KVI IM DIALOG | Finanzen JAHRES Jahresabschluss falsch – und nun? Ein Beitrag von Uwe Lezius Auch wenn der Jahresabschlusses gewissenhaft erstellt und geprüft wurde, ist es nicht ausgeschlossen, dass in ihm doch noch ein wesentlicher Fehler enthalten sein kann. Beispielsweise kann ein Tagungshaus sein Gebäude mit einem unzutreffend hohen Wert bilanzieren oder eine Gesellschaft vergisst die Bildung der Pensions- und Beihilferückstellung für den ihr abgeordneten Kirchenbeamten. In solch einem Fall gilt es, richtig zu handeln, ansonsten können sich insbesondere für die Leitung der Einrichtung bzw. die Geschäftsführung der Gesellschaft erhebliche haftungsrechtliche Konsequenzen ergeben. Fehlerhaftigkeit bzw. Nichtigkeit eines Jahresabschlusses Die kaufmännische Rechnungslegung mit dem Ziel einer periodengerechten Gewinnermittlung erfordert im Jahresabschluss eine sachgerechte Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Die dazugehörigen zukunftsbezogenen Prognosen, Schätzungen und Bewertungen können sich im Nachhinein als unrichtig bzw. fehlerhaft herausstellen. Ein Jahresabschluss ist daher immer dann fehlerhaft, wenn bei sachgerechter Prüfung zum Zeitpunkt seiner Erstellung ein Verstoß gegen Bilanzierungsvorschriften erkennbar war. Die folgenden Beispiele verdeutlichen dies. Bilanziert ein Tagungshaus sein Gebäude zum Zeitwert und nicht zu den fortgeführten, sprich zeitanteilig durch Abschreibungen geminderten, Anschaffungskosten, ist ein Vermögensgegenstand überbewertet. Ebenso ist es schon vorgekommen, dass 6 Uwe Lezius ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwalt der CURACON GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Als Leiter des Ressorts öffentliche Unternehmen und Verwaltungen hat er umfangreiche Erfahrung in der Umstellung von kameralen Rechnungslegungen auf die doppelte Buchführung bei Kommunen, Kammern und Organisationen. ein auf einem Erbbaugrundstück errichtetes Gebäude in Unkenntnis der Vertragslage fälschlich mit dem Grundstück bilanziert wurde, obwohl diese rechtlich und wirtschaftlich dem Erbbaurechtsgewährenden gehört. Ein Fehler im Bereich der Schulden kann beispielsweise entstehen, wenn ein Tagungshaus, in dem auch ein Kirchenbeamter tätig ist, für dessen künftige Pensions- und Beihilfeansprüche keine anteilige Rückstellung bildet. Diese ermitteln sich nach § 107b BeamtVG und den entsprechenden Nachfolgeregelungen und finden grundsätzlich auch im kirchlichen Beamtenrecht entsprechende Anwendung. Dann fehlt eine Schuld in der Bilanz und die Vermögenslage wird ebenso wie bei dem zu wertvoll bilanzierten Gebäude oder dem fälschlich mitbilanzierten Grundstück zu positiv dargestellt. Wichtig ist dabei, dass nicht jeder kleine Fehler gleich zur Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses führt. Wesentlich ist ein Fehler, wenn er das Verständnis eines neutralen Bilanzlesers über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft bzw. der Einrichtung verändert. Die Wesentlichkeit wird in der Regel durch prozentuale Kennzahlen, insbesondere bezogen auf die Bilanzsumme, den Jahresüberschuss und das Eigenkapital, ermittelt. Sie ist daher immer einzelfallbezogen und muss anhand der konkreten Ausgangslage berechnet werden. Ebenso wie unbedeutende Fehler nicht relevant sind, kann umgekehrt ein festgestellter Jahresabschluss nicht nur fehlerhaft, sondern sogar nichtig, dies bedeutet nicht existent, sein, wenn er entgegen den gesetzlichen Vorschriften kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz-, und Ertragslage vermittelt oder er gegen sonstige gesetzliche Vorschriften verstößt. Dabei ist bei der Aufstellung eines Jahresabschlusses stets die aktuelle Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen und deren Anwendung im Rahmen der Bilanzierung von Vermögensgegenständen pflichtgemäß und gewissenhaft zu prüfen. Mängel können sich dabei sowohl materiell auf den Ansatz, den Ausweis und die Bewertung einzelner Posten in der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) sowie formell auf die Gliederung der Bilanz oder GuV oder wesentliche fehlende bzw. falsche Angaben im Anhang beziehen. Davon zu unterscheiden sind spätere Erkenntnisse in nachfolgenden Geschäftsjahren, die eine Rückwärtsänderung früherer Abschlüsse nicht erfordern bzw. Mängel, die nicht zur Nichtigkeit www.kviid.de Änderung