FP27 - Elektrochemie - Physik Uni-Augsburg

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Physikalisches Praktikum für
Fortgeschrittene
FP 27: Elektrochemie
Daniell-Element, Faradaysche Gesetze,
Konduktometrische Titration,
Deckschichtdiagramm und Cyclovoltametrie
Universität Augsburg
Lehrstuhl für
Chemische Physik und Materialwissenschaften
1
Inhaltsverzeichnis
1. Die Geschichte der Elektrochemie ......................................................................................... 2
2. Die Grundlagen der Elektrochemie ........................................................................................ 3
2.1 Elektrolyse ........................................................................................................................ 3
2.2 Galvanisches Element....................................................................................................... 5
2.3 Elektrolyte ........................................................................................................................ 5
2.3.1 Starke Elektrolyte: Kohlrauschgesetz ....................................................................... 7
2.3.2 Schwache Elektrolyte: Ostwaldsches Verdünnungsgesetz ....................................... 8
2.4 Solvatation ........................................................................................................................ 9
3. Anwendungsgebiete der Elektrochemie ............................................................................... 11
4. Analytische Anwendungen .................................................................................................. 16
4.1 ’Werkzeuge’ der analytischen Elektrochemie ................................................................ 16
4.1.1 Nernst-Gleichung .................................................................................................... 16
4.1.2 Die Faradayschen Gesetze....................................................................................... 17
4.1.3 Bezugselektroden .................................................................................................... 17
4.2 Konduktometrie .............................................................................................................. 18
4.3 Potentiometrie ................................................................................................................. 19
4.4 Amperometrie ................................................................................................................. 20
4.5 Coulometrie .................................................................................................................... 21
4.5.1 Potentiostatische Coulometrie ................................................................................. 21
4.5.2 Galvanostatische Coulometrie................................................................................. 22
4.6 Elektrogravimetrie .......................................................................................................... 23
4.7 Voltametrie ..................................................................................................................... 23
5. Experimenteller Teil ............................................................................................................. 29
6. Aufgaben .............................................................................................................................. 32
7. Literatur ................................................................................................................................ 34
2
1. Die Geschichte der Elektrochemie
• Galvani 1791: Versuche an Froschschenkeln, Muskelkontraktionen bei
Anlegen einer elektrischen Spannung
• Volta 1800: Voltasche Säule: Spannungserzeugung durch
Hintereinanderschalten verschiedener Metalle in Salzlösung, elektrisches
Element
• Nicholson und Carlisle 1800: Durchführung erster Elektrolysen
• Davy 1807: Darstellung von Natrium und Kalium durch Elektrolyse
• Faraday 1834: Faradaysche Gesetze, Proportionalität von Ladung und
Stoffmenge
• Planté 1859: Bleiakkumulator, meistgebrauchte Sekundärbatterie
• Nernst 1889: Beschreibung der Konzentrationsabhängigkeit des
Elektrodenpotentials: Nernst-Gleichung
• Stoney 1891: Elektron als Ladungseinheit
• Arrhenius 1903: Dissoziation von Elektrolyten in Lösung
• Born 1920: Solvatation von Ionen
• Marcus 1956-1965: Theorie des Elektronentransfers (Nobelpreis 1992)
• NASA 1965: Brennstoffzelle im Gemini-Raumfahrtprogramm
• Bayer AG 2003: Salzsäureelektrolyse unter Verwendung einer
Sauerstoffverzehrkathode
• Heute: Forschung in den Bereichen: Korrosion, Batterien, Akkumulatoren,
Brennstoffzellen, Elektrolysen, Galvanotechnik, Analytik, Chemikalienanalyse
usw.
3
2. Die Grundlagen der Elektrochemie
In der Elektrochemie gibt es drei grundlegende Parameter:
• Das Elektrodenpotential φ: Es gibt an, welche Spannung eine Elektrode in
einem Elektrolyten aufweist. Es wird durch eine einfache Spannungsmessung
zwischen der Elektrode und einer Bezugselektrode mit bekanntem Potential
(Referenzelektrode) gemessen.
• Der Strom I: Mittels Strommessung kann man den Strom bestimmen der über
die Elektrode fließt. In Flüssigkeiten oder in anderen Leitern in denen sich die
elektrischen Eigenschaften von Ort zu Ort unterscheiden können, ist es
sinnvoll eine Stromdichte j = I/A (A ist eine Fläche) zu definieren.
• Die Ladungsmenge Q: Zwischen Strom und Ladungsdichte besteht folgender
Zusammenhang:
๐‘ก
๐‘„(๐‘ก) = ๐‘„(๐‘ก0 ) + ∫๐‘ก ๐ผ(๐‘ก)๐‘‘๐‘ก
0
(2.1)
Ist der Strom zeitlich konstant, so kann man die Ladungsmenge
folgendermaßen ausdrücken: Q = I⋅t
Die eben genannten Größen sind abhängig von anderen physikalischen Größen wie
Konzentration, Temperatur, Zeit und Massentransportbedingungen. Die Kombination
mit diesen Größen lässt die Elektrochemie zu einem anspruchsvollen Zweig der
Chemie werden.
2.1 Elektrolyse
Das Wort “Elektron” stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet Bernstein. Das
liegt daran, dass die statische Aufladung durch Reiben zu Beginn an diesem Material
entdeckt wurde. Ein weiteres altgriechisches Wort lautet “lytikós” und heißt zu
Deutsch: auflösbar. Bei der Elektrolyse handelt es sich um die Zerlegung eines
Stoffes durch elektrischen Strom. Dies geschieht durch Oxidationen an der Anode
und Reduktionen an der Kathode. Abbildung 1 zeigt exemplarisch die Abläufe
während einer Elektrolyse.
2.1 Elektrolyse
4
Abbildung 1: Elektrolyse von Salzsäure in Wasser.
Anode (Oxidation):
2 Cl ๏€ญ โŸถ Cl 2 + 2 e ๏€ญ
Kathode (Reduktion):
2 H3O ๏€ซ + 2 e ๏€ญ โŸถ H 2 + 2 H2O
Redox:
2 HCl โŸถ Cl2 + H2
Elektrolysen sind erzwungene Vorgänge für die man eine gewisse Energie
aufwenden muss. Dies geschieht durch das Anlegen einer Spannung (der sog.
Klemmenspannung) zwischen den Elektroden. Der Mindestwert für die
Klemmenspannung bei dem die Elektrolyse abläuft wird Zersetzungsspannung
(UZ) genannt (Abb. 2).
Abbildung 2: Elektrolysestrom in Abhängigkeit von der Klemmenspannung.
Der Partialdruck der entstehenden Gase erreicht für U = UZ den äußeren Druck,
wodurch es zu Bläschenbildung kommt und die Elektrolyse abläuft. Es ist dennoch
auch unterhalb der Zersetzungsspannung ein Elektrolysestrom vorhanden. Dieser
entsteht durch die Nachbildung von Chlor und Wasserstoff, welche von der
Elektrodenoberfläche in die Lösung eindiffundieren. Je mehr sich die
Klemmenspannung der Zersetzungsspannung annähert, desto höher wird der
Partialdruck der Gase und die Diffusion und der damit verbundene Strom nehmen zu.
Kapitel 2. Die Grundlagen der Elektrochemie
5
Die Zersetzungsspannung entspricht der Differenz der Standardpotentiale der beiden
Redoxsysteme:
๐ถ๐‘™ −
๐ป2
2
3๐‘‚
โˆ†๐ธ = ๐ธ0 ( ๐ถ๐‘™ ) − ๐ธ0 (๐ป
+
)
(2.2)
Für 1,2 mol HCl/l bei 25°C ergibt sich somit ΔE = 1,36V - 0V = 1,36V
Ein weiterer wichtiger Begriff ist die Überspannung UUB. Bestimmt man die
Zersetzungsspannung eines Redoxsystems experimentell, so stellt man fest, dass der
Wert höher als der theoretisch erwartete ist. Die Differenz UUe = UZ(exp) - UZ(theo) wird
als die Überspannung bezeichnet. Diese wird durch die kinetische Hemmung
einzelner Reaktionsschritte verursacht. Im Konkreten kann es sich um folgende
Schritte handeln:
• Die Diffusion des Reaktanten zur Elektrode
• Eine Reaktion des Reaktanten vor dem Erreichen der Elektrode
• Adsorption des Reaktanten
• Oxidation des Reaktanten an der Elektrode
2.2 Galvanisches Element
Das galvanische Element ist das Gegenteil einer Elektrolysezelle. Hier laufen
Reaktionen selbstständig ab und liefern Strom. Die Spannung die ohne Anlegen
eines Stroms zwischen den Elektroden der galvanischen Zelle vorliegt wird
elektromotorische Kraft (EMK) genannt. Sie wird durch U0 = iRi + iRa beschrieben
und ist die maximale Spannung für diese Zelle. Die Klemmenspannung der
galvanischen Zelle besteht aus dem Anteil des Innenwiderstands des Elements Ri und
dem Außenwiderstand Ra und errechnet sich aus: UKl = U0 - iRi. Ein Stromfluss senkt
also die Klemmenspannung eines galvanischen Elements.
