Teil 6: Die hohe Kunst der Arbitrage heisst Relative value

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Investieren in Hedge funds: Das Ausnutzen von Kursanomalien ist eine anspruchsvolle Strategie
(Teil 6)
Die hohe Kunst der Arbitrage heisst Relative value
Von Sascha Graf
Relative-value-Strategien basieren auf Arbitragemöglichkeiten, die vor allem durch
temporäre Falschbewertungen (Anomalien) korrelierender Wertpapiere wie Aktien,
Obligationen oder derivative Produkte entstehen. Manager, die diese Strategien verfolgen,
nutzen solche Kursanomalien aus. Das Ziel ist es, in jedem Marktumfeld profitabel zu sein.
Deshalb wird auch von marktneutralen Anlagen gesprochen.
Die Theorie, die besagt, dass Märkte effizient sind und keine Arbitragemöglichkeit zulassen,
gilt in vielen Fällen nicht. Denn die Marktteilnehmer verfolgen unterschiedliche Ziele. Dies
kann zu Missverhältnissen zwischen einzelnen Instrumenten führen.
Die ursprüngliche Arbitrage, die Preisunterschiede identischer Aktien an verschiedenen
Börsenplätzen zur gleichen Zeit ausgenutzt hat, ist aber durch die kontinuierliche
Globalisierung der Finanzmärkte und die einfache, schnelle und günstige
Informationsbeschaffung
fast
vollständig
eliminiert
worden.
Die
heutigen
Arbitragestrategien sind wesentlich komplizierter, von Aussenstehenden kaum mehr
erkennbar und ohne die Hilfe anspruchsvoller, quantitativer Bewertungsmodelle kaum mehr
zu bewältigen.
Kosten berücksichtigen
Für einen Arbitrageur sollte es indessen keine Rolle spielen, ob die Aktien- oder
Obligationenmärkte in einer Baisse- oder in einer Haussephase sind. Er ist lediglich davon
abhängig, ob sich die Fehlbewertung oder der Spread zwischen zwei Instrumenten weiter
vergrössern oder sich beim so genannten fairen Wert wieder einpendeln. Vergrössert sich der
Spread, kann das zwischenzeitlich zu Verlusten führen, die aber meistens nur Buchverluste
(Marking to market) sind und sich im Zeitablauf grösstenteils korrigieren.
War allerdings die ursprüngliche Analyse der Arbitragemöglichkeit falsch, kann der Verlust
dauernd sein. Arbitrage findet jedoch nur dann statt, wenn der Preisunterschied genügend
gross ist, um die entstehenden Kosten wie Börsengebühren oder Umwandlungskosten zu
decken, damit ein zusätzlicher Gewinn erwirtschaftet werden kann.
Deshalb ist es immer wieder möglich, dass kleinere Falschbewertungen der Arbitrageure
nicht korrigiert werden. Das kann auch für grosse, offensichtliche Preisunterschiede
zutreffen, falls die zu arbitrierenden Wertschriften nicht zur Verfügung stehen. Ein typisches
Beispiel dafür ist, wenn eine Aktie, die für den Leerverkauf benötigt wird, nirgends
auszuleihen ist.
Beispiel Wandelanleihe
Relative-value-Strategien umfassen vier Hauptkategorien: Convertible Arbitrage, AnleiheArbitrage, Statistische Arbitrage und Derivat-Arbitrage. Anhand von Wandelanleihen lassen
sich die Arbitragemöglichkeiten gut aufzeigen. Die hybride Struktur von Wandelanleihen
macht ihre Bewertung schwierig. Einerseits sind solche Anlagevehikel Fixed-income-
Instrumente (Obligationen), andererseits enthalten sie wegen der eingebetteten Option eine
Aktienkomponente.
Falls der Preis, zu dem die Wandelanleihe in eine Aktie umgewandelt werden kann
(Konversionspreis), weit über dem heutigen Börsenkurs der zu Grunde liegenden Aktie liegt,
verhält sich die Wandelanleihe wie eine gewöhnliche Obligation. Nähert sich der Aktienkurs
dem Konversionspreis der Wandelanleihe oder übersteigt ihn, bewegt sich diese immer mehr
mit dem Aktienpreis, und die Obligationenkomponente verliert an Bedeutung.
