Untersuchungen mit dem RICH Detektor am COMPASS Experiment

Werbung
Bachelorarbeit
Untersuchungen mit dem RICH
Detektor am COMPASS
Experiment
vorgelegt von
Mirko Zimmermann
Freiburg im Breisgau
Bearbeitungszeitraum
06.05. bis 05.08.2015
Thema und Betreuung
Prof. Dr. Horst Fischer
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Fakultät für Mathematik und Physik
Physikalisches Institut
2015
Erklärung
Hiermit versichere ich, die eingereichte Bachelorarbeit selbständig verfasst und keine
anderen als die von mir angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt zu haben.
Wörtlich oder inhaltlich verwendete Quellen wurden entsprechend den anerkannten
Regeln wissenschaftlichen Arbeitens (lege artis) zitiert. Ich erkläre weiterhin, dass
die vorliegende Arbeit noch nicht anderweitig als Bachelorarbeit eingereicht wurde.
Ort, Datum ...............................
Unterschrift ................................
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1
2 Theoretische Grundlagen
3
2.1
2.2
Aufbau des Nukleons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2.1.1
Quark-Parton-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2.1.2
Spinzusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Tiefinelastische Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2.2.1
Kinematische Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.2.2
Inklusiver Wirkungsquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
2.2.3
Parton-Verteilungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2.2.4
Generalisierte Partonverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
2.2.5
Zusammenhang zwischen GPD und PDF . . . . . . . . . . . . 10
2.2.6
Jis Summenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.2.7
DVCS und HEMP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
3 Aufbau des COMPASS Experiments
13
3.1
Der Myonenstrahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
3.2
Das flüssige Wasserstoff-Target . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
3.3
Die Spektrometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
3.4
Die Spurdetektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3.5
Die Trigger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3.6
Die Rekonstruktion der Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.7
Der RICH-Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.7.1
Tscherenkow-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.7.2
Aufbau des RICH-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.7.3
3.7.2.1
Multi-wire proportional chamber . . . . . . . . . . . 20
3.7.2.2
Multianode photomultiplier tube . . . . . . . . . . . 20
Teilchenidentifikation mit “extended Likelihood“-Methode . . . 23
4 Datenanalyse
4.1
Daten und Schnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
4.1.1
4.2
4.3
25
Schnitte auf ρ0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Vergleich von Myonen und Pionen im RICH . . . . . . . . . . . . . . 30
4.2.1
Schnitte auf Likelihood-Werte des RICH-Detektors . . . . . . 31
4.2.2
Betrachtung der auslaufenden Myonen nach PHAST . . . . . 34
Trennung von ungestreuten und gestreuten Myonen . . . . . . . . . . 36
4.3.1
Vergleich von Strahlzeit und RICH-Zeit . . . . . . . . . . . . . 37
4.3.2
Auswirkung eines Schnitts auf die aus diesen Zeiten extrahierte Zeit tdif f für Emiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
4.3.3
Untersuchung der vom Schnitt betroffenen Ereignisse auf Häufungen in Spills . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
5 Zusammenfassung
45
Bibliography
49
Abbildungsverzeichnis
2.1
Skizze einer tief-inelastischen Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
2.2
Skizze eines exklusiven Prozesses mit GPD . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.3
Tabelle der GPDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.4
Integrierte Wirkungsquerschnitte verschiedener Mesonenproduktionen 12
3.1
M2 Strahl-Strecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
3.2
COMPASS Spektrometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3.3
Schematische Anordnung der relevanten Triggerkomponenten . . . . . 17
3.4
Skizze: Prinzip der Triggerlogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.5
Skizze Tscherenkow-Winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3.6
COMPASS RICH-1: Prinzip und “artistic view“ . . . . . . . . . . . . 21
3.7
Ein typisches Ereignis im RICH-1: MWPC . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.8
Querschnitt einer “photomultiplier“ Röhre . . . . . . . . . . . . . . . 22
3.9
Likelihood-θ unter κ-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
4.1
Schnitt auf y im y-Histogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
4.2
Schnitt auf Q im Q-Histogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
4.3
Fehlende Energie nach verschiedenen Schnitten . . . . . . . . . . . . . 29
4.4
Impulsverteilung des auslaufenden Myons . . . . . . . . . . . . . . . . 29
4.5
θ-Impuls-Histogramm: θ ist der Tscherenkow-Winkel . . . . . . . . . 30
4.6
Verteilung des Tscherenkow-Winkels von µP HAST . . . . . . . . . . . 31
4.7
LH-Verhältnis für Pionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
4.8
LH-Wert-Verhältnis für Pionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
4.9
LH-Wert-Verhältnis für Pionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
4.10 Identifikation des auslaufenden Myons mit dem Rich nach Kriterium
aus Gleichung 4.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
4
Abbildungsverzeichnis
4.11 Betrachtung des auslaufenden Myons im RICH in Abhängigkeit des
Streuwinkels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
4.12 RICH-Zeit Strahlzeit Histogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
4.13 Beispiel für Gaußanpassung an RICH-Zeit eines Intervalls . . . . . . . 38
4.14 Verteilung von tBeam , tRICH und tdif f . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
4.15 Fehlende Energie unter Pionhypothese mit Schnitt auf die extrapolierte Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
4.16 Verteilung der Anzahl von Ereignissen in einzelnen Spills nach Schnitt
aus Tabelle 4.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4.17 Verteilung der Anzahl von Ereignissen, die durch den Schnitt aus
Abschnitt 4.3.1 entfernt wurden, in einzelnen Spills: Vergleich Experiment Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
4.18 Vergleich der Häufungen der Ereignisse für positive Strahlmyonen:
Experiment und Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
1. Einleitung
Materie an sich ist ein fundamentaler Bestandteil unserer Welt. Ihre Beschaffenheit
hat wesentlichen Einfluss auf unser Leben. Deshalb ist die Beschreibung von Materie
von essenzieller Bedeutung. Hier muss es der Anspruch der Forschung sein, Materie
nicht ausschließlich als Festkörper zu betrachten, sondern auch herauszufinden wie
Materie auf kleinster Ebene aufgebaut ist.