Bei einer Elektrolyse hingegen addiert sich der Innenwiderstand i·Ri zur
Zersetzungsspannung hinzu, wodurch die Klemmenspannung steigt: UKl = ZU + iRi
(Abb. 3)
2.3 Elektrolyte
Elektrolyte sind Stoffe, die im festen, flüssigen oder gelösten Zustand zumindest zum
Teil als Ionen vorliegen. Beispiele dafür sind Salzlösungen, Laugen und Säuren. Legt
man eine Spannung an, so leitet der Elektrolyt einen elektrischen Strom. Anders als
in Metallen findet hier der Ladungstransport nicht in Form von Elektronen statt,
sondern durch die gerichtete Bewegung von Ionen. Die Leitfähigkeiten der
Elektrolyte sind oftmals geringer als die von Metallen. Der Sachverhalt ist durch die
geringe Masse der Elektronen im Vergleich zu den Ionen zu erklären. Vergleicht
man beispielsweise ein Elektron mit einem Kaliumkation welches von vier
2.3 Elektrolyte
6
Abbildung 3: Die Klemmspannung von Elektrolyse und Galvanischen Element in
Abhängigkeit vom Stromfluss.
Wassermolekülen umgeben ist, so unterscheiden sich die Massen um einen Faktor
200000.
Metalle werden als Leiter 1. Klasse und Elektrolyte als Leiter 2. Klasse bezeichnet.
Leiter 2. Klasse
๐‘™
๐œ… = ๐ด๐ฟ
(2.7)
Die spezifische Leitfähigkeit eines Leiters zweiter Klasse definiert sich aus dem
Leitwert eines Würfels mit 1 cm Kantenlänge. Dies wird durch die Messung des
Leitwerts κ zwischen zwei quadratischen Elektroden mit einer Oberfläche von je
1 cm² ermittelt. Die Elektroden sind genau 1 cm voneinander entfernt.
Leiter 1. Klasse
๐‘™
๐œŽ = ๐‘…·๐ด
(2.8)
Bei Leitern erster Klasse verwendet man die Standardlänge 1 m und den Querschnitt
1
S
1 mm². Die Einheit des spezifischen Widerstands ist Ωm bzw. m.
Abbildung 4: Leitfähigkeit wässriger Elektrolytlösungen als Funktion der
Konzentration.
Kapitel 2. Die Grundlagen der Elektrochemie
7
Leiter
T (K)
κ (Ω-1cm-1)
Leitfähigkeit aufgrund von
Al
273
4,00·105
Elektronenleitung
Au
273
4,85·105
Elektronenleitung
Cu
273
6,45·105
Elektronenleitung
273
4
Elektronenleitung
-3
Hg
1,06·10
Graphit
NaCl-Schmelze
KCl-Schmelze
sehr reines H2O
273
1173
1173
273
1,20·10
3,77
2,40
1,58·10-8
Elektronenleitung
Ionenleitung
Ionenleitung
Ionenleitung (Eigendissoziation)
Wässrige 1 M KCl-Lösung
293
1,02·10-1
Ionenleitung
Wässrige 0,1 M KCl-Lösung
293
1,17·10-2
Ionenleitung
Wässrige 1 M NaCl-Lösung
291
0,74·10-1
Ionenleitung
298
3,32·10
-1
Ionenleitung
1,84·10
-1
Ionenleitung
Wässrige 1 M HCl-Lösung
Wässrige 1 M KOH-Lösung
291
-9
Essigsäure
273
5,00·10
Ionenleitung
Tabelle 1: Vergleich von Leitern 1. und 2. Klasse.
Man kann zwischen ionogenen und ionophoren Elektrolyten unterscheiden.
• Ionogene (potentielle) Elektrolyte: Bei diesen Stoffen handelt es sich bei den
Reinsubstanzen um keine Elektrolyte. Erst durch chemische Reaktionen mit
Lösungsmitteln werden Ionen erzeugt. Beispiele hierfür sind z.B. HCl und
Essigsäure.
H 2O
HCl( g ) ๏‚พ๏‚พ
๏‚พ๏‚ฎ H 3O(๏€ซfl ) ๏€ซ Cl(๏€ญfl )
(2.3)
H 2O
CH 3COOH( fl ) ๏‚ฌ๏‚พ
๏‚พ๏‚ฎ H 3O(๏€ซfl ) ๏€ซ CH 3COO(๏€ญfl )
(2.4)
• Ionophore (echte) Elektrolyte: Hier liegen die Reinverbindungen von Beginn
an als Ionen vor. Eventuell müssen diese Ionen noch aus einem Ionengitter
herausgelöst werden. Die Gitterenergie muss dann durch die sogenannte
Solvatationsenergie kompensiert werden.
Beispiele für diese Elektrolytklasse sind Salzschmelzen, ionische Flüssigkeiten
(z.B. Butyl-Methylimidazolium Tetrafluoroborat) und ionische Kristalle (z.B.
Kochsalz).
2.3.1 Starke Elektrolyte: Kohlrauschgesetz
Starke Elektrolyte sind unabhängig von ihrer Konzentration vollständig dissoziiert.
Die Leitfähigkeit weist bei verdünnten Lösungen eine lineare Abhängigkeit von der
Elektrolytkonzentration auf. Bei höheren Konzentrationen weicht das Verhalten zu
2.3 Elektrolyte
8
kleineren Leitfähigkeiten hin ab. Die Abstände r der Ionen zueinander nehmen ab,
wodurch die gegenseitigen elektrostatischen Wechselwirkungen stärker werden, die
die Wanderung der Ionen durch die Lösung beeinträchtigen (Coulombsches Gesetz).
โƒ— = ๐‘ž1 ·๐‘ž22
๐พ
ั”·๐‘Ÿ
(2.5)
โƒ— : Abstoßungskraft
๐พ
q1, q2: Ladung der Ionen
ั”: Dielektrizitätskonstante
r: Abstand der Ionen
Bei sehr hohen Konzentrationen fällt die Leitfähigkeit ab, weil entgegengesetzt
geladene Ionen sogenannte Assoziate bilden. Diese wirken nach außen hin elektrisch
neutral und tragen somit nicht zur Leitfähigkeit bei.
Kohlrauschgesetz
Kohlrausch hat um 1900 folgende Gesetzmäßigkeit festgestellt:
๐œ… ๐‘†·๐‘๐‘š2
๐›ฌ๐‘š๐‘œ๐‘™ = ๐›ฌ๐‘’๐‘ž · ๐‘›๐‘’ = ๐‘ [
๐‘š๐‘œ๐‘™
] = ๐œ†(0)๐‘š๐‘œ๐‘™ − ๐‘˜√๐‘
(2.6)
Trägt man also ๐›ฌ๐‘š๐‘œ๐‘™ oder ๐›ฌ๐‘’๐‘ž gegen √๐‘ auf, so ist bei starken Elektrolyten ein
linearer Abfall der molaren bzw. der Äquivanlentleitfähigkeit bei niedriger
Konzentration c vorhanden.
Abbildung 5: Äquivalentleitfähigkeiten wässriger Elektrolytlösungen bei 25°C als
Funktion von √๐‘.
2.3.2 Schwache Elektrolyte: Ostwaldsches Verdünnungsgesetz
Schwache Elektrolyte sind nur wenig dissoziiert (<10%). Sie besitzen einen
Dissoziationsgrad α « 1. Ein Dissoziationsgrad von annähernd eins oder gleich eins
würde einem starken Elektrolyten entsprechen. Bei den meisten organischen Säuren
handelt es sich um schwache Elektrolyte.
2.4 Solvatation
9
Ostwaldsches Verdünnungsgesetz
Das
Ostwaldsche
Verdünnungsgesetz
dient
der
Beschreibung
des
Dissoziationsgrades schwacher Elektrolyte aus dem Massenwirkungsgesetz.
