Über den Mechanismus der NADH:Ubichinon

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Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Fakultät für Chemie, Pharmazie und Geowissenschaften
Über den Mechanismus der
NADH:Ubichinon Oxidoreduktase
aus Escherichia coli
INAUGURALDISSERTATION
vorgelegt von
Diplom-Chemiker
Stefan Stolpe
Freiburg im Breisgau, Februar 2007
Vorsitzender des Promotionsausschusses:
Referent:
Korreferent:
Tag der Verkündigung des Prüfungsergebnisses:
Prof. Dr. Georg Schulz
Prof. Dr. Thorsten Friedrich
Prof. Dr. Peter Gräber
26.04.2007
Ein Teil der in dieser Arbeit vorgestellten Ergebnisse wurde in folgenden
Artikeln veröffentlicht:
Stolpe, S. und Friedrich, T. (2004) The Escherichia coli NADH:ubiquinone
oxidoreductase (complex I) is a primary proton pump but may be capable
of secondary sodium antiport. J. Biol. Chem. 279, 18377-18383.
Hellwig, P., Stolpe, S. und Friedrich, T. (2004) Fourier transform infrared
spectroscopic study on the conformational reorganization in Escherichia
coli complex I due to the redox-driven proton translocation. Biopolymers
74, 69-72.
Flemming, D., Stolpe, S., Schneider, D., Hellwig, P. und Friedrich, T. (2005) A
possible role for iron-sulfur cluster N2 in proton translocation by the
NADH:ubiquinone
oxidoreductase
(complex I). J. Mol. Microbiol.
Biotechnol. 10, 208-222.
Friedrich, T., Stolpe, S., Schneider, D., Barquera, B. und Hellwig P. (2005) Iontranslocation by the Escherichia coli NADH:ubiquinone oxidoreductase
(complex I). Biochem. Soc. Trans. 33, 836-839.
Hielscher, R., Wenz, T., Stolpe, S., Hunte, C., Friedrich, T. und Hellwig, P. (2006)
Monitoring redox dependent contribution of lipids in FTIR difference
spectra of complex I from Escherichia coli. Biopolymers 82, 291-294.
Folgende Artikel sind eingereicht:
Pohl, T., Bauer, T., Dörner, K., Stolpe, S., Sell, P., Zocher, G. und Friedrich, T.
EPR-spectroscopic detection of iron-sulfur cluster N7 in the Escherichia coli
NADH:ubiquinone oxidoreductase (complex I). The cluster is essential for
stability but not for activity. Biochemistry
Pohl*, T., Walter*, J., Stolpe, S., Defeu Soufo, J.D., Grauman, P.L. und Friedrich,
T. Effects of the deletion of the Escherichia coli frataxin homologue CyaY
on the respiratory NADH:ubiquinone oxidoreductase. BMC Biochem.
Stolpe, S., Mattay, D., Schneider, D., Kaufenstein, M., Hellwig, P. und Friedrich,
T.
Effects
of
phospholipids
on
the
isolated
Escherichia coli
NADH:ubiquinone oxidoreductase (complex I). FEBS J.
Schneider*, D., Stolpe*, S., Blaum, B., Keiper, S., Spehr, V., Hoffmann, J.,
Hellwig, P., Böttcher, B. und Friedrich, T. NADH induces long-range
conformational changes enabling binding of ubiquinone in respiratory
complex I. EMBO J.
(*gleichberechtigte Autoren)
"Wirklich ist alles,
was messbar ist."
(Max Planck)
Inhaltsverzeichnis
1. Zusammenfassung
1
2. Einleitung
2.1 Der Komplex I aus Escherichia coli
4
2.2 Der Elekronentransfer
8
2.3 Die Ionentranslokation
12
2.4 Einfluss von Phospholipiden auf den Komplex I
18
2.5 Thema dieser Arbeit
21
3. Material und Methoden
3.1 Isolierung von Komplex I aus E. coli
3.1.1 Standardpräparation
22
3.1.2 Variationen der Präparation
24
3.2 Aktivitätsmessungen
3.2.1 (d-)NAD(P)H Oxidaseaktivität
28
3.2.2 NAD(P)H/Ferricyanid Oxidoreduktaseaktivität
29
3.2.3 NAD(P)H:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität
30
3.3 Rekonstitution des isolierten Komplex I in Proteoliposomen
3.4 Szintillationsmessungen mit
22
Na+ an Proteoliposomen
34
35
3.5 Spektroskopische Methoden
3.5.1 Fluoreszenzspektroskopie an Komplex I-Proteoliposomen
36
3.5.2 Fourier-transformierte Infrarot (FTIR)-Differenzspektroskopie
38
3.5.3 Elektronenspinresonanz (ESR)-Spektroskopie
40
3.5.4 Circulardichroismus (CD)-Spektroskopie
42
3.6 Verschiedene analytische Methoden
42
4. Ergebnisse
4.1 Isolierung des Komplex I aus E. coli
4.1.1 Standardpräparation
45
4.1.2 Variationen der Präparation
47
4.2 Einfluss von Phospholipiden auf den E. coli Komplex I
4.2.1 Einfluss von Lipiden auf die Inhibition durch Ubichinon
50
4.2.2 Einfluss von Lipiden auf die Affinität zu Piericidin A
51
4.2.3 Titration der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität
des Komplex I mit Lipiden
51
4.2.4 Einfluss von Lipiden auf das FTIR-Differenzspektrum
des Komplex I
56
4.2.5 Einfluss von Lipiden auf das ESR-Spektrum des Komplex I
57
4.3 Die Reaktivität des E. coli Komplex I mit NAD(P)H
4.3.1 Die (d-)NAD(P)H Oxidaseaktivität der E. coli CytoplasmaMembranen
59
4.3.2 Die NAD(P)H:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität
des Komplex I
60
4.3.3 Die NAD(P)H-induzierte Protonentranslokation
des Komplex I
61
4.3.4 Die Reduzierbarkeit des Komplex I durch NAD(P)H
62
4.3.5 NAD(P)H-induzierte konformative Änderungen
des Komplex I
67
4.3.6 Die Nukleotidspezifität des NADH Dehydrogenase-Moduls
des Komplex I
68
4.4 Die mit der Redox-Reaktion des Komplex I gekoppelte
Ionentranslokation
4.4.1 Die Abhängigkeit der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I von der Na+-Konzentration
69
4.4.2 Die Abhängigkeit der Hemmung des Komplex I von der
Na+-Konzentration
70
4.4.3 Nachweis des mit der Redox-Reaktion des Komplex I
gekoppelten Membranpotentials
72
4.4.4 Nachweis der mit der Redox-Reaktion des Komplex I
gekoppelten Protonentranslokation
73
4.4.5 Szintillationsmessungen mit
Proteoliposomen
22
Na+ an Komplex I-
78
4.4.6 FTIR-Differenzspektren des Komplex I in Gegenwart von
Na+- und K+-Ionen
78
4.4.7 FTIR-Differenzspektren des Komplex I in Gegenwart
verschiedener Protonenkonzentrationen
80
5. Diskussion
5.1 Der Einfluss von Phospholipiden auf den Komplex I
82
5.2 Die Ionentranslokation des Komplex I
85
5.3 Aussagen zum Mechanismus des Komplex I anhand der
Wirkung verschiedener Hemmstoffe
88
5.4 Die Substratspezifität des Komplex I
92
6. Literatur
97
1. Zusammenfassung
___________________________________________________________________________
1.
Zusammenfassung
Die NADH:Ubichinon Oxidoreduktase, der so genannte Atmungsketten-
Komplex I, koppelt die Elektronenübertragung von NADH auf Ubichinon mit der
Translokation von Ionen über die Membran und trägt somit zum Aufbau eines
elektrochemischen Gradienten über die Membran bei. Der Komplex I aus dem
Bakterium
Escherichia coli
ist
aus
13
verschiedenen
Proteinuntereinheiten
aufgebaut und besitzt eine molekulare Masse von 535 kDa. Als Redox-Gruppen
für
den
Elektronentransfer
dienen
ein
Flavinmononukleotid
und
neun
Eisen-Schwefel Zentren. Wie die Redox-Reaktion mit der Ionentranslokation
gekoppelt ist, ist bislang unbekannt. Es wird sowohl eine direkte, als auch eine
indirekte Kopplung sowie eine Kombination beider Möglichkeiten diskutiert.
Darüber hinaus wird diskutiert, dass der E. coli Komplex I Na+-Ionen an Stelle
von Protonen transloziert.
Im Rahmen dieser Arbeit sollte eine neue Präpararationsmethode für den
E. coli Komplex I entwickelt werden, bei der auf den Einsatz des bisher
verwendeten chaotropen Salzes Natriumbromid verzichtet werden sollte. Die
Präparation sollte charakterisiert und der Einfluss von Phospholipiden auf diese
Präparation untersucht werden. Es sollte festgestellt werden, ob die Präparation
in der Lage ist, Natriumionen zu translozieren und ob konformative Änderungen
während der Redoxreaktion auftreten.
Der Komplex I wurde aus dem Überproduzenten ANN003/pAR1219 durch
Anionenaustausch-Chromatographie an Fractogel EMD TMAE Hicap (M), eine
zweite
Anionenaustausch-Chromatographie
an
Source 15Q
und
Grössen-
ausschluss-Chromatographie an Sephacryl S-300 HR an Hand einer Abschätzung
nach SDS-PAGE in einer etwa 95 %igen Reinheit gewonnen. Die Präparation
katalysierte den Hemmstoff-sensitiven Elektronentransfer von NADH auf DecylUbichinon und eine Protonentranslokation über die Membran. Nach SDS-PAGE
wurden die 13 Untereinheiten des Komplexes nachgewiesen und die Kofaktoren
ESR-spektroskopisch charakterisiert.
-1-
1. Zusammenfassung
___________________________________________________________________________
Im
Verlauf
der
Präparation
sank
die
physiologische
Aktivität
des
Komplexes. Der Grund dafür ist wahrscheinlich eine Delipidierung des Enzyms
durch das Detergenz. Es zeigte sich, dass die Präparation durch Zugabe
verschiedener Lipide und Lipidgemische reaktiviert wurde, wobei endogene
Lipidgemische die grösste Aktivierung bewirkten. Dies deutet auf spezifische
Wechselwirkungen der Phospholipide mit dem Enzym hin. Die Affinität zu DecylUbichinon und Piericidin A, einem Hemmstoff der Chinon-Bindestelle, wurden
ebenso wie die ESR-Signale der Eisen-Schwefel Zentren des Komplex I durch die
Zugabe von Phospholipiden nicht verändert. Diese Zugabe veränderte allerdings
die Redox-induzierten FTIR-Differenzspektren der Präparation, was auf eine
spezifische Bindung der Lipide an den Komplex I hindeutet. Die Phospholipide
aktivieren
daher
den
Komplex I
direkt,
möglicherweise
indem
sie
seine
konformative Beweglichkeit erhöhen oder ermöglichen.
Die NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität der Präparation war
unabhängig von der Natriumionen-Konzentration des Puffers. Verschiedene
Hemmstoffe, von denen angenommen wurde, dass sie möglicherweise die
Ionentranslokation blockieren, blockieren den Elektronentransfer unabhängig von
der
Natriumionen-Konzentration
des
Puffers.
Redox-induzierte
FTIR-
Differenzspektren der NADH:Chinon Reduktase aus Vibrio cholerae, die als
primäre
Natriumionen-Pumpe
arbeitet,
zeigten
deutliche
Unterschiede
in
Abhängigkeit von der Natriumionen-Konzentration. Diese Unterschiede wurden
mit dem E. coli Komplex I nicht gefunden. Somit wurde kein Hinweis auf eine
mögliche Translokation von Natriumionen erhalten. Der isolierte Komplex I wurde
in Phospholipide rekonstituiert und das durch die Redox-Reaktion über die
Proteoliposomen-Membran
aufgebaute
Potential
durch
ein
Fluorophor
nachgewiesen. Das Fluoreszenz-Signal war sensitiv gegenüber einem ProtonenEntkoppler und insensitiv gegenüber einem Natriumionen-Entkoppler. Mit dem
Fluorophor ACMA, dessen Fluoreszenz die Ausbildung eines pH-Gradienten über
die Membran anzeigt, wurde die Protonentranslokation direkt nachgewiesen. Ein
Natriumionen-Gradient über die Membran beeinflusste die Amplitude des Redoxinduzierten pH-Gradienten, was auf einen sekundären Na+/H+-Antiport hindeutet.
-2-
1. Zusammenfassung
___________________________________________________________________________
In der Literatur wurde beschrieben, dass die Zugabe von NADH und
NADPH in einem veränderten Quervernetzungsmuster der Untereinheiten des
Komplex I resultiert. Ergebnisse unserer Arbeitsgruppe haben gezeigt, dass die
Zugabe von NADPH nicht zu konformativen Änderungen des Komplexes führen.
Es stellte sich daher die Frage, ob NADPH ein Substrat des Komplex I ist.
Enzymkinetische Messungen zeigten, dass der KM des Komplex I zu NADPH etwa
150-fach höher ist als zu NADH. Die Aktivität des Enzyms mit Decyl-Ubichinon
als Elektronenakzeptor war mit NADPH als Elektronendonor etwa achtfach
langsamer als mit NADH. Zudem ist die Reaktion mit NADPH nicht Hemmstoffsensitiv und nicht mit einer Protonontranslokation gekoppelt. Zwar wurden die
Eisen-Schwefel Zentren des Komplex I durch NADPH im gleichen Maß reduziert
wie mit NADH, aber die Elektronen gelangten nicht an der physiologischen
Bindestelle auf das Chinon. Stattdessen gelangten sie zumindest teilweise auf
Sauerstoff, was zur Bildung von Superoxid-Radikalen führte. Anscheinend
induziert die Bindung von NADH, nicht jedoch von NADPH im E. coli Komplex I
eine Konformationsänderung, die für die Bindung des Chinons notwendig ist.
Diese Annahme wurde durch Circulardichroismus-Spektren unterstützt, die
zeigten, dass zwar NADH die Konformation des Komplexes verändert, aber nicht
NADPH. ESR-Spektren zeigten, dass eine durch NADH reduzierte Komplex IProbe schneller von Decyl-Ubichinon reoxidiert wird, als eine durch NADPH
reduzierte Probe.
-3-
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
2.
Einleitung
2.1 Der Komplex I aus Escherichia coli
Die aerobe Atmungskette des Gram-negativen, fakultativ anaeroben
Darmbakteriums
Escherichia coli
besteht
im
Wesentlichen
aus
zwei
membranständigen Dehydrogenasen, den NADH Dehydrogenasen (NDH) I und
II, und zwei Oxidasen, den Chinol Oxidasen bo und bd (Abb. 2-1; Yagi et al.,
1998). Die Dehydrogenasen übertragen Elektronen von der reduzierten Form des
Nicotinamidadenindinukleotids (NADH) auf Chinone, die durch die Oxidasen unter
Reduktion von Sauerstoff reoxidiert werden (Unden, 1988; Wissenbach et al.,
1990). Bei diesem Prozess tragen alle Enzymkomplexe mit Ausnahme der
NADH Dehydrogenase II durch eine Translokation von Protonen zur Ausbildung
eines Membranpotentials bei (Calhoun et al., 1993). Die NADH Dehydrogenase II
ist kein Energie-wandelndes Enzym und trägt deshalb nicht zu dem Aufbau des
Membranpotentials bei. Es wird als "Überdruck-Ventil" zum Abbau eines NADHÜberschusses angesehen. Das durch die Atmungskettenkomplexe gebildete
Potential wird unter anderem für die ATP-Synthese und Transportprozesse
genutzt (Mitchell, 1961; Ingledew und Poole, 1984; Neijssel und Teixeira de
Mattos, 1994; Rich, 2003).
NDH I
boKomplex
(2 H+/e)
(2 H+/e)
NADH
Q
O2
bdKomplex
(1 H+/e)
NDH II
Abb. 2-1; Schematische Darstellung des aeroben Elektronentransport-Systems in E. coli.
Die
Energiebilanz
der
energiewandelnden
Enzymkomplexe
NADH:Ubichinon
Oxidoreduktase (NDH I), Chinol bo Oxidase (bo-Komplex) und Chinol bd Oxidase (bdKomplex) sind in Klammern angegeben. Die Pfeile zeigen in Richtung des
Elektronenflusses. Q bezeichnet den Elektronenüberträger Ubichinon.
-4-
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
Die
NDH I
NADH:Ubichinon
wird
aufgrund
Oxidoreduktase
ihrer
auch
Homolgie
zur
respiratorischer
mitochondrialen
Komplex I
genannt.
Komplex I koppelt den reversiblen Transfer von zwei Elektronen des NADH auf
Ubichinon (Q) mit einer Translokation von vier Protonen über die Membran
(Friedrich, 2001). Die Reaktionsgleichung hierfür lautet:
NADH + Q + 5 H+(innen)
NAD+ + QH2 + 4 H+(aussen)
Generell ist der bakterielle Komplex I aus 14 verschiedenen Untereinheiten
aufgebaut, die mit NuoA bis N (von NADH:Ubichinon Oxidoreduktase) bezeichnet
werden. Jedoch besteht der Komplex I aus E. coli durch die Fusion der Gene
nuoC und nuoD aus 13 Untereinheiten, die zusammen eine molekulare Masse
von etwa 535 kDa ergeben (Friedrich et al., 1995; Yagi et al., 1998; Friedrich
und
Scheide,
2000).
In
der
Präparation
des
Komplexes
aus
Thermus
thermophilus wurde eine weitere, fünfzehnte Untereinheit, gefunden (Sazanov
und Hinchliffe, 2006; Hinchliffe et al., 2006). In Eukaryonten wurden neben den
Homologen
der
14
bakteriellen
Untereinheiten
bis
zu
31
zusätzliche
Untereinheiten nachgewiesen (Carroll et al., 2006). Es wird spekuliert, dass die
zusätzlichen
Untereinheiten
des
mitochondrialen
Komplexes
entweder
verhindern, dass die hochenergetischen Elektronen dem Enzym entkommen,
oder dass sie die Assemblierung des Komplexes regulieren (Carroll et al., 2003;
Marques et al., 2005; Brandt et al., 2005; Sazanov und Hinchliffe, 2006).
Phylogenetische Studien legen den Schluss nahe, dass der Komplex I
evolutionär aus drei Modulen hervorgegangen ist (Abb. 2-2; Friedrich et al.,
1995; Friedrich und Weiss, 1997; Friedrich und Scheide, 2000; Friedrich, 2001).
Die
hydrophilen
Untereinheiten
Elektroneneingangs-Modul,
das
NuoE,
NuoF
entsprechend
und
seiner
NuoG
bilden
Funktion
das
NADH
Dehydrogenase-Modul genannt wird. Dieses Modul kommt als Diaphorase-Modul
in vielen löslichen Hydrogenasen und Dehydrogenasen vor. Die hydrophilen
Untereinheiten NuoB, NuoCD und NuoI bilden zusammen mit den hydrophoben
Untereinheiten NuoH und NuoL das so genannte Hydrogenase-Modul, das
Bestandteil
heutiger
membranständiger
Nickel-Eisen Hydrogenasen
ist
(Teerstegen und Hedderich, 1999). Die hydrophoben Untereinheiten NuoA, NuoJ,
NuoK, NuoM und NuoN bilden das so genannte Transporter-Modul, da die
-5-
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
Untereinheiten NuoM und NuoN Homologien zu H+/Na+ (oder K+) Antiportern
aufweisen (Friedrich und Weiss, 1997; Ito et al., 2001). Strukturell wird der
Enzymkomplex in einen peripheren Arm bestehend aus den hydrophilen
Untereinheiten NuoB bis NuoG sowie NuoI und einen membranständigen Arm
bestehend aus den hydrophoben Untereinheiten NuoA, NuoH und NuoJ bis NuoN
unterteilt.
Abb. 2-2; Schematische Darstellung des modularen Aufbaus von Komplex I und des
Vorkommens der Module in verwandten Enzymen. Das NADH Dehydrogenase-Modul ist in
weiss gezeigt, das Hydrogenase-Modul in hellgrau und das Transporter-Modul in
dunkelgrau. (A) Die drei Module des Komplex I aus E. coli (Friedrich und Scheide, 2000),
(B) die Ech-Hydrogenase aus Methanosarcina barkeri als Beispiel einer Membranständigen Nickel-Eisen Hydrogenase (Künkel et al., 1998), (C) die NAD+-reduzierende
Hydrogenase aus Ralstonia eutropha als Beispiel einer NAD+-abhängigen Hydrogenase
(Tran-Betcke et al., 1990) und (D) der K+/H+ Antiporter aus Sinorhizobium meliloti als
Beispiel eines Alkaliionen/H+ Antiporters (Putnoky et al., 1998).
Komplex I enthält ein nicht-kovalent gebundenes Flavinmononukleotid
(FMN) und bis zu neun Eisen-Schwefel (Fe-S) Zentren als interne Redox-Gruppen
(Tab. 2-1; Yagi und Matsuno-Yagi, 2003). Durch Elektronenspinresonanz (ESR)Spektroskopie wurden in dem Komplex I aus E. coli bislang zwei binukleare (N1a
und N1b)
und vier tetranukleare
(N2, N3, N4 und N7) Fe-S
Zentren
nachgewiesen (Leif et al., 1995; Braun et al., 1998; Uhlmann und Friedrich,
2005). Der ESR-spekroskopische Nachweis des vierkernigen Zentrums N7 wurde
kürzlich in unserem Arbeitskreis erbracht (Pohl et al., 2007). Zudem wurden die
tetranuklearen
(Friedrich
Zentren
et al.,
2000;
N6a
und
N6b
Rasmussen
UV/vis-spektroskopisch
et al.,
2001).
Die
identifiziert
spektroskopisch
nachgewiesenen Fe-S Zentren wurden durch Stellen-gerichtete Mutagenese und
Überproduktion einzelner Untereinheiten den konservierten Bindemotiven der
Komplex I-Untereinheit zugeordnet (Fecke et al., 1994; Yano et al., 1994, 1995
und 1996; Ohnishi, 1998; Rasmussen et al., 2001; Flemming et al., 2003b). Auf
-6-
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
der Untereinheit NuoG befindet sich ein weiteres Bindemotiv für ein vierkerniges
Fe-S Zentrum (Weidner et al., 1993), das in E. coli bislang spektroskopisch nicht
beschrieben wurde. Dieses Motiv könnte das Fe-S Zentrum N5 binden, das in
Komplex I-Präparationen aus Paracoccus denitrificans und Rind nachgewiesen
wurde (Ohnishi, 1998; Yano et al., 1995 und 2003). Dieses Zentrum wurde
kürzlich auch in der molekular aufgelösten Struktur des peripheren Arms des
Komplex I aus T. thermophilus identifiziert (Sazanov und Hinchliffe, 2006).
Tab. 2-1; Zuordnung der Kofaktoren des E. coli Komplex I zu den Untereinheiten der
verschiedenen Module.
Untereinheit
Modul
Kofaktoren
NuoA
Transporter
NuoB
Hydrogenase
NuoCD
Hydrogenase
NuoE
NADH Dehydrogenase
N1a (zweikernig)
NuoF
NADH Dehydrogenase
FMN; N3 (vierkernig)
NuoG
NADH Dehydrogenase
N1b (zweikernig)
N4, N5*, N7 (vierkernig)
NuoH
Hydrogenase
NuoI
Hydrogenase
NuoJ
Transporter
NuoK
Transporter
NuoL
Hydrogenase
NuoM
Transporter
NuoN
Transporter
N2 (vierkernig)
N6a, N6b (vierkernig)
*In E. coli noch nicht nachgewiesen; das entsprechende
Bindemotiv ist konserviert.
-7-
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
2.2 Der Elekronentransfer
Alle bekannten Kofaktoren des Enzyms sind im peripheren Arm lokalisiert.
Das Fe-S Zentrum N1a weist bei einem pH-Wert von 7.0 mit -370 mV das
negativste Mittenpotential (Em,7) auf, die Zentren N1b, N3, N4, N6a und N6b
liegen im Bereich von -285 mV bis -230 mV und werden deshalb auch als
"isopotentielle Zentren" bezeichnet, das Zentrum N2 weist mit -220 mV das
positivste Potential auf und fungiert daher wahrscheinlich als terminaler
Elektronenüberträger auf das Chinon (Ohnishi, 1998; Hirst, 2005; Sazanov und
Hinchliffe, 2006). Die aus der Struktur des peripheren Arms des Komplex I aus
T. thermophilus erkannte Anordnung der Kofaktoren lässt Rückschlüsse auf die
Elektronentransfer-Reaktion zu (Abb. 2-3; Sazanov und Hinchliffe, 2006).
Abb. 2-3; (A) Struktur des peripheren Arms des Komplex I aus T. thermophilus und (B)
die Anordnung der Kofaktoren. Die Pfeile in (B) geben den Hauptelektronenweg an, die
Abstände sind in Å von Zentrum zu Zentrum, bzw. Ecke zu Ecke (in Klammern)
angegeben. Der mutmaßliche Ort der Chinon-Bindung ist gekennzeichnet (Q).
-8-
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
Der primäre Elektronenakzeptor FMN wird von NADH zu FMNH2 reduziert
und gibt dann vermutlich zunächst unter Bildung eines Flavosemichinon-Radikals
(FMNH●) ein Elektron an das benachbarte Fe-S Zentrum N3 ab (∆Em,7 (FMNH2FMNH●) = -300 mV; Sled et al., 1994). Von N3 wird das Elektron über N1b, N4,
N5, N6a, N6b auf N2 und letztendlich Ubichinon übertragen. Wenn N3 reduziert
vorliegt, wird die Elektronenübertragung vom FMNH● auf N1a thermodynamisch
vorteilhaft (∆Em,7 (FMNH●-FMN) = -390 mV; Sled et al., 1994). Sobald im Verlauf
der Chinonreduktion N3 reoxidiert wird, kann das auf N1a "zwischengelagerte"
Elektron über das FMN in die Hauptelektronentransportkette gelangen. Da N1a
im
Gegensatz
zum
FMN
nicht
von
aussen
zugänglich
ist,
würde
der
vorgeschlagene Reaktionsablauf die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (reactive
oxygen species, ROS) an FMNH2, bzw. dem FMNH● minimieren (Kudin et al.,
2004; Hirst, 2005). Somit würde das Zentrum N1a die Funktion eines
Antioxidans erfüllen. Welche Rolle das etwa 20 Å vom Elektronenweg entfernt
liegendende Zentrum N7 spielt, ist unklar. Es wurde diskutiert, ob dieses
Zentrum ein molekularer Schalter zwischen aeroben und anaerobem Wachstum
sein
könnte
(Nakamaru-Ogiso
et al.,
2002).
ESR-spektroskopische
Untersuchungen unserer Gruppe an Zellen einer aeroben und anaeroben Zucht
bestätigten diese Hypothese jedoch nicht (Uhlmann, 2005). Stattdessen wurden
Hinweise gefunden die darauf hindeuten, dass N7 eine strukturelle Stabilisierung
bewirkt (Pohl et al., 2007).
Es werden drei Mechanismen der Kopplung der Elektronenübertragung im
peripheren Arm mit der Protonentranslokation im membranständigen Arm
diskutiert: Eine direkte Kopplung an die Redox-Reaktion, eine indirekte Kopplung
über
Konformationsänderungen
und
eine
Kombination
beider
Varianten.
Kennzeichnend für eine direkte Kopplung ist eine zeitliche und räumliche
Verknüpfung von Ionentransport und Redox-Reaktion, woran z. B. auch die
Substrat-Chinone beteiligt sein könnten. Bei der indirekten Kopplung wird die
Energiewandlung durch konformative Änderungen im Enzym erreicht. Diese
Modelle werden im folgenden Kapitel näher vorgestellt. Abbildung 2-4 zeigt
schematisch den hypothetischen Mechanismus des Komplex I, der in unserer
Arbeitsgruppe favorisiert wird. Er beinhaltet sowohl eine direkt, als auch eine
indirekt mit dem Elektronentransfer gekoppelte Protonentranslokation. Das in
Abbildung 2-4
aufgeführte
Q●-
symbolisiert
-9-
ein
gebundenes
Semichinon-
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
Radikalanion, dem eine Rolle als prosthetische Gruppe zugeschrieben wird
(Ohnishi und Salerno, 2005). ESR-spektroskopisch wurden zwei unterschiedliche
Semichinon-Signale in Komplex I aus Rind beschrieben (Magnitsky et al., 2002).
Daraus wurde geschlossen, dass es zwei verschiedene, gebundene Chinone im
Komplex I gibt (Ohnishi et al., 2005). Die Semichinone wurden entsprechend
ihrer Relaxationszeiten im ESR-Experiment SQNf (fast) und SQNs (slow) genannt.
Als besondere Eigenschaften des schnell relaxierenden SQNf wurden seine
Stabilisierung
von
einen
transmembranen
Protonengradienten
und
eine
Interaktion mit dem Fe-S Zentrum N2 festgestellt (Yano et al., 2005). Daraus
wurde geschlossen, dass es bei neutralem pH-Wert anionisch vorliegt. Die
magnetische Austausch-Kopplung zwischen N2 und SQNf lässt auf einen Abstand
von etwa 12 Å zwischen N2 und SQNf schliessen, was für eine Lokalisation von N2
nahe der Membran spricht. Im Widerspruch dazu wurde vorgeschlagen, dass die
Chinon-Bindestelle des Komplex I aus Yarrowia lipolytica im peripheren Arm, weit
entfernt von der Membran, liegen soll (Zickermann et al., 2003; Brandt et al.,
2003).
Die
daraus
gefolgerte
"Rampen-Hypothese",
nach
der
die
Chinon-Bindestelle durch einen hydrophoben Kanal mit der Membran verbunden
sein soll, ist aber vor allem in Anbetracht der kürzlich publizierten Struktur des
peripheren Arms des Komplex I aus T. thermophilus sehr unwahrscheinlich
(Sazanov und Hinchliffe, 2006). Der Nachweis von SQNf und SQNs (bzw. des Q●- in
Abb.2-4) in Komplex I aus E. coli wurde noch nicht erbracht.
Abb. 2-4; Schematische Darstellung eines hypothetischen Mechanismus des Komplex I.
