HOR MONMODUL ATION ÜBERSICHT Phytotherapeutika und Hormonmodulation – neue Perspektiven der komplementären Onkologie George Brasch Trotz verbesserter Sicherheit und Verträglichkeit in der konventionellen onkologischen Therapie ist diese noch immer mit großen Belastungen für die Betroffenen verbunden. Der Bedarf nach Ergänzungen oder gar Alternativen ist groß. In der Phytotherapie finden sich dazu vielfältige Ansätze. Selbst einige Vertreter unserer täglichen Nahrungsmittel wie Obst, Getreide oder Früchte enthalten hormonmodulierende Stoffe, welche möglicherweise die Karzinogenese beeinflussen. Autoren-PDF Bei der Entstehung hormonabhängiger Malignome wie dem Mamma-, Endometrium- und Prostatakarzinom liegen die Ursachen nach aktueller Erkenntnis in der Störung hormoneller Signalwege, im entsprechenden Enzymstoffwechsel sowie bei Veränderungen der korrespondierenden Rezeptoren. 106 Die Inzidenz der genannten Entitäten in ostasiatischen Ländern ist im Verhältnis zu westlichen Industrienationen relativ gering. Migrationsstudien zeigen den raschen Anstieg der Fallraten bei Asiaten, nachdem sie in westliche Staaten emigriert sind. Dies ZUSAMMENFASSUNG lässt gewisse Rückschlüsse auf einen Zusammenhang mit veränderten Ernährungsgewohnheiten und Lebensstil zu. Die traditionelle Ernährungsweise in asiatischen Ländern ist sehr vielfältig. Reichlich Fisch, Algen, Meeresfrüchte, Pilze, verschiedenes frisches Obst und Gemüse sowie kurze Garzeiten sind hier alltäglich. Bei Betrachtung gemeinsamer Inhaltsstoffe fallen die Phytoöstrogene auf. Ihre Aufnahme durch die Nahrung moduliert die Steuerung des Hormonstoffwechsels. Besonders entfalten sie ihre Wirkung auf Östrogenrezeptoren, die Enzyme Aromatase und 5α-Reduktase sowie die Stimulation der SHBG-Synthese (sex hormonbinding globulin). Phytoöstrogene, auch selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERM) genannt, haben aber nur strukturelle Ähnlichkeit mit dem menschlichen Östrogen. Sie besitzen jedoch keine steroidale Struktur, können aber interessanterweise sowohl östrogene als auch antiöstrogene Wirkungen aufweisen. Zu den Phytoöstrogenen werden v. a. Vertreter aus den Gruppen der Lignane, Isoflavone und Cumestane gezählt. Im Folgen- Die Möglichkeit, auf hormonabhängige Krebserkrankungen mit hormonaktiven Pflanzeninhaltsstoffen Einfluss zu nehmen oder diese in der Prävention einzusetzen, ist bis dato hauptsächlich in vitro erforscht. Positive Ergebnisse daraus sowie erste kleinere klinische Studien lassen es sinnvoll erscheinen, sich diesen Therapieoptionen intensiver zuzuwenden. Im Speziellen kommt hier die Modulation der Enzyme Aromatase und 5α-Reduktase in Betracht. Wirkstoffseitig beschäftigt sich dieser Artikel u.a. mit Chrysin und Lignanen. Schlüsselwörter Aromatase, 5α-Reduktase, Chrysin, Lignane, Onkologie den wird ein Überblick über die wichtigsten Stoffgruppen sowie eine intensive Betrachtung der Aromatase-Inhibition inklusive einer kurzen Beschreibung dazu einsetzbarer Pflanzen gegeben. Wirkstoffe ➤ Lignane In der präklinischen Untersuchung konnte gezeigt werden, dass Lignane eine ausgesprochen vielfältige Wirkung auf die Entstehung von Krebs haben. Lignane werden im Verdauungstrakt durch Bakterien in die hormonähnlichen Substanzen Enterolakton und Enterodiol umgewandelt. Diese