Lösung zu Blatt 9

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Institut für Mathematik
Prof. Dr. Helge Glöckner
Dipl. Math. Rafael Dahmen
SoSe 11
10.06.2011
9. Übungsblatt zur
Differentialgeometrie“
” (Aufgaben und Lösungen)
Gruppenübung
Aufgabe G17 (Tangentialbündel und Tangentialabbildungen)
Sei U ⊆ Rn offen. Dann definieren wir für jedes Paar (a, v) ∈ U × Rn die folgende Zahl
ε(a,v) := sup {δ ∈]0, 1] : (∀t ∈] − δ, δ[) a + tv ∈ U } > 0
und die folgende Kurve
γ(a,v) : ] − ε(a,v) , ε(a,v) [−→ U : t 7→ a + tv.
Die Äquivalenzklasse der Kurve γ(a,v) ist ein Element im abstrakten Tangentialraum
Ta U der Mannigfaltigkeit U am Punkt a.
(a) Machen Sie sich klar (bzw. zitieren Sie die Vorlesung), dass die Abbildung
ΓU : U × Rn −→ T U
(a, v) 7−→ [γ(a,v) ]∼
ein Diffeomorphismus von glatten Mannigfaltigkeiten ist.
(b) In der Vorlesung wurde für eine vektorwertige C k -Funktion f : M −→ Rm die
Funktion df : T M −→ Rm auf dem abstrakten Tangentialbündel definiert. Zeigen
Sie, dass falls M = U eine offene Teilmenge des Rn ist, diese Abbildung nichts
anderes als die Richtungsableitung von f ist, dass also gilt:
f (a + tv) − f (a)
.
t→0
t
df (ΓU (a, v)) = lim
Wir werden im Folgenden den kanonischen Diffeomorphismus ΓU weglassen und
T U auf diese Weise mit U × Rn identifizieren, wenn U ⊆ Rn offen ist.
(c) In der Vorlesung wurde für eine C k -Funktion f : M −→ N zwischen C k -Mannigfaltigkeiten
die Tangentialabbildung T f : T M −→ T N zwischen den dazugehörigen Tangentialbündeln definiert. Zeigen Sie, dass für M = U ⊆ Rn und N = V ⊆ Rm gilt:
T f (a, v) = (f (a), df (a, v)).
In dieser Formel wurden die kanonischen Diffeomorphismen ΓU und ΓV bereits
weggelassen.
9. Übung
Differentialgeometrie
(d) Sei M eine C k -Mannigfaltigkeit und sei φ : Uφ −→ Vφ eine Karte von M . Dann
haben wir in der Vorlesung die Karte T φ : T Uφ −→ Vφ × Rn definiert. Wir wollen nun sehen, dass diese Definition konsistent mit der späteren Definition einer
Tangentialabbildung ist. Zeigen Sie deshalb, dass die Karte
T φ : T Uφ −→ Vφ × Rn
mit der Tangentialabbildung
T φ : T Uφ −→ T Vφ
übereinstimmt, wenn man die entsprechende Identifizierung mittels ΓVφ vornimmt.
Lösung: (a)
Wenn M eine C ∞ -Mannigfaltigkeit ist, so wurde in der Vorlesung bereits T M mit einer
C ∞ -Struktur versehen und es wurde ein Atlas für T M angegeben. In dem Spezialfall,
dass M = U ⊆ Rn einfach nur eine offene Teilmenge von Rn ist, dann ist die in der
Vorlesung angegebene Karte gerade die Umkehrabbildung von der Abbildung, die hier
ΓU genannt wird. Somit ist ΓU die Umkehrabbildung einer Karte und damit automatisch
ein Diffeomorphismus.
(b)
In der Vorlesung wurde df wie folgt definiert:
df : T M −→ Rm
[γ]∼ 7−→ (f ◦ γ)′ (0).
