus
diesen Gründen haben alle Eltern einen schriftlichen Aufklärungsbogen mit Informationen über das angebotene Hörscreening erhalten. In diesem Bogen wurden die große Aussagekraft und der nicht invasive Charakter des Untersuchungsverfahrens betont (siehe Anhang 1).
Nur in seltenen Fällen wurde die Höruntersuchung von den Eltern prinzipiell abgelehnt. Viele Fragen konnten in dem folgenden Gespräch geklärt werden, so daß die
Eltern anschließend in die Untersuchung einwilligten. Natürlich wurde den Eltern die
Möglichkeit gegeben, während des HörTestes im Untersuchungsraum anwesend zu
sein. Dieses Angebot wurde fast immer angenommen und hat viele Eltern zusätzlich
überzeugt.
Insgesamt waren die Eltern einem Hörscreening gegenüber sehr positiv eingestellt
und überrascht, daß schon für die ersten Lebenstage Untersuchungsmethoden zur
Verfügung stehen. Insbesondere Familien mit der Erfahrung einer spät entdeckten
Hörstörung befürworteten ein Hörscreening mittels objektiver Methoden zu diesem
frühen Zeitpunkt.
Die Eltern der untersuchten Kinder erhielten mit einem „pass“-Ergebnis die Gewißheit, daß ihr Neugeborenes zum Untersuchungszeitpunkt über ein normales Hörvermögen verfügt. Ein normales Hörvermögen bedeutet in diesem Falle, daß eine etwaige Hörstörung unter der Nachweisgrenze von 30 dB liegt und somit spracherwerbsrelevante Konsequenzen nahezu ausgeschlossen sind.
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Descriptive Darstellung einer
51
Hörscreeninguntersuchung
6.2 Praktische Durchführung der Untersuchung
Die Hörscreeninguntersuchungen fanden im Perinatalzentrum des St.-VincenzKrankenhauses statt und waren nach folgender Systematik gegliedert:
1. Zuerst wurde eine Schwangerschafts- und Geburtsanamnese erhoben.
2. Anschließend sind die otoakustischen Emissionen des Neugeborenen mit Hilfe
des Echo-Screens untersucht worden. Bei einem „fail“-Ergebnis wurde die Messung am Ende der gesamten Untersuchung wiederholt.
3. Danach wurde die auditive Hirnstammreaktion mit dem Algo 1e überprüft. Im
Falle eines „fail“-Ergebnisses fand eine Kontrollmessung statt.
4. Den Abschluß bildete eine kurze klinische Untersuchung, die aus der Beurteilung
der äußeren Ohrmuschel, einer otoskopischen Überprüfung des Gehörganges und
des Trommelfelles und der Kontrolle der Nasenatmung bestand.
Alle Anamnese- und Untersuchungsbefunde wurden für jedes Kind in einem speziell
ausgearbeiteten Untersuchungsbogen festgehalten (siehe Anhang 2). Dieser Bogen
läßt sich in vier Komplexe aufteilen:
1. Vorgeschichte
• Geburtsjahr der Mutter
• frühere Schwangerschaften und Aborte
• Risikoschwangerschaft (Schwangerschafts- und gynäkologische Risiken)
• vorzeitiger Blasensprung
2. Geburt
• Geschlecht
• Mehrling
• Entbindungsmodus
• Geburtslage
• Apgar-Index
• Geburtsgewicht und -länge, Kopfumfang
• Reife, small for date
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Descriptive Darstellung einer
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Hörscreeninguntersuchung
3. Klinische Untersuchung
• Ohrbefund
− Ohrmuschel
− Gehörgang
− Trommelfell
• Nasenatmung
4. Objektive Audiometrie
• Algo 1e
− Vorlaufzeit
− Vorbereitungszeit
− Ableitzeit
− Likelihood ratio rechts und links
− sweep count rechts und links
− Ergebnisse
− Kontrollmessungen
• Echo-Screen
− Vorlaufzeit
− Vorbereitungszeit
− Ableitzeit
− Stimulusqualität rechts und links
− Artefaktehäufigkeit rechts und links
− Ergebnisse
− Kontrollmessung
− Bemerkungen
Im Idealfall lief eine Hörscreeninguntersuchung folgender Maßen ab:
Voraussetzung war das Einverständnis der Eltern nach deren Aufklärung durch den
Informationsbogen und ein zusätzliches Gespräch. Im Falle der Einwilligung erschienen die Eltern mit dem schläfrigen oder sogar schlafenden Säugling zum Hörscreening. Die Zeitspanne vom Aufruf der Eltern bis zum Eintreffen im Untersuchungsraum wird im weiteren Verlauf der Dissertation als Vorlaufzeit bezeichnet.
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Descriptive Darstellung einer
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Hörscreeninguntersuchung
Auf eine kurze Schwangerschafts- und Geburtsanamnese erfolgte die Messung der
otoakustischen Emissionen mit dem Echo-Screen. Bei einem „pass“-Ergebnis mit
guten Stabilitäten (>85 %) wurde nur einmal gemessen, ansonsten ist später eine
Kontrolle durchgeführt worden. Anschließend ist das Neugeborene für die automatisierte Hirnstammaudiometrie vorbereitet worden: Die farblich gekennzeichneten Elektroden mußten auf die Stirn, die Wange und in den Nacken geklebt werden. An
den entsprechenden Stellen wurde die Haut durch Abwischen mit einer in alkoholhaltiger Lösung getränkten Baumwollkompresse vorbereitet. In wenigen Fällen gelang es so nicht, den Hautwiderstand unter die vom Algo 1e vorgegebene Grenze von
12 kOhm zu senken. Dies erforderte ein Peeling der betroffenen Hautstellen. Nach
den Elektroden sind die Einmalkopfhörer plaziert worden, rot kodierte hierbei die
rechte und blau die linke Seite. Diese Vorbereitungen sind in der im weiteren Verlauf angegebenen Vorbereitungszeit enthalten. Im Anschluß hieran lief die Überprüfung der auditiven Hirnstammreaktion erst für das rechte und danach für das linke
Ohr ab. Beim Auftreten von Artefakten, wie z.B. spontanen Bewegungen im Schlaf,
stoppte der Algo 1e die Messung und signalisierte das Vorliegen der Artefakte. Auch
Störlärm führte zu einer kurzen Unterbrechung der Ableitung. Im Mittel benötigte
der Algo 1e nur 6,37 Minuten für die Ableitung der Hirnstammpotentiale und die
Beurteilung des Hörvermögens beider Seiten. Lediglich bei acht Neugeborenen, das
heißt 1,51 %, mußte eine Kontrollmessung durchgeführt werden. Bei allen Kindern
sind anschließend der Gehörgang und das Trommelfell otoskopisch untersucht worden. Zusätzlich wurde die Nasenatmung kontrolliert und die Form der äußeren Ohrmuschel beurteilt. Bei auffälligen Echo-Screen-Ergebnissen fand abschließend eine
Kontrollmessung statt. Die Eltern erfuhren sofort nach dem Hörscreening das Ergebnis, welches auch in den Krankenhausunterlagen der Neugeborenen vermerkt wurde.
6.3 Die Abhängigkeit von Umgebungsfaktoren bei einem Hörscreening mit dem Algo 1e
Da der Algo 1e nach dem Prinzip der automatisierten Hirnstammaudiometrie arbeitet, wird er zu den objektiven Methoden gerechnet. Somit ist dieses Untersuchungsverfahren unabhängig von der Kooperation der Testperson und durch die neue Signalverarbeitungstechnik auch vom durchführenden Untersucher. Trotzdem wird der
Ablauf der Messung von verschiedenen Faktoren beeinflußt. Hierzu sind als wich-
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Descriptive Darstellung einer
54
Hörscreeninguntersuchung
tigste die räumlichen Bedingungen, die Compliance der Eltern und die Kooperation
und Flexibilität des Krankenhauspersonales zu zählen:
• Ein nur für die Hörscreeningtests reservierter Raum ist eine der Voraussetzungen
für akzeptable Ableitzeiten und Screeningergebnisse. Ohne einen eigenen Raum
wird die Messung durch Störlärm stark verzögert oder kann unter Umständen
nicht zu Ende geführt werden. Außerdem schläft das Neugeborene abseits vom
normalen Stationslärm leichter ein oder wird zumindest ruhiger. Eine akustische
Isolierung in Form von schalldichten Türen und Wänden ist von Vorteil, nicht aber als Grundvoraussetzung anzusehen. Hiervon unabhängig sollten Wechlselstromüberlagerungen, z.B. durch Monitore oder die Heizungen von Wärmebetten, vermieden werden.
