Modul Chemische Thermodynamik: Kritischer Punkt M. Broszio, F. Noll, Oktober 2007, Korrekturen September 2008 Lernziele Ziel dieses Versuches die nähere Betrachtung des kritischen Punktes eines Stoffes und seiner Dampfdruckkurve, wobei die Beschreibung eines Gases durch die VAN DER WAALS-Gleichung erläutert wird. Stichwörter zur Vorbereitung Phasendiagramm, Dampfdruckkurve, freie Enthalpie, ideales Gasgesetz, CLAPEYRONsche Gleichung, CLAUSIUS-CLAPEYRONsche Gleichung, VAN DER WAALS-Gleichung, MAXWELLKonstruktion, Regel von CAILLETET-MATTHIAS, kritische Opaleszenz, GIBBSsche Phasenregel. 1. Theoretischer Teil 1.1 Zustandsfunktionen Bei einer Phasenumwandlung wie dem Übergang flüssig-gasförmig ändern sich stets mehrere thermodynamische Größen. Die dem System zugeführte Wärme qrev kann in Arbeit W oder Änderung der inneren Energie U resultieren. δqrev = dU − δW (1.1) Erfolgt der Phasenübergang isobar (d.h. ohne eine Änderung des äußeren Drucks), wie es in offenen Systemen der Fall ist, so handelt es sich bei der vom System geleisteten Arbeit um Druck-Volumen-Arbeit (1.2) δW = − p ⋅ dV Mit (1.1) ergibt sich aus (1.2) δq rev = dU + p ⋅ dV (1.3) Die nach (1.3) gegebene, reversibel ausgetauschte Wärmemenge hängt nur von Zustandsgrößen ab und wird als Enthalpie H bezeichnet: dH = dU + p ⋅ dV (1.4) Diese Äquivalenz von Wärmemenge und Enthalpie gilt bei isobarer und reversibler Prozessführung: 1 (∂H )P = δqrev (1.5) Für die reversibel ausgetauschten Wärme gilt nach CLAUSIUS dS = δqrev T (1.6) Aus (1.3) und (1.6) folgt für die Entropie T ⋅ dS = dU + p ⋅ dV (1.7) Nun kann nach GIBBS und HELMHOLTZ eine weitere Größe eingeführt werden – die freie Enthalpie. Für sie gilt: dG = dH − T ⋅ dS ≤ 0 (1.8) Die freie Enthalpie muss kleiner oder gleich Null sein. Da die bei einem Phasenübergang vom System aufgenommene oder abgegebene Wärmemenge der Umgebung entzogen oder zugeführt worden sein muss, steht einer Zunahme der Entropie im System immer eine Abnahme der Entropie der Umgebung entgegen oder umgekehrt. Bei reversibler Prozessführung ist die Änderung der Gesamtentropie daher gleich null: dS System + dSUmgebung = 0 (1.9) Nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik kann die Entropie in System und Umgebung niemals abnehmen. Daher kann (1.9) für irreversible Prozesse verallgemeinert werden zu (1.10) dS System + dSUmgebung ≥ 0 Die Entropie der Umgebung muss analog zu (1.6) gegeben sein über δqUmgebung T = dSUmgebung (1.11) Diese Umformung basiert auf der Näherung, dass die Umgebung ein sehr großer Thermostat ist, und daher Wärmeübertragungen praktisch reversibel sind, auch wenn dies nicht für das System gilt. Es müssen außerdem die zwischen System und Umgebung ausgetauschten Wärmemengen den gleichen Betrag und umgekehrte Vorzeichen haben, so dass gelten muss δqUmgebung = −δqSystem (1.12) Wird (1.12) in (1.11) eingesetzt, und der so gewonnen Ausdruck wiederum in (1.10), so ergibt sich 2 dS system − δqSystem T ≥0 Durch Multiplikation mit T ergibt sich T ⋅ dS System − δq System ≥ 0 (1.13) (1.14) Mit (1.5) folgt T ⋅ dS System − dH ≥ 0 (1.15) dH − T ⋅ dS System ≤ 0 (1.16) (1.16) ist aber gerade der Ausdruck für die freie Enthalpie des Systems. Nur wenn dG kleiner als Null ist, kann mit dem spontanen Ablaufen eines Prozesses oder einer Reaktion gerechnet