Betrachtet man beispielsweise den Zerfall von CH3COOH in seine Ionen, so hatte die
Säure vor der Dissoziation eine Konzentration c. Nach der Zersetzung ist die Menge
α⋅c dissoziiert und die restlichen (1−α)⋅c nicht. Es hat sich also ein Gleichgewicht
eingestellt, dass mithilfe des Massenwirkungsgesetz beschrieben werden kann.
CH3COOH โ‡Œ CH3COO ๏€ญ + H ๏€ซ
c (CH3COO ๏€ญ ) = c (H ๏€ซ )
Das Massenwirkungsgesetz hat nun folgende Form:
๐‘(๐ถ๐ป3 ๐ถ๐‘‚๐‘‚− )·๐‘(๐ป + )
๐‘(๐ถ๐ป3 ๐ถ๐‘‚๐‘‚๐ป)
= ๐พ๐‘
(2.9)
Setzt man nun die oben genannten Konzentrationen ins Massenwirkungsgesetz ein,
so erhält man:
๐›ผ·๐‘·๐›ผ·๐‘
(1−๐›ผ)·๐‘
๐›ผ2 ·๐‘
= 1−๐›ผ = ๐พ๐‘
(2.10)
α: Dissoziationsgrad
c: Konzentration vor der Dissoziation
Kc ist die sogenannte Dissoziationskonstante, deren Erhaltung nur dann möglich ist,
wenn der Dissoziationsgrad mit abnehmender Konzentration zunimmt. Je stärker die
Lösung also verdünnt ist, desto mehr dissoziiert ist sie. Essigsäure würde also bei
unendlicher Verdünnung vollständig in seine Ionen zerfallen.
2.4 Solvatation
In einem Festkörper, wie beispielsweise einem NaCl-Kristall, sind elektrische
Ladungen an den Gitterbausteinen lokalisiert. Für die elektrostatische
Anziehungskraft gilt das Coulombsche Gesetz:
๐พ=
๐‘ž1 ·๐‘ž2
ั”·๐‘Ÿ 2
(2.11)
Das bedeutet, dass aufgrund der geringen Gitterabstände im Kristallgitter die
Anziehungskraft sehr hoch ist und ein hoher Energiebetrag aufgewandt werden muss,
um die Gitterstruktur aufzubrechen. Im Falle des NaCl liegt der Schmelzpunkt bei
801°C. Wasser besitzt eine größere Dielektrizitätskonstante ั” als Luft (ั”=1 in Luft
und ั”=78,3 in Wasser), wodurch die attraktive Kraft geschwächt wird. Allerdings
würde auch jetzt die dem System innewohnende Wärme nicht ausreichen, um den
Natriumchloridkristall aufzulösen. Die dazu nötige Energie entstammt aus der
Solvatation, bei Wasser als Lösungsmittel Hydratation genannt. Dabei lagern sich die
Dipole der Lösungsmittelmoleküle entsprechend der Ladung der Natrium- bzw. der
Chloridionen an (Abb. 6). Ist die Solvatationsenergie größer als die
Dissoziationsenergie, so kommt es zu einer Erwärmung der Lösung (Beispiel:
2.4 Solvatation
konzentrierte Salzsäure in Wasser). Ist die Solvatationsenergie geringer als die
Dissoziationsenergie, so kühlt sich die Lösung ab (Beispiel: Einige Salze in Wasser).
Abbildung 6: Schematische Darstellung der Solvatation von NaCl in H2O.
10
Kapitel 3. Anwendungsgebiete der Elektrochemie
3. Anwendungsgebiete der
Elektrochemie
Elektrochemische Produktionsverfahren
Vorteile gegenüber chemischen Produktionsprozessen:
• bessere Energieausbeuten
• hohe Selektivität bezüglich des erwünschten Produkts und somit eine hohe
Reinheit
• keine außerordentlich hohen Temperaturen und Drücke erforderlich
• Strom und Spannung sind leicht regelbar und somit sind die Prozesse gut zu
automatisieren
• wenige bis keine Abfallprodukte und somit gut umweltverträglich
Nachteile:
• höherer Preis der elektrischen Energie im Vergleich zur thermischen Energie
• hohe Investitionskosten erforderlich
Beispiel: Elektrochemische Herstellung von Chlor und Alkalilauge
Chlor wird für die Herstellung vieler wichtiger Produkte benötigt. Zum Beispiel für
Chlorwasserstoffe, die die Grundlage von Pestiziden, Lösungsmittel, Weichmacher,
etc. sind, sowie für die Erzeugung von Kunststoffen (Polyvinylchlorid,
Polyfluorkohlenwasserstoffe) und Produkte der Kältetechnik.
Die Gewinnung findet aus einer neutralen wässrigen Natriumchloridlösung statt.
Dabei läuft folgende Reaktion ab:
2 NaCl + 2 H2O โŸถ 2 NaOH + Cl2 + H2
Anodischer Prozess:
2 NaCl โŸถ 2 Na ๏€ซ + Cl2 + 2 e ๏€ญ
kathodischer Prozess:
2 H2O + 2 e ๏€ญ โŸถ 2 OH ๏€ญ + H2
Es ist wichtig zu verhindern, dass OH ๏€ญ -Ionen in den Anodenraum gelangen, um
folgende unerwünschte Nebenreaktion zu unterbinden:
Cl2 + 2 OH ๏€ญ โŸถ ClO ๏€ญ + Cl ๏€ญ + H2O
H2 + Cl2 โŸถ 2 HCl
11
Kapitel 3. Anwendungsgebiete der Elektrochemie
Mögliche Lösungen für dieses Problem:
Diaphragmaverfahren:
Hierbei wird die Wanderung der Chlorid- und Hydroxidionen durch ein Diaphragma
verhindert. Na+-Ionen können jedoch von der Anode zur Kathode wandern. Es wird
meistens ein Diaphragma aus Kunststoff verwendet.
Amalgamverfahren:
Das Amalgamverfahren unterbindet bereits die Bildung von Hydroxidionen. Hier
wird eine Quecksilber-Kathode verwendet, an der elementares Natrium abgeschieden
wird, wo es sich mit dem Quecksilber zu Amalgam (NaHgx) verbindet. In einer
zweiten räumlich getrennten Zelle ist das Quecksilber als Anode geschaltet. Diese
Zelle wird Amalgamzersetzer genannt, weil dieses zu NaOH, H2 und Hg zersetzt
wird. Das Verfahren hat den Nachteil, dass Quecksilber sehr giftig ist.
Galvanotechnik/Elektroplattierung
Galvanotechnik wird zur elektrochemischen Abscheidung von metallischen
Überzügen verwendet. Elektroplattierung kann zur simplen Verschönerung
angewandt werden, wie bei der Versilberung, Vergoldung oder auch Verchromung
von Gegenständen (Abb. 7).
Abbildung 7: Galvanische Verkupferung eines Metalls im Kupfersulfatbad.
Allerdings gibt es auch wichtige funktionale Verwendungen für diese Technik, wie
beispielsweise den Korrosionsschutz. Überzieht man ein zu schützendes Metall mit
einem edleren Metall (z.B. kupferbeschichtetes Eisen) so macht man sich zunutze,
dass der Überzug weniger stark oxidiert. Wird die Schutzschicht allerdings
beschädigt, so wird das Potential der freigelegten Stelle des zu schützenden Materials
auf das Niveau der Schutzschicht erhöht, wodurch eine Beschleunigung der
Korrosion eintritt und es sogar zu einer massiveren Zerstörung des Materials kommt.
Verwendet man hingegen ein unedleres Material als Überzug, so opfert man dies
quasi zum Schutze (zum Beispiel mit Zink beschichtetes Eisen). Das hat den
zusätzlichen Vorteil, dass bei einer Beschädigung der Schutzschicht das Potential der
12
Kapitel 3. Anwendungsgebiete der Elektrochemie
freigelegten Stelle in die Nähe des Wertes der Schutzschicht erniedrigt wird,
wodurch das Potential zur Auflösung des Grundmetalls unterschritten wird. Der
Schutz bleibt auch bei Beschädigung der Schutzschicht bestehen.
Galvanische Elemente
Die wohl wichtigste elektrochemische Anwendung sind galvanische Elemente, also
Primärelemente (Batterie), Sekundärelemente (Akkumulator) und Brennstoffzellen.
Batterie
Batterien sind Energiespeicher. Die in ihnen enthaltene Energie ist chemische
Energie und wird durch das Ablaufen einer Redoxreaktion in Form von elektrischer
Energie freigesetzt (Abb. 8). Die in einer Primärzelle ablaufenden Reaktionen sind
irreversibel und somit ist eine Batterie nicht wieder aufladbar. Aus der
elektrochemischen Spannungsreihe (Tab. 2) kann man die verwendeten Elektroden
so auswählen, dass die Batterie die gewünschte Spannung liefert, indem man ein
Redoxpaar auswählt dessen Standardpotential der gewünschten Potentialdifferenz
entspricht.