• Neben der Zustimmung für den Hörtest ist auch die Compliance der Eltern für den
Ablauf des Hörscreenings wichtig. Die Eltern können z.B. durch ihre Mitarbeit
für eine zügige und reibungslose Abwicklung der Screeninguntersuchung sorgen.
Bei weniger kooperativen Eltern kommt es z.B. durch Telefonate oder durch anwesende Besucher zu zeitlichen Verzögerungen.
• Die Kooperation und Flexibilität der Krankenhausmitarbeiter fördert vor allem
das Vertrauen der Eltern. Sie geben ihre Zustimmung zu einem Hörscreening viel
leichter, wenn schon vorher von Ärzten und Säuglingsschwestern über diese Möglichkeiten gesprochen wurde. Außerdem können die Stationsmitarbeiter den Ablauf des Hörscreenings durch die richtige Vorbereitung positiv beeinflussen. So
ist es z.B. sehr hilfreich, wenn das Neugeborene während der Untersuchung gesättigt ist. Das Pflegepersonal kann somit den Hörtest durch die Bereitstellung von
Milch, Glukose oder Tee unterstützen. Es ist auch wichtig, daß am Tag der Untersuchung ölhaltige Cremes oder Badezusätze vermieden werden, da solche Substanzen den Hautwiderstand erhöhen.
Alle genannten Faktoren können vor allem den zügigen Ablauf des Screening stören,
so daß oftmals Zeitverluste resultieren. Der auch ökonomisch bedeutsame Faktor
Zeit wird zusätzlich noch durch die Problematik des externen oder internen Untersuchers beeinflußt. Einem externen Untersucher stehen meist maximal 10 Wochenstunden zur Verfügung. In dieser kurzen Zeit steht der Untersucher zwei Problemen
gegenüber: Zum einen müssen alle Kinder untersucht werden, die bereits 48 Stunden
Ruhr-Universität
Bochum
Descriptive Darstellung einer
55
Hörscreeninguntersuchung
alt sind und eventuell beim nächsten Screeningtermin entlassen sein könnten. Die
Anzahl der Neugeborenen unterliegt aber natürlicherweise starken Schwankungen,
so daß die zur Verfügung stehende Zeit oft nicht mit dem Arbeitsaufwand konform
geht. Zum anderen kann der Untersucher keine Rücksicht auf ungünstige Umstände
nehmen, da aufgrund des kurzen Krankenhausaufenthaltes nur selten auf einen Ausweichtermin zurückgegriffen werden kann. Die durchschnittliche Liegezeit beträgt
zwar bei Sectiones 10 Tage, aber nur vier Tage bei Spontangeburten.
Eine interne Pflegekraft, die nach einer kurzen Schulung für das Hörscreening verantwortlich ist, kann sich ihre Meßzeiten flexibel einteilen. Sie kennt die zu untersuchenden Kinder und den Stationsablauf, so daß günstige Momente für einen Hörtest
genutzt werden können. Außerdem ist eine solche Pflegekraft schon mit den Eltern
bekannt, wodurch zusätzlichen Vertrauen entsteht.
Ruhr-Universität
Ergebnisse
56
Bochum
7 Ergebnisse
7.1 Ergebnisse der Hirnstammaudiometrie mit dem Algo 1e
Von den 530 durchgeführten Hörscreeninguntersuchungen mit dem Algo 1e wiesen
nur acht Ableitungen pathologische Ergebnisse auf.
Diagramm 5: Häufigkeit der pathologischen Befunde
Anzahl
10
9
8
8
7
6
6
5
4
3
2
1
1
1
path. B. li
path. B. beidseitig
0
path. B. gesamt
path. B. re
In diesen acht Untersuchungen erreichten die Neugeborenen bei 15.000 SWPs keine
LR von 160 und wurden deshalb vom Algo 1e als auffällig deklariert. Bei der direkt
folgenden Kontrollmessung erhielten sieben dieser Kinder ein „pass“-Ergebnis. Nur
in einem Fall mußte später eine zweite Kontrollmessung durchgeführt werden, die
dann letztendlich auch ein unauffälliges Ergebnis lieferte.
Die 522 „pass“-Ergebnisse lassen sich nach ihren SWPs und LRs noch weiter unterscheiden:
Zum einen kann eine Einteilung vorgenommen werden, die auf der unterschiedlichen
Anzahl
von
sweep
counts
bis
zum
Erreichen
eines
ausreichenden
Wahrscheinlichkeitsverhältnisses beruht. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß
Ruhr-Universität
Ergebnisse
57
Bochum
keitsverhältnisses beruht. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß der Algo 1e für
das Bestehen mindestens 1000 sweep counts fordert und die Ergebnisse in Abständen von 500 sweep counts angibt. Bei den in dieser Studie untersuchten Neugeborenen erhielt der größte prozentuale Anteil ein „pass“-Ergebnis bereits bei 1000 sweep
counts. Für das rechte Ohr ergaben sich 29,06 %, für das linke 35,47 %. Den zweithöchsten Prozentsatz nahmen die Messungen mit 1500 sweep counts ein, und zwar
17,17 % für das rechte und 20,57 % für das linke Ohr. Mit steigenden sweep counts
sanken die prozentualen Anteile antiproportional. Eine Ausnahme bildeten die Werte
bei 3500-5000 sweep counts. Hier wurden noch einmal 11,70 % für das rechte, beziehungsweise 9,62 % für das linke Ohr gemessen. Eine genaue Übersicht gibt die
folgende Graphik:
Diagramm 6: Anzahl der sweep counts bei einem „pass“-Ergebnis
Anzahl
200 188
180
160
links
154
rechts
140
120
109
100
91
80
66
77
60
48 51
40
38 42
51
62
31
17
20
0
1000
1500
2000
2500
3000
35005000
55007500
7 6
5
13
1 3
8000- 10500- 1300010000 12500 15000
SWPs
Zum anderen ist eine Klassifizierung aufgrund unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsverhältnisse bei festgelegten sweep counts möglich. In diesem Falle ist anzumerken, daß der Algo 1e ein Wahrscheinlichkeitsverhältnis von 160 als Minimum
für ein „pass“-Ergebnis benötigt. Zuerst wurden die Wahrscheinlichkeitsverhältnisse
für eine Zahl von 1000 Sweep counts aufgeschlüsselt: In der Spanne von einer LR
von 201-250 zeigte sich ein Gipfel mit 24,03 % beim rechten und 22,87 % beim linken Ohr. Die einzige nennenswerte Seitendifferenz fiel bei einer LR von 301-400
auf: Hier bildete sich eine Differenz von 6,99 % zwischen der rechten (14,29 %) und
Ruhr-Universität
Ergebnisse
58
Bochum
der linken Seite (21.28 %) aus. Die weitere Verteilung wird in der nachstehenden
Graphik deutlich.
Diagramm 7: Verteilung der LR bei einem sweep count von 1000
Anzahl
50
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
43
links
rechts
40
37
30
26
24
24
23
20
22
23 22
6
2
160-180
181-200
201-250
251-300
301-400
401-700
>700
LR
Analog hierzu sind die Daten zu sweep counts von 1500 und 2000 erstellt worden.
Bei einer Anzahl von 1500 sweep counts lag der größte prozentuale Anteil mit
35,16 % für das rechte und 34,86 % für das linke Ohr bei einer LR von 201-250.
Große Seitendifferenzen ergaben sich bei einer LR von 160-180 mit 14,52 % und bei
einer LR von 180-200 mit 13,72 %. Weiterhin war auffällig, daß nur einmal eine LR
von über 400 erreicht wurde. Bei einer Zahl von 1000 sweep counts war dies 53 mal
der Fall. Die Graphik verdeutlicht die aufgeführten Meßdaten.
Ruhr-Universität
Ergebnisse
59
Bochum
Diagramm 8: Verteilung der LR bei einem sweep count von 1500
Anzahl
50
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
links
rechts
38
32
30
29
21
14
11
12
7
5
0
160-180
181-200
201-250
251-300
301-400
1
401-700
0
0
>700
LR
Für 2000 sweep counts ergab sich ein Maximum von 40,16 % auf der rechten und
33,33 % auf der linken Seite bei einer LR von 201-250. Hier befand sich auch der
größte Unterschied zwischen rechtem und linkem Ohr mit 6,93 %. Außerdem lieferten fünf Messungen eine LR von über 400. Die genauen Ergebnisse werden in der
folgenden Graphik dargestellt.