Erste Durchbrüche auf diesem Gebiet gelangen in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Durch die Entdeckung des Elektrons1 und des Atomkerns2 , bestehend aus
Protonen und Neutronen3 , war es möglich, den Aufbau der Materie auf atomarer
Ebene zu erklären.
In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gelang es dann die Struktur
der Materie weiter aufzulösen. 1964 postulierten Gell-Mann und Zweig unabhängig
voneinander den Aufbau von Hadronen aus bis zu drei ‘Quarks‘. Streuexperimente
bestätigten Ende der 60er den Aufbau von Hadronen aus Partonen. Diese Partonen
konnten schließlich mit den postulierten Quarks und Gluonen identifiziert werden.
Dabei sind die Gluonen die Austauschteilchen der starken Wechselwirkung, welcher
die Quarks unterworfen sind. Die Quarks selbst wurden in sogenannte Valenzquarks
und Seequarks unterteilt. Im Nukleon existieren drei Valenzquarks, welche die Eigenschaften des Nukleons charakterisieren. Die zusätzlichen Seequarks treten als Paar
aus Quark und Antiquark auf und tragen deshalb nicht zu den Quantenzahlen bei.
Ein wichtiger Parameter zur Beschreibung von Teilchen wurde von Pauli eingeführt:
der ‘Spin‘. Dieser wird als Quantenzahl verwendet und ermöglichte die Erklärung
des anomalen Zeeman-Effekts. Interpretiert wird er als intrinsischer Drehimpuls des
Teilchens.
Ende der 80er wurde im EMC4 -Experiment am CERN5 gezeigt, dass sich der Nukleonspin nicht wie damals erwartet hauptsächlich aus den drei Valenzquarks zusammensetzt. Eine Reihe darauffolgender anderer Experimente konnte verifizieren,
1
Thompson 1897
Rutherford 1911
3
Chadwick 1932
4
European Muon Collaboration
5
Conseil Européen de la Recherche Nucleaire
2
2
1. Einleitung
dass der Beitrag der Quarks und Antiquarks zum Protonenspin tatsächlich nur etwa
30 % beträgt. Dieser Bruch von Erwartung und Experiment wurde mit dem Begriff
‘Spinkrise‘ betitelt[1].
Die Präzissionsmessungen des COMPASS6 -Experiments haben in den letzten Jahren gezeigt, dass die Polarisation der Gluonen mit ' 10 % ebenfalls kleiner ist als zu
Beginn erwartet[2]. Als letzte unbekannte Komponente verbleiben die Beiträge der
Bahndrehimpulse der Quarks und Gluonen.
Um diese zu erforschen, werden beim COMPASS-Experiment momentan Messungen an exklusiven Streuprozessen durchgeführt. Die theoretischen Grundlagen hierzu werden in Kapitel 2 beschrieben. Diese Prozesse bieten Zugang zu den Generalisierten Partonverteilungen, welche über eine von Xiangdong Ji aufgestellte
Summenregel[3] mit den Gesamtdrehimpulsen der Quarks und Gluonen verknüpft
werden können. Der Gesamtdrehimpuls setzt sich wiederum als Summe aus Bahndrehimpuls und Spin der jeweiligen Quarks bzw. Gluonen zusammen[4].
Das COMPASS-Experiment, welches in Kapitel 3 beschrieben wird, verwendet in
seinen Messungen einen RICH7 -Detektor RICH-1 zur Hadronenidentifikation. Ziel
dieser Arbeit ist es, die Möglichkeiten des RICH-1 zur Teilchenidentifikation über
die bisherige Nutzung hinaus zu testen. Insbesondere soll untersucht werden, wie er
sich zur Identifikation von Myonen eignet. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind
in Kapitel 5 zusammengefasst. Die Untersuchung selbst ist in Kapitel 4 zu finden.