Abbildung 8: Schematische Darstellung einer Batterie.
13
Kapitel 3. Anwendungsgebiete der Elektrochemie
Halbreaktion
14
Li (s) ๏‚ซ Li+ (aq) + e−
Standardpotential
-3,04 V
K (s) ๏‚ซ K+ (aq) + e−
-2,92 V
Ca (s) ๏‚ซ Ca2+ (aq) + 2 e−
-2,87 V
Na (s) ๏‚ซ Na+ (aq) + e−
-2,71 V
Al (s) ๏‚ซ Al3+ (aq) + 3 e−
-1,68 V
Mn (s) ๏‚ซ Mn2+ (aq) + 2 e−
-1,19 V
Zn (s) ๏‚ซ Zn2+ (aq) + 2 e−
-0,76 V
S2− (aq) ๏‚ซ S (s) + 2 e−
-0,48 V
Fe (s) ๏‚ซ Fe2+ (aq) + 2 e−
-0,41 V
Cd (s) ๏‚ซ Cd2+ (aq) + 2 e−
-0,40 V
Sn (s) ๏‚ซ Sn2+ (aq) + 2 e−
-0,14 V
Pb (s) ๏‚ซ Pb2+ (aq) + 2 e−
-0,13 V
+
−
H2 + 2 H2O ๏‚ซ 2 H3O (aq) + 2 e
0,00 V
Sn2+ (aq) ๏‚ซ Sn4+ (aq) + 2 e−
+0,15 V
Cu (s) ๏‚ซ Cu2+ (aq) + 2 e−
+0,34 V
2 I− (aq) ๏‚ซ I2 (s) + 2 e−
+0,54 V
Fe2+ (aq) ๏‚ซ Fe3+ (aq) + e−
+0,77 V
Ag (s) ๏‚ซ Ag+ (aq) + e−
+0,80 V
NO + 6 H2O ๏‚ซ NO−,3 (aq) + 4 H3O + 3 e−
+0,96 V
2 Br− (aq) ๏‚ซ Br2 (aq) + 3 e−
+1,07 V
6 H2O ๏‚ซ O2 + 4 H3O+ + 4 e−
+1,23 V
2 Cr3+ (aq) + 21 H2O ๏‚ซ Cr2O2−,7 + 14 H3O+ + 6e−
+1,33 V
2 Cl− ๏‚ซ Cl2 + 2 e−
+1,36 V
Pb2+ (aq) + 6 H2O ๏‚ซ PbO2 + 4 H3O+ + 2 e−
+1,46 V
Au (s) ๏‚ซ Au3+ (aq) + 3 e−
+1,50 V
Mn+2 (aq) + 12 H2O ๏‚ซ MnO+,4 (aq) + 8 H3O+ + 5 e−
+1,51 V
+2,87 V
2 F− (aq) ๏‚ซ F2 (g) + 2 e−
Tabelle 2: Elektrochemische Spannungsreihe.
Kapitel 3. Anwendungsgebiete der Elektrochemie
Akkumulator
Im Gegensatz zur Batterie ist die Sekundärzelle wieder aufladbar. Ein Beispiel ist der
Bleiakkumulator. Die positive aktive Masse ist Bleidioxid (PbO2) und die negative
aktive Masse ist schwammartiges, elementares Blei. Als Elektrolyt wird
Schwefelsäure verwendet.
An der Kathode läuft also folgende Reaktion ab:
PbO2 + 4 H ๏€ซ + SO 24๏€ญ + 2 e ๏€ญ โ‡Œ PbSO 4 + 2 H2O
Und an der Anode:
Pb + 2 H ๏€ซ + SO 24๏€ญ โ‡Œ PbSO4 + 2 H ๏€ซ + 2 e ๏€ญ
Somit ergibt sich insgesamt:
PbO2 + Pb + 2 H2SO4 โ‡Œ 2 PbSO4 + 2 H2O + elektrische Energie.
Dieser Akkumulator hat eine Ruheklemmenspannung von 2,06 V.
15
Kapitel 4. Analytische Anwendungen
16
4. Analytische Anwendungen
Die Beobachtung und Erfassung elektrochemischer Größen wird vielseitig zu
analytischen Zwecken eingesetzt und intensiv genutzt.
Beispiele hierfür sind:
• Stoffmengenbestimmung
• Stofftrennung (z.B. Abwasseraufbereitung)
• Endpunktbestimmung bei Titrationsprozessen
• Verständnis von Reaktionsmechanismen
• Leitfähigkeitsmessungen
• Identifikation eines Analyten
4.1 ’Werkzeuge’ der analytischen Elektrochemie
In diesem Kapitel werden nun einige wichtige Begriffe erklärt.
4.1.1 Nernst-Gleichung
Mit Hilfe der Nernst-Gleichung lässt sich das Potential eines Redoxpaares
berechnen, welches nicht unter Normalbedingungen vorliegt:
๐‘…·๐‘‡
๐‘Ž
๐‘ˆ = ๐‘ˆ0 + ๐‘›·๐น ln ๐‘Ž ๐‘‚๐‘ฅ
๐‘…๐‘’๐‘‘
(4.1)
Wobei U0 das Standardpotential des Redoxpaares ist, R die allgemeine Gaskonstante,
T die Temperatur in Kelvin, n die Anzahl der beim Redoxvorgang verschobenen
Elektronen, F die Faradaykonstante und aOx/aRed die Aktivität des Oxidationsmittels
bzw. des Reduktionsmittels. Zur Vereinfachung wird anstelle der Aktivität häufig die
Konzentration verwendet. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Aktivität von der
Ionenstärke abhängt und sich somit auch in verdünnten Lösungen von 1
unterscheidet.
Beispiel: Das Redoxpaar Mn2+/MnO ๏€ญ4 mit einem Standardpotential von U0 = 1,5 V.
Der Redoxvorgang weist folgende Reaktionsgleichung auf:
MnO ๏€ญ4 + 8 H3O ๏€ซ + 5 e ๏€ญ โ‡Œ Mn 2๏€ซ + 12 H2O
Für die Nernstsche-Gleichung ergibt sich daraus:
๐‘ˆ = 1,5 +
0,026
5
ln
[๐‘€๐‘›๐‘‚4− ]·[๐ป3 ๐‘‚+ ]8
[๐‘€๐‘›2+ ]
Die 0,026 errechnen sich aus einer angenommenen Temperatur von 300 K, der
(4.2)
Kapitel 4. Analytische Anwendungen
17
Faradaykonstanten und der allgemeinen Gaskonstanten. Die Aktivität des Wassers
wurde in diesem Fall als 1 angenommen. Es ist zu erkennen, dass das Potential sehr
stark vom pH-Wert abhängt.
4.1.2 Die Faradayschen Gesetze
Die Faradayschen Gesetze geben die Zusammenhänge zwischen der abgeschiedenen
Substanzmenge und der geflossenen elektrischen Ladung wieder.
1. Faradaysches Gesetz
Die Stoffmenge n, die an einer Elektrode während der Elektrolyse abgeschieden
wird, ist proportional zur elektrischen Ladung Q(=I⋅t) die durch den Elektrolyten
geschickt wird.
๐‘„
๐‘› = ๐‘ง·๐น ⇒ ๐‘ก =
๐‘š·๐‘ง·๐น
๐‘€·๐ผ
(4.3)
n: Stoffmenge
Q: Ladung
z: Ladung des Ions
F: Faradaykonstante
m: Masse
M: Molare Masse
I: Strom
Soll ein Mol eines einwertigen Ions umgesetzt werden, so ist genau ein Faraday
nötig:
1F = NA⋅e = 6,022⋅1023mol-1 ⋅ 1,6⋅10-19A⋅s = 96485 A⋅s⋅mol-1
2. Faradaysches Gesetz
Die Massen m1 und m2 unterschiedlicher Stoffe, die bei gleicher Stromstärke und
Zeit abgeschieden werden sind proportional zu dem Quotienten aus molarer Masse
M1 bzw. M2 und Ladung z1 bzw. z2
๐‘š1
๐‘š2
=
๐‘€1
๐‘ง1
๐‘€2
๐‘ง2
(4.4)
4.1.3 Bezugselektroden
Das Potential einer Elektrode bestimmt man durch Spannungsmessung. Da eine
Spannung allerdings eine Potentialdifferenz ist, benötigt man eine zweite Elektrode
mit bekanntem Potential, eine sogenannte Bezugs- oder auch Referenzelektrode, die
über die Elektrolytlösung mit der zu messenden Elektrode verbunden ist. Deren
Potential sollte nicht nur möglichst konstant sein, sondern sich auch schnell und
reproduzierbar einstellen.