werden: Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik muss die Energie eines Systems konstant bleiben. Wird der in (1.3) auftauchenden Ausdruck für W aufgeteilt in δW = − p ⋅ dV + δWsonst (1.17) wobei δWsonst die neben der Druck-Volumen-Arbeit geleistete Arbeit bezeichnet, so ergibt sich dU + p ⋅ dV = δqrev + δWsonst (1.18) Mit (1.4), (1.6) und (1.8) folgt dH − T ⋅ dS = dG = δWsonst (1.19) Bei konstantem Druck und reversibler Prozessführung kann das System neben der DruckVolumen-Arbeit nur noch diejenige Arbeit leisten, welche der Änderung der GIBBS-Energie entspricht. 1.2 Kritischer Punkt Betrachtet man die Dampfdruckkurve einer Reinsubstanz (Abb. 1), so fällt auf, dass sie bei einer bestimmten Temperatur abbricht. Oberhalb dieser Temperatur ist es nicht möglich, durch Druck ein Gas zu verflüssigen! Die entsprechende Temperatur wird daher als kritische Temperatur bezeichnet. Die Beschäftigung mit Gasen unter Druck etablierte die physikalische Chemie schon früh in der „modernen Chemie“. So entdeckten die Physiker ROBERT BOYLE und EDME MARIOTTE 1662 und Abb. 1: Phasendiagramm mit Dampfdruckkurve (schematisch) nach [1]. 3 1672 unabhängig voneinander, dass das Produkt aus Volumen V und Druck p eines Gases konstant ist, sofern die Temperatur nicht verändert wird: p·V=const. (2.1) Gesetz von BOYLE-MARIOTTE Bei Untersuchungen zur Temperaturabhängigkeit des Gasvolumens fanden JAQUES CHARLES 1787 und JOSEPH GAY-LUSSAC 1802 heraus, dass das Gasvolumen bei konstantem Druck und konstanter Stoffmenge proportional zur Temperatur ist: V = k ⋅T (2.2) Gesetz von CHARLES bzw. erstes Gesetz von GAY-LUSSAC Weiter fand GAY-GUILLAUME AMONTONS, dass der Druck eines Gases bei konstantem Volumen und konstanter Stoffmenge ebenfalls proportional zur Temperatur ist: p = k2 ⋅ T (2.3) Gesetz von AMONTONS bzw. zweites Gesetz von GAY-LUSSAC Durch Kombination dieser drei Zusammenhänge ergibt sich, dass das Produkt aus Volumen und Druck eines Gases bei konstanter Stoffmenge (z.B. dem Molvolumen Vm) zur Temperatur proportional ist: p ⋅ Vm = k3 ⋅ T (2.4) Da das Volumen eines Gases gleich dem Produkt aus molaren Volumen Vm und Stoffmenge n ist, folgt mit V = n ⋅ Vm (2.5) aus (2.4) das ideale Gasgesetz: p ⋅V = n ⋅ R ⋅ T (2.6) Hierbei wird der Proportionalitätsfaktor R (anstelle des k3 in (2.4)) als allgemeine Gaskonstante bezeichnet und besitzt den Wert 8,314 J/(mol·K). Das ideale Gasgesetz beschreibt Gase bei Raumdruck und nicht zu niedrigen Temperaturen bereits gut. Jedoch zeigen sich im Experiment schnell einige Abweichungen, die durch das ideale Gasgesetz nicht beschrieben werden können. Diese Abweichungen liegen darin begründet, dass bei einem idealen Gas stillschweigend von drei Annahmen ausgegangen wird, welche nur in gewissem Rahmen mit den Bedingungen im betrachteten System übereinstimmen. Es wird davon ausgegangen, dass 1. 2. ein Gas aus Atomen oder Molekülen besteht, welche sich in ständiger, zufälliger Bewegung befinden, die Größe der Moleküle im Vergleich zum von ihnen zurückgelegten Weg vernachlässigbar ist und 4 3. die Moleküle nur durch elastische Stöße interagieren. Diese Annahmen spielen bei vielen physikalischen Überlegungen eine Rolle, wobei die gute Übereinstimmung mit dem Experiment diese Annahmen hier als gerechtfertig scheinen lässt. Besonders die Punkte 2 und 3 sind hierbei Ansatzpunkte, an denen die