das World Café

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Christine Maurer
Großgruppenmoderation:
das World Café
Entspannt in einem Café sitzen, gute Gespräche führen und gleichzeitig neugierig
sein auf die Gespräche an den anderen Tischen – das ist ein World Café-Erlebnis.
­D iese Workshop-Methode wurde von den US-amerikanischen Unternehmensberatern
Brown und Isaacs entwickelt.
D
as World Café ist geeignet für Gruppengrößen von zwölf bis 2.000 Teilnehmenden. Die
Methode geht davon aus, dass Wissen in der
Organisation und zwischen den Beteiligten existiert.
Menschen sollen daher miteinander in ein konstruktives Gespräch gebracht werden zu Themen,
die für die Teilnehmenden und die Organisation relevant sind. So können in Veränderungsprozessen
möglichst viele Beteiligte zu Wort kommen, mitwirken und sich engagieren. Der Prozess soll sich
selbst entwickeln sowie selbst steuern und damit
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die Selbstorganisation fördern. Die Gespräche finden in einer entspannten Atmosphäre statt. Ziel des
World Cafés ist es, gemeinsames Wissen und den
Leistungsvorteil der Gruppe sichtbar zu machen,
um so neue Perspektiven, Denkweisen und Handlungsoptionen zu entwickeln. Dazu finden intensive Gespräche in kleineren Runden und wechselnden Gruppen statt. Die Ergebnisse der Diskussion
werden auf dem „Tischtuch“ festgehalten oder skizziert. Die Methode profitiert dadurch sowohl von
den kleinen Runden als auch von der Großgruppe.
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Vorgehensweise
Ein World Café dauert etwa 45 Minuten bis drei
Stunden: Die Teilnehmenden sitzen im Raum verteilt an Tischen mit vier bis acht Personen. Die Tische sind mit weißen, beschreibbaren Papiertischdecken und Stiften oder Markern belegt. Ein Facilitator oder Moderator führt zu Beginn in die
Arbeitsweise ein, erläutert den Ablauf und weist
auf die Verhaltensregeln, die Café-Etikette, hin.
Im Verlauf werden zwei oder drei unterschiedliche
Fragen in aufeinander folgenden Gesprächsrunden von 15 bis 30 Minuten an allen Tischen bearbeitet. Zwischen den Gesprächsrunden mischen
sich die Gruppen neu. Nur die Gastgeber bleiben
die ganze Zeit über an einem Tisch: Sie begrüßen
neue Gäste, resümieren kurz das vorhergehende
Gespräch und bringen den Diskurs erneut in Gang.
Das World Café schließt mit einer Reflexionsphase
ab (vgl. wikipedia, Stand 25. Juni 2013).
Planungsgruppe
Auch für diese Methode sollte es eine Planungsgruppe geben. In dieser Steuerungsgruppe sollten
die Zielgruppen des World Cafés, was Funktion
und Rolle betrifft, vertreten sein. Diese Themen
sind in der Planungsphase zu klären:
•Was ist das Ziel des World Cafés? Warum wird
es veranstaltet ?
ist der Anlass des World Cafés? Warum ist
•
das Thema gerade jetzt wichtig?
• Wie soll das Thema für das World Café lauten?
Gibt es einen Untertitel oder ein weiterführendes Motto?
•Welche Fragen sind nützlich für die Café-Runden, damit das Ziel erreicht werden kann?
•Wer sind die geeigneten Teilnehmer für die
Zielerreichung?
•Wer wird der Café-Moderator sein? Gibt es noch
weitere Funktionen, die besetzt werden sollen?
•Was sind geeignete Räume, damit die Kaffeehaus-Atmosphäre entstehen kann?
•Welche Ressourcen stehen für das World Café
zur Verfügung (Menschen, Zeit, Geld etc.)?
Was
Die Planungsgruppe ist vor und nach der Veranstaltung aktiv. Während des World Cafés ist sie im Hintergrund sorgt für eine Umsetzung der Planung.
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Das „Catering“ muss beim World Café passen.
Fragestellungen
Ausschlaggebend für eine gelungene Moderation
sind die Fragen. Diese zu formulieren ist die Aufgabe der Planungsgruppe. Fragen für das World Café
müssen „offene“ Fragen sein. Eine Ja-Nein-Frage
ist nicht für die Diskussion auf der Tischdecke geeignet.