bzw. Korrektur eines Jahresabschlusses Die Änderung eines Jahresabschlusses ist grundsätzlich zulässig, wenn wichtige rechtliche, wirtschaftliche oder steuerrechtliche Gründe hierfür vorliegen. Als Änderung oder Korrektur eines Jahresabschlusses wird dabei jede Änderung von Form und Inhalt eines geprüften Jahresabschlusses angesehen. Die Änderung kann dabei einzelne Posten der Bilanz sowie der GuV betreffen oder sich auf Angaben im Anhang einschließlich der verbalen Erläuterungen beziehen. Eine Änderung liegt bereits dann vor, wenn die zugrundeliegende Buchführung hinsichtlich einzelner Vermögensgegenstände oder Schulden geändert wird, ohne dass sich daraus materielle Auswirkungen auf die Bilanz oder die GuV ergeben, weil positive und negative Änderungen innerhalb eines Bilanzpostens vorgenommen werden. Fehlerhafte Jahresabschlüsse können jederzeit geändert werden, da die Fehlerbeseitigung ein ausreichender Änderungsgrund ist. Ist der Fehler so wesentlich, dass der Jahresabschluss nichtig ist, muss KVIID | 03-2013 Abb.: colourbox ABSCHLUSS führen und in laufender Rechnung korrigiert werden können. Hierzu zählt beispielsweise die nicht zu vermutende Insolvenz eines Kunden nach Jahresabschlusserstellung. Diese nachträgliche Erkenntnis hat keine Rückwirkung auf die schon erfolgte Bewertung der Forderung zum Bilanzierungsstichtag und stellt damit keinen Fehler dar. Ebenso führt die Entdeckung eines bisher versteckten Mangels an einem Gebäude nicht zu einer Fehlerhaftigkeit zuvor festgestellter Jahresabschlüsse. Gleiches gilt z. B. auch für neu erteilte ordnungsrechtliche Bescheide, die einem Tagungshaus zusätzliche Auflagen für die Nutzung oder im Brandschutz erteilen. Auch ein gewissenhaft erstellter Jahresabschluss kann Fehler beinhalten. Diese können jedoch korrigiert werden. der nichtige Jahresabschluss durch einen ordnungsgemäßen Jahresabschluss ersetzt werden. Die Vornahme der Änderungen kann bis zum Zeitpunkt des Feststellungsbeschlusses bzw. bis zur Unterzeichnung durch die gesetzlichen Vertreter jederzeit ohne weiteres erfolgen. Sofern der Zeitpunkt der Änderung zwischen der Vorlage des Prüfungsberichtes und der Feststellung des Jahresabschlusses liegt oder gar erst nach dessen Feststellung, löst eine Änderung des Jahresabschlusses die Pflicht zur Nachprüfung der Änderung gemäß § 316 Abs. 3 HGB aus. Ist ein Fehler über mehrere Geschäftsjahre nicht bemerkt worden – das Tagungshaus war schon immer überbewertet, das Erbbaugrundstück von Anfang an fälschlicherweise bilanziert, der Kirchenbeamte arbeitet schon seit Jahren für die Einrichtung – erfordert der Grundsatz der Bilanzverknüpfung die Änderung aller Jahresabschlüsse. Dies gilt auch für bereits festgestellte, da eine Rückwärtsänderung unter Durchbrechung des Bilanzzusammenhangs einen Verstoß gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB darstellt und damit handelsrechtlich unzulässig ist. Der Zeithorizont der Rückwärtsänderung ist dabei unbegrenzt. Haftungsrechtliche onen Implikati- Aus haftungsrechtlicher Sicht stellt sich insbesondere für Geschäftsführer, Leiter der betroffenen Einrichtung etc. die Frage, mit welchen Konsequenzen sie persönlich rechnen müssen, sofern sie fehlerhafte Abschlüsse nicht ändern bzw. nichtige Jahresabschlüsse nicht durch ordnungsgemäße ersetzen. Gemäß § 43 GmbHG hat der Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden. Sofern er dabei seine Obliegenheiten verletzt, haftet er für den der Gesellschaft entstandenen Schaden. Die Verletzung von Obliegenheiten trifft insbesondere auf eine unterlassene Änderung oder NichtErsetzung eines fehlerhaften oder nichtigen Jahresabschlusses zu, da die Untätigkeit einen Gesetzesverstoß darstellt. Bei sachgerechter Prüfung eines fehlerhaften oder nichtigen Jahresabschlusses hät- 7 KVI IM DIALOG | Finanzen FALSCH te der Geschäftsführer Verstöße gegen handels- und steuerrechtliche Bilanzierungsvorschriften erkennen können und ist daher der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig. Für die Bemessung eines Schadens gelten grundsätzlich die §§ 249 ff. BGB, so dass ein Schaden immer dann vorliegt, wenn eine Minderung des Gesellschaftsvermögens eingetreten ist, ohne dass diese durch einen damit im Zusammenhang stehenden Vermögenszuwachs mindestens ausgeglichen ist. Beispielhaft sei eine unterlassene Rückwärtsänderung