zeigen nach der Resorption über die Verdauungsschleimhaut östrogene Wirkung. Darüber hinaus wirken sie auch auf intrazelluläre Enzyme, Wachstumsfaktoren, maligne Zellproliferation, Differenzierung, die Proteinsynthese und auf die Angiogenese (1). Hohe Konzentrationen von Lignanen finden sich in Leinsamen (370 mg/100 g), Kürbiskernen (21 mg/100 g) und Sesam (2, 3). Auch die Große Klette (Arctium lappa) weist Lignane mit östrogener Wirkung auf (Arctiin und Arctigenin). Sie wirken gegen HIV-1, als Kalzium-Antagonisten, Antagonisten des PAF-Rezeptors und sie inhibieren das Wachstum verschiedener Arten von Tumorzellen (9–12). Enterolaktonspiegel korreliert mit Mortalitätsrisiko Was im Tiermodell zu Enterolaktonen seit Längerem bekannt ist, wurde 2011 im Deutschen Krebsforschungszentrum kli- Brasch G. Phytotherapeutika und Hormonmodulation – neue Perspektiven der komplementären Onkologie Zeitschrift für Phytotherapie 2013; 34: 106 –111 nisch nachgewiesen: Bei Frauen mit postmenopausaler Mamma-Ca.-Manifestation wurde der Serum-Enterolaktonspiegel während einer mittleren Beobachtungszeit von 6 Jahren in Bezug zum klinischen Verlauf gesetzt. Frauen mit einem hohen Enterolaktonspiegel hatten im Vergleich zu jenen mit einem niedrigen Spiegel ein um 40 % geringeres Sterblichkeitsrisiko. Auch im Zusammenhang mit Metastasen und Zweittumoren zeigten sich ähnliche Korrelationen, die allerdings nur bei ER-negativen Tumoren Signifikanz erreichten. Da Lignane als Enterolakton-Lieferanten fungieren, lassen sich neben der Hormonmodulation auch andere antineoplastische Wirkmechanismen vermuten (4). 2005 wurde eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie in Kanada durchgeführt. Sie zeigte, dass durch die tägliche Einnahme von 25 g Leinsamen (z. B. in einem Muffin verbacken) eine Reduktion des Ki-67 labeling-Index (34,2 %; p = 0,001), der c-erbB2-Expression (71 %; p = 0,003) und ein Anstieg der Apoptose (30,7 %; p = 0,007) in der Leinsamen-Gruppe beobachtet werden konnte; die Ergebnisse der Placebo-Gruppe blieben konstant (5). ➤ Isoflavone Die bedeutendsten Phytoöstrogene aus der Gruppe der Isoflavone sind Daidzein, Genistein, Biochanin A, Prunetin, Santal und Iridin. Daizein und das Genistein kommen in größeren Mengen in Sojabohnen bzw. Tofu vor. Ausführliche Betrachtung dazu im Artikel »Soja/Genistein: Eine kontroverse Angelegenheit« im selben Heft. ➤ Flavonoide Flavonoide scheinen generell eine Stoffgruppe zu sein, die auf die Aromatase wirken. Pflanzeninhaltsstoffe wie Naringenin, Apigenin, Chrysin und Hesperetin zeigen bis jetzt das größte Potenzial (59–61). Resveratrol (3,5,4’-Trihydroxy-trans-Stilben) ist ein Phytoalexin, das zu den Polyphenolen zählt. Es kommt in roten Weintrauben und Erdnüssen, hier besonders in deren roter Schale, vor und wird auch zu den Phytohormonen gezählt. Es hat einen nachgewiesen großen Einfluss auf die Karzinogenese. Das Stilben wirkt laut Untersuchungen auf verschiedene Signalwege. Es hat die Fähigkeit, an unterschiedliche Zellsignal- moleküle zu binden, wie z. B. an Topoisomerase II, an DNA-Polymerase, an Östrogenrezeptoren und an der Aromatase (57, 58). ➤ Curcumin Das sehr gut bekannte und als Gewürz genutzte Curcumin wirkt ebenfalls auf die hormonelle Regulation. Curcumin ist Inhaltsstoff des