In unserem Spezialfall ist M = U und γ(a,v) (t) := a + tv. Wir müssen also nur die
Funktion f ◦ γ(a,v) an der Stelle 0 ableiten. Das ergibt dann:
df (ΓU (a, v)) = df ( γ(a,v) ∼ )
′
= f ◦ γ(a,v) (0)
f ◦ γ(a,v) (t) − f ◦ γ(a,v) (0)
= lim
t→0
t
f γ(a,v) (t) − f γ(a,v) (0)
= lim
t→0
t
f (a + tv) − f (a)
= lim
t→0
t
Das war zu zeigen.
(c)
In der Vorlesung wurde T f wie folgt definiert:
T f : T M −→ T N
[γ]∼ 7−→ [f ◦ γ]∼ .
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9. Übung
Differentialgeometrie
In unserem Spezialfall ist nun M = U ⊆ Rn und N = V ⊆ Rm . Nach Teil (a) identifizieren wir T M mit U × Rn und T N mit V × Rm .
Sei also nun (a, v) ∈ U × Rn . Das entspricht der Äquivalenzklasse γ(a,v) ∼ . Somit ent
spricht T f (a, v) der Äquivalenzklasse f ◦ γ(a,v) ∼ ∈ T V . Nun haben wir aber in Aufgabenteil (a) den Raum T V hmit V × Rm identifiziert.
Die Frage lautet also: Für welches
i
m
Paar (b, w) ∈ V × R gilt γ(b,w) = f ◦ γ(a,v) ∼ ?
∼
Wir erinnern uns, dass wir genau die Kurven identifizieren, die zum Zeitpunkt 0 an der
gleichen Stelle sind und die gleiche Aleitung haben. Es muss also gelten:
b = (f ◦ γ(a,v) )(0)
und
w = (f ◦ γ(a,v) )′ (0).
Hieraus folgt nun sofort, dass b = f (a) und w = df (a, v) ist. Das war zu zeigen.
(d)
Für eine Karte φ : Uφ −→ Vφ wurde in der Vorlesung definiert:
T φ : T Uφ −→ V × Rn
[γ]∼ 7−→ (φ ◦ γ) (0), (φ ◦ γ)′ (0) .
Wir wollen nun sehen, dass dies genau die Abbildung T φ : U φ −→ T Vφ ist, wenn man
T V φ über ΓV mit V × Rn identifiziert. Sei dazu [γ]∼ ∈ T Uφ . Dann ist
T φ([γ]∼ ) = [φ ◦ γ]∼ ∈ T Vφ
Wie in Aufgabenteil (c) wenden wir nun Γ−1
V an und bilden [φ ◦ γ]∼ ∈ T Vφ auf
(φ ◦ γ)(0), (φ ◦ γ)′ (0)) ∈ Vφ × Rm
ab. Das war zu zeigen.
Aufgabe G18 (Algebra)
Sei K ∈ {R, C} (oder irgendein anderer Körper). Eine Derivation einer assoziativen
K-Algebra A ist eine K-lineare Abbildung Φ : A −→ A, die die Produktregel
Φ(a · b) = Φ(a) · b + a · Φ(b)
erfüllt. Zeigen Sie:
(a) Zeigen Sie, dass jede Derivation des Polynomrings K[X] das konstante 1-Polynom
auf 0 abbildet.
(b) Zeigen Sie, dass es eine Derivation auf dem Polynomring K[X] gibt, die das Element
X auf 1 abbildet.
(c) Zeigen Sie, dass zwei Derivationen Φ und Ψ auf dem Polynomring K[X] genau dann
gleich sind, wenn Φ(X) = Ψ(X).
(d) Bestimmen Sie die Menge aller Derivationen des Polynomrings K[X].
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9. Übung
Differentialgeometrie
Lösung: (a)
Wir wenden die Produktregel auf a = b = 1 an:
Φ(1) = Φ(1 · 1) = Φ(1) · 1 + 1 · Φ(1) = 2Φ(1).
Dies zeigt, dass Φ(1) = 2Φ(1) und somit gilt: Φ(1) = 0.
