Arzneimittelinteraktionen mit P2Y12-Antagonisten

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Schwerpunkt
Arzneimittelinteraktionen mit P2Y12-Antagonisten
Tanja Flaig, Reinhold Kreutz
Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, CharitéCentrum 4 für Therapieforschung, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Pharmakokinetische Arzneimittelinteraktionen, die über CYP3A4 und / oder
P-gp vermittelt werden, betreffen im Rahmen der antithrombotischen Therapie nicht nur die neuen direkten oralen Antikoagulanzien, sondern auch die
wichtigen Thrombozytenaggregationshemmer vom Typ der P2Y12-Antagonisten. Hierbei sollen Kenntnisse über die hier dargestellten Grundlagen und
Beispiele dem Kliniker eine Basis für rationale Therapieentscheidungen beim
Einsatz der P2Y12-Antagonisten liefern.
Mit der Einführung der neuen direkten oralen
Antikoagulanzien (DOAK) Apixapan, Dabigatran
und Rivaroxaban in die klinische Praxis ist die
Aufmerksamkeit gegenüber pharmakokinetisch
begründeten Arzneimittelinteraktionen (AI) in
der kardiovaskulären Therapie zunehmend gewachsen. So sind für die DOAK wesentliche
pharmakokinetische Arzneimittelinteraktionen
bekannt, aus denen der Kliniker Konsequenzen
für den praktischen Einsatz dieser Medikamente
ableiten kann [1]. Die pharmakokinetisch begründeten Arzneimittelinteraktionen der DOAK
werden über 2 wichtige Proteine, das Cytochrom
P450 (CYP) Enzym 3A4 (CYP3A4) und den Effluxtransporter P-Glykoprotein (P-gp) vermittelt
[1]. CYP3A4 und P-gp beeinflussen die Pharmakologie vieler Medikamente dergestalt, dass sich
klinisch relevante Arzneimittelinteraktionen
entwickeln können, falls die Aktivitäten der Proteine durch Komedikationen verändert werden.
Dies kann auch für die wichtigen Thrombozytenaggregationshemmer vom Typ der P2Y12-Antagonisten von Bedeutung sein, die allerdings in
sehr unterschiedlicher Weise über CYP3A4 und
P-gp beeinflusst werden.
Die Grundlagen für Arzneimittelinteraktionen,
die über CYP3A4 und P-gp vermittelt werden
können, sowie deren Bedeutung für die Anwendung von P2Y12-Antagonisten sollen in dieser
Arbeit beschrieben werden.
CYP3A4 und P-gp: Grundlagen
Das CYP3A4 gehört zu der großen Familie ubiquitär vorkommender Cytochrom-P450-Enzyme
[2]. Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Biosynthese körpereigener Stoffe und sind maßgeblich an der Metabolisierung von Fremdstoffen
und Arzneimitteln beteiligt [1]. Sie beeinflussen
nicht nur die pharmakologische Aktivität vieler
Arzneistoffe, sondern sind auch für einen großen
Anteil der Elimination dieser verantwortlich.
CYP3A4 wird in der Leber und im Dünndarm
­exprimiert und macht fast 50 % der Enzymaktivität aller CYP-Enzyme der Leber aus [3]. Innerhalb der CYP-Substrate sind mehr als die Hälfte
aller therapeutisch eingesetzten Arzneistoffe
CYP3A4-Substrate, d. h. sie werden über dieses
Enzym verstoffwechselt [3], weshalb der pharmakologischen Beeinflussung dieses Enzyms besondere Bedeutung zukommt.
Neben der großen Familie der CYP-Enzyme gibt
es noch eine Reihe weiterer Faktoren, welche die
Bioverfügbarkeit bzw. Pharmakokinetik von Arzneistoffen beeinflussen, wie etwa das P-gp [4].