Theorie weiter verbessert werden kann. Das Phänomen, dass Gase ab einer bestimmten Temperatur kondensieren, ist darauf zurückzuführen, dass sie entgegen Punkt 3 konstruktive Wechselwirkungen ausbilden. Befinden sich viele Teilchen in einem kleinen Volumen (Gas bei hohem Druck), so ist auch Punkt 2 nicht mehr zutreffend. Da die ideale Gasgleichung jedoch das reale Verhalten von Gasen gut beschreibt, kann der Ansatz aus (3.6) zu einer besseren Beschreibung realer Gase beibehalten werden. Hierbei wird jedoch angenommen, dass einem Mol Gasteilchen tatsächlich ein Volumen zur Verfügung steht, welches sich als Differenz aus dem Volumen Vm und dem Eigenvolumen aller Gasteilchen Vm,e (oft auch als gasspezifischer Parameter b angegeben) ergibt: Vm → (Vm − Vm ,e ) (2.7) Zwischen den Gasmolekülen wirken attraktive und repulsive Kräfte. Ein Ansatz zur Beschreibung dieses Phänomens ist das LENNARD-JONES-Potential (vgl. Versuch 3: „Viskosität von Gasen“), bei welchem angenommen wird, dass die attraktiven Kräfte mit r-6, die repulsiven Kräfte mit r-12 eingehen (r Teilchenabstand). Für größere Teilchenabstände, wie sie in der Gasphase vorliegen, dominieren daher die attraktiven Wechselwirkungen. Somit ist die Eigenbewegung der Teilchen gegenüber einem idealen Gas vermindert. Ein reales Gas übt daher auf die Gefäßwand einen geringeren Druck aus als ein ideales Gas. Dies wird durch Addition eines empirisch ermittelten Anteils Pe korrigiert, welcher als Binnendruck bezeichnet wird: P → ( P − Pe ) (2.8) Da der Druck, den ein Gas auf eine Wand ausübt, jedoch von der Anzahl der Stöße pro Zeitintervall und somit von der Eigenbewegung der Teilchen abhängt, ist Pe wiederum proportional zum Quadrat der Teilchenzahldichte n/V bzw. umgekehrt proportional dem Quadrat des molaren Volumens 1/Vm (vgl. (2.5)), da die Anzahl der Teilchen, welche pro Zeiteinheit auf die Gefäßwand treffen proportional zur Teilchenzahldichte sind, die attraktiven Wechselwirkungen aber ebenfalls der Anzahl von Nachbaratomen und damit ebenfalls zur Teilchenzahldichte proportional sind. Für Pe ergibt sich somit folgender Ausdruck, wobei a ein gasspezifischer Parameter ist a (2.9) Pe = 2 Vm Somit ergibt sich mit (3.7) und (3.9) aus (3.6), dass ⎛ a ⎞ ⎜ p + 2 ⎟ (Vm − Vm,e ) = R ⋅ T Vm ⎠ ⎝ (2.10) 5 Diese Beziehung wird nach JOHANNES VAN DER WAALS als VAN DER WAALS-Gleichung bezeichnet. Messungen zeigen, dass die VAN DER WAALS-Gleichung reale Gase bei hohen Temperaturen gut beschreibt. Abb. 2: a) Skizzierter Verlauf der exp. Isothermen für CO2 und b) Verlauf nach der VAN DER WAALSGleichung. Werden Daten für pV-Diagramme gemessen, so fällt auf, dass die Beschreibung von Messwerten unterhalb einer bestimmten Temperatur keine sinnvollen Ergebnisse mehr liefert. Der Verlauf der tatsächlichen Messwerte kann leicht verstanden werden: Wird das Gas komprimiert (V sinkt), so steigt der Druck p an. Oberhalb der sog. kritischen Temperatur (304 K für CO2) kann ein Gas nicht durch Druck verflüssigt werden, so dass sich der erwartete Verlauf ~1/V einer Hyperbel ergibt. Unterhalb der kritischen Temperatur beginnt das Gas bei Kompression bei einem gewissen Druck (abhängig von der Temperatur) flüssig zu werden. Wird das Volumen weiter verringert, geht weiteres Gas in die flüssige Phase über – der Druck bleibt konstant. Erst, wenn alles Gas