Rhizoms von Curcuma longa, einem Ingwergewächs. Die Wirkmechanismen von Curcumin sind vielfältig und die Studienlage sehr umfangreich. Am Max-Planck-Institut für Psychiatrie konnte im Mausmodell gezeigt werden, dass Curcumin die Produktion von GH, ACTH und Prolaktin inhibieren kann. Es induziert die Apoptose und den Zellzyklusarrest in der G2/M-Phase. Studien in 25 humanen Zelllinien an kultivierten Hypophysenadenomzellen konnten diese Resultate bestätigen. Eine andere Studie mit Mäusen ergab, dass der inhibierende Effekt auf die Aromatase mit dem Aromatasehemmer Letrozol in Kombination mit Curcumin noch verstärkt wird, was die Apoptose von Tumorzellen und eine Hemmung des Tumorwachstums im Endometrium bewirkt. Curcumin verringert die Expression der EGFR im Prostatagewebe. Ebenso reguliert es durch die Hemmung von proinflammatorischen Zytokinen die Entzündungsantwort und wirkt auf den NF-κB-Signalweg (15–18). Autoren-PDF Lowcock et al. zeigten in einer Kohortenstudie eine reziproke Beziehung zwischen Brustkrebsrisiko und der Einnahme von Leinsamen als Lignanquelle (6). Ein weiterer Anwendungsbereich für die Lignane des Leinsamens zeigte sich in der Radioprotektion gegen strahleninduzierte Pneumonie: In einer Studie mit Mäusen kam es zu einer Verringerung der pulmonalen Fibrose, der Zytokinsekretion, der Entzündungen und von Lungenschäden (7, 8). zugelassen. Das Glykosid-Derivat Etoposid, ein zytostatischer Wirkstoff, wird aus Podophyllum pellatum gewonnen. Durch die Hemmung des Enzyms Topoisomerase II kommt es durch Etoposid in Krebszellen zur Apoptose. ÜBERSICHT HOR MONMODUL ATION Wenn auch nicht zur anwendbaren Phytotherapie zählend, sollen die wohl bekanntesten Lignane erwähnt sein: Sie stammen aus einem nordamerikanischen Berberitzengewächs, dem immergrünen Maiapfel, Podophyllum pellatum. Diese seltenen und toxischen Lignane, in kleinen Mengen auch in 13 Juniperus-Arten nachgewiesen (13) und in größeren Mengen als Podophyllotoxin-ähnliche Lignane in Linum tauricum (14), sind als Arzneimittel zur Behandlung von Feigwarzen im äußeren Genitalbereich Abb.1: Linum usitatissimum (Gemeiner Lein, landschaftlich auch Flachs genannt). © George Brasch Exkurs: Podophyllum pellatum Brasch G. Phytotherapeutika und Hormonmodulation – neue Perspektiven der komplementären Onkologie Zeitschrift für Phytotherapie 2013; 34: 106 –111 107 HOR MONMODUL ATION ➤ Lignane ÜBERSICHT Die Lignane Enterodiol und Enterolakton haben in Untersuchungen, wie oben dargestellt, zwar eine starke Wirkung auf die Karzinogenese, aber vergleichsweise eine nur schwach hemmende Wirkung auf die Aromatase (63). © George Brasch ➤ Chrysin Abb. 2: Passiflora incarnata (Passionsblume). Autoren-PDF ➤ Phytosterine 108 Eine andere Stoffgruppe bilden die Phytosterine. Sie werden, wie das β-Sitosterol, auch als Phytosterole bezeichnet. Das Vorkommen von β-Sitosterol im Pflanzenreich ist weitverbreitet. Bekannte Vertreter unter den Heilpflanzen sind die Samen des Kürbis (Curcubita pepo), Prunus africana, das Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium), die Brennesselwurzel (Urtica dioica) und die Früchte der Sägepalme (Serenoa repens) (19–22). Sie alle können zur Behandlung der BPH verwendet werden. Es wird vermutet, dass der Wirkmechanismus des β-Sitosterol über die Hemmung