Das NADH Dehydrogenase-Modul ist gelb, das Hydrogenase-Modul grün und das
Transporter-Modul blau dargestellt. Die Elektronen werden von NADH über FMN und über
eine Reihe von Fe-S Zentren (N1a, N1b, N2, N3, N4, N5, N6a und N6b) auf Ubichinon (Q)
übertragen. Das Fe-S Zentrum N7 ist nicht am Elektronentransfer beteiligt. Eine durch
das Hydrogenase-Modul direkt an die Redox-Reaktion gekoppelte und eine über das
Transporter-Modul konformativ getriebene Protonentranslokation sind durch die
gestrichelten Pfeile angedeutet (Flemming et al., 2005).
- 10 -
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
Die
Elektronentransfer-Reaktion
des
Komplex I
wird
durch
viele
synthetische und natürlich vorkommende Substanzen gehemmt. Die meisten
dieser Inhibitoren sind hydrophobe oder amphipatische Verbindungen, die als
Ubichinon-Antagonisten wirken. Vertreter dieser Klasse von Hemmstoffen sind
Piericidin A,
2-Decyl-4-chinazolinylamin
(DQA),
Rotenon,
Annonin VI
und
Capsaicin (Degli Esposti et al., 1993; Friedrich et al., 1994). Kompetitionsexperimente
mit
verschiedenen
Inhibitoren
zeigten,
dass
sie
alle
eine
gemeinsame Bindungsdomäne teilen, wobei sich deren Bindestellen teilweise
überlagern (Ohshima et al., 1998; Okun et al., 1999). Während die meisten
Hemmstoffe des Komplex I nahe oder an der Chinon-Bindestelle binden,
verhindert 4,5-Dihydroxyanthrachinon-2-carboxylsäure (Rhein) vermutlich durch
Bindung in der NADH-Bindestelle (Kean et al., 1971) und Diphenyleniodonium
(DPI), von dem bekannt ist, dass es kovalent an FMN bindet (Majander et al.,
1994), den Elektroneneintritt in das Enzym.
Eine andere Klasse von Inhibitoren beeinflussen nicht die Elektronenübertragung, sondern die Protonentranslokation. Ein Vertreter dieser Klasse ist
N,N'-Dicyclohexylcarbodiimid (DCCD; Yagi und Hatefi, 1988; Hassinen und
Vuokila, 1993; Wang et al., 1998; Vgenopoulou et al., 2006), das mit Hydroxy-,
Sulfhydryl- und Carboxylgruppen von Aminosäuren unter Ausbildung einer
kovalenten Bindung reagiert. Dass die NADH Dehydrogenase-Aktivität von
Membranextrakten aus E. coli und P. denitrificans DCCD-sensitiv sind, die von
Bacillus subtilis, das nur die nicht-energiewandelnde NADH Dehydrogenase II
enthält,
jedoch
nicht,
lässt
eine
Bindung
des
DCCD
an
eine
für
den
Protonentransport verantwortliche Untereinheit des Komplex I vermuten (Yagi,
1987). In den Komplexen III, IV und der ATP-Synthase bindet DCCD an eine
konservierte saure Aminosäure, die sich in einer Membran-ständigen Helix
befindet (Kurki et al., 2000). Mit [14C]DCCD wurde in Komplex I aus Rinderherz
die Untereinheit ND-1 markiert, wobei die entsprechende Aminosäure jedoch
nicht identifiziert werden konnte (Yagi und Hatefi, 1988). Die zu ND-1 homologe
Untereinheit in E. coli ist NuoH. Sie enthält drei konservierte Glutamatreste, die
alle in hydrophoben Bereichen Membran-durchspannender α-Helices lokalisiert
sind. Da das Enzym nach Ersetzen dieser Reste durch Glutamin jedoch immer
noch durch DCCD hemmbar war, sind diese Aminosäuren entweder nicht oder
nicht
ausschließlich
an
der DCCD-Bindung
- 11 -
beteiligt
(Kurki et al.,
2000).
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
Interessanterweise hemmen auch Amiloride die Komplex I-Aktivität (NakamaruOgiso et al., 2003a). Diese Verbindungen wurden ursprünglich als Hemmstoffe
für Na+/H+-Antiporter beschrieben (Cragoe Jr. et al., 1992; Kuroda et al., 1997;
Wiebe et al., 2001). Es zeigte sich, dass Amiloride die Markierung der zu NuoL
homologen Untereinheit ND5 des Komplex I aus Rinderherz-Mitochondrien mit
einem Fenpyroximat-Derivat, einem an die Ubichinon-Bindestelle bindenden
Hemmstoff, verhindert (Nakamaru-Ogiso et al., 2003b). Ausserdem wurde auch
von
einer
Hemmung
des
von
der
überproduzierten
und
in
Vesikeln
+
rekonstituierten Untereinheit NuoL bewerkstelligten Na -Transports durch ein
Amilorid-Derivat berichtet (Steuber, 2003).
2.3 Die Ionentranslokation
Völlig ungeklärt ist die Kopplung der Ionentranslokation an die RedoxReaktion des Komplex I. Es werden verschiedene direkt oder indirekt gekoppelte
Transportmechanismen
diskutiert.
Es
wurde
vorgeschlagen,
dass
ein
Mechanismus analog zu dem Q-Zyklus des Cytochrom bc1 Komplex an der
Protonentranslokation beteiligt sein soll (Abb. 2-5; Dutton et al., 1998). Dieser
Zyklus würde im Komplex I in umgekehrter Richtung ablaufen. Demnach nimmt
das Chinon (Q) ein Elektron von dem ihm am nächsten gelegenen Fe-S Zentrum
und ein Elektron sowie zwei Protonen von einem Ubichinol (QH2) mit bislang
unbekannter Bindestelle auf. Das entstandene QH2 diffundiert von dem Enzym ab
und wird von einem folgenden Q ersetzt. Das neu gebundene Q nimmt ein
Elektron des verbliebenen Semichinon-Radikals (SQ) und ein zweites von einem
Fe-S Zentrum der Elektronen-transportkette auf. Die schrittweise Aufnahme von
zwei Protonen schliesst den Kreislauf. Die Elektronenübertragung von QH2 oder
SQ wäre mit der Translokation je eines Protons gekoppelt. Da dieses Modell zur
Translokation von lediglich einem Proton pro übertragenem Elektron beiträgt,
wurden erweiterte Modelle mit einer zusätzlichen, direkt an die Redox-Reaktion
gekoppelten Protonentranslokation vorgeschlagen (Brandt, 1997; Dutton et al.,
1998). Experimentell wurden für diesen Mechanismus aber keine Hinweise
gefunden (Sherwood und Hirst, 2006).
- 12 -
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
e-
2H+
eQH2
Q
Q
-
e
SQ
SQ
H+
Q
H+
Abb. 2-5;
Schematische
Darstellung
des
(Erläuterungen im Text; nach Hirst, 2005).
andere
QH2
e-
QH2
Eine
2H+
direkte
hypothetischen
Kopplungsstelle
stellt
reversen
Q-Zyklus
möglicherweise
das
Fe-S Zentrum N2 dar. Es wurde gezeigt, dass sein Mittenpotential vom pH-Wert
abhängig ist (Ingeldew und Ohnishi, 1980). Dies ließe sich damit erklären, dass
N2 eine Redox-Bohr-Gruppe ist, oder mit einer Redox-Bohr-Gruppe assoziiert ist
(Brandt, 1997). Somit würde das Zentrum bei seiner Reduktion ein Proton
aufnehmen und dieses bei seiner Oxidation wieder abgeben. Kürzlich wurde aus
Experimenten
mit
dem
Y. lipolytica
Komplex I
geschlossen,
dass
ein
konserviertes Histidin als Redox-Bohr-Gruppe mit N2 assoziiert sein soll (Zwicker
et al., 2006). Aber obwohl die Mutation dieser Aminosäure zum Verlust der
pH-Abhängigkeit des Potentials von N2, sowie zu einer Verschiebung seines
Mittenpotentials von -70 mV führte, zeigte der Komplex I eine unveränderte
Aktivität. Daraus wurde geschlossen, dass N2 lediglich als Elektronendonor für
das Substrat-Chinon dient und nicht an der energetischen Kopplung beteiligt ist.
Andererseits zeigten FTIR-spektroskopische Untersuchungen an Komplex I aus
E. coli Signale, die an den Redox-Übergang des Zentrums N2 gekoppelt sind
(Hellwig et al., 2000). Ein Teil dieser Signale wurde einer Reorganisation
protonierter/deprotonierter Asparagin- oder Glutaminsäure-Seitenketten, sowie
Tyrosin-Seitenketten zugeordnet. Es wurde spekuliert, dass die Oxidation von N2
zu einer Protonenübertragung von Tyrosinen auf eine der sauren Seitenketten
führt. Durch die Mutation dreier konservierter Tyrosine und acht konservierter
saurer Aminosäuren der Untereinheit NuoB wurden in unserem Arbeitskreis die in
Verbindung mit der Redox-Reaktion an N2 protonierten bzw. deprotonierten
Aminosäuren identifiziert (Flemming, 2004; Flemming et al., 2006). Es stellte
sich heraus, dass wahrscheinlich die Aminosäuren Y114, Y139, E67, D77 und
D94 am Redox-getriebenen Protonenweg um N2 beteiligt sind. Aufgrund der
Homologie zwischen den Ech-Hydrogenasen, die vermutlich als Redox-getriebene
- 13 -
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
Protonenpumpen arbeiten (Hedderich und Forzi, 2005), und Komplex I stellt
diese Domäne eine mögliche Kopplungsstelle für die Translokation eines Protons
pro übertragenem Elektron dar. Mit der Struktur der kleinen Untereinheit der
Nickel-Eisen [NiFe] Hydrogenase aus Desulfovibrio gigas (Volbeda et al., 1995)
als
Vorlage
wurde
ein
Modell
vorgeschlagen,
bei
dem
die
für
die
Protonentranslokation wichtigen Aminosäuren der Untereinheit NuoB in den
homologen Positionen der Hydrogenase eingesetzt wurden (Abb. 2-6; Flemming
et al., 2005). Nimmt man das proximale Fe-S Zentrum der Hydrogenase als N2
an, ergibt sich eine Anordnung, bei der die beiden Tyrosine im gleichen Abstand
zum Zentrum N2 auf einer Seite, die drei sauren Aminosäuren aufgereiht wie
Perlen an einer Schnur auf der anderen Seite des Zentrums angeordnet sind.
Anhand der FTIR-Spektren wurde geschlossen, dass die Reduktion von N2 zur
Deprotonierung der am nächsten gelegenen Aminosäure E67, z. B. durch die
Aminosäuren D77 und D94, und zur Protonierung eines der Tyrosine führt. Damit
wäre die Oxidation von N2 mit der Deprotonierung eines der Tyrosine und der
Übertragung des Protons auf E67 verknüpft. Das Zentrum N2 stellt somit
möglicherweise einen molekularen Schalter für die Protonentranslokation dar.
Abb. 2-6; Struktur der kleinen Untereinheit der [NiFe] Hydrogenase aus D. gigas. Die
funktionell wichtigen Aminosäuren der Untereinheit NuoB des Komplex I aus E. coli
wurden in den homologen Positionen eingefügt. Das proximale Fe-S Zentrum der
Hydrogenase wurde als N2 angenommen (nach Flemming et al., 2005).
- 14 -
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
Da alle bekannten Redoxzentren des Komplex I im peripheren Arm liegen,
scheint
eine
translokation
indirekte
über
Kopplung
von
weitreichende
Elektronentransfer
konformative
und
Änderungen
im
ProtonenKomplex
naheliegend (Yagi et al., 1998; Belogrudov und Hatefi 1994; Friedrich, 2001;
Zickermann et al., 2003; Yagi und Matsuno-Yagi, 2003; Mamedova et al., 2004;
Flemming et al., 2005; Ohnishi und Salerno, 2005). Dafür sprechen mehrere
Beobachtungen. So wurde neben der allgemein anerkannten L-Form des
Komplex I auch eine Hufeisen-förmige Struktur beschrieben, die im Gegensatz
zur L-Form NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität zeigte (Abb. 2-7;
Böttcher et al., 2002). Beide Formen sind reversibel ineinander überführbar.
Anscheinend besitzt der periphere Arm des Komplex I eine gewisse Flexibilität,
wobei nicht geklärt ist, ob dies eine mechanistische Signifikanz hat (Friedrich und
Böttcher, 2004). Einen weiteren Hinweis auf strukturelle Umlagerungen innerhalb
des
Enzyms
in
Verbindung
mit
der
Redox-Reaktion
lieferten
FTIR-
spektroskopische Untersuchungen an Komplex I aus E. coli (Hellwig et al., 2000).
Anhand von Signalen im Amid I-Bereich zwischen 1'630 und 1'690 Wellenzahlen
wurde auf Konformationsänderungen des Polypeptid-Rückgrats geschlossen. Es
ist unklar, ob diese Proteinbewegungen alleine durch die Reduktion der
Kofaktoren induziert werden. Die Zugabe von NADH führte zu einer Änderung
des Verknüpfungs-Musters des Komplex I aus E. coli (Mamedova et al., 2004).
Dieses
Phänomen
wurde
als
Vergrösserung
der
Abstände
zwischen
den
Untereinheiten NuoB, NuoI und NuoCD interpretiert. Zuvor war dies schon mit
Komplex I
aus
Rind
beobachtet
worden
(Belogrudov
und
Hatefi,
1994).
Desweiteren führte die NADH-Zugabe zu einem verstärkten proteolytischen
Verdau der hydrophilen Untereinheit NuoG (Mamedova et al., 2004). Ein
Vergleich elektronenmikroskopischer Aufnahmen des mit NADH oder NAD+
inkubierten Komplex I zeigte eine deutliche Aufweitung der Struktur nur nach
Zugabe von NADH (Abb. 2-7; Mamedova et al., 2004), wodurch die bessere
Zugänglichkeit
für
Proteasen
erklärt
wurde.
Erstaunlicherweise
trat
die
Aufweitung sowohl im peripheren Arm, als auch im membranständigen Arm auf.
Da dieses "Aufblähen" nach Reduktion der Kofaktoren des Enzyms mit Dithionit
nicht beobachtet wurde, kann diese konformative Änderung nicht an die
Reduktion der Kofaktoren gekoppelt sein, sondern muß mit der Substratbindung
im Zusammenhang stehen. Es wird spekuliert, dass die in der Kristallstruktur des
peripheren Arms aus T. thermophilus beschriebene Helix H1 (Abb. 2-3; S. 8) der
- 15 -
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
Untereinheit NuoB als eine Art "Hebel" fungieren könnte, um Konformationsänderungen an den vermutlich angrenzenden Membranarm zu übertragen
(Sazanov und Hinchliffe, 2006). Es gibt Anzeichen dafür, dass es einen solchen
"Hebel"
gibt,
der
für
Protonentranslokation
die
benötigt
Kopplung
wird.
Wie
von
im
Elektronentransfer
vorangegangenen
und
Kapitel
beschrieben sind Hemmstoffe bekannt, die die Protonentranslokation blockieren
und gleichzeitig den Elektronentransfer von NADH auf Chinon unterbinden.
Während z. B. DCCD bei der Ubichinol:Cytochrom c Oxidase (Komplex III) und
der
Cytochrom c Oxidase
(Komplex IV)
lediglich
die
Potonentranslokation
hemmt, wird bei dem Komplex I und der ATP-Synthase auch die damit
gekoppelte Reaktion gehemmt (Yagi, 1987; Yagi und Matsuno-Yagi, 2003).
Komplex I und die ATP-Synthase arbeiten reversibel, während die Komplexe III
und IV nur in eine Richtung arbeiten. Dies wird so interpretiert, dass im
Komplex I und in der ATP-Synthase die Protonentranslokation indirekt an den
Elektronentransport bzw. die ATP-Synthese gekoppelt ist. Es wurde postuliert,
dass
DCCD
nur
bei
einer
indirekten
Kopplung
Elektronentransport
und
Protonentranslokation hemmt (Yagi und Matsuno-Yagi, 2003).
(A)
(B)
(C)
(D)
Abb. 2-7; Verschiedene Formen des Komplex I aus E. coli. Dargestellt sind Modelle (A)
der bei hoher Ionenkonzentration vorliegende L-Form und (B) der bei niedriger
Ionenkonzentration vorliegende Hufeisen-Form (Böttcher et al., 2002) sowie
elektronenmikroskopische Aufnahmen der L-Form nach Inkubation des Enzyms mit (C)
NADH und (D) NAD+ (der Balken entspricht 10 nm; Mamedova et al., 2004).
Eine Möglichkeit, die beobachtete Stöchiometrie von zwei translozierten
Protonen pro übertragenem Elektron zu erklären, ist eine Kombination aus
direkter und indirekter Kopplung (Friedrich, 2001; Flemming et al., 2005).
Demnach könnte die Redox-getriebene Translokation im Hydrogenase-Modul an
die Redox-Reaktion des Zentrums N2 gekoppelt sein und die konformativgetriebene Translokation im Transporter-Modul, wahrscheinlich durch eine der zu
Na+/H+-Antiportern
homologen
Untereinheiten
- 16 -
NuoL,
NuoM
oder
NuoN,
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
bewerkstelligt werden. Für dieses Modell spricht, dass die FTIR-spektroskopisch
gefundene Konformationsänderung des Komplex I mit der Redox-Reaktion des
Zentrums N2 verbunden ist (Hellwig et al., 2000). Kürzlich wurde ein ähnlicher
Mechanismus vorgeschlagen, wobei statt N2 das Semichinon SQNf als direkte
Kopplungsstelle dient (Ohnishi und Salerno, 2005).
Bis
vor
kurzem
wurde
davon
ausgegangen,
dass
der
Komplex I
ausschliesslich als Protonenpumpe arbeitet. Diese Annahme wurde in Frage
gestellt,
nachdem
publiziert
wurde,
dass
der
Komplex I
aus
Klebsiella
pneumoniae pro übertragenem Elektron ein Natriumion über die Membran
transloziert (Krebs et al., 1999; Gemperli et al., 2002; Gemperli et al., 2003). Da
die Aminosäuresequenz der Untereinheiten des Komplex I aus E. coli und
K. pneumoniae zu 94 bis 98 % identisch ist (Bertsova und Bogachev, 2004),
wurde untersucht, ob Komplex I aus E. coli außer Protonen auch Natriumionen
translozieren kann (Steuber et al., 2000). Es zeigte sich, dass ein E. coli Stamm,
dem die Gene nhaA und nhaB, die für die einfachen Na+/H+-Antiporter kodieren,
fehlten, in Anwesenheit hoher Natriumionen-Konzentrationen ausser auf Glycerin
und Fumarat nicht wachsen konnte. Unter diesen Bedingungen ist die Expression
der Komplex I-Gene etwa verdoppelt (Zientz et al., 1998). An invertierten E. coli
Membranvesikeln wurde nach Zugabe von NADH eine Translokation von
Natriumionen
nachgewiesen,
die
nicht
durch
Protonophore,
aber
durch
spezifische Komplex I-Inhibitoren gehemmt wurde (Steuber, 2001b). Daraus
wurde geschlossen, dass es sich bei Komplex I aus E. coli wie bei Komplex I aus
K. pneumoniae auch um eine Natriumionen-Pumpe handeln muss. Allerdings
wurde diese Hypothese durch Deletionsstudien an K. pneumoniae in Frage
gestellt. Es zeigte sich, dass dieses Bakterium drei verschiedene NADH:Chinon
Oxidoreduktasen
enthält
(Bertsova
und
Bogachev,
2004):
Eine
nicht-
energiewandelnde vom NDH II-Typ, eine energiewandelnde vom NDH I-Typ, die
als
primäre
Protonenpumpe
arbeitet,
sowie
eine
energiewandelnde
vom
NADH:Chinon Reduktase (NQR)-Typ, die für die beobachtete Translokation von
Natriumionen
verantworlich
sein
soll.
Die
Enzyme
vom
NQR-Typ
sind
Natriumionen-pumpende NADH:Chinon Oxidoreduktasen, die vor allem in VibrioSpezies, aber auch in verschiedenen anderen, zum Teil pathogenen Bakterien
vorkommen (Zhou et al., 1999). Die NQR ist weder mit den NDH-I noch den
NADH-II-Typ Enzymen verwandt.
- 17 -
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
2.4 Einfluss von Phospholipiden auf den Komplex I
Die
aus
einer
Phospholipid-Doppelschicht
aufgebauten
biologischen
Membranen verhindern die freie Diffusion von Substraten und schaffen somit
einen
geschlossenen
Reaktionsraum
mit
definierten
Bedingungen
und
ermöglichen die Ausbildung von transmembranen Ionengradienten. Die Analyse
genomischer Sequenzen deutet darauf hin, dass 20 bis 35 % aller kodierten
Proteine Membranproteine sind (Stevens und Arkin, 2000). Die Anordnung der
Proteine in der Membran wurde zunächst durch das so genannte Flüssig-Mosaik
Modell beschrieben, nach dem sich integrale Membranproteine frei in der
Membran bewegen können (Singer und Nicolson, 1972). Später wurde dieses
Modell
durch
das
so
genannte
"lipid-raft"-Modell
erweitert,
in
dem
cholesterinreiche, floßartige Strukturen aus Lipiden und Membranproteinen in der
Lipiddoppelschicht vorliegen sollen (Simons und Ikonen, 1997; Brown und
London, 1998). Diese "rafts" sind in der Membran frei beweglich und bieten die
Möglichkeit
einer
weiteren
Kompartimentierung,
wodurch
Reaktions-
geschwindigkeiten weitestgehend unabhängig von den Konzentrationen der
Substrate (z. B. Chinone oder Cytochrome) werden und die Umgebung vor
reaktiven Zwischenprodukten (z. B. Ubisemichinone), die möglicherweise zur
Bildung
von ROS
führen, geschützt wird. In diesen "rafts" bilden sich
"Superkomplexe" aus mehreren Proteinkomplexen aus, die für den Fall, dass die
beteiligten Enzyme zur oxidativen Phosphorylierung gehören auch "Respirasome"
genannt werden. Die
Bildung von "Superkomplexen" soll die
beteiligten
Proteinkomplexe stabilisieren (Schägger und Pfeiffer , 2000; Schägger, 2001;
Genova et al., 2003; Eubel et al., 2003). Die Annahme des "lipid-raft"-Modells
impliziert eine spezifische Bindung bestimmter Lipide an Membranproteine.
In den letzten Jahren wurde durch verschiedene Methoden, wie die
ESR-Spektroskopie, molekulare Genetik, Tryptophan Fluoreszenzspektroskopie,
Röntgenstrukturanalyse und molekulardynamische Simulation ein detaillierteres
Bild
der
Wechselwirkung
zwischen
der
Lipiddoppelschicht
und
integralen
Membranproteinen erhalten (Marsh et al., 2002; Palsdottir und Hunte, 2004;
Dowhan et al., 2004; Lee, 2005a und 2005b; Powl et al., 2005; Hunte, 2005).
Im Allgemeinen wechselwirken Phospholipide mehr oder weniger unspezifisch an
Bindestellen niedriger Affinität mit dem Protein. Diese Lipide werden Grenz-, oder
- 18 -
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
Ringlipide genannt und dienen dem Protein als Lösungsmittel. Sie sind wichtig für
die Konformation und Aktivität der Membranproteine. Aufgrund ihrer geringen
Spezifität wird angenommen, dass ihre Zusammensetzung sehr ähnlich der der
verfügbaren Membranlipide ist (Palsdottir und Hunte, 2004; Dowhan et al.,
2004; Lee, 2005a und 2005b). Allerdings wurden in der Röntgenkristallstruktur
einiger
integraler
Membranproteine
auch
ungewöhnlich
fest
gebundene
Lipidmoleküle gefunden, die als Kofaktor- oder Nicht-Ringlipid bezeichnet werden
(Lee, 2005a und 2005b). Sie befinden sich oft an Protein-Protein Grenzflächen
von Oligomeren und erwiesen sich als essentiell für die Stabilität und/oder die
Aktivität des Enzyms (Palsdottir und Hunte, 2004; Dowhan et al., 2004; Lee,
2005a und 2005b; Hunte; 2005). In einigen Fällen wurde von "integralen
Proteinlipiden" berichtet, die
in
ungewöhnlichen Positionen
innerhalb
des
Membranproteins gefunden wurden (Palsdottir und Hunte, 2004; Hunte, 2005).
So wurde die essentielle Funktion eines fest gebundenen Cardiolipins des
Komplex III durch Stellen-gerichtete Mutagenese eines Lysins, das an der
Bindung des Cardiolipins beteiligt ist, nachgewiesen (Lange et al., 2001). Die
Mutation des Lysins führte zu einem verminderten Anteil des Komplex III in der
Membran.
Somit
vermittelt
das
Cardiolipin
entweder
die
Stabilität
des
Komplexes, oder es wird zur korrekten Assemblierung benötigt (Lange et al.,
2001). Es wird auch vermutet, dass Cardiolipin allgemein wichtig für die
Protonentranslokation ist (Lange et al., 2001).
Im Verlauf der chromatographischen Aufreinigung von Komplex I aus
Mitochondrien oder Bakterien nimmt die artefizielle NADH/Ferricyanid oder
NADH/Hexaaminruthenium
Oxidoreduktaseaktivität
zu,
wohingegen
die
physiologische NADH:Chinon Oxidoreduktaseaktivität vermindert wird (Dröse
et al., 2002; Sinegina et al., 2005; Sharpley et al., 2006). Die artefizielle
Aktivität
des
physiologischen
peripheren
Aktivität
Arms
nicht
des
mit
Komplex I
einer
ist
im
Gegensatz
Protonentranslokation
zur
gekoppelt
(Vinogradov, 1998). Die Verminderung der physiologischen Aktivität ist weder
auf den Verlust einer Untereinheit oder eines Kofaktors, noch auf die Verarmung
der Präparation an Ubichinon zurückzuführen, kann aber durch Zugabe von
Phospholipiden rückgängig gemacht werden (Dröse et al., 2002; Sinegina et al.,
2005; Sharpley et al., 2006). Daraus wurde geschlossen, dass Lipide einen
direkten Effekt auf den Komplex I ausüben. Während Cardiolipin im Verlauf der
- 19 -
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
Präparation des Komplex I aus Rind an das Enzym gebunden bleibt, werden
Phosphatidylcholin und Phosphatidylethanolamin abgelöst, was zur irreversiblen
Inaktivierung
des
Komplex I
führt
(Sharpley
et al.,
2006).
Wurde
den
Chromatographiepuffern jedoch eines der genannten Lipide oder Asolectin
zugesetzt, bleibt die Aktivität des Enzyms erhalten (Sharpley et al., 2006). Die
Anwesenheit dieser Lipide während der Isolierung des Komplex I erhöhte die
Aktivität etwa zehnfach. Es wurde spekuliert, dass die schwach gebundenen
Phosphatidylcholine und Phosphatidylethanolamine mit Phospholipiden aus dem
Probenpuffer einen Lösungsmittelraum für das Chinon schaffen, wodurch sich die
Substratverfügbarkeit erhöhen würde (Sharpley et al., 2006). Sollte diese
Annahme richtig sein, müsste man eine Änderung der Michaelis-Konstante in
Abhängigkeit der Phospholipide erwarten. Dies wurde in Experimenten mit dem
Komplex I aus E. coli jedoch nicht gefunden (Sinegina et al., 2005). Im
Unterschied zu der Präparation des Komplex I aus Rind war die Inaktivierung des
Enzyms aus E. coli reversibel. Die Aktivität des E. coli Komplex I wurde durch
Zugabe exogener Phospholipide sieben bis zehnfach stimuliert (Sinegina et al.,
2005). Des weiteren traten nach Inkubation des isolierten Enzyms mit Lipid
Änderungen in den ESR-Signalen zweier Fe-S Zentren auf, woraus auf eine
Lipid-induzierte konformative Umlagerung im Komplex geschlossen wurde
(Sinegina et al., 2005). Diese Änderungen wurden im mitochondrialen Komplex I
allerdings
nicht
beobachtet
(Dröse
et al.,
2002;
Sharpley
et al.,
2006).
Interessanterweise wurde mit E. coli Lipiden eine grössere Aktivierung erreicht,
als mit Lipiden aus anderen Organismen (Sazanov et al., 2003), was auf
spezifische Interaktionen des Lipids mit dem E. coli Komplex I zurückzuführen
sein könnte.
- 20 -
2. Einleitung
___________________________________________________________________________
2.5 Thema dieser Arbeit
Viele mechanistische Details der Redox-Reaktion des Komplex I und der
damit gekoppelten Translokation von Ionen sind bislang nicht verstanden. So
wird diskutiert, ob Komplex I aus E. coli neben Protonen auch Natriumionen
translozieren
kann.
Der
Einfluss
der
Natriumionen-Konzentration
auf
die
enzymatische Aktivität sollte einen ersten Hinweis darauf liefern, ob das
Natriumion ein Substrat des Komplex I ist. Falls Komplex I spezifisch mit
Natriumionen
wechselwirkt,
müsste
dies
durch
Redox-induzierte
FTIR-
Differenzspektroskopie nachweisbar sein. Mit dieser Methode sollte auch die
Protonierung bzw. Deprotonierung einzelner Aminosäuren bei verschiedenen
pH-Werten untersucht werden. Dadurch sollten Hinweise auf eine mögliche
Protonentranslokation gefunden werden. Desweiteren sollte das isolierte Enzym
in Proteoliposomen rekonstituiert und ein Membranpotential bzw. pH-Gradient
über die Membran durch geeignete Fluoreszenzfarbstoffe nachgewiesen werden.
Die Effekte von Na+-, bzw. H+-Ionophoren auf das Fluoreszenzsignal sollten
untersucht werden.
Um ein besseres Verständnis vom Elektronentransfer und dessen Kopplung
mit der Ionentranslokation zu erhalten, sollten die kinetischen Parameter der
NAD(P)H-Oxidaseaktivität der E. coli Membranen, sowie die NAD(P)H:DecylUbichinon Oxidoreduktaseaktivität des isolierten Komplex I mit verschiedenen
Substraten
und
Hemmstoffen
untersucht
werden.