6
7
COmmon Muon and Proton Apparatus for Structure and Spectroskopy
Ring-Imaging-CHerenkov-(Detektor)
2. Theoretische Grundlagen
2.1
2.1.1
Aufbau des Nukleons
Quark-Parton-Modell
Das Quark-Parton-Modell liefert eine anschauliche Beschreibung des Aufbaus der
Nukleonen[5]. Es beschreibt das Nukleon als aus punktförmigen Teilchen, den Quarks,
zusammengesetzt. Diese Quarks tragen Ladungen mit einem Betrag1 von 13 oder 23
und besitzen einen Spin von 12 . Im Nukleon unterscheidet man zwischen Valenzquarks und Seequarks. Unter Valenzquarks versteht man die Quarks, welche die
Quantenzahlen des Nukleons ausmachen. Im Nukleon existieren drei davon. Neben
diesen Valenzquarks existieren im Nukleon noch virtuelle Quark-Anitquark-Paare.
Diese werden Seequarks genannt. Die Seequarks tragen nicht zur Quantenzahl des
Nukleons bei, da ihre Quantenzahlen im Mittel verschwinden.
Insgesamt existieren sechs verschiedene Typen von Quarks, die man als ‘Flavour‘ bezeichnet. Diese werden u(up), d(down), s(strange), c(charm), b(bottom) und t(top)
genannt und unterscheiden sich in ihren Ladungszahlen und Massen. Zu jedem Quark
besteht ein Antiquark mit genau entgegengesetzten Quantenzahlen.
Die Valenzquarks des Protons sind zwei up- und ein down-Quark. Die Quarks c, b
und t sind so schwer, dass sie im Nukleon eine untergeordnete Rolle spielen. Die
virtuellen strange-Quarks des Protons tragen dagegen wesentlich zum Protonenspin
bei.
Die Wechselwirkung, welche die Quarks eines Nukleons zusammenhält, wird als starke Wechselwirkung bezeichnet. Die Austauschteilchen dieser Wechselwirkung sind
die Gluonen. Diese sind elektrisch neutral und besitzen den Spin 1.
2.1.2
Spinzusammensetzung
Die Gesamtdrehimpulse der Quarks Jq und Gluonen Jg setzen sich zum Gesamtspin
des Nukleons zusammen. Dieser ist 12 . Nach [4] kann man schreiben:
1
1
= Jq + Jg = 4Σ + 4G + Lq + Lg
2
2
1
Im folgenden Theorieteil sind ~ und c mit 1 gleichgesetzt.
(2.1)
4
2. Theoretische Grundlagen
wobei die Gesamtdrehimpulse noch einmal in die Spinbeiträge 4Σ und 4G und die
Bahndrehimpulse Lq und Lg aufgespalten werden. Jeweils 4Σ und Lq für Quarks
und 4G und Lg für Gluonen.
Die Beiträge von 4Σ und k4Gk zum Gesamtspin des Nukleons sind bereits durch
Experimente am BNL2 , CERN3 , DESY4 und SLAC5 erforscht. Das COMPASSExperiment untersucht die noch unbekannten Beiträge der Bahndrehimpulse Lq und
Lg .
2.2
Tiefinelastische Streuung
Die Tiefinelastischen Lepton-Nukleon Streuung ermöglicht es, Zugang zur inneren
Struktur der Nukleonen zu bekommen. Hier wird ein Lepton an einem Nukleon unter
Austausch eines virtuellen Photons gestreut. Eine Skizze des Vorgangs zeigt Abbildung 2.1. Das einfallende Lepton besitzt einen Viererimpuls k. Nach dem Streuvorgang hat das auslaufende Lepton den Viererimpuls k 0 . Das Nukleon mit der Masse
M besitzt den Viererimpuls p. Der Viererimpulsübertrag, also der Viererimpuls des
virtuellen Photons, ist q. Die “invariante Masse“ dieses Photons q 2 ist negativ. Sie
definiert die Virtualität Q2 = −q 2 . Eine tiefinelastische Streuung hat eine Virtualität
von 1 GeV oder höher. Bei ihr kann ein Quark aus dem Nukleon heraus geschlagen
werden. Sowohl das herausgeschlagene Quark, als auch der Rest des Nukleons hadronisieren danach in ein oder mehrere Hadronen.
Die Messung eines solchen Prozesses, bei dem alle auslaufenden Teilchen detektiert
werden, wird als exklusiv bezeichnet. Wenn nur das auslaufende Lepton detektiert
wird, wird sie als inklusiv bezeichnet. Eine semi-inklusive Messung bezeichnet eine
Messung, bei denen zusätzlich zum Lepton mindestens ein Hadron detektiert wird.