Dieser reine Effluxtransporter wurde ursprünglich bei multi-therapieresistenten Tumorzellen
entdeckt. Hier konnte gezeigt werden, dass eine
hohe P-gp-Expression zum Wirkungsverlust vieler Chemotherapeutika führt [4]. Nach derzeitigem Wissensstand übernimmt P-gp eine Schutzfunktion des Körpers gegenüber bestimmten
Fremdstoffen (u. a. Medikamenten), indem es
den Export dieser Substanzen aus Enterozyten,
Hepatozyten, den Zellen des proximalen Nierentubulus und der Blut-Hirnschranke reguliert [5].
P-gp limitiert nicht nur die Absorption vieler
Arzneistoffe aus dem Darm, sondern ist auch an
der hepatischen und renalen Eliminierung von
Medikamenten beteiligt. Die Transportkapazität
von P-gp ist sättigbar [6], und wie auch die Aktivität des CYP3A4, abhängig von einer Vielzahl an
Interaktionen mit den jeweiligen Substraten, Induktoren und Inhibitoren des Effluxtransporters
[7]. Während die klinische Relevanz des CYP3A4Metabolismus mittlerweile gut bekannt ist, können bisher nur wenige klinisch bedeutsame Arzneimittelinteraktionen allein auf die Aktivität
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Pharmakokinetische Grundlagen und Konsequenzen für die Praxis
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des P-gp zurückgeführt werden. Ein möglicher
Grund hierfür ist, dass viele der für P-gp bekannten Substrate auch über CYP3A4 und andere Cytochrome der P450-Familie verstoffwechselt
werden [8]. Die Möglichkeit der pharmakologischen Beeinflussung durch gemeinsame Induktoren oder Inhibitoren von CYP3A4 und P-gp
kann die Übersicht über die zu erwartenden Arzneimittelinteraktionen weiter erschweren. Es ist
deshalb zunächst wichtig, ein gewisses Grundverständnis für pharmakokinetische Vorgänge
im Körper zu besitzen.
Wie beeinflussen CYP3A4 und P-gp die
Pharmakologie?
Nach oraler Applikation eines Arzneimittels,
welches Substrat für CYP3A4 oder P-gp ist, führen die in Dünndarm und Leber lokalisierten
Proteine dazu, dass der Anteil der verabreichten
Arzneimitteldosis, welche den systemischen
Kreislauf erreicht (d. h. bioverfügbar wird), reduziert wird. Dies wird als „1st-pass-effect“ bezeichnet. Die Verabreichung von Arzneistoffen
(oder bestimmter Nahrungsstoffe bzw. anderer
Fremdstoffe), welche entweder in einer Inhibition oder einer Induktion dieser Proteine resultieren, können folglich zu gravierenden Veränderungen der oralen Bioverfügbarkeit anderer Substrate führen. Weiterhin können Unterschiede in
der individuellen und z. T. genetisch beeinflussten Aktivität von CYP-Enzymen oder P-gp zu klinisch relevanten interindividuellen Unterschieden der Pharmakokinetik von Medikamenten
beitragen und damit die Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser beeinflussen [3].
Was passiert wenn die Aktivität von CYP3A4 und
P-gp gehemmt wird? Welche Folgen kann die Induktion dieser Proteine auf die orale Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen haben? Eine Übersicht
über diese Vorgänge gibt Abbildung 1.
Physiologischerweise wird ein Arzneistoff, der
ein P-gp-Substrat ist, von den Enterozyten des
Dünndarms aufgenommen und zum Teil durch
P-gp aus der Zelle zurück in das Darmlumen
transportiert (Abb. 1A). Dies hat zur Folge, dass
ein geringerer Anteil der ursprünglichen Substanz in die Pfortader gelangt (A). In den Hepatozyten führt P-gp einen weiteren Anteil des Arzneistoffes der Galle zu (Abb. 1B). CYP3A4, welches in den Entero- und Hepatozyten lokalisiert
ist, metabolisiert zudem einen gewissen Anteil
des Arzneimittels bereits im Darm (Abb. 1A) und
anschließend auch in der Leber (Abb. 1B), sodass
der Anteil des Substrates, welcher bioverfügbar
wird (Abb. 1C), wesentlich geringer als der ursprünglich oral zugeführte ausfällt. Diese Vorgänge werden heute bereits während der klinischen Entwicklung erforscht und vor der Marktzulassung neuer Medikamente einkalkuliert,
weshalb davon ausgegangen werden kann (unter
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Berücksichtigung interindividueller Unterschiede und besonderer Umstände, wie beispielsweise Resorptionsstörungen im Gastrointestinaltrakt), dass der Anteil, welcher bioverfügbar
wird, therapeutisch wirksamen Konzentrationen entspricht.