des Enzyms 5α-Reduktase die Bildung von DHT beeinflusst. Weitere pflanzliche 5α-Reduktasehemmer sind der an unseren Flüssen wachsende Impatiens balsamina, ein Neophyt aus Indien, der als Reishi-Pilz bekannte Glänzende Lackporling (Gandoderma lucidum), der Vielblütige Knöterich (Polygonum multiflorum), Hauptquellen zur Resveratrol-Gewinnung, Sophora flavescens aus der Traditionellen Chinesischen Medizin, der Pfeffer (Piper nigrum) und der Lebensbaum (Thuja occidentalis) (23–28). Aromatase-Inhibition Die Aromatase ist neben der 5α-Reduktase ein weiteres entscheidendes Enzym im hormonellen Stoffwechsel. Sie ist das zen- trale Enzym für die Umwandlung von Androgen in Östrogen. Um 1970 wurde festgestellt, dass die Aromatase auch außerhalb der Gonaden und der Nebennieren – nämlich in den Brustdrüsen, Brustkrebszellen sowie im Fettgewebe – exprimiert werden kann. Da Estradiol ein Wachstumsfaktor von Brustkrebszellen sein kann, wird die Inhibition der Aromatase intensiv beforscht. Aromatasehemmer werden in der Onkologie bei Frauen mit Mammakarzinomen in oder nach der Menopause, bei Östrogenoder Progesteron-positivem oder unbekanntem Rezeptorstatus eingesetzt. Bei Frauen vor den Wechseljahren wird in den Ovarien mit 70 % die größte Menge an Östrogen produziert. Wenn dann im Klimakterium die Östrogenproduktion eingestellt wird, sinkt der Östrogenspiegel im Körper stark. Andere Orte wie Fettgewebe, Haut, Leber, Muskel und Nebennieren produzieren aber weiterhin geringe Mengen von Östrogenen. So auch das fettreiche Bindegewebe der Brust. Hier setzt man dann synthetische Aromatasehemmer ein, um hormonabhängigen Mammakarzinomen die Grundlage für ihr Wachstum zu entziehen. Aromatasehemmer bzw. -modulatoren kommen aber auch in der Natur vor. So bilden einige Pflanzen Stoffe, die in Untersuchungen ähnliche Wirkungen zeigen wie künstliche Aromatasehemmer. Chrysin (5,7-Dihydroxyflavon) ist ein natürliches Flavon, welches eine modulierende Wirkung auf die Aromatase hat. Es kommt in vielen Pflanzen und auch in Propolis vor (29). Propolis ist nicht nur entzündungshemmend, antibakteriell, antiviral und gegen Warzen einsetzbar, es zeigte auch gegen verschiedene Krebsarten eine Wirkung (30–36). Zwei wichtige Vertreter Chrysin-haltiger Pflanzen sollen nun beschrieben werden. Passionsblume Der bekannteste und gebräuchlichste Lieferant natürlichen Chrysins ist die Passionsblume, Passiflora incarnata (Abb. 2). Regulär findet P. incarnata Verwendung in der Phytotherapie als Passiflorae herba (Fertigarzneimittel, Tee; meist in Kombinationen). Traditionell angewendet wird die Passionsblume bei nervöser Unruhe und nervösen Störungen, besonders bei Angstzuständen, leichten Depressionen, Einund Durchschlafstörungen, Krämpfen (Epilepsie, Eklampsie), Delirium tremens, Neuralgien, Herzneurosen, Pertussis und Asthma. Ihre Inhaltsstoffe sind Alkaloide (in P. incarnata sind nur Spuren von Harman-Alkaloiden), Flavonoide wie Apigenin und Luteolin, geringe Mengen von cyanogenen Glykosiden und Spuren ätherischen Öls; Saponine fehlen nach neueren Angaben (37–41). Untersuchungen an Mäusen haben gezeigt, dass aus P. incarnata isoliertes Chrysin an Benzodiazepin-Rezeptoren bindet und so eine anxiolytische Wirkung ohne Sedation oder Muskelrelaxation auslöst (42). Helmkraut Das