2
Brookhaven National Laboratory
Conseil Européen de la Recherche Nucleaire
4
Deutsches Elektronen-Synchrotron
5
Stanford Linear Accelerator Center
3
2.2. Tiefinelastische Streuung
5
Abbildung 2.1: Vereinfachte Skizze einer tief-inelastischen Streuung. Ein Lepton l
mit Viererimpuls k streut, unter Austausch eines virtuellen Photons γ ∗ mit Viererimpuls q, an einem Nukleon N mit Viererimpuls p und Masse M . Die ausgehenden
Teilchen im Endzustand sind das gestreute Lepton l0 und mehrere Hadronen h. Das
Bild stammt abgeändert aus [6].
6
2. Theoretische Grundlagen
2.2.1
Kinematische Größen
Ein Streuprozess wird durch mehrere Lorentzinvariante Größen beschrieben[5].
• Virtualität Q2 :
Q2 = −q 2
• Schwerpunktenergie s:
s = (p + k)2
• Energieverlust des Leptons:
ν=
pq
M
Laborsystem: ν = E − E 0
• Die invariante Masse des Systems aus Photon und Nukleon, bzw. die invariante
Masse der ausgehenden Hadronen:
W 2 = (p + q)2
• Das Bjorken xBj , welches die Inelastizität auf der Bjorken-Skala angibt:
xB =
Q2
Q2
=
2pq
2M ν
• Der Anteil der Energie des virtuellen Photons an der Gesamtenergie:
y=
pq
pk
Laborsystem: y =
E − E0
E
Da die invariante Masse des Systems kleiner ist als die Masse des Nukleons, gilt
W 2 ≥M 2 = p2 . Daraus folgt:
W 2 − M 2 = (p + q)2 − M 2 = 2M ν − Q2 ≥ 0
(2.2)
Wobei Gleichheit genau für die elastische Streuung gilt. Zusammen mit Q2 , M und
ν größer 0 folgt für xBj daraus:
0 < xBj < 1
2.2.2
(2.3)
Inklusiver Wirkungsquerschnitt
Der differentielle Wirkungsquerschnitt der inklusiven tiefinelastischen Lepton-NukleonStreuung lautet [7]:
2
d2 σ
αem
E0
=
Lµν W µν
(2.4)
dΩdE 0
Q4 E
wobei αem die Kopplungskonstante der elektromagnetischen Wechselwirkung ist. E
und E 0 sind die Energien des einlaufenden bzw. auslaufenden Leptons. Ω der Raumwinkel zwischen den Impulsen des einlaufenden und auslaufenden Leptons.
Der Faktor Lµν wird als leptonischer Tensor bezeichnet. Er beschreibt die Streuung
2.2. Tiefinelastische Streuung
7
des virtuellen Photons am Quark und kann im Rahmen der pertubativen QuantenElektro-Dynamik (QED) berechnet werden. Der hadronische Tensor W µν berücksichtigt die Struktur des Nukleons und wird durch die vier Strukturfunktionen F1 ,
F2 , g1 und g2 parametrisiert [8]. Diese hängen wiederum von Q2 und xBj (Abschnitt
2.2.1) ab.
Das Produkt beider Tensoren lässt sich nun weiter in einen spinabhängigen und
einen spinunabhängigen Teil aufspalten:
0
µν(S)
0
~
Lµν W µν = L(S)
(p, q) − L(A)
s)W µν(A) (p, q, S)
µν (k, k )W
µν (k, k , ~
(2.5)
wobei (A) den antisymmetrischen spinabhängigen Teil bezeichnet und (S) den sym~ der
metrischen spinunabhängigen Teil. Folglich ist ~s der Spin des Leptons und S
0
Spin des Nukleons. Die Variablen k, k , p und q werden analog verwendet wie in
Abbildung 2.1.
Weiterhin lässt sich W µν(S) durch die Strukturfunktionen F1 (xBj , Q2 ) und F2 (xBj , Q2 )
ausdrücken, während sich W µν(A) durch g1 (xBj , Q2 ) und g2 (xBj , Q2 ) ausdrücken
lässt.
2.2.3
Parton-Verteilungsfunktion
Im Rahmen der Kinematik des COMPASS-Experiments gilt:
Wenn Q2
und ν → ∞
:
xBj = konst.
(2.6)
Forderung 2.6 wird Bjorken-Limit genannt. Wenn dieses Limit gilt, kann das Nukleon als Strahl freier Punktteilchen betrachtet werden. Dies ist zulässig, da der
transversale Impuls der Partonen vernachlässigt werden kann, wenn er klein gegenüber dem Impuls des Nukleons ist. Im Bjorken-Limit wird die inelastische Streuung
an einem Nukleon als elastische Streuung an den Partonen interpretiert.
In diesem Fall sind die Strukturfunktionen aus Abschnitt 2.2.2 nicht mehr von der
Virtualität Q2 abhängig. Der hadronische Tensor W µν kann jetzt durch die sogenannten Parton-Verteilungsfunktionen PDF6 qf (xBj ) und 4qf (xBj ) parametrisiert
¯
werden. Wobei f hier die verschiedenen Quarkflavour[5] u,ū,d,d,s,s̄
(Abschnitt 2.1.1)
indiziert.