Wird die Aktivität von P-gp in Darm und Leber
durch die gleichzeitige Einnahme eines potenten
P-gp-Inhibitors (z. B. Verapamil) gehemmt (Abb.
1D und 1E), wird weniger Substrat in Darm und
Leber ausgeschieden (Abb. 1D und 1E) und höhere Plasmakonzentrationen desselbigen werden
erreicht (Abb. 1F). Dies kann gerade bei Arzneistoffen mit geringer therapeutischer Breite (z. B.
Digoxin) bereits zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen führen. Handelt es sich bei der blockierenden Substanz gleichzeitig um einen Inhibitor von CYP3A4 (Abb. 1D und 1E), wird auch
durch dieses System weniger Arzneistoff eliminiert. Die maximalen Plasmakonzentrationen
sowie die Gesamtexposition des Körpers mit
dem Arzneimittel steigen deutlich an, im
schlimmsten Fall bis in den toxischen Bereich
(Abb. 1F).
Ein umgekehrtes Szenario zeigt die Induktion von
CYP3A4 und P-gp. Durch Arzneimittel, welche die
Expression von P-gp und CYP3A4 fördern (Induktion), werden die jeweiligen Substrate vermehrt
ausgeschieden (Abb. 1G und 1 H). Es resultieren
unter Umständen subtherapeutische Plasmaspiegel, welche den kompletten Wirkverlust des Arzneistoffes zur Folge haben können (Abb. 1I).
Anders als in Abbildung 1, welche eine Vereinfachung zum erleichterten Verständnis darstellt,
müssen bei vielen Medikamenten weitere pharmakokinetische Aspekte berücksichtigt werden,
um Arzneimittelinteraktionen voraussehen zu
können. Dass selbst die Pharmakokinetik innerhalb einer Substanzklasse deutlich abweichen
kann, zeigen die P2Y12-Antagonisten Clopidogrel,
Prasugrel und Ticagrelor. Die Pharmakokinetik
dieser Substanzen im Hinblick auf klinisch relevante Arzneimittelinteraktionen zu kennen kann
bedeutend sein. Im Folgenden soll erläutert werden, warum dem so ist, und welche Konsequenzen
für die praktische Verordnung dieser Medikamente sich hieraus ergeben (Tab. 1). Ausgewählte Beispiele für Inhibitoren und Induktoren für CYP3A4
und P-gp sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Klinische Pharmakologie der
P2Y12-Antagonisten
Clopidogrel
Clopidogrel ist ein Thienopyridin der zweiten
Generation und seine klinische Pharmakologie
ist sehr gut untersucht. Die Substanz ist eine Prodrug, d. h. sie muss erst durch Biotransformation
in der Leber in ihren aktiven Metaboliten überführt werden, um eine pharmakologische Wirkung zu entfalten. Von der Muttersubstanz wer-
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Schwerpunkt
den zunächst 50 % aus dem Gastrointestinaltrakt
resorbiert, wovon 85 % durch Esterhydrolasen
direkt in eine pharmakologisch inaktive Form
überführt werden. Aus den verbliebenen 15 %
wird in der Leber über 2 Zwischenschritte
schließlich der aktive Metabolit gebildet [9]
(zum besseren Verständnis des Aktivierungsvorganges siehe Abb. 2).
