Ginkgo biloba: An adjuvant therapy for progressive normal

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Ginkgo biloba: An adjuvant therapy for progressive normal and high
tension glaucoma
A.K. Cybulska-Heinrich, M. Mozaffarieh, J. Flammer
Department of Ophthalmology, University of Basel, Basel, Switzerland
Molecular Vision 2012; 18:390-402
Ginkgo biloba: Eine unterstützende Therapie bei fortschreitendem
Normaldruckglaukom und Hochdruckglaukom
Übersetzt aus dem Englischen von Ines Botta
Ginkgo wird seit hunderten von Jahren dazu genutzt, verschiedene Erkrankungen wie Asthma,
Schwindel, Erschöpfung, Tinnitus oder Kreislaufstörungen zu behandeln. Zwei der wichtigsten Extrakte
sind EGb761 und LI 1370. Die meisten pharmakologischen, toxikologischen und klinischen Studien
haben ihr Augenmerk auf den neuroprotektiven Wert dieser zwei Hauptextrakte gelegt. Bei
Neuroprotektion handelt es sich um ein schnell wachsendes Forschungsgebiet. Dieses Gebiet ist deshalb
so interessant, weil es einen neuen Therapieweg für ein entmutigendes Krankheitsbild darstellt, das trotz
optimaler Behandlung fortschreiten kann. Eine dieser Erkrankungen ist das Glaukom. Glaukom führt zum
Verlust von Nervenzellen der Netzhaut und ihrer Axone, aber auch zu Gewebeumformungen welche
sowohl den Sehnervenkopf als auch die Netzhaut betreffen. In der Netzhaut werden Astrozyten
freigesetzt. Hinzu kommt, dass der Sehnerv dünner wird und die Zellen des seitlichen Ganglion teilweise
verschwinden. Im Schnitt ist die Durchblutung bei Glaukom-Patienten in verschiedenen Teilen des
Gewebes im Auge vermindert. Erhöhter Augeninnendruck ist einer der größten Risikofaktoren für einen
glaukomatösen Schaden. Nichtsdestotrotz gibt es wenig Zweifel, dass noch andere Risikofaktoren neben
erhöhtem Augeninnendruck involviert sind. Einer dieser Risikofaktoren ist die primäre vaskuläre
Dysregulation (PVD), die bei Patienten mit einer gestörten Selbstregulierung auftritt; ein anderer
Risikofaktor ist oxidativer Stress.
Ginkgo biloba existiert seit über 250 Millionen Jahren und kommt ursprünglich aus
Korea, Japan und China, aber er kann weltweit gefunden werden. Er kann bis zu 40 m
hoch sein und für über 1000 Jahre leben. Die Extrakte der Ginkgo-Blätter wurden seit
hunderten von Jahren dazu genutzt, verschiedene Erkrankungen wie Asthma,
Schwindel, Erschöpfung, Tinnitus oder Kreislaufstörungen zu behandeln [1-3].
Diese Extrakte bestehen hauptsächlich aus Flavonoiden und Terpenoiden. Zwei der
wichtigsten Extrakte sind EGb761 und LI 1370. Die meisten pharmakologischen, toxikologischen und klinischen Studien haben ihr Augenmerk auf den neuroprotektiven
Wert dieser zwei Hauptextrakte gelegt [4-6].
Bei Neuroprotektion handelt es sich um ein schnell wachsendes Forschungsgebiet.
Dieses Gebiet ist deshalb so interessant, weil es einen neuen Therapieweg für ein entmutigendes Krankheitsbild darstellt, das trotz optimaler Behandlung fortschreiten kann
[7]. Eine dieser Erkrankungen ist das Glaukom.
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Glaukom führt zum Verlust von Nervenzellen der Netzhaut und ihrer Axone, aber auch
zu Gewebeumformungen welche sowohl den Sehnervenkopf als auch die Netzhaut betreffen. In der Netzhaut werden Astrozyten freigesetzt. Hinzu kommt, dass der Sehnerv
dünner wird und die Zellen des seitlichen Ganglions teilweise verschwinden [8]. Im
Schnitt ist die Durchblutung bei Glaukom-Patienten in verschiedenen Teilen des Gewebes im Auge vermindert. Eine Verminderung der Durchblutung ist bei Normaldruckglaukom (NDG) ausgeprägter als bei Hochdruckglaukom (HDG) und vergleichsweise
ausgeprägter bei Patienten mit fortschreitenden Formen des Glaukoms als bei denen
mit stabilen Formen [9].
Erhöhter Augeninnendruck ist einer der größten Risikofaktoren für einen glaukomatösen
Schaden und es ist gängig, dass die Reduktion eines erhöhten Augeninnendrucks die
Prognose aller Arten des Glaukoms im Schnitt verbessert. Nichtsdestotrotz gibt es
wenig Zweifel, dass noch andere Risikofaktoren neben erhöhtem Augeninnendruck
involviert sind, so dass sogar ein idealer Augeninnendruck die Fortschreitung nicht bei
allen Patienten aufhält [10]. Ziel dieses Berichtes ist es, eine wissenschaftliche Meinung
über die Anzeichen von Ginkgo als ergänzende Therapie für NDG-Patienten und für
Patienten mit fortschreitendem HDG trotz normalisiertem Augeninnendruck zu liefern.
PHARMAKOLOGISCHE EIGENSCHAFTEN DES GINKGO
Antioxidative Effekte: Ginkgo enthält viele verschiedene Flavonoide, einschließlich
polyphenolischer Flavonoide, bei denen erwiesen ist, dass sie antioxidative Eigenschaften haben indem sie Elektronen an freie Radikale übermitteln [11].
Viele Präparate wie z.B. Vitamine E und C haben ebenfalls antioxidative Eigenschaften.
Die Besonderheit des Ginkgo-Extraktes ist, dass – nicht wie Vitamine E und C – die
polyphenologischen Flavonoide in der Lage sind auf mitochondrialer Ebene zu arbeiten.
In einer in-vitro-Studie wurden PC12 Zellen genutzt, um die schützenden Eigenschaften
von EGb761 auf Mitochondrien zu untersuchen, die mit Wasserstoffperoxid und
Antimycin belastet waren, einem Hemmstoff des Komplexes III [12] (Abb. 1). Zusätzlich
wurde die Wirksamkeit von EGb761 in der Abeta-induzierten 3-(4,5 dimethylthiazol-2yl)-2,5-diphenyltetrazolium Bromide (MTT) Verminderung in PC12 Zellen untersucht.
Die Verfasser der Studie untersuchten auch die Auswirkungen von EGb761 auf die
Werte reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) und ROS-induzierter Apoptose in den
Lymphozyten alter Mäuse nach erfolgter In-vivo-Verabreichung. EGb761 war in der
Lage, Mitochondrien vor den Angriffen der Wasserstoffperoxide, Animycin und Abeta zu
schützen. Des Weiteren reduzierte EGb761 ROS-Werte und ROS-induzierte Apoptose
in den Lymphozyten alter Mäuse nach einer oralen Verabreichung von EGb761 für 2
Wochen. Diese Zahlen unterstützen die Annahme neuroprotektiver Eigenschaften von
EGb761, sowie eines Schutzes gegen Abeta-Toxizität und anti-apoptotische
Eigenschaften, welche möglicherweise auf den antioxidativen Wirkungen von Ginkgo
auf mitochondrialer Ebene beruhen.
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Stabilisierung der Mitochondrien: Mitochondrien spielen eine große Rolle bei mehreren
Erkrankungen, insbesondere bei neurodegenerativen Krankheiten, einschließlich
Glaukom.
Abb. 1: Stabilisierung des mitochondrialen Membranpotentials. A: In-vitro-Behandlung mit EGb 761 nach
H2O2-Insult verbessert die Reduktion des mitochondrialen Membranpotentials in getrennten Gehirnzellen
von Mäusen. Gehirnzellen wurden für 1h mit H2O2
geschädigt; dann wurde EGb 761 für 6h hinzugefügt.
B: In-vitro-Behandlung mit EGb 761verbessert den
Abfall der ATP-Werte in getrennten Gehirnzellen.