(b)
Die Monome (X n )n∈N bilden eine Basis des K-Vektorraums K[X]. Folglich ist es möglich,
eine K-lineare Abbildung auf K[X] zu definieren, indem wir einfach den Basisvektoren
irgendwelche Werte zuweisen.
Diese Vorüberlegung erlaubt uns, die folgende K-lineare Abbildung zu defineren:
∂
∂X
: K[X] −→ K[X]
X n 7−→ nX n−1 .
Diese Abbildung wird aus offensichtlichen Gründen die formale Ableitung genannt. Wir
müssen nun überprüfen, dass sie die Produktregel erfüllt, dass also für alle f, g ∈ K[X]
gilt:
∂
∂
∂
(f · g) =
(f ) · g + f
Φ(g)
∂X
∂X
∂X
Da beide Seiten bilinear in (f, g) sind, reicht es, dies für Basiselemente nachzuprüfen.
Sei also f = X n und g = X m . Dann rechnen wir nach:
∂
∂
(f · g) =
(X n · X m )
∂X
∂X
∂
=
(X n+m )
∂X
= (n + m)X n+m−1
= nX n−1 · X m + X n mX m−1
∂
∂
=
(X n ) · X m + X n
Φ(X m )
∂X
∂X
∂
∂
=
(f ) · g + f
Φ(g).
∂X
∂X
Also ist
∂
∂X
eine Derivation der Algebra K[X]. Offensichtlich gilt
∂
∂X (X)
= 1.
(c)
Sei M := {f ∈ K[X] : Φ(f ) = Φ(g)} die Menge, auf der beide Derivationen übereinstimmen. Weil Φ und Ψ linear sind, ist M auf jeden Fall ein Untervektorraum. Aus der
Produktregel folgt aber auch, dass diese Menge unter Multiplikation abgeschlossen ist
und aus Aufgabenteil (a) folgt außerdem, dass 1 ∈ M . Mit anderen Worten, M ist eine
assoziative Unteralgebra mit 1 von K[X]. Wenn nun zwei Derivationen Φ und Ψ auf
dem Element X übereinstimmen, dann heißt das ja, dass X ∈ M liegt. Da aber X die
Algebra K[X] erzeugt, ist dann M = K[X] und somit Φ = Ψ.
(d)
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9. Übung
Differentialgeometrie
Man sieht leicht: Wenn Φ eine Derivation ist und α ∈ K ein Skalar, dann ist auch αΦ
eine Derivation. Dies bedeutet, dass alle Abbildungen der Form
α·
∂
∂X
: K[X] −→ K[X]
∂
f 7−→ α ∂X
(f )
Derivationen sind. Diese Derivationen sind auch alle verschieden, denn durch Einsetzen
∂
erhalte ich nach Aufgabenteil (b) die Zahl α wieder zurück. Außerdem
von X in α ∂X
sind dies bereits alle Derivationen, denn wenn Φ eine weitere Derivation wäre, dann
∂
wäre ja α := Φ(X) ein Skalar und nach Aufgabenteil (c) würden dann Φ und α ∂X
übereinstimmen.
Dies zeigt: Die Menge aller Derivation von K[X] ist gleich
∂
:α∈K .
α
∂X
Hausübung
Aufgabe H17 (Lineare Vektorfelder)
Sei n ∈ N. Wie üblich betrachten wir den Rn als n-dimensionale glatte Mannigfaltigkeit
bezüglich der globalen Karte
φ : Rn −→ Rn : x 7→ x.
Ein Vektorfeld X auf der Mannigfaltigkeit Rn heiße linear, falls die Abbildung Xφ : Rn −→
Rn eine lineare Abbildung ist. (Man beachte, dass diese Definition explizit die Karte φ
verwendet.) Zeigen Sie, dass die linearen Vektorfelder einen n2 -dimensionalen Untervektorraum bilden, der unter der Lie-Klammer abgeschlossen ist.
Lösung: Das konstante Null-Vektorfeld ist linear, Summe von zwei linearen Vektorfeldern ist wieder linear und Skalierungen von linearen Vektorfeldern sind wieder linear.
