Deutsches Ärzteblatt 1973: A-891

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DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin
MedizinischWissenschaftliche
Fachredakteure
Allgemeinmedizin:
Sanitätsrat Dr. med.
Josef Schmitz-Formes
Augenheilkunde:
Prof. Dr. med. Wolfgang Straub
Die Bedeutung der Laparoskopie
für die Leberdiagnostik
Biomedizinische Technik:
Prof. Dr. rer. nat.
Adolf Habermehl
Chirurgie:
Prof. Dr. med. Edgar Ungeheuer
Dermatologie:
Prof. Dr. med.
Hugo Constantin Friederich
Gynäkologie und Geburtshilfe:
Prof. Dr. med. Peter Stoll
Privatdozent Dr. med. Harald Lindner
Aus der medizinischen Abteilung des DRK-Krankenhauses Hamburg
(Chefarzt: Privatdozent Dr. med. Harald Lindner)
Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde:
Prof. Dr. med. Julius Berendes
Innere Medizin:
Prof. Dr. med. Joachim Frey
Prof. Dr. med. Helmut Martin
Kinder- und Jugendpsychiatrie:
Prof. Dr. med. Hubert Harbauer
Laboratoriumsdiagnostik:
Prof. Dr. med. Manfred Kienholz
Neurochirurgie:
Prof. Dr. med. Hans Werner Pia
Einfache Technik und geringer Aufwand verführen dazu, statt der
Laparoskopie die perkutane Leberbiopsie als erstes morphologisches diagnostisches Verfahren heranzuziehen, obwohl sich eine
Reihe von Lebererkrankungen mit dieser Methode nicht erfassen
lassen. Deshalb sollte man sich, vor allem bei chronischer Hepatitis
und Leberzirrhose, der diagnostisch und prognostisch ergiebigeren Laparoskopie bedienen. Durch die Fotodokumentation ist sie
ein objektives Verfahren geworden, das jederzeit überprüfbar ist.
Nuklearmedizin:
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.
Emil Heinz Graul
Orthopädie:
Prof. Dr. med. Gerhard Exner
Pädiatrie:
Prof. Dr. med. Wilhelm Theopold
Psychiatrie und Neurologie:
Prof. Dr. med. Hans Jacob
Radiologie:
Prof. Dr. med. Friedhelm Hess
Sozialmedizin:
Prof. Dr. med. Josef Stockhausen
Sportmedizin und Physiologie:
Prof. Dr. med.
Hans Rüdiger Vogel
Urologie:
Prof. Dr. med. Carl-Erich Alken
Trotz des imperativen Primats der
Laboratoriumsmedizin hat die Laparoskopie mit Leberbiopsie als eine Methode der direkten Krankenuntersuchung ihre Stellung im letzten Jahrzehnt stark erweitern können. Der morphologische Befund ist
für die Diagnose und damit für das
ärztliche praktische Handeln immer
noch entscheidend (Abbildung 1).
Dabei darf aber nicht vergessen
werden, daß erst die Synthese der
Ergebnisse aller Untersuchungsmethoden die Diagnose ergibt. Niemals kann der rein morphologische
Aspekt mit makro- und mikroskopischem Befund an die Stelle der
klinischen Diagnose treten.
Die perkutane Leberbiopsie (Leberblindpunktion) hat besonders nach
Einführung der Menghini-Nadel
weite Verbreitung gefunden. Die
einfache Technik und der geringe
Aufwand verführen dazu, diese Methode an Stelle der Laparoskopie
als erstes Untersuchungsverfahren
der morphologischen Diagnostik
heranzuziehen. Einwände gegen
die Laparoskopie sind dann oft:
stärkere Belästigung der Patienten,
höhere Komplikationsrate und größerer technischer Aufwand; hinzu
kommt, daß es sich um eine subjektive Methode handelt, bei der
optische Täuschungen nicht auszuschließen und Vergleichsmöglichkeiten unzureichend sind.
Als man nach Einführung der Menghini-Methode die Aussagekraft
beider Methoden überprüfte, stellte
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 5. April 1973 891
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Aktuelle Medizin
Leber-Laparoskopie
sich heraus, daß man sich bei einer Reihe von Lebererkrankungen
nicht allein auf das morphologische
Ergebnis der perkutanen Leberbiopsie stützen darf. Vergleichende
Untersuchungen bei Kranken mit
Leberzirrhose zeigten, daß in 21
Prozent der Fälle mit der perkutanen Leberbiopsie kein entsprechender histologischer Befund erhoben werden konnte. Diese Tatsache ist inzwischen auch in Ländern bekannt, in denen die Laparoskopie nicht verbreitet ist; dort
wird sie als „sample error" beziehungsweise Probenfehler bezeichnet und als eine Art unabdingbares
Schicksal hingenommen (Abbildungen 2 und 3).