Die
Reduktion
der
Fe-S Zentren durch verschiedene Substrate sollte ESR-spektroskopisch bestimmt
werden. Die Hemmung des Komplex I durch Amiloride, DCCD und Zn2+ sollte
untersucht werden. Es ist bekannt, dass Zn2+ Protonenpumpen hemmt. Daher
sollte festgestellt werden, ob dies auch für den Komplex I gilt und falls ja, wie die
Hemmung erfolgt.
Die molekulare Grundlage der Aktivierung des isolierten Komplex I durch
Phospholipide ist noch unbekannt. Um die Spezifität der Aktivierung zu
bestimmen,
sollte
die
NADH:Decyl-Ubichinon
Oxidoreduktaseaktivität
mit
verschiedenen Lipiden titriert werden. Die mögliche Änderung des KM von
Komplex I zu Decyl-Ubichinon und des IC50 zu Piericidin A durch Phospholipide
sollte
untersucht
werden.
Desweiteren
sollten
mittels
ESR-
und
FTIR-
Spektoskopie mögliche molekulare Effekte der Phospholipide erkannt werden.
- 21 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
3.
Material und Methoden
3.1 Isolierung von Komplex I aus E. coli
Der Komplex I wurde aus dem E. coli Stamm ANN003/pAR1219, in dem die nuoGene chromosomal überexprimiert werden (Spehr et al., 1999), isoliert. Die
Zellen
wurden
in
einem
1'000 l
Fermenter
bei
der
Gesellschaft
für
Biotechnologische Forschung, Braunschweig, angezogen und geerntet. Eine
Zucht ergab etwa 4 kg Zellen (Feuchtgewicht). Die Zellen wurden bis zu ihrer
Verarbeitung bei -80 °C gelagert.
3.1.1 Standardpräparation
Zur besseren Übersicht sind die bei der Präparation verwendeten Puffer in
Tabelle 3-1 zusammengefasst.
Tab. 3-1; Zusammensetzung der bei der Präparation verwendeten Puffer. Der pH-Wert
wurde mit NaOH eingestellt.
Bezeichnung
Zusammensetzung
A-Puffer
50 mM 2-(N-Morpholino)-ethansulfonsäure (MES; Gerbu), pH 6.0
A50-Puffer
A-Puffer mit 50 mM NaCl
ADM-Puffer
A-Puffer mit 0.1 % (w/v) DDM, 30 µM PMSF
ADM,50-Puffer
ADM-Puffer mit 50 mM NaCl
Etwa 30 g Zellen wurden in 250 ml A-Puffer unter Zusatz von 200 µl
Phenylmethansulfonylfluorid (PMSF, 0.1 M in Isopropanol; Sigma) und einer
kleinen Spatelspitze DNase I (Boehringer) 5 min in einem Mixer (Stufe low;
Commercial
Blender,
Waring)
bei
Raumtemperatur
zerkleinert.
Dabei
entstandener Schaum wurde durch Zugabe von wenig Antischaum-Emulsion
(Antifoam 204, Sigma) entfernt. Im Folgenden wurde bei 4 °C gearbeitet. Die
Zellen wurden durch Druckentspannung bei 110 MPa (French Pressure Cell Press,
SLM-Amico) aufgeschlossen. Zelltrümmer und nicht aufgeschlossene Zellen
wurden durch Zentrifugation für 20 min bei 36'000 g (Rotor A 8.24, 18'000 Upm;
RC-5
Superspeed
Refrigerated
Centrifuge,
Sorvall)
abgetrennt.
Die
Plasmamembranen wurden durch Zentrifugation des Überstands für 1 Std bei
- 22 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
180'000 g
(Rotor
60Ti,
50'000 Upm;
L8-70M
Ultrazentrifuge,
Beckman)
sedimentiert. Die Membranen wurden in einen Teflon-in-Glas-Homogenisator
überführt, je Gramm 1.5 ml A50-Puffer und insgesamt 50 µl PMSF zugegeben und
homogenisiert.
(DDM,
in
Es
wurde
Wasser;
soviel
Glycon)
20 % (w/v)
zugegeben,
n-Dodecyl-β-D-maltopyranosid
dass
die
DDM-Endkonzentration
3 % (w/v) betrug. Nach erneutem Homogenisieren und Inkubation für 15 min
auf Eis wurde so viel A50-Puffer zugegeben, dass das Volumen der Suspension
etwa 64 ml entsprach. Es wurde eine Probe ("Membranen") von 50 µl zur
Bestimmung der Proteinkonzentration und der Gesamtaktivität entnommen.
Anschliessend
wurde
für
15 min
bei
180'000 g
wie
oben
beschrieben
zentrifugiert. Das Volumen des Überstands wurde bestimmt und eine weitere
Probe ("Extrakt") von 50 µl entgenommen. Der Überstand wurde auf eine 120 ml
Fractogel
EMD
TMAE
Hicap (M)
Anionenaustausch-Chromatographiesäule
(26 x 226 mm; Merck) aufgetragen, die mit ADM,50-Puffer equilibriert worden war.
Die Säule wurde mit 80 ml 150 mM NaCl in ADM-Puffer und einer Flussrate von
15 ml/min gewaschen und gebundene Proteine in einem linearen 150 ml
Gradienten von 150-350 mM NaCl und weiteren 100 ml 350 mM NaCl in
ADM-Puffer eluiert. Es wurde die NADH/Ferricyanid Oxidoreduktase-aktivität der
Fraktionen bestimmt, Fraktionen mit mindestens der Hälfte der Aktivität der
Gipfelfraktion vereinigt und eine Probe ("Fractogel") von 150 µl entnommen. Die
Proteine der vereinigten Fraktionen wurden mit 50%iger (w/v) Polyethylenglykol
4'000-Lösung (PEG, in Wasser; Boehringer) bis zu einer PEG-Endkonzentration
von 9 % (w/v) gefällt, 10 min unter Rühren auf Eis inkubiert und anschliessend
für 5 min bei 7'650 g (Rotor SS34, 8'000 Upm; RC-5 Superspeed Refrigerated
Centrifuge, Solvall) sedimentiert. Nach Waschen der Oberfläche des Sediments
mit Milli-Q-Wasser, wurden die Proteine unter Rühren in etwa 5 ml ADM,50-Puffer
resuspendiert. Die Lösung wurde auf eine 80 ml Source 15Q AnionentauscherChromatographiesäule (26 x 150 mm; Pharmacia Biotech) aufgetragen, die in
ADM,50-Puffer equilibriert worden war. Die Proteine wurden mit 5 ml/min in einem
linearen 300 ml Gradienten von 150-250 mM NaCl und weiteren 80 ml 250 mM
NaCl in ADM-Puffer eluiert. Die NADH/Ferricyanid Oxidoreduktaseaktivität der
Fraktionen wurde bestimmt, sowie von jeder Fraktion ein Absorptionsspektrum
aufgenommen (S 2100 Diode Array Spectrometer, WPA Biowave) um die Lage
der Hauptverunreinigung, der Succinat Dehydrogenase, anhand der Absorbanz
des darin enthaltenen Cytochrom b bei 415 nm zu bestimmen. Die vereinigten
- 23 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Fraktionen wurden nach der Entnahme einer Probe ("Source 15Q") von 300 µl
durch Ultrafiltration (Centricon 100, Millipore) etwa 30-fach auf weniger als 1 ml
aufkonzentriert. Die Proteinlösung wurde mit Hilfe einer Spritze direkt auf das
Gelbett
einer
mit
ADM,50-Puffer
equilibrierten
450 ml
Sephacryl
S-300 HR
Grössenausschluss-Chromatographiesäule (26 x 850 mm; Pharmacia Biotech)
aufgetragen. Die Proteine wurden in dem selben Puffer bei einer Flussrate von
0.2 ml/min eluiert und ab einem Elutionsvolumen von 180 ml in 3 ml Aliquots
fraktioniert,
sowie
die
Flussrate
auf
0.5 ml/min
erhöht.
Es
wurde
die
NADH/Ferricyanid Oxidoreduktaseaktivität der Fraktionen sowie deren Absorbanz
bei 415 nm bestimmt. Vereinigt wurden die Fraktionen entsprechend des
späteren Verwendungszwecks. So wurden z. B. für die ESR- und die FTIRSpektroskopie ausschliesslich Fraktionen verwendet, die keine Absorbanz bei
415 nm aufwiesen, für Aktivitätsbestimmungen oder Inhibitor-Studien wurden
auch
weniger
reine
Fraktionen
verwendet.
Die
Proteinkonzentration
der
vereinigten Fraktionen ("Sephacryl") wurde photometrisch durch die Absorbanz
bei 278 nm bestimmt (s. Kap. 3.6). Die vereinigten Fraktionen wurden in
Centricon 100-Konzentratoren
wie
oben
beschrieben
auf
etwa
10 mg/ml
konzentriert, aliquotiert, in flüssigem Stickstoff schockgefroren und bei -80 °C
gelagert.
3.1.2 Variationen der Präparation
Die oben beschriebene Standardpräparation entwickelte sich aus der
ursprünglich im Arbeitskreis etablierten Methode (Stolpe, 2003). Dabei wurden
die
Zellen
in
A-Puffer
mit
DNase,
PMSF
und
Lysozym
resuspendiert.
Anschliessend wurde die Zellsuspension in einem Teflon-in-Glas-Homogenisator
homogenisiert. Nach Zellaufschluss durch Druckentspannung und differentielle
Zentrifugationen wurden die isolierten Membranen mit 1.4 M NaBr behandelt, um
die bei den späteren chromatographischen Schritten mit dem Komplex I
koeluierende F0F1-ATPase zu spalten. Der abgespaltene F0- und F1-Teil der
ATPase
weisen
andere
chromatographische
Eigenschaften
als
die
intakte
F0F1-ATPase auf. Durch diese Behandlung gingen aber auch etwa zwei Drittel des
Komplex I verloren (Spehr et al., 1999; Stolpe, 2003). Nach Extraktion der
Membranproteine mittels DDM und Sedimentation der nicht solubilisierten Anteile
- 24 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
wurden die extrahierten Proteine durch Anionenaustausch-Chromatographie an
Source 15Q aufgetrennt. Die Proteine der Fraktionen mit Aktivität wurden mit
PEG
gefällt
und
Chromatographie
nach
an
Resuspendieren
Ultrogel
AcA 34
über
(Serva)
eine
oder
GrössenausschlussSephacryl
S-300 HR
(Pharmacia Biotech) weiter aufgereinigt. Abschliessend wurde Komplex I über
eine weitere Anionenaustausch-Chromatographie an Source 15Q (Pharmacia
Biotech) erhalten.
Zellaufschluss: Es wurde untersucht, ob der Aufschluss der E. coli Zellen
durch osmotischen Schock vorteilhaft ist (Kaback, 1968; Leduc und van
Heijenoort, 1980; Tkac et al., 2004). Dazu wurden 10 g Zellen mit 100 ml MilliQ-Wasser durch kurzes Mixen (Stufe low; Commercial Blender, Waring) und
anschliessender
Zentrifugation
für
20 min
bei
48'000 g
(Rotor
A8.24,
20'000 Upm; RC-5 Superspeed Refrigerated Centrifuge, Sorvall) gewaschen. Die
Zellen wurden unter Rühren bei Raumtemperatur in 60 ml Milli-Q-Wasser
resuspendiert und 30 min inkubiert. Dann wurde durch Zugabe von A-Puffer mit
7.5 M NaBr eine NaBr-Endkonzentration von 1 M eingestellt und für 1 Std unter
Rühren bei Raumtemperatur inkubiert. Es wurden auch eine Inkubation mit 1 M
MgSO4 oder 20 % (w/v) Saccharose ausprobiert. Nach erneuter Zentrifugation
wie oben beschrieben wurde das Sediment unter Rühren in 50 ml 50 mM Tris(hydroxymethyl)-aminomethan (Tris; Roth)/HCl, 50 mM NaCl, pH 7.5 unter
Zusatz einer kleinen Spatelspitze DNase, einer grossen Spatelspitze Lysozym und
100 µl PMSF (0.1 mM in Isopropanol) resuspendiert. Die Zellwand wurde durch
Inkubation über Nacht bei 6 °C enzymatisch abgebaut. Es wurde 1 Std bei
180'000 g wie oben beschrieben zentrifugiert, das Sediment in einen Teflon-inGlas-Homogenisator überführt und in 2 ml A50-Puffer pro Gramm Zellen
homogenisiert. Die Membranproteine wurden wie oben beschrieben mit 3 % DDM
extrahiert und nicht solubilisierte Bestandteile durch Zentrifugation bei 180'000 g
sedimentiert. Zur Vorreinigung wurde der Extrakt auf einer AnionenaustauschChromatographie an 40 ml Fractogel EMD TMAE Hicap (M) (26 x 75 mm; Merck)
aufgetrennt und dabei der Überschuss an Detergenz entfernt. Zunächst wurden
schwach gebundene Proteine durch Stosselution mit 150 mM NaCl in ADM-Puffer
von
der
Säule
gewaschen.
Stärker
gebundene
Proteine
wurden
durch
Stosselution mit einer NaCl-Konzentration von 320 mM NaCl eluiert, das Eluat
mit 9 % (w/v) PEG wie beschrieben gefällt und nach Zentrifugation in etwa 5 ml
- 25 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
ADM-Puffer
mit
150 mM
NaCl
resuspendiert.
Nach
einer
weiteren
Anionenaustausch-Chromatographie an 40 ml Source 15Q (26 x 75 mm) mit
einem linearen 240 ml Gradienten von 150 bis 320 mM NaCl in ADM-Puffer wurde
eine Grössenausschluss-Chromatographie an 450 ml Sephacryl S-300 HR wie
beschrieben durchgeführt, wobei der Puffer zusätzlich 5 mM MgCl2 enthielt. Die
NADH/Ferricyanid-Oxidoreduktaseaktivität der Fraktionen wurde bestimmt und
die Proteinzusammensetzung der Gipfelfraktionen mittels SDS-PAGE analysiert.
Chromatographien: Da der auf die Source 15Q-Säule aufgetragene Extrakt
viel
Lipid
und
weitere,
nicht
gelöste
Bestandteile
enthielt,
musste
das
Säulenmaterial nach jedem Gebrauch regeneriert werden. Um das relativ teure
Source 15Q Material zu schonen, wurde zur Vorreinigung des Komplex I das
günstigere Fractogel EMD TMAE Hicap (M) eingeführt. Dieses bildet mit 40 bis
90 µm
Partikelgrösse
im
Vergleich
zum
Source 15Q-Material
mit
15 µm
Partikelgrösse deutlich grössere Poren zwischen den Partikeln aus, wodurch
grosse Flussraten möglich sind. Daher eignet sich dieses Material auch
hervorragend dazu, möglichst schnell die hohe, für den Komplex I schädliche
Detergenzkonzentration des Extrakts zu verringern. Durch Abstandshalter an der
Matrix angebrachte funktionelle Gruppen (Tentakel vom Q-Typ) sollen zudem
Schädigungen des gebundenen Proteins aufgrund elektrostatischer Wechselwirkungen vermindert werden. Zunächst wurde diese Chromatographie als
Stufenelution mit einer ersten Stufe bei 150 mM NaCl und einer zweiten Stufe bei
300 mM NaCl und Flussraten von 12 bis 15 ml/min durchgeführt. In späteren
Versuchen wurde nach der ersten Stufe eine Trennung der gebundenen Proteine
über einen linearen Gradienten bei einer Flussrate von 4 ml/min getestet. Um
mit dem Eluat der ersten Anionenaustausch-Chromatographie die nachfolgende,
zweite Anionenaustausch-Chromatographie beladen zu können, musste die
Salzkonzentration des Eluats verringert werden. Dazu wurden drei Verfahren
angewendet. Die Proteine wurden entweder mit PEG wie oben beschrieben gefällt
und das Sediment im gewünschten Puffer resuspendiert, oder die Lösung durch
Ultrafiltration in Centricon-100 Konzentratoren eingeengt und mit A-Puffer so
weit verdünnt, dass die Proteine an die folgende Source 15Q-Säule binden
konnten, oder das Eluat direkt mit dem entsprechenden Volumen A-Puffer
verdünnt.
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3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Wie von Pohl (2004) gezeigt wurde, ist der E. coli Komplex I auch bei
pH 6.5 stabil. Deshalb wurde versucht, die Proteine über eine AnionenaustauschChromatographie an Source 15Q bei pH 6.5 aufzutrennen. Ebenso wurde
versucht, mit dem NaCl-Gradienten gleichzeitig einen pH-Gradienten von pH 6
bis 7 für die Elution bei dieser Chromatographie anzulegen.
Die oben erwähnte Koelution von ATP-Synthase und Komplex I wurde in
der Präparation nach Sazanov und Mitarbeitern (2003) nicht beschrieben. Es
stellte sich daher die Frage, ob die Regeneration der Säulen einen Einfluss auf
deren
Trennleistung
hat.
Deshalb
wurden
die
Anionenaustausch-
Chromatographiesäulen nach Regeneration mit 2 M NaCl und 1 M NaOH mit vier
bis fünf Säulenvolumina A50-Puffer gewaschen und anschliessend mit einem
Säulenvolumen
ADM,50-Puffer
reequilibriert.
Es
wurde
untersucht,
ob
die
Equilibrierung mit grösseren Volumina des Detergenz-haltigen Puffers die
Trennleistung verbessert.
Die
Grössenausschluss-Chromatographie
wurde
ursprünglich
mit
0.3 ml/min über Nacht eluiert. Mit dem Ziel, die Dauer der Präparation auf einen
Tag zu beschränken, wurde die Trennleistung der Säule bei einer Flussrate von
2 ml/min getestet. Dadurch wurde diese Chromatographie von etwa 16 auf
2.5 Std verkürzt.
Spaltung der ATP-Synthase: Die Behandlung der Membranen mit NaBr
führte zu grossen Ausbeuteverlusten, daher wurde ein für den Komplex I
schonenderes Verfahren zur Spaltung der ATP-Synthase gesucht. Es ist bekannt,
dass die Stabilität der ATP-Synthase von Mg2+ abhängig ist und durch
Behandlung mit Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA; Roth) unter Niedrigsalzbedingungen gestört wird (Suzuki et al., 2002; Reuter, 2005). Daher wurden die
isolierten Membranen vor Extraktion der Membranproteine mit 5 mM MES/NaOH,
pH 6.0 und 5 mM EDTA (Spaltungspuffer) behandelt. Weiterhin wurde das
Sediment der PEG-Fällung im Anschluss an die erste Chromatographie an
Fractogel in Spaltungspuffer mit 0.1 % (w/v) DDM resuspendiert und 10-20 min
unter Rühren auf Eis inkubiert.
- 27 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Additive: Nachdem in der Literatur beschrieben worden war, dass Ca2+ und
Mg2+ eine stabilisierende Wirkung auf Komplex I besitzen sollen (Sazanov et al.,
2003), wurde allen Puffern 5 mM MgCl2 (Roth) zugesetzt. Mit der gleichen
Absicht wurde den Chromatographie-Puffern auch 0.005 (w/v) Asolectin aus
Sojabohne (Sigma) zugesetzt (Sharpley et al., 2006). Um den Komplex I vor
Oxidationsschäden zu schützen, wurde er unter reduzierenden Bedingungen mit
5 mM Dithiothreitol (Gerbu) in allen Puffern präpariert.
3.2 Aktivitätsmessungen
3.2.1 (d-)NAD(P)H Oxidaseaktivität
Die Atmungsaktivität der Cytoplasma-Membranen des E. coli Stamms
ANN001, in dem das Gen für die NADH Dehydrogenase II durch Insertion einer
Resistenzkassette inaktiviert ist, wurde bei 30 °C durch Abnahme der Sauerstoffkonzentration mit einer Clark-Sauerstoffelektrode (RE K1-1, Oxytec) gemessen.
Zur Kalibrierung wurde 1 ml Sauerstoff-gesättigter Puffer mit Natriumdithionit
vollständig reduziert. Dieser Ausschlag entspricht 237 µM Sauerstoff (Truesdale
und Downing, 1954). Zur Messung wurden 25 µl einer Membransuspension mit
einer Proteinkonzentration von etwa 30 mg/ml in die Messzelle mit 1 ml
A50-Puffer oder 1 ml 50 mM Tris/HCl, 50 mM NaCl, pH 7.5 injiziert. Die Reaktion
wurde durch Zugabe von 400 µM NADH, NADPH oder Desamino (d)-NADH
(Sigma) gestartet. Die Nukleotidlösungen wurden in der Regel frisch angesetzt.
Die Konzentrationen eingefrorener Nukleotidlösungen wurden vor erneuter
Benutzung photometrisch bei 340 nm (ε340 = 6'178 M-1 cm-1; Friedrich et al.,
1994) bestimmt. Die physiologische Komplex I-Aktivität in der Membran wurde
mit 22.5 µM Piericidin A (4.5 mM in EtOH; aus Institutsbeständen) inhibiert. Alle
Messungen wurden von Herrn Daniel Schneider (2005) im Rahmen seiner
Diplomarbeit durchgeführt.
- 28 -
3. Material und Methoden
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3.2.2 NAD(P)H/Ferricyanid Oxidoreduktaseaktivität
Die artefizielle NADH/Ferricyanid Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I
wurde
durch
Messung
Elektronenakzeptors
der
zeitlichen
Abnahme
Kaliumhexacyanoferrat(III)
der
Absorbanz
(K3[Fe(CN)6])
bei
des
420 nm
(ε420 = 1 mM-1 cm-1; Gemperli et al., 2002; Ultrospec 1000, Pharmacia Biotech)
und bei Raumtemperatur bestimmt. Es wurden 200 µM NADH (10 mM in H2O;
Gerbu) in 1 ml 1 mM K3[Fe(CN)6]-Lösung (in A50-Puffer; Fluka) vorgelegt und die
Reaktion durch Zugabe von 3-10 µl Probe gestartet.
Substratspezifität: Das NADH Dehydrogenase-Modul des Komplex I wird
von den Untereinheiten NuoE, NuoF und NuoG gebildet und enthält das FMN,
sechs Fe-S Zentren, sowie die NADH-Bindestelle. Das Modul katalysiert die
Elektronenübertragung von NAD(P)H auf künstliche Elektronenakzeptoren wie
Hexaaminruthenium(III) (Gavrikova et al., 1995) oder K3[Fe(CN)6] (Braun et al.,
1998). Das in der NADH Bindestelle enthaltene konservierte Phenylalanin 67 auf
NuoF (Hinchliffe und Sazanov, 2006) könnte die Affinität des Moduls zu NADPH
verringern, da es möglicherweise sterisch die C2'-Phosphatgruppe der AdenosylRibose des NADPH behindert. Daher wurden von Frau Miriam Herbstritt (2007)
diverse F67F-Mutationen auf dem Vektor pET11a/nuoB-G/FC (Bungert, 1999)
generiert. Dieser Vektor enthält die Gene nuoB-G des Komplex I, deren
Expression zur Produktion des NADH Dehydrogenase-Moduls im Cytosol führt
(Braun et al., 1998). Am 3'-Ende von nuoF wurde die Sequenz für den
StrepTagII eingefügt, was die Isolierung des Moduls durch eine AffinitätsChromatographie an StrepTactin ermöglicht. Der E. coli Stamm BL21(DE3) wurde
mit dem Plasmid pET11a/nuoB-G/FC transformiert und die Transformante im 10 l
Maßstab angezogen (Herbstritt, 2007). Das Cytosol der Zellen wurde durch
Anionenaustausch-Chromatographie
an
Fractogel
EMD
TMAE
Hicap
(M)
vorgereinigt und das NADH Dehydrogenase-Modul durch eine anschliessende
Affinitäts-Chromatographie
an
StrepTactin
(IBA)
isoliert.
Eine
detaillierte
Vorschrift ist von Dörner (2006) beschrieben. Die kinetischen Parameter der
NAD(P)H/Ferricyanid Oxidoreduktaseaktivität des NADH Dehydrogenase-Moduls
wurden mit der Präparation aus dem Ausgangsstamm und den NuoF-Mutanten
F67A, F67G, F67E, F67H, F67Q und F67Y bestimmt (Herbstritt, 2007). Die
apparente Michaelis-Konstante des Elektronenakzeptors K3[Fe(CN)6] beträgt
etwa 130 µM (Braun et al., 1998). Um unter annähernd gesättigten Bedingungen
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3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
zu messen wurden daher 2 mM K3[Fe(CN)6] vorgelegt und die Änderung der
Absorbanz bei 444 nm aufgenommen. Der molare Absorptionskoeffizient bei
dieser Wellenlänge wurde UV/vis-spektroskopisch durch einen Vergleich der
Absorbanz einer 0.5 mM K3[Fe(CN)6]-Lösung bei 420 nm (ε420 = 1 mM-1 cm-1;
Gemperli et al., 2002) mit der Absorbanz dieser Lösung bei 444 nm zu
ε444 = 480 M-1 cm-1 bestimmt.
3.2.3 NAD(P)H:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität
Die physiologische Aktivität des Komplex I wurde als NADH:DecylUbichinon Oxidoreduktaseaktivität in einer gerührten Küvette in 1 ml A50-Puffer
mit einem Lichtweg von 1 cm bei Raumtemperatur gemessen. Es wurden in der
Regel entweder 20 µg isolierter Komplex I oder 5 µg eines 1:1 (w/w)-Gemischs
von Komplex I mit polaren Lipiden aus E. coli (PLec; je 1 mg/ml in ADM,50-Puffer;
Avanti), das zunächst für 1 min auf Eis inkubiert wurde, eingesetzt. Nach Zugabe
von 50 µM 2,3-Dimethoxy-5-methyl-6-decyl-1,4-benzochinon (DQ; 10 mM in
EtOH; aus Institutsbeständen) wurde die Reaktion mit 100 µM NADH (10 mM in
Wasser) gestartet. Die zeitlichen Abnahme der Absorbanz von NADH bei 340 nm
(ε340 = 6'178 M-1 cm-1; Friedrich et al., 1994) wurde mit einem Ultrospec 1’000Photometer (Pharmacia Biotech) gemessen.
Substratspezifität:
Die
kinetischen
Parameter
der
NAD(P)H:Decyl-
Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I wurden bestimmt. Dabei
wurden Konzentrationen von 0.25 bis 50 µM DQ und 3 bis 150 µM NADH oder
0.025 bis 5 mM NADPH eingesetzt. Die DQ-Titrationen wurde in Gegenwart von
100 µM NADH oder 5 mM NADPH durchgeführt und die Abnahme der Absorbanz
des DQ bei 420 nm (ε420 = 1'840 M-1 cm-1) gemessen. Der Absorptionskoeffizient
wurde durch den Vergleich der Differenz der Absorbanz des DQ bei 285 nm und
320 nm (ε285-320 = 9'100 M-1 cm-1; Bechmann et al., 1992) mit der Absorbanz bei
420 nm bestimmt. Die NAD(P)H-Titrationen fanden in Gegenwart von 50 µM DQ
statt. Um nicht an die Grenze der Empfindlichkeit des Photometers zu stossen,
wurde die Wellenlänge im Verlauf der NADPH-Titration bei hohen NukleotidKonzentrationen
angepasst:
ε378 = 1'588 M-1 cm-1,
ε400 = 172 M-1 cm-1
und
ε408 = 52 M-1 cm-1. Die molaren Absorptionskoeffizienten an den entspechenden
Wellenlängen wurden UV/vis-spektroskopisch mit einer NADH-Lösung bestimmt,
- 30 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
deren Konzentration über die Absorbanz bei 340 nm (ε340 = 6'178 M-1 cm-1;
Friedrich et al., 1994) ermittelt worden war. Die Absorptionskoeffizienten wurde
von den kleineren zu den grösseren Wellenlängen bestimmt, wobei jeweils der
Absorptionskoeffizient
der
höchsten
Wellenlänge
als
Referenz
für
die
nächstgrössere Wellenlänge diente. Die Konzentration der NADH-Lösung wurde
so eingestellt, dass ihre Absorbanz bei der Referenzwellenlänge um 0.5 lag. Der
Einfluss
verschiedener
Protonenkonzentrationen
auf
die
NAD(P)H:Decyl-
Ubichinon Oxidoreduktase-aktivität des Komplex I wurde bei pH-Werten von 5.0
bis 8.5 in Schritten von 0.5 pH-Einheiten mit 100 µM NADH oder 1 mM NADPH
und je 50 µM DQ bestimmt.
Na+-Abhängigkeit: Es wurde berichtet, dass der Komplex I aus E. coli nicht
Protonen, sondern Natriumionen translozieren soll (Steuber et al., 2000). Sollte
dies zutreffen, wäre ein Einfluss der Na+-Konzentration auf die Aktivität des
Enzyms zu erwarten. Daher wurde die NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I in Abhängigkeit von der Na+-Konzentration gemessen. Da
Natriumsalze im Laboralltag weit verbreitet sind, wurden alle verwendeten
Glasgefässe gründlich mit Milli-Q-Wasser gespült. Als Messpuffer diente 50 mM
MES/KOH, pH 6.0 mit 100 mM KCl in Milli-Q-Wasser. Dessen Na+-Gehalt wurde
am Institut für Mineralogie, Petrologie und Geologie der Albert-LudwigsUniversität Freiburg mit Hilfe der Atomabsorptionsspektroskopie zu 25 µM
bestimmt. Durch Mischen mit 50 mM MES/KOH, pH 6.0 mit 100 mM NaCl wurden
Na+-Konzentrationen zwischen 25 µM und 100 mM eingestellt. Der Komplex I
wurde für die Messungen durch mehrfache Ultrafiltration und Verdünnung in
50 mM MES/KOH, 100 mM KCl, pH 6.0 umgepuffert. Es wurden pro Messung
5 µg Komplex I als
1:1 (w/w)-Gemisch mit PLec (16.5 mg/ml;
in 50 mM
MES/KOH, pH 6.0, 100 mM KCl mit 3.5 % (w/v) DDM) eingesetzt. Die Reaktion
wurde mit 100 µM des K+-Salzes von NADH (Sigma) gestartet. Da ausserdem
berichtet wurde, dass bei höheren pH-Werten Komplex I als Na+-Pumpe arbeiten
soll (Steuber et al., 2000), wurden analoge Messungen in 50 mM Tris/HCl,
pH 7.5 mit 100 mM KCl durchgeführt. Aufgrund der zunehmenden Instabilität
des Komplex I in basischem Milieu (Leif et al., 1995; Böttcher et al., 2002; Pohl,
2004) waren Messungen bei höherem pH-Wert nicht möglich. Diese Messungen
wurden von Herrn Daniel Schneider (2005) im Rahmen seiner Diplomarbeit
durchgeführt.