Diagramm 9: Verteilung der LR bei einem sweep count von 2000
Anzahl
50
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
links
rechts
31
21
20
22
17
15
6
2
160-180
181-200
201-250
251-300
2
2
301-400
2
2
401-700
0
1
>700
LR
Die großen Schwankungen im Bereich der sweep counts und der Wahrscheinlichkeitsverhältnisse erklären sich durch die Unterschiede in der Kurvenform der abgeleiteten Potentiale der Neugeborenen und der des Algo 1e. Im Falle einer absoluten
Kongruenz ergäben sich bei dem geforderten Minimum von 1000 sweep counts ein
maximales Wahrscheinlichkeitsverhältnis. Mit zunehmender Abweichung der Kur-
Ruhr-Universität
Ergebnisse
60
Bochum
venform des Neugeborenen von der der Schablone nimmt die benötigte Anzahl der
sweep counts zu, das Wahrscheinlichkeitsverhältnis jedoch ab. Diese Abweichungen
werden bis zu einer Anzahl von 15.000 sweep counts akzeptiert und als unauffällig
befundet, falls sie ein Wahrscheinlichkeitsverhältnis von 160 aufweisen. Alle darüber hinausgehenden Werte werden wegen der großen Differenzen zwischen den
Kurvenformen als auffällig deklariert. Somit kennzeichnen die variierenden sweep
counts und Wahrscheinlichkeitsverhältnisse den Grad der Abweichung von der
Schablone des Algo 1e. Allerdings ist dies innerhalb der genannten Grenzen kein
Hinweis auf das Vorhandensein einer Fehlfunktion des Hörorganes.
Im weiteren werden die zeitlichen Parameter der Hörscreeninguntersuchungen mit
dem Algo 1e vorgestellt:
Gemäß des Ablaufes des Neugeborenenscreenings wurde zuerst die Vorlaufzeit gemessen und bewertet. Diese beginnt mit der Frage nach dem Einverständnis und dem
Aufruf der Eltern und endet mit dem Erscheinen im Untersuchungsraum. Das Aufklärungsgespräch, welches sowohl die Hirnstammaudiometrie als auch die Messung
der otoakustischen Emissionen betraf, ist nicht enthalten. Bei 268 Kindern (50,47 %)
betrug die Vorlaufzeit genau zwei Minuten. Als Mittelwert ergaben sich 3,81 Minuten. Die weitere Verteilung ist der folgenden Graphik zu entnehmen:
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Ergebnisse
61
Bochum
Diagramm 10: Aufteilung der Vorlaufzeit
5%
8%
11%
< 2 min
= 2 min
> 2-5 min
> 5-10 min
> 10 min
25%
51%
Hieran schloß sich die Vorbereitungszeit an, in der das Neugeborene mit Kopfhörern
und Elektroden für die Messung mit dem Algo 1e versorgt wurde. Bei 73,03 %, das
heißt 388 Kindern, betrug diese Zeit weniger als zwei Minuten, bei 17 Untersuchungen (3,2 %) jedoch mehr als sechs Minuten. Insgesamt ergab sich eine mittlere Vorbereitungszeit von 2,68 Minuten. Die nachstehende Graphik zeigt die prozentuale
Verteilung:
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62
Bochum
Diagramm 11: Aufteilung der Vorbereitungszeit
4%
3%
20%
<= 2 min
> 2-4 min
> 4-6 min
> 6 min
73%
Wesentlichen Einfluß auf den Parameter Vorbereitungszeit hatte der Hautwiderstand.
Bei einem niedrigen Hautwiderstand ließ sich die Haut zügig und problemlos für die
Ableitung der frühen akustischen Potentiale vorbereiten. Bei 37 Kindern (7 %) bereitete jedoch ein hoher Hautwiderstand Probleme beim Kleben der Elektroden beziehungsweise beim Ableiten der Hirnstammreaktionen. In diesen Fällen war ein mehrfacher Elektrodenwechsel, im Höchstfalle sogar vierfach, und ein Peeling zur Reduzierung des Hautwiderstandes erforderlich. Ein Neugeborenes konnte trotz wiederholter Elektrodenwechsel und mehreren Peelings nicht untersucht werden, da der
Hautwiderstand weiterhin über dem Grenzwert des Algo 1e lag. Ein einziges Mal
mußte das Hörscreening aufgrund einer allergischen Reaktion auf die Pflasterelektroden und/oder das Peeling abgebrochen werden. Das Kind hatte mit einer flächenhaften Rötung der Haut reagiert.
Die eigentliche Ableitzeit betrug im Mittel 6,37 Minuten. Den größten prozentualen
Anteil von 45,39 % (241 Neugeborene) nahm eine Ableitzeit zwischen drei und fünf
Minuten ein. Die weiteren Werte sind in der nachstehenden Graphik aufgeführt.
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Ergebnisse
63
Bochum
Diagramm 12: Aufteilung der Ableitzeit
4%
3% 1%
22%
7%
< 3 min
3-5 min
> 5-10 min
> 10-15 min
> 15-20 min
> 20-30 min
> 30 min
18%
45%
Die Ableitzeit verlängert sich vor allem durch verschiedene Hirnaktivitäten des Neugeborenen während der Messung. Solch eine erhöhte Hintergrundtätigkeit, ausgelöst
z.B. durch Muskelartefakte, Träume oder auch den Wechsel zwischen den einzelnen
Schlafphasen, erschwert die Abgrenzung der echten Reizantworten. Bei zu starken
Hirnaktivitäten bricht der Algo 1e das Hörscreening daher ab. Es ist somit wünschenswert, daß die Neugeborenen während der Untersuchung schlafen, da im Schlaf
die Hintergrundtätigkeiten von relativ schwacher Intensität sind und die Ableitung
der echten Reizantworten kaum behindern.
Von den 530 Untersuchungen dieser Studie mußten 31 (5,8 %) aufgrund des unruhigen Verhaltens oder starken Weinens der Neugeborenen ganz oder teilweise abgebrochen werden. Diese 31 Wiederholungsmessungen sind in den folgenden Punkten erneut enthalten, so daß sich insgesamt 561 Untersuchungen ergeben. Eine große
Anzahl von 282 (53,1 %) Ableitungen konnte bei tief schlafenden Kindern durchgeführt werden, die auch während der Messungen nicht aufwachten. 92 Neugeborene
(17,3 %) schliefen zwar zu Beginn, erwachten aber im Laufe des Hörscreenings und
wurden unruhig oder weinten. Allerdings wachte die deutliche Mehrheit bereits bei
der Messung der otoakustischen Emissionen und nicht erst bei der Hirnstammaudiometrie auf. Ein Anteil von 33 Kindern (6,2 %) wurde sehr unruhig in den Untersu-
Ruhr-Universität
Ergebnisse
64
Bochum
chungsraum gebracht, schlief dann aber, meist während der Messung mit dem Algo
1e, ein. Bei 125 Kindern (23,5 %) konnte das Hörscreening nur mit großen Schwierigkeiten durchgeführt werden, da diese extrem unruhig waren oder geweint haben.
In solchen Fällen ist das Neugeborene oft auf dem Arm eines Elternteils untersucht
worden, oder die Mutter hat es sogar zum Stillen angelegt.
Diagramm 13: Verhalten der Säuglinge während der Untersuchung
1. Messung wegen
Unruhe abgebrochen
31
125
schreiend
33
anfangs unruhig
92
anfangs ruhig
282
schlafend
0
50
100
150
200
250
300
Anzahl
Prinzipiell wird darauf hingewiesen, daß bei keiner Untersuchung Sedativa verwendet wurden, was in vergleichbaren Studien durchaus der Fall war.
Ein weitere Störquelle, die die Ableitzeit negativ beeinflußt, ist der Umgebungslärm.
Bei zu hohem Lärmpegel kann der Algo 1e die registrierten Antworten nicht mehr
sicher auf die von ihm produzierten Clicks zurückführen und unterbricht daher die
Ableitung. In dieser Studie führte bei 25 Untersuchungen (4,7 %) ein erheblicher
Störlärm zu Unterbrechungen und damit zu einer Verlängerung der Ableitzeit. Einige
Ursachen für einen solchen Störlärm werden im folgenden exemplarisch aufgeführt:
Ruhr-Universität
Ergebnisse
65
Bochum
• Dienstbesprechung im Nebenzimmer des Untersuchungsraumes
• pädiatrische Untersuchungen
• Handwerkerlärm
• Gespräche der Eltern oder von Besuchern
• Hubschrauberlandungen
• Schützen- oder St. Martinsumzüge im Krankenhauspark
Bei einem nicht schallisolierten Untersuchungsraum können alle genannten Faktoren
zu einer Unterbrechung der Messung aufgrund von Störlärm führen. Selbstverständlich gilt dies für alle Hörscreeningverfahren, die auf eine ruhige Umgebung angewiesen sind.