Behandelte Tiere erhielten 100 mg/kg EGb 761oral,
1mal/tgl für 2 Wochen. Kontrolltiere wurden mit Placebo behandelt (0.9% NaCl-Lösung). ATP-Werte
wurden nach je 2h Inkubation der getrennten Gehirnzellen von Mäusen mit 2mM H2O2 gemessen. C: Invitro-Behandlung mit EGb 761verbessert mitochondriales Membranpotential der isolierten Mitochondrien nach H2O2-Insult. Behandelte Tiere erhielten 100 mg/kg EGb 761 oral, 1mal/tgl. für 2 Wochen.
Kontrolltiere wurden mit Placebo behandelt (0.9%
NaCl-Lösung). Mitochondriales Membranpotential
wurde nach je 2h Inkubation mit 2mM H2O2 gemessen.
Abgebildet mit Erlaubnis von Eckert et al. [12].
Tatsächlich zeigten Abu-Amero et al. [13] einige mitochondriale Abweichungen bei
Glaukom-Patienten. Sie untersuchten 27 Patienten mit eindeutig chronischem Glaukom
und analysierten folgende Parameter: a) Myocilin- (MYOC) und Optineurin- (OPTN)
Gene wurden sequenziert, b) die gesamte mitochondriale DNA (mtDNA) Kodier-Region
wurde sequenziert, c) der entsprechende mtDNA-Inhalt wurde untersucht, und d) die
mitochondriale respiratorische Funktion wurde bemessen. Die Verfasser der Studie
fanden nur drei gutartige Polymorphismen, die in MYOC und OPTN bei Patienten mit
primärem Offenwinkelglaukom (POAG) und bei Kontrollpersonen gefunden wurden.
Umgekehrt wurden 27 verschiedene neuartige nicht-synonyme mtDNA Veränderungen
gefunden – nur bei Patienten mit POAG (nicht bei Kontrollpersonen) –, von denen 22
(bei 14 Patienten gefunden) potentiell krankheitserregend waren. Der mtDNA-Inhalt war
relativ erhöht bei 17 Patienten mit POAG im Vergleich zu gleichaltrigen Kontrollpersonen, was eine mögliche Antwort auf oxidativen Stress impliziert. Die durchschnittliche
mitochondriale respiratorische Aktivität war deutlich verringert bei 21% der Patienten mit
Glaukom im Vergleich zu den Kontrollpersonen. Diese Ergebnisse offenbaren ein
Spektrum von mitochondrialen Abweichungen bei Patienten mit Glaukom und können
neue experimentelle und therapeutische Möglichkeiten bei Glaukom eröffnen.
Außerdem ist eine oxidative Beeinträchtigung der Mitochondrien aus folgenden Gründen besonders wichtig: a) die Mitochondrien selbst sind eine wichtige Quelle an freien
Radikalen, b) Mitochondrien haben eine verminderte DNA-Reparatur-Kapazität, c) eine
oxidative Beeinträchtigung führt zu einem herabgesetzten Membranpotential und damit
zu einer verminderten ATP-Produktion; das verrückt die Zelle in einen Energiesparmodus und macht sie anfällig für andere beeinträchtigende Faktoren, d) wenn die
Beeinträchtigung der Mitochondrien ein gewisses Level übersteigt, wird das Cytochrom
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C freigesetzt und dieses Molekül startet dann eine Kettenreaktion, die zu Apoptose
führt.
Es ist erwiesen, dass Ginkgo auf mitochondrialer Ebene arbeitet, indem es die innere
Membran stabilisiert und das Membranpotential erhöht und dabei die respiratorische
Kette wiederherstellt und die ATP-Produktion erhöht. Abdel-Kader et al. [14] benutzten
PC12 Zellen, trennten die Gehirnzellen von Mäusen und isolierten die Mitochondrien,
um die Effekte von EGb761 auf mitochondriale Funktionen zu untersuchen. Sie ahmten
mitochondriale Abweichungen während des Alterns nach, indem sie externe Faktoren
benutzten (nitrosativer Stress, Serum-Deprivation und Komplex-Hemmer), die mitochondriale Prozesse wie den Energiestoffwechsel verändern. Als Markierungen für die
Funktion der Mitochondrien wurden ATP-Werte und das mitochondriale Membranpotential gemessen. EGb761 milderte mitochondriale Funktionen in vitro bei einer Konzentration bis zu 0.01 mg/ml. Die Behandlung zweier verschiedener Altersgruppen von
Mäusen mit EGb761 (100 mg/kg Körpergewicht für 14 Tage) zeigte positive Effekte auf
Komplexe I, IV und V der mitochondrialen Atmungskette und eine Wirkung gegen nitrosativen Stress. Interessanterweise konnten diese Effekte nur bei der älteren Mäusegruppe beobachtet werden, was die höhere Effektivität von Ginkgo während des Alterns
beweist. Die einzelnen Komponenten des Ginkgo-Extraktes zeigten auch einen schützenden Effekt in beiden Zelltypen des mitochondrialen Membranpotentials. Das weist
darauf hin, dass die Komponenten des Ginkgo in komplementärer Weise arbeiten, um
die Stabilisierung der Mitochondrien zu ermöglichen.
Entzündungshemmende Effekte: Viele Erkrankungen, einschließlich neurodegenerativer Erkrankungen, haben eine bestimmte Entzündungs-Komponente. Es handelt sich
normalerweise nicht um akute Entzündungen, sondern eher um geringwertige Entzündungen, die bestimmte Zellen betreffen, wie z.B. die Gliazellen im Gehirn. Wenn diese
Zellen aktiviert werden, produzieren sie entzündliche Moleküle wie TNFɑ, NOS-2, COX2, etc.
Es ist nachgewiesen worden, dass der Ginkgo-Extrakt die Aktivierung von Zellen reduziert (z.B. wenn aktiviert durch Mangeldurchblutung/Wiederdurchblutung); mit der
Behandlung durch EGb761 ist NOS-2 weniger hochreguliert und es wird weniger NO
produziert. NO ist ein gutartiges Molekül, das einige wichtige physiologische Funktionen
hat. Wenn die NO-Produktion jedoch in Bereichen mit oxidativem Stress erhöht wird,
vereinigt sich NO- mit O2- und setzt ONOO- frei, ein hoch zellschädigendes Molekül
[10].
In ihrer Studie konnten Varga et al. [15] den doppelten Effekt von EGb761 demonstrieren: Es vermindert die Produktion von O2- und reduziert die Produktion von NO.
Rheologische Effekte: Rheologische Änderungen kommen unter verschiedenen klinischen Bedingungen vor. Diese Änderungen betreffen weniger die Makrozirkulation,
haben aber einen deutlichen Effekt auf die Mikrozirkulation. Die Relevanz der rheologischen Veränderung bei Augenerkrankungen wurde von Sofi F et al. [16] untersucht. Die
Verfasser dieses Artikels untersuchten die hämorheologischen Profile von 180 Patien4
ten mit Zentralvenenthrombose (RVO) und 180 gesunden Personen vergleichbaren
Alters und Geschlechts. Ihre Daten weisen darauf hin, dass eine Änderung der
hämorheologischen Parameter die Anfälligkeit für RVO reguliert. Ginkgo fördert die
Deformierbarkeit von Erythrozyten (rote Blutkörperchen), vermindert den FibrinogenLevel, verbessert die Viskosität des Blutes und die Viskoelastizität.
Tatsächlich zeigten Huang et al. [17] die Verbesserung von abnormalen hämorheologischen Parametern nach der Aufnahme des Ginkgo-Extraktes. Bei 25 Typ-2 Diabetikern
mit Retinopathie wurde die hämorheologischen Parameter vor und 3 Monate nach der
oralen Verabreichung von EGb761 gemessen. Nach der dreimonatigen Aufnahme von
EGb761 war die Viskosität des Blutes deutlich verringert, die Viskoelastizität war deutlich verringert, der Grad des Erythrozyten Malondialdehyd (MDA) war um 30% reduziert
und die Deformierbarkeit der Erythrozyten war um 20% erhöht. Zudem stieg der Blutfluss in den Kapillargefässen der Netzheut signifikant an. Die Verfasser der Studie
schlussfolgern, dass die orale Eingabe von EGb761 es ermöglicht, hämorheologische
Parameter zu verbessern, was wiederum die Durchblutung verbessern kann.