- 31 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Effekt von Lipiden: Die chromatographische Isolierung des Komplex I führt
zu einem Verlust der physiologischen NADH:Chinon Oxidoreduktaseaktivität, der
durch Zugabe von Phospholipiden zu der Präparation aufgehoben werden kann
(Dröse et al., 2002; Sinegina et al., 2005; Sharpley et al., 2006). Um zu
untersuchen, wie sich die Aktivität des isolierten E. coli Komplex I durch
Inkubation mit Phospholipiden verändert, wurde die NADH:Decyl-Ubichinon
Oxidoreduktaseaktivität des Enzyms mit Lipiden titriert. Die Lipide (Tab. 3-2)
wurden zu 10 mg/ml in A50-Puffer und 1 % (w/v) DDM unter Schütteln bei 6 °C
solubilisiert. Bei unvollständiger Solubilisierung wurde die DDM-Konzentration auf
max. 3 % (w/v) erhöht. Aus den Stammlösungen wurden durch viermalige
1:10-Verdünnung in A50-Puffer Lösungen von 1.0, 0.1, 0.01 und 0.001 mg/ml
hergestellt. Es wurden 5 µg Komplex I (1 bis 3 mg/ml in ADM,50-Puffer) mit
Phospholipid (3 bis 25 µl der entsprechenden Verdünnung) in Komplex I zu Lipid
Gewichtsverhältnissen von 0.001 bis 2 gemischt und 1 min auf Eis inkubiert.
Dann wurde die NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität bestimmt. Die
Zeitabhängigkeit der Aktivierung des Komplex I durch PLec wurde von Frau
Miriam Kaufenstein gemessen. Da innerhalb einer Titrations-Reihe die Menge des
Detergenz entsprechend der Menge des zugegebenen Lipids variierte, wurde der
Effekt von DDM auf die NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktase-aktivität des
Komplex I untersucht. Die Messungen wurden sowohl mit isoliertem Komplex I,
als auch mit einem 1:1 (w/w)-Gemisch von Komplex I und PLec, das zunächst für
10 min auf Eis inkubiert worden war, bei DDM zu Komplex I Verhältnissen von
0.01 bis 100 (w/w) durchgeführt.
Tab. 3-2; Lipide und Lipidgemische, deren Effekt auf die NADH:Decyl-Ubichinon
Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I untersucht wurde.
Lipid
polarer Extrakt
totaler Extrakt
Phosphatidylethanolamin
Phosphatidylglycerol
Cardiolipin
Phosphatidylethanolamin
Phosphatidylcholin
Cardiolipin
Phosphatidylserin
Asolectin
Dioleylphosphatidylcholin
Herkunft
Abkürzung
Firma
E. coli
E. coli
E. coli
E. coli
E. coli
Eigelb
Eigelb
Rind
Rind
Soja
synthetisch
PLec
TLec
PEec
PGec
CLec
PEeg
PCeg
CLbt
PSbt
SL
DOPC
Avanti
Avanti
Sigma
Avanti
Avanti
Fluka
Fluka
Fluka
Fluka
Sigma
Sigma
- 32 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Hemmung: Es wird davon ausgegangen, dass Piericidin A direkt oder nahe
an der Chinon-Bindestelle des Komplex I bindet (Friedrich et al., 1994; Okun
et al., 1999). Da die Zugabe von Phospholipiden zum isolierten Komplex I eine
Änderung in der Geometrie der Chinon-Bindestelle hervorrufen könnte, wurde die
Sensitivität der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I
gegenüber Piericidin A in An-, oder Abwesenheit von Lipiden untersucht. Die
Messungen erfolgten wie oben beschrieben, wobei der Komplex I im Ansatz vor
Starten der Reaktion mit NADH 3 min bei Raumtemperatur mit 2 bis 60 µM
Hemmstoff inkubiert worden war.
Desweiteren
wurde
untersucht,
ob
Substanzen,
die
vermutlich
am
Ionentranslokationsweg angreifen, auch den Elektronentransfer des E. coli
Komplex I inhibieren. Der Hemmstoff DCCD wurde zur Untersuchung der
Ionentranslokation von ATP-Synthasen und Atmungskettenkomplexen verwendet
(Yagi, 1987; Vuokila und Hassinen, 1988 und 1989; Hassinen und Vuokila, 1993;
Kurki et al., 2000; Yagi und Matsuno-Yagi, 2003; Vgenopoulou et al., 2006). Die
ursprünglich
als
Na+/H+-Antiporter
Hemmstoffe
beschriebenen
Amiloride
erwiesen sich ebenfalls als Inhibitoren des mitochondrialen und bakteriellen
Komplex I
(Nakamaru-Ogiso
et al.,
2003a).
Falls
diese
Substanzen
mit
Aminosäuren wechselwirken, die an der Ionentranslokation beteiligt sind, sollte
eine Kompetition zu Na+-Ionen feststellbar sein, falls Komplex I Na+-Ionen
translozieren sollte. Daher wurde die Hemmung der Komplex I-Aktivität durch
die Amiloride Benzamil und 5-(N-Ethyl-N-isopropyl)-amilorid (EIPA), sowie DCCD
in 50 mM MES/KOH, pH 6.0 mit entweder 100 mM KCl, oder 100 mM NaCl
gemessen. Um eine mögliche Kompetition mit Protonen nachzuweisen, wurde
eine DCCD-Titration in 50 mM Tris/HCl, pH 7.8 und 100 mM NaCl durchgeführt.
Dazu wurde der Komplex I im Ansatz vor dem Start der Reaktion für die
Hemmung mit den Amiloriden 5 min bei Raumtemperatur, für die Hemmung mit
DCCD 1 Std auf Eis inkubiert. Die Konzentrationen der in Ethanol gelösten
Hemmstoffe im Ansatz lagen im Bereich von 25 bis 300 µM für die Amiloride und
von
100 µM bis 1.4 mM
für
DCCD.
Es
Hemmstofflösung zugegeben.
- 33 -
wurden
maximal
10 µl
der
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Zn2+
ist
ein
Hemmstoff
für
verschiedene
Protonen-translozierende
Membranproteine (Link und von Jagow, 1995; Cherny und De Coursey; 1999;
Axelrod et al., 2000; Gerencsér und Maróti, 2001; Kannt et al., 2001; Mills et al.,
2002). Es wird spekuliert, dass Zn2+ möglicherweise den Translokationskanal
blockiert, den pKa-Wert einer katalytisch wichtigen Aminosäure beeinflusst oder
aber die konformative Beweglichkeit des Enzyms einschränkt. Eine mögliche
Hemmung der Protonentranslokation des Komplex I durch Zn2+ wurde bei
pH-Werten von 6.0 und 7.5 untersucht. Dazu wurde der Komplex I wie im
folgenden Kapitel beschrieben in Phospholipid-Vesikel rekonstituiert und die
Komplex I-Proteoliposomen entweder in 5 mM MES/NaOH, 50 mM NaCl, pH 6.0,
oder in 5 mM Tris/HCl, 50 mM NaCl, pH 7.5 aufgenommen. Die Protonentranslokation wurde fluoreszenzspektroskopisch in einem Puffer mit pH 6.0 und
7.5
mit
Hilfe
des
Indikators
9-Amino-6-chloro-2-methoxyacridin
(ACMA)
nachgewiesen (s. Kapitel 3.5.1). Die Hemmung der Protonentranslokation durch
Zn2+ wurde in einem Puffer mit pH 6.0 bei Zn2+-Konzentrationen von 10 bis
500 µM und bei pH 7.5 von 2 bis 100 µM untersucht, indem der Ansatz vor dem
Start der Reaktion durch Zugabe von NADH mit der entsprechenden Menge einer
ZnSO4-Lösung (Stammlösung: 1 mM oder 10 mM in Wasser) versetzt und für
1 min bei Raumtemperatur inkubiert wurde.
3.3 Rekonstitution des isolierten Komplex I in Proteoliposomen
Eine gängige Methode zur Untersuchung der Funktion von Membranproteinen
ist
die
Rekonstitution
des
Detergenz-solubilisierten
Enzyms
in
Phospholipidvesikel. Dies kann durch den Entzug des Detergenz aus einem
Gemisch von Phospholipid und Enzym mittels hydrophober Harze erfolgen, deren
Poren das Detergenz binden (Cheetham, 1979; Horigome und Sugamo, 1982;
Ueno et al., 1984; Dierks und Krämer, 1988). Die Grösse und Stabilität der
gebildeten Proteoliposomen, sowie der Einbau des Enzyms hängt dabei von der
Geschwindigkeit des Detergenzentzugs ab (Rigaud et al., 1995; Dolder et al.,
1996). Die gut untersuchten BioBeads SM-2 Polystyrol-Kügelchen der Firma
BioRad eignen sich hervorragend für diese Methode der Rekonstitution (Rigaud
et al., 1998).
- 34 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Die optimalen Bedingungen für die Rekonstitution des isolierten Komplex I
in PLec-Vesikel durch Detergenzentzug mit BioBeads sind in Stolpe (2003)
beschrieben. Es wurden etwa 200 µg Komplex I (1 bis 3 mg/ml in 5 mM
MES/NaOH oder KOH, pH 6.0, 0.1 % (w/v) DDM) mit der vier-, oder sechsfachen
Menge der Phospholipide (20 mg/ml; in 5 mM MES/NaOH oder KOH, pH 6.0,
2 % (w/v) DDM) gemischt. Der Salzgehalt des Rekonstitutionsansatzes wurde je
nach Experiment variiert und wird bei den entsprechenden Ergebnissen genannt.
Die BioBeads wurden vor Gebrauch in Milli-Q-Wasser gewaschen und bei
20 mbar entgast. Es wurde ein achtfacher Überschuss BioBeads bezogen auf den
DDM-Gehalt der Mischung zugegeben. Dafür wurde eine Aufnahmekapazität der
BioBeads von ca. 105 mg DDM/g BioBeads (Rigaud et al., 1998) zugrunde gelegt
und die DDM-Konzentrationen der Lipidlösung, der Komplex I-Lösung und das an
Komplex I gebundene Detergenz (Böttcher et al., 2002) berücksichtigt. Die
Wassermenge in den Poren der BioBeads wurde mit 10 % (w/w) angenommen.
Nach 3 Std unter Rühren auf Eis wurde die Suspension von den BioBeads
abpipettiert und 30 min bei 150'000 g (2 bar Luftdruck, Rotor A-100; Beckman
Airfuge) zentrifugiert. Die sedimentierten Proteoliposomen wurden in 100 µl des
gewünschten Puffers resuspendiert, der in den entsprechenden Kapiteln genannt
wird.
3.4 Szintillationsmessungen mit
22
Na+ an Proteoliposomen
Zum Nachweis einer möglichen Translokation von Na+-Ionen durch den
Komplex I aus E. coli wurden in Zusammenarbeit mit PD Dr. Reiner Hedderich
am Max-Plank-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg Messungen an
Komplex I-Proteoliposomen mit radioaktivem
Schönheit,
1989).
Der
Komplex I
wurde
22
Na+ durchgeführt (Kaesler und
bei
einem
Enzym
zu
PLec
Gewichtsverhältnis von 1:6 sowohl in 5 mM MES/NaOH, 10 mM NaCl, pH 6.0, als
auch in dem entsprechenden Tris/HCl-Puffer bei pH 7.5 rekonstituiert. Die
Proteoliposomen wurden entgegen der in Kapitel 3.3 beschriebenen Vorschrift
nicht sedimentiert sondern direkt verwendet. Die Protonen-Dichtigkeit der
Proteoliposomen wurde fluoreszenzspektroskopisch mit Hilfe des Indikators
9-Amino-6-chloro-2-methoxyacridin (ACMA) nachgewiesen (s. Kapitel 3.5.1) und
die
Sensitivität
des
ACMA-Signals
gegenüber
- 35 -
je
10 µM
des
Komplex I-
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Hemmstoffs
Piericidin A
chlorphenylhydrazon
sowie
(CCCP)
des
getestet.
Protonophors
Es
wurden
Carbonylcyanid-m5
oder
10 µl
der
Proteoliposomen-Suspension, 1 µl DQ (10 mM in EtOH), 3.3 µl einer 1:20Verdünnung der
22
NaCl-Lösung (18.23 mCi/ml, 652.28 mCi/mg; in Wasser;
Perkin Elmer) und 1 µl NADH (10 mM in Wasser) in einem Gesamtvolumen von
73 µl gemischt. Nach Reaktionszeiten zwischen 30 s und 3 min wurden die
Vesikel mit 600 µl des entsprechenden Puffers ohne NaCl über eine 1 ml
Dowex 50-K+
Kationen-tauschersäule
eluiert.
Dem
Eluat
wurden
4 ml
Scintillationsmix Quicksafe A (Zinsser Analytic) zugesetzt und die Radiokativität
in einem LS 6500 Scintillationszähler (Beckman) nachgewiesen.
3.5 Spektroskopische Methoden
3.5.1 Fluoreszenzspektroskopie an Komplex I-Proteoliposomen
Detektion eines Membranpotentials: Zum Nachweis eines durch die RedoxReaktion
des
in
Proteoliposomen
rekonstituierten
Komplex I
gebildeten
Membranpotentials wurde 8-Anilino-1-naphtalin-sulfonsäure (ANS) verwendet
(Slavik, 1982; Robertson und Rottenberg, 1983). ANS lagert sich in die Membran
ein und zeigt die Bildung eines Membranpotentials (Innen = positiv) durch die
Zunahme seines Fluoreszenzsignals an (Ahmed und Krishnamoorthy, 1994). Es
wurde
mit
einem
Kontron
SFM 25-Fluoreszenzspektrometer
bei
einer
Anregungswellenlänge von 380 nm und einer Emissionswellenlänge von 480 nm
gemessen. Die Änderung der Emission wurde bei Raumtemperatur in einer
Küvette mit Rührer und einem Messvolumen von 1 ml gemessen.
Der isolierte Komplex I wurde wie in Kapitel 3.3 beschrieben in 5 mM
MES/KOH, 80 mM NaCl, pH 6.0 in einem Enzym zu PLec Gewichtsverhältnis von
1:4 (w/w) rekonstituiert. Es wurden 3 µl der im oben genannten Puffer
resuspendierten Proteoliposomen mit 1 µM ANS (1 mM, in leicht alkalischem
Wasser; Sigma) und 50 µM DQ inkubiert und die Reaktion durch Zugabe von
50 µM NADH gestartet. Durch Zugabe von 10 µM des spezifischen Komplex I
Hemmstoffs
Piericidin A
sollte
überprüft
werden,
ob
die
registrierte
Fluoreszenzänderung durch die Aktivität des Komplex I hervorgerufen wird.
- 36 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Sollte der Komplex I aus E. coli in der Lage sein, sowohl Protonen als auch Na+Ionen über die Membran zu translozieren, müsste sowohl der Zusatz des
Protonophors CCCP (Sigma; Hatefi et al., 1982), als auch des Natriumionophors
N,N'-Dibenzyl-N,N'-diphenyl-1,2-phenylen-diacetamid (ETH-157; Fluka; Simon
und Carafoli, 1979) zu einem kleineren Membranpotential und somit kleineren
ANS-Signal führen. Werden entweder Protonen, oder Na+-Ionen transloziert,
würde das Membranpotential durch Zugabe eines der Ionophore vollständig
zusammenbrechen. Es wurden je 10 µM der Ionophore (aus Stammlösungen von
10 mM in Ethanol) zugegeben.
Detektion eines pH-Gradienten: Die Fluoreszenzlöschung von ACMA stellt
einen gängigen Nachweis für einen transmembranen Protonengradienten dar
(Bashford und Thayer, 1977; Kaim und Dimroth, 1993; Rottenberg und MorenoSanchez, 1993; Suzuki et al., 2002; Dröse et al., 2005; Vgnopoulou et al.,
2006). Das Fluorophor ändert in Abhängigkeit von seinem Protonierungsgrad
seine Lage in der Phospholipid-Doppelschicht. Die Fluoreszenzänderung ergibt
sich somit aus der unterschiedlichen Polarität der Umgebung des ACMA (Huang
et al., 1983). Die Abnahme der ACMA-Fluoreszenz wurde bei einer Anregungswellenlänge von 410 oder 430 nm und einer Emissionswellenlänge von 480 nm in
einem Messvolumen von 1 ml mit einem SFM 25-Fluoreszenzspektrometer
(Kontron) gemessen.
Es wurden 3 bis 10 µl der in 5 mM MES/NaOH, pH 6.0 oder 5 mM Tris/HCl,
pH 7.5 mit jeweils 80 mM NaCl resuspendierten Proteoliposomen mit 1 bis 2 µM
ACMA (1 mM in EtOH; Sigma) und 50 µM DQ in Puffer vorgelegt und die Reaktion
bei Raumtemperatur durch Zugabe von 50 oder 100 µM NADH gestartet. Für die
Messungen wurde der gleiche Puffer verwendet wie für das Resuspendieren der
Proteoliposomen, wobei das Gesamtvolumen immer 1 ml betrug. Der Nachweis
eines Protonengradienten sollte durch die Zugabe von entweder 10 µM CCCP
oder des Na+/H+-Tauschers Monensin (Sigma; Pressman, 1976) verifiziert, die
Reaktion durch 10 µM Piericidin A oder 100 µM DCCD gehemmt werden. Um zu
untersuchen, ob auch die NADPH-Oxidation durch den E. coli Komplex I mit einer
Protonentranslokation gekoppelt ist, wurde ein entsprechendes Experiment mit
5 mM NADPH als Substrat durchgeführt.
- 37 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Einfluss der Na+-Konzentration: Es wurde gezeigt, dass die isolierte und
rekonstituierte Untereinheit NuoL einen Na+/H+-Antiport bewerkstelligen kann
(Steuber, 2003). Um zu untersuchen, ob dies auch im vollständig assemblierten
Komplex I möglich ist, wurde der Komplex I bei einer NaCl-Konzentration von
entweder 80 mM oder 1 mM und 79 mM Tetramethylammonium-chlorid (TMA;
Aldrich) rekonstituiert und die Proteoliposomen in Puffer mit entweder 1 mM NaCl
und 79 mM TMA oder 80 mM NaCl untersucht.
3.5.2 Fourier-transformierte Infrarot (FTIR)-Differenzspektroskopie
Die FTIR-spektroskopischen Messungen wurden in Zusammenarbeit mit
Prof. Dr. Petra Hellwig, zu der Zeit am Institut für Biophysik der JohannWolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt/Main durchgeführt. Die elektrochemisch
induzierten
FTIR-Differenzspektren
wurden
gleichzeitig
als
Funktion
des
angelegten Potentials im Bereich von 4'000 bis 1'000 Wellenzahlen an einem
modifizierten IFS 25 Interferometer (Bruker) von der selben Probe registriert
(Moss et al., 1990; Mäntele, 1993). Es wurde eine optisch transparente
elektrochemische
Dünnschichtzelle
mit
Dreielektrodenanordnung
und
Ag/AgCl/3M KCl Referenzelektrode verwendet (Moss et al., 1990). Die GoldnetzArbeitselektrode
war
mit
2 mM
Cysteamin
modifiziert
worden,
um
die
Denaturierung des Proteins an der Elektrodenoberfläche zu verhindern (Hellwig
et al., 1998). Die Redox-Reaktion wurde durch Zusatz von Mediatoren (Tab 3-3.)
mit einer Endkonzentration von je 45 µM beschleunigt (Baymann, 1995; Hellwig,
1998). Die Differenzspektren wurden erhalten, indem das Spektrum der
reduzierten Probe vom Spektrum der oxidierten Probe subtrahiert wurde. Dazu
wurde zunächst ein vollständig reduzierendes Potential, dann ein vollständig
oxidierendes Potential angelegt und jeweils so lange Spektren registriert, bis
diese
sich
nicht
mehr
änderten.
Die
exakten
Potentiale
sind
bei
den
entsprechenden Ergebnissen angegeben. Die Gleichgewichts-einstellung erfolgte
in
weniger
als
10 min.
Üblicherweise
wurden
für
jedes
Spektrum 128
Interferogramme bei einer Auflösung von vier Wellenzahlen aufgenommen. Es
wurden
durch
Ultrafiltration
(Centricon 100,
aufkonzentriert Komplex I-Proben vermessen.
- 38 -
Millipore)
auf
etwa
0.2 mM
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Tab. 3-3; Für die FTIR-Spektroskopie eingesetzte Mediatoren und ihre Mittenpotentiale
(gegen NHE; nach Hellwig et al., 1998; Hellwig et al., 2000). Alle in dieser Arbeit
genannten Potentiale sind im Vergleich zur Wasserstoff-Normalelektrode angegeben.
Mediator
Em,7 [mV]
Tetrachlor-benzochinon
Tetramethyl-paraphenylendiamin
2,6-Dichlorphenol-indophenol
Rutheniumhexaminchlorid
1,2-Naphthochinon
Trimethyl-hydrochinon
Menadion
2-Hydroxy-1,4-Naphthochinon
Anthrachinon-2-sulfonat
Neutralrot
Benzylviologen
Methylviologen
280
270
217
200
145
100
-12
-125
-225
-307
-360
-446
Na+-Effekt: Um eine mögliche Beteiligung von Na+ an der enzymatischen
Reaktion zu untersuchen, wurden zunächst Spektren der Na+-pumpenden
NADH:Chinon Reduktase aus Vibrio cholerae (Zhou et al., 1999; Barquera et al.,
2002) in Anwesenheit von Na+ oder K+ aufgenommen. Dieser Enzymkomplex ist
nicht homolog zu dem respiratorischen Komplex I. Das Experiment wurde mit
Komplex I aus E. coli wiederholt und die Unterschiede in den Schwingungsmoden
der erhaltenen Spektren mit denen der primären Na+-Pumpe verglichen. Die
Proben wurden in 50 mM MES/NaOH oder KOH, pH 6.0, 200 mM NaCl oder KCl,
0.1 % (w/v)
DDM
vermessen.
Die
Enzyme
wurden
durch
dreimalige
Ultrafiltration mit jeweils anschliessender Verdünnung in den entsprechenden
Puffer überführt. Die Na+-Konzentration des KCl-haltigen Puffers wurde am
Institut für Mineralogie, Petrologie und Geologie der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg mit Hilfe der Atomabsorptionsspektroskopie zu weniger als 100 µM
bestimmt.
pH-Effekt:
Um
den
Einflusses
der
H+-Konzentration
auf
die
FTIR-Differenzspektren des Komplex I zu untersuchen, wurden Spektren des bei
pH 5.5, 6.5 und 7.5 inkubierten Enzyms aufgenommen. Dazu wurde der
Komplex I
durch
dreimalige
Ultrafiltration
mit
jeweils
anschliessender
Verdünnung in 50 mM Cacodylat (Sigma), 200 mM NaCl, 0.1 % (w/v) DDM des
entsprechenden pH-Werts umgepuffert.
- 39 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Lipid-Effekt:
Die
FTIR-Spektroskopie
wird
auch
zur
Untersuchung
struktureller Eigenschaften von Lipiden und Membranen eingesetzt (Mantsch
et al., 1981; Blume et al., 1988; Hübner et al., 1991; Désormeaux et al., 1992;
Popova und Hincha, 2003; Vogel und Siebert, 2003). Um die Wechselwirkungen
von Phospholipiden mit dem E. coli Komplex I zu untersuchen, wurde das
isolierte Enzym mit PLec in einem Gewichtsverhältnis von 1:1 gemischt, 20 min
auf Eis inkubiert und anschliessend durch Ultrafiltration konzentriert. Als
Messpuffer diente ADM,50-Puffer.
3.5.3 Elektronenspinresonanz (ESR)-Spektroskopie
Die
Fe-S Zentren des
Komplex I
sind
nur
im
reduzierten Zustand
paramagnetisch und somit ESR-spektroskopisch nachweisbar. Die Signale der
beiden binuklearen Fe-S Zentren N1a und N1b sind bei einer Temperatur von
40 K nachweisbar. Die zusätzlichen Signale der vier tetranuklearen Zentren N2,
N3, N4 und N7 werden bei 13 K nachgewiesen. Die ESR-Spektren wurden von
Prof. Dr. Thorsten Friedrich am Institut für Organische Chemie und Biochemie,
Albert-Ludwigs-Universität
Spektrometer
Freiburg,
aufgenommen,
das
mit
mit
einem
Bruker
einem
ESR-9
EMX
6/1
ESR-
Helium-Kryostaten
(Oxford Instruments) ausgestattet ist. Die Mikrowellenfrequenz betrug 9.44 GHz,
die
Modulations-amplitude
0.6 mT,
die
Zeitkonstante
124 ms
und
die
Aufnahmegeschwindigkeit 17.9 mT/min. Die durch Ultrafiltration (Centricon 100;
Millipore) auf 5 mg/ml konzentrierten Komplex I-Proben wurden nach Zugabe
des
gewünschten
Reduktionsmittels
zunächst in einer 5:1 (v/v)
zur
Vermeidung
von
Gaseinschlüssen
Isopentan/Methylcyclohexan-Kältemischung bei
-120 C, anschliessend in flüssigem Stickstoff gefroren und bis zur Messung bei
-80 °C gelagert.
Substratspezifität: Die Reduzierbarkeit der Fe-S Zentren des Komplex I
durch NADH und NADPH wurde untersucht. Das isolierte Enzym wurde hierzu mit
PLec in einem Gewichtsverhältnis von 1:1 in ADM,50-Puffer gemischt, so dass die
Endkonzentration 5 mg/ml betrug und 20 min auf Eis inkubiert. Dann wurden
Proben angesetzt, die mit einem 1'000-fachen Überschuss NAD(P)H für 5 s oder
1 min inkubiert wurden, sowie Proben, die mit einem 10-fachen Überschuss
- 40 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
NAD(P)H für 5 s inkubiert wurden. Weitere Proben wurden entweder mit einem
1'000-fachen Überschuss NAD(P)H und einem 10-fachen Überschuss DQ für
1 min, oder mit einem 10-fachen Überschuss NAD(P)H und einem 10-fachen
Überschuss DQ für 5 s inkubiert. Die kurze Inkubationszeit wurde durch den
Einsatz
eines
speziell
freundlicherweise
dafür
von
angefertigten
Mischstabes
Dr. Tomoko Ohnishi
und
erreicht,
der
Dr. Tsuyoshi Ohnishi,
Philadelphia, zur Verfügung gestellt wurde.
Bildung
von
Superoxid-Radikalen:
Die
Entstehung
von
Superoxid-
Radikalen während der NAD(P)H:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des
Komplex I wurde ESR-spektroskopisch bei Raumtemperatur untersucht. Die
Mikrowellenfrequenz betrug 9.65 GHz, die Modulationsamplitude 0.1 mT, die
Zeitkonstante 164 ms und die Aufnahmegeschwindigkeit 5.4 mT/min. Es wurden
in einem Gesamtvolumen von 1 ml je 1 mM NAD(P)H zu einem Komplex I/PLecGemisch (1:1 (w/w), je 45 µg) in A50-Puffer mit 100 mM des Radikalfängers
5-(Diethoxyphosphoryl)-5-methyl-1-pyrrolin-N-oxid
(DEPMPO;
Calbiochem)
(Frejaville et al., 1995; Roubaud et al., 1997; Vasquez-Vivar et al., 1997; Richer
und Ford, 2001) gegeben. Die enzymatische Aktivität wurde durch Zugabe von
100 µM DQ gestartet und die Probe für die ESR-Spektroskopie nach 1 min
entnommen. Zur Kontrolle wurde Superoxid Dismutase (100 U/ml; Sigma),
10 µM Piericidin A oder kein DQ eingesetzt.
Lipid-Effekt: Es wurde berichtet, dass die Zugabe von Asolectin aus
Sojabohne die ESR-Signale von zwei tetranuklearen Fe-S Zentren des Komplex I
aus
E. coli
konformative
verändert
(Sinegina
Umlagerung
et al.,
interpretiert
2005),
was
wurde.
Dies
als
Lipid-induzierte
wurde
mit
dem
mitochondrialen Komplex I allerdings nicht beobachtet (Dröse et al., 2002;
Sharpley et al., 2006). Um zu klären, ob Phospholipide einen Einfluss auf
einzelne Fe-S Zentren des Enzyms haben oder nicht, wurden ESR-Spektren des
isolierten Komplex I und des mit PLec in einem Gewichtsverhältnis von 1:1 (w/w)
inkubierten Komplex I aufgenommen. Die Proben waren durch einen 1000-fach
molaren Überschuss NADH reduziert worden.
- 41 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
3.5.4 Circulardichroismus (CD)-Spektroskopie
Durch CD-Spektroskopie lassen sich Änderungen in der Struktur von
Proteinen bestimmen (Johnson, 1990; Woody, 1995; Wallace, 2000). Die
Aufnahme von CD-Spektren erfolgte in Kooperation mit Prof. Dr. Petra Hellwig,
zu der Zeit am Institut für Biophysik der Johann-Wolfgang-von-GoetheUniversität in Frankfurt/Main an einem Jasco J-720 Spectropolarimeter. In einer
Küvette der Schichtdicke 0.01 cm wurden jeweils 20 µl Komplex I (1 mg/ml)
vermessen. Einzelne Proben wurden direkt vor der Messung mit einem
zehnachen molaren Überschuss an NADH oder NADPH versetzt. Die Messungen
wurden bei Raumtemperatur und einem Stickstofffluss von 8 l/min durchgeführt.
Die Auflösung betrug 0.5 nm, die Aufnahmegeschwindigkeit 50 nm/min. Es
wurden je vier Spektren gemittelt.