Wie in Abbildung 2 dargestellt, ist die Generierung des Zwischenmetaboliten 2-Oxo-Clopidogrel von mehreren Cytochromen abhängig, wird
jedoch vorwiegend von CYP2C19 katalysiert
(44,9 %) [10]. Wird dieser erste Schritt durch
CYP2C19-Inhibitoren, wie beispielsweise Omeprazol gehemmt, wird 40–45 % weniger aktiver
Metabolit gebildet, was in einer Reduktion der
Thrombozytenaggregationshemmung um 21 %
bis 39 % resultiert [11]. Die klinischen Auswirkungen dieser pharmakokinetischen Interaktion –
wie z. B. auf schwere kardiovaskuläre Ereignisse –
werden zwar kontrovers diskutiert, als Vorsichtsmaßnahme kann jedoch von der gleichzeitigen
Einnahme von Clopidogrel und starken oder mäßig starken CYP2C19-Inhibitoren abgeraten werden [11]. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn es
sich bei den Patienten gleichzeitig um Patienten
mit einem Poor-Metabolizer-Status für CYP2C19
handelt, da bei diesen von einer weiteren Reduktion der aktiven Metabolitbildung auszugehen ist.
Zum Ausschluss eines CYP2C19-Poor-Metabolizer-Status sind entsprechende genetische Tests
verfügbar, mit welchen der CYP2C19-Genotyp
des Patienten bestimmt werden kann [11].
CYP3A4: Das Cytochrom 3A4 spielt eine Rolle
im zweiten Schritt der Aktivierung von 2-OxoClopidogrel zu seinem aktiven Metaboliten.
Aufgrund der hohen Anzahl von Arzneistoffen,
welche mit CYP3A4 interagieren, besteht die
Möglichkeit, dass auch einige dieser Arzneimittel das Ausmaß der Plättchenaggregationshemmung durch Clopidogrel beeinflussen. Allerdings
gibt es nur wenige Daten zur klinischen Relevanz
solcher Arzneimittelinteraktionen [12]. Gezeigt
werden konnte, dass die Applikation potenter
CYP3A4-Inhibitoren, wie Ketoconazol, in einer
signifikanten Reduktion der aktiven Metabolitbildung sowie der Inhibition der Plättchenaktivität (IPA) resultiert [13]. Umgekehrt führt die
Koadministration von Rifampicin, einem potenten CYP3A4-Induktor, zu erhöhten Plasmakonzentrationen des aktiven Metaboliten und
einer ausgeprägteren P2Y12-Blockade [14]. Wie
so häufig lassen sich diese auf pharmakologischer Ebene verfügbaren Resultate nicht eins zu
eins als Handlungsempfehlung in die klinische
Praxis übertragen. Während In-vitro-Studien
zu Arzneimittelinteraktionen oft zu ähnlichen
Ergebnissen gelangen, sind die Effekte auf die
klinischen Endpunkte häufig umstritten. Im
Zweifelsfall besteht die Möglichkeit, auf einen
Thrombozytenaggregationshemmer mit einem
geringeren Interaktionspotenzial umzusteigen.
P-gp: Clopidogrel ist ein Substrat von P-gp. In-vitro-Studien zeigen, dass die Inhibition von P-gp
durch potente Inhibitoren wie Verapamil die intrazelluläre Konzentration von Clopidogrel bereits 5
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Abb. 1 A-C: Vereinfachte Darstellung des
physiologischen Ablaufs der Pharmakokinetik
von Arzneimitteln (AM). Das Ausmaß der
Metabolisierung der Arzneimittel (%) ist nur
modellhaft und für alle Arzneimittel
unterschiedlich. D-F: Vereinfachte Darstellung
der Inhibition von CYP3A4 und P-gp in Darm
und Leber. G-I: Vereinfachte Darstellung der
Induktion von CYP3A4 und P-gp in Darm und
Leber. CYP= Cytochrom 3A4, P-gp=P-Glykoprotein.
Abb. 2 Darstellung der Pharmakokinetik der P2Y12-Antagonisten Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor.
CYP = Cytochrom P450, hCE1= humane Carboxylesterase 1, hCE2= humane Carboxylesterase 2 (mod. nach [9]).
