PDF - zub machine control AG

Werbung
Tumore punktgenau bestrahlen - all-electronics.de
1 von 3
http://www.all-electronics.de/texte/anzeigen/61933
29.10.2015 10:05 | Antriebstechnik in der Krebstherapie
Fachartikel von Annalisa Isler und Klaus Schewiola
Um Tumorzellen zu zerstören, müssen Ärzte sie so hochdosiert wie möglich bestrahlen, ohne das
umliegende gesunde Gewebe zu zerstören. Hier kommt es auf Millimeterarbeit an. Eine exakt auf den
Tumor ausgerichtete Bestrahlungstherapie wird durch eine neue Generation Multi-LamellenKollimatoren ermöglicht, bewegt von Präzisions-Antrieben.
Blende eines Multi-Leaf-Kollimators: Die Lamellen bilden die Form des Tumors nach. Ärzte können so den Krebs des Patienten punktgenau bestrahlen. (Bild: DKFZ)
Bestrahlung ist neben der Chemo- und Antihormontherapie sowie der Operation eine der wichtigsten Methoden zur Behandlung von
Krebserkrankungen und wird bei etwa jedem zweiten Patienten angewandt. Insbesondere die Behandlung bösartiger Tumore, die
dicht neben oder sogar in Risiko-Organen wie im Gehirn, im Rückenmark oder in der Lunge liegen, ist für Ärzte noch immer keine
Routine.
Die Arbeitsgruppe ‚Elektronisches Entwicklungslabor‘ des Deutschen Krebsforschungszentrums DKFZ entwickelt unter der Leitung
von Steffen Seeber Multi-Lamellen-Kollimatoren, um die Strahlentherapie zu verbessern. Kollimatoren lenken Strahlenbündel ab
und richten sie so aus, dass sie den Tumor aus unterschiedlichen Richtungen treffen – das umliegende Gewebe bleibt dadurch
weitgehend unversehrt. Diese sogenannte konformale Strahlentherapie ist nur mit Linearbeschleunigern, kurz Linac, möglich, die mit
einem Multi Leaf Collimator (MLC) ausgestattet sind. Letztere bestehen aus 40 bis 120 paarweise angeordneten Lamellen – in der
Regel aus Wolfram – die unabhängig voneinander bewegt und positioniert werden können. Nicht ohne Grund: Die Lamellen bilden
die Form des Tumors nach und ermöglichen so ein millimetergenaues Bestrahlen.
MLC finden dabei unterschiedliche Anwendung: Um diejenigen Tumore zu behandeln, die in der Nähe von strahlungsempfindlichen
Organen liegen, setzen Ärzte die intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT) ein, bei der sich die Strahlendosis unregelmäßig
verteilt. Viele unterschiedliche Strahlenfelder addieren sich schichtweise zu einem ‚Dosisgebirge‘, ähnlich wie bei einem
3-D-Drucker. Die Metalllamellen eines MLC fahren hier unabhängig voneinander durch das gesamte Bestrahlungsfeld, sodass die
Bereiche in der Nähe eines Risikoorgans kürzer geöffnet bleiben, während der restliche Teil durch die längere Öffnung die
vollständige Dosis erhält. Bis zu 40 % kürzere Behandlungszeiten erzielen Ärzte mit der dynamischen Sliding-Window-Technik.
Dabei fahren die Lamellen während der kontinuierlichen Bestrahlung unterschiedlich schnell und ohne Unterbrechung durch das
gesamte Bestrahlungsfeld. Um die Lamellen positionstreu nach der Bestrahlungsplanung zu bewegen, werden spezielle MLC mit
einer Dynamik von 1 ms benötigt.
Steuerungen für Compact-MLC
Ergebnis der Machbarkeitsstudie: Compact MLC des DKFZ mit 40 Lamellenpaaren, der in Kooperation mit ZUB entstand. (Bild: DKFZ)
30.10.2015 11:07
Tumore punktgenau bestrahlen - all-electronics.de
2 von 3
http://www.all-electronics.de/texte/anzeigen/61933
Innerhalb eines DKFZ-Teilprojekts zur dezentralen Steuerungsarchitektur für eine neue Generation Kollimatoren – die ‚Compact
MLC‘ – entwickelte ZUB Machine Control die Antriebssteuerungen zur Positionierung der Kollimator-Lamellen. Über 80 Lamellen
werden hierbei einzeln mit einem eigenen Motor bewegt. Um hochdynamisch und präzise steuern zu können, hat jeder Antrieb zwei
Rückführungen: Einen Drehgeber für die Geschwindigkeitsregelung und einen Analogeingang für die genaue Positionserkennung.
Beide sind durch den logischen Vergleich der Feedbacks auch zur Überwachung und Sicherheit geeignet. Die Ansteuerung der
Achsen basiert auf dem Standard PLCopen Motion Control. Dieser ermöglicht eine herstellerunabhängige Systemintegration. Für die
Ansteuerung wählten die Projektbeteiligten in der Konzeptionsphase die Multi-Achsen-Steuerung MACS4, da zu dem Zeitpunkt nur
sie als Ethercat-busfähige Steuerung, die verwendeten Motoren und deren sehr kleinen Ströme von etwa 100 mA betreiben konnte.
Innerhalb der zum MLC-Projekt gehörenden Machbarkeitsstudie wurden 16 6-Achs-Steuerungen für maximal 96 Achsen verbaut.