Antithrombotische Eigenschaften: Ginkgo-Extrakt hat einen antithrombotischen Effekt.
Dennoch bestätigen die derzeitigen Daten nicht die Hypothese, dass der Ginkgo-Extrakt
das Risiko klinisch relevanter und gefährlicher Blutungen erheblich erhöhen kann [18].
Vasorelaxierende Eigenschaften: Ginkgo erhöht Mikrozirkulation, indem er die vom
Endothel abhängige Gefäßerweiterung verbessert, wie die von Wu et al. durchgeführte
Studie zeigt [19].
In ihrer Studie wurde der Effekt von Ginkgo auf den Blutfluss der linken vorderen absteigenden Herzarterie (LAD), Blutfluss und Fluss-vermittelte Erweiterung der Oberarmarterie (FMD) bei gesunden älteren Erwachsenen getestet.
Sechzig gesunden älteren Erwachsenen wurden im Zufallsprinzip entweder der GinkgoExtrakt (GBE) zugeordnet oder sie wurden Kontrollgruppen zugewiesen. LAD-Blutfluss
und Oberarmarterien-FMD wurden mittels hochauflösenden Ultraschalls vor und nach
der intravenösen Verabreichung von GBE oder Kochsalz nichtinvasiv gemessen. GBE
erhöhte im Vergleich zu den Placebo-Gruppen den LAD-Blutfluss deutlich in maximaler
diastolischer Geschwindigkeit (MDPV), maximaler systolischer Geschwindigkeit (MSPV)
und diastolischem zeitlichem Integral der Geschwindigkeit (DTVI). Die OberarmarterienFMD wurde ebenfalls deutlich erhöht. Eine lineare Übereinstimmung wurde zwischen
prozentualen Veränderungen in MDPV, MSPV oder DTVI des LAD-Blutflusses und den
prozentualen Veränderungen in der Oberarm-FMD nach der Behandlung mit GBE
gefunden. Diese Daten zeigen, dass die Behandlung mit GBE bei gesunden älteren
Erwachsenen zu einer Erhöhung des LAD-Blutflusses in MDPV, MSPV und DTVI führt.
Die erhöhte Reaktion könnte mit der verbesserten endothelabhängigen gefässerweiternden Kapazität in Zusammenhang stehen.
Antivasospatische Eigenschaften: In vielen klinischen Situationen, vor allem bei
Glaukom, spielt Vasospasmus (Gefäßkrampf) eine entscheidende Rolle [20].
5
Die antivasospastische Eigenschaft von Ginkgo wurde eindeutig von Bayar et al. [21]
gezeigt. Die Autoren der Studie untersuchten die Effekte von EGb761 auf Hirnbasisschlagader-Vasospasmus in einem experimentellen Modell hündischer Subarachnoidalblutung. Es wurden morphometrische Analysen gemacht, und Endothelin-1Werte
von Serum und Hirn-Rückenmarksflüssigkeit mittels Radioimmunassay gemessen. Es
wurde verglichen zwischen behandelten und nichtbehandelten Gruppen. Die Tiere in
Gruppe 1 (n=8) wurden keiner Subarachnoidalblutung unterworfen und erhielten keine
Behandlung. In dieser Gruppe wurden Endothelin-1 Werte von Serum und HirnRückenmarksflüssigkeit in 8 Tagen täglich gemessen. An Tag 9 wurden die Tiere getötet und ihre Hirnbasisschlagadern zur histopathologischen Untersuchung herausgeschnitten. In Gruppe 2 (n=8) wurde eine Subarachnoidalblutung erzeugt mittels autologem Arterienblut und für die nächsten 8 Tage täglich intravenöse salzhaltige Boli verabreicht. Die Auswertung der Endothelin-1 Werte und der Hirnbasisschlagadern wurden
wie bei Gruppe 1 beschrieben ausgeführt. In Gruppe 3 wurde eine Subarachnoidalblutung mittels autologem Arterienbluts erzeugt und täglich wurden für 8 Tage intravenöse Boli von EGb761 verabreicht. Endothelin-1 Werte und Untersuchung der Hirnbasisschlagadern wurden wie oben beschrieben durchgeführt. Die Endothelin-1 Werte
von Serum, Hirn-Rückenmarksflüssigkeit und die histopathologischen Ergebnisse aller
Gruppen wurden verglichen. Bei Gruppe 3 zeigten die Endothelin-1 Werte von Serumund Hirn-Rückenmarksflüssigkeit das gleiche Muster wie bei Gruppe 2; allerdings
zeigten die Arterien erheblich weniger Vasospasmus als jene in Gruppe 2. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass intravenöse Boli von EGb761 morphologischen Vasospasmus in der Hirnbasisschlagader von Hunden verringern. Dieser Fund ist sehr
interessant, weil Endothelin bei Glaukom-Patienten erhöht ist, besonders bei Patienten
mit Normaldruckglaukom.
GINKGO UND GLAUKOM
Pathophysiologie von Glaukom: Ginkgo beeinflusst oxidativen Stress und gestörte
Gefäßdurchblutung positiv. Sowohl verminderte Mikrozirkulation als auch oxidativer
Stress sind in der Krankheitsentstehung von Glaukom involviert. Daher können schon
von einem theoretischen Standpunkt aus, die pharmakologischen Eigenschaften des
Ginkgos als förderlich fürs Auge erachtet werden. Bevor der potentielle Nutzen des
Ginkgo bei Glaukom in den folgenden Abschnitten betrachtet wird, werden unten die
Pathomechanismen, die bei der durch oxidativen Stress und/oder gestörte Mikrozirkulation bedingten Augenerkrankung involviert sind, zusammengefasst.
Wenn über Glaukom gesprochen wird, muss man eindeutig unterscheiden zwischen
Mechanismen, die zu einer Erhöhung des Augeninnendrucks (IOP) führen, und Mechanismen, die zu glaukomatösem Schaden, auch bekannt als glaukomatöse optische
Neuropathie (GON), führen.
Für die beiden Fälle gelten unterschiedliche Aspekte in Bezug auf die Pathomechanismen. Oxidativer Stress ist bei der Krankheitsentstehung von IOP involviert, während für
GON Faktoren eine Hauptrolle spielen, die mit gestörter Gefäßregulation zusammen6
hängen. Beide Aspekte können potentiell durch eine Ginkgo-Therapie beeinflusst
werden und werden im Folgenden detaillierter erörtert.
Augeninnendruck (IOP) – Oxidativer Stress spielt eine Rolle bei der Ursache von erhöhtem Augeninnendruck, indem er eine Rückbildung des Trabekelwerks (TM) auslöst
und daher zu Veränderungen des Wasserabflusses beiträgt [22,23]. Das menschliche
Trabekelwerk besteht aus mit endothelialen Zellen gefütterten Kollagenlamellen. Der
Raum zwischen den Kollagenbalken des TM ist mit extrazellulärer Matrix gefüllt, die
hauptsächlich aus Glykoproteinen und Proteoglykanen besteht, wo das Kammerwasser
durchsickert [24,25]. Das TM ist in stetigem Kontakt mit dem Kammerwasser, durch
welches ROS erzeugt werden können: durch leicht katalysierte Reaktionen, Stoffwechselwege oder Entzündung [22,24,26,27]. Eine Störung des TM-Zellzustandes durch
einen Anfall wie oxidativen Stress kann zu Zellverlust und einer Überexpression oder
Veränderung in der Struktur verschiedener Glykoproteine in der extrazellulären Matrix
führen [25,28,29], welche die TM-Funktion beeinträchtigen, und zu einem gestörten
Kammerwasserabfluss und dadurch zu einer Erhöhung des IOP führen.