Die bekannteste Bezugselektrode ist die Standardwasserstoffelektrode.
4.2 Konduktometrie
18
Die Reaktion 2 H3O ๏€ซ + 2 e ๏€ญ โ‡Œ H2 + 2 H2O bestimmt das Potential der
Standardwasserstoffelektrode, welches per Definition 0 V beträgt.
Elektroden zweiter Art
In diesen Elektroden ist die Konzentration der potentialbestimmenden Ionen durch
das Vorhandensein eines, schwerlöslichen Salzes festgelegt. Elektroden zweiter Art
liefern somit sehr konstante und reproduzierbare Elektrodenpotentiale.
Die Funktionsweise von Elektroden zweiter Art soll nun am Beispiel der
Kalomelelektrode veranschaulicht werden:
Die Reduktion der Quecksilberionen ist der potentialbestimmende Vorgang:
Hg 22๏€ซ + 2 e ๏€ญ โ‡Œ 2 Hg
Das Potential der Elektrode errechnet sich nun aus der Nernst-Gleichung:
0
๐‘ˆ = ๐‘ˆ๐ป๐‘”/๐ป๐‘”
2+ +
2
๐‘…·๐‘‡
2๐น
ln ๐‘Ž๐ป๐‘”22+
(4.5)
Die Aktivität der Quecksilberionen ist gemäß dem Löslichkeitsprodukt (๐ฟ๐‘๐ป๐‘”2 ๐ถ๐‘™2 =
๐‘Ž๐ป๐‘”22+ · (๐‘Ž๐ถ๐‘™− )2 ) von der Aktivität der Chloridionen abhängig, weil die Lösung an
Hg2Cl2 gesättigt ist. Man hat also ein Potential das von der Konzentration abhängt.
So beträgt das Potential bei 25°C bei einer 0,1 molaren KCl-Lösung 0,3337 V, bei
einer 1 molaren 0,2807 V und bei einer gesättigten Lösung 0,2415 V. Allerdings ist
bei der Kalomelelektrode, wie auch bei anderen Referenzelektroden, zu beachten,
dass die Löslichkeit von KCl stark temperaturabhängig ist und sich somit das
Potential ändert.
4.2 Konduktometrie
Bei der Konduktometrie handelt es sich um die Messung der Leitfähigkeit einer
Elektrolytlösung. Bei einer konduktometrischen Titration wird die Abhängigkeit der
Leitfähigkeit einer Lösung vom Volumen einer hinzugefügten Maßlösung bekannter
Konzentration bestimmt. Abbildung 9 zeigt exemplarisch eine Titration einer starken
Säure (z.B. HCl) mit einer starken Base (z.B. NaOH). Man beginnt die Titration bei
einem Titrationspunkt f = 0. Hier liegt nur die zu untersuchende Lösung vor. Der
vollständige Zerfall dieser Lösung in ihre Ionen (z.B. H+ und Cl-) führt zu einer
relativ hohen Leitfähigkeit κ. Führt man nun die Titration durch, so nimmt die
Leitfähigkeit zunächst linear ab (Reaktionsgerade), da bei der Reaktion von Analytund Maßlösung H+ und OH- zu neutralem Wasser reagieren und so die
Gesamtionenzahl sinkt. An einem charakteristischen Punkt ändert sich die
Leitfähigkeit sprunghaft. Dieser Punkt hat den Titrationsgrad f=1 und wird
Äquivalenzpunkt genannt. Die Ausgangslösung ist nun komplett verbraucht. Setzt
man die Titration fort, so erhält man einen Titrationsgrad >1 und hat somit den
Äquivalenzpunkt überschritten und befindet sich nun auf der Reagenzgeraden. Die
Leitfähigkeit wird nun hauptsächlich durch die Ionen der Maßlösung bestimmt. Die
Kapitel 4. Analytische Anwendungen
Cl--Ionen der Analytlösung bleiben allerdings ebenfalls in Lösung und tragen zur
Leitfähigkeit bei.
Abbildung 9: Verlauf der Leitfähigkeit während einer Säure-Base-Titration.
Prinzipiell lassen sich konduktometrische Titrationen bei Fällungs-, Neutralisationsund Redoxreaktionen anwenden.
4.3 Potentiometrie
Die Bestimmung des elektrischen Potentials wird Potentiometrie genannt. Man kann
beispielsweise den Äquivalenzpunkt bei einer Titration neben der schon
beschriebenen Konduktometrie, auch durch Potentiometrie bestimmen. Durch eine
Titration werden Konzentrationsänderungen in einer Lösung verursacht, welche
Potentialänderungen an einer Meßelektrode (oder auch Indikatorelektrode)
verursachen. Für die Messung dieser Potentialänderungen ist es notwendig, dass an
der Elektrode eine Redoxreaktion abläuft, wodurch man mittels der NernstGleichung den Zusammenhang zwischen den an der Reaktion beteiligten Substanzen
und dem Redoxpotential herstellen kann. Eine Elektrode reicht allerdings nicht aus.
Es wird eine Referenzelektrode benötigt, um eine Potentialdifferenz zu messen. Die
Vergleichselektrode besitzt im Idealfall ein konstantes Potential. Man kann mit Hilfe
einer geeigneten Messtechnik das Potential der Referenzelektrode kompensieren, so
dass man nur Potentialänderungen an der Messelektrode detektiert.
Der Wendepunkt der Kurve gibt den Äquivalenzpunkt an und das zugehörige
Potential wird als Umschlagspotential bezeichnet. Je größer der Potentialsprung ist,
desto genauer ist die Messung. Zur genauen Bestimmung des Äquivalenzpunktes,
wird die Ableitung des Potentials nach der Titerzugabe berechnet, denn die
Spannung steigt im Bereich des Äquivalenzpunktes sehr steil an (Abb. 10). Das
Maximum der Ableitung ist wesentlich einfacher zu erkennen. Im Idealfall wird die
Messung im stromlosen Zustand vollzogen, um möglichst exakt zu sein. Fließt
nämlich ein Strom, so wird durch Elektrolysevorgänge die Konzentration in der
19
4.4 Amperometrie
Nähe der Messelektrode beeinflusst. Eine stromlose Messung kann durch ein
hochohmiges Potentiometer erreicht werden.
Abbildung 10: Potentiometrische Säure-Base-Titration.
Wahl der Elektroden
Messelektrode: Die Wahl der Messelektrode wird durch das analytische Problem
bestimmt. Man kann beispielsweise bei Redoxtitrationen Platinelektroden einsetzen,
die durch elektrolytische Abscheidung eines anderen Metalls (z.B. Kupfer) während
der Messung beschichtet werden. Alternativ werden Elektroden eingesetzt, deren
Ionen während der Titration entstehen oder verbraucht werden, also beispielsweise
eine Kupferelektrode wenn Kupferionen dissoziiert sind.
Referenzelektrode:
Bei der Referenzelektrode ist darauf zu achten, dass der Titrationsprozess nicht
beeinflusst wird. Dafür werden sogenannte Elektroden 2. Art eingesetzt. Deren
Potential ist zwar indirekt von der Konzentration der Elektrolytlösung abhängig, die
Spannungsdifferenz in Bezug auf die Lösung bleibt jedoch gleich. Beispiele sind die
Kalomel- und die Glaselektrode.
4.4 Amperometrie
Amperometrie wird die Messung des Stromflusses durch eine Elektrolytlösung bei
konstantem Potential genannt. Man kann damit chemische Stoffe quantitativ
bestimmen und damit den Äquivalenzpunkt erkennen.
Den Endpunkt bestimmt man durch das Einstellen einer geeigneten Spannung an den
Elektroden und anschließender Auftragung des verwendeten Verbrauchs an
Maßlösung gegen den jeweiligen Strom (in Ampere). Man erhält zwei Geraden die
20
Kapitel 4. Analytische Anwendungen
21
sich am Äquivalenzpunkt schneiden. In Abb. 11 sind die drei möglichen
Titrationskurven einer Amperometrie dargestellt.
Abbildung 11: Amperometrische Titration.