Minuten nach der Inkubation verdoppeln kann
[15]. Auch die Genetik scheint eine Rolle zu spielen; es gibt erste Hinweise darauf, dass ein bestimmter Genotyp (ABCB1 3435 TT), welcher möglicherweise zur vermehrten Expression von P-gp
führt, mit einem erhöhten Risiko für ein schlechtes
kardiovaskuläres Outcome assoziiert ist [16].
Prasugrel
Prasugrel, ebenfalls ein oraler Thrombozytenaggregationshemmer und eine Prodrug, gehört zur
dritten Generation der Thienopyridine [17]. Im
Gegensatz zu Clopidogrel wird Prasugrel fast
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vollständig resorbiert und dann durch intestinale Esterasen zu einem inaktiven Zwischenmetaboliten hydrolisiert [9]. Dieser inaktive Zwischenmetabolit wird in einem weiteren Schritt
vorwiegend durch CYP3A4 und CYP2B6, in geringerem Maße auch durch CYP2C9 und
CYP2C19 (Abb. 2) zur pharmakologisch aktiven
Substanz metabolisiert [18]. Da die Generierung
des aktiven Metaboliten von Prasugrel erstens
nur einen Cytochrom-abhängigen Schritt beinhaltet und zweitens weniger von einem Cytochrom alleine, als vielmehr von mehreren in unterschiedlichem Ausmaß abhängt, ist Prasugrel
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weniger anfällig für pharmakokinetisch bedingte Arzneimittelinteraktionen [19].
CYP3A4: Anders als bei Clopidogrel beeinflusst
die gleichzeitige Applikation des potenten
CYP3A4-Inhibitors Ketoconazol nicht die Plättchenaggregationshemmung durch Prasugrel.
Auch Rifampicin als potenter CYP3A4-Induktor
verändert die Pharmakokinetik von Prasugrel
nur wenig. Es kann davon ausgegangen werden,
dass die gleichzeitige Applikation von Prasugrel
Tab. 1
und potenten CYP3A4-Induktoren oder Inhibitoren die Plättchenaggregationshemmung nicht
wesentlich beeinträchtigt, und damit weitgehend unbedenklich ist [19].
P-gp: Die wenigen verfügbaren Daten lassen vermuten, dass Prasugrel weder ein P-gp-Substrat,
noch ein Inhibitor des Effluxtransporters ist.
Pharmakokinetische Interaktionen dieser Art
sind nach aktuellem Kenntnisstand deshalb
nicht zu erwarten [19].
P2Y12-Antagonisten und Arzneimittelinteraktionen.
P2Y12Antagonist
Pharmakologie
Bewertung der Arzneimittelinteraktionen (AI) und klinische Relevanz
Einfluss von P-gp/ CYP3-A4-Inhibitoren:
Ketoconazol: Gleichzeitige Anwendung erniedrigt die Plasmakonzentration des aktiven Metaboliten; es ist
davon auszugehen, dass (auch nicht untersuchte) starke Inhibitoren (Tab. 2) die Plasmakonzentration des
aktiven Metaboliten von Clopidogrel (C) reduzierenreduzierte IPA.
Thienopyridin
Clopidogrel
Prodrug –
erfordert Aktivierung in der Leber
durch CYP
Irreversible Hemmung des
P2Y12-Rezeptors
Einfluss von P-gp/CYP-3A4-Induktoren:
Rifampicin: Gleichzeitige Anwendung erhöht die Plasmakonzentrationen des aktiven Metaboliten; man
kann davon ausgehen, dass (auch nicht untersuchte) starke Induktoren (Tab. 2) die Plasmakonzentration
des aktiven Metaboliten erhöhen verstärkte IPA.
Zusammenfassung/Bewertung:
Die Generierung des aktiven Metaboliten von C ist neben CYP2C19 auch von CYP3A4 abhängig. Bei starker
Inhibition von CYP3A4 wird folglich weniger, bei starker Induktion mehr aktiver Metabolit gebildet.