Baikal-Helmkraut (Scutellaria baicalensis) ist eine Pflanze aus der Lippenblütlerfamilie. In der Traditionellen Chinesischen Brasch G. Phytotherapeutika und Hormonmodulation – neue Perspektiven der komplementären Onkologie Zeitschrift für Phytotherapie 2013; 34: 106 –111 HOR MONMODUL ATION Die 3 folgenden Pflanzen sind aus der Behandlung der BPH bekannt, wirken aber allesamt auf die Aromatase und stellen somit möglicherweise auch eine Option in der Behandlung maligner Neoplasien dar. Außerdem zeigen sie günstige Begleiteffekte und werden daher an dieser Stelle mit besprochen. ➤ Brennnesselwurzel Nur wenige der aktiven Komponenten der Brennnesselwurzel konnten bisher identifiziert werden und die Wirkmechanismen sind weitgehend unbekannt. In der Brennnessel (Urtica dioica) wird Chrysin als Pflanzeninhaltsstoff nicht gebildet. Hier gibt es mehrere andere Wirkprinzipien mit unterschiedlichen Wirkstoffen, die zur Hemmung der Aromatase führen. Dabei scheinen die Beeinflussung der Aromatase selbst, des epidermalen Wachstumsfaktors (EDGF) und die Prostata-SteroidMembranrezeptoren an der Wirkung beteiligt zu sein. Flankierend wirken die Polysaccharide offenbar antientzündlich und die Brennnessel-Lektine erwiesen sich als Immunmodulatoren mit antiviralen und fungistatischen Eigenschaften (44–46). könnten auch für die Inhibition der Aromatase verantwortlich sein. Denn nach neueren Untersuchungen werden die Lecithin emulgierenden Delta(5)-Phytosterole und Phytostanole nur in sehr geringen Mengen im Verdauungstrakt resorbiert, was bis jetzt aber als hauptsächliches Wirkprinzip postuliert wurde. Dies konnte in Experimenten in vitro mit dem Extrakt gezeigt werden (47–49). ➤ Epilobium angustifolium Bei Epilobium angustifolium, E. parviflorum, E. hirsutum, die zu den Nachtkerzengewächsen gehören und sowohl die Aromatase als auch die 5α-Reduktase hemmen, vermutet man, dass die hauptsächliche Wirkung über die Ellagitannine Oenothein A und B zustande kommt. In Versuchen mit Oenothein-B-haltigen Extrakten reduzierten diese die PSA-Sekretion und inhibierten die Arginase-Aktivität. Oenothein B zeigte die stärkste Proliferationshemmung bei Prostata-Krebszellen (LNCaP) und wurde bis jetzt in 10 Epilobium-Arten nachgewie- sen. Oenothein B ist auch bekannt dafür, dass es myeloide Zellen aktiviert, die Produktion von IL-1 und anderen Zytokinen anregt und eine antientzündliche Wirkung zeigt, was seine traditionelle Anwendung bestätigt (50–54). ➤ Turnera diffusa Ein alkoholischer Extrakt mit den isolierten Wirkstoffen Pinocembrin und Acacetin konnte in Untersuchungen eine signifikante Senkung der Aromatase-Aktivität hervorrufen. Zusätzlich zeigten die Stoffe Apigenin-7-glukosid, Z-Echinacin und Pinocembrin eine östrogene Beeinflussung. Turnera diffusa, auch bekannt als Damiana, ist bei uns eine recht unbekannte Pflanze in der Phytotherapie, die zur Gattung der Safranmalvengewächse, den Turneraceae, gehört (Abb. 3) . In ihrer Heimat Mexiko wird sie als Hausmittel zur Stärkung der Nerven, bei zerebraler Erschöpfung oder allgemeiner Atonie des Nervensystems, aber auch bei Dysmenorrhö, Prostataleiden, Sterilität infolge mangelnder Libido, Spermatorrhö und als Aphrodisiakum gebraucht. Ein wässriger Extrakt zeigt sogar eine anxiolytische und prosexuelle Wirkung in