Im ersten Fall wird das Ion das für die Leitfähigkeit sorgt durch die Titration
verbraucht. Aus diesem Grund sinkt der Stromfluss bis er am Äquivalenzpunkt bei
einem konstanten Wert verharrt. Im zweiten Fall stammt das leitende Ion aus der
Maßlösung. Es wird bis zum Äquivalenzpunkt von der Probenlösung verbraucht.
Anschließend nimmt seine Konzentration durch weiteres Hinzugeben zu und ein
Anstieg des Stroms ist zu verzeichnen.
Sind sowohl Maßlösung als auch Probenlösung elektrochemisch aktiv, so fällt der
Strom zu Beginn ab, weil durch die Titration die Ionen der Probe verbraucht werden.
Am Äquivalenzpunkt tritt ein Minimum der Stromstärke auf. Weitere Titration führt
zu einer Zunahme der Ionen aus der Maßlösung und somit zu einem Anstieg der
Stromstärke.
4.5 Coulometrie
Mittels Coulometrie bestimmt man geflossene Ladungsmengen. Da ein einfacher
Zusammenhang zwischen den abgeschiedenen (freigesetzten) Elektrolyseprodukten
und der während der Elektrolyse geflossenen Ladungsmenge besteht, kann man aus
letzterer auf die Stoffmengen zurückrechnen. Die Coulometrie ist somit eine genaue
quantitative Bestimmungsmethode für viele analytische Probleme. Der Coulometrie
liegen die Faradayschen Gesetze zugrunde.
4.5.1 Potentiostatische Coulometrie
Mit Hilfe eines Potentiostaten wird das Potential im Grenzstrombereich der
gewünschten Umsetzung konstant gehalten. Die gesuchte Ladungsmenge errechnet
sich aus:
๐‘ก
๐‘„ = ∫0 ๐ผ๐‘‘๐‘ก
(4.6)
4.5 Coulometrie
22
Die abgeschiedene oder umgesetzte Masse erhält man aus den Faradayschen
Gesetzen:
๐‘„ =๐‘›·๐‘ง·๐น
๐‘š
๐‘›=๐‘€
๐‘š=
๐‘€·๐‘„
๐‘ง·๐น
(4.7)
(4.8)
(4.9)
Durch den Zusatz eines elektrochemisch passiven Leitsalzes im Überschuss wird
gewährleistet, dass der Stromtransport in der Lösung nur über das Leitsalz erfolgt.
Das bedeutet, dass die Probensubstanz nur durch Diffusion zur Elektrode gelangt und
somit nur der Grenzstrom gemessen wird. Im Laufe der Messung nimmt die
Stromstärke stark ab, weil die Analysensubstanz elektrolytisch zerlegt wird. Aus
diesem Grund sind potentiostatische Messungen sehr langwierig. Die Messung ist
beendet, wenn der Strom I um 99,9% gesunken ist, was mehrere Tage lang dauern
kann.
Hauptanwendung ist die Bestimmung kleiner Metallgehalte. Dabei werden entweder
Wechsel der Wertigkeit oder eine Abscheidung an Elektroden betrachtet. Die
Empfindlichkeiten liegen dabei im Bereich 10-9-10-10 mol/Liter.
Vorteile dieser Messmethode:
• Eignung für Spurenanalysen
• Nebenreaktionen können ausgeschlossen werden, daraus folgt eine größere
Selektivität
Nachteil:
• Dauer der Messung: Sehr lange
4.5.2 Galvanostatische Coulometrie
Im Gegensatz zur potentiostatischen Coulometrie wird hier die Elektrolysestromstärke mit Hilfe eines Galvanostaten konstant gehalten. Durch eine einfache
Zeitmessung kann die Ladungsmenge bei konstantem Strom bestimmt werden
(Q = I⋅t). Nicht die Analysensubstanz sondern eine Hilfssubstanz wird elektrolysiert.
Die Elektrolyseprodukte reagieren nun ihrerseits mit der Analysensubstanz. Die
Maßlösung wird also erst elektrochemisch erzeugt. Würde man keine Hilfssubstanz
verwenden, dann würde die Analysensubstanz in unmittelbarer Nähe der Elektrode
verarmen. Der Konzentrationsausgleich würde durch Diffusion stattfinden. Da diese
unter
anderem
konzentrationsabhängig
ist,
kommt
es
zu
einer
Konzentrationspolarisation der Elektrode. Eine quantitative Stromausbeute ist somit
nicht möglich. Deshalb fügt man nun die hochkonzentrierte Hilfssubstanz zur Probe
hinzu, um diese zu elektrolysieren. Aufgrund ihrer hohen Konzentration ist eine
Kapitel 4. Analytische Anwendungen
23
quantitative Stromausbeute möglich, weil die Diffusion eine ausreichende
Nachlieferung an die Elektrodenfläche gewährleistet.
Man verwendet als Hilfssubstanz einen Elektrolyt, dessen anodisches oder
kathodisches Elektrolyseprodukt quantitativ und eindeutig mit der zu untersuchenden
Probe reagiert. Das Ende der Reaktion muss durch Indikationsmethoden wie pHWert- oder Leitfähigkeitsmessung ermittelt werden.
Vorteile:
• einfache Gerätetechnik
• schnelle Durchführung
Nachteil:
• Änderung des Elektrodenpotentials, wodurch Nebenreaktionen stattfinden
können
Es handelt sich bei der galvanostatischen Coulometrie im Prinzip um eine ’Titration
mit Elektronen’, weshalb sie auch coulometrische Titration genannt wird.
4.6 Elektrogravimetrie
Bei der Elektrogravimetrie wird durch Elektrolyse ein Metall aus einer Salzlösung
vollständig an der Kathode abgeschieden. Durch das Wiegen der Elektrode vor und
nach der Elektrolyse kann man aus dem Gewichtsunterschied die abgeschiedene
Substanzmenge und somit die ursprüngliche Konzentration der Lösung bestimmen.
Es ist allerdings wichtig die Elektrode vor dem Abwiegen mit destilliertem Wasser
zu waschen und gründlich zu trocknen, um ein exaktes Ergebnis zu erhalten.
Alternativ wird das Metall nicht an der Elektrode abgeschieden, sondern einfach aus
der Lösung ausgefällt. Hierbei sind Elektronen das verwendete Fällungsmittel. Aus
dem gemessenen Gewicht kommt man mithilfe der Faradayschen Gesetze auf die
gewünschte Information:
๐‘š=
๐‘€·๐‘„
๐‘›·๐น
(4.10)
4.7 Voltametrie
Werden Ströme in Abhängigkeit vom Elektrodenpotential gemessen, so handelt es
sich um voltametrische Messmethoden.
Ein Spezialfall der Voltametrie ist die cyclische Voltametrie oder auch
Cyclovoltametrie. Diese dient unter anderem der Gewinnung von Informationen über
verschiedene Vorgänge an der Arbeitselektrode. Charakteristische Formen der
Cyclovoltagramme und eindeutige Potentiallagen der Peaks spiegeln die
elektrochemischen Eigenschaften von Redoxsystemen wider. Aus diesem Grund
wird diese Methode auch ’elektrochemische Spektroskopie’ genannt. Folgende
Eigenschaften elektrochemisch aktiver Stoffe lassen sich untersuchen:
4.7 Voltametrie
•
Redoxpotentiale von Molekülen
• Kinetik der Elektrodenreaktionen
• Thermodynamische Reaktionsgrößen
• Mechanismen elektrochemischer Reaktionen
• Identifizierung von in der Lösung enthaltenen Stoffen
• Nachweis reaktiver Zwischenprodukte
• Untersuchung potentialabhängiger Phasengrenzflächenreaktionen
(Adsorptionsprozesse)
Durchführung
An der Arbeitselektrode wird über einen Funktionsgenerator ein dreiecksförmiger
Spannungs-Zeit-Verlauf vorgegeben (Abb. 12).
Abbildung 12: Spannungsverlauf während einer cyclovoltametrischen Messung.
Die Messung des Elektrodenpotentials erfolgt über eine Referenzelektrode mit
bekanntem
Potential.
Da
hohe
Ströme,
wie
sie
bei
hohen
Vorschubgeschwindigkeiten auftreten, die Referenzelektrode zerstören, wird eine
dritte Elektrode verwendet. Über die sogenannte Gegenelektrode wird, durch die
Verwendung eines Potentiostaten, der Strom geleitet. Die Referenzelektrode bleibt
wegen ihrer hohen Impedanz nahezu stromlos. Die Arbeitselektrode und die
Gegenelektrode sind aufgrund des Spannungsverlaufs wechselweise Anode und
Kathode und die Regelung des Potentiostaten sorgt dafür, dass sich zwischen
Arbeitselektrode und Referenzelektrode das vorgegebene Sollpotential einstellt.