Die Anwendung von potenten CYP 3A4-Hemmern/Induktoren, wie Ketoconazol/Rifampicin, sollte nur mit
Vorsicht erfolgen, da eine klinisch relevante Beeinflussung mit Abschwächung/Verstärkung der IPA möglich ist.
Vorsicht mit starken (z. B. Omeprazol) bis moderaten CYP2C19-Hemmern; V. a. bei Patienten mit
Poor-Metabolizer-Status ist ein geringerer Plasmaspiegel von C zu erwarten, und damit auch eine
reduzierte Wirksamkeit; alternativ z. B. Pantoprazol, ein PPI mit geringer CYP 2C19-Inhibition, einsetzen.
Einfluss von P-gp/ CYP 3A4-Inhibitoren:
Thienopyridin
Prasugrel
Prodrug–
erfordert Aktivierung in der Leber
durch CYP
Irreversible Hemmung des
P2Y12-Rezeptors
Schwacher CYP-2B6-Inhibitor
Ketoconazol: Beeinflusst nicht die Prasugrel (P) vermittelte Thrombozytenaggregationshemmung (IPA).
Man kann davon ausgehen, dass auch andere (nicht untersuchte) Inhibitoren die IPA von P nicht wesentlich
beeinflussen.
Einfluss von P-gp/CYP-3A4-Induktoren:
Rifampicin: Beeinflusst die PK von P nicht wesentlich. Man kann davon ausgehen, dass auch andere (nicht
untersuchte) Induktoren die PK von P nicht wesentlich beeinflussen.
Zusammenfassung/Bewertung:
Insgesamt sind wenige pk AI zu erwarten;
Cave: Medikamente, die ausschließlich über CYP2B6 metabolisiert werden mit geringer therapeutischer
Breite (Bsp.: Cyclophosphamid, Efavirenz) – hier sind klinisch relevante AI möglich.
Einfluss von P-gp/ CYP 3A4-Inhibitoren:
Cyclopentyltriazolopyrimidin
Ticagrelor
Keine Prodrug; Muttersubstanz
wird überwiegend durch CYP3A4
inaktiviert; ein aktiver Metabolit
wird durch CYP3A4 generiert
(ca.30–40 % der Muttersubstanz)
Reversible Hemmung des
P2Y12-Rezeptors
Schwacher Inhibitor von CYP3A4
und P-gp
Ketoconazol: Gleichzeitige Anwendung erhöht die Plasmakonzentration von Ticagrelor (T) wesentlich; es
ist davon auszugehen, dass (auch nicht untersuchte) starke Inhibitoren von CYP3A4 (Tab. 2) die Plasma­
konzentration wesentlich erhöhendeutlich verstärkte IPA
Diltiazem: Gleichzeitige Anwendung erhöht die Plasmakonzentration von T geringfügiggleichzeitige
Anwendung von T und mäßigen CYP3A4-Inhibitoren (Tab. 2) soll mit Vorsicht erfolgen.
Einfluss von P-gp/CYP 3A4-Induktoren:
Rifampicin: Die gleichzeitige Anwendung erniedrigt die Plasmakonzentrationen von T; es ist davon
auszugehen, dass (auch nicht untersuchte) starke Induktoren (Tab. 2) die Plasmakonzentration von T
reduzieren verringerte IPA.
Zusammenfassung/Bewertung:
Die gleichzeitige Anwendung von starken CYP-3A4-Inhibitoren und T ist kontraindiziert; mittelstarke
Inhibitoren und starke Induktoren sind vorsichtig anzuwenden. Gleichzeitige Anwendung von Substanzen,
die P-gp und CYP 3A4 inhibieren, sollte, wenn möglich, vermieden werden. Da T selbst ein leichter Inhibitor
von CYP3A4 und P-gp ist, sollten deren Substrate mit geringer therapeutischer Breite (z. B. Digoxin) nur
unter Vorsicht gemeinsam mit T angewendet werden.