Die krankheitserzeugende Rolle von oxidativem Stress mittels Erhöhung des IOP durch
die Verschlechterung der Wasserabflussmöglichkeit wird durch verschiedene experimentelle in-vitro- und in-vivo-Studien gestützt. Die in-vitro-Behandlung menschlicher
TM-Zellen mit Wasserstoffperoxid verändert zelluläre Adhäsion und Integrität [25]. In
einer Tierstudie mit Kälbern zeigte die Perfusion von TM-Zellen mit Peroxid eine
Reduktion des Kammerwasserabflusses aus der Vorderkammer des Auges [30]. Bei
Menschen wurde über erheblich höheren oxidativen DNA-Schaden in den TM-Zellen
von Glaukom-Patienten berichtet als bei gleichaltrigen Kontrollpersonen [31]. Weitere
Studien demonstrieren sehr hohe oxidative Nukleotid-Modifikations (8-OH-dG) -Werte
im menschlichen TM, was signifikant mit einer Erhöhung des IOP und einer Gesichtsfeld-Schädigung in Beziehung steht [30,32]. Weitere Hinweise deuten darauf hin, dass
Patienten mit POAG mitrochondriale Abweichungen aufweisen, was impliziert, dass
eine mitochondriale Fehlfunktion höchstwahrscheinlich eine Folge oxidativen Stresses
ist [33]. Freie Radikale, die im Kammerwasser enthalten sind, tragen zu krankheitserzeugenden Veränderungen im TM bei [34]. Die Befunde zeigen einen Abflusswiderstand von Kammerwasser bei Kälbern, als Ergebnis von Umordnungen des Zytoskelettes im TM und zellulärem Verlust bei Vorhandensein von erhöhten Wasserstoffperoxid-Werten [30]. Der Schaden am Kammerwasserabflusssystem durch Prooxidantien kann erklären, warum Radiologen öfter unter okulärer Hypertension leiden [35]. Auf
molekularer Ebene wurde gezeigt, dass menschliches TM-Endothel angereichert ist mit
Endothelin- und Stickstoffmonoxid (NO) Synthese. Stickstoffmonoxid kann mit Sauerstoff oder Metallen wie Kupfer oder Eisen interagieren um den Abflusswiderstand des
TM zu regulieren [36].
Darüber hinaus weisen die Befunde auf eine antioxidative Abwehr im Wasserabflusssystem: Glaukom-Patienten zeigen eine erhebliche Verminderung des antioxidativen
Gesamtpotentials in ihrem Kammerwasser [37], eine Verringerung der plasmatischen
Glutathion-Werte [38], und eine Erhöhung der Serum-Antikörper gegen Glutathion-S7
Transferase [39]. Die Expression des endothelialen Leukozytenadhäsionsmolekül
(ELAM-1), welches Schutz gegen oxidativen Stress bietet, ist im TM von GlaukomPatienten erhöht [40]. Ein anderes nennenswertes Antioxidans, Glutathion, ist ebenfalls
in hohen Konzentrationen sowohl im Kammerwasser als auch im TM von Säugetieren
zu finden [30,41]. Hinzu kommt, dass das Hitzeschockprotein, Alpha-B-Kristall, das vor
oxidativen Schäden schützt, in den TM-Zellen der von Hitze strapazierten menschlichen
Augen wie auch Affenaugen übermäßig expressioniert wird [42]. All diese Veränderungen können primärer oder sekundärer Natur sein.
Glaukomatöse optische Neuropathie (GON) – Neben erhöhtem IOP werden GefäßSchäden und Hypoxie (Sauerstoffmangel) oft mit Glaukom assoziiert. Interessanterweise werden aber Arteriosklerose und ihre Risikofaktoren nur selten mit GON in
Verbindung gebracht. Die Faktoren, die mit gestörter Autoregulation verbunden sind,
insbesondere die primäre vaskuläre Dysregulation (PVD), spielen bei GON eine wichtigere Rolle. Diese Faktoren werden am besten bei NDG-Patienten beobachtet, wie von
Kaiser et al. [43] beschrieben. Eine unzureichende Autoregulation erhöht das Risiko
einer unstabilen Augendurchblutung, was zu einer unstabilen Sauerstoffversorgung
führt. Diese unstabile Sauerstoffversorgung generiert oxidativen Stress. Als Konsequenz des oxidativen Stresses erhöht sich die Konzentration des Superoxids (O2 -)
innerhalb der Axone des Sehnervenkopfes. Die Aktivierung der benachbarten Astrozyten durch mechanischen oder durch ischämischen Stress veranlasst die Produktion von
Stickstoffmonoxid (NO) im Übermaß. NO verbreitet sich in den Axonen und vereinigt
sich mit dem Superoxid. Das daraus resultierende Peroxynitrit (ONOO -) verbreitet sich
in den Axonen Richtung Netzhaut und seitlichem Kniehöcker (Corpus geniculatum
laterale, CGL) und führt zur Apoptose [44].
Die Aktivierung der Astrozyten ist ein weiteres Zeichen für oxidativen Stress im Sehnerv
von Glaukom-Patienten [45].
Diese Erkenntnisse weisen darauf hin, dass neben IOP eine gestörte Regulierung der
Mikrozirkulation und oxidativer Stress Hauptrisikofaktoren sind, die zu GON führen.
Beide Aspekte können durch Ginkgo beeinflusst werden.
Effekt von Ginkgo auf glaukomatöse optische Neuropathie – Normaldruckglaukom
ist gekennzeichnet durch eine fortschreitende Schädigung des Sehnervs und einen
Gesichtsfeld-Verlust mit einem statistisch normalen Augeninnendruck. NDG gilt als,
zumindest zum Teil, verbunden mit einer dysregulierten Durchblutung des Sehnervs
[46].
Es gibt Tiermodelle für Hochdruckglaukom, aber weder für NDG noch für fortschreitendes HDG trotz normalisiertem IOP.
Obwohl stabile Tiermodelle fehlen, wird Ginkgo von Glaukom-Spezialisten bei der Behandlung von Patienten mit Normaldruckglaukom und von Patienten mit fortschreitendem Glaukom trotz IOP-senkender Behandlung verwendet. Diese Verwendung wird mit
der Tatsache begründet, dass es einerseits derzeit keine anderen therapeutischen
8
Optionen für diese Fälle gibt, und dass andererseits das pharmakologische Profil des
Ginkgos exakt zu der Pathophysiologie dieser besonderen Leiden passt.
In diesem Zusammenhang ist es notwendig zu betonen, dass eine klassische Unterscheidung zwischen vorklinischen und klinischen Daten schwierig oder unmöglich ist.
Während klassische Tiermodelle mit erhöhtem IOP existieren [47,48], sind keine Tiermodelle für die folgenden zwei Leiden vorhanden: a) für Normaldruckglaukom und b) für
fortschreitendes Glaukom trotz normalisiertem IOP. Trotzdem sind diese Leiden genau
diejenigen, bei denen Mikrozirkulation und oxidativer Stress von besonderer Bedeutung
und daher grundsätzlich mit Ginkgo behandelbar sind.
Vorklinische Daten im traditionellen Sinne sind nicht direkt vorhanden, um die begünstigenden Effekte von Ginkgo bei a) Normaldruckglaukom und b) fortschreitendem
Glaukom trotz normalisiertem IOP zu beurteilen. Es ist jedoch möglich, aussagekräftige
Hochrechnungen anzustellen auf Grundlage anderer pathologischer Bedingungen
(auch wenn diese nicht immer mit dem Auge in Verbindung stehen).
Wie von Tezel G zusammengefasst wurde, ist oxidativer Stress eindeutig in der Krankheitsentstehung von Glaukom involviert [49].
Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) werden als Nebenprodukte beim Zellstoffwechsel
generiert, primär in den Mitochondrien. Obwohl ROS essentielle Beteiligte bei der Zellsignalisierung und –regulierung sind, erfolgen Schädigungen zellulärer Makromoleküle
wie DNA, Proteine und Lipide, wenn die zelluläre Produktion der ROS die intrinsische
antioxidative Leistungsfähigkeit überwältigt. Dieser Status von „oxidativem Stress“ gilt
als Beitrag zur Krankheitsentstehung von mehreren neurodegenerativen Erkrankungen.