3.6 Verschiedene analytische Methoden
Gelelektrophorese: Es wurden diskontinuierliche NatriumdodecylsulfatPolyacrylamid Gele mit 3 %igem Sammel- und 14 %igem Trenngel verwendet
(SDS-PAGE; Laemmli, 1970). Je 15 µl Probe (etwa 60 µg Protein) wurden mit
5 µl Probenpuffer (8 % (w/v) SDS (USB), 20 % (v/v) Glycerin (Roth), 40 % (v/v)
1 M Tris, pH 6.8, 2.5 mM EDTA sowie je eine Spatelspitze Bromphenolblau
(Merck) und Dithiothreitol) versetzt und 30 min bei 60 °C geschüttelt. Der
Kammerpuffer bestand aus 14 % (w/v) Glycin (Merck), 3 % (w/v) Tris, pH 8.3
und 0.5 % (w/v) SDS. Die Proteine wurden bei einer Stromstärke von 30 mA
aufgetrennt. Die Proteinbanden wurden durch Behandlung des Gels mit heisser
Coomassie-Blau Lösung (0.1 (w/v) Coomassie Brilliant Blue R-250 (Serva),
50 % (v/v) EtOH, 10 % (v/v) AcOH in Wasser) und anschliessender Entfärbung
in 30 % (v/v) Ethanol, 10 % (v/v) Essigsäure sichtbar gemacht.
Proteinmengenbestimmung: Die Gesamtproteinmenge wurde nach der
Biuret-Methode (Gornall et al., 1949) bestimmt. Als Standard für eine Eichgerade
wurde eine Stammlösung von 10 mg/ml Rinderserumalbumin (Serva) verwendet.
Es wurden acht Ansätze zu je 100 µl mit Proteinkonzentrationen zwischen
0.5 und 10 mg/ml
mit
jeweils
1 ml
6 % (w/v)
- 42 -
Trichloressigsäure
(Merck)
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
versetzt. Das ausgefallene Protein wurde mit einer Eppendorf Tischzentrifuge
sedimentiert (30 s, 14'000 Upm; Centrifuge 5415 C) und der Überstand
abgenommen. Nach Zugabe von 1 ml Biuret-Reagenz (0.5 % (w/v) K+-Na+Tartrat (Fluka), 0.3 % (w/v) CuSO4•5H2O (Merck), 0.5 % (w/v) KJ, 0.2 M NaOH)
wurden die Ansätze 30 min bei Raumtemperatur geschüttelt. Dann wurde die
Absorbanz
der
Proben
bei 546 nm
bestimmt
(Ultrospec 1000,
Pharmacia
Biotech). Mit den zu untersuchenden Proben wurde entsprechend verfahren. Um
den Einfluss der Lichtstreuung durch Micellen oder Lipid-Aggregate auf die
Absorbanz zu minimieren, wurde der Biuret-Farbkomplex durch Zugabe einiger
Körnchen Kaliumcyanid zerstört und die Messung wiederholt. Die Differenz beider
Werte lieferte die vom Beitrag der Lichtstreuung bereinigte Absorbanz. Alle
Werte wurden doppelt bestimmt.
UV/vis-spektroskopische
Bestimmung
der
Proteinkonzentration:
Die
Konzentration des isolierten Komplex I wurde UV/vis-spektroskopisch bei 278 nm
(Ultrospec 1000,
Pharmacia
Biotech)
unter
Zuhilfenahme
des
aus
der
Aminosäuresequenz mit Inkrementen für Tyrosin, Tryptophan und Cystin
bestimmten Absorptionskoeffizienten (Gill und von Hippel, 1989) von Komplex I
bei 278 nm (ε278 = 764 mM-1cm-1; Spehr et al., 1999) ermittelt. Die Berechnung
der Proteinkonzentration erfolgte aus der gemessene Absorbanz nach dem
Lambert-Beer´schen Gesetz.
Proteinsequenzierung: Für die N-terminale Sequenzierung wurden die
Proteine durch SDS-PAGE aufgetrennt und anschließend durch ein elektrisches
Feld auf eine Polyvinylidendifluorid-Membran (PVDF; Westran S, Schleicher und
Schuell) übertragen. Dazu wurde das Gel nach der SDS-PAGE 5 min in 25 mM
Tris/HCl, 190 mM Glycin, 20 % (v/v) Methanol, 0.05 % (w/v) SDS, pH 7.5
(Blotpuffer) equilibriert. Die PVDF-Membran wurde kurz mit Methanol getränkt
und anschließend ebenfalls 5 min in Blotpuffer equilibriert. Außerdem wurden
vier Lagen Whatman-Filterpapier und zwei dünne Schwämme mit Blotpuffer
getränkt.
Die
einzelnen
Bestandteile
wurden
in
folgender
Reihenfolge
luftblasenfrei zwischen zwei Plastikgitter geklemmt: ein Schwamm, zwei Lagen
Whatman-Filterpapier, die Membran, das Gel, zwei weitere Lagen WhatmanPapier und der zweite Schwamm. Der Aufbau wurde in eine mit Blotpuffer
gefüllten Tankblot-Apparatur (160 x 240 x 100 mm; Eigenbau) gestellt und die
- 43 -
3. Material und Methoden
___________________________________________________________________________
Proteine 60 min bei 400 mA und 4 °C auf die Membran übertragen. Die
Proteinbanden wurden bei Raumtemperatur durch 5 min Inkubation in PonçeauS-Färbelösung
(0.5 % (w/v)
Ponçeau-S
(Merck),
0.1 % (v/v)
Essigsäure)
angefärbt und anschließend in 30 % (v/v) Methanol, 10 % (v/v) Essigsäure
entfärbt. Nach Ausschneiden der gewünschten Bande standen die Proteine für die
Sequenzierung zur Verfügung. Diese wurde von Dr. Emile Schiltz am Institut für
Organische Chemie und Biochemie an der Universität Freiburg mit einem
477A +120A Protein Sequencer (Applied Biosystems) durchgeführt.
- 44 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
4.
Ergebnisse
4.1 Isolierung des Komplex I aus E. coli
4.1.1 Standardpräparation
Die Zellen des E. coli Stamms ANN003/pAR1219 wurden in Puffer
suspendiert und mittels Druckentspannung aufgeschlossen. Nach Isolation der
Membranen durch differentielle Zentrifugation wurden die Membranproteine mit
DDM
solubilisiert.
Der
Komplex I
Chromatographien
und
eine
wurde
durch
zwei
Anionenaustausch-
Größenaustausch-Chromatographie
gereinigt.
Tabelle 4-1 zeigt den Verlauf der Reinigung des Komplex I, Abbildung 4-1 die
Elutionsprofile
der
Anionenaustausch-Chromatographien
an
Fractogel
und
Source 15Q, sowie der Größenausschluss-Chromatographie an Sephacryl. Die
Reinheit der Proben nach der Größenausschluss-Chromatographie wurde durch
eine SDS-PAGE überprüft (Abb. 4-1, D).
Tab. 4-1; Isolation des Komplex I aus 30 g Zellen des E. coli Stamms ANN003/pAR1219.
Volumen
Protein
[ml]
[mg]
gesamt [U]
spezifisch [U/mg]
[%]
Membranen
60
1'900
6'650
3.5
100
Extrakt
58
1'200
4'320
3.6
65
Fractogel
90
300
3'200
11
48
Source 15Q
26
44
1'560
36
24
Sephacryl
15
12
800
67
12
Probe
NADH/Ferricyanid Oxidoreduktaseaktivität Ausbeute
- 45 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Abb. 4-1; Isolierung des Komplex I aus E. coli. (A) Chromatographie an Fractogel EMD
TMAE Hicap (M); (B) Chromatographie an Source 15Q; (C) Chromatographie an
Sephacryl S-300 HR; (─) Absorbanz bei 280 nm; (■) NADH/Ferricyanid Reduktaseaktivität; (---) NaCl-Gradient. (D) zeigt das Bandenmuster der SDS-PAGE der
Gipfelfraktionen der Grössenausschluss-Chromatographie.
- 46 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
4.1.2 Variationen des Präparationsprotokolls
Die
im
Arbeitskreis
etablierte
Präparationsmethode
beinhaltete
das
Waschen der Membranen mit NaBr, um die bei den chromatographischen
Schritten mit Komplex I koeluierende ATP-Synthase in den F0- und F1-Teil zu
spalten (Spehr et al., 1999). Der Komplex I wurde nach Extraktion aus der
Membran mit DDM durch eine erste Anionenaustausch-Chromatographie an
Source 15Q, gefolgt von einer Grössenausschluß-Chromatographie entweder an
Ultrogel AcA 34 oder an Sephacryl S-300 HR und einer abschliessenden
Anionenaustausch-Chromatographie an Source 15Q aufgereinigt. Mit dem Ziel
die Ausbeute an intaktem Komplex I zu erhöhen, wurde das Protokoll variiert,
woraus
sich
die
beschriebene
Standardpräparation
entwickelte.
Weitere
Variationen werden im Folgenden vorgestellt:
Behandlung der Zellen mit Lysozym: Vor dem Zellaufschluss durch
Druckentspannung wurde der Zellsuspension ursprünglich Lysozym zugesetzt. Es
zeigte
sich,
dass
eine
zu
hohe
Konzentration
an
Lysozym
zu
einem
unbefriedigenden Ergebnis, bis hin zum Erhalt intakter Zellen führt (T. Pohl,
persönliche Mitteilung). Der Grund dafür ist nicht bekannt. Daher wurde auf die
Zugabe von Lysozym verzichtet, was sich nicht auf die Membranausbeute
auswirkte. Nach wie vor wurden etwa 25 % des eingesetzten Feuchtgewichts der
Zellen als Membranen erhalten.
Zellaufschluss durch osmotischen Schock: Es wurde überprüft, ob diese
Methode des Zellaufschlusses die Ausbeute an intaktem Komplex I erhöht. Hierzu
wurden die Zellen zunächst in reinem Wasser gewaschen und inkubiert ("downshock"), um sie anschliessend durch Zugabe hoher Konzentrationen an Salzen
oder Zucker ("up-shock") zum Platzen zu bringen. Zugegebenes Lysozym sollte
die Zellwände abbauen. Das Cytosol wurde durch Zentrifugation abgetrennt und
die Membranproteine aus dem Sediment extrahiert. Der Komplex I wurde analog
zu
der
Standardpräparation
isoliert.
Die
Proteinzusammensetzung
der
Präparation mittels SDS-PAGE zeigte eine ungenügende Reinheit des Komplex I
(Daten nicht gezeigt). Deshalb wurde auf eine weitere Charakterisierung der
Präparation
verzichtet.
Die
Hauptverunreinigungen
waren
die
Succinat
Dehydrogenase, die UV/vis-spektroskopisch identifiziert wurde, und das äussere
- 47 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Membranprotein A (outer membrane protein A, Omp A), das durch N-terminale
Sequenzierung nachgewiesen wurde. Da die osmolytische Aufschlussmethode im
Vergleich zum Aufschluss durch Druckentspannung deutlich umständlicher und
langwieriger ist, wurde auf eine Optimierung der Methode verzichtet.
Vorreinigung an Fractogel: Die chromatographische Vorreinigung des
Komplex I an Fractogel mittels Stosselution bei Flussraten von 12 bis 15 ml/min
stellte eine schnelle Methode zur Verringerung der Detergenzkonzentration dar,
bei der bis zu 90 % der aufgetragenen Aktivität wieder erhalten wurde. Der
Reinigungsfaktor dieses Schritts war kleiner als zwei. Deshalb wurde nach dem
Auftrag und dem schnellen Waschen der Säule (15 ml/min) eine langsame
Gradienten-Elution (4 ml/min)
eingestellt. Der auf diese
Weise
erhaltene
Reinigungsfaktor von vier rechtfertigte aber nicht die knapp vierfach längere
Chromatographie-dauer.
Als
Kompromiss
wurde
eine
schnelle
Elution
(15 ml/min) mit einem Gradienten etabliert, woraus ein Reinigungsfaktor von
etwa drei resultierte (Tab. 4-1). Auf diese Weise wurden etwa drei Viertel der
aufgetragenen Aktivität wieder erhalten (Tab. 4-1). Um diese Probe auf die
nächste Anionenaustausch-Chromatographie an Source 15Q aufzutragen, musste
ihre Salzkonzentration verringert werden. Eine Ultrafiltration an Centricon 100Konzentratoren
erwies
sich
als
nicht
praktikabel,
da
die
hohe
Proteinkonzentration der Probe nach der Chromatographie an Fractogel lange
Zentrifugationszeiten erforderlich machte. Durch Verdünnen der Probe mit
A-Puffer
wurde
verminderte
die
die
Salzkonzentration
Verdünnung
die
relativ
einfach
Trennleistung
gesenkt,
der
allerdings
anschliessenden
Anionenaustausch-Chromatographie (Daten nicht gezeigt). Vermutlich störte die
NaCl-Endkonzentration von etwa 120 mM die Bindung der Proteine an das
Säulenmaterial. Eine weitere Verdünnung führt zur Denaturierung des Komplex I
und wurde daher vermieden. Die Fällung der Proteine mittels PEG 4'000, einen
Zentrifugationsschritt und das Resuspendieren in wenig ADM,50-Puffer resultierte
in schärferen Elutionsgipfeln bei der Anionenaustausch-Chromatographie an
Source 15Q und wurde daher bevorzugt. Zwar erfordert diese Prozedur etwa
30 Minuten, dafür ist aber das Probenvolumen von etwa 5 ml im Vergleich zu
etwa 100 ml nach Verdünnen der Probe mit A-Puffer sehr klein, wodurch die Zeit
für die Beladung der Source 15Q-Säule geringer wird.
- 48 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
pH-Wert: Die Änderung des pH-Werts des Puffers kann zu einer deutlich
veränderten Oberflächengesamtladung des Proteins und damit zu einem anderen
Elutionsverhalten während einer Anionenaustausch-Chromatographie führen. Es
wurde daher untersucht, ob ein veränderter pH-Wert zu einer besseren Trennung
des Komplex I von der Hauptverunreinigung der Präparation, der Succinat
Dehydrogenase, führt. Aufgrund der Labilität des Komplex I ist der pH-Bereich
auf Werte zwischen 6.0 und 7.0 beschränkt (Pohl, 2004). Die Trennleistung der
Anionenaustausch-Chromatographie wurde weder bei pH 6.5 noch durch einen
mit dem NaCl-Gradienten parallel laufenden pH-Gradienten von 6.0 bis 7.0
verbessert (Daten nicht gezeigt).
Grössenausschluss-Chromatographie: Im Bestreben, die Präparationsdauer
zu minimieren, wurde getestet, ob die über 16 Std dauernde GrössenausschlussChromatographie
auch
mit
schnellen
Flussraten
eine
ausreichend
gute
Trennleistung liefert. Die Verkürzung der Chromatographie auf 2.5 Std resultierte
in sehr breiten Elutionsgipfeln (Daten nicht gezeigt) und wurde daher nicht
weiter verwendet. Zur Vorreinigung des Enzyms wäre diese Methode jedoch
denkbar.
Abtrennung der ATP-Synthase: Alternativ zu einer Behandlung der
Membranen mit hohen NaBr-Konzentrationen (Spehr et al., 1999) kann die F0F1ATPase in Niedrigsalzpuffer mit EDTA gespalten werden (Suzuki et al., 2002;
Reuter, 2005). Die ATP-Synthase wurde mit EDTA in zwei Schritten mit 5 mM
MES/NaOH, 5 mM EDTA, pH 6.0 gespalten: Zuerst wurden die isolierten
Cytoplasma-Membranen in diesem Puffer homogenisiert und anschliessend die
nach
der
PEG 4'000
ersten
Anionenaustausch-Chromatographie
gefällten
Proteine,
bevor
sie
auf
die
an
Fractogel
durch
Anionenaustausch-
Chromatographie an Source 15Q aufgetragen wurden. Der Komplex I wurde von
da ab nach der Standardvorschrift gereinigt. Nach SDS-PAGE beurteilt wurde so
eine etwa 95 % saubere Präparation mit hoher spezifischer NADH/Ferricyanid
Oxidoreduktaseaktivität (um 70 U/mg) erhalten. Durch sorgfältiges Equilibrieren
der Anionenaustausch-Chromatographiesäulen mit vier bis fünf Säulenvolumen
DDM-haltigen Puffers erübrigte sich diese Behandlung jedoch, da die ansonsten
mit Komplex I koeluierende ATP-Synthase an DDM-gesättigtem Source 15QMaterial gut abgetrennt wurde (Abb. 4-1).
- 49 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Additive: Um den Komplex I im Verlauf der Präparation vor Denaturierung
zu schützen, wurde den Puffern verschiedene Additive zugesetzt. Sowohl 5 mM
MgCl2, als auch 0.005 % (w/v) Asolectin aus Sojabohne erniedrigten die
Trennleistung aller chromatographischen Schritte (Daten nicht gezeigt) und
wurden nicht weiter verwendet. Die Zugabe von 5 mM Dithiothreitol als
Antioxidans veränderte den Präparationsverlauf nicht, bewirkte aber weder eine
Ausbeutesteigerung, noch wurde eine Präparation mit höherer Aktivität erhalten
(Daten nicht gezeigt). Deshalb wurde auf den Zusatz von Dithiothreitol zu den
Präparations-Puffern verzichtet.
4.2 Einfluss von Phospholipiden auf den E. coli Komplex I
4.2.1 Einfluss von Lipiden auf die Affinität von Komplex I zu Ubichinon
Um den möglichen Einfluss von Lipiden auf die Affinität von Komplex I zu
dem hydrophoben Substrat Decyl-Ubichinon zu untersuchen, wurde die Aktivität
des isolierten Komplex I in Detergenz-Lösung und des in PLec rekonstituierten
Komplex mit Decyl-Ubichinon titriert (Abb. 4-2). Der apparente KM zu DecylUbichinon erwies sich mit 3.5 µM in beiden Fällen als unabhängig von den
Lipiden.
Abb. 4-2; Abhängigkeit der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des
Komplex I von der Konzentration des Substrats Decyl-Ubichinon. (o) zeigt die Aktivität
des isolierten Enzyms, (●) die Aktivität des mit PLec inkubierten Komplex I.
- 50 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
4.2.2 Einfluss von Lipiden auf die Affinität von Komplex I zu Piericidin A
Um
den
möglichen
Einfluss
von
Lipiden
auf
die
Affinität
des
Chinonbindestelle-Hemmstoffs Piericidin A zu Komplex I zu untersuchen, wurden
die NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des isolierten, sowie des in
PLec rekonstituierten Komplex I gegen die Piericidin A-Konzentration titriert
(Abb. 4-3). Beide Titrationskurven zeigten einen apparenten IC50 von etwa 3 µM.
Die Piericidin A-Bindestelle wurde durch die Anwesenheit der Phospholipide nicht
verändert.
Abb. 4-3; Hemmung der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I
durch Piericidin A. Gezeigt sind die Aktivität des isolierten Enzyms in Detergenz (o) und
die Aktivität des in PLec rekonstituierten Komplex I (1:1 (w/w); ●). 100 % Aktivität
entsprechen 0.3 U/mg (o), bzw. 2.7 U/mg (●).
4.2.3 Titration der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität
des Komplex I mit Lipiden
Der Einfluss von Phospholipiden auf die enzymatische Aktivität des
Komplex I wurde durch Titration der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität mit einzelnen Lipiden oder Lipidgemischen untersucht. Ein typischer
Kurvenverlauf ist in Abbildung 4-4 dargestellt. Die spezifische Aktivität des
isolierten Komplex I lag bei etwa 0.3 U/mg und wurde durch Zugabe der Lipide
maximal
zehnfach
Übereinstimmung
mit
gesteigert
anderen
(Abb. 4-4;
Studien
- 51 -
Tab. 4-2).
(Sazanov
Dabei
et al.,
2003)
wurde
mit
in
den
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Gemischen aus E. coli Lipiden im Vergleich zu Lipiden anderer Organismen oder
einzelner Lipide eine höhere Aktivierung erreicht (Tab. 4-2). Das synthetische
Dioleylphosphatidylcholin (DOPC) aktivierte den Komplex I lediglich dreifach
(Tab. 4-2). Im Mittel lag der Wendepunkt der Titrationskurven mit den natürlich
vorkommenden Lipiden bei einem Gewichtsverhältnis von Lipid zu Komplex I von
0.036. Nimmt man eine mittlere molekulare Masse des Lipids von 900 Da an,
entspricht dieser Wert etwa 22 Lipidmolekülen pro Komplex I. Eine bessere
Löslichkeit des Decyl-Ubichinons durch die Lipide erscheint daher in Anbetracht
der Grösse des Membranarms des Komplex I nicht der Grund für die Aktivierung
zu sein, zumal der KM des Komplex I zu Decyl-Ubichinon unabhängig von der
Anwesenheit von Lipiden ist (Abb. 4-2). Daher ist es vernünftig anzunehmen,
dass die Lipide einen direkten Einfluss auf das Enzym nehmen.
Abb. 4-4; Aktivierung des E. coli Komplex I durch TLec. Gezeigt ist ein typischer
Kurvenverlauf für eine Aktivierung des Komplex I (●), wie er in ähnlicher Form mit allen
Lipiden beobachtet wurde. Der mit der Lipidmenge zunehmende DDM-Gehalt der Proben
ist ebenfalls dargestellt (□).
- 52 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Tab. 4-2; Aktivierung des E. coli Komplex I durch einzelne Lipide oder Lipidgemische.
Der Kurvenverlauf ist durch den Wendepunkt und den Umschlagsbereich der
Titrationskurve (Abb. 4-4) charakterisiert.
Lipid
Aktivierung Wendepunkt Umschlagsbereich
(x-fach)
(w/w)
(w/w)
75% PEec
20% PGec
5% CLec
10
0.05
0.02 - 0.1
TLec
9
0.04
0.008 - 0.2
PLec
8
0.037
0.006 - 0.2
PGec
7
0.027
0.007 - 0.2
PEec
6
0.029
0.006 - 0.1
CLec
6
0.037
0.01 - 0.2
PCeg
7
0.053
0.01 - 0.15
PEeg
6
0.04
0.007 - 0.15
SL
6
0.025
0.005 - 0.08
PSbt
5
0.022
0.006 - 0.1
DOPC
3
1.0
0.2 - 2
Die Titrationskurve mit Cardiolipin aus Rind (CLbt) zeigt einen anderen
Verlauf, da bei Gewichtsverhältnissen von CLbt zu Komplex I von grösser als 0.1
eine Deaktivierung gemessen wurde (Abb. 4-5). Ein ähnlicher Kurvenverlauf
wurde mit dem Komplex I aus Yarrowia lipolytica für CLbt beobachtet (Dröse
et al.,
2002).
Cardiolipin
besitzt
nicht
die
Fähigkeit
eine
Phospholipid-
Doppelschicht auszubilden, sondern fällt in höheren Konzentrationen aus
(Dowhan, 1997). Es ist daher naheliegend anzunehmen, dass dies die Ursache
für die Deaktivierung darstellt. Dass mit Cardiolipin aus E. coli trotzdem ein
Kurvenverlauf wie in Abbildung 4-4 gezeigt erhalten wurde, könnte auf eine
spezifische Wechselwirkung des CLec mit dem E. coli Komplex I aufgrund anderer
Längen der Fettsäuren hindeuten.
- 53 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Abb. 4-5; Titration der NADH:Decyl-Ubichinon
Komplex I mit Cardiolipin aus Rind (CLbt).
Oxidoreduktaseaktivität
des
E. coli
Da die Lipide in Detergenz solubilisiert waren, führte die Zugabe
steigender Mengen Phospholipid auch zu einer Zunahme der Detergenzkonzentration
in
den
Proben
(Abb. 4-4).
Um
auszuschliessen,
dass
die
beobachtete Aktivierung durch das Detergenz DDM verursacht wurde, wurde die
NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des isolierten und des mit PLec in
einem 1:1-Gewichtsverhältnis rekonstituierten Komplex I gegen DDM titriert
(Abb. 4-6). Die Aktivität änderte sich in dem Konzentrationsbereich des
Detergenzes, der bei den Lipidtitrationen erreicht wurde, kaum. Bei einem DDM
zu
Komplex I
Gewichtsverhältnis
von
drei
wurde
eine
etwa
sechsfache
Aktivierung des isolierten Enzyms beobachtet, die möglicherweise auf die Bildung
gemischter
DDM/DQ-Micellen
zurückzuführen
ist,
da
in
diesem
Bereich
(entsprechend 0.03 % (w/v) DDM) die kritische micellare Konzentration von DDM
liegt
(Rosevear
et al.,
1980).
Diese
gemischten
Micellen
könnten
die
Verfügbarkeit des Substrats für den Komplex I erhöht haben. Der mit Lipid
inkubierte Komplex I zeigte diesen Effekt nicht, wahrscheinlich weil das DDM in
gemischten
DDM/Lipid-Micellen
vorlag.
Ab
einem
Gewichtsverhältnis
von
Detergenz zu Enzym von grösser 20 war die Aktivität unabhängig von der
Anwesenheit von Lipid in den Proben und nahm drastisch ab, was wahrscheinlich
auf die Fragmentierung des Enzyms zurückzuführen sein dürfte (Leif et al., 1995;
Holt et al., 2003).
- 54 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Abb. 4-6; Abhängigkeit der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des isolierten
Komplex I (o) und des mit PLec in einem 1:1-Gewichtsverhältnis rekonstituierten
Komplex I (●) von der DDM-Konzentration.
Es wurde die Zeitabhängigkeit der Aktivierung des Komplex I durch
verschiedene Mengen eines Gemischs aus 75% PEec, 20% PGec, 5% CLec
untersucht. Dieses Gemisch stellt im Groben die Zusammensetzung der E. coli
Cytoplasmamembran dar (Dowhan, 1997). Bei einem Lipid zu Komplex I
Gewichtsverhältnis, das mit 0.005 kleiner und mit 0.03 gleich dem Wendepunkt
der Titrationskurve ist (Tab. 4-2), wurde der Komplex I auch nach 1 Std
Inkubation auf Eis nicht aktiviert (Abb. 4-7). Mit einem Lipid zu Komplex I
Gewichtsverhältnis von 0.3 wurde bereits nach 15 s Inkubation etwa 60 % der
maximalen Aktivität, nach etwa 15 min Inkubation die maximale Aktivität des
Komplex I erreicht (Abb. 4-7).
Abb. 4-7; Zeitabhängigkeit der Aktivierung des E. coli Komplex I durch ein Gemisch aus
75% PEec, 20% PGec und 5% CLec. Das Gewichtsverhältnis von Enzym zu Lipid betrug
0.005 (□), 0.03 (o) oder 0.3 (●). 100 % entsprechen 2.4 U/mg.
- 55 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
In Zusammenarbeit mit Frau Caroline Fraysse (Arbeitsgruppe Prof. Dr.
Wolfgang Meier, Physikalisch-Chemisches Institut, Universität Basel) wurde auch
ein Triblock-Kopolymer (JWO8) auf seine aktivierende Wirkung untersucht.
Dieses Polymer besteht aus zwei hydrophilen Enden, die durch ein hydrophobes
Mittelstück verbrückt sind und somit eine natürliche Membran imitiert. Mit einer
ersten Polymer-Charge wurde eine knapp zweifache Aktivierung mit dem
Wendepunkt
bei
einem
JWO8
zu
Komplex I-Gewichtsverhältnis
von
0.15
gefunden (Daten nicht gezeigt). Dieses Ergebnis konnte mit anderen Chargen
jedoch nicht reproduziert werden.
4.2.4 Einfluss von Lipiden auf das FTIR-Differenzspektrum des Komplex I
Es
wurden
elektrochemisch
induzierte
FTIR-Differenzspektren
des
isolierten Komplex I mit denen des in PLec rekonstituierten Enzyms verglichen.
Im
spektralen
Bereich
von
1'705
bis
1'770 Wellenzahlen
werden
charakteristische C=O Schwingungen detektiert, die insbesondere von sauren
Aminosäuren (Siebert et al., 1982; Engelhard et al., 1985), aber auch von
Estergruppen stammen können. Daher könnten Änderungen in diesem spektralen
Bereich auf Redox-induzierte Änderungen der Umgebung von Lipid-Estergruppen
gedeutet werden. Mit dem isolierten Komplex I wurde nur ein kleines negatives
Signal bei 1'742 Wellenzahlen beobachtet (Abb. 4-8), das möglicherweise durch
eine teilweise Protonierung einer sauren Aminosäure entstanden ist. Nach
Reaktivierung durch Lipide zeigte die Probe im oxidierten Zustand ein deutliches
Signal bei 1'744 Wellenzahlen, im reduzierten Zustand bei 1'730 Wellenzahlen
(Abb. 4-8). Dies wird als Verschiebung der C=O Bande von 1'730 nach
1'744 Wellenzahlen in Verbindung mit der Oxidation des Enzyms interpretiert,
was durch die Entstehung einer hydrophoberen Umgebung der C=O Gruppen mit
weniger Wasserstoffbrücken-Bindungen zu Wasser erklärt werden kann.
- 56 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Abb. 4-8; Elektrochemisch induzierte FTIR-Differenzspektren des isolierten Komplex I in
Detergenz (unterbrochene Linie) und des in PLec rekonstituierten Enzyms (durchgezogene
Linie). Das Differenzspektrum stammt von Spektren einer Probe bei -0.44 V minus dem
der gleichen Probe bei 0.21 V.
4.2.5 Einfluss von Lipiden auf das ESR-Spektrum des Komplex I
Der Einfluss von Phospholipiden auf die Fe-S Zentren des mit einem
1000-fach
molaren
Überschuss
NADH
reduzierten
Komplex I
wurde
ESR-spektroskopisch untersucht. Die Spektren der binuklearen Zentren wurden
bei 40 K und 2 mW Leistung aufgenommen. Es wurden keine Unterschiede
zwischen den Proben des isolierten Komplex I und des in PLec rekonstituierten
Enzyms ausgemacht (Abb. 4-9 A und B). Auch die bei 13 K und 10 mW Leistung
aufgenommenen Spektren, die zusätzlich zu den Signalen der binuklearen
Fe-S Zentren auch die Signale der tetranuklearen Fe-S Zentren enthalten,
zeigten für beide Proben die gleiche Signalform und Amplitude (Abb. 4-9 C und
D). Somit veränderte die Zugabe der Phospholipide nicht die unmittelbare
Umgebung der Fe-S Zentren des Komplex I. Dieser Befund steht im Einklang mit
der Struktur des peripheren Arms des Komplex I aus T. thermophilus (Abb. 2-3),
die klar zeigt, dass keines der Fe-S Zentren in der Membran lokalisiert ist. Dies
unterstützt die Idee, dass Lipide den Komplex I in direkter Weise aktivieren.