7.2 Vergleich mit den Resultaten der Messung von otoakustischen Emissionen
Ähnlich wie bei der Hirnstammaudiometrie mittels des Algo 1e werden bei der Messung der otoakustischen Emissionen mit dem Echo-Screen zusätzlich zum qualitativen Befund zwei weitere Parameter angegeben: die Stimulusqualität und die
Artefaktehäufigkeit. Allerdings ist der qualitative Befund nicht an bestimmte
Vorgaben in bezug auf diese Parameter gebunden, so daß auch bei niedriger
Stimulusqualität und hoher Artefaktehäufigkeit „pass“-Ergebnisse vorkamen.
Orientiert an der pädaudiologischen Fachliteratur sind in dieser Studie eine
Stimulusqualität von 85 % und eine Artefaktehäufigkeit von weniger als 2 %
angestrebt worden. Die nun folgenden Daten erfüllen diese Vorgaben jedoch nicht
zwingend; bei dem Vergleich mit der Hirnstammaudiometrie wurde mehr Wert auf
die „pass“- beziehungsweise „fail“-Ergebnisraten gelegt. Insgesamt sind 519
Messungen auswertbar. Die Rate von „fail“-Ergebnissen lag sehr viel höher als beim
Algo 1e. Es erhielten 154 Kinder (29,6 %) ein „fail“-Ergebnis, welches bei 44
(8,4 %) beide Ohren betraf. Zum direkten Vergleich sind die prozentualen
Verteilungen der Hirnstammaudiometrie in der Graphik mitabgebildet.
Ruhr-Universität
Ergebnisse
66
Bochum
Diagramm 14: Vergleich der „pass“- und „fail“-Ergebnisse nach der ersten Messung
100%
90%
98,49%
Algo 1e
Echo-Screen
80%
70,33%
70%
60%
50%
40%
30%
21,19%
20%
8,48%
10%
1,32%
0%
bds. pass
eins. fail
0,19%
bds. fail
Beim Auftreten von „fail“-Ergebnissen, Stimulusqualitäten von weniger als 85 %
oder Artefaktehäufigkeiten von über 2 % sollten Folgeuntersuchungen durchgeführt
werden. Diese Kontrollen waren aber aufgrund von unruhigen Kindern, einer ablehnenden Haltung der Eltern oder aber auch wegen Störlärms nicht immer möglich.
Das rechte Ohr ist trotz dieser Schwierigkeiten 83 mal (15,9 %), das linke 110 mal
(21,2 %) nachgemessen worden. Eine beidseitige Kontrolle war 141 mal (27,2 %) erforderlich, so daß insgesamt bei 334 Kindern (64,4 %) 504 Folgemessungen stattgefunden haben. Durch diese Kontrollen konnten weitere 46 Neugeborene mit einem
vorerst einseitigen „fail“-Ergebnis und 5 weitere mit einem zuvor beidseitigen „fail“Ergebnis ein beidseitiges „pass“-Ergebnis erzielen (52 Kinder, entspricht 9,8 %). 11
mal (2,1 %) ergab sich zumindest einseitig nach erst negativem Befund ein positives
Ergebnis. Die nach den Kontrollen geänderte prozentuale Verteilung stellt sich folgendermaßen dar:
Ruhr-Universität
Ergebnisse
67
Bochum
Diagramm 15: Vergleich der „pass“- und „fail“-Ergebnisse nach Kontrolluntersuchungen
100%
90%
80%
100,00%
Algo 1e
Echo-Screen
80,15%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
14,45%
10%
0,00%
0%
bds. pass
eins. fail
0,00%
5,40%
bds. fail
Ziel der Kontrollmessungen war neben dem Erreichen eines „pass“-Ergebnisses auch
eine Verbesserung der Stimulusqualität. Unabhängig vom qualitativen Befund
„pass“ / „fail“ konnte bei 67 Neugeborenen (12,9 %) inklusive der Nachmessungen
keine Stimulusqualität von mindestens 85 % für das rechte Ohr erreicht werden. Für
das linke Ohr trat dieser Fall 78 mal (15 %) auf, so daß bei 145 Ergebnissen einseitig
eine unbefriedigende Stimulusqualität bestehen blieb. Bei 27 Kindern (5,2 %) brachten die Kontrollmessungen beidseits keine Stimulusqualität von über 85 % ein. In 21
Fällen (4,03 %) erfolgten sogar mehrere beidseitige Nachmessungen, ohne daß dies
die Ergebnisse verbessert hätte.
Ruhr-Universität
Ergebnisse
68
Bochum
Diagramm 16:
Verteilung der Stimulusqualitäten unter Berücksichtigung der Kontrollmessungen
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
12,90%
87,10%
15,00%
85,00%
27,90%
5,20%
33,10%
94,80%
72,10%
66,90%
Stimulus > 85%
Stimulus < 85%
rechts
links
einseitig
gesamt
beidseitig
gesamt
Der Parameter „Stimulusqualität“ läßt keinen direkten Vergleich mit den Parametern
der Hirnstammaudiometrie zu. Er ist aber hier aufgeführt, da niedrige Stimulusqualitäten zu Kontrollmessungen führen, und diese wiederum die Meßzeit deutlich verlängern.
Im folgenden sollen die verschiedenen zeitlichen Parameter der Hirnstammaudiometrie und der Messung der otoakustischen Emissionen verglichen werden:
Im Rahmen dieser Studie waren die Vorlaufzeiten für beide Verfahren identisch, da
die Untersuchungen direkt nacheinander durchgeführt wurden.
Die Vorbereitungszeit beinhaltete bei der Messung mit dem Echo-Screen die Kontrolle des Ladezustandes der Batterie und die Auswahl eines adäquaten Silikonadapters, orientiert an der Gehörgangsweite des zu untersuchenden Kindes. Da der Batteriecheck zeitlich genormt ist, und die Auswahl des passenden Silikonadapters nur
wenige Sekunden in Anspruch nahm, belief sich die Vorbereitungszeit regelmäßig
auf eine Minute.
Die Meßzeit, die der Ableitzeit der Hirnstammaudiometrie entspricht, ist als die Zeit
zu verstehen, in der ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden konnte. Es sind
also mindestens zwei Messungen, je einmal rechts und einmal links, höchstens je-
Ruhr-Universität
Ergebnisse
69
Bochum
doch sechs Messungen enthalten. Bei dieser Definition ergab sich eine mittlere Meßzeit von 4,43 Minuten. Dies bestätigte sich auch durch den größten prozentualen Anteil von 24,42 % (127 Messungen) bei einer Meßzeit zwischen drei und fünf Minuten. Ein Ergebnis unter zwei Minuten erreichten 11,71 % (61 Messungen). Dem stehen 0,58 % (4 Messungen) mit einer Meßzeit von über 15 Minuten gegenüber.
Diagramm 17: Aufteilung der Meßzeit
5%
1%
12%
9%
11%
21%
24%
< 2 min
= 2 min
= 3 min
> 3-5 min
> 5-7 min
> 7-10 min
> 10-15 min
> 15 min
17%
Insgesamt stellt sich der Vergleich der verschiedenen Zeiten folgendermaßen dar:
Ruhr-Universität
Ergebnisse
70
Bochum
Diagramm 18: Zeitenvergleich
min
14
12
12,86
Algo 1e
Echo-Screen
10
9,24
8
6,37
6
4
3,81
4,43
3,81
2,68
2
1,00
0
Vorlaufzeit
Vorbereitungszeit
Meßzeit
Gesamtzeit
Hierbei muß berücksichtigt werden, daß bei einer Gesamtuntersuchungszeit von
12,86 Minuten beim Algo 1e 100 % verwertbare, beidseitige „pass“-Ergebnisse vorlagen. Der Echo-Screen konnte nur eine Rate von 80,15 % für beidseitige „pass“Ergebnisse aufweisen. Außerdem ist bei 33,1 % der Messungen trotz Wiederholungen die Aussagekraft wegen schlechter Stimulusqualitäten fraglich.
7.3 Ergebnisse der klinischen Untersuchung
Bei den klinischen Untersuchungen der 530 Neugeborenen konnten keine pathologischen Besonderheiten festgestellt werden. Es zeigten sich aber einige Auffälligkeiten
in bezug auf die Ohrmuschel und den Gehörgang.