Mäuseversuchen (55, 56). ÜBERSICHT Medizin ist diese Pflanze unter dem Namen Huang Qin bekannt. Hierzulande erregt sie gerade Aufmerksamkeit durch die intensive Erforschung ihrer Farbstoffe Wogonin und Baicalin als Wirkstoffe gegen Krebserkrankungen. Aus dem Wurzelstock des Helmkrautes konnte neben anderen Flavonen auch eine Chrysinverbindung (Chrysin-7O-glucuronid) isoliert werden (43). ➤ Klee Unser Wiesenklee (Trifolium pratense) aus der Familie der Leguminosen (Abb. 4) zeigt mit seinem Isoflavon Biochanin A ebenfalls eine hemmende Wirkung auf die Aromatase. Biochanin A wirkt des Weiteren als SERM (62). Die Kerne des Ölkürbis (Cucurbita pepo) zeigen neben der Aromatasehemmung auch eine Verringerung der 5α-Reduktase in vitro und in vivo. Ein möglicher Wirkmechanismus des lipidfreien KürbiskernExtrakts EFLA®940 im Zusammenhang mit der Behandlung der BPH Stadien I und II wäre somit in der Inhibition der prostataständigen 5α-Reduktase zu vermuten, was dann zur Wachstumshemmung des Prostatagewebes in vivo führt. Die neuentdeckten Phenolglykoside aus dem Ölkürbis Abb.3: Turnera diffusa (Damiana). © George Brasch Autoren-PDF ➤ Kürbiskerne Brasch G. Phytotherapeutika und Hormonmodulation – neue Perspektiven der komplementären Onkologie Zeitschrift für Phytotherapie 2013; 34: 106 –111 109 © George Brasch ÜBERSICHT HOR MONMODUL ATION Abb. 4: Trifolium pratense (Rot- oder Wiesen-Klee). Fazit Autoren-PDF Betrachtet man das verbreitete Vorkommen der beschriebenen Stoffe und Pflanzen in unserer Nahrung, so wäre allein schon durch gezielte Diätetik ein umfassender Präventionsansatz hormoneller Krebserkrankungen vorstellbar. Mit weiteren klinischen Forschungsergebnissen ließe sich zudem eine gezielte rationale Phytotherapie als Ansatz komplementärer Onkologie einsetzen. Auch die Verträglichkeit der konventionellen Krebstherapie könnte so verbessert werden. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll und wünschenswert, dass die klinische Forschung in der phytotherapeutischen Onkologie deutlich intensiviert wird. 110 Phytotherapeuten haben allerdings auch heute schon die Möglichkeit, ihre Patienten während der Tumortherapie ergänzend zu begleiten. George Brasch Waldeyerstr. 2 10247 Berlin [email protected] Online http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1331494 ■ LITERATUR 1 Adlercreutz H. Phytoestrogens: epidemiology and a possible role in cancer protection. Environ Health Perspect 1995; 103 (Suppl. 7): 103–112 2 Horn-Ross PL, Barnes S, Lee M et al. Assessing phytoestrogen exposure in epidemiologic studies: development of a database (United States). Cancer Causes Control 2000; 11: 289–298 3 Adlercreutz H, Mazur W. 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Nonetheless, the positive results from these first but modest clinical studies make it necessary to consider these treatment options more intensively. Particularly, the modulation of the enzymes aromatase and 5-alpha reductase should be considered. This article also discusses the efficacy of the active substances chrysin and lignans, among others. Key words Aromatase, 5-alpha reductase, chrysin, lignans, oncology Brasch G. Phytotherapeutika und Hormonmodulation – neue Perspektiven der komplementären Onkologie Zeitschrift für Phytotherapie 2013; 34: 106 –111 111