- 57 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
g-Wert
(A)
(B)
(C)
(D)
(E) = (c) - (d)
Magnetfeld [mT]
Abb. 4-9; ESR-Spektren des Komplex I in Detergenz (A und C) und in Phospholipiden
(B und D). Die Spektren (A) und (B) wurden bei 40 K und 2 mW Leistung, die Spektren
(C) und (D) bei 13 K und 10 mW Leistung aufgenommen. (E) zeigt die Differenz der
Spektren (C) und (D). Die Mikrowellenfrequenz betrug 9.44 GHz, die Modulationsamplitude 0.6 mT, die Zeitkonstante 124 ms und die Aufnahmegeschwindigkeit
17.9 mT/min.
- 58 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
4.3 Die Reaktivität des E. coli Komplex I mit NAD(P)H
4.3.1 Die (d-)NAD(P)H Oxidaseaktivität der E. coli Cytoplasmamembranen
Die Atmungsaktivität der Cytoplasmamembranen des E. coli Stamms
ANN001 wurde mit den Substraten NADH, d-NADH und NADPH durch Messung
des Sauerstoffverbrauchs bestimmt. In diesem Stamm ist das Gen für die
NADH Dehydrogenase II durch Insertion einer Resistenzkassette inaktiviert.
Sämtliche
gemessene
NADH-Dehydrogenaseaktivität
stammt
daher
von
Komplex I. Die NADH- und die d-NADH Oxidaseaktivität betrug bei 30°C in einem
Puffer mit pH 6.0 jeweils 34 ± 2 µM O2/min und war durch 22.5 µM Piericidin A
jeweils vollständig hemmbar (Abb. 4-10). Die NADPH Oxidaseaktivität betrug
lediglich 14 % der NADH-Oxidaseaktivität und war zudem nicht durch Piericidin A
hemmbar (Abb. 4-10). Entsprechende Ergebnisse wurden mit NADH oder NADPH
in einem Puffer mit pH 7.5 erhalten, wobei die Oxidaseaktivitäten noch 40 % der
Aktivität bei pH 6.0 betrugen (Daten nicht gezeigt).
Abb.4-10; (d-)NAD(P)H Oxidaseaktivitäten von Cytoplasma-Membranen des E. coli
Stamms ANN001 bei 30°C in Puffer mit pH 6.0. Die Zeitpunkte der Zugabe von (A)
NADH, (B) d-NADH und (C) NADPH, sowie des spezifischen Komplex I-Inhibitors
Piericidin A sind gekennzeichnet.
- 59 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
4.3.2 Die NAD(P)H:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität
des Komplex I
Komplex I wurde mit einem Gemisch polarer Lipide aus E. coli im
Verhältnis 1:1 (w/w) inkubiert, im Messpuffer mit der entsprechenden Menge des
Nukleotids vorgelegt und die Reaktion durch Zugabe von Decyl-Ubichinon
gestartet. Durch Auftragen der Aktivität gegen die Nukleotidkonzentration nach
der Hanes-Gleichung wurden die Michaelis-Konstante KM und die maximale
Umsatzgeschwindigkeit
Konzentration
des
vmax
berechnet
Decyl-Ubichinon
(Tab. 4-3).
bei
Es
konstant
wurden
sowohl die
gehaltenen
Nukleotid-
konzentrationen (100 µM NADH oder 5 mM NADPH), als auch die Konzentration
der
Nukleotide
in
Gegenwart
von
50 µM
Decyl-Ubichinon
variiert.
Die
NADPH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität war nicht Piericidin-sensitiv, im
Gegensatz zur NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität (Tab. 4-3).
Tab. 4-3; Kinetische Parameter der NAD(P)H:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität
des Komplex I.
Parameter
NADH
NADPH
vmax [U/mg]
2.9
KM [µM]
Piericidin ASensitivität
DQ
NADH
NADPH
0.37
2.6
0.43
13
1'870
3.5
8.8
+
-
+
-
Für die NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität wurde ein KM von
Komplex I zu NADH von 13 µM und zu DQ von 3.5 µM gemessen. Der vmax
gemessen anhand der Absorbanz des NADH betrug 2.9 U/mg. Ein ähnlicher Wert
von 2.6 U/mg wurde bei der Messung der Absorbanz des DQ bestimmt, was
zeigt, dass der physiologische Elektronentransfer von NADH auf DQ gemessen
wurde. Der KM des Komplex I zu NADPH war 1.9 mM. Damit hat der Komplex I
eine etwa 150-fach geringere Affinität zu NADPH als zu NADH. In Verbindung mit
der etwa achtfach langsameren Reaktionsgeschwindigkeit des Komplex I mit
NADPH im Vergleich zu NADH zeigen diese Daten, dass NADPH ein schlechtes
Substrat des Komplex ist. Der 2.5-fach höhere KM des Komplex I zu DQ mit
NADPH als Substrat könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Elektronen des
NADPH auf eine andere Chinonbindestelle übertragen werden, als die Elektronen
des NADH.
- 60 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Die
pH-Abhängigkeit
der
NAD(P)H:Decyl-Ubichinon
Oxidoreduktase-
aktivität des Komplex I aus E. coli wurde mit 100 µM NADH oder 1 mM NADPH
und je 50 µM Decyl-Ubichinon gemessen (Abb. 4-11). Das Optimum der
NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität lag um pH 7.0, wohingegen es
mit NADPH als Substrat bei pH 5.5 lag.
Abb. 4-11; Abhängigkeit der NAD(P)H:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des in
PLec rekonstituierten Komplex I aus E. coli vom pH-Wert. Die Substratkonzentrationen
betrugen (do) 100 µM NADH und (●) 1 mM NADPH bei je 50 µM Decyl-Ubichinon.
4.3.3 Die NAD(P)H-induzierte Protonentranslokation des Komplex I
Es wurde untersucht, ob die NADPH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I mit der Ausbildung eines pH-Gradienten gekoppelt ist
(vgl. Kap. 4.4.4). Die Reaktion wurde mit 5 mM NADPH gestartet, was mit den
kinetischen Parametern der Reaktion (Tab. 4-3) nach der Michaelis-MentenGleichung einen Umsatz von etwa 0.27 U/mg ergeben sollte. Zum Vergleich
wurde die Nachweisgrenze der Protonentranslokation über eine Titration mit
NADH ermittelt. Für einen Umsatz von 0.27 U/mg werden 1.3 µM NADH benötigt.
Die Zugabe von 1 µM NADH führte zur Ausbildung eines erkennbaren ACMASignals, die Zugabe von 5 mM NADPH jedoch nicht (Abb. 4-12). Die Abnahme
der relativen Fluoreszenz um 76 % bei NADPH-Zugabe trat auch mit Liposomen
ohne Komplex I auf und stammte von der Absorption des NADPH. Um den
Einfluss der Nukleotide auf das Fluoreszenzsignal zu minimieren, wurde die
Anregungswellenlänge von 410 nm auf 430 nm verschoben.
- 61 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Abb. 4-12; Die Protonentranslokation des in Proteoliposomen rekonstituierten E. coli
Komplex I. Gemessen wurde die Fluoreszenz des pH-Gradientenindikators ACMA bei
einer Anregungswellenlänge von 430 nm und einer Emissionswellenlänge von 480 nm.
Die Reaktion wurde entweder mit 5 mM NADPH, oder mit 1, 2, 5, 10, 50 und 100 µM
NADH gestartet. Geringere Substratkonzentrationen führten jeweils zu den kleineren
Signalen.
4.3.4 Die Reduzierbarkeit des Komplex I durch NAD(P)H
Die Daten in Tabelle 4-3 zeigen, dass die Elektronen des NADPH zwar nicht
zur Piericidin A-sensitiven Q-Bindestelle gelangen, trotzdem wird NADPH von
Komplex I oxidiert (Tab. 4-3). Um zu untersuchen, ob diese Oxidation am FMN
stattfindet oder ob die Elektronen auf die Fe-S Zentren übertragen werden,
wurden ESR-Spektren eines Komplex I Aliquots, das mit einem 1'000-fach
molaren Überschuss NADH reduziert worden war und eines Aliquots, das mit
einem
1'000-fach
molaren
Überschuss
NADPH
reduziert
worden
war,
aufgenommen (Abb. 4-13). Die Spektren zeigten weder bei 40 K noch bei 13 K
signifikante Unterschiede in Position und Amplitude der Signale.
- 62 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Abb. 4-13; ESR-Spektren des E. coli Komplex I aufgenommen bei (A) 40 K und 2 mW
und (B) 13 K und 5 mW. Die Proben waren mit einem 1'000-fach molaren Überschuss (a)
NADH und einem 1'000-fach molaren Überschuss (b) NADPH reduziert worden. Die
Mikrowellenfrequenz betrug 9.44 GHz, die Modulationsamplitude 0.6 mT, die Zeitkonstante 124 ms und die Aufnahmegeschwindigkeit 17.9 mT/min.
Da die Oxidation des NADPH viel langsamer verläuft als die des NADH,
wäre
es
denkbar,
dass
eine
unterschiedliche
Reduktion
der
einzelnen
Fe-S Zentren des Komplexes durch ein möglichst schnelles Mischen der Probe
mit dem jeweiligen Nukleotid oder die Reduktion durch einen lediglich zehnfach
molaren Überschuss der Nukleotide zu erreichen ist. Nach Reduktion des
Komplex I mit jeweils dem 1'000-fach molaren Überschuss NAD(P)H und
Einfrieren innerhalb von 5 s lagen beide Proben vollständig reduziert vor
(Abb. 4-14). Um auszuschliessen, dass die Reduktion der Fe-S Zentren der
geschwindigkeits-bestimmende Schritt der Reaktion mit NADPH darstellt, wurde
das Experiment mit einem zehnfachen molaren Überschuss NAD(P)H wiederholt.
Anhand
der
kinetischen
Parameter
der
NAD(P)H:Decyl-Ubichinon
Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I (Tab. 4-3) wurde erwartet, dass in
diesem Fall der Reduktionsgrad der mit NADH reduzierten Probe im Vergleich zur
mit NADPH reduzierten höher ist. Es zeigte sich, dass die Fe-S Zentren
verglichen mit vollständig reduziertem Komplex I in beiden Fällen zu etwa 20 bis
40 % reduziert vorlagen, wobei die mit NADH reduzierte Probe einen nur
unwesentlich
höheren
Reduktionsgrad
aufwies
- 63 -
(Abb. 4-14).
Ein
deutlicher
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Unterschied zeigte sich für das Zentrum N2, das durch NADPH zu weniger als
10 %, mit NADH jedoch zu etwa 25 % reduziert vorlag (Abb. 4-14). Der Grund
für die nur teilweise Reduktion der Fe-S Zentren liegt in der geringen
Nukleotidkonzentration, da sich unter den experimentellen Bedingungen schnell
ein
Gleichgewichtspotential
einstellt,
das
nicht
ausreicht,
den
Komplex I
vollständig zu reduzieren.
Abb. 4-14; ESR-Spektren des E. coli Komplex I aufgenommen bei (A) 40 K und 2 mW
und (B) 13 K und 5 mW. Die Proben wurden mit einem 1'000-fach molaren Überschuss
(a) NADH und (b) NADPH, sowie einem zehnfach molaren Überschuss (c) NADH und (d)
NADPH reduziert und innerhalb von 5 s nach Mischen von Enzym und Substrat
eingefroren. Die Mikrowellenfrequenz betrug 9.44 GHz, die Modulationsamplitude 0.6 mT,
die Zeitkonstante 124 ms und die Aufnahmegeschwindigkeit 17.9 mT/min.
- 64 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Ein wechselseitiger Einfluss der Bindung der Nukleotide und des Chinons
wurde durch die Zugabe eines zehnfach molaren Überschuss DQ zu den Proben
untersucht. Die Reduktion des Komplex I durch jeweils einen 1'000-fachen
molaren Überschuss der Nukleotide in Gegenwart eines zehnfach molaren
Überschuss DQ führt zu einer vollständigen Reduktion der Fe-S Zentren des
Komplex I (Daten nicht gezeigt). Wurde jedoch nur ein zehnfach molarer
Überschuss der Nukleotide eingesetzt und die Reaktion nach 5 s durch Einfrieren
der Probe abgebrochen, ergaben sich völlig andere Spektren: Die binuklearen
Fe-S Zentren der mit NADH reduzierten Probe waren fast vollständig oxidiert,
wohingegen in den mit NADPH reduzierten Proben N1a zu 70 %, N1b zu 40 %
reduziert vorlagen (Abb. 4-15). Während die tetranuklearen Fe-S Zentren der
mit NADH reduzierten Probe überwiegend oxidiert vorlagen, lagen diese Zentren
nach Reduktion mit NADPH zu etwa 50 % reduziert vor (Abb. 4-15). Der durch
NADH reduzierte Komplex I wird vermutlich durch DQ viel schneller reoxidiert als
bei Reduktion mit NADPH, obwohl beide Reduktionsmittel die Fe-S Zentren im
Rahmen
der
hier
erreichten
Zeitauflösung
im
Sekunden-Bereich
mit
vergleichbarer Geschwindigkeit reduzieren.
Abb. 4-15; ESR-Spektren des E. coli Komplex I aufgenommen bei (A) 40 K und 2 mW
und (B) 13 K und 5 mW. Die Proben wurden mit einem zehnfach molaren Überschuss (a)
NADH und (b) NADPH in Gegenwart eines zehnfach molaren Überschuss DQ reduziert
und innerhalb von 5 s nach Mischen von Enzym und Substrat eingefroren Die
Mikrowellenfrequenz betrug 9.44 GHz, die Modulationsamplitude 0.6 mT, die Zeitkonstante 124 ms und die Aufnahmegeschwindigkeit 17.9 mT/min.
- 65 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Da die Elektronen des NADPH nicht zur Inhibitor-sensitiven ChinonBindestelle gelangten (Tab. 4-3), wurde untersucht, ob sie möglicherweise auf
Sauerstoff übertragen werden, was zur Bildung von Superoxid-Radikalen führen
würde. Dazu wurde der Radikalfänger DEPMPO eingesetzt, dessen mit SuperoxidRadikalen
gebildetes
Addukt
ESR-spektroskopisch
leicht
nachweisbar
ist
(Vasquez-Vivar et al., 2000). Eine Komplex I-Probe, die mit Phospholipiden,
einem zehnfach molaren Überschuss DQ und 100 mM DEPMPO inkubiert worden
war zeigte in Abwesenheit eines Reduktionsmittels kein ESR-Signal (Abb. 4-16).
Die Zugabe von 1 mM NADH resultierte in einem sehr schwachen Signal des
DEPMPO-OOH Addukts,
wohingegen
nach
Zugabe
von
1 mM
NADPH
die
charakteristischen Signale des DEPMPO-OOH Addukts deutlich detektiert wurde
(Abb. 4-16). Diese ESR-Signale wurden in Anwesenheit der Superoxid Dismutase
nicht nachgewiesen (Abb. 4-16), was bestätigte, dass die Signale von SuperoxidRadikalen stammten. In Abwesenheit von DQ waren die Signale deutlich kleiner,
während sie durch Piericidin A nicht beeinflusst waren (Abb. 4-16). Daher
gelangen die Elektronen des NADPH im Komplex I wahrscheinlich zur molekular
nicht charakterisierten Inhibitor-insensitiven Chinon-Bindestelle des Komplex I,
von wo aus sie über ein Semichinon-Radikal auf Sauerstoff gelangen.
Abb. 4-16; ESR-spektroskopischer Nachweis der Entstehung von Superoxid-Radikalen.
Die Komplex I-Probe wurde mit (A) Phospholipiden, 100 µM DQ und 100 mM DEPMPO
und zusätzlich (B) 1 mM NADH, (C) 1 mM NADPH, (D) 1 mM NADPH und
Superoxid Dismutase (100 units/ml), (E) 1 mM NADPH, aber ohne DQ inkubiert und (F)
mit 1 mM NADPH und 10 µM Piericidin A inkubiert. Die Spektren wurden bei
Raumtemperatur
mit
einer
Mikrowellenfrequenz
von
9.65 GHz,
einer
Modulationsamplitude von 0.1 mT, einer Zeitkonstante von 164 ms und einer
Aufnahmegeschwindigkeit von 5.4 mT/min aufgenommen.
- 66 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
4.3.5 NAD(P)H-induzierte konformative Änderungen des Komplex I
Die Ergebnisse der Enzymkinetik und der ESR-Spektroskopie können so
interpretiert werden, dass die Bindung von NADH eine für die Bindung des
Chinons möglicherweise erforderliche Konformationsänderung induziert, die
Bindung von NADPH jedoch nicht. Um Änderungen in der Struktur des Komplex I
zu untersuchen, wurden CD-Spektren des Enzyms ohne Substrat und in
Gegenwart von NAD(P)H aufgenommen (Abb. 4-17). Die Spektren von Komplex I
ohne Substrat und in Gegenwart von NADPH waren fast identisch. Das Spektrum
des Komplex I in Gegenwart von NADH unterscheidet sich jedoch im Bereich
zwischen 204 und 229 nm deutlich von den beiden anderen Spektren. Während
die Zugabe von NADH anscheinend zu einer Konformationsänderung des
Komplex I führt, ist diese Änderung durch die Zugabe von NADPH nicht
nachzuweisen.
Abb. 4-17; CD-Spektren von Komplex I ohne Substrat (schwarze Kurve), in
Anwesenheit von 20 µM NADH (grüne Kurve) und von 20 µM NADPH (rote Kurve). Der
Ausschnitt zeigt eine Vergrößerung des spektralen Bereichs zwischen 204 und 229 nm.
- 67 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
4.3.6 Die Nukleotidspezifität des NADH Dehydrogenase-Moduls
des Komplex I
Ein in der NADH-Bindestelle positioniertes Phenylalanin (F67 auf NuoF)
könnte möglicherweise der Grund dafür sein, dass NADPH im Vergleich zu NADH
ein so viel schlechteres Substrat für Komplex I ist. Um diese Hypothese zu
untersuchen, wurden von Frau Miriam Herbstritt (2007) diverse Mutationen
dieser Position im NADH Dehydrogenase-Modul generiert und deren kinetische
Parameter zu NADH und NADPH mit dem Elektronenakzeptor K3[Fe(CN)6]
bestimmt (Tab. 4-4). Im Rahmen der Genauigkeit der Messmethode zeigten die
Varianten F67A, F67G und F67E keine Aktivität. Die Aktivität der Varianten F67H,
F67Q und F67Y war im Vergleich zum Wildtyp deutlich reduziert. Auffällig ist der
deutlich kleinere KM der Variante F67H zu NADPH von etwa 700 µM im Vergleich
zu der von etwa 2.4 mM des Moduls aus dem Ausgangsstamm (Tab. 4-4). Da die
Aktivität bei pH 6.0 gemessen wurde, sollte das eingeführte Histidin (pka = 6.04)
zur Hälfte protoniert und somit positiv geladen vorliegen. Dadurch wäre eine
ionische Stabilisierung der negativ geladenen C2'-Phosphatgruppe des NADPH
denkbar. Warum die F67Y zwar eine unverändert hohe Affinität zu NADH
aufweist, aber trotzdem nur etwa 4 % der Aktivität des Wildtyps zeigt, ist unklar,
könnte aber daran liegen, dass die Präparation durch das Einfrieren und Auftauen
vor der Messung Aktivität verloren hat (Herbstritt, 2007). Möglich wäre, dass die
zusätzliche Hydroxy-Gruppe zu einer strukturellen Änderung führt, die eine
Elektronenübertragung auf das FMN erschwert.
Tab. 4-4; Kinetische Parameter der NAD(P)H/Ferricyanid
verschiedener Varianten des NADH Dehydrogenase-Moduls.
Probe
Ausgansstamm
NADH
KM [µM]
8±2
Oxidoreduktaseaktivität
NADPH
vmax [U/mg]
KM [µM]
vmax [U/mg]
103 ± 4
2381 ± 446
41 ± 5
F67H
51 ± 17
9±1
699 ± 197
16 ± 2
F67Q
292 ± 24
23 ± 1
2521 ± 168
8.8 ± 0.2
4.4 ± 0
—
—
F67Y
9±2
- 68 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
4.4 Die mit der Redox-Reaktion des Komplex I gekoppelte
Ionentranslokation
4.4.1 Die Abhängigkeit der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität
des Komplex I von der Na+-Konzentration
Um festzustellen, ob das Na+-Ion ein Substrat des E. coli Komplex I ist,
wurde
der Einfluss
der Na+-Konzentration auf
die
NADH:Decyl-Ubichinon
Oxidoreduktaseaktivität des in Lipiden rekonstituierten Komplex I untersucht. Die
eingestellten Na+-Konzentrationen lagen im Bereich von 25 µM bis 100 mM,
wobei die Ionenstärke des Messpuffers durch Zugabe von KCl konstant gehalten
wurde. Die Aktivität wurde sowohl bei pH 6.0 als auch bei pH 7.5 titriert, um
einen durch die veringerte H+-Konzentration möglichen Wechsel des Substrats
von H+ zu Na+ zu erfassen. Im Rahmen der Messgenauigkeit zeigte sich bei
beiden
pH-Werten keine
signifikante
Abhängigkeit
der
Aktivität
von
der
+
Na -Konzentration (Abb. 4-18). Die bei pH 7.5 im Vergleich zu pH 6.0 deutlich
niedrigere Aktivität des Komplex I ist auf die im basischerem pH-Wert erhöhte
Labilität des Enzyms zurückzuführen (vgl. Abb. 4-11; Leif et al., 1995; Böttcher
et al., 2002). Eine Messung in alkalischerem Milieu ist daher nicht möglich.
Abb. 4-18; Abhängigkeit der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des in PLec
rekonstituierten E. coli Komplex I von der Na+-Konzentration bei (d ) pH 6.0 und
(●) pH 7.5.
- 69 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
4.4.2 Die Abhängigkeit der Hemmung des Komplex I von der
Na+-Konzentration
Der Effekt der Amiloride Benzamil und EIPA, die als Inhibitoren von
Na+/H+-Antiportern bekannt sind, sowie von DCCD auf die NADH:DecylUbichinon Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I wurde in Gegenwart von
entweder 25 µM oder 100 mM NaCl untersucht (Abb. 4-19). Es ergaben sich
unabhängig von der Na+-Konzentration IC50-Werte von 70 µM für Benzamil,
100 µM für EIPA und 250 µM für DCCD. Somit kann ausgeschlossen werden, dass
diese Inhibitoren an eine hypothetische Na+-Bindestelle binden. Für den in der
Membran vorliegenden Komplex I wurden Werte von 45 µM für Benzamil und
>100 µM für EIPA berichtet (Nakamaru-Ogiso et al., 2003a), der IC50 von DCCD
betrug für den Komplex I aus Rinderherz 150 µM (Yagi, 1987). Die ermittelten
IC50-Werte für den Komplex I aus E. coli liegen somit in verbleichbarem Bereich.
Messungen von Herrn Daniel Schneider (2005) in unserer Arbeitsgruppe ergaben
bei pH 7.5 einen mehr als fünffach grösseren IC50 zu DCCD im Vergleich zu
Messungen bei pH 5.5. Offensichtlich tauscht das Proton der DCCD-bindenden
Aminosäure mit der Lösung aus, wodurch die Ausbildung einer kovalenten
Bindung zu DCCD erschwert wird. Die pH-Abhängigkeit der DCCD-Inhibition ist
ein weiterer Hinweis auf die Protonentranslokation des E. coli Komplex I.
- 70 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Abb. 4-19; Inhibierung der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des in PLec
rekonstituierten Komplex I durch (A) EIPA, (B) Benzamil und (C) DCCD. Gemessen
wurde in Puffer mit 100 mM NaCl ( ), oder in Puffer mit 25 µM NaCl und 100 mM KCl
(●) statt. 100 % Aktivität entsprachen 2.5 bis 3.0 U/mg.
- 71 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
4.4.3 Nachweis des mit der Redox-Reaktion des Komplex I gekoppelten
Membranpotentials
Das
durch
die
NADH:Decyl-Ubichinon
Oxidoreduktaseaktivität
des
Komplex I an Proteoliposomen gebildete Membranpotential wurde durch den
Fluorophor ANS nachgewiesen (Abb. 4-20). Der Einbau des Komplexes in die
Proteoliposomen in der geeigneten Orientierung war in früheren Arbeiten gezeigt
worden
(Stolpe,
2003).
Die
in
5 mM
MES/KOH,
80 mM
NaCl,
pH 6.0
resuspendierten Proteoliposomen wurden in dem selben Puffer mit 50 µM DQ und
1 µM ANS für 3 min bei Raumtemperatur inkubiert. Nach Zugabe von 50 µM
NADH wurde ein um 90 % gesteigertes Fluoreszenzsignal gemessen. Dass dieses
Signal durch die Redox-Reaktion des Komplex I zustande kam, wurde durch die
Sensitivität des Signals gegenüber Piericidin A bewiesen. Die Inkubation der
Proteoliposomen mit 100 µM DCCD, einem Komplex I-Hemmstoff (s. Kap. 4.4.2)
führte ebenso zum Verlust des Signals. Während der Na+-Ionophor ETH-157
keinen Einfluss auf das Signal hatte, trat nach Inkubation der Proteoliposomen
mit dem Protonophor CCCP keine Fluoreszenzänderung auf. Die Zugabe einer
entsprechenden Menge Ethanol, in dem die Additive gelöst waren, beeinflusste
das ANS-Signal nicht (Daten nicht gezeigt). Diese Ergebnisse sind ein deutlicher
Hinweis darauf, dass Komplex I Protonen und nicht Na+-Ionen transloziert.
- 72 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Abb. 4-20; Nachweis eines von der Redox-Reaktion des Komplex I induzierten
Membranpotentials durch Messung der ANS-Fluoreszenz von Komplex I-Proteoliposomen.
Die Redox-Reaktion wurde in Gegenwart von je 50 µM DQ und NADH beobachtet. Spur
(A) zeigt die Fluoreszenzänderung des Ansatzes ohne weitere Zugaben, Spur (B) mit
10 µM Piericidin A, Spur (C) mit 100 µM DCCD, Spur (D) mit 10 µM CCCP und Spur (E)
mit 10 µM ETH-157. Die Pfeile markieren den Zeitpunkt der NADH-Zugabe. Die
Anregungswellenlänge war 380 nm, die Emissionswellenlänge betrug 480 nm.
4.4.4 Nachweis der mit der Redox-Reaktion des Komplex I gekoppelten
Protonentranslokation
Das Fluorophor ACMA zeigt einen pH -Gradienten über die Membran an.
Die Sensitivität des ACMA gegenüber Protonen wurde an Liposomen ohne Enzym
getestet. Die Zugabe von 10 mM HCl führte zu einer Zunahme, die Zugabe von
10 mM NaOH zu einer Abnahme der Fluoreszenz, die Zugabe der gleichen Menge
NaCl hingegen hatte keinen Einfluss auf das Signal (Daten nicht gezeigt). Somit
reagiert ACMA auf die Ausbildung eines Protonengradienten, jedoch nicht auf
einen
Na+-Gradienten.
Die
in
5 mM
MES/KOH,
80 mM
NaCl,
pH 6.0
resuspendierten Proteoliposomen wurden in dem selben Puffer mit 50 µM DQ und
2 µM ACMA für 3 min bei Raumtemperatur inkubiert. Nach Zugabe von 50 µM
NADH
wurde
ein
um
40 %
vermindertes
Fluoreszenzsignal
gemessen
(Abb. 4-21). Dieses Signal war sensitiv gegenüber Piericidin A, DCCD, CCCP, und
dem Na+/H+-Tauscher Monensin (Abb. 4-21), sowie den Komplex I-Hemmstoffen
EIPA und Benzamil (s. Kap. 4.4.2), die in Konzentrationen von 500 µM bzw.
- 73 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
300 µM eingesetzt wurden. Das mit den Amiloriden gemessene Signal war
vergleichbar dem mit DCCD erhaltenen (vgl. Abb. 4-21 C). Die Zugabe einer
entsprechenden Menge Ethanol hatte keinen Einfluss auf die ACMA-Fluoreszenz
(Daten nicht gezeigt). Um zu zeigen, dass der Komplex I auch in alkalischem
Milieu Protonen transloziert, wurden die Experimente in 5 mM Tris/HCl, 50 mM
NaCl, pH 7.5 wiederholt. Es wurden entsprechende Ergebnisse erhalten, wobei
das Fluoreszenzsignal etwa dreimal kleiner war als bei pH 6.0 (Abb. 4-21). Dies
ist zum einen auf die geringere Fluoreszenzinensität des ACMA, zum anderen auf
die verminderte Stäbilität des Komplex I bei diesem pH-Wert zurückzuführen.
Diese Ergebnisse zeigen, dass es sich bei Komplex I aus E. coli um eine primäre
Protonenpumpe handelt.
Abb. 4-21; Nachweis eines von der Redox-Reaktion des Komplex I induzierten pHGradienten. Die ACMA-Fluoreszenz von Komplex I-Proteoliposomen wurde gemessen. Die
Redox-Reaktion wurde in Gegenwart von je 50 µM DQ und NADH beobachtet. Spur (A)
zeigt die Fluoreszenzänderung des Ansatzes ohne weitere Zugaben bei pH 6.0 (─) und
bei pH 7.5 (---), Spur (B) mit 10 µM Piericidin A, Spur (C) mit 100 µM DCCD, Spur (D)
mit 20 µM CCCP, Spur (E) mit 10 µM Monensin und Spur (F) mit Zugabe von 20 µM CCCP
in die laufende Reaktion. Die Pfeile markieren den Zeitpunkt der NADH-Zugabe. Die
Anregungswellenlänge war 410 nm, die Emissionswellenlänge betrug 480 nm.