Acht Kinder (1,5 %) boten das Bild einer einseitig unvollständigen Entfaltung der
Ohrmuschel. Einmalig ist eine durch das Geburtstrauma verursachte Wunde aufgetreten (0,19 %). Bei einem Neugeborenen (0,19 %) fand sich ein Anhängsel der
Ohrmuschel, welches vom Pädiater abgebunden wurde.
Im Gehörgang ist bei 81 Kindern (15,3 %) ein Sekret aufgefallen, wie z.B. Cerumen,
Vernix caseosa oder Fruchtwasser. Bei 38 Neugeborenen (7,2 %) stellte sich der Ge-
Ruhr-Universität
Ergebnisse
71
Bochum
hörgang extrem schmal oder schlitzförmig dar, und neunmal (1,7 %) wurde eine Rötung beschrieben. Die genannten Auffälligkeiten traten sowohl einseitig als auch
beidseitig auf.
Diagramm 19: Befundung der Gehörgänge
7%
2%
15%
o.p.B.
Sekret
schmaler Gehörgang
Rötung
76%
Alle gut einsehbaren Trommelfelle waren altersentsprechend und unauffällig. In 17
Fällen (3,2 %) konnte das Trommelfell jedoch nicht beurteilt werden, da es nicht oder nur schlecht einsehbar war.
Auch die Kontrolle der Nasenatmung zeigte keine auffälligen Befunde. Bei 92 Kindern (17,36 %) fand sich ein Sekret, und zwar 57 mal einseitig (10,75 %) und 35 mal
beidseitig (6,60 %). In den ersten Lebenstagen ist hierbei jedoch eher von Fruchtwasserresten als von einer Infektion auszugehen.
Insgesamt erbrachte die klinische Untersuchung bei keinem Neugeborenen einen
Hinweis auf eine Schädigung des Hörorganes oder eine sonstige Erkrankung.
Ruhr-Universität
Diskussion
72
Bochum
8 Diskussion
Aufgrund der aktuellen Diskussion über die Einführung eines generellen Hörscreenings wird die Eignung verschiedener Hörprüfverfahren getestet. Das Anliegen dieser Dissertation besteht aus einer Einschätzung der automatisierten Hirnstammaudiometrie als Hörscreeningmethode. Hierzu sind 530 Neugeborene mit dem Algo 1e
und zusätzlich mit dem Echo-Screen auf einen angeborenen Hörschaden hin untersucht worden. Der Beurteilung des Algo 1e wird eine Darstellung der Anforderungen
an ein Neugeborenenhörscreening vorangestellt.
Eine Screeninguntersuchung erweist sich bei solchen Erkrankungen als sinnvoll, deren Frühdiagnose eine gute Therapie ermöglicht und somit den sonst schweren Verlauf bei Nichterkennung verhindert. Diese Konstellation trifft auf eine angeborene
Hörstörung zu. Die Therapiemöglichkeiten bestehen aus einer frühen Hörgeräteversorgung oder auch aus einem Cochleaimplantat. Die Effizienz dieser frühen Interventionen wird in einer Studie von Yoshinaga-Itano und seinen Mitarbeitern deutlich. Verglichen wurde die sprachliche Entwicklung von Kindern, deren angeborene
Hörstörung bereits im Neugeborenenalter durch einen Screeningtest festgestellt wurde, mit der von solchen Kindern, deren seit Geburt bestehende Hörschädigung erst
nach dem sechsten Lebensmonat diagnostiziert wurde. Hierbei zeigte das erstgenannte Kollektiv eine nahezu normale Sprachentwicklung, die die des zweiten Kollektives
signifikant
übertraf
(Yoshinaga-Itano
C.;
1995).
Die
audiogenen
Entwicklungsstörungen als Folgen einer unentdeckten und somit unbehandelten
Dysakusis sind in pädaudiologischen Fachkreisen seit langem bekannt und werden
als Argument für ein universelles Hörscreening angeführt. Ein Literaturvergleich
liefert als Ergebnis die nahezu einstimmige Forderung eines generellen
Hörscreenings in den ersten Lebenstagen. Pionierarbeit leistete auf diesem Gebiet
Marion Down bereits in den frühen siebziger Jahren in den USA (Down, M. P.,
Sterritt; G. M., 1964). Auch Bess und Paradise wiesen später auf die Notwendigkeit,
aber auch auf die Schwierigkeiten eines allgemeinen Neugeborenenhörscreenings hin
(Bess, F. H.; Paradise, J. L.; 1994). Im Jahre 1996 gab das Comittee on Genetics
Informationsschriften zum Neugeborenenhörscreening in den USA und allen seinen
Territorien heraus (Comittee on Genetics, 1996). Als wichtige Institutionen, die sich
für die Einführung eines universellen Hörscreenings im Neugeborenenalter seit
Ruhr-Universität
Diskussion
73
Bochum
sellen Hörscreenings im Neugeborenenalter seit Jahren einsetzen, sind beispielhaft
die National Institutes of Health und das Joint Comittee on Infant Hearing zu nennen
(National Institutes of Health, 1993; Joint Comittee on Infant Hearing, 1995). Auch
in Deutschland bemühen sich viele Pädaudiologen um die Durchsetzung eines
flächendeckenden Hörscreenings.
Prinzipiell wird das Neugeborenenhörscreening also von vielen Seiten befürwortet
und sogar gefordert. Im Vordergrund steht nun die Suche nach einer geeigneten
Screeningmethode. Neben finanziellen Aspekten spielen auch klinische Überlegungen eine Rolle. Die hieraus resultierenden Anforderungen an ein Verfahren, das im
Rahmen eines Neugeborenenhörscreenings eingesetzt werden soll, können folgendermaßen formuliert werden (H. Röchling, 1998):
1. Die Untersuchungsmethode muß selbstverständlich bei Neugeborenen angewandt
werden können. Weiterhin wird von der Hörscreeningmethode ein non-invasiver,
dem Patienten zumutbarer Charakter gefordert.
2. Die Sensitivität des eingesetzten Verfahrens sollte bei 100 % liegen, außerdem ist
eine hohe Spezifität von Vorteil, nicht aber unbedingt notwendig.
3. Die Anwendung der ausgewählten Untersuchungsmethode sollte sowohl zeit- als
auch kostengünstig sein und eine hohe Praktikabilität bei großen Reihenuntersuchungen aufweisen.
Zu 1.: Die erste Anforderung wird vom Algo 1e erfüllt, da die automatisierte Hirnstammaudiometrie als objektives Verfahren unabhängig von der Kooperation des
Probanden durchgeführt werden kann. Weiterhin wird der Algo 1e vom Hersteller als
ein bedienerfreundliches, tragbares, nicht invasives Gerät zur Prüfung eines Hörschadens bei Neugeborenen bezeichnet (Nautus Medical Inc., 1997).
Zu 2.: Der in den Bedingungen für ein Screeningverfahren enthaltenen Forderung
nach einer hohen Sensitivität kann der Algo 1e ebenfalls gerecht werden. Ein Literaturvergleich zeigt, daß die Sensitivität häufig mit 100 % angegeben wird (Northern,
J. L. und Hayes, D., 1994; Mehl; A. L., Thomson, V., 1998). Für die Spezifität existieren unterschiedliche Angaben innerhalb der Fachliteratur. Bei vielen Studien ergab sich jedoch auch hier ein Wert von über 90 % (Röchling, H., 1998; Northern, J.
Ruhr-Universität
Diskussion
74
Bochum
L. und Hayes, D., 1994). Auch die von B. S. Herrmann et al. zusammengefaßten Studien liefern ähnliche Daten für die Sensitivität beziehungsweise für die Spezifität:
100 % bzw. 97 % bei Hall, Kileny, Ruth und Kripal (1987), 80 % bzw. 96 % bei von
Wedel, Schauseil-Zipf und Doring (1988), 100 % bzw. 96 % bei Jacobson, Jacobson
und Spahr (1990) und 100 % bzw. 98 % bei Herrmann et al. (Herrmann, B. S., et.al.,
1995).
Der Algo 1e entspricht aufgrund seiner technischen Voraussetzungen somit den ersten beiden Anforderungen und bietet sich daher für den Einsatz im Rahmen eines
Hörscreeningprogrammes an.