Also sind die linearen Vektorfelder ein Untervektorraum aller glatten Vektorfelder auf
Rn .
Jedes lineare Vektorfeld X ist eindeutig gegeben durch die lineare Abbildung Xφ : Rn −→
Rn . Diese lässt sich natürlich als Matrix schreiben:
Xφ : Rn −→ Rn
x 7−→ Ax
für eine eindeutige Matrix A ∈ Rn×n . Somit ist der Vektorraum der linearen Vektorfelder
isomorph zum Raum der n × n-Matrizen. dies zeigt, dass er n2 -dimensional ist.
Nun zu der Lie-Klammer. Gegeben seien zwei lineare Vektorfelder X, Y mit
Xφ(x) = Ax und Yφ (x) = Bx.
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9. Übung
Differentialgeometrie
Dann ist [X, Y ] auch ein glattes Vektorfeld. Und bezüglich der Karte φ lässt sich dies
schreiben als:
[X, Y ]φ = X.(Yφ ) − Y.(Xφ ).
Hierbei bedeutet: X.Yφ , dass die Abbildung Yφ in Richtung des Vektorfeldes X abgeleitet
werden soll. Die Ableitung von Yφ am Punkt x in Richtung v ist aber gerade dXφ (x, v) =
Bv, weil Yφ linear ist. Also ist X.(Yφ )(a) = dYφ (x, X(x)) = BX(x) = BAx. Somit ergibt
sich als Lie-Klammer von X und Y gerade
[X, Y ]φ (x) = (BA − AB)x.
Also ist auch [X, Y ] wieder ein lineares Vektorfeld und die Lie-Klammer entspricht gerade
der negativen Kommutatorklammer.
Aufgabe H18 (Noch mehr Algebra)
Sei K ein Körper und A eine assoziative K-Algebra.
(a) Zeigen Sie, dass die Menge aller Derivationen von A ein K-Vektorraum ist.
(b) Zeigen Sie, dass für zwei Derivatonen Φ und Ψ auch Φ ◦ Ψ − Ψ ◦ Φ wieder eine
Derivation ist.
(c) Zeigen Sie anhand eines Beispiels, dass Φ ◦ Ψ im Allgemeinen keine Derivation zu
sein braucht.
Lösung: (a)
Dies ist offensichtlich.
(b)
Φ ◦ Ψ − Ψ ◦ Φ (ab) = Φ Ψ(ab) − Ψ Φ(ab)
= Φ Ψ(a)b + aΨ(b) − Ψ Φ(a)b + aΦ(b)
= Φ Ψ(a)b + Φ(aΨ(b) − Ψ Φ(a)b − Ψ(aΦ(b)
= Φ Ψ(a) b + Ψ(a)Φ(b) + Φ(a)Ψ(b) + aΦ(Ψ(b))
− Ψ Φ(a) b − Φ(a)Ψ(b) − Ψ(a)Φ(b) − aΨ(Φ(b))
= Φ Ψ(a) b − Ψ Φ(a) b + aΦ Ψ(b) − aΨ Φ(b)
= Φ ◦ Ψ − Ψ ◦ Φ (a)b − a Φ ◦ Ψ − Ψ ◦ Φ (b).
(c)
∂
Sei A := K[X] und Φ := Ψ := ∂X
wie in Aufgabe (G18). Dann ist Φ ◦ Ψ die formale
zweite Ableitung und insbesondere bildet Φ ◦ Ψ dann das Polynom X auf die 0 ab. Nach
∂
= 0 sein. Dies ist
der vollständigen Klassifikation aus (G18d) müsste dann Φ ◦ Ψ = 0 ∂X
2
aber nicht der Fall, weil X zum Beispiel nicht auf 0, sondern auf 2 abgebildet wird.
Statt mit Hifle von (G18d) zu argumentieren, kann man auch direkt für Φ = Ψ =
und a := b := X nachrechnen, dass die Produktregel für Φ ◦ Ψ nicht gilt.
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∂
∂X
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