- 74 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Um einen von Komplex I möglicherweise katalysierten Na+/H+-Antiport
nachzuweisen, wurde der Komplex in einem Puffer mit 80 mM NaCl in Vesikel
rekonstituiert und in dem selben Puffer resuspendiert. Die Proteoliposomen
wurden in Puffer mit 1 mM NaCl gegeben, wobei die Ionenstärke des Messpuffers
mit 79 mM Tetramethylammoniumchlorid (TMA) konstant gehalten wurde und
das ACMA-Signal detektiert. Analog wurden Komplex I-Proteoliposomen in einem
Puffer mit 1 mM NaCl und 79 mM TMA rekonstituiert und resuspendiert und zur
Messung in Puffer mit 80 mM NaCl gegeben. Wäre der E. coli Komplex I zu einem
passiven Na+/H+-Antiport fähig, hätte der Na+-Gradient im ersten Fall zu einem
Fluoreszenzsignal wie in Abbildung 4-21 (A) gezeigt bzw. im zweiten Fall zu
einem entsprechenden Signal mit positiver Änderung der Fluoreszenz führen
müssen, was nicht beobachtet wurde (Abb. 4-22). Die Fluoreszenzänderung bei
Zugabe der Komplex I-Proteoliposomen wurde auch in einem entsprechenden
Experiment mit Phospholipid-Vesikeln beobachtet (Daten nicht gezeigt). Um zu
überprüfen, ob der in Proteoliposomen rekonstituierte Komplex I aktiv war,
wurde die Redox-Reaktion des Komplex I durch Zugabe der Substrate gestartet.
Das erhaltene Signal der in 80 mM NaCl hergestellten Proteoliposomen war in
Puffer mit 1 mM NaCl um etwa 20 % grösser, als in Puffer mit 80 mM NaCl
(Abb. 4-22). Wurden die Proteoliposomen jedoch vor dem Starten der Reaktion
mit 10 µM ETH-157 inkubiert, war der Unterschied in der Signalgrösse nicht
mehr feststellbar (Daten nicht gezeigt). Es scheint daher nicht ausgeschlossen,
dass die Redox-Reaktion des Komplex I an einen sekundären Na+/H+-Antiport
gekoppelt ist.
- 75 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Abb. 4-22; Einfluss eines Na+-Gradienten auf den durch Komplex I-Proteoliposomen
(KP) gebildeten Protonengradienten. Gezeigt sind die Fluoreszenzsignale von
Proteoliposomen, die (A) in Puffer mit 80 mM NaCl hergestellt und in Puffer mit 1 mM
NaCl und 79 mM TMA gemessen wurden und (B) in Puffer mit 1 mM NaCl und 79 mM
TMA hergestellt und in Puffer mit 80 mM NaCl gemessen wurden. Die Spuren (C) und (D)
zeigen die Fluoreszenzsignale von Proteoliposomen, die in Puffer mit 80 mM NaCl
hergestellt wurden und in Puffer mit (C) 80 mM NaCl und in Puffer mit (D) 1 mM NaCl
und 79 mM TMA gemessen wurden. Alle Messungen fanden bei pH 6.0 mit 3 µl
Proteoliposomen, 1 µM ACMA, 50 µM DQ und 50 µM NADH statt. Die Anregungswellenlänge war 410 nm, die Emissionswellenlänge betrug 480 nm.
Die Hemmung der Protonentranslokation des Komplex I durch Zn2+ wurde
bei pH 6.0 und 7.5 untersucht. Dazu wurden die bei pH 6.0 und einer NaClKonzentration von 50 mM hergestellten Proteoliposomen entweder in 5 mM
MES/NaOH, pH 6.0 oder in 5 mM Tris/HCl, pH 7.5 mit 50 mM NaCl, 50 µM DQ,
1 µM ACMA und Zn2+-Konzentrationen im Ansatz bis 0.5 mM (pH 6.0) bzw. bis
0.1 mM (pH 7.5) für 3 min bei Raumtemperatur inkubiert. Die mit der RedoxReaktion gekoppelte Protonentranslokation wurde durch Zugabe von 100 µM
NADH gestartet und die Amplitude des ACMA-Signals registriert. Es zeigte sich,
dass Zn2+ die Protonentranslokation inhibiert (Abb. 4-23). Bei pH 6.0 ergab sich
ein IC50 von etwa 100 µM, bei pH 7.5 von etwa 20 µM, was ein deutliches Indiz
für die Kompetition von Zn2+ und Protonen ist. Im Rahmen ihrer Diplomarbeit
zeigte
Frau
Dinah
Mattay
(2006),
dass
auch
die
NADH:Decyl-Ubichinon
Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I durch Zn2+ gehemmt wird. Dabei ergaben
- 76 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
sich IC50-Werte von 25 µM bei pH 6.0 und 2.5 µM bei pH 7.5. Die Diskrepanz im
Vergleich
der
Werte
könnte
verschiedene
Gründe
haben.
Es
wurde
in
verschiedenen Systemen gemessen, da die Reaktion mit Proteoliposomen an den
entstehenden pH-Gradienten gekoppelt ist, wohingegen die Redox-Reaktion des
mit Lipid inkubierten Komplex I entkoppelt abläuft. Die Bestimmung der Fläche
des ACMA-Signals statt seiner Amplitude würde zu einem etwas anderen
Ergebnis führen. Dieser Aufwand wurde hier nicht betrieben, da es nur darum
ging,
den
prinzipiellen
Nachweis
der
Zn2+-Hemmung
bei
verschiedenen
pH-Werten zu führen. Ausserdem hat die Inkubationsdauer einen grossen
Einfluss auf die Hemmung des Komplex I durch Zn2+, wie kürzlich am
mitochondrialen Enzym gezeigt wurde (Sharpley und Hirst, 2006).
Abb. 4-23; Hemmung der Protonentranslokation des Komplex I durch Zn2+. Es wurde
die Amplitude des ACMA-Fluoreszenzsignals mit Komplex I-Proteoliposomen bei einer
Anregungswellenlänge von 410 nm und einer Emissionswellenlänge von 480 nm
gemessen. Die Kurve (A) zeigt die Messungen bei pH 6.0 die mit etwa 5 µg Komplex I
durchgeführt wurden, die Kurve (B) zeigt die Messungen bei pH 7.5 die mit etwa 30 µg
Komplex I durchgeführt wurden. Die Reaktion wurde mit 50 µM DQ und 100 µM NADH
gestartet. 100 % entsprechen in (A) 40 % Abnahme der relativen Fluoreszenz, in (B)
75 %. Die grössere Abnahme der Fluoreszenz bei pH 7.5 kam durch den Einsatz der
sechsfachen Menge Komplex I zustande. Die Signaldauer bis zur Rückkehr zur Basislinie
war bei pH 7.5 etwa ein Drittel der Zeit bei pH 6.0.
- 77 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
4.4.5 Szintillationsmessungen mit
Falls
der
Komplex I
in
22
der
Na+ an Komplex I-Proteoliposomen
Lage
translozieren, wäre dies eindeutig mit
22
sein
sollte,
auch
Na+-Ionen
zu
Na+ nachweisbar (Kaesler und Schönheit,
1989). Zunächst wurde die Dichtigkeit der für dieses Experiment in 5 mM
MES/NaOH, pH 6.0 oder in 5 mM Tris/HCl, pH 7.5 und je 10 mM NaCl
hergestellten Proteoliposomen mittels ACMA-Fluoreszenz und die Sensitivität des
Signals gegen Piericidin A und CCCP bestätigt (Daten nicht gezeigt). Ein Aliquot
dieser aktiven Proteoliposomen wurde in Puffer mit
22
Na+ (3 µCi) überführt und
die NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität durch Zugabe von je 140 µM
DQ und NADH gestartet. Die Proben für die Szintillationsmessungen wurden nach
Reaktionszeiten
signifikantes
zwischen
Signal
Proteoliposomen
30 s
und
nachgewiesen
mit
ETH-157
3 min
werden.
oder
entnommen.
Es
Selbst
Behandlung
Monensin
nach
lagen
die
konnte
kein
der
gemessenen
Signalintensitäten im Bereich des statistischen Rauschens. Daher lieferte dieses
Experiment keinen Nachweis für eine mögliche Translokation von Na+-Ionen
durch den E. coli Komplex I.
4.4.6 FTIR-Differenzspektren des Komplex I in Gegenwart von Na+- und
K+-Ionen
Die mögliche Wechselwirkung einzelner Aminosäuren des Komplex I mit
Na+-Ionen wurde FTIR-spektroskopisch untersucht. Dazu wurde der Komplex I in
Puffer gebracht, die als Kationen entweder Na+ oder K+ enthielten. Um
Vergleichsspektren
einer
primären
Na+-Pumpe
zu
erhalten,
wurde
die
NADH:Chinon Reduktase (NQR) aus Vibrio cholerae herangezogen. Die NQR ist
evolutionär nicht mit dem Komplex I verwandt, katalysiert aber die gleiche
Elektronentransfer-Reaktion, allerdings gekoppelt mit der Erzeugung eines
Na+-Gradienten (Zhou et al., 1999; Barquera et al., 2002). Das Enzym wurde
freundlicherweise von Dr. Blanca Barquera (Troy Universität, New York, USA) zur
Verfügung gestellt. Während das Differenzspektrum des Komplex I aus E. coli in
einem
Puffer
mit
200 mM
NaCl
nur
minimale
Änderungen
zu
dem
Differenzspektrum in einem Puffer mit 200 mM KCl aufwies, zeigte die NQR in
dem Na+-Puffer ein deutlich anderes Differenzspektrum als in dem K+-Puffer
- 78 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
(Abb. 4-24). Die Unterschiede zwischen den Komplex I-Spektren im Bereich von
1'400 bis 1'500 Wellenzahlen sind auf Schwingungen deprotonierter Carboxylatreste zurückzuführen (Venyaminov und Kalnin, 1990), wahrscheinlich aufgrund
der Bildung von -CO2-Na+-Paaren. Die deutlichsten Unterschiede zwischen den
Spektren der NQR lagen im Amid I-Bereich von 1'620 bis 1'690 Wellenzahlen und
stammen hauptsächlich von Carbonylschwingungen der Peptidbindungen des
Protein-Rückgrats (Arrondo et al., 1993). Außerdem traten Änderungen in den
Schwingungen zwischen 1'540 und 1'590 Wellenzahlen auf, die typisch für
protonierte Carboxylreste sind (Venyaminov und Kalnin, 1990). Aufgrund des
kleinen Effekts der Na+-Ionen auf das Differenzspektrum des Komplex I im
Vergleich mit den grossen Variationen des Spektrums der NQR erscheint eine
spezifische Wechselwirkung zwischen Na+ und Komplex I unwahrscheinlich.
Abb. 4-24 Elektrochemisch induzierte FTIR-Differenzspektren der NQR (oben) und von
Komplex I (unten). Die Spektren wurden in Anwesenheit von entweder je 200 mM Na+
(schwarze Kurve) oder K+ (graue Kurve) aufgenommen. Das Potential wurde für die NQR
von -0.45 auf 0 V und für den Komplex I von -0.45 auf 0.2 V geändert.
- 79 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
4.4.7 FTIR-Differenzspektren des Komplex I in Gegenwart verschiedener
Protonenkonzentrationen
Da an der enzymatischen Reaktion des Komplex I Protonen beteiligt sind,
wurde
davon
ausgegangen,
dass
der
pH-Wert
einen
Einfluss
auf
die
elektrochemisch induzierten FTIR-Differenzspektren des Komplex I haben sollte.
Daher wurden Spektren des Komplexes bei pH 5.5, 6.5 und 7.5 aufgenommen
(Abb. 4-25). Das charakteristische Merkmal der Spektren ist das grosse Signal
im Amid I-Bereich, das unter anderem Variationen des Polypeptid-Rückgrats
anzeigt. Die grossen Änderungen des Spektrums des Komplexes bei pH 7.5
verglichen mit dem bei pH 6.5 könnte auf eine teilweise Fragmentierung des
Enzyms
hindeuten,
die
sich
in
der
Abnahme
der
Signalamplituden
bei
1'666 Wellenzahlen zeigt. Ein Vergleich der Spektren des Komplexes bei pH 6.5
und 5.5, die nur Signale des intakten Enzyms enthalten, zeigt eine Änderung bei
1'732 Wellenzahlen, die in Kombination mit der Änderung der Signalamplituden
bei etwa 1'585 und 1'408 Wellenzahlen auf eine Protonierung einer Aspartatoder Glutamat-Seitenkette hindeutet (Venyaminov und Kalnin, 1990). Diese bei
pH 5.5 durch die Reduktion des Komplex I induzierte Protonierung zeigt, dass
der lokale pKa dieses Restes um 5.5 liegen muss. Weitere Unterschiede lassen
möglicherweise
auf
eine
veränderte
Chinonbindung
schliessen.
Es
wurde
angenommen, dass die Präparation pro mol Komplex I 0.5 mol Chinon enthält
(Gong et al., 2003). Da die Spektren mit Aliquots der gleichen Präparation
aufgenommen wurden, würden diese spektralen Änderungen auf einen Effekt des
pH-Werts auf die Affinität des Chinons zu seiner Bindestelle hindeuten. Eine
markante Schwingungsbande, hervorgerufen durch die Schwingung der MethoxyGruppe des neutralen Ubichinons, ist bei 1'264 Wellenzahlen zu erwarten (Breton
et al., 1994; Hellwig et al., 1999). Desweiteren wären Beiträge bei 1'610, 1'290
und 1'200 Wellenzahlen zu erwarten. Tatsächlich treten diese Signale bei pH 5.5
verstärkt auf, was als eine stärkere Bindung des Chinons in saurem Milieu
gedeutet werden könnte.
- 80 -
4. Ergebnisse
___________________________________________________________________________
Abb. 4-25; Elektrochemisch induzierte FTIR-Differenzspektren des Komplex I. (A) zeigt
eine Überlagerung der bei pH 6.5 (graue Linie) und pH 7.5 (schwarze Linie)
aufgenommenen Differenzspektren, (B) zeigt eine Überlagerung der bei pH 5.5
(schwarze Linie) und pH 6.5 (graue Linie) aufgenommenen Differenzspektren. Das
Potential wurde von -0.44 auf 0.16 V geändert.
- 81 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
5.
Diskussion
5.1 Der Einfluss von Phospholipiden auf den Komplex I
Die im Verlauf der Isolierung abnehmende physiologische Aktivität des
mitochondrialen und bakteriellen Komplex I kann durch die Zugabe von
Phospholipiden zu der Präparation wieder hergestellt werden (Ragan und Racker,
1973; Ragan, 1978; Friedrich et al., 1989; Dröse et al., 2002; Sazanov et al.,
2003; Sinegina et al., 2005; Sharpley et al., 2006). Der Grad der Reaktivierung
durch Phospholipide hängt vom Ausmass der Delipidierung während der
Isolierung und der Fähigkeit ab, den Verlust durch die Bindung exogener Lipide
auszugleichen. So wurde im Rahmen dieser Arbeit eine zehnfache Aktivierung
der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des aus Escherichia coli
isolierten Komplex I gemessen (Tab. 4-2), während andere Präparationen eine
zweifache (David et al., 2002; Sinegina et al., 2005) bzw. achtfache (Sazanov
et al., 2003) Aktivierung zeigten. Dabei erwiesen sich Lipidgemische aus E. coli
als effektivere Aktivatoren als Lipide aus anderen Organismen, was frühere
Studien bestätigt und auf eine spezifische Wechselwirkung von Lipid zu Enzym
hindeutet, die wahrscheinlich durch die unterschiedliche Länge der Fettsäuren
hervorgerufen wird (Jung et al., 1998; Sazanov et al., 2003). Es wurde
vorgeschlagen, dass die Phospholipide für eine bessere Verfügbarkeit des
Substrats Chinon sorgen sollen (Ragan, 1978). Das hätte zur Folge, dass die
apparente Michaelis-Konstante zu Decyl-Ubichinon mit zunehmendem Lipidanteil
der Präparation abnehmen sollte. Dies wurde jedoch mit dem E. coli Komplex I
weder im Rahmen dieser Arbeit (Abb. 4-2), noch in einer kürzlich erschienenen
Veröffentlichung (Sinegina et al., 2005) festgestellt. In Übereinstimmung damit
hatte die Zugabe von Phospholipid auch keinen Einfluss auf den IC50 des
Chinonstellen-Inhibitors Piericidin A (Abb. 4-3). Die Anwesenheit von Lipiden
bewirkt offensichtlich keine Optimierung der Chinonbindung. Die mit dem E. coli
Komplex I erhaltenen Daten weisen auf einen direkten Effekt der Phospholipide
auf
das
Enzym
hin,
wie
dies
auch
für
den
Komplex I
aus
Rind
mit
Phosphatidylcholin und Phosphatidylethanolamin beschrieben wurde (Sharpley
et al., 2006).
- 82 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
Für das mitochondriale Enzym aus Yarrowia lipolytica ergab die Zugabe
von Phospholipiden eine 35-fache Aktivierung von 0.2 auf 7 U/mg (Dröse et al.,
2002), wohingegen sich die Aktivität des Komplex I aus Rind knapp verdoppelte
und maximal 2 U/mg betrug (Sharpley et al., 2006). Wurde jedoch den
Chromatographie-Puffern dieser Präparation Phospholipide zugesetzt, erhöhte
sich die spezifische Enzymaktivität auf 4 U/mg (Sharpley et al., 2006). Somit
wurde in beiden Fällen nach Inkubation des mitochondrialen Komplex I mit
Phospholipiden wieder annähernd die Aktivität des Enzyms in der Membran
erreicht. Die Aktivität der Präparationen des E. coli Komplex I verschiedener
Laboratorien variierte hingegen von 1 U/mg (David et al., 2002) bis 22 U/mg
(Sazanov et al., 2003; Sinegina et al., 2005). Trotz der zehnfachen Aktivierung
des isolierten Komplex I durch Phospholipide, betrug die maximal gemessene
Aktivität mit Decyl-Ubichinon als Substrat in dieser Arbeit nie mehr als 3.5 U/mg.
Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teil der Präparation einen
irreversiblen Verlust an Lipid oder einen anderen Schaden erlitt und deshalb nicht
mehr vollständig reaktiviert werden konnte. Ein Grund für diesen Verlust könnte
die Extraktionsmethode mit 3 % (w/v) Dodecylmaltosid sein (Kapitel 3.1.1),
während nach anderen Vorschriften 2 % (Sazanov et al., 2003) oder 0.5 %
(Sinegina et al.,
2005)
Dodecylmaltosid
verwendet wurden. Um dies
zu
untersuchen, wurde ein mit einem Histidin-tag modifizierter E. coli Komplex I mit
1 % Dodecylmaltosid aus der Membran extrahiert und mittels AffinitätsChromatographie und Grössen-ausschluss-Chromatographie aufgereinigt. Mit
dieser schonenden Präparations-methode ergab sich eine fünffach höhere
spezifische Aktivität der Präparation von etwa 1.5 U/mg im Vergleich zur
Standardpräparation. Die Inkubation der Präparation mit polaren Lipiden aus
E. coli führte zu einer Verdopplung der spezifischen Aktivität auf 3 U/mg
(Thomas Pohl, persönliche Mitteilung), weshalb ein irreversibler Verlust an
Phospholipiden während der Isolierung eher unwahrscheinlich scheint.
Andererseits
wurde
die
maximale
spezifische
d-NADH:Ubichinon-2
Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I in der Membran des E. coli B-Typs zu
0.06 U/mg bestimmt (Friedrich et al., 1994). Aus der d-NADH/Ferricyanid
Oxidoreduktaseaktivität
und
Western-blot
Analyse
wurde
der
Gehalt
an
Komplex I in den Membranen dieses Stamms auf 1 % geschätzt (H. Leif und T.
Friedrich, unveröffentlichte Daten). Somit würde sich für vmax des Enzyms in der
- 83 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
Membran ein Wert von 6 U/mg ergeben, was gut mit den Werten für den
mitochondrialen Komplex I übereinstimmt (Dröse et al., 2002; Sharpley et al.,
2006; Sharpley und Hirst, 2006). Für den E. coli Stamm MWC215, dem die
alternative NADH Dehydrogenase (NDH-II) fehlt, wurde ein vmax von 0.27 U/mg
berichtet (David et al., 2002). Zwar wurde der Gehalt an Komplex I in der
Membran dieses Stamms nicht bestimmt, aber es ist bekannt, dass unter
aeroben Wachstumsverhältnissen die Deletion der NDH-II zu einer etwa zweifach
erhöhten Expression des Komplex I führt (Bongaerts et al., 1995; Bogachev
et al., 1996; Tran et al., 1997; Unden und Bongaerts, 1997). Daher wäre in
diesem Stamm eine maximale spezifische Aktivität von etwa 13 U/mg zu
erwarten, weshalb die physiologische Signifikanz von grösseren Aktivitäten
angezweifelt werden muss, zumal die von Sazanov und Mitarbeitern gefundene
maximale
spezifische
NADH:Decyl-Ubichinon
Oxidoreduktaseaktivität
von
22 U/mg keine Sensitivität gegenüber Rotenon oder Piericidin A aufwies.
Entgegen kürzlich veröffentlichter Daten (Sinegina et al., 2005) wurde
nach Zugabe von Phospholipiden keine Änderung der ESR-spektroskopischen
Eigenschaften der Fe-S Zentren des Komplex I gefunden (Abb. 4-9). Es war
berichtet worden, dass der Zusatz von Asolectin aus Sojabohne zu dem isolierten
E. coli Komplex I zu einer Verbreiterung der ESR-Signale zweier tetranuklearer
Fe-S Zentren führt (Sinegina et al., 2005). Die Signale des Komplex I in
Detergenzlösung unterschieden sich in dieser Arbeit nicht von denen der
Präparation nach Inkubation mit einem Extrakt polarer E. coli Lipide, mit einem
E. coli Gesamtlipid-Extrakt und mit Asolectin aus Sojabohne (Daten nicht
gezeigt). Daher können die Unterschiede in den hier gezeigten ESR-Spektren zu
denen von Sinegina und Mitarbeitern nicht an der Verwendung verschiedener
Phospholipide liegen. Die hier vorgestellten ESR-Daten widersprechen der
Annahme, dass die Umgebung eines Fe-S Zentrums durch die Anwesenheit von
Phospholipiden verändert wird. Möglicherweise wurde das Enzym im Verlauf der
Präparation nach Sinegina und Mitarbeitern spezifischer delipidiert. Ausserdem
deutet
das
in
der
genannten
Fe-S Zentrum auf eine
veröffentlichte
Struktur
Thermus thermophilus
Arbeit
Verunreinigung
des
(Sazanov
nachgewiesene
binukleare
der Präparation hin. Die
peripheren
und
dritte
Arms
Hinchliffe,
des
2006)
kürzlich
Komplex I
und
die
aus
Anzahl
konservierter Sequenzmotive für Fe-S Zentren (Uhlmann und Friedrich, 2005)
- 84 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
zeigen, dass der Komplex I lediglich zwei binukleare Fe-S Zentren enthält. Die
Aktivierung
des
mitochondrialen
Komplex I
wurde
von
einer
leichten
Verbreiterung der ESR-Signale der meisten Fe-S Zentren begleitet, wobei die
g-Werte und die Temperatur- und Leistungsabhängigkeit der Spektren jedoch
unverändert blieben (Ohnishi et al., 1974). Dies deutet auf eine Änderung der
Gesamtstruktur des Enzyms hin, die nicht auf die spektrale Eigenschaft einzelner
Zentren beschränkt ist. Interessanterweise wurde das Mittenpotential des
Zentrums N2 durch die Inkubation des inaktiven Komplex I mit Phospholipiden
von -265 mV auf -210 mV in der aktiven Form des Enzyms angehoben (Ohnishi
et al., 1974). Der Einfluss von Lipiden auf die Mittenpotentiale der Fe-S Zentren
wird zur Zeit in unserer Arbeitsgruppe untersucht.
Der
aktivierende
Phospholipide
wurde
Effekt
durch
spezifisch
FTIR-spektroskopisch
an
Rhodopsin
untersucht
und
gebundene
anhand
der
C=O Schwingung Änderungen der Lipid-Estergruppen nachgewiesen (Beck et al.,
1998; Isele et al., 2000). Die dabei beschriebenen Signale sind charakteristisch
für Estergruppen und liegen im spektralen Bereich um 1'740 Wellenzahlen. Die
elektrochemisch induzierten FTIR-Differenzspektren des E. coli Komplex I in
Detergenz verändern sich, wenn der Präparation Lipide hinzugefügt werden
(Abb. 4-8). Ein neues Signal bei 1'744 Wellenzahlen in der oxidierten Form und
bei 1'730 Wellenzahlen in der reduzierten Form des Komplex I wurde nach
Inkubation der Präparation mit polaren Lipiden aus E. coli gefunden (Abb. 4-8).
Da Lipide nicht Redox-aktiv sind, kann dieses Signal nur aus einer veränderten
Umgebung der Esterbindungen aufgrund der Redox-Reaktion des Enzyms
resultieren. Dies würde auf eine spezifische Bindung von Lipiden an den
Komplex I hindeuten.
Die vorliegenden Daten zeigen, dass Phospholipide einen direkten Einfluss
auf den Komplex I
haben, wie dies
auch schon von anderen Gruppen
vorgeschlagen wurde (Dröse et al., 2002; Sazanov et al., 2003; Sinegina et al.,
2005; Sharpley et al., 2006). Die vorgeschlagene Stabilisierung der schwachen
Wechselwirkung von peripherem und membranständigem Arm des Komplex, die
sich in einer Änderung der ESR-spektroskopischen Eigenschaften bestimmter
Fe-S Zentren wiederspiegeln soll (Sinegina et al., 2005), wurde nicht bestätigt.
Es wird vermutet, dass die Reaktivität des Komplex I zumindest teilweise mit
- 85 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
konformativen Änderungen verbunden ist (Weiss et al., 1991; Friedrich, 1998
und 2001; Brandt et al., 2003; Yagi und Matsuno-Yagi, 2003; Mamedova et al.,
2004; Ohnishi und Salerno, 2005). Es ist naheliegend anzunehmen, dass der
Komplex I
durch
Phospholipide
aktiviert
wird,
indem
diese
für
den
Katalysemechanismus notwendige Konformationsänderunden ermöglichen oder
zumindest erleichtern.
5.2 Die Ionentranslokation des Komplex I
Aufgrund seines komplizierten Aufbaus aus mindestens 13 verschiedenen
Untereinheiten und dem Fehlen einer molekular aufgelösten Struktur des
gesamten Enzyms ist der detaillierte Mechanismus des Komplex I noch nicht
bekannt. Es ist allgemein anerkannt, dass der mitochondriale Komplex I pro
oxidiertem NADH vier Protonen über die Membran transloziert (Wikström, 1984;
Brown und Brand, 1988; Hinkle et al., 1991; Bogachev et al., 1996; Galkin et al.,
1999). Für den bakteriellen Komplex I aus Klebsiella pneumoniae wurde jedoch
keine Protonentranslokation, sondern eine Translokation von zwei Na+-Ionen pro
oxidiertem
NADH
vorgeschlagen
(Gemperli
et al.,
2003).
Die
Art
der
translozierten Ionen hat Konsequenzen für den Mechanismus des Komplex I
(Hirst, 2003). Daher ist es erforderlich, zu untersuchen, ob die Na+-Translokation
durch den K. pneumoniae Komplex I eine Ausnahme von der Regel darstellt oder
eine bislang übersehene, allgemeine Eigenschaft des Enzyms darstellt. Primäre
Na+-Pumpen zeigen in Abwesenheit von Na+-Ionen scheinbar keinen Umsatz
(Dimroth,
1997).
So
wurde
für
den
Na+-pumpenden
Komplex I
aus
K. pneumoniae bei 332 µM Na+ nur noch 50 % der maximalen Reaktionsrate
gefunden
(Gemperli
Na+-translozierenden
et al.,
2002).
Die
NADH:Chinon Reduktase
enzymatische
aus
Aktivität
Vibrio cholerae
der
beträgt
bereits bei 10 mM Na+ nur noch 50 % des vmax (Barquera et al., 2002). Die
NADH:Decyl-Ubichinon
Phospholipid
Oxidoreduktaseaktivität
inkubierten
E. coli
Komplex I
des
war
isolierten
jedoch
nicht
und
von
mit
der
Na+-Konzentration abhängig (Abb. 4-18), was gegen die Annahme spricht, dass
dieses Enzym als Na+-Pumpe arbeitet. Dem widersprechen Experimente an
invertierten Membranvesikeln aus E. coli (Steuber et al., 2000; Steuber, 2001a).
Da es bei Messungen an invertierten Membranvesikeln jedoch aufgrund der
- 86 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
verschiedenen in der Membran vorliegenden Enzyme zu nicht erwarteten
Folgereaktionen kommen kann, wurde die Ionentranslokation in dieser Arbeit an
artefiziellen Proteoliposomen des isolierten Komplex I gemessen. Ein Gemisch
von Komplex I und polaren Lipiden aus E. coli wurde nach der Methode des
Detergenz-Entzugs durch BioBeads zu Proteoliposomen rekonstituiert (Rigaud
et al., 1995). Durch Fluoreszenzmessungen an Proteoliposomen mit ANS als
Nachweisreagenz
für
das
Membranpotential
wurde
gezeigt,
dass
das
Membranpotential durch die Redox-Reaktion des Komplex I hervorgerufen
wurde,
da
die
Zugabe
von
Piericidin A
und
DCCD
die
Ausbildung
des
Fluoreszenzsignals nach Starten der Reaktion mit NADH verhinderte (Abb. 4-20).
Es
zeigte
sich,
dass
das
Potential
vollständig
sensitiv
gegenüber
dem
Protonophor CCCP, jedoch nicht gegenüber dem Natriumionophor ETH-157 war
(Abb. 4-20), was eine Beteiligung eines Na+-Gradienten am Membranpotential
unwahrscheinlich macht. Dieses Ergebnis wurde durch den direkten Nachweis
eines pH-Gradienten durch den fluoreszierenden Indikator ACMA bestätigt
(Abb. 4-21). Die Zugabe von Piericidin A und DCCD verhinderte die Ausbildung
eines pH-Gradienten. Die Zugabe der Ionophore CCCP oder Monensin, das ein
Na+/H+-Tauscher ist, verhinderte ebensfalls die Ausbildung des ACMA-Signals
(Abb. 4-21). Somit muss der von dem E. coli Komplex I gebildete Ionengradient
ein Protonengradient sein. Dies bestätigt frühere Untersuchungen an E. coli
Zellen die zeigten, dass der Komplex I mindestens 1.5 H+/e- transloziert
(Reenstra et al., 1980; Matsushita et al., 1987; Bogachev et al., 1996). Die
Daten, die darauf hindeuten, dass der E. coli Komplex I eine primäre Na+-Pumpe
ist, wurden mit invertierten Membranvesikeln gewonnen (Steuber et al., 2000;
Steuber, 2001a). Möglicherweise gelangten die Elektronen des NADH über
Komplex I
in
die
Atmungskette
und
standen
dann
anderen
Energie-
konservierenden Enzymen zur Verfügung unter denen sich eine primäre
Na+-Pumpe befindet. So würde sich auch die Rotenon-Sensitivität der Reaktion
erklären, da Rotenon den Eintritt der Elektronen in die Atmungskette verhindert.