Zu 3.: Zielsetzung dieser Studie ist die Überprüfung der unter drittens genannten Anforderungen an ein geeignetes Screeningverfahren. Mit Hilfe der Daten von 530
Neugeborenenhörscreeninguntersuchungen mit dem Algo 1e sollten dessen Zeit- und
Kostenintensität, sowie die Praktikabilität beurteilt werden. Unter den Begriff der
Praktikabilität fallen viele verschiedene Aspekte, wie die Invasivität, die Sicherheit,
die geforderten Qualifikationen der Untersucher, die Notwendigkeit von Wiederholungsmessungen oder auch die Anforderungen an den Untersuchungsraum.
Im Hinblick auf die Zeitintensität lieferte die Studie folgende Ergebnisse: Unter angemessenen Bedingungen, das heißt ein eigener Untersuchungsraum und ein oder
zwei nicht notwendigerweise spezialisierte Untersucher, dauerte eine Hörscreeninguntersuchung mit dem Algo 1e im Durchschnitt 12,86 Minuten. Diese Zeit beinhaltet den Vorlauf, sowie die Vorbereitungs- und Ableitzeit und korreliert sehr gut mit
den Angaben des Herstellers, der die Dauer einer typischen Hörprüfung mit maximal
15 Minuten angibt. Deutlich hebt sich diese Untersuchungszeit von der anderer Studien mit dem Algo 1e ab, in denen teilweise bis zu 45 Minuten angegeben werden
(Röchling, H., 1998). In einer Untersuchungsreihe von H. Lauffer et al. wird für die
konventionelle Hirnstammaudiometrie sogar ein Zeitaufwand von bis zu einer Stunde angegeben. Auch durch die Einführung der automatisierten Hirnstammaudiometrie verringerte sich die durchschnittliche Untersuchungszeit nur um circa 50 %
und lag damit deutlich über der der vorliegenden Studie (Lauffer, H., Pröschel, U.,
Gerling, S., Wenzel, D., 1994). H. von Wendel et al. gibt hingegen eine reine Ableit-
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75
Bochum
zeit von 2-3 Minuten bei einem „pass“-Ergebnis und 7 Minuten bei einem „fail“Ergebnis an (von Wedel, H., Schauseil-Zipf, U. & Doring, W. H., 1988). Diese Zeitangabe stimmt relativ gut mit der vorliegenden Ableitzeit von 6,38 Minuten überein.
Da die Messung der otoakustischen Emissionen als Alternative zur Hirnstammaudiometrie diskutiert wird, sind alle Kinder dieser Studie auch mit diesem Verfahren
mittels des Echo-Screens zum Ausschluß einer Hörstörung gescreent worden. Hierbei belief sich die durchschnittliche Untersuchungszeit, die dieselben Parameter wie
bei der Hirnstammaudiometrie enthält, auf 9,24 Minuten. Diese sehr geringe Differenz ist meiner Meinung nach nicht als Nachteil für den Algo 1e zu bewerten. Vor allem muß berücksichtigt werden, daß beim Screening mit dem Algo 1e nach 12,86
Minuten 100 % verwertbare, beidseitige „pass“-Ergebnisse vorlagen. Dieses Ergebnis korreliert durchaus mit der Inzidenz von angeborenen Hörstörungen, die vom
Joint Comittee on Infant Hearing mit 1,5 bis 6 pro 1000 angegeben wird (Watkin, P.,
Baldwin, M. and Mc Enery, G., 1991; Parving, A., 1993; White, K. R. and Behrens,
T. R., 1993). Obwohl die Untersuchungszeit von 9,24 Minuten des Eche-Screens bereits Nachmessungen enthält, lieferten nur 80,2 % aller Untersuchungen beidseitige
„pass“-Ergebnisse. Diese hohe Rate von 19,8 % der „fail“-Ergebnisse beinhaltet
selbstverständlich auch Hinweise auf passagere Hörstörungen oder ungünstige Meßbedingungen. Trotzdem fällt die deutliche Diskrepanz zur Inzidenz von angeborenen
Hörstörungen auf, wodurch die Aussagekraft der Echo-Screen-Untersuchungen doch
fraglich wird. Weiterhin wird diese Aussagekraft in 33,1 % der Messungen durch
schlechte Stimulusqualitäten gemindert. Aufgrund der dargestellten Verhältnisse darf
die durchschnittliche Untersuchungszeit meines Erachtens nach nur im Zusammenhang mit den erfahrungsgemäß erzielbaren Ergebnissen beurteilt werden. Hieraus ergibt sich, daß die Zeitintensität des Algo 1e nicht gegen den Einsatz als Hörscreeningverfahren spricht.
Die Kostenintensität ist ein weiterer wichtiger Faktor in der Diskussion über ein allgemeines Hörscreening. Primär unabhängig von der Untersuchungsmethode ist der
finanzielle Aufwand eines universellen Hörscreenings in der pädaudiologischen
Literatur bereits ausführlich behandelt worden (Mehl, A.L., Thomson, V., 1998). Im
Durchschnitt werden die Screeningkosten für ein einzelnes Kind mit 25 US$ ange-
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76
Bochum
geben. Dieser Betrag enthält alle anfallenden Positionen, wie z.B. Material- oder Laborkosten. Allerdings schwankt er stark in Abhängigkeit vom durchführenden Untersucher. Die niedrigsten Kosten mit 18,30 US$ ergeben sich bei angelernten Freiwilligen, die höchsten von 33,30 US$ fallen bei den Audiologen an. Zieht man den Vergleich zu anderen angeborenen Erkrankungen, die bereits einem generellen Screening unterliegen, so erscheinen die Kosten enorm. Die Phenylketonurie oder auch
der Hypothyreoidismus imponieren mit Screeningkosten von 3 US$ pro untersuchtem Kind. Werden jedoch die Kosten für jede neue, gesicherte Diagnose gegenüber
gestellt, so liegen die der angeborenen Hörstörung mit 9600 US$ durchaus im Rahmen. Die Phenylketonurie bietet hier Werte von 40500 US$ und der Hypothyreoidismus 10800 US$. Viel bedeutender als der Vergleich mit anderen bereits regelmäßig gescreenten Erkrankungen ist jedoch folgende Überlegung: Werden die Kosten
für ein generelles Hörscreening und die hieraus resultierenden therapeutischen Interventionen nicht durch die Reduzierung der Folgeschäden bei spät diagnostizierten,
hörgeschädigten Kindern ausgeglichen? Reichen die Einsparungen auf der Seite der
Sprach- und Verhaltenstherapien bei hörgeschädigten Kindern im Vorschul- und
Grundschulalter aus, um ein Hörscreening im Säuglingsalter finanzieren zu können?
A. L. Mehl und V. Thomson haben für den US-Bundesstaat Colorado folgende Kostenanalyse eines geplanten Neugeborenenhörscreenings durchgeführt:
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Tabelle 2: Cost Analysis of Proposed Universal Newborn Hearing Screening in Colorado
Year
Initial Confirmatory
Screen Evaluation
Costs
costs
Cost of
Intervention
Cumulative
Cost
Cumulative Eval
and Therapy
Savings
Cumulative
Education
Savings
Net Cost
or (Savings)
1
1.45
0.2
0.07
1.72
0
0
1.72
2
1.45
0.2
0.20
3.56
0
0
3.56
3
1.45
0.2
0.26
5.47
0.10
0
5.37
4
1.45
0.2
0.26
7.38
0.79
0.14
6.46
5
1.45
0.2
0.26
9.29
2.13
0.61
6.55
6
1.45
0.2
0.26
11.2
4.04
1.32
5.84
7
1.45
0.2
0.26
13.1
6.03
2.25
4.82
8
1.45
0.2
0.26
15.0
8.01
3.41
3.58
9
1.45
0.2
0.26
16.9
10.0
4.81
2.09
10
1.45
0.2
0.26
18.8
12.0
6.43
0.37
11
1.45
0.2
0.26
20.7
14.0
8.27
(1.57)
12
1.45
0.2
0.26
22.6
16.0
10.4
(3.80)
Diese Hochrechnungen zeigen eindrucksvoll, daß sich ein generelles Hörscreening
bereits nach 10 Jahren nahezu selber tragen könnte. Bei den vorliegenden Daten ließe sich ab dem 11. Jahr sogar ein Gewinn erzielen. Eine solche mehrjährige Anlaufphase erklärt sich aus dem erst ab dem dritten Screeningjahr deutlich werdenden
Einsparungen. Bis zu diesem Jahr verursachen immer noch spät diagnostizierte Hörstörungen aus den Jahrgängen vor dem Neugeborenenscreening hohe Therapiekosten. Insgesamt zeigt diese Kostenanalyse, daß der Kostenfaktor nicht gegen, sondern
für die Einführung eines allgemeinen Hörscreenings spricht.