Bewertung pharmakokinetischer Arzneimittelinteraktionen (AI) mit den jeweiligen Thrombozytenaggregationshemmern Prasugrel, Clopidogrel und Ticagrelor;
P=Prasugrel; C=Clopidogrel; T=Ticagrelor; CYP = Cytochrom P450-Enzym; IPA=Inhibition der Plättchenaggregation; AI=Arzneimittelinteraktionen;
PK=Pharmakokinetik; pk=pharmakokinetisch(e); PPI=Protonenpumpeninhibitor.
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400
Schwerpunkt
Auswahl einiger bekannter CYP3A4-/P-gp-Inhibitoren und -Induktoren.
Inhibition
Induktion
CYP3A4
P-gp
CYP3A4
P-gp
Antihypertensiva:
Antihypertensiva:
Glukokortikoide:
Glukokortikoide:
Verapamil
Diltiazem
Verapamil
Diltiazem
Carvedilol
Atorvastatin
Felodipin
Captopril
Losartan
Nifedipin
Talinolol
Telmisartan
Dexamethason
Dexamethason
Antibiotika:
Rifampicin
Antibiotika:
Rifampicin
Virustatika:
Efavirenz
Nevirapin
Ritonavir
Virustatika:
Tipranavir/Ritonavir
Antiarrhythmika:
Amiodaron
Dronedaron
Makrolide:
Telithromycin
Erythromycin
Clarithromycin
Virustatika:
Ritonavir
Indinavir
Saquinavir
Antimykotika:
Ketoconazol
Itraconazol
Posaconazol
Fluconazol
Voriconazol
Antikonvulsiva:
Felbamat
Stiripentol
Antidepressiva:
Fluvoxamin
Antiarrhythmika:
Chinidin
Amiodaron
Dronedaron
Propafenon
Thrombozytenaggregationshemmer:
Dipyridamol
Ticagrelor
Antikonvulsiva:
Carbamazepin
Primidon
Phenytoin
Phenobarbital
Oxcarbazepin
Andere:
Johanniskraut
Modafinil
Rifabutin
Antikonvulsiva:
Carbamazepin
Phenytoin
Phenobarbital
Antidepressiva:
Venlafaxin
Andere:
Johanniskraut
Ciclosporin
Makrolide:
Telithromycin
Erythromycin
Clarithromycin
Antiemetika:
Aprepitant
Virustatika:
Ritonavir
Saquinavir
Telaprevir
Andere:
Ciclosporin
Imatinib
Grapefruitsaft
Antimykotika:
Ketoconazol
Itraconazol
Voriconazol
Andere:
Ciclosporin
Ranolazin
Warfarin
Starker Inhibitor, mäßig-leichter Inhibitor; starker Induktor, mäßig-leichter Induktor; CYP, Cytochrom P450; P-gp,
P-Glykoprotein
Ticagrelor
Ticagrelor, obwohl ebenfalls ein P2Y12-Antagonist, weist einige Besonderheiten gegenüber Clopidogrel und Prasugrel auf. Die Substanz gehört
zu den Cyclopentyltriazolopyrimidinen und inhibiert, anders als die Thienopyridine, den
P2Y12-Rezeptor nur reversibel [20]. Die Substanz wird schnell resorbiert und vorwiegend
über CYP3A4 metabolisiert. Ticagrelor ist selbst
aktiv und keine Prodrug. Allerdings entsteht
nach Metabolisierung über CYP3A4 ein zusätzlicher aktiver Metabolit. Dieser erreicht etwa 30–
40 % der Konzentration der Muttersubstanz und
ist im Vergleich zu dieser äquipotent wirksam
(Abb. 2) [20]. Da die Muttersubstanz selbst folglich für den größten Anteil der Plättchenaggregationshemmung von Ticagrelor verantwortlich
ist, und im Gegensatz zu den Thienopyridinen
Clopido­
grel und Prasugrel keine metabolische
Aktivierung erfordert, sind für Ticagrelor entklinikarzt 2014; 43 (9): 396–402
sprechend andere praktische Konsequenzen
durch Arzneimittelinteraktionen zu erwarten.