Wachsende Hinweise bekräftigen die Beteiligung von oxidativem Stress als eine
häufige Komponente glaukomatöser Neurodegeneration in verschiedenen subzellulären
Abteilungen retinaler Ganglienzellen (RGC’s) [50-52]. Neben dem Hinweis auf direkte
zytotoxische (zellschädigende) Konsequenzen, die zum RGC-Tod führen, erscheint es
auch äußerst möglich, dass ROS in das Signalisieren von RGC-Tod verstrickt sind. Auf
diesem Signalweg agieren ROS als sekundärer Botenstoff und/oder regulieren die
Proteinfunktion durch Retox-Veränderungen der stromabwärts-Effektoren durch enzymatische Oxidation spezifischer Aminosäurereste [53]. Verschiedene Studien liefern
sich anhäufende Belege, die den Zusammenhang von ROS und verschiedenen
Aspekten des neurodegenerativen Prozesses stützen [54-56]. Oxidative Proteinveränderungen während glaukomatöser Neurodegeneration erhöhen neuronale Anfälligkeit
bis hin zur Beschädigung und führen auch zu glialer Dysfunktion [57]. Eine durch oxidativen Stress bedingte Dysfunktion von Ganglienzellen kann zu einem sich ausbreitenden neuronalen Schaden durch sekundäre Degeneration beitragen [58]. Oxidativer
Stress fördert auch die Zunahme von fortgeschrittener Glykation (Verzuckerung) und
von Produkten in glaukomatösem Gewebe [59]. Zusätzlich ist oxidativer Stress bei der
Aktivierung der Immunreaktion während glaukomatöser Neurodegeneration beteiligt
[60], da ROS die antigenpräsentierende Fähigkeit von Ganglienzellen anregen und
auch als co-anreizende Moleküle während der Antigenpräsentation fungieren.
9
Einerseits gibt es eindeutige Belege, dass oxidativer Stress eine Rolle in der Krankheitsentstehung von GON spielt, andererseits gibt es genug Belege im Hinblick auf die
antioxidative Fähigkeit des Ginkgos.
Der potentielle Wert einer antioxidativen Behandlung von Glaukom wurde kürzlich von
Mozaffarieh et al. zusammengefasst [61]. Die Verfasser erachten eine antioxidative Behandlung als aussagekräftig bei Glaukom, obwohl die klinischen Belege spärlich sind.
Mehrere von Fachleuten geprüfte Daten stützen die Beteiligung einer mitochondrialen
Dysfunktion bei der Krankheitsentstehung von Glaukom [60,62,63].
Es existieren Hinweise bezüglich der Verbesserung der mitochondrialen Funktion durch
Ginkgo. Eine Verabreichung von EGb761 kurz nach beginnender mitochondrialer
Beeinträchtigung durch Natrium-Nitroprussid (Stickstoffmonoxid-Spender) verbesserte
das mitochondriale Membranpotential von PC12 Zellen erheblich und dosisabhängig.
Unter diesen Umständen kehrte EGb761 auch die Verminderung der ATP-Produktion
um. Diese Ergebnisse zeigen deutlich die Stabilisierung und den Schutz der mitochondrialen Funktion als eine spezifische und sehr sensitive Eigenschaft von EGb761 in therapeutisch relevanten Dosen [12]. In einer In-vitro-Studie milderte EGb761 mitochondriale Funktionen (ATP-Werte und mitochondriales Membranpotential) bei Konzentrationen so niedrig wie 0.01 mg/ml.
Abb. 2: Verteilung überlebender retinaler Ganglienzellen in
der Netzhaut in einem Rattenmodell mit chronischem
Glaukom. Drei Tiergruppen:
A: Kontrolle, B: EGb761behandelt für 5 Monate, und
C: Trägersubstanz-behandelt.
Ein Unterschied zwischen der
Verteilung der überlebenden
retinalen Ganglienzellen in
den Augen mit erhöhtem IOP,
die mit EGb 761 und Trägersubstanz behandelt wurden. Abgebildet mit Erlaubnis
von Hirooka et al. [71].
Gestörte Mikrozirkulation spielt eine wichtige Rolle bei der Pathogenese des glaukomatösen Schadens [10]. Eine unstabile Augendurchblutung, durch IOP-Schwankung
oder gestörte Autoregulation (aufgrund eines primären vaskulären Dysregulationssyndroms), führt zu einem schwachen Reperfusionsschaden. Die Fusion von Superoxid(O2-) Anionen (produziert in den Mitochondrien der Axone) mit dem Stickstoffmonoxid (NO; was sich von den Astrozyten aus verbreitet) ruft die Produktion von Peroxynitrit
(ONOO-) hervor. Es ist möglich, dass die Ausbreitung von Endothelin und Metalloproteasen in die Umgebung des Sehnervkopfes zu einer lokalen Vasokonstriktion (Gefäßverengung) führt. Diese Vasokonstriktion erhöht das Risiko eines venösen Verschlusses und schwächt die Blut-Hirn-Schranke, was in extremen Situationen zu SplinterBlutungen (kleine Blutungen am Rand des Sehnervenkopfes) führt. Die Beteiligung
10
einer primären vaskulären Dysregulation bei der Krankheitsentstehung von glaukomatöser optischer Neuropathie könnte erklären, warum Frauen, genau wie Japaner, öfter
unter Normaldruckglaukom leiden.
Es ist bekannt, dass Ginkgo die Mikrozirkulation im Gehirn verbessert und daher kann
angenommen werden, dass Ginkgo einen ähnlichen Effekt im Auge bewirkt. Zhang et
al. [64] untersuchten den therapeutischen Effekt von EGb761 bei Hypertonie (Bluthochdruck) und seine möglichen Mechanismen hinsichtlich zerebraler Mikrozirkulation bei
zwanzig normotonen Ratten und 24 spontan hypertensiven Ratten (SHR). Sie nahmen
an, dass EGb761 einen therapeutischen Effekt auf SHR-Ratten hatte, indem es die
Durchblutung erhöhte, die Vasomotionsfunktion regulierte, Kapillaren wirksam öffnete
und den peripheren Widerstand freisetzte. Es wurde schlussgefolgert, dass EGb761
genutzt werden könnte, um Hypertonie zu regulieren und die zerebrale Mikrozirkulationsfunktion zu schützen.
Obwohl die Untersuchung von Zhang et al. auf zerebraler Ebene durchgeführt wurde,
kann angenommen werden, dass ähnliche Schlüsse für das Auge gezogen werden
können.
Ein schwacher aber wiederholter Reperfusionsschaden (entweder aufgrund von IOP,
der auf einem Wert schwankt, der die momentane Autoregulation übersteigt, oder aufgrund von gestörter Autoregulation) führt zu oxidativem Stress und dadurch langfristig
gesehen zu glaukomatösem Schaden [65].
Ginkgo reduziert Ischämie-/Reperfusionsschädigungen in der ischämischen/von
Reperfusion betroffenen diabetischen Rattennetzhaut. Das wurde durch die Eigenschaft
des Ginkgos, freie Radikale zu reinigen, gezeigt [66]. Hao et al. [67] untersuchten die
Rolle des Ginkgo in den Herzen von Ratten mit Ischämie-Reperfusion. Sie beobachteten die Funktion der isolierten Herzen, welche Ischämie-Reperfusion (IR) unterlagen,
jeweils mit und ohne Vorbehandlung mit Ginkgolid B (GB). Sie fanden heraus, dass die
Aufnahme von GB die Funktion der linken Herzkammer hinsichtlich des IR-Schadens
verbesserte und die Größe des Infarkts sowie die Freisetzung von Lactatdehydrogenase (LDH) verringerte. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass GB teilweise IRBeschädigungen im Rattenherz verhindern konnte.
Basierend auf den Ergebnissen der diabetischen Netzhaut von Ratten und IschämieReperfusion in Rattenherzen kann angenommen werden, dass ein ähnlich begünstigender Effekt des Ginkgo im Sehnervenkopf von Glaukom-Patienten vorkommt, da
diese Patienten ebenfalls unter einer Ischämie-Reperfusions-Beschädigung leiden.
Papillenrandblutungen (Papille=Sehnervenkopf) werden mit einem höheren Fortschreitungsrisiko verbunden. Normaldruckglaukom ist von diesen Blutungen besonders
betroffen [68].
Dennoch kann die Häufigkeit dieser Blutungen nicht durch eine IOP-senkende
Behandlung reduziert werden [69] und es gibt zurzeit keine Behandlung um diesen
Risikofaktor zu verringern. Es ist jedoch bekannt, dass Ginkgo (EGb761) Vasospasmus
11
bei Subarachnoidalblutungen verhindern kann [70]. Deshalb kann angenommen
werden, dass Ginkgo auch einen begünstigenden Effekt bei Glaukom-Patienten mit
Papillenrandblutungen hat.