Abbildung 13 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer cyclovoltametrischen Messung.
Die Arbeitselektrode und die Gegenelektrode bestehen aus demselben, inerten
Material um bei einem Materialtransport zwischen den beiden Elektroden keine
Veränderung der Eigenschaften der Elektroden zu erhalten. Es werden z.B. Goldoder Platinelektroden eingesetzt. Bei der Referenzelektrode handelt es sich um eine
Elektrode zweiter Art (z.B. Kalomelelektrode). Ein XY-Schreiber, bzw. ein
Computer sorgen für die Auftragung eines Strom-Spannungsdiagramms, des
sogenannten Cyclovoltagramms.
24
Kapitel 4. Analytische Anwendungen
Abbildung 13: Schematischer Aufbau einer cyclovoltametrischen Messung.
Entscheidende Parameter bei cyclovoltametrischen Messungen sind:
• Die Reinheit des Elektrolyten und der eingesetzten Substanzen
• Das Elektrodenmaterial
• Die Wahl der Potentialumkehrpunkte
• Die Potentialvorschubgeschwindigkeit (mindestens 10-30 mV/s)
Die Potentialvorschubgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit mit der das Potential
variiert wird. Die Elektroden werden vor dem Versuch elektrochemisch gereinigt.
Dabei wird die Spannung sehr langsam zwischen den Potentialen der Wasserstoffund der Sauerstoffentwicklung hin- und hergefahren. Verunreinigungen werden so
oxidiert oder reduziert und die Metalloberfläche dadurch gereinigt.
Deckschichtdiagramm
Liegen keine elektrochemisch aktiven Stoffe in einem wässrigen Elektrolyten vor, so
werden die auftretenden Ströme durch den Auf- und Abbau von Wasserstoff- und
Sauerstoff-Chemisorptionsschichten verursacht. Der Strom ist bei der sogenannten
Auf- bzw. Umladung der elektrolytischen Doppelschicht minimal. Das
Lösungsmittel (Säuren, Basen oder Salze) beeinflusst die Form des
Cyclovoltagramms nur minimal, wenn keine elektrochemische Umsetzung
stattfindet. Im Gegensatz dazu beeinflusst das Elektrodenmaterial das
Cyclovoltagramm stark. Ein Deckschichtdiagramm von Platinelektroden ist in
Abbildung 14 gezeigt.
25
4.7 Voltametrie
Abbildung 14: Deckschichtdiagramm einer entlüfteten 1 M KOH-Lösung an Platin
bei 20°C mit einer Potentialvorschubgeschwindigkeit von 100mV/s.
Nun zu den Vorgängen während der Cyclovoltametrie:
Ein elektrochemisch aktiver Stoff wird bei einem charakteristischen Potential
oxidiert oder reduziert. Bei einer Strom-Spannungsauftragung sind die Peaks der
Oxidation und der Reduktion die Spannungswerte mit dem betragsmäßig größten
Strom.
Liegt keine Spannung an, so fließt kein Strom, denn die elektrochemisch aktive
Substanz wird weder oxidiert noch reduziert. Erst wenn die Spannung einen
gewissen Wert erreicht hat beginnen Ionen an der Elektrodenoberfläche zu reagieren,
wodurch ein Stromfluss einsetzt. Entsprechend der Nernstgleichung ändert sich
unmittelbar das Verhältnis von oxidierten zu reduzierten Teilchen. Entspricht die
Konzentration der oxidierten Komponenten vor der Elektrode der Konzentration der
reduzierten Komponenten, so entspricht das Potential genau dem Standardpotential
des Redoxprozesses. Der Strom beträgt nun die Hälfte seines maximal erreichbaren
Wertes. Dieser größtmögliche Wert entspricht dem Grenzstrom. Bei dieser
Stromstärke sind alle elektrochemisch aktiven Teilchen vor der Elektrode oxidiert
oder reduziert. Die Stromstärke sinkt nun betragsmäßig, da sich eine
Diffusionsschicht bildet. Diese weitet sich jedoch nicht so stark aus wie bei einer
normalen Elektrolyse, da bei Erreichen der Spannungsspitze die Spannung wieder
sinkt und immer weniger Teilchen reagieren. Ändert die Dreiecksspannung ihr
Vorzeichen, so können die vorher oxidierten bzw. reduzierten Teilchen reduziert
bzw. oxidiert werden. Der Strom fließt nun in die entgegengesetzte Richtung. Beide
Teilreaktionen bilden somit eine Stromwelle, da in diesem Beispiel eine reversible
Reaktion angenommen wurde (Abb. 15). Im Cyclovoltagramm lassen sich die Lage
und die Höhe der beiden Maxima auswerten. Aus dem Verhältnis zwischen Höhe des
Hinlaufpeaks zur Höhe des Rücklaufpeaks kann abgeleitet werden, ob die Reaktion
reversibel oder irreversibel ist.
26
Kapitel 4. Analytische Anwendungen
Abbildung 15: Reversibles Cyclovoltagramm.
Folgereaktionen bei Weiterreaktion der entstandenen Produkte (beispielweise durch
weitere Oxidationsschritte) sorgen für zusätzliche Stromspitzen (Abb. 16). Diese
lassen sich den einzelnen Reaktionen zuordnen. Ist z.B. bekannt, dass bei einer
Oxidation oder Reduktion zwei Elektronen übertragen werden, lässt sich durch
Cyclovoltametriemessungen ermitteln, ob die beiden Elektronen gleichzeitig
übertragen werden (1 Peak im Hin- und Rücklauf) oder ob die beiden Elektronen
nacheinander übertragen werden (je 2 Peaks im Hin- und Rücklauf).
Abbildung 4.8: Cyclovoltagramm mit Folgereaktionen.
Läuft die Reaktion jedoch irreversibel ab, so liegt im Cyclovoltagramm kein
Rücklaufpeak vor. Dies ist der Fall, wenn das entstehende Produkt entweder instabil
ist oder wenn zusätzlich Substanzen vorliegen die mit dem Produkt reagieren.
27
4.7 Voltametrie
Abbildung 17: Cyclovoltagramm einer irreversiblen Reaktion.
Bei der Auswertung eines Cyclovoltagramms sind folgende Parameter zu
berücksichtigen:
• Verschiebung der Peakpotentiale in Abhängigkeit von der gewählten
Potentialvorschubgeschwindigkeit
• Differenz zwischen den Peakpotentialen
• Verhältnis der Hinlaufstromdichte zur Wurzel der
Potentialvorschubgeschwindigkeit
• Verhältnis der maximalen Peakstromdichten
28
Kapitel 5. Experimenteller Teil
5. Experimenteller Teil
Vor Versuchsbeginn
• Wasser mit Stickstoff entlüften
• Spannungsquelle und Computer einschalten
1. Versuch: Aufbau eines Daniell-Elementes
Es werden 40 ml einer Kupfersulfatlösung mit c = 1 mol/l und 40 ml einer
Zinksulfatlösung mit c = 1 mol/l benötigt. Daneben braucht man noch 2
Bechergläser, Kupferblech, Zinkblech, Filterpapier und destilliertes Wasser.
Die Bleche werden mit dem Messgerät verbunden. Dann taucht man das Kupferblech
in die Kupfersulfatlösung und das Zinkblech in die Zinksulfatlösung. Das mit Wasser
getränkte Filterpapier dient als Salzbrücke zwischen den beiden Bechergläsern. Die
entstehende Spannung kann nun am Messgerät abgelesen werden.
2. Versuch: Abscheidung von Kupfer - 1. Faradaysches Gesetz
Hierzu werden 70 ml Kupfersulfatlösung mit c = 1 mol/l und 10 ml Schwefelsäure
(H2SO4) mit c = 1 mol/l benötigt.
Daneben braucht man noch ein Becherglas und zwei Kupferbleche.
Die beiden Kupferbleche werden vor dem Versuch gewogen und die Werte notiert.
Die beiden Kupferbleche werden mit der Spannungsquelle verbunden und in das
Becherglas getaucht. Die Elektrolyse wird durch Anlegen einer Spannung von 5 V
gestartet. Die Stromstärken werden alle 20 Sekunden abgelesen und notiert. Nach
genau 10 Minuten wird die Spannung abgeschaltet und die Elektroden getrocknet.
Danach werden beide Bleche erneut gewogen.