Die Fragen sind die Einladungen für die KaffeeTrinker am Tisch, sich in und auf die Diskussion
einzulassen. Sie sollen also motivieren, Spannung
erzeugen und dabei trotzdem leicht verständlich
sein. Oft werden drei bis vier Runden (also Tischwechsel) durchgeführt. Die Fragen bauen daher oft
aufeinander auf. Die Kunst ist, dass die Fragen der
nächsten Runde sich von der vorigen Runde unterscheiden, um eine weiterführende Diskussion zu
ermöglichen und nicht mit der vorigen Runde zu
mischen. Es kann aber auch die gleiche Frage in
zwei oder drei Runden bearbeitet werden. Was
sinnvoller ist, hängt von der Zielsetzung ab.
Fragen werden attraktiv, wenn sie beispielsweise
ungewöhnliche Wortkombinationen oder -kreationen beinhalten. Fragen sind auch dann attraktiv,
wenn sie den „Punkt“ treffen. Es sollten Fragen
sein, die der Klärung bedürfen und für die Organisation gelöst oder beantwortet werden sollten.
Hilfreich kann es sein, die Fragen in der Planungsgruppe selbst als World Café auszuprobieren.
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Übersicht: Anwendungsbeispiele für die Methode World Café
Anlass/Ziel
Schüler gestalten den Pausenhof
1. Runde
Wie stellen wir uns
eine tolle Pause vor?
Lehrer und Schüler planen eine
Was fehlt uns in der
Projektwoche
Schule an Themen?
Berater kreieren gemeinsam einen Was will unser UmWebauftritt
feld von uns wissen?
Eine Diabetesgruppe bereitet eine Was heißt Diabetes
Präsentation für Angehörige vor
für uns?
Mitarbeiter mehrerer Beratungs- Was geben wir auf?
stellen werden zusammengelegt
2. Runde
Was benötigen wir, um uns
in der Pause zu erholen?
Wie könnte die Projektwoche
das Schulfest bereichern?
Was wollen wir unserem
­Umfeld über uns sagen?
Was bedeutet unsere DiabetesErkrankung für unsere Familien?
Was gewinnen wir?
Beim Gong in die nächste Runde
Wenn alle Gäste eingetroffen sind, gibt es die Begrüßung. Am besten sollte jemand, der für das Ziel
verantwortlich ist, die Begrüßung übernehmen. Einige einführende Worte zum Anlass und zum Ziel
sind wichtig. Im Anschluss sollten der Ablauf erläutert und die Etikette bekannt gegeben werden.
Dann wird die Rolle des Gastgebers/der Gastgeberin eingeführt und diese/r gesucht und gefunden.
Die Fragen des World Cafés werden zum Beginn
mitgeteilt, so dass die Teilnehmenden wissen, was
sie erwartet. Wenn die Fragen aufeinander aufbauen, sollte dies klar kommuniziert werden.
Dann startet die erste Runde mit der ersten Frage. Die Teilnehmenden wählen ihren ersten Tisch
aus, der Gastgeber/die Gastgeberin startet mit Begrüßung und „Wohlfühlen“ und die Diskussion
kann beginnen. Eine Runde kann 15 bis 30 oder 45
Minuten dauern – je nach Fragestellung und Zusammenstellung der Gruppe.
Mit einem Gong oder einem anderen akustischen
Signal wird die erste Runde beendet und der Übergang zur zweiten eingeläutet. Die Teilnehmenden
suchen sich neue Tische und die Gastgeber übernehmen die Aufgabe von Begrüßen und in die Frage einführen. Nun werden von den Gastgebenden
auch kurz und prägnant die Ergebnisse der ersten
Runde zusammengefasst. Das ist besonders bei
aufeinander aufbauenden Fragen wichtig.
Mit einem nächsten Gong wird die zweite Runde
beendet und der Übergang zur dritten Runde kundgetan. Die Teilnehmenden wechseln ein weiteres
Mal an neue Tische und die Gastgeber erfüllen ihre
Aufgaben. An die zweite Runde kann sich eine dritte oder maximal eine vierte anschließen – je nach
Fragestellungen und Zielsetzung.
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3. Runde
Mit was würden wir uns in
der Pause gerne beschäftigen?
Wer könnte mit uns die
­Projektwoche gestalten?
Wie wecken wir Interesse
und Neugier?
Was wünschen wir uns von
unserem Umfeld?
Was brauchen wir, um den
Veränderungsprozess konstruktiv gestalten zu können?