Wie bereits erwähnt existieren keine Tiermodelle für Normaldruckglaukom – oder für
fortschreitendes Glaukom trotz normalisiertem IOP. Nichtsdestotrotz wurde sogar bei
Tiermodellen mit klassischem Hochdruckglaukom gezeigt, dass Ginkgo eine glaukomatöse Beschädigung vermindert [71].
Hochdruckglaukom – Im Gegensatz zum NDG existiert für das HDG eine anerkannte
Therapie, nämlich die IOP-senkende Behandlung. Hinzu kommt, dass im Fall von HDG
Faktoren wie gestörte Mikrozirkulation oder oxidativer Stress eine weniger wichtige
Rolle zu spielen scheinen als bei NDG. Die Tatsache, dass Ginkgo einen eindeutig
begünstigenden Effekt bei Tieren mit Hochdruckglaukom hatte, ist daher sogar noch
beachtenswerter: Der Effekt von Ginkgo-Extrakt auf die Neurotoxizität retinaler Ganglienzellen wurde bei Ratten mit chronischem, mäßig erhöhtem Augeninnendruck (IOP)
untersucht [71]. Einseitiger chronischer, mäßig erhöhter IOP wurde bei Ratten durch
das Ausbrennen von drei episkleralen Gefäßen erzeugt. Die sekundäre Degeneration
wurde 5 Monate lang mit und ohne EGb761-Behandlung gemessen. Nach 5 Monaten
wurde der Verlust an retinalen Ganglienzellen bei der mit EGb761 behandelten Gruppe
und der Kontrollgruppe (keine EGb761-Behandlung) verglichen. Die Verfasser der
Studie kamen zu dem Schluss, dass eine Vorbehandlung und eine frühe Nachbehandlung mit EGb761 eine effektive Neuroprotektion in einem Rattenmodell mit chronischem
Glaukom ist (Abb. 2 und Abb. 3).
Gesamtfazit hinsichtlich der experimentellen Daten für Ginkgo und Glaukom –
Basierend auf dem jetzigen Wissen über die Krankheitsentstehung des Glaukomschadens greift Ginkgo positiv auf die verschiedenen, in der Krankheitsentwicklung von
glaukomatösem Schaden beteiligten Stufen (oxidativer Stress, Mikrozirkulation, mitochondriale Funktion etc.) ein. Jedoch existieren keine experimentellen Modelle für
Normaldruckglaukom oder für glaukomatöse Progression trotz normalem IOP. Daher
basieren die Schlussfolgerungen auf Hochrechnungen von anderen Studien. Und diese
Hochrechnungen offenbaren einen klaren positiven Effekt des Ginkgos.
12
Abb. 3: Der Effekt des Ginkgo-Extraktes
(EGb761) auf retinale Ganglienzellen von
Ratten. A: Dichte retinaler Ganglienzellen
mit chronischem, leicht erhöhtem IOP.
Retinale Ganglienzellen (RGC) wurden in
der peripheren Netzhaut gezählt, zirka 4.0
mm von der Sehnervenscheibe. Die
Grafik
zeigt
die
durchschnittliche
Standarddichte
von
fünf
mit
Trägersubstanz behandelten Tieren. Ein
erheblicher Unterschied zwischen der
Dichte retinaler Ganglienzellen in Augen
mit erhöhtem IOP, die mit EGb 761 und
Trägersubstanz behandelt wurden war
offensichtlich (p=0.0007). Vier Tiergruppen: 1) Kontrolle ohne Behandlung,
2) Augen mit erhöhtem IOP ohne
Behandlung (operiert, keine), 3) Kontrolle,
behandelt mit EGb 761, 4) Augen mit
erhöhtem IOP, behandelt mit EGb 761
(operiert, EGb 761). B: Verlust retinaler
Ganglienzellen nach 5 Monaten in
Rattenaugen mit chronischem, leicht erhöhtem IOP. Zwei Gruppen: 1) Nicht behandelt, 2) Behandelt mit EGb 761. Abgebildet mit Erlaubnis von Hirooka et al. [71].
Aber sogar bei Hochdruckglaukom, wo IOP eine Hauptrolle spielt (während Faktoren
wie gestörte Mikrozirkulation und oxidativer Stress weniger relevant sind) und wo eine
anerkannte Therapie (nämlich die IOP-senkende Therapie) zugänglich ist, war der
Effekt des Ginkgo äußerst positiv.
Während alle Veröffentlichungen indirekt zugunsten von Ginkgo sind, widerspricht keine
einzige Publikation dem positiven Effekt des Ginkgos.
Klinische Daten: Glaukom ist eine chronisch fortschreitende Erkrankung, bei welcher
die Beeinträchtigung sich über Jahrzehnte entwickelt. Doppelblinde, kontrollierte Langzeitstudien werden benötigt, um den Wert glaukomatöser Medikamente endgültig
bestimmen zu können. Jedoch sind solche kontrollierten Studien teuer und zeitaufwendig. Daher wurden sehr wenige kontrollierte Studien zu Glaukom und jeder Art von
Glaukom-Behandlung durchgeführt. Um die Beurteilung der Effizienz der sogenannten
Glaukom-Medikamente zu vereinfachen, wird IOP normalerweise als Ersatz in klinischen Studien verwendet. Von umfangreichen Studien ist bekannt, dass eine IOPsenkende Behandlung besonders hilfreich bei Hochdruckglaukom ist. In gewissem Maß
ist eine IOP-senkende Behandlung auch bei Normaldruckglaukom hilfreich. Dennoch
haben diese Studien auch gezeigt, dass bei einem Großteil der Patienten (insbesondere in der Gruppe der Normaldruckglaukom-Patienten) ein Fortschreiten trotz normalisiertem IOP vorhanden ist [46]. Das Fortschreiten von Glaukom kommt oft vor, sogar
wenn ein sehr geringer IOP durch IOP-senkende Behandlung erreicht wurde. Daher
13
besteht ein dringender Bedarf an zusätzlicher – nicht IOP-senkender – GlaukomBehandlung.
Die einzige Behandlung, die mehr oder weniger allgemein akzeptiert wurde – sogar
ohne genaue wissenschaftliche Beweise –, ist die Behandlung mit Ginkgo [72,73].
Glaukomatologen haben Ginkgo seit vielen Jahren erfolgreich bei ihren Patienten
verwendet.
Aus ihrer Sichtweise ist Ginkgo ratsam a) bei Patienten mit Normaldruckglaukom und b)
bei Patienten mit fortschreitendem Glaukom trotz normalisiertem IOP. Diese Angaben
basieren auf der Tatsache, dass a) neben IOP, die an der Erkrankung beteiligten
krankheitserzeugenden Faktoren eine gestörte Mikrozirkulation und oxidativer Stress
sind, welche beide durch Ginkgo beeinflusst werden können. b) Es gibt derzeit keine
alternative Behandlung für solche Fälle. c) Ein bedeutender positiver Effekt, der für
Ginkgo spricht, wurde sowohl bei Glaukom-Versuchstieren also auch bei GlaukomPatienten beobachtet.
Bei Glaukom involvierte Pathomechanismen – Bei Glaukom-Patienten ist die
Augendurchblutung verringert, sowohl bei Patienten mit Normaldruckglaukom als auch
bei Patienten mit Fortschreitung trotz normalisiertem IOP. Kaiser et al. [43] haben
hämodynamische Parameter in der Augenarterie, der zentralen Netzhautarterie, der
zentralen Netzhautvene und den lateralen und medialen, kurzen, hinteren Ziliararterien
mittels Farbdopplerdarstellung bei 237 Patienten mit primärem Offenwinkelglaukom und
124 gleichaltrigen normalen Kontrollpersonen gemessen. Alle Patienten zeigten eine
erhebliche Absenkung der enddiastolischen Geschwindigkeiten und eine erhebliche
Steigerung des Resistivität-Indexes in allen gemessenen Arterien. Ihre Daten zeigten,
dass die hämodynamische Parameter in den extraokulären Gefäßen bei Patienten mit
Glaukom verändert sind.