Unpolarisierte Parton-Verteilungsfunktion
Die unpolarisierten PDFs qf (xBj ) werden als Impulsverteilungsfunktion interpretiert. In einem Bezugssystem in dem das Nukleon einen unendlich großen Impuls
besitzt7 , kann das Bjorken xBj als der Anteil des Partonimpulses am Gesamtimpuls des Nukleons betrachtet werden. Somit gibt qf (xBj )dxBj die Wahrscheinlichkeit
an, ein Quark mit Flavour f in einem Impulsbruchteils-Intervall zwischen xBj und
(xBj + dxBj ) zu finden.
Die Strukturfunktionen F1 und F2 lassen sich durch die unpolarisierten PDFs darstellen:
1X 2
(2.7)
F1 (xBj ) =
e qf (xBj )
2 f f
6
Parton Distribution Function
“infinit momentum frame“
7
8
2. Theoretische Grundlagen
F2 (xBj ) = xBj
X
e2f qf (xBj )
(2.8)
f
wobei ef die elektrische Ladung des Quarks mit Flavour f ist.
Polarisierte Parton-Verteilungsfunktion
Die polarisierten PDFs 4qf (xBj ) beschreiben die Helizitätsverteilung der Quarks
im polarisierten Nukleon. Sie setzen sich aus qf⇒ (xBj ) und qf (xBj ) zusammen. Diese
geben die Wahrscheinlichkeit an, in einem Nukleon ein Quark mit Flavour f und
einem Impulsbruchteil xBj zu finden, wenn Quark und Nukleon dieselbe Helizität
(qf⇒ (xBj )) oder entgegengesetzte Helizität (qf (xBj )) besitzen. Zusammen ergeben
diese beiden wieder die unpolarisierte PDF:
qf (xBj ) = qf⇒ (xBj ) + qf (xBj )
Für 4qf (xBj ) gilt:
4qf (xBj ) = qf⇒ (xBj ) − qf (xBj )
(2.9)
Außerdem besteht ein Zusammenhang zwischen 4qf (xBj ) und dem Spinbeitrag der
Quarks 4Σ aus Gleichung 2.1:
X
4Σ =
4qf
(2.10)
f
wobei 4qf hier die Integration von 4qf (xBj ) über xBj ist.
Analog zu Gleichung 2.7 lässt sich auch g1 (xBj ) durch die polarisierte Partonverteilung ausdrücken.
1X 2
e 4qf (xBj )
(2.11)
g1 (xBj ) =
2 f f
Die Strukturfunktion g2 hat im Quark-Parton-Modell keine anschauliche Bedeutung.
2.2.4
Generalisierte Partonverteilung
Die Generalisierten Partonverteilungen GPDs8 [9] besitzen einen zusätzlichen Freiheitsgrad. Dieser bezieht den Drehimpuls der Partonen mit ein. Sie beschreiben bei
einem exklusiven Prozess den weichen hadronischen Sub-Prozess, ähnlich wie der
hadronische Tensor9 W µν bei einem inklusiven Prozess.
Die GPDs sind von den kinematischen Variablen x, ξ und t abhängig. Von diesen
parametrisieren x und ξ den longitudinalen Teil des Nukleonimpulses, welcher vom
Parton getragen wird. Die sogenannte “Skewness“10 ξ beschreibt den logitudinalen
Impulsübertrag auf das Quark. Die Mandelstam-Variable t berücksichtigt einen mög8
Generalized Parton Distributions
siehe Gleichung 2.4
10
engl. Schiefe
9
2.2. Tiefinelastische Streuung
9
lichen transversalen Impulsübertrag. Die Variablen ξ und t sind definiert über [10]:
(x + ξ)p =
x+ξ
1+ξ
(x − ξ)p =
x−ξ
1−ξ
t = (p − p0 )2 = −42
(2.12)
(2.13)
wobei p und p0 die Viererimpulse des ein und auslaufenden Nukleons sind.
Nach [11] lässt sich ξ durch xBj ausdrücken:
ξ = xBj
1+
4
2Q2
2
2 − xBj + xBj 4
Q2
(2.14)
Abbildung 2.2 zeigt einen exklusiven Prozess. Hier absorbiert ein Quark mit dem
longitudinalen Impulsbruchteil x + ξ ein virtuelles Photon und emittiert ein reelles.
Dabei reduziert sich der longitudinale Impulsbruchteil des Quarks auf x − ξ. Das
Nukleon bleibt erhalten. Die GPDs beschreiben hierbei die Korrelation zwischen den
Quarkzuständen vor und nach der Streuung für feste Werte t und Q2 .
Zusätzlich wird in diesem Bild auch die für eine tiefinelastischen Streuung typische
Aufteilung in einen harten leptonischen und einen weichen hadronischen Sub-Prozess
verdeutlicht.