29
Kapitel 5. Experimenteller Teil
30
3. Versuch: Abscheidung von Kupfer und Silber – 2. Faradaysches Gesetz
Es werden 70 ml Kupfersulfat (c = 1 mol/l), 70 ml Silbernitrat (c = 1 mol/l) und 10 ml
Schwefelsäure (c = 1 mol/l) benötigt. Zusätzlich braucht man noch 2 Bechergläser (100 ml), 2
Kupferbleche und 2 Silberbleche.
Die Kupfer- und Silberbleche werden vor dem Versuch gewogen und die Werte notiert.
Bauen Sie anschließend zwei hintereinandergeschaltete Elektrolysezellen wie folgt auf: Die
Silberbleche werden als Elektroden in der Silbernitratlösung verwendet. Für die
Kupfersulfatlösung und die Schwefelsäure werden die beiden Kupferbleche verwendet.
Die Elektrolyse wird durch Anlegen einer Spannung von 3 Volt gestartet, der
Stromstärkewert wird alle 20 Sekunden notiert. Nach 10 Minuten wird die Spannung
abgeschaltet. Die Elektroden werden vorsichtig getrocknet und erneut gewogen.
4. Versuch: Konduktometrische Titrationen von HCl und CH3COOH
Als Maßlösung werden 120 ml einer NaOH-Lösung mit c = 0,4 mol/l benötigt.
200 ml der Säurelösungen werden jeweils in ein Becherglas gegeben und die
Leitfähigkeit bestimmt. Dann langsam mit der NaOH-Maßlösung titrieren und dabei
die Leitfähigkeitswerte und die Menge an Maßlösung notieren.
Bis zu einer Leitfähigkeit von ca. 7 mS/cm (für HCl) die Werte jeweils nach 1 ml
Maßlösung notieren. Darunter immer nach 0,2 ml Maßlösung bis zum
Äquivalenzpunkt und weitere 15 Werte mit 0,2 ml sowie 15 Werte mit 1 ml
aufnehmen.
Für CH3COOH wird bis ca. 3 mS/cm die Leitfähigkeit nach 1 ml und bis ca. 5
mS/cm nach 0,2 ml notiert. Oberhalb von 5 mS/cm werden weitere 15 Werte mit 1
ml Schritten aufgenommen.
Kapitel 5. Experimenteller Teil
Die nachfolgenden 2 Versuche gehören zur Cyclovoltametrie. Dabei wird das
Potential zwischen zwei Grenzen zyklisch verändert und der Stromverlauf
aufgezeichnet. Im Praktikum werden Platinelektroden als Arbeits- und
Gegenelektrode eingesetzt. Die Referenzelektrode ist eine gesättigte
Kalomelelektrode. Für alle Lösungen, die für die folgenden Versuche angesetzt
werden, muss das entlüftete Wasser eingesetzt werden!
5. Versuch: Aufnahme eines Deckschichtdiagramms
Es werden 40 ml einer Schwefelsäurelösung mit c = 0,1 mol/l benötigt.
Vor der Aufnahme des Deckschichtdiagramms werden die Elektroden
elektrochemisch gereinigt. Dazu werden der Potentialbereich von -350 bis 1400 mV
mit einer Vorschubgeschwindigkeit von 10 mV/s durchfahren. Das
Deckschichtdiagramm wird in einem Potentialbereich von -350 bis 1400 mV
aufgenommen. Die Potentialvorschubgeschwindigkeit beträgt 1000 mV/s.
6. Versuch: Umladung von Fe2+/Fe3+
Für diesen Versuch benötigt man 10 ml einer Eisen(II)-sulfat Stammlösung mit c =
0,1 mol/l. Daneben wird noch eine Schwefelsäurelösung mit c = 1 mol/l benötigt.
Die Eisen(II)-sulfat Stammlösung wird mit der Schwefelsäurelösung so weit
verdünnt, bis eine Fe 2๏€ซ -Konzentration von 0,005 mol/l vorliegt. Insgesamt werden
40 ml dieser Lösung benötigt.
Bestimme das Ruhepotential der Zelle.
Für die Messung der Lösung wird ein Potentialbereich von 0 bis 800 mV
durchfahren. Die Vorschubgeschwindigkeiten werden dabei variiert. Es werden
Geschwindigkeiten von 100, 200, 400, 600, 800 und 1000 mV/s eingestellt.
Bitte zum Praktikumstag mitbringen:
๏‚ท
๏‚ท
Ausgedrucktes Kapitel 5 (Experimenteller Teil)
Berechnungen für die einzelnen Versuche
31
Kapitel 6. Aufgaben
32
6. Aufgaben
1. Daniell-Element
๏‚ท Notieren Sie den Spannungswert und vergleichen Sie den experimentell
bestimmten Wert mit dem theoretischen Wert, den Sie mit Hilfe der
elektrochemischen Spannungsreihe bestimmen können.
๏‚ท Wie lässt sich der Unterschied zwischen dem experimentellen und dem
theoretischen Spannungswert erklären?
๏‚ท Formulieren Sie eine Reaktionsgleichung mit den jeweiligen Teilreaktionen an
der Kathode und der Anode.
2. 1. Faradaysches Gesetz
๏‚ท Bestimmen Sie mit den notierten Stromstärkewerten über das 1. Faradaysche
Gesetz die Masse, die im Versuch abgeschieden wird. Die Berechnung muss
nachvollziehbar präsentiert werden.
๏‚ท Wodurch kommt der Unterschied zwischen der berechneten und der
experimentell bestimmten Massenabnahme zustande?
๏‚ท Wie können mögliche Fehler bei beiden Messwerten verringert werden?
3. 2. Faradaysches Gesetz
๏‚ท Berechnen Sie die abgeschiedenen Massen an Silber und Kupfer.
๏‚ท Wenden Sie das 2. Faradaysche Gesetz an und erläutern Sie nachvollziehbar Ihre
Ergebnisse.
๏‚ท Gilt das 2. Faradaysche Gesetz bei diesem Versuch? Wodurch können
Abweichungen entstehen? Begründen Sie Ihre Antworten.
๏‚ท Geben Sie die Reaktionsgleichungen an, die in den beiden Elektrolysezellen
jeweils ablaufen.
4. Konduktometrische Titration
๏‚ท Berechnen Sie die Konzentration der Säurelösungen. Die Berechnung muss
nachvollziehbar präsentiert werden.
๏‚ท Tragen Sie κ gegen V auf und interpretieren Sie die Steigungen der Geraden
vor und nach dem Äquivalenzpunkt.
๏‚ท Wodurch können mögliche Fehler bei der Bestimmung auftauchen und wie
können diese behoben werden?
Kapitel 6. Aufgaben
33
5. Aufnahme eines Deckschichtdiagramms
๏‚ท Benennen
Sie
die
einzelnen
Bereiche
des
aufgenommenen
Deckschichtdiagramms von Platin.
๏‚ท Durch welche Reaktionen können die einzelnen Peaks erklärt werden?
6. Umladung von Fe2+/Fe3+
๏‚ท Welche Informationen können aus einem Cyclovoltagramm gezogen werden?
๏‚ท Bestimmen Sie, ob es sich im durchgeführten Versuch um einen gehemmten
oder ungehemmten Ladungsdurchtritt handelt. Bestimmen Sie im Falle eines
gehemmten Ladungsdurchtritts den Durchtrittsfaktor. Begründen Sie Ihre
Entscheidung graphisch.
Angaben für die Berechnungen:
M(H2SO4) = 98,08 g/mol
ฯฑ(H2SO4) = 1,84 kg/l
w(H2SO4) = 0,95
M(CuSO4⋅5 H2O) = 249,69 g/mol
M(ZnSO4⋅7 H2O) = 287,54 g/mol
M(AgNO3) = 169,87 g/mol
M(HCl) = 36 g/mol
ฯฑ(HCl) = 1,19 kg/l
M(CH3COOH) = 60,05 g/mol
ฯฑ(CH3COOH) = 1,05 kg/l
M(NaOH) = 40 g/mol
M(FeSO4 ⋅ 7H2O) = 278,02 g/mol
w(HCl) = 0,37
w(CH3COOH) = 1,00
Kapitel 7. Literatur
7. Literatur
[1] Carl H. Hamann, Wolf Vielstich
Elektrochemie
Wiley-VCH, 1998
[2] Hans Peter Latscha, Helmut Alfons Klein
Chemie
Springer-Verlag, 1994
[3] W. Schmickler
Grundlagen der Elektrochemie
Springer-Verlag, 1996
[4] Rudolf Holze
Elektrochemisches Praktikum
Teubner-Verlag, 2001
34
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