Am Ende des World Cafés kann sich eine Reflexionsrunde anschließen. Was ist mir im Kaffeehaus
begegnet ? Welche Geschichten haben mich berührt ? Gab es neue Erkenntnisse? Was nehme ich
in meinen Alltag mit ? Je nachdem, wie der Transfer
geplant ist, können auch die Ergebnisse gesichtet
werden. Eine „Bildergalerie“ aus allen Tischdecken
kann von allen besichtigt werden, dabei können
Eindrücke in Gesprächen vertieft und ausgetauscht
werden. Die Tischdecken können als Buch oder Datei den Teilnehmern zur Verfügung gestellt werden.
Vielleicht finden die Tischdecken auch als „Muster“
für Tassen, als Dekoration in öffentlichen Bereichen Verwendung.
Am Ende sollte noch kommuniziert werden, was
mit den Ergebnissen passiert und was in der Organisation weiter geschieht. Ein Dank an alle Beteiligten kann dann das Schlusswort sein.
„Kaffeehaus-Atmosphäre“
Gebraucht werden Tische für vier bis sechs, maximal acht Personen mit genügend Abstand dazwischen. Die Tische sollten idealerweise rund sein.
Die Akustik des Raums sollte für viele parallele Gespräche geeignet sein. Auf den Tischdecken liegen
weiße Unterlagen, die beschreibbar sind, und einige Marker. Wichtig ist auch, dass das „Catering“
passt. Kaffee, Tee, Kaltgetränke und eventuell auch
„Plätzchen“ sollten genügend vorhanden und für
die Teilnehmer leicht erreichbar sein.
Die Gastgeber-Rolle ist eine tragende für das
World Café. Er oder sie begrüßt an den Tischen
und achtet darauf, dass die Kerngedanken zusammengefasst und auf der Tischdecke festgehalten
werden. Damit das gelingt, ist die erste Aufgabe
des Gastgebers, dass sich alle wohlfühlen. Dazu ge@ www.bub-agrar.de
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Transfer in die Organisation
Das World Café ist kein Selbstzweck, sondern dient
dazu, Potenzial zu nutzen und die Organisation voranzubringen oder zu verändern. Die Planungsgruppe sollte schon im Vorfeld beraten haben, was mit
den Ergebnissen passiert und wie die Teilnehmenden darüber informiert werden.
Der Gastgeber hat eine tragende Rolle im World Café.
hören keine großen „Dinge“. Wie im privaten Bereich steht das Wohlergehen der Gäste im Vordergrund. Ist jeder mit Kaffee versorgt ? Werden andere Getränke gewünscht ? Kennen sich alle schon?
Oder ist eine kurze Vorstellrunde angebracht ? Ein
offenes und freundliches Klima ist für ein gelungenes World Café die wesentliche Voraussetzung.
Die Gastgeber melden sich selbst, übernehmen
diese Rolle also freiwillig. Aufgabe des Facilitators
oder Moderators ist, die Rolle zu erläutern und die
Gastgeber vorzubereiten. Sinnvoll kann es sein, die
Aufgaben der Gastgeber an den Tischen zu visualisieren.
World Café-Knigge
Ein gelungenes World Café lebt von einer offenen
und freundlichen Kommunikationskultur. Dies zu ermöglichen, ist Aufgabe der Etikette. Als Beispiel hier
die Etikette-Regeln des Tischaufstellers von Neuland
in Kooperation mit den Kommunikationslotsen:
•Lenken Sie Ihren Fokus auf das, was wichtig ist.
•Tragen Sie Ihre eigenen Ansichten und Sicht­
weisen bei.
•Sprechen Sie mit Herz und Verstand.
•Hören Sie genau hin, um wirklich zu verstehen
•Verbinden Sie Ideen miteinander.
•Fokussieren Sie Ihre Aufmerksamkeit auf neue
Erkenntnisse und tiefer gehende Fragen.
• Kritzeln und malen Sie – auf die Tischdecke
­schreiben ist erwünscht!
• Haben Sie Spaß.
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Literatur
●B
rown,
J., Isaacs, D. (2007): Das World Café.
­ reative Zukunftsgestaltung in Organisationen und
K
Gesellschaft, Carl-Auer Verlag, Heidelberg.
●S
cholz, H., Vesper, R., Haussmann, M. (2007):
­Lernlandkarte Nr. 2 – World Café, Neuland GmbH
& Co. KG, Eichenzell.
Weiterführende Links
●w
ww.organisationsberatung.net/tag/world-cafegrossgruppenmoderation/#.UEEWZvWHiSo
●w
ww.neuland.com (hier gibt es vorgefertigtes Material wie Tischdecken und -aufsteller)
Die Autorin
Christine Maurer
Industriefachwirtin, Therapeutin
und Supervisorin, Heppenheim
[email protected]
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