Abbildung 2.2: Vereinfachte Skizze eines exklusiven Prozesses. Ein Lepton streut
unter Austausch eines virtuellen Photons γ ∗ an einem Nukleon. Dabei entsteht ein
reelles Photon γ. Das Nukleon bleibt erhalten. Der Prozess wird in einen harten
leptonischen und einen weichen hadronischen Sub-Prozess faktorisiert. Der weiche
hadronische Sub-Prozess kann durch die GPDs beschrieben werden. Die Variablen
x, ξ und t sind die relevanten kinematischen Variablen.
Die GPDs selbst werden in H f (x, ξ, t), H̃ f (x, ξ, t), E f (x, ξ, t) und Ẽ f (x, ξ, t) unterteilt. Sie werden in Abbildung 2.3 mit ihrer Bedeutung graphisch dargestellt. Die
GPDs H f (x, ξ, t) und H̃ f (x, ξ, t) beschreiben Prozesse, bei denen die Helizität des
Nukleons erhalten bleibt. Prozesse, bei denen sich die Helizität des Nukleons um-
10
2. Theoretische Grundlagen
kehrt, werden durch E f (x, ξ, t) und Ẽ f (x, ξ, t) beschrieben. Die Tilde bezeichnet die
Verteilungen, bei denen das Nukleon polarisiert ist. Bei den Verteilungen ohne Tilde
ist das Nukleon nicht polarisiert. Der Index f gibt das jeweilige Quarkflavour an.
Abbildung 2.3: Tabelle der GPDS [12].
2.2.5
Zusammenhang zwischen GPD und PDF
Obwohl das Nukleon bei einer exklusiven tiefinelastischen Streuung intakt bleibt,
kann es sich im Anfangszustand und Endzustand in Impuls und Helizität unterscheiden. Die GPDs lassen sich im Grenzfall des sogenannten “Vorwärtslimit“ auf
die PDFs zurückführen. Er tritt ein, wenn:
t=0
und
ξ=0
(2.15)
gilt, also Viererimpuls und Helizität im Anfangs- und Endzustand gleich sind. In
diesem Fall vereinfachen sich H(x, ξ, t) und H̃(x, ξ, t) zu:
(
q f (x)
x>0
[H f (x, 0, 0) =
]
(2.16)
− q̄ f (−x) x < 0
und
(
[H̃ f (x, 0, 0) =
4q f (x)
x>0
]
f
− 4q̄ (−x) x < 0
(2.17)
wobei der Balken jeweils die Impulsverteilungs-PDF der Antiquarks bezeichnet. Auf
diese Weise sind sie mit den PDFs aus Abschnitt 2.2.3 verknüpft. Die GPDs E(x, ξ, t)
und Ẽ(x, ξ, t) können im “Vorwärtslimit“ nicht bestimmt werden, da die Änderung
der Protonenhelizität eine Änderung des Drehimpulses voraussetzt.
2.2. Tiefinelastische Streuung
2.2.6
11
Jis Summenregel
Wie schon in Abschnitt 2.1 erwähnt, ist ein Ziel des COMPASS-Experiments den
Beitrag der Bahndrehimpulse am Nukleonenspin zu erforschen. Hierzu können die
GPDs verwendet werden, da sie mit dem Gesamtdrehimpuls der Quarks verknüpft
sind. Dieser ist nach Xiangdong Ji[3]:
Z
1 +1
f
J = lim
dx x(H f (x, ξ) + E f (x, ξ))
(2.18)
t→0 2 −1
Um diese Summenregel ausnutzen zu können, müssen die GPDs jedoch für t → 0
genau bestimmt werden. Dies ist mithilfe der Tief-Virtuellen Compton Streuung
oder der harten exklusiven Mesonproduktion möglich.
2.2.7
DVCS und HEMP
Tief-virtuellen Compton Streuung
Unter der Tief-Virtuellen Compton Streuung DVCS11 versteht man eine exklusive
tiefinelastische Streuung, bei der ein reelles Photon emmitiert wird. Der Prozess lässt
sich beschreiben durch:
l + N →l0 + N 0 + γ
(2.19)
Abbildung 2.2 ist ein solcher Prozess.
Harte exklusive Mesonproduktion
Die harte exklusive Mesonproduktion HEMP12 läuft ähnlich ab wie die DVCS, nur
dass hier statt eines reellen Photons ein Meson erzeugt wird. Dies ist möglich, da
das Parton nach der Wechselwirkung mit dem Photon ein Gluon abstrahlt. Dieses
zerfällt in ein Quark-Antiquark-Paar, von dem das Quark mit einem Impulsbruchteil
von x−ξ im Nukleon verbleibt. Das Antiquark bildet zusammen mit dem gestreuten
Quark das erzeugte Meson.