verflüssig ist, steigt der Druck bei Kompression wieder an – da Flüssigkeiten wenig kompressibel sind, ist dp/dV groß! Die Werte im pV-Diagramm, die zur gleichen Temperatur gehören, bilden eine „Isotherme“ (griech. gleiche Temperatur). Abb. 3: MAXWELL-Konstruktion und Koexistenzbereich. Da die VAN DER WAALS-Gleichung von einer Gleichverteilung der Moleküle ausgeht, liefert sie für jene Bereiche, in denen zwei Phasen vorliegen, unsinnige Ergebnisse (positive Steigung zwischen den zwei Extremwerten). Aufgrund ihres Verlaufs werden diese Bereiche des Plots der VAN DER WAALS-Gleichung als VAN DER WAALS-Schleifen bezeichnet werden. Sie sind zwischen den beiden Extremwerten physikalisch sinnlos, da hierbei bei Volumenverkleinerung mit einem Sinken des Druckes zu Rechnen wäre, was den Beobachtungen widerspricht. (Anm.: Die Bereiche aus den Ein-Phasen-Gebieten bis zu den Extremwerten der VANDER-WAALS-Kurven sind hingegen unter bestimmten Bedingungen erreichbar (vgl. unterkühlte Schmelze bzw. Siedeverzug).) 6 Da in den Bereichen der VAN DER WAALS-Schleifen gemäß der VAN DER WAALS-Gleichung infolge der Kompression bzw. Expansion Druck-Volumen-Arbeit zu leisten wäre, können mit dem Wissen um die Nicht- Existenz dieser Bereiche die Ergebnisse weiter verbessert werden. Da keine Arbeit geleistet wird, muss das Integral über diesen Bereich gegenüber den begrenzenden Punkten Null sein. Da weiter keine Änderung des Druckes in diesem Bereich zu erwarten ist, ist also eine waagerechten Geraden zu finden, die so in den Bereich der Schleifen gelegt werden kann, dass die Flächen über und unter der Waagerechten gleich groß sind. Dieses Vorgehen wird MAXWELL-Konstruktion genannt und führt zu Isothermen, welche gut die experimentell ermittelten Isothermen beschreiben. Der Bereich der Schleifen, der durch waagerechte Geraden ersetzt wurde, gibt den Bereich der Existenz von flüssiger und gasförmiger Phase an und wird Koexistenzbereich genannt. Durch Messung von Isothermen und anschließender Anpassen von (2.10) mit a und Vm,e als Fitparameter können diese ermittelt werden. Da (2.10) jedoch analytisch leicht behandelbar ist, können diese Werte auch auf andere Weise erhalten werden. In Bereichen, in denen der Druck nicht weiter ansteigt, ist die Steigung Null: ⎛ ∂p ⎞ − R ⋅ Tk 2⋅a + 3 =0 ⎜ ⎟ = ⎝ ∂Vm ⎠Tk (Vm − Vm ,e )² Vm ,k (2.11) Bei der Isotherme, welche an der oberen Spitze des Koexistenzbereichs von Abb. 3 liegt, ist dies nur in genau einem Punkt der Fall, welcher mathematisch dem Sattelpunkt der Funktion entspricht. Diese Isotherme, welche bei der kritischen Temperatur aufgenommen wurde, wird daher auch als kritische Isotherme bezeichnet. Die zugehörigen Druck- und Volumenwerte dieses Punktes werden als kritischer Druck pk und kritisches Volumen Vk bezeichnet. Alle Hyperbeln bei höhere Temperatur besitzen keine Stelle, an welcher (2.11) erfüllt ist, sämtliche Hyperbeln nach (2.10) bei geringeren Temperaturen besitzen zwei lokale Extrema, für die dies erfüllt wäre. Für die kritische Isotherme gilt – da hier ein Wendepunkt vorliegt – weiter, dass auch die zweite Ableitung Null sein muss. ⎛ ∂2 p ⎞ 2 ⋅ R ⋅ Tk 6⋅a + 4 =0 ⎜ 2⎟ = ⎝ ∂Vm ⎠Tk (Vm ,k − Vm ,e )³ Vm ,k (2.12) Ein Gleichungssystem mit zwei Gleichungen und zwei Variablen (2.11 und 2.12 bzw. a und Vm,e) ist lösbar. Es ergibt sich: 9 (2.13) a = ⋅ R ⋅ Tk ⋅ Vm ,k = 3 p k ⋅Vm2, k 8 und 1 (2.14) Vm ,e = ⋅ Vm ,k 3 7 Bei der Messung der kritischen Isotherme sind noch weitere Beobachtungen von Interesse: Wird in einem geschlossenen System die Temperatur erhöht, so treten vermehrt Moleküle in die Gasphase über. Hierdurch nimmt die Dichte der Gasphase immer weiter zu, während jene der flüssigen Phase abnimmt. Am kritischen Punkt ist die Dichte von flüssiger und gasförmiger Phase gleich (Regel von CAILLETET-MATTHIAS). Zudem nimmt die Verdampfungswärme bei Annäherung an den kritischen Punkt bis auf Null ab. Hierdurch ergibt sich das Phänomen der kritischen Opaleszenz, wobei beständig ein Phasenwechsel von Teilen des Systems vollzogen wird, was durch starke Schlierenbildung sichtbar wird. Bei Temperaturen oberhalb des kritischen Punktes existiert nur noch eine Phase, welche als superkritisches Fluid bezeichnet wird. 2. Messaufbau Abb. 4: Messapparatur im Überblick. Ein dickwandiges Glasrohr ist in einem Thermostaten untergebracht (links). Über eine angeschlossene Druckleitung kann durch Drehen einer Spindel (rechts) das Volumen im Inneren des Glasrohrs verringert werden, indem durch die Druckerhöhung der QuecksilberMeniskus (s. auch Abb. 5: Detailaufnahme der Abb. 4) verschoben Messapparatur. wird. Der Druck im System ist gleich dem Druck, der auf das Quecksilber ausgeübt wird und kann am Drucksystem abgelesen werden. Hinter dem Glasrohr ist eine Skala angebracht, mit der die Höhen der einzelnen Phasen abgemessen werden können. Durch Vorgabe der Temperatur des Thermostaten kann die gewünschte Temperatur eingestellt werden. Die Umwälzgeschwindigkeit sollte nicht zu groß gewählt werden, da sonst auftretende Verwirbelungen das Ablesen der Skala erschweren. 3. Aufgabenstellung 1. Bestimmung der Diethylethermenge Vor Beginn der Heizphase bestimme man das Flüssigkeitsvolumen des Diethylethers in der Kapillare (ID = 2,7 mm) und daraus Mges. 8 2. Bestimmung der Dampfdruckkurve Für Diethylether bestimme man die Dampfdruckkurve. Man arbeite dazu im Temperaturbereich von 50-100°C in Intervallen von 5°C und (in Kombination mit Aufgabe 2.3) von 100190°C in 10°C Intervallen. 3. Bestimmung der Koexistenzkurve Die Koexistenzkurve stellt die Begrenzung des Zwei-Phasen-Bereichs im pV-Diagramm dar (vgl. Abb. 6). a) b) Die Flüssigkeitsvolumina werden dadurch bestimmt, dass bei der eingestellten Temperatur die Gasphase gerade eben durch Volumenverkleinerung mit Hilfe der Spindel zum Verschwinden gebracht wird. Dann wird bei konstanter Temperatur das Volumen vergrößert, bis sich der Quecksilbermeniskus noch etwa 1 cm oberhalb des Kapillarenendes befindet. Die sich bildenden Volumina von Dampf und Flüssigkeit werden bestimmt. Es gilt für die in der Kapillare befindliche Menge an Diethylether Mges: aus a) M ges = ρ flüssig ⋅ V flüssig aus b) M ges = ρ flüssig ⋅ V flüssig + ρ gas ⋅ V gas Abb. 6: Isothermen im pV-Diagramm von Isopentan im kritischen Bereich. Leicht grau: Zweiphasengebiet, grau: Flüssigkeit, weiß: Gasphase. Mit diesem Verfahren wird die Koexistenzkurve bis etwa 190°C bestimmt. Während der Bestimmung können durch Ablesen des Druckes auch die Werte der Dampfdruckkurve ermittelt werden. 