In Deutschland werden die Personalkosten für ein Hörscreening, durchgeführt von
angelerntem Assistenzpersonal, auf circa 15 DM geschätzt. Die Kosten für eine vom
Pädaudiologen geleistete Hörprüfung belaufen sich nahezu auf das Doppelte. Die
Unabhängigkeit von einem Spezialisten oder Pädaudiologen stellt sich somit als ein
weiterer Vorteil des Algo 1e dar: Die Screeningkosten können durch angelernte Untersucher deutlich gesenkt werden, da die Personalkosten einen bedeutenden Anteil
der Gesamtkosten ausmachen (Hermann, B. S., Thornton, A. R., Joseph, J. M.,
1995). Als einziger Kritikpunkt bei der Kostendiskussion verbleibt beim Algo 1e die
Verwendung von Einmalartikeln. Diese haben ihren unbestrittenen Vorteil bei Betrachtung der hygienischen Aspekte und der Infektionsrisiken, sie stellen aber einen
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Kostenpunkt dar. Pro Screeninguntersuchung müssen circa 6,00 DM für die Kopfhörer und je nach Hersteller 1,00 bis 2,00 DM für die Hautelektroden aufgebracht werden.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß ein Hörscreening mit dem Algo 1e den in
der Literatur vertretenen Durchschnittswert von 25 US$ nicht überschreitet. Auch
unter Berücksichtigung des finanziellen Aspektes kann der Algo 1e somit als ein geeignetes Verfahren für ein Hörscreening angesehen werden.
Das Kriterium der Invasivität läßt sich beim Algo 1e leicht bewerten. Er wird bereits vom Hersteller als nicht-invasiv bezeichnet und nach meiner Beobachtung von
den Neugeborenen auch so toleriert. Weder das Aufkleben der Hautelektroden, noch
das Anlegen der Kopfhörer weisen einen invasiven Charakter auf. Hingegen ist im
Rahmen dieser Studie oft aufgefallen, daß die Säuglinge das Einführen des Silikonadapters des Echo-Screens in den vorderen Gehörgang als unangenehm empfanden.
Dies äußerte sich durch Aufwachen, Weinen oder auch unwirsche Bewegungen der
Neugeborenen.
Die Sicherheit der Hirnstammaudiometrie mit dem Algo 1e wird in der pädaudiologischen Fachliteratur allgemein anerkannt. Viele Studien haben gezeigt, daß die
Ergebnisse
des
Algo
1e
sehr
gut
mit
denen
der
konventionellen
Hirnstammaudiometrie übereinstimmen (Herrmann, B. S., Thornton, A. R., Joseph,
J. M., 1995). Insgesamt wird die Hirnstammaudiometrie, ob nun automatisiert oder
konventionell, als der genaueste Maßstab der Hörempfindlichkeit bei Neugeborenen
bewertet (Jacobson, J. et al, 1990).
Die zu fordernden Qualifikationen der Untersucher sind beim Algo 1e verglichen
mit denen anderer Hörprüfmethoden relativ gering. Aufgrund der Tatsache, daß es
sich um ein objektives Verfahren handelt, entfällt die Beurteilung der Reaktionen auf
den angebotenen akustischen Reiz, welche sich bei Neugeborenen sehr schwierig
gestalten kann. Da es sich außerdem um ein automatisiertes Verfahren handelt, entfällt auch die Bewertung der abgeleiteten Hirnstammreaktionen. Somit besteht keine
Notwendigkeit, die Untersuchung von einem erfahrenen Arzt oder Pädaudiologen
Ruhr-Universität
Diskussion
79
Bochum
durchführen zu lassen (Hermann, B. S., Thornton, A. R., Joseph, J. M., 1995). Eine
grundlegende Einweisung in die Ausrüstung reicht aus, um die Hörprüfung an gesunden, zur Entlassung anstehenden Neugeborenen zu erlernen (Natus Medical Inc.,
1997). Nach einer solch kurzen Anlernphase kann der Algo 1e gut von medizinischem Assistenzpersonal, wie z.B. Pflegekräften oder Arzthelferinnen oder auch interessierten medizinischen Laien bedient werden. Natürlich muß ein verantwortungsvoller Umgang mit den Neugeborenen und auch mit dem Gerät vorausgesetzt
werden können. Diese bedienerfreundliche Eigenschaft des Algo 1e ist ein ganz klarer Vorteil für den Einsatz im Rahmen eines Neugeborenenhörscreenings. Zum einen
eröffnen die geringen Anforderungen einen großen Kreis möglicher Untersucher,
zum anderen werden selbstverständlich auch die Kosten des Hörscreenings durch
den Einsatz von nicht speziell qualifizierten Kräften deutlich gesenkt.
Im Hinblick auf die Notwendigkeit von Wiederholungsmessungen hat diese Studie
einen weiteren positiven Aspekt des Algo 1e verdeutlicht. Von insgesamt 530 durchgeführten Screeninguntersuchungen mußten nur acht (1,5 %) wegen eines „fail“Ergebnisses wiederholt werden. In sieben dieser Fälle reichte eine Nachmessung aus,
einmal waren zwei notwendig, um endgültig eine Hörstörung ausschließen zu können. Die relative Häufigkeit der „fail“-Ergebnisse liegt mit 1,5 % unter den Werten
bereits veröffentlichter Studien. Allerdings sind diese Untersuchungen fast ausschließlich mit Risikokindern durchgeführt worden, so daß eine größere Anzahl von
auffälligen Befunden zu erwarten war. Bei der Studie von H. Lauffer et al. ergaben
sich in 9 % der Fälle „fail“-Ergebnisse (Lauffer, H., Pröschel, U., Gerling, S., Wenzel, D., 1994). Eine Untersuchung von L. C. Cox et al. mit stark untergewichtigen
Neugeborenen (Geburtsgewicht unter 1500 g) zeigte sogar bei 18 % ein „fail“Ergebnis (Cox, L. C., Hack, M., Metz, D. A., 1983). In der Veröffentlichung von B.
S. Hermann et al. wies das dritte Experiment einen Prozentsatz von 11 % bei den
„fail“-Ergebnissen auf (Hermann, B. S., Thornton, A. R., Joseph, J. M., 1995). Der in
dieser Studie ermittelte Anteil der „fail“-Ergebnisse von 1,5 % korreliert jedoch gut
mit der Inzidenz von angeborenen Hörstörungen bei gesunden reifen Neugeborenen.
Unabhängig vom Befund mußten weitere 31 Screeningtests (5,8 %) aufgrund des
Verhaltens der Neugeborenen ganz oder teilweise wiederholt werden. Sehr deutlich
hebt sich hiervon die Wiederholungsraten des Echo-Screens ab: Von 519 Messungen
Ruhr-Universität
Diskussion
80
Bochum
mußten 334 wiederholt werden, das entspricht einer Rate von 64,4 %. Aufgrund dieser hohen Anzahl von Nachmessungen enthält die angegebene, durchschnittliche
Meßzeit bereits bis zu zwei Kontrollmessungen, jeweils einmal links und rechts. Allgemein kann bei Untersuchungen von Säuglingen keine Kooperation erwartet werden. Daher ist regelmäßig mit einer gewissen Anzahl von Wiederholungsmessungen
zu rechnen, die bedingt sind durch Reaktionen der zu testenden Neugeborenen. Dieser Prozentsatz von notwedigen Kontrollen kann eventuell durch den Einsatz von
Sedativa gesenkt werden. So erfolgte z.B. in der Untersuchungsreihe von S. Mattheis
eine Sedierung einiger Kinder mittels einer Rektiole Chloralhydrat (Mattheis, S.,
1995). Bei der Verwendung von Sedativa ist aber zu beachten, daß die Untersuchung
damit einen invasiven Charakter annimmt. Insgesamt ist die in dieser Studie angefallene, niedrige Wiederholungsrate von 7,3 % ein große Vorteil des Algo 1e für den
Einsatz als Hörscreeningverfahren.
Die Ansprüche an einen Untersuchungsraum für ein Hörscreening mit dem Algo
1e sind recht gering. Mit der Bereitstellung eines eigenen Untersuchungsraumes ist
ein Haupterfordernis bereits gegeben.Den Hauptanspruch erfüllt bereits ein eigener
Untersuchungsraum. Wie nahezu alle Hörprüfverfahren ist auch der Algo 1e abhängig vom Störlärmpegel. Bei zu großem Störlärm reagiert der Algo 1e mit der
Unterbrechung der Ableitung der auditiven Hirnstammreaktionen. Im allgemeinen
reicht ein ausschließlich für das Hörscreening zur Verfügung stehender
Untersuchungsraum aus, um die Störlärmbelastung ausreichend niedrig zu halten. In
der Literatur finden sich einigen Untersuchungsreihen, bei denen eine akustische
Isolierung durch schalldichte Türen und Fenster vorhanden war; dies ist aber nicht
zwingend
notwendig.