Da der Wirkungsquerschnitt für die Produktion von ρ0 bei diesem Prozess am höchsten ist (siehe Abbildung 2.4), können hier besonders Prozesse, bei denen ρ0 entstehen
betrachtet werden. Die so produzierten ρ0 zerfallen jedoch mit einer mittleren Lebensdauer von 4.5 · 10−15 ns in zwei Pionen π + und π − . Diese können im COMPASSExperiment nachgewiesen werden.
11
12
Deep Virtual Compton Scattering
Hard Exclusive Meson Production
12
2. Theoretische Grundlagen
Abbildung 2.4: Die integrierten Wirkungsquerschnitte der Mesonenproduktion bei
W = 10 GeV gegen verschiedene Virtualitäten. Für ρ0 (rot), ω (schwarz), ρ+ (blau)
und K ∗0 (grün). Bild aus [13].
3. Aufbau des COMPASS
Experiments
Das COMPASS1 -Experiment am CERN dient, wie der Name schon sagt, der Erforschung der Spinstruktur und der Hadronenspektroskopie. Es handelt sich um ein
Experiment mit festem Target. Von 2002 bis 2012 wurden mehrere Messungen mit
verschiedenen Strahl- und Targeteinstellungen durchgeführt. 2010 wurde zusätzlich
COMPASS-II für die Zeit nach 2012 genehmigt. Dieses Projekt startete 2012 mit
der Messung der Polarisierbarkeit der Pionen und einem Testlauf der DVCS2 .
3.1
Der Myonenstrahl
Der Strahl im COMPASS-Experiment wird vom SPS3 -Beschleuniger geliefert[14][15].
Dieser liefert einen Protonenstrahl. In der M2-Strahl-Strecke wird der Protonenstrahl
in einen Myonenstrahl umgewandelt[16]. Diese ist in Abbildung 3.1 dargestellt.
Protonen mit einer Energie um die 400 GeV treffen hier auf das Produktions-Target
T6. Das T6-Target besteht aus (2-3) mm dicken luftgekühlten Beryllium-Platten,
welche auf einer Gesamtlänge von 50 cm angeordnet sind. Die Protonen produzieren
im T6 durch Stoßprozesse sekundäre Teilchen. Bei diesen handelt es sich hauptsächlich um Pionen mit einer Verunreinigung durch Kaonen von 3.6 %. Um bei Teilchen,
welche nahe dem Strahlzentrum erzeugt werden, für eine größere Akzeptanz zu sorgen, werden 6 Quadrupolmagneten verwendet. Auf diese folgen Dipolmagnete mit
welchen für eine Impulsselektion auf 172 GeV/c mit ±10 % Breite gesorgt wird. Dieser Strahl aus sekundären Teilchen wird mithilfe von 15 Quadrupolmagneten durch
einen 600 m langen Tunnel geführt. Dabei wird der Strahl periodisch fokussiert und
wieder defokussiert. Auf diesem Weg zerfallen 10 % der Pionen und Kaonen in ein
Myon und ein Neutrino. Diese Myonen werden mit den restlichen sekundären Teilchen weitergeführt. Am Ende des Tunnels wird der Strahl durch drei weitere Quadrupolmagneten auf einen aus Berylliumstangen bestehenden Hadronen-Absorber
1
COmmon Muon Proton Apparatus for Structure and Spectroscopy
Deep-Virtual-Compton-Scattering siehe Abschnitt 2.2.7
3
Super Proton Synchroton
2
14
3. Aufbau des COMPASS Experiments
der Länge 9.9 m fokussiert. Hier werden die Hadronen komplett gestoppt, während
die Myonen nur einen kleinen Energieverlust von (2-3) GeV durch Coulombstreuung
erleiden.
Wegen der Paritätsverletzung des Pionenzerfalls ist der Myonenstrahl natürlich polarisiert. Diese Polarisation hängt vom Verhältnis zwischen Pionen- und Myonenimpuls ab. In den in dieser Arbeit betrachteten Daten wurde ein Strahlimpuls der
Myonen von 160 GeV/c ausgewählt, dies entspricht einer Polarisation von (80±4) %.
Die Breite der Impulsverteilung am Ort des COMPASS-Target ist gaußförmig mit
einem Sigma von 6 GeV/c. Kurz vor Ende des M2 sind sechs Detektoren aus szintillierenden Fasern installiert. Diese bilden die BMS4 , welche zur Ort-Zeit-Messung und
damit der Spurrekonstruktion dient. Die Spurrekonstruktion wird dann in Kombination mit den Dipolmagneten der Strahlführung zur Impulsrekonstruktion verwendet.
Der Strahl wird nicht im Dauerstrich extrahiert, sondern besteht aus 9.6 s langen
Spills. Ein Extraktionszyklus entspricht einer bis zu 54 s langen SPS-Nutzung. Der
Myonenfluss beträgt durchschnittlich 3.5 · 108 Myonen pro Spill, wobei ursprünglich
durchschnittlich 1.2 · 1013 Protonen das T6 Target getroffen haben.