Quelle des Irrtums bei der perkutanen Biopsie kann unzureichendes
Material sein. Fehlbeurteilungen
treten häufig bei der postnekrotischen Leberzirrhose und Narbenleber auf. Wird das vorliegende
Krankheitsbild auf Grund der perkutanen Leberbiopsie falsch eingeschätzt, kann das schwerwiegende
Folgen haben. Deshalb sollte man
sich bei chronischer Hepatitis, besonders aber auch bei Leberzirrhose, wenn irgend möglich, der dia-
Abbildung 1 (oben): Den technischen
Fortschritt der letzten zehn Jahre zeigt
die Beobachtung eines Patienten mit
einer postnekrotischen Narbenleber.
Links der kleine Kreis demonstriert den
linken Leberlappen, der mit dem extrakorporalen Elektronenblitz 1960 aufgenommen wurde. Rechts sieht man
die Aufnahme aus dem Jahre 1970 mit
dem Lumina-Foto-Laparoskop: keine
wesentliche Progredienz des Krankheitsbildes
Abbildung 2 (Mitte): Die perkutane Leberbiopsie zeigt eine geringgradige periportale Fibrose und spärliche lymphozytäre Infiltration. Im vorliegenden Material keine Leberzirrhose. Van-GiesonFärbung. Vergrößerung 60fach
Abbildung 3 (unten): Laparoskopie bei
derselben Patientin. Linker Leberlappen
mit zwei großen Regeneratknoten, einer dicken Kapselfibrose an der Dorsalseite, breiten Gefäßen, kleinen
Lymphzysten und einer subkapsulären
Blutung
892 Heft 14 vom 5. April 1973 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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Leber-Laparoskopie
Abbildung 4 (links oben): Fortgeschrittene postnekrotische
Leberzirrhose. Die funktionelle Stauungsgallenblase verdrängt den rechten Leberlappen ventralwärts. Der braune
Farbton weist auf eine geringe entzündliche Aktivität hin —
Abbildung 5 (links unten): Blick auf den medialen Teil des
rechten Leberlappens mit grobknotiger Regeneratbildung
entsprechend einer postnekrotischen Narbenleber beziehungsweise Kartoffelleber nach Kalk. Als Ausdruck der
Lymphdrainagestörung infolge des Umbaues der Leberarchitektonik sind die zahlreichen organisierten Lymphzysten anzusehen — Abbildung 6 (rechts oben): Chronisch aggressive
Hepatitis. Übersicht über den linken Leberlappen mit am aufgesplitterten Lampenreflex erkennbarer nicht glatter Oberfläche, frischer Exsudation mit beginnender Organisierung in
Form einer Verdickung der Glissonschen Kapsel und kleinen
Lymphzysten. Der intensiv rote Farbton weist auf die ausgeprägte entzündliche Reaktion hin — Abbildung 7 (rechts
Mitte): Typische Lebermetastase mit zentralem Krebsnabel
in einer grau-grünen Leber — Abbildung 8 (rechts unten):
Beginnende sekundär biliäre Zirrhose, erkennbar an der unregelmäßigen Leberoberfläche, die sich in der Lupenbetrachtung besonders am aufgesplitterten Lampenreflex zeigt. Gestaute Lymphgefäße und subkapsulärer Austritt von Galle,
erkennbar an der hellgrünen Färbung im rechten Bildfeld
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 14 vom 5. April 1973 893
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Leber-Laparoskopie
gnostisch und prognostisch ergiebigeren Laparoskopie bedienen.
Mit ihr kann man bereits diskrete
Zeichen der beginnenden portalen
Hypertension erkennen. Auch zur
Differentialdiagnose des Ikterus leistet die Laparoskopie einen wesentlichen Beitrag. Die Frage, ob
Lebermetastasen die Indikation zur
Operation eines bekannten Karzinoms von Bronchien, Magen, Rek-
turn oder anderer Organe nicht einschränken, ist ebenfalls durch die
Laparoskopie zu klären . Durch eine
explorative Laparotomie kann bekanntlich die weitere Aussaat des
Tumors provoziert und der deletäre Verlauf beschleunigt werden
(Abbildungen 4 bis 8).
sollte man sich über die begrenzte
Aussagekraft der perkutanen Leberbiopsie im klaren sein. Für ein
optimales diagnostisches Ergebnis
ist immer die kombinierte histologisch-endoskopische und fotografische Untersuchung mit Laparoskopie und Leberbiopsie erforderlich.