CYP3A4: Bei gleichzeitiger Einnahme des starken CYP3A4-Inhibitors Ketoconazol erhöht sich
die Gesamtexposition des Körpers mit Ticagrelor
um das 7,3-fache, bei der Einnahme mittelstarker Inhibitoren (Diltiazem) um das 2,7-fache.
Aus diesem Grund ist die gleichzeitige Einnahme
von Ticagrelor und starken CYP3A4-Inhibitoren
kontraindiziert, während mäßig stark inhibierende Substanzen unter Vorsicht angewendet
werden sollen [21]. Auch von der gleichzeitigen
Applikation starker CYP3A4-Induktoren (Rifampicin, Dexamethason) ist abzuraten, da diese die
Konzentration und Wirksamkeit von Ticagrelor
herabsetzen können [21].
Die gleichzeitige Applikation von CYP3A4-Substraten mit enger therapeutischer Breite und Ticagrelor sollte vermieden werden [21], da Ticagrelor ein leichter Inhibitor von CYP3A4 ist. Unter
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Tab. 2
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Schwerpunkt
Umständen können zu hohe Plasmakonzentrationen dieser Arzneistoffe erreicht werden, welche unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach
sich ziehen.
P-gp: Ticagrelor ist nicht nur Substrat und Inhibitor von CYP3A4, sondern ebenfalls ein Substrat
und leichter Inhibitor von P-gp. Bei der gleichzeitigen Applikation von Ciclosporin (einem potenten CYP3A4 und P-gp-Inhibitor) erhöhen sich die
Plasmakonzentrationen von Ticagrelor bis auf das
2,8-fache, weshalb die gleichzeitige Anwendung
solcher potenter CYP3A4- und / oder P-gp-Inhibitoren vermieden werden sollte [21]. Rifampicin,
als potenter CYP3A4- und P-gp-Induktor, reduziert die Ticagrelorexposition um 86 %. Dies kann
in einer geringeren Inhibition der Plättchenaktivität resultieren. Folglich ist die Einnahme von potenten CYP3A4- und / oder P-gp-Induktoren mit
Ticagrelor nicht zu empfehlen [22].
Auch die simultane Anwendung von Ticagrelor
und P-gp-Substraten mit enger therapeutischer
Breite, wie Digoxin, sollte nur unter Vorsicht erfolgen. So kann die Einnahme von Ticagrelor die Talspiegel des Digoxins im Einzelfall um das 2-fache
erhöhen. Die gemeinsame Verabreichung sollte
daher nur unter angemessener klinischer und
laborchemischer Überwachung der Digoxinspiegel durchgeführt werden [21].
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11
12
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15
16
17
18
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Drug interactions with P2Y12 antagonists – Pharmacokinetic principles and
practical consequences
Pharmacokinetic drug interactions that are mediated by CYP3A4 and/or P-gp,
have an influence within the framework of antithrombotic therapy not only on
the new direct oral anticoagulants but also on the important platelet aggregation inhibitors of the P2Y12 antagonists type. In such cases the here presented
knowledge about their basic principles of action and examples is intended to
provide the clinician with the foundations for rational therapeutic decisions
on the use of the P2Y12 antagonists.
Key words
Drug interactions – P2Y12 antagonists – CYP3A4 – P-gp – antithrombotic therapy – new direct oral anticoagulants (DOAC) – platelet aggregation inhibitors
19
20
21
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Korrespondenz
Tanja Flaig
Institut für Klinische Pharmakologie
und Toxikologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin,
Campus Mitte
Charitéplatz 1
10 117 Berlin
Fax: 030/4507525–112
E-Mail: [email protected]
Autorenerklärung
TF gibt keine Interessenkonflikte an.
RK hat Honorare erhalten für Vortragstätigkeit und
Beratertätigkeit von Bayer Pharma, Berlin-Chemie
Menarini, Bristol-Myers Squibb, Daiichi Sankyo,
Recordati Pharma und Servier.
klinikarzt 2014; 43 (9): 396–402
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