Auslagerung von Elektronik erhöht MTBF
Die MACS5-AMP1 setzt sich aus CPU und einem intelligenten Leistungsteil zusammen, das von der Recheneinheit aus per SPI gesteuert wird. (Bild: ZUB)
Bei dem Compact MLC wollten die Projektbeteiligten auch den Bauraum sowie die MTBF (Mean Time Between Failures)
verbessern. Um Elektronikausfälle aufgrund der Strahlung zu vermeiden, konzipierten sie eine dezentrale Steuerungsarchitektur.
ZUB entwickelte dafür die modular aufgebaute Steuerungsgeneration MACS5. Die MACS5-AMP1 besteht aus einer Recheneinheit
zur Positionsregelung und Verarbeitung der Sensorwerte sowie einem intelligenten Leistungsteil, das von der Recheneinheit aus per
SPI (Serial Peripheral Interface) gesteuert wird.
Die Kommunikation zum Leistungsteil erweiterte Klaus Schewiola, stellvertretender Leiter Elektronisches Entwicklungslabor EEL
des DKFZ durch einen Ethercat-zu-SPI-Protokollumsetzer um einen dezentralen Aktuatorknoten. Ethercat basiert auf dem StandardEthernet Frame, verfolgt jedoch den Ansatz harter Echtzeit mit deterministischen Antwortzeiten losgelöst von paketorientierter
TCP/IP Übertragung. Durch die Eigenschaft von Ethernet, Daten zwischen Teilnehmern gleichzeitig in beide Richtungen zu
übertragen, kann der Slave das vom Master erhaltene Telegramm sofort zurücksenden. So beträgt die Nutzdatenrate eines
Telegramms über 90 %. Mittels Ringtopologie wurde eine Leitungsredundanz erreicht, damit das System bei einem Kabelbruch
weiterarbeiten kann. Mit verteilten Uhren (Distributed Clocks) ließ sich eine hohe Synchronisationsgenauigkeit der räumlich
verteilten Prozesse erzielen. Da alle Ethercat-Geräte eine Systemzeit teilen, gelang es, die zeitliche Schwankung auszugleichen.
Sensorknoten mit Busanschluss
Innerhalb des Projekts wurde die MACS5-Kommunikation zum Leistungsteil durch einen Ethercat-zu-SPI-Protokollumsetzer erweitert. Es entstand ein dezentraler
Aktuatorknoten. (Bild: Klaus Schewiola)
Durch die Erweiterung der MACS5-Kommunikation mit Ethercat wäre bereits eine dezentrale Steuerung möglich gewesen,
allerdings waren die Sensoren noch immer direkt an der Recheneinheit der MACS5 anzuschließen. Die Lösung hierfür konzipierte
Schewiola: einen Sensorknoten mit Busanschluss. Er bereitet 20 bis 40 Encoder-Signale in einem FPGA (Field Programmable Gate
Array) auf. Ein im FPGA enthaltener IP-Core stellt die Sensordaten mit identischem Verhalten zum Leistungsteil der MACS5-AMP
über SPI zur Verfügung. Die Recheneinheiten der MACS5 für die Achsregelung sind mit der übergeordneten SPS in den externen
Bereich ausgelagert. Da die Rechenleistung der MACS5 für zehn oder mehr Achsen reicht, genügen zwei MACS5 für einen
Quadranten. Die Kommunikation entspricht der Arbeitsweise der MACS5-AMP und berücksichtigt unter anderem folgende
Vorgaben: Die Zykluszeit für die gesamte Ethercat-Kommunikation und der Zykluszeit der SPS (Ethercat-Master) beträgt 125 µs.
Hierfür wird ein jitterfreies SYNC-Signal mit einem stabilen 8-kHz-Takt benötigt. Die Daten zwischen Recheneinheit und
Leistungsteil werden in Blöcken von 26 x 16 Bit übertragen, wobei das MSB (Most Significant Bit) zuerst kommt.
Die Architektur, die als Projektergebnis entstand, besitzt aufgrund der modularen Bauweise ein geringes Volumen. Die
30.10.2015 11:07
Tumore punktgenau bestrahlen - all-electronics.de
3 von 3
http://www.all-electronics.de/texte/anzeigen/61933
sicherheitskritischen Recheneinheiten konnten aus dem direkten Strahlenumfeld verlagert werden. Außerdem liegt nun ein frei
skalierbares System mit einer Zykluszeit von 125 µs vor, das theoretisch nur durch die Framegröße von Ethercat limitiert ist.
Innerhalb des strahlungsbelasteten MLC konnten die Projektbeteiligten die Elektronik reduzieren.
Eine der Herausforderungen der Strahlentherapie bleibt, die Bewegungen von Patienten wie Atmen und Schlucken in Echtzeit zu
verfolgen und während der Bestrahlung auszugleichen. Die MLC- Steuerungsgeneration ist dafür bereits ausgelegt. Bis 2017 plant
die Arbeitsgruppe EEL des DKFZ die Fertigstellung eines MLC-Prototypen.
SPS IPC Drives 2015 – Halle 1, Stand 140
(mns)
Weblinks zum Thema
Link zur Motion Control
Über den Autor
Annalisa Isler ist Sales Manager bei der ZUB Machine Control AG.
Über den Autor
Klaus Schewiola ist stellvertretender Leiter Elektronisches Entwicklungslabor EEL des DKFZ.
30.10.2015 11:07
Zugehörige Unterlagen
Herunterladen