Kann in einem kleinen Krankenhaus nicht laparoskopiert werden,
Besteht eine Indikation zur Laparoskopie, für die aber die technischen
Voraussetzungen fehlen, ist es im~
mer noch besser, eine primäre perkutante Leberbiopsie vorzunehmen.
Tabelle 1: Indikationen
für die Laparoskopie
..,.. Hepatomegalie
Chronische Hepatitis
Zirrhose
Karzinom
..,.. Herdförmige Prozesse
..,.. Differentialdiagnose des
Ikterus
..,.. Splenomegalie
..,.. Portale Hypertension
..,.. Differentialdiagnose des
Aszites
..,.. Tumoren des Gastrointestinaltraktes
..,.. Notfall-Laparoskopie
als den morphologischen Aspekt
völlig zu vernachlässigen. Die Indikationen für die Laparoskopie sind
Tabelle 1 zu entnehmen.
Abbildung 9 (oben) : Spitze des Lumina-Foto-Laparoskops mit der danebenliegenden kleinen Elektronenblitzröhre - Abbildung 10 (unten): Atrophischer linker Leberlappen mit einem linsengroßen Hämangiom an der Dorsalseite, das deutlich gekammert ist. Die Aufnahme mit der Nahsichtoptik unter Verwendung eines 135Millimeter-Objektivs ergibt ein das Kleinbildformat von 24 mal 36 Millimeter füllendes Bild und erlaubt eine echte Makrofotografie
894 Heft 14vom 5. April1973 DEUTSCHES ..ÄRZTEBLATT
Für die primäre perkutane Leberbiopsie bleiben folgende Indikationen: Hyperbilirubinämie, Fettleber,
Differentialdiagnose der akuten Hepatitis und ihrer Ausheilung. Für
die sekundäre Biopsie: Verlaufskontrolle laparoskopisch bestätigter Befunde und schließlich Fälle,
in denen eine Laparoskopie nicht
möglich ist, sofern keine Kontraindikationen vorliegen.
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Leber Laparoskopie
-
Technische Fortschritte
der Laparoskopie
Die technischen Fortschritte der
Laparoskopie sind bestimmt durch
die Kaltlichtübertragung von einem
Lampenprojektor mit Halogenlampe über ein Lichtleitkabel, die Entwicklung neuer optischer Systeme
mit der computerberechneten Luminaoptik und Lumina-Variooptik
sowie durch die Möglichkeit der
Fotografie mit dem intrakorporalen
Elektronenblitz (Abbildung 9). Sorgfältige Nutzung neuer technischer
Möglichkeiten, wie die weitgehende Verwendung von sterilem Einmalmaterial, Benutzung des N20Pneugeräts zur einfachen und sicheren Anlage des Pneumoperitoneums und schließlich des neuen
Maquet-Endoskopietisches, der
sich elektromotorisch in jede gewünschte Höhe und Richtung bewegen läßt, erlaubt es, die Laparoskopie schnell und ohne großen
Personalaufwand durchzuführen.
Die laparoskopische
Fotodokumentation
Die routinemäßige Fotografie in
Form von Übersichts- und Detailbefunden stellt eine wesentliche
Ergänzung der schriftlichen Befundbeschreibung dar. Sie ist ferner die Voraussetzung für die Verbreitung der Laparoskopie. Damit
hat die Laparoskopie als visuelles
diagnostisches Verfahren dieselbe
Entwicklung wie die Röntgenologie
eingeschlagen. Genausowenig wie
sie auf die Aufnahme verzichten
kann, ist eine Laparoskopie ohne
Fotodokumentation denkbar.
Die Laparoskopie erlaubt nicht nur
die direkte Betrachtung, sondern
auch die Fotodokumentation des
erkrankten Organs mit seiner Farbund Formveränderung. Die Kontrolle durch den Bildbefund fördert
das laparoskopische Sehen. Durch
die Fotodokumentation ist die Laparoskopie eine objektive Methode
geworden, die jederzeit überprüfbar ist. Damit ist sowohl eine spätere Analyse und Konfrontation mit
der Histologie als auch eine sorg-
fältige Verlaufskontrolle bei einer
erneuten Laparoskopie viele Jahre
später möglich.