4. Messung von 4 Isothermen 2 unterhalb der kritischen Temperatur 1 kritische Isotherme (Nachschlagen der kritischen Temperatur in der Literatur) 1 oberhalb der kritischen Temperatur 5. Anwendung der Regel von CAILLETET-MATTHIAS Am kritischen Punkt sind die Dichten von flüssiger- und gasförmiger nicht mehr unterscheidbar. Unter Verwendung der Messergebnisse aus 2.2 und einer graphischen Darstellung analog Abb. 6 ist der kritische Punkt bestimmbar. 9 Abb. 7: Bestimmung des kritischen Punktes aus Dichtemessungen der Flüssigkeit ρ(l) und des Dampfes ρ(g) nach CAILLETET und MATTHIAS am Beispiel Wasserstoff. [E. MATHIAS, C.A. CROMMELIN and H. KAMERLINGHONNES, Comm. Phys. Lab. Leiden, No 154b (1921).] Die so bestimmte kritische Temperatur und Dichte stimmen sehr gut mit der Beobachtung des Meniskus [D. WHITE, A.S. FRIEDMAN, H.L. JOHNSTON, J. Am. Chem. Soc. 72, 3565 (1950).] überein. 6. Aus den Daten Graphen berechne man die kritischen Größen (p, V, T, ρ) sowie die Konstanten a und Vm,e. 7. Fehlerbetrachtung Man überlege sich die Fehlerquellen des Versuchs unter Berücksichtigung der Messgenauigkeit. 4. Ausführung Der Aufbau der Messanordnung ist noch einmal in Abb. 8 und 9 dargestellt. Eine am oberen Ende zu geschmolzene, dickwandige Glaskapillare (Innendurchmesser 2,7 mm, Außendurchmesser 9 mm, Länge 40 cm) wird über ein biegsames Edelstahlrohr mit einer Hochdruckapparatur verbun- Abb. 8: Gesamtaufbau der Hochdruckapparatur. 1: Kapillare; 2, 3, 4: den, die mit Quecksilber gefüllt Hochdruckventile (Fa. Dunze, Hochdrucktechnik, Kronberg/Ts.; Fa. HIP High Pressure Eq. Über Fa. Dunze); 5: Druckzylinder; 6, 7: ist. Der obere Teil der KapilTeflonventile. lare steht in einem Temperierbad, das mit Siliconöl gefüllt ist und das über eine elektrische Heizung bis auf 250°C geheizt werden kann. Zur Herstellung des Drucks bis etwa 50 bar wird ein Kolben in einen Druckzylinder hineingedrückt (Abb. 10). Der Druck wird mit einem Präzisionszeigermanometer (Fa. Heise, über Fa. Nova Hochdruck GmbH, Kronberg/Ts.) gemessen. 10 Abb. 9: Zeichnung der Zelle zur Beobachtung des Meniskus und zur Messung des Volumens des Ethers bei verschiedenen Temperaturen. Die Kapillare ist durch eine Metallverschraubung, die mit einem Zweikomponentenkleber ausgegossen wird, mit dem Hochdruckrohr verbunden. Das Volumen des Ethers ist durch die Höhe des Quecksilbermeniskus gegeben, wenn der Innendurchmesser der Kapillare bekannt ist. Zur Ausnahme der p/V-Diagramme wird eine feste Temperatur eingestellt, ein bestimmter Druck vorgegeben und das Volumen V des Diethylethers abgelesen. Zur Bestimmung der kritischen Daten stellt man stellt man ein bestimmtes Volumen ein und regelt den Druck so nach, dass bei Steigerung der Temperatur das Volumen erhalten bleibt; man bestimmt den Druck, bei dem der Meniskus zwischen Dampf und Flüssigkeit gerade verschwindet. Als Schutzmaßnahme werden alle Beobachtungen hinter einer dicken Plexiglasscheibe ausgeführt. 5. Literatur [1] P.W. Atkins: Physical Chemistry, Eigth Edition, Oxford University Press 2006 [2] Skript zum Versuch „Kritischer Punkt“ (Diplom), Marburg 2007 [3] G. Kortüm, H. Lachmann: Einführung in die chemische Thermodynamik. Verlag Chemie, Weinheim, 1981. [4] P. Schuster: Zwischenmolekulare Kräfte – Ein Beispiel für das Zusammenwirken von Theorie und Experiment. Angew. Chem. 93, 532 (1981). [5] P.Y. Feng, M. Melzer: An Undergraduate Apparatus for Determining Second Virial Coefficients. J. Chem. Educ. 49, 375 (1972). 11