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Blutflussreduktion eine negative Vorhersagekraft für eine Verschlechterung des Schadens ist [74,75]. In einer retrospektiven
Beobachtungsstudie untersuchten Satilmis et al. [76] den Zusammenhang zwischen
dem Grad des Fortschreitens von glaukomatösem Schaden und retrobulbärer (hinter
dem Augapfel liegend) Durchblutung. Zwanzig Offenwinkelglaukom-Patienten mit mindestens fünf Gesichtsfelduntersuchungen und fortschreitendem Schaden in mindestens
einem Auge waren an der Studie beteiligt. Als Messfaktor für den Grad der Verschlechterung des Gesichtsfeldschadens, wurde der Winkel einer horizontalen Linie zur
Neigung der Regressionsgeraden des MD (mean defect des Gesichtsfeldindexes) für
ein zufällig bestimmtes Auge pro Patient errechnet. Der Zusammenhang zwischen
diesem Winkel und intraokulärem Druck sowie retrobulbäre Farbduplexmessungen
wurden durch eine multiple, lineare Regressionsanalyse ausgewertet. Bei einer
enddiastolischen, niedrigeren Ausgangsdurchblutungsgeschwindigkeit in der zentralen
Netzhautarterie und einem intraokulärem Druck mit höherer Grundlinie, wurde eine
schnellere Verschlechterung des Glaukomschadens beobachtet. Der Grad der
Progression hing nicht mit dem Ausmaß eines vorher existierenden
Gesichtsfelddefektes und IOP zusammen. Die Verfasser der Studie schlussfolgerten,
14
dass ein wesentlicher Zusammenhang zwischen dem Grad des Fortschreitens eines
glaukomatösen Gesichtsfelddefektes und den retrobulbären hämodynamischen
Variablen besteht.
Effekte des Ginkgos auf okuläre Mikrozirkulation – Ginkgo verbessert die Augendurchblutung. Chung et al. [77] bewerteten einen möglichen therapeutischen Effekt des
Ginkgo-Extraktes (GBE) bei Glaukom-Patienten, die von den Verbesserungen der
Augendurchblutung profitieren könnten. Es wurde ein Phase I placebo-kontrollierter
Crossover-Test mit 11 gesunden Freiwilligen durchgeführt. Den Patienten wurde drei
Mal am Tag, zwei Tage lang, entweder GBE (40mg) oder ein Placebo oral verabreicht.
Mit dem Farbduplex wurde vor und nach der Behandlung die Augendurchblutung
gemessen. Es gab eine 2wöchige Washout-Phase zwischen der Behandlung mit GBE
und Placebo. Der Ginkgo-Extrakt erhöhte deutlich die enddiastolische Geschwindigkeit
(EDV) in der Augenarterie (OA), während beim Placebo keine Veränderungen zu sehen
waren. Es wurden keine Nebenwirkungen gefunden, die mit GBE zusammenhängen.
GBE veränderte nicht den arteriellen Blutdruck, die Herzfrequenz oder den IOP. Die
Verfasser der Studie kamen zu dem Schluss, dass GBE die EDV in der OA erheblich
erhöhte. Laut ihnen verdienen die begünstigenden Eigenschaften des GBE hinsichtlich
der Augendurchblutung eine weitere Untersuchung als eine mögliche Behandlung glaukomatöser optischer Neuropathie (und anderer ischämischer Augenerkrankungen).
Obwohl dieser Versuch mit gesunden Probanden durchgeführt wurde, stützen die
Ergebnisse die Erkenntnis, dass Ginkgo bei glaukomatösen Erkrankungen, bei denen
die okuläre Mikrozirkulation gestört ist, begünstigend wirken kann.
Neuartige Strategien der Glaukom-Behandlung – Während die klassische GlaukomBehandlung sich auf die IOP-Reduzierung fokussiert, bleiben Fragen offen - da Fälle
existieren, bei denen eine Reduktion des IOP ein Fortschreiten der Erkrankung nicht
aufhält. Außerdem hat das verbesserte Wissen über die Entstehung der Erkrankung
neue therapeutische Ansätze eröffnet. Die verschiedenen therapeutischen Optionen
sind auf andere Faktoren gerichtet. Die nicht-IOP-senkenden Medikamente, die im
Artikel beschrieben wurden, zielen auf andere Ebenen der Pathophysiologie, welche an
der glaukomatösen Optikus-Neuropathie beteiligt ist. Das sind z.B.: die Hemmung der
Astrozytenaktivierung, Hemmung der Stickstoffmonoxid-Synthase 2, Verbesserung der
Gefäßregulation, oxidativem Stress entgegenwirken, Hemmung der Matrix-metalloproteinase, Hochregulierung des Hitzeschockproteins, Neuroprotektion [78].
Es wurden positive vorklinische Daten über Medikamente gewonnen, welche die Aktivierung der Astrozyten unterbinden, über Stickstoffmonoxid-Synthase 2-Hemmer und
Matrixmetalloproteinase-9-Hemmer, über Medikamente mit neuroprotektiven Eigenschaften und mit einer Hochregulierung von Hitzeschockproteinen. Jedoch sind Daten,
die ihre potentielle Wirksamkeit bei einer Glaukom-Behandlung bei Menschen bekräftigen, noch nicht verfügbar.
In kleinen Kohortenstudien hat die Verbesserung der Augendurchblutung mittels
Carboanhydrasehemmer wie Acetazolamid eine Verbesserung der Gesichtsfelder von
Glaukom-Patienten gezeigt [79,80]. Ähnliche Ergebnisse wurden bei Kalziumkanal15
blockern bei Patienten mit vaskulärer Dysregulation beobachtet [81]. Zudem hat in einer
placebo-kontrollierten Doppelblindstudie die Behandlung mit Ginkgo eine Rückbildung
der Gesichtsfelddefekte bei Patienten mit NDG erzielt [82].
Da das Gesichtsfeld in den Anfangsstufen einer glaukomatösen Erkrankung betroffen
ist, sind Gesichtsfelder der wichtigste Parameter um glaukomatösen Schaden zu
bemessen.
Die Verfasser der Studie beurteilten den Effekt des Ginkgo-Extraktes (GBE) auf einen
gegebenen Gesichtsfelddefekt bei Patienten mit Normaldruckglaukom (NDG) mithilfe
eines prospektiven, randomisierten (stichprobenartig ausgewählten), placebo-kontrollierten, doppelblinden Crossover-Versuchs. Siebenundzwanzig Patienten mit beidseitigem Gesichtsfelddefekt infolge von NDG nahmen teil. Die eine Patientengruppe erhielt
40 mg GBE, oral verabreicht, drei Mal täglich für 4 Wochen, gefolgt von einer WashoutPhase von 8 Wochen, anschließend 4 Wochen Placebo-Behandlung. Die andere
Patientengruppe durchlief das gleiche Prozedere, nahm jedoch erst das Placebo und
zuletzt den GBE. Gesichtsfelduntersuchungen wurden vor Behandlungsbeginn und am
Ende jeder Phase der Studie nach Änderungen ausgewertet. Änderungen im
Gesichtsfeld und jegliche okuläre oder systemische Komplikationen waren die wichtigsten Ergebnisse. Nach GBE-Behandlung wurde eine erhebliche Verbesserung der
Gesichtsfeld-Indexe vermerkt. Es wurden weder okuläre noch systemische Nebeneffekte für die Dauer des Versuchs beobachtet. Aus dieser Studie kann geschlossen
werden, dass die Verabreichung des Ginkgo-Extraktes einen vorhandenen Gesichtfelddefekt bei einigen Patienten mit NDG verbessert (Abb. 4).
Neben erhöhtem IOP sind gestörte Mikrozirkulation und oxidativer Stress bei der
Krankheitsentstehung von Glaukom beteiligt. Es wurde eindeutig gezeigt, dass Ginkgo
die Mikrozirkulation und die antioxidative Fähigkeit verbessert. Hinzu kommt, dass der
größte Schaden bei Glaukom in den Mitochondrien vorkommt und Ginkgo zweifellos
einen stabilisierenden Effekt auf die Mitochondrien hat. Papillenrandblutungen kommen
oft bei Glaukom-Patienten vor und werden mit schlechter Prognose verbunden. Durch
die Extrapolation der aus dem Gehirn gewonnenen Daten kann angenommen werden,
dass Ginkgo auch einen begünstigenden Effekt bei Papillenrandblutungen hat. Vorklinische Daten haben den protektiven Effekt des Ginkgos auf die retinalen Ganglienzellen
bei glaukomatösen Versuchstieren gezeigt. Ferner wurde der potentiell begünstigende
Wert von Ginkgo in einer klinischen Doppelblindstudie beschrieben, bei der Ginkgo
sogar eine gewisse Verbesserung des glaukomatösen Gesichtsfelddefektes bewirkt hat.