Wünschenswert
ist
jedoch
die
Vermeidung
von
Wechselstromüberlagerungen, die bei der Ableitung der frühen akustischen
Potentiale Komplikationen hervorrufen können. In der Regel sind somit die
Ansprüche des Algo 1e durch die Bereitstellung eines Untersuchungsraumes bereits
erfüllt.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Algo 1e sich in dieser Studie als absolut screeningtauglich erwiesen hat, und nur in seltenen Ausnahmefällen Nachmessungen beziehungsweise weitere diagnostische Schritte notwendig wurden. Es ist al-
Ruhr-Universität
Zusammenfassung
81
Bochum
len Neugeborenen zu wünschen, daß ihr Hörvermögen in den ersten Lebenstagen mit
Hilfe des Algo 1e oder einem verwandten Verfahren überprüft wird!
9 Zusammenfassung
Ein wichtiger Aspekt bei der Einführung eines generellen Hörscreenings ist die Suche nach einer geeigneten Methode. Mit der Beurteilung der automatisierten
Hirnstammaudiometrie als mögliches Screeningverfahren im Vergleich zu der Anwendung der otoakustischen Emissionen möchte die vorliegende Dissertation einen
Beitrag zu dieser Fragestellung leisten.
Die hierzu durchgeführte Studie beinhaltet 530 pädaudiologische Untersuchungen an
reifen, gesunden Neugeborenen, die keine offensichtlichen Risikofaktoren für eine
Hörstörung aufwiesen. Die Untersuchung begann mit einer kurzen Schwangerschafts- und Geburtsanamnese. Es folgten die Registrierung der otoakustischen Emissionen und die Ableitung der akustischen Hirnstammreaktionen. Abschließend
fand eine klinische Untersuchung statt. Die Messung der otoakustischen Emissionen
erfolgte mit dem Echo-Screen, bei der Hirnstammaudiometrie wurde der Algo 1e
verwendet.
Die Schwangerschafts- und Geburtsanamnese erweckte bei keinem Neugeborenen
den begründeten Verdacht einer Hörstörung. Bei allen Kindern konnte die automatisierte Hirnstammaudiometrie durchgeführt werden. Sie ergab nach der ersten Untersuchung nur für 8 von 530 gescreenten Neugeborenen einen auffälligen Befund.
Nach einer Kontrollmessung betrug die Rate der „pass“-Ergebnisse sogar 99,8 %.
Diese Werte stimmen gut mit der Inzidenz von angeborenen Hörstörungen überein
und stellen sich bei einem Literaturvergleich folgendermaßen dar: Die in dieser Studie ermittelte Rate von 1,5 % der „fail“-Ergebnisse ist vergleichsweise niedrig, allerdings sind die Untersuchungen auch bei gesunden, reifen Neugeborenen durchgeführt worden. Ähnliche Studien arbeiteten fast ausschließlich mit einem Kollektiv
von Risikokindern und erreichten „fail“-Raten von 9 % (Lauffer, H., Pröschel, U.,
Ruhr-Universität
Zusammenfassung
82
Bochum
Gerling, S., Wenzel, D., 1994), 11 % (Hermann, B. S., Thornton, A. R., Joseph, J.
M., 1995) oder sogar 18 % (Cox, L. C., Hack, M., Metz, D. A., 1983).
Die Registrierung der otoakustischen Emissionen gestaltete sich schwieriger mit hohen Raten an „fail“-Ergebnissen, beziehungsweise wegen schlechter Stimulusqualitäten nicht verwertbarer Befunde. Hier tut sich ein Widerspruch zu den bisherigen,
bereits in der Literatur veröffentlichten Erfahrungen bei der Anwendung der
otoakustischen Emissionen auf. Bei der Beurteilung der Zeitintensität der
automatisierten Hirnstammaudiometrie konnte diese Studie ein überraschendes
Ergebnis liefern: Eine Hörscreeninguntersuchung mit dem Algo 1e dauerte im
Durchschnitt nur 12,86 Minuten. Diese Zeitangabe korreliert sehr gut mit der
Vorgabe des Herstellers, liegt aber deutlich unter der Untersuchungszeit anderer
Studien. Die Zeitintensität und damit indirekt auch die Kostenfrage sind wichtige
Punkte in der Diskussion über ein generelles Hörscreening. Eine durchschnittliche
Untersuchungsdauer von nur 12,86 Minuten spricht daher bei der Suche nach einem
geeigneten Untersuchungsverfahren für den Algo 1e. Beim Echo-Screen ergab sich
eine durchschnittliche Untersuchungszeit von 9,24 Minuten, wobei von den in dieser
Zeit erzielten Ergebnissen aufgrund niedriger Stimulusqualitäten nur 66,9 % sicher
verwertbar waren. Die kurze klinische Untersuchung lieferte insgesamt einen
unauffälligen Befund. Die Zusammenfassung aller Untersuchungsergebnisse zeigte,
daß keiner der 530 untersuchten Neugeborenen eine angeborene Hörstörung von
mehr als 30 dB aufwies.
In dieser Studie hat sich der Algo 1e als ein vielversprechendes Hörscreeningverfahren erwiesen. Bei bekannter hoher Sensitivität und guter Spezifität stellt sich auch
der objektive Charakter der Methode als Vorteil bei der Untersuchung von Neugeborenen dar. Auch die aus den 530 Untersuchungen ermittelten Werte für die durchschnittliche Zeit- und Kostenintensität bestätigen den Algo 1e als ein geeignetes Verfahren für das Neugeborenenhörscreening. Weitere Einsatzmöglichkeiten des Algo
1e liegen in der gezielten Diagnostik bei bekannten Risikokindern und in den Verlaufskontrollen
bei
bereits
diagnostizierten
Hörstörungen.
Ruhr-Universität
83
Bochum
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Anhang
Anhang 1:
91
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Bochum
Anhang 2:
92
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93
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Danksagung
Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich auf verschiedene Art und Weise bei
der Erstellung dieser Dissertation unterstützt haben.
Ausdrücklich danke ich an dieser Stelle:
Herrn Prof. Dr. med. H. Hildmann für die Überlassung des Themas,
Frau Dr. med. A. Hildman n und der Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie der
Vestischen Kinderklinik Datteln für die Unterstützung sowohl bei der Planung und
Durchführung der Hörscreeninguntersuchungen, als auch bei deren Auswertungen,
Herrn Dr. med. J. Giffei und dem Perinatalzentrum des St.-Vincenz-Krankenhauses
für die Zusammenarbeit bei der Erhebung der klinischen Daten.
Mein besonderer Dank gilt denen, die mir durch die Betreuung meiner Tochter Luana das Schreiben dieser Dissertation ermöglicht haben!
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Bochum
Lebenslauf mit persönlichem und beruflichem Werdegang
Persönliche Daten:
• Name:
Vogler Rodrigues dos Santos, Marit
• Anschrift:
Langerohstraße 69, 44319 Dortmund
• Geburtsdatum:
20. 08. 1973
• Geburtsort:
Dortmund
• Eltern:
Diplom-Pädagogin Brigitte Vogler, geb. Staufenbiel und
Diplom-Ingenieur Franz Josef Vogler
• Geschwister:
Studentin Kerstin Vogler (1974), Student Henning Vogler
(1977), Metallgestalter Oliver Schimanski (1977)
• Familienstand:
verheiratet, Tochter Luana Vogler dos Santos (1998)
• Konfession:
römisch-katholisch
Bildungsweg:
• 1980-1984:
Besuch der katholischen Roncalli-Grundschule in Dortmund
• 1984-1993:
Besuch des Immanuel-Kant-Gymnasiums in Dortmund mit
dem
Abschluß der allgemeinen Hochschulreife
• 1993-1994:
Tätigkeit als Missionarin auf Zeit in Coroatá, Maranhão,
Brasilien
• WS 1994/1995:
Beginn
des
Studiums
der
Humanmedizin
Ruhr-Universität Bochum
• Sommer 1996:
Ärztliche Vorprüfung
• Sommer 1997:
Erster Abschnitt der ärztlichen Prüfung
• Februar 1998September 2000: Erstellung der vorliegenden Dissertation
• Sommer 2000:
Zweiter Abschnitt der ärztlichen Prüfung
an
der
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