genannt, die ein niedrigeres Ergebnis im aktuellen Jahresabschluss zur Folge hätte und so zu einer zu hohen Ausschüttung der Gesellschaft an die Gesellschafter führt, womit das Gesellschaftsvermögen übermäßig gemindert ist. Im Außenverhältnis ergeben sich haftungsrechtlich relevante Verstöße regelmäßig aus der Gefährdungshaftung der Geschäftsführung und aus Verstößen gegenüber dem Insolvenzrecht sowie steuerund sozialrechtlichen Vorschriften. Im Fall der Gefährdungshaftung reicht bereits die Vornahme einer Handlung aus, die generell geeignet ist, einen Dritten zu schädigen. Hierzu zählt auch die unterlassene Änderung oder Nicht-Ersetzung eines fehlerhaften oder nichtigen Jahresabschlusses, beispielsweise wenn ein Gläubiger einer Gesellschaft ein Darlehen gibt oder Waren auf Ziel liefert, was er nicht getan hätte, wenn er über die tatsächliche Geschäftslage informiert gewesen wäre. Dies gilt auch für Unterstützungsleistungen der Gesellschafter, die diese nicht mehr erbracht hätten, wäre ihnen bekannt gewesen, wie schlecht die Lage der Einrichtung tatsächlich war. Dabei muss sich die Schadensersatzpflicht nicht einmal bei Ausfall des Engage- 8 ments einstellen, sondern kann sich bereits auch auf entgangene Zinserlöse beziehen. Aus insolvenzrechtlicher Sicht ist ein Geschäftsführer dann haftbar, wenn er aufgrund einer fehlerhaften Bilanzierung die Insolvenzreife zu spät, d. h. außerhalb der Dreiwochenfrist, festgestellt. Dies ist aus Haftungssicht immer dann bedenklich, wenn durch eine nachträgliche Änderung eines fehlerhaften Jahresabschlusses die Insolvenzreife der Gesellschaft schon zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten wäre. In diesem Fall ist der Geschäftsführer immer gegenüber der Gesellschaft gemäß § 64 GmbHG auch für die Zahlungen haftbar, die er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung veranlasst hat, sofern diese Zahlungen nach diesem Zeitpunkt nicht mit der Sorgfalt eines ordnungsgemäß handelnden Geschäftsmannes vereinbar sind. Auch der Fiskus kann einen Geschäftsführer wegen nicht oder zu niedriger gezahlter Steuern in Haftung nehmen, da ein Geschäftsführer gem. § 69 AO für nicht entrichtete Steuern und gem. § 70 AO für hinterzogene Steuern persönlich haftet. Diese Haftung begründet sich darauf, dass der Geschäftsführer als gesetzlicher Vertreter verpflichtet ist, die Steuererklärungen für die Gesellschaft abzugeben und die fälligen Steuern aus Mitteln der Gesellschaft zu entrichten. Im Fall der Unterlassung von Änderung oder Nicht-Ersetzung eines fehlerhaften oder nichtigen Jahresabschlusses ist auch die von der Handelsbilanz abgeleitete Steuerbilanz fehlerhaft oder nichtig. Damit kann die Steuerlast nicht korrekt ermittelt werden. Entsteht der Steuerverwaltung hieraus ein Schaden, hat die Ge- schäftsführung diesen zu ersetzen. Dies gilt nicht nur für die Fälle, in denen eine Einrichtung in der Rechtsform der GmbH geführt wird, sondern ist auch zu beachten, wenn sie beispielsweise als Teil einer kirchlichen Organisation einen sogenannten Betrieb gewerblicher Art darstellt. Dieser wird steuerlich ebenso wie eine GmbH dem Ertragsteuerrecht unterworfen, mit der Folge, dass eine falsche Steuerdeklaration für die Leitung eines rechtlich nicht selbständigen Tagungshauses zu identischen Konsequenzen führen kann, wie für den Geschäftsführer einer GmbH. Fazit Korrekte Rechnungslegung und richtige Jahresabschlusserstellung sind nicht Selbstzweck oder lästiges notwendiges Übel und unvermeidbare Pflicht. Sie sind vielmehr insbesondere auch ein Schutz für die Leitung einer Einrichtung und Geschäftsführung einer Gesellschaft gegen Regressansprüche. Ist in einen Jahresabschluss trotz der Erstellung nach besten Wissen und Gewissen ein Fehler eingearbeitet worden – irren ist schließlich menschlich – ist man gut beraten, diesen umgehend und vollständig zu beseitigen. Die Verpflichtung trifft dabei jedes Mitglied der Leitung einer Einrichtung bzw. jeden Geschäftsführer einer Gesellschaft gleichermaßen, auch wenn er oder sie nach der Geschäftsverteilung nicht für Finanzen und Jahresabschluss zuständig ist. Eine Geschäftsordnung wirkt nur nach innen, hat aber für die Verantwortlichkeit nach außen und damit für die Haftung im Regressfall keine exkulpierende Wirkung – die Haftung trifft immer alle gleichermaßen und unbegrenzt. www.kviid.de