In gleicher Weise
würde
sich das
Ausbleiben der Na+-Translokation an
invertierten Membranvesikeln eines Komplex I-Deletionsstamms erklären lassen.
- 87 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
Sequenzvergleiche zeigten, dass die Untereinheiten NuoL, NuoM und NuoN
des
Komplex I
Homologien
zu
Kationen/Protonen
Antiportern
aufweisen
(Friedrich und Weiss, 1997; Putnoky et al., 1998; Hamamoto et al., 1994;
Krulwich et al., 2001; Mathiesen und Hägerhäll, 2002 und 2003). Experimente
mit überproduziertem NuoL aus E. coli und Rhodobacter capsulatus ergaben,
dass diese Untereinheit möglicherweise in der Lage ist, einen passiven
Na+-Antiport
entlang
eines
Konzentrationsgradienten
zu
bewerkstelligen
(Steuber, 2003; Mathiesen, 2003). Der Natriumtransport der in Proteoliposomen
rekonstituierten Untereinheit NuoL aus E. coli wird von einer Zunahme der
Permeabilität der Membran begleitet, was als Na+/H+-Antiport interpretiert wurde
(Steuber, 2003). Die überproduzierten Untereinheiten NuoL und NuoM aus
R. capsulatus verhalfen Bacillus subtilis Mutanten, deren Na+/H+-AntiporterProteine
MrpA
und
Na+-Konzentrationen
persönliche
MrpD
zu
Mitteilung).
deletiert
überleben
Die
mit
worden
(Mathiesen,
dem
in
waren,
2003;
bei
erhöhten
Cecilia Hägerhäll,
Proteoliposomen rekonstituierten
Komplex I erhaltenen Ergebnisse zeigen, dass diese Untereinheiten nicht als
passive Na+/H+-Antiporter arbeiten, wenn sie im Gesamtkomplex assembliert
vorliegen (Abb. 4-22). Ein über die Membran angelegter Na+-Gradient führte
nicht zu der Ausbildung eines Protonen-gradienten, allerdings hing die Amplitude
des
durch
die
Redox-Reaktion
erzeugten
pH-Gradienten
von
den
Na+-Konzentrationen in den Proteoliposomen und dem Puffer ab (Abb. 4-22).
War die Na+-Konzentration in den Proteoliposomen grösser als im Messpuffer,
wurde
ein
grösseres
ACMA-Signal
registriert
als
bei
gleichen
Na+-Konzentrationen auf beiden Seiten der Membran (Abb. 4-22). Dies deutet
darauf hin, dass der E. coli Komplex I möglicherweise zu einem an die RedoxReaktion gekoppelten Na+/H+-Antiport fähig ist. Der Na+-Ausstrom wäre an eine
Aufnahme
weiterer
Protonengradient
Protonen
vergrössert
gekoppelt,
würde.
Dieser
wodurch
Antiport
der
könnte
entstehende
von
den
Untereinheiten NuoL und/oder NuoM bewerkstelligt werden (Steuber, 2003;
Mathiesen, 2003).
Ob der Komplex I aus E. coli mit Na+ wechselwirkt wurde auch FTIRspektroskopisch untersucht. Falls Na+ ein Substrat für den Komplex I ist, sollten
im IR-Spektrum Banden auftreten, die durch eine Bindung von Na+ an das
Enzym hervorgerufen werden. An der NQR aus V. cholerae, die als primäre
- 88 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
Na+-Pumpe arbeitet, wurden in Anwesenheit von Na+ deutliche Unterschiede zum
Spektrum in Gegenwart von K+ gezeigt (Abb. 4-24). Die grössten Veränderungen
traten
im
Amid I-Bereich
von
1'620
bis
1'690 Wellenzahlen
auf,
der
charakteristisch für Carbonylschwingungen in den Peptidbindungen des ProteinRückgrats ist. Zusätzlich traten Schwingungen von 1'540 bis 1'590 Wellenzahlen
auf, die typisch für deprotonierte Carboxylreste sind. Hingegen wurden lediglich
kleine Unterschiede zwischen den Spektren des E. coli Komplex I in Gegenwart
von Na+ bzw. K+ festgestellt (Abb. 4-24). Diese lagen im Bereich von 1'400 bis
1'500 Wellenzahlen und könnten -CO2-Na+-Schwingungen zugeordnet werden
(Colthup et al., 1990). Der Vergleich der FTIR-Differenzspektren der NQR aus
V. cholerae und des E. coli Komplex I bei verschiedenen Na+-Konzentrationen
unterstützt
somit
Natriumpumpe
die
Annahme,
arbeitet.
dass
Allerdings
der
schliessen
Komplex I
diese
nicht
als
Daten eine
primäre
generelle
Wechselwirkung des Enzyms mit Na+, z. B. in Verbindung mit einem sekundären
Na+/H+-Antiport, nicht aus.
5.3 Aussagen zum Mechanismus des Komplex I anhand der
Wirkung verschiedener Hemmstoffe
Es wurde gezeigt, dass DCCD, das mit Hydroxy-, Sulfhydryl- und Carboxylgruppen von Aminosäuren unter Ausbildung einer kovalenten Bindung reagiert,
die Redox-Reaktion und die Ionentranslokation des mitochondrialen Komplex I
hemmt (Yagi, 1987; Hassinen und Vuokila, 1993; Yagi und Matsuno-Yagi, 2003).
Die Inkubation des durch Phospholipide reaktivierten E. coli Komplex I mit DCCD
führte zu einer nahezu vollständigen Hemmung sowohl des Elektronentransfers
(Abb. 4-19) als auch der Protonentranslokation (Abb. 4-21). Dies spricht für eine
indirekte Kopplung von Elektronentransport und Protonentranslokation. Es wurde
keine Kompetition von DCCD zu Na+-Ionen gefunden (Abb. 4-19), wie es
erwartet worden wäre, wenn es sich bei dem E. coli Komplex I um eine primäre
Na+-Pumpe
handeln
würde.
Für
den
Na+-pumpenden
Komplex I
+
K. pneumoniae wurde gezeigt, dass die Gegenwart von 50 mM Na
Hemmung
verhindert
(Vgenopoulou
et al.,
2006).
Die
aus
die DCCD-
NADH/Ferricyanid
Oxidoreduktaseaktivität des Komplex I und des NADH Dehydrogenase-Moduls
wurde nicht von DCCD gehemmt (Mattay, 2006). Dies schliesst die Beteiligung
- 89 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
der Untereinheiten NuoE, NuoF und NuoG an der DCCD-Bindung aus. Die
Hydrophobizität des DCCD und die Tatsache, dass es an saure Aminosäuren in
hydrophober Umgebung bindet (Kurki et al., 2000), lässt vermuten, dass sein
Wirkort eine für die Ionentranslokation essentielle Aminosäure im Membranarm
des Komplexes ist. In Komplex I aus K. pneumoniae wurde mittels [14C]DCCD
NuoH als DCCD-bindende Untereinheit ermittelt (Vgenopoulou et al., 2006), was
mit Experimenten an dem mitochondrialen Komplex I übereinstimmt, die die zu
NuoH homologe Untereinheit ND1 als DCCD-bindende Untereinheit identifizierten
(Yagi und Hatefi, 1988). Ein [14C]DCCD Experiment an Komplex I aus E. coli soll
in Kürze Aufschluss darüber geben, ob das DCCD auch bei diesem Enzym an
NuoH bindet.
Es wurde gezeigt, dass Amiloride den Komplex I in verschiedenen
Organismen hemmen, wenn auch mit unterschiedlicher Affinität (Hassinen und
Vuokila, 1993; Steuber, 2003; Mathiesen, 2003; Nakamaru-Ogiso et al., 2003a
und b). Der für den isolierten und in Phospholipiden rekonstituierten E. coli
Komplex I gemessene IC50 ist vergleichbar mit dem Wert, der für den Komplex in
der E. coli Membran berichtet wurde (Abb. 4-19; Nakamaru-Ogiso et al., 2003a).
Die Hemmung war unabhängig von der Na+-Konzentration (Abb. 4-19), was
zeigt, dass der Komplex I nicht als primäre Na+-Pumpe arbeitet. Zusätzlich zur
Hemmung des Elektronentransfers verhindern die Amiloride EIPA und Benzamil
auch die Protonentranslokation (s. Kap. 4.4.4). Da Amiloride ursprünglich als
Hemmstoffe für Na+/H+-Antiporter beschrieben wurden (Cragoe Jr. et al., 1992;
Kuroda et al., 1997; Wiebe et al., 2001), ist es vernünftig anzunehmen, dass sie
an
einer
(oder
mehreren)
der
zu
Alkaliionen/H+-Antiportern
homologen
Untereinheiten NuoL, NuoM und NuoN des E. coli Komplex I binden. Die
Inhibierung des Komplex I durch Amiloride ist nicht auf den bakteriellen
Komplex I beschränkt (Steuber, 2003; Mathiesen, 2003), sondern wurde auch
für den mitochondrialen Komplex gefunden (Nakamaru-Ogiso et al., 2003a und
2003b). Deshalb könnte der mögliche Redox-getriebene sekundäre Kationen/H+Antiport eine allgemeine Eigenschaft des Komplex I darstellen. Allerdings besteht
auch die Möglichkeit, dass die Amiloride den H+-Transport und nicht den
Na+-Transport der Na+/H+-Antiporter hemmen.
- 90 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
Es ist bekannt, dass Zn2+ an Ionenkanäle bindet und so die Translokation
von Ionen, in den meisten Fällen Protonen, verhindert (Link und von Jagow,
1995; Cherny und DeCoursey; 1999; Axelrod et al., 2000; Gerencsér und Maróti,
2001; Kannt et al., 2001; Mills et al., 2002). Darüberhinaus wurde für das
Reaktionszentrum aus Rhodobacter sphaeroides gefunden, dass Zn2+ sowohl den
Elektronentransfer, als auch die Protonentranslokation hemmt (Gerencsér und
Maróti, 2001). Bis vor kurzem war die Hemmung des Komplex I durch Zn2+ noch
nicht beschrieben, weshalb der Einfluss von Zn2+ auf den durch die RedoxReaktion des Komplex I hervorgerufenen Protonengradienten untersucht wurde.
Tatsächlich verkleinerte die Zugabe von Zn2+ das Signal des Fluorophors ACMA
(Abb. 4-23). Zn2+ scheint daher auch an einem Protonenkanal des Komplex I zu
binden und so die Translokation zu behindern. Dafür spricht auch, dass die
Erhöhung des pH-Werts des Messpuffers von 6.0 auf 7.5 zu einer Abnahme des
apparenten IC50 von 100 µM auf 20 µM führte (Abb. 4-23), was auf eine
Kompetition zwischen H+ und Zn2+ hindeutet. Auch im Reaktionszentrum aus
R. sphaeroides (Gerencsér und Maróti, 2001) und in Potential-getriebenen
Protonenkanälen
aus
Ratte
(Cherny
und
DeCoursey;
1999)
wurde
eine
Abhängigkeit der Zn2+-Hemmung vom pH-Wert gefunden. Kürzlich wurde die
Hemmung der NADH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität durch Zn2+ auch
am mitochondrialen Komplex I nachgewiesen (Sharpley und Hirst, 2006). Diese
Aktivität wurde bei dem E. coli Komplex I ebenfalls durch Zn2+ gehemmt und
zwar unabhängig von der Na+-Konzentration (Mattay, 2006). Der Komplex I aus
E. coli ist daher keine primäre Na+-Pumpe, wie von Steuber und Mitarbeitern
postuliert (Steuber et al., 2000). Es wurden auch andere einwertige und
zweiwertige Kationen (Li+, K+, Ag+, Ca2+, Mn2+, Co2+, Ni2+, Cd2+ und Cu2+) auf
ihre hemmende Eigenschaft hin untersucht, wobei nur Ag+ eine mit Zn2+
vergleichbare Hemmung zeigte (Mattay, 2006). Allerdings ist bekannt, dass Ag+
mit
Flavinen
reagiert
(Steuber
et al.,
1997).
In
Studien
an
der
Cytochrom c Oxidase aus R. sphaeroides zeigte Cd2+ eine mit Zn2+ vergleichbare
Hemmung (Mills et al., 2002). Der Komplex I aus Rinderherzmitochondrien
wurde durch Cd2+ zwar nicht in so geringen Konzentrationen gehemmt wie mit
Zn2+,
jedoch
waren
geringere
Konzentrationen
nötig
als
mit
anderen
zweiwertigen Kationen (Sharpley und Hirst, 2006). Insofern scheint der
Komplex I aus E. coli sich von dem Rinderherz-Enzym zu unterscheiden. Der KM
zu Chinon wird weder im bc1-Komplex aus Rinderherz (Link und von Jagow,
- 91 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
1995) noch im E. coli Komplex I (Mattay, 2006) durch Zn2+ beeinflusst, was
bedeutet, dass Zn2+ nicht die Chinon-Bindestelle blockiert. Desweiteren deuten
die kinetischen Daten auf eine Bindung an mindestens zwei verschiedenen
Stellen in dem E. coli Komplex I hin (Mattay, 2006), wie dies auch schon für die
Cytochrom c Oxidase aus Paracoccus denitrificans nachgewiesen wurde (Kannt
et al., 2001). Da das Fe-S Zentrum N2 in Gegenwart von Zn2+ in einem
geringeren Ausmass reduziert wurde (Mattay, 2006), wird davon ausgegangen,
dass Zn2+ entweder in der Nähe von N2 bindet, oder an anderer Stelle eine
Konformationsänderung verhindert, die zur vollständigen Reduktion dieses
Fe-S Zentrums notwendig ist. Ähnliches wurde im bc1-Komplex aus Rinderherz
gefunden, wo Zn2+ die Reduktion der Cytochrome hemmt (Link und von Jagow,
1995).
5.4 Die Substratspezifität des Komplex I
Es
wurde
gezeigt,
dass
submitochondriale
Partikel
eine
NADPH Oxidaseaktivität mit einem pH-Optimum um pH 6 zeigen, wohingegen die
NADH Oxidaseaktivität ein breites Maximum um pH 7 aufweist (Hatefi und
Hanstein, 1973). Die NADH Oxidaseaktivität betrug bei pH 6 etwa ein Fünftel der
NADH Oxidaseaktivität (Djavadi-Ohaniance und Hatefi, 1975) und war sensitiv
gegenüber Hemmstoffen, die an der Chinonbindestelle wirken und an die
Phosphorylierung
von
NADPH Oxidaseaktivität
ADP
eine
gekoppelt.
Es
intrinsische
stellte
sich
Eigenschaft
heraus,
des
dass
die
mitochondrialen
Komplex I ist und nicht von der NADPH/NAD+ Transhydrogenase hervorgerufen
wird (Hatefi und Hanstein, 1973; Djavadi-Ohaniance und Hatefi, 1975). Die
physiologische Funktion dieser NADPH Dehydrogenierung könnte daher eine
Transhydrogenase-Aktivität des Komplex I sein (Fearnley und Walker, 1992),
aber auch eine Beteiligung an der Biogenese von Fettsäuren in Mitochondrien
wird diskutiert (Albracht und de Jong, 1997; Schneider et al., 1997; Yamaguchi
et al., 2000).
Durch ESR- und UV/vis-Spektroskopie wurde nachgewiesen, dass NADPH
die Kofaktoren des mitochondrialen Komplex I nur zu einem Teil reduziert (Hatefi
und Bearden, 1976; Ragan, 1976). Es wurde vorgeschlagen, dass diese
- 92 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
unvollständige Reduktion ein Ergebnis einer schnellen Autoxidaton einer RedoxKomponente mit niedrigem Redox-Potential aufgrund der geringen NADPH
Oxidaseaktivität
ist
(Hatefi
und
Bearden,
1976;
Ragan,
1976).
In
submitochondrialen Partikeln wurde gezeigt, dass die Hälfte der Fe-S Zentren
N1b, N2, N3 und N4 bei pH 7.5 nicht von NADPH reduziert werden (van Belzen
und
Albracht,
1989;
van Belzen
et al.,
1992).
Daraufhin
wurden
zwei
Populationen von Fe-S Zentren, wie auch verschiedene Bindestellen für NADH
und NADPH vorgeschlagen, was zu einem dimeren Modell des Komplex I führte.
Später wurde dieses Modell modifiziert, indem zwei Nukleotidbindestellen, jede
mit einem FMN-Kofaktor, in einem monomeren Komplex postuliert wurden
(Albracht
und
DeJong,
1997).
Möglicherweise
gibt
es
verschiedene
Elektronenrouten im mitochondrialen Komplex I, je nach dem ob NADH oder
NADPH Elektronendonor ist. Aus der unterschiedlichen, durch NADH und NADPH
induzierten Peroxidation von Lipiden (Glinn et al., 1997) und aus der Kinetik der
durch den mitochondrialen Komplex I katalysierten Transhydrogenase-Reaktion
(Zakharova et al., 1999) wurde geschlossen, dass der mitochondriale Komplex I
in der Lage ist, diese Nukleotide zu unterscheiden. Eine unterschiedliche Wirkung
von Inhibitoren auf die Hin- oder Rückreaktion des Komplexes liesse vermuten,
dass
bei
der
NADH-Oxidation
bzw.
der
NAD+-Reduktion
verschiedene
Nukleotidbindungsstellen benutzt werden (Zharova und Vinogradov, 1997;
Vinogradov, 1998; Kotlyar und Bovorok, 2002).
Während im mitochondrialen Komplex I mehrere Nukleotidbindestellen in
unterschiedlichen Untereinheiten gefunden wurden (Yamaguchi et al., 1998),
enthält der bakterielle Komplex I nur eine NAD(P)H-bindende Untereinheit,
nämlich das zur mitochondrialen 51 kDa Untereinheit homologe NuoF (Friedrich
und Weiss, 1997). Da die NADPH:Decyl-Ubichinon Oxidoreduktaseaktivität des
E. coli Komplex I nicht Piericidin A-sensitiv war (Tab. 4-3) und nicht mit einer
Protonentranslokation gekoppelt war (Abb. 4-12) wurde geschlossen, dass
NADPH kein physiologisches Substrat dieses Enzyms ist. Trotzdem war kein
signifikanter Unterschied im Grad der Reduktion der Fe-S Zentren durch NADH
oder NADPH erkennbar (Abb. 4-13 und 4-14). Entgegen der Ergebnisse mit dem
mitochondrialen Komplex I waren alle Zentren durch NADPH reduziert worden.
Unterschiede ergaben sich erst, als das Enzym durch Zugabe von DecylUbichinon reoxidiert wurde. Während die durch NADH reduzierte Probe schnell
- 93 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
reoxidierte, blieb ein grosser Teil der durch NADPH reduzierten Fe-S Zentren
reduziert (Abb. 4-15). Das lässt vermuten, dass die Bindung des NADH und nicht
die Reduktion der Kofaktoren eine konformative Änderung im Enzym induziert,
die die Chinonbindestelle des Komplex I öffnet. Die chemische Struktur des
Nukleotids würde somit die Eigenschaften der Chinonbindung beeinflussen. Diese
Annahme wird durch folgende mit dem mitochondrialen Komplex I erhalten
Daten gestützt: a) Die Elektronen des NADPH werden bei physiologischem
pH-Wert nicht auf Ubichinon übertragen (van Belzen et al., 1992), b) nur NADH
induziert konformative Änderungen, die zur Stabilisierung des Komplex beiträgt
(Davis
und
Hatefi,
1969),
c)
die
Bindung
von
Hemmstoffen
in
der
Chinonbindestelle wird durch einen kurzen NADH-Puls erleichtert (van Belzen
et al., 1992) und d) Hemmstoffe, die an die Chinonbindestelle binden, verhindern
Quervernetzungen zwischen Untereinheiten des peripheren Arms (Gondal und
Anderson, 1985).
Es wurde beschrieben, dass Komplex I zwei Chinonbindestellen hat, wobei
die eine Inhibitor-sensitiv und an der Kopplung mit der Protonentranslokation
beteiligt ist, die andere nicht (Di Vergilio und Azzone, 1982). Die Lokalisierung
dieser Bindestellen wie auch die Identifizierung der Kofaktoren, die am
Elektronenweg zur zweiten, Inhibitor-insensitiven Bindestelle beteiligt sind, steht
noch aus. Obwohl NADPH in der Lage ist, alle Fe-S Zentren zu reduzieren
gelangen die Elektronen nicht über die Inhibitor-sensitive Bindestelle auf
Ubichinon. Stattdessen werden sie vermutlich über die Inhibitor-insensitive Stelle
über Ubichinon auf Sauerstoff übertragen (Abb. 4-16). Der Unterschied des KM
von Komplex I zu Decyl-Ubichinon mit NADH (3.5 µM) oder NADPH (8.8 µM) als
Substrat
könnte
die
Beteiligung
der
verschiedenen
Chinonbindestellen
widerspiegeln (Tab. 4-3).
Die Strukturen mehrerer Enzyme mit NAD(H)-Bindestellen, die auch
NADP(H)
binden,
sind
bekannt
(Lesk,
1995).
Der
für
die
zusätzliche
Phosphatgruppe benötigte Raum wird darin von einer WasserstoffbrückenBindung zwischen einer konservierten Asparaginsäure der Bindestelle und der
Adenosinribose des NAD(H) blockiert. Es gibt in NuoF zwei konservierte saure
Aminosäuren, von denen eine möglicherweise in gleicher Weise wirkt (Fearnley
und
Walker,
1992).
Die
NADP(H)-Bindung
- 94 -
ändert
die
Konformation
des
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
ß-α-ß-α Motivs in der Bindestelle, da die genannte Wasserstoffbrücken-Bindung
durch eine andere, zwischen dem Stickstoff eines Glycins und einem Sauerstoff
der Phosphatgruppe, ersetzt wird. Wie sich diese Konformationsänderung auf das
restliche Enzym auswirkt, ist nicht bekannt. In ähnlicher Weise könnte auch das
konserviertes
Phenylalanin
auf
NuoF
bei
NADPH-Bindung
konformative
Umlagerungen hervorrufen, da es möglicherweise eine sterische Wechselwirkung
mit
der
C2'-Phosphatgruppe
Phenylalanins
im
des
NADPH
eingeht.
NADH Dehydrogenase-Modul
Der
Austausch
gegen
sterisch
dieses
weniger
anspruchsvolle Amino-säuren resultierte allerdings nicht in einer besseren
NADPH-Bindung (Kap. 4.3.6). Lediglich der Austausch gegen Histidin führte,
möglicherweise aufgrund ionischer Wechselwirkung, zu einer deutlichen Senkung
des KM des NADH Dehydrogenase-Moduls zu NADPH, der allerdings immer noch
knapp zehnfach grösser war als der des NADH Dehydrogenase-Modul des
Ausgangs-stamms zu NADH (Tab. 4-4).
Es wurde gezeigt, dass die Zugabe von NADH oder NADPH innerhalb des
peripheren
Arms
des
Komplex I
aus
Rind
zu
einem
veränderten
Quervernetzungsmuster und Trypsinabbau-Banden führt (Patel und Ragan,
1988; Belogrudov und Hatefi, 1994; Yamaguchi et al., 1998). Da diese
Veränderungen nach Zugabe von NADH und Ferricyanid nicht auftraten, wurde
davon
ausgegangen,
Substratbindung
für
dass
die
die
Reduktion
konformativen
des
Enzyms
Umlagerungen
und
nicht
verantwortlich
die
ist
(Belogrudov und Hatefi, 1994; Yamaguchi et al., 1998). Eine durch NAD(P)H
induzierte
Umlagerung
wurde
auch
für
den
E. coli
Komplex I
durch
Quervernetzungsexperimente nachgewiesen (Mamedova et al., 2004), was damit
übereinstimmt, dass beide Substrate das Enzym in gleichem Ausmass reduzieren
(Abb. 4-13). Die Zugabe von NADH führte bei einer elektronenmikroskopischen
Analyse zu einer Aufweitung beider Arme des Komplex I aus E. coli (Mamedova
et al., 2004), was dem selben Effekt zugesprochen wurde wie dem veränderten
Quervernetzungsmuster. Das Aufweiten des Komplex I wurde mit NADPH als
Substrat allerdings nicht beobachtet (S. Keiper, unveröffentlichte Daten). Daher
scheint es wahrscheinlich, dass den beiden Beobachtungen unterschiedliche
molekulare Prozesse zugrunde liegen. Auch das Ergebnis der CD-Spektroskopie
spricht gegen die Annahme, dass NADPH in gleicher Weise wie NADH mit dem
- 95 -
5. Diskussion
___________________________________________________________________________
Komplex I
wechselwirkt,
da
nur
die
NADH-Bindung
zu
einer
Konformationsänderung des E. coli Komplex I führte (Abb. 4-17).
Die konformative Beweglichkeit des E. coli Komplex I und des NADH
Dehydrogenase-Moduls
wurde
FTIR-spektroskopisch
nachgewiesen
(Hellwig
et al., 2000; Flemming et al., 2003a). Es zeigte sich, dass die Redox-Reaktion
mit grossen Umlagerungen des Polypeptid-Rückgrats einhergeht. Ausserdem
wurden Protonierungs/Deprotonierungs-Reaktionen beobachtet, die nur an die
Redox-Reaktion von N2 gekoppelt sein können. Aufgrund dieser Ergebnisse
wurde postuliert, dass die mit der Oxidation des Fe-S Zentrums N2 verbundene
Protonierung
einer
Aminosäure
die
molekulare
Schaltstelle
für
eine
Protonentranslokation darstellt (Hellwig et al., 2000; Flemming et al., 2006).
Dass die Redox-Reaktion die Potonierung einzelner Aminosäuren-Seitenketten
ändert und mit einer konformativen Umlagerung verbunden ist, lässt im
Umkehrschluss erwarten, dass eine Änderung des pH-Werts einen Einfluss auf
die Redox-induzierten FTIR-Spektren des Komplex I haben sollte. Tatsächlich
wurden deutliche Unterschiede im Amid I Bereich in Spektren des Komplex I bei
pH 5.5 und 6.5 nachgewiesen (Abb. 4-25). Diese wurden Veränderungen der
lokalen Umgebung einzelner Aminosäuren und Veränderungen der Chinonbindung
zugeordnet.
Ausserdem
scheinen
Redox-abhängige
konformative
Umlagerungen der Fe-S Zentren des Komplex I zu diesen Signalen beizutragen.
Falls das Fe-S Zentrum N2 tatsächlich die molekulare Schaltstelle für die Redoxgetriebene Protonentranslokation darstellt, sollte man erwarten, dass eine
Blockierung
oder
ein
Verlust
dieses
Zentrums
zum
Ausbleiben
der
Konformationsänderung führt. In der Tat zeigten NuoB Varianten mit einem
verringerten Anteil an N2 Störungen der FTIR-Signale, die konformative
Änderungen
und
die
Protonierung/Deprotonierung
einzelner
Aminosäuren
anzeigen (Flemming, 2004; Flemming et al., 2005 und 2006). Daher wird davon
ausgegangen,
dass
der
Elektronentransfer
um
das
Fe-S Zentrum
N2
konformative Umlagerungen induziert, die möglicherweise durch eine Änderung
lokaler pKa-Werte zu einer Protonierung/Deprotonierung von Aminosäuren in der
Nähe des Zentrums führt und damit zur Ausbildung des transmembranen
Protonengradienten beiträgt.
- 96 -
6. Literatur
___________________________________________________________________________
6 Literatur
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mitochondrial NADH:ubiquinone oxidoreductase (complex I) by ADP-ribose.
Biochim. Biophys. Acta 1320, 256-264.
- 114 -
6. Literatur
___________________________________________________________________________
Zhou, W., Bertsova, Y.V., Feng, B., Tsatsos, P., Verkhovskaya, M.L., Gennis,
R.B., Bogachev, A.V. und Barquera, B. (1999) Sequencing and Preliminary
Characterization of the Na+-Translocating NADH:Ubiquinone Oxidoreductase
from Vibrio harveyi. Biochemistry 38, 16246-16252.
Zickermann, V., Bostina, M., Hunte, C., Ruiz, T., Radermacher, M. und Brandt, U.
(2003) Functional implications from an unexpected position of the 49-kDa
subunit of NADH:ubiquinone oxidoreductase. J. Biol. Chem. 278,
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Regulatory System. J. Bacteriol. 180, 5421-5425.
Zwicker, K., Galkin, A., Dröse, S., Grgic, L., Kerscher, S. und Brandt U. (2006)
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J. Biol. Chem. 281, 23013-23017.
- 115 -
Danksagung
Die vorliegende Arbeit entstand am Institut für Organische Chemie und
Biochemie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
Ein herzliches Dankeschön gebührt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Thorsten
Friedrich, dessen Gedächtnis, Wissen und Ideenreichtum mich immer wieder
auf´s Neue in Erstaunen versetzten. Dass seine Tür immer offen steht und er
immer ein Ohr für die Probleme und Nöte seiner Schützlinge hat und selbst grobe
Schnitzer im Labor schnell verziehen sind macht ihn zu einem besonders netten
Chef.
Prof. Dr. Petra Hellwig bin ich sehr dankbar für die fruchtbare Zusammenarbeit
bei der FTIR-spektroskopischen Charakterisierung des Objekts unserer Begierde.
PD Dr. Reiner Hedderich danke ich für die nette Zeit in Marburg.
Ein grosser Dank auch an unsere technische Assistentin Frau Helga Lay, die "den
Laden am Laufen" hält und immer bemüht ist, für ein Problem die ideale Lösung
zu finden.
Meinen KellegInnen im Labor, ob DoktorandInnen oder DiplomandInnen, ob
aktuell oder ehemalig, danke ich für die stets sehr freundschaftliche Atmosphäre.
Einen netteren Arbeitskreis kann man sich nicht wünschen!
Für den Dank an meine Eltern müssen erst noch die passenden Superlative
erfunden werden! Was würde ich bloss ohne Euch machen!?
Zugehörige Unterlagen
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