Diagnostik
So erschließt die Laparoskopie, besonders bei der Verwendung der
Nahsichtoptik oder Variooptik eine
neue Dimension diagnostischer
Möglichkeiten im Sinne einer intravitalen Makropathologie mit Lupenbetrachtung und Makrofotografie
(Abbildung 10).
Die Stroboskopie des Larynx setzt
eine synchrone Blitzfolge voraus,
damit der Bewegungsablauf an den
Stimmbändern exakt beurteilt werden kann. Die erforderliche Synchronität ist jedoch nicht gewährleistet, wenn die Patienten sehr
heiser sind oder in der näheren
Umgebung lästige Geräusche auftreten. In solchen Fällen kann man
Abhilfe schaffen, indem man in den
Griff des Larynxspiegels ein Sondenmikrophon zur Blitzsteuerung
einbaut. Der Mikrophoneingang ist
damit knapp oberhalb der Epiglottis lokalisiert. So wird das Mikrophon wesentlich weniger gestört.
Die Triggerung am Stroboskop läßt
sich daher viel feiner einstellen. Mit
dem Einsatz eines Sondenmikrophons zur Stroboskopie des Larynx
kann man auch bei nahezu aphonischen Stimmen noch restliche
Stimmbandbewegungen feststellen.
(Gerull, G.: HNO 20 [1972], 369) cb
Durch eine Polaroidfotografie gelangt man sofort in den Besitz eines recht brauchbaren Fotodokuments, welches dem Pathologen
zusammen mit dem Biopsiezylinder
zur Verfügung gestellt oder an
die Stelle der routinemäßigen Fotografie auf Negativfilm mit Papierabzügen für die Dokumentation in
der Krankengeschichte treten kann.
Ferner ist es möglich, über Hochleistungsprojektoren so viel Licht in
die Bauchhöhle einzuspiegeln, daß
ein vollkommen bildfüllendes Format auf dem 16-Millimeter-Farbfilm
erreicht, und dadurch instruktive
laparoskopische Lehrfilme hergestellt werden konnten. Durch die
Entwicklung einer handlichen Farbfernsehkamera, die mit einem Fernsehobjektiv direkt an die Laparoskopoptik angeschlossen werden
kann und eine elektronisch gesteuerte Blende aufweist, war es möglich, Direktübertragungen über
Großbildprojektoren vorzunehmen
und farbige Bandaufzeichnungen
über den Video-Recorder zu machen, die jederzeit wieder abgespielt werden können.
Literatur
(1) Beck, K.: Atlas der Laparoskopie,
Schattauer Verlag, Stuttgart (1968) — (2)
Erb, W., und Kröhl, R.: Über die Füllung
des Pneumoperitoneums mit verschiedenen Gasen, In Lindner, H.: Grundlagen u.
Fortschritte der Laparoskopie. Demeter
Verlag, Gräfelfing (1970) — (3) Kalk, H.,
Wildhirt, E.: Atlas der Laparoskopie und
Leberpunktion, Thieme Verlag, Stuttgart
(1962) — (4) Lindner, H.: Grenzen und Gefahren der perkutanten Leberbiopsie mit
der Menghini-Nadel, Dtsch. med. Wschr. 92
(1967), 1751 — Lindner, H.: Fortschritte der
Laparoskopie, Endoscopy I (1969), 1
2 Hamburg 13
Beim Schlump 84
896 Heft 14 vom 5. April 1973 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Bei peripheren Gefäßleiden, die
chirurgisch angegangen werden
müssen, stellt die Angiographie das
wichtigste diagnostische Verfahren
dar. Handelt es sich jedoch um alte
Patienten, die nur medikamentös
behandelt werden, dann kann man
sich statt der Angiographie der
Thermographie bedienen. Mißt
man die Hauttemperatur einer
Extremität, so erhält man einen
Hinweis auf das Vorliegen einer lschämie. Ein vermindert
durchblutetes Bein ist normalerweise hypothermisch. Der Vergleich thermographischer und angiographischer Befunde von Patienten mit schwerer Arteriitis ergab jedoch, daß häufiger eine Hyperthermie als eine Hypothermie
vorlag. Diese sogenannte paradoxe
Hyperthermie ist darauf zurückzuführen, daß in einem schmalen
Körperteil wie in einer Extremität
ein anastomotischer Kreislauf die
Hauttemperatur ansteigen lassen
kann. Paradoxe Hyperthermie
weist also auf eine arterielle Segmentthrombose hin. (Weill, F., et al.:
Herz/Kreisl. 4 [1972], 400-403) cb
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