Marktrisiko wird neutralisiert
Die Kunst besteht darin, diese verschiedenen Komponenten richtig zu bewerten und
demzufolge unterbewertete Wandelanleihen zu kaufen und gleichzeitig eine bestimmte
Anzahl der zu Grunde liegenden Aktien zu verkaufen. Die Summe zu verkaufender Aktien
wird durch die so genannte Hedge ratio oder das Delta bestimmt. Die Grundidee besteht
darin, dass im Fall steigender Aktienkurse mit der Wandelanleihe mehr Geld verdient werden
kann, als mit dem Leerverkauf der Titel verloren geht. Wenn die Valoren fallen, wird mit dem
Short-Verkauf der Titel mehr erwirtschaftet, als mit der Wandelanleihe eingebüsst wird, weil
das Obligationenelement einsetzt und wie eine Versicherung wirkt (Floor der Obligation).
Wird die Arbitrageposition korrekt aufgesetzt, dürfte das Marktrisiko (Beta) sinkender
Aktienmärkte eliminiert werden. Das heisst, das Beta wird neutralisiert, und der Manager
versucht spezifische Renditen durch die Generierung von Alpha zu erzielen. Deshalb ist auch
von marktneutralen Strategien die Rede. Marktneutral wird aber oft missverstanden und
bedeutet nicht, dass sämtliche Risiken ausgeschaltet werden. Die quantitativen
Bewertungsmodelle beruhen auf der Annahme, dass die Renditen normal verteilt und die
Märkte jederzeit liquide sind. Andere Risiken ausser dem Liquiditätsrisiko sind das Kredit-,
das Call-, das Volatilitäts-, das Zins- und das Währungsrisiko und die Anwendung des
Hebeleffekts (Leverage). Einige dieser Risiken lassen sich durch entsprechende Instrumente
absichern, andere sind Bestandteil der Arbitragestrategie und werden bewusst in Kauf
genommen.
Die unterschiedliche Bewirtschaftung und das Erkennen der vielfältigen Risikopalette sind
ein Grund für die grossen Abweichungen der Wertentwicklung unter den Hedge-fundManagern, die im Bereich Relative value operieren. Vertreter dieser Strategie sind
Highbridge und Kensington in den USA. Die beiden Multi-Strategie-Fonds arbeiten derart
erfolgreich, dass sie aus Kapazitätsgründen bis auf weiteres kein Neugeld mehr
entgegennehmen.
Tiefe Volatilität
Die vergangenen acht Monate haben deutlich gezeigt, dass Relative-value-Strategien eine
tiefe Korrelation zu den Aktien- und Obligationenmärkten aufweisen. Deshalb eignet sich
dieser Hedge- fund-Anlagestil als optimales Diversifikationsinstrument für traditionelle
Portfolios. Zur Illustration: Der MSCI-Weltindex erzielte eine Jahresperformance von –2,9%
und war von starken Tagesschwankungen geprägt. Der HFR Convertible Bond (CB) Index
legte demgegenüber 13,4% zu, und das mit 9-mal weniger Volatilität.
Der RMF Relative Value Fund, ein breit diversifizierter Stilfonds, der alle der vier erwähnten
Relative-value-Strategien berücksichtigt, erreichte seit Anfang Jahr eine Rendite von 14,4%.
Über die vergangenen zwölf Monate betrachtet, sind es sogar 19,9%. Die durchschnittliche
Jahresvolatilität beträgt 3,2%. Die erfreuliche Wertentwicklung zeigt, dass auch in
schwierigen Zeiten attraktive Anlagen möglich sind.
Statischer Ertrag
Aus dem Beispiel einer Arbitrage mit Wandelanleihen ergibt sich folgender statischer Ertrag
(Static return):
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Kauf Wandelanleihe: 1000 $
Leerverkauf der Aktie (80% des Obligationenwerts): 800 $
Coupon lO%: 100$
./. Dividende auf Aktien-Leerverkauf: 0 $
Rabatt auf Leerverkauf (7,5% auf 800$): 60$
Statischer Ertrag: 160 $
Statische Rendite: 16%
Transaktions- und Aktienausleihekosten sind in diesem Beispiel nicht berücksichtigt.
Grafiken und Tabellen zu diesem Artikel:
http://www.finanzinfo.ch/upload/archiv/dossiers/artikel/dossier_pdfs/15-grafiken/15-6S27-G1.pdf
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