Mit Ausnahme einer einzigen Studie, in der die hämodynamischen Parameter nach
einer einzigen Verabreichung von Ginkgo untersucht wurden, offenbarte keine andere
Studie negative Ergebnisse.
16
Abb. 4: Verbesserung des bereits vorhandenen Gesichtsfelddefektes bei Patienten mit Normaldruckglaukom nach
der Behandlung mit GBE. Die Patienten sind nach zwei
Gruppen unterteilt, je nach Behandlungsabschnitten.
Gruppe A: Behandlungsabfolge: GBE – Washout – Placebo. Gruppe B: Behandlungsabfolge: Placebo – Washout
– GBE. GBE=Ginkgo biloba. Abgebildet mit Erlaubnis von
Quaranta et al. [82].
Sicherheit
Nebenwirkungen bei der Glaukom-Behandlung: Laut veröffentlichten Studien und
Berichten erscheint die Verwendung von Ginkgo sicher und verträglich. Birks und
Grimley gaben in ihrer Metaanalyse an, dass es keine Unterschiede zwischen Ginkgo
und Placebo im Verhältnis der Beteiligten gab, die einen unerwünschten Zwischenfall
erfuhren. In den Studien, die für diese Metaanalyse ausgesucht wurden, wurde die
Ginkgo-Behandlung bis zu sechs Monaten durchgeführt. Diese Daten sind bestätigt
worden als standardisierter Ginkgo in normalen Dosen in klinischen Studien verwendet
wurde, die von eins bis zu sechs Jahren dauerten [83-85].
In seltenen Fällen wurde von schwachen gastrointestinalen Beschwerden, Kopfschmerzen und allergischen Hautreaktionen berichtet [86]. Es gibt einige veröffentlichte Kasuistiken, die Ginkgo mit Episoden von leichten bis schweren Blutungen verbinden.
Jedoch stellen nicht alle Kasuistiken Ginkgo eindeutig als die Ursache der Blutungen
fest. In den meisten Fällen gab es andere Risikofaktoren für Blutungen wie die Einnahme anderer Medikamente, hohes Alter, Leberzirrhose oder eine kürzlich erfolgte
Operation. Die Blutungen traten mehrere Wochen oder Monate nach der Einnahme von
Ginkgo auf [87].
Um den Effekt des Ginkgo-Extraktes auf die Gerinnungsparameter zu bestimmen, werteten Kohler et al. [88] in einer Crossover-Studie mit fünfzig gesunden Freiwilligen den
Effekt auf Blutungszeit, Gerinnungsparameter oder Thrombozyten-Aktivierung aus und
fanden keinen Effekt. Eine andere placebo-kontrollierte Studie bewertete die Effekte
von Ginkgo auf die Homöostase (Gleichgewicht der Körperfunktionen/ Konstanterhaltung), Gerinnung und Fibrinolyse bei einer Verabreichung des Ginkgo-Extraktes für
zwei Wochen. Diese Studie offenbarte keine Änderung der Thrombozytenfunktion oder
17
der Gerinnung [89]. Außerdem zeigten großangelegte klinische Studien, die standardisierte Ginkgoblätter-Extrakte bei älteren Patienten untersuchten, dass das Vorkommen
einer Blutung bei Patienten, die Ginkgo nehmen, nicht erheblich höher ist als bei denen,
die ein Placebo nehmen [90,91].
Mögliche Wechselwirkungen während der Ginkgo-Behandlung: Das Risiko einer spontanen Blutung kann erhöht sein, wenn der Ginkgo-Extrakt mit nichtsteroidalen
Antirheumatika (NSAIDs) und Antikoagulantien wie Herapin oder Warfarin kombiniert
wird [92]. In einer neueren randomisierten, placebo-kontrollierten klinischen Doppelblindstudie ist der Effekt einer Co-Medikation mit Acetylsalicylsäure (ASA) und GinkgoExtrakt auf Thrombozytenaggregation, Blutungszeit und Gerinnungsparameter untersucht worden [93]. ASA und die Kombination von ASA und Ginkgo übten ähnliche
Effekte auf alle gemessenen Gerinnungsparameter aus, einschließlich Blutungszeit und
PAF induzierter Thrombozytenaggregation. Beide Behandlungen waren gut verträglich,
und sowohl Anzahl als auch Natur der Nebenwirkungen waren in den zwei Gruppen
ähnlich. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass eine Co-Verabreichung von ASA und
Ginkgo kein Sicherheitsrisiko darstellt. Laut Verfassern gilt dieses Ergebnis auch für ein
älteres Patientenkollektiv, das sich einer Ginkgo-Behandlung unterzieht.
Die mögliche Interaktion eines standardisierten Ginkgo-Extraktes mit Warfarin wurde in
einer placebo-kontrollierten Crossover-Studie getestet, bei der 24 Patienten mit Langzeit-Warfarin-Behandlung beteiligt waren [94]. Nach der Verabreichung von Ginkgo
musste die durchschnittliche Dosis Warfarin um das Zielband an INR von 2.0-4.0 zu
erhalten während beider Behandlungszeiträume nicht verändert werden. Ein pharmakokinetisch-pharmakodynamischer Modellversuch führte zu ähnlichen Ergebnissen im
Hinblick auf die Möglichkeit einer Interaktion während einer Co-Medikation mit Ginkgo
und Warfarin [95].
Kurz gefasst, obwohl es Berichte über individuelle Fälle von Blutungen gibt (deren
direkter Zusammenhang mit Ginkgo nicht festgestellt werden konnte und welche hauptsächlich bei Risikopatienten vorkamen), scheint der Dauergebrauch von Ginkgo überwiegend sicher zu sein und ohne überzählige Nebenwirkungen im Vergleich zu
Placebo.
FAZIT
Die klassische Behandlung von Glaukom ist und bleibt die IOP-Reduktion. Jedoch
schreitet die glaukomatöse Erkrankung bei Normaldruckglaukom trotz einem normalen
oder normalisierten IOP fort. Da die pharmakologischen Eigenschaften von Ginkgo insbesondere auf die Faktoren zielen, die bei der glaukomatösen Erkrankung beteiligt sind
(gestörte okuläre Mikrozirkulation, oxidativer Stress, Beeinträchtigung der mitochondrialen Funktion der retinalen Ganglienzellen), kann angenommen werden, dass Ginkgo
theoretisch begünstigend bei Glaukom sein kann.
Einige Verfasser fanden keinen Zusammenhang zwischen der Verwendung des
Ginkgo-Extraktes und Glaukom oder vermerkten, dass wenig darüber bekannt ist, ob
18
die Langzeiteinwirkung einer Medikation einen Effekt auf die Augendurchblutung hat.
Dennoch zeigen die Daten, die auf a) den pharmakologischen Eigenschaften von
Ginkgo, b) in-vitro-Studien, c) Tierversuchen und d) klinischen Studien basieren, einen
zunehmenden Nachweis für den begünstigenden Effekt von Ginkgo bei den oben
genannten Leiden.
Ginkgo wäre wahrscheinlich für alle Glaukom-Patienten vorteilhaft. Jedoch kann die
Verwendung von Ginkgo nur für Normaldruckglaukom-Patienten und für Patienten mit
progressivem Hochdruckglaukom trotz normalisiertem IOP als eine ergänzende Therapie empfohlen werden. Eine solche Eingrenzung ist ökonomisch sinnvoll und medizinisch möglich, da es für diese beiden Krankheitsformen bisher keine anderen therapeutischen Alternativen gibt (neben der IOP-senkenden Behandlung).
Basierend auf den derzeitigen Erkenntnissen und dem positiven Sicherheitsprofil des
standardisierten Ginkgo-Extraktes kann daher die Anwendung einer Ginkgo-Behandlung in den Fällen in Betracht bezogen werden, bei denen Glaukom trotz normalem
oder normalisiertem IOP fortschreitet.
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