Abbildung 3.1: Die M2 Strahl-Strecke[16]
3.2
Das flüssige Wasserstoff-Target
COMPASS ist ein Experiment mit festem Target. Während dem DVCS Testlauf in
2012, welcher die Daten für diese Arbeit lieferte, wurde ein unpolarisiertes Target
aus flüssigem Wasserstoff verwendet [17]. Dieses Target ist 2.7 m lang und hat einen
Durchmesser von 40 mm. Es wird durch Vakuumkammern isoliert und auf einer
Temperatur von etwa 20 K gehalten. Der Wasserstoffaustausch erfolgt durch zwei
Rohre. Von unten fließt flüssiger Wasserstoff nach, während von oben der verdampfte
abgeführt wird.
3.3
Die Spektrometer
Im COMPASS werden zwei Spektrometerstufen verwendet, das LAS5 und das SAS6 [14].
Vor beiden Spektrometerstufen befindet sich ein elektromagnetisches Kalorimeter
ECAL0. Im LAS befindet sich ein Dipolmagnet (SM1), welcher die Teilchen in der
horizontalen Ebene, abhängig von ihrem Impuls, ablenkt. Durch mehrere Spurdetektoren wird dann die Spur bestimmt und aus ihr der Impuls berechnet. Hinter
dem SM1 befindet sich der RICH-1, auf den noch im Speziellen eingegangen wird.
4
Beam Momentum Station
Large Angle Spektrometer
6
Small Angel Spektrometer
5
3.3. Die Spektrometer
15
Ein hadronisches und elektromagnetisches Kalorimeter HCAL1 bzw. ECAL1 liegt
am Ende des LAS und dient zur Messung der Energie der Teilchen. Die Detektoren
des LAS haben Aussparungen in der Mitte, welche der Winkelakzeptanz des SAS
entsprechen.
Das SAS ist ähnlich aufgebaut wie das LAS. Es wird jedoch kein RICH-Detektor verwendet. Hier können Teilchen mit einem Winkel kleiner 30 mrad und einem Impuls
größer als 5 (GeV/c) gemessen werden. Das Feld des Dipolmagneten SM2 hat hier ein
Feldintegral von 4.4 Tm. Auch hier werden wieder Spurdetektoren verwendet, um
anschließend in Kombination mit dem Magnetfeld den Impuls zu rekonstruieren.
Zur Messung der Energie der Teilchen werden hier sowohl ein elektromagnetisches
(ECAL2), als auch ein hadronisches (HCAL2) Kalorimeter verwendet.
Um die Myonen zu identifizieren und deren Spuren besser bestimmen zu können,
werden sogenannte “Myonen Wände7“ (MW1 und MW2) in beiden Spektrometern
genutzt. Sie bestehen aus Absorbern, die massiv genug sind alle Hadronen aufgrund
der starken Wechselwirkung zu stoppen. Im Gegensatz dazu erleiden die Myonen
nur einen geringen Energieverlust. Deshalb sind sie die einzigen Teilchen, welche sowohl vor, als auch nach dem Absorber detektiert werden können. Die MW1 befindet
sich hinter dem LAS noch vor dem SM2. Sie besteht aus einem 60 cm dicken Eisenblock mit Driftkammern auf jeder Seite des Absorbers. Die Aussparung in der Mitte
der MW1 hat eine Breite von 1.4 m und eine Höhe von 0.9 m. Die MW2 steht am
Ende des SAS und nutzt einen 2.4 m langen Betonblock als Absorber. Die grössere
räumliche Ausdehnung ist notwendig, da Beton ein schlechterer Absorber als Eisen
ist. Die Ausdehnung spielt hier jedoch keine Rolle, da die MW2 das Spektrometer
abschließt.
7
engl: muon walls
16
3. Aufbau des COMPASS Experiments
Abbildung 3.2: Der Aufbau des COMPASS-II Spektrometers während dem 2012
DVCS Testlauf.
3.4
Die Spurdetektoren
Die Spurdetektoren des COMPASS-Experiments lassen sich in LAT8 , SAT9 und
VSAT10 einteilen.
Die VSAT decken die Umgebung sehr nahe am Strahl, also einen radialen Abstand
bis zu (2.5-3) cm ab. Die Rate beträgt hier um die 105 Teilchen
, deshalb benötigen die
s·mm2
VSAT eine hohe Zeit- oder Raumauflösung. Hier werden unter anderem szintillierende Fasern und Silizium-Mikrostreifen verwendet.
Die SAT decken die Region mit einem radialen Abstand von (2.5-20) cm zum Strahl
ab. Hier werden hauptsächlich mikrostrukturierte Gasdetektoren verwendet. Diese
auflösen.
Detektoren können Raten von 104 Teilchen
s·mm2
Die LAT müssen die äußeren Bereiche des Experiments und damit eine große Fläche abdecken. Dafür sind die Raten in diesem Gebiet im Vergleich zu den anderen
beiden Regionen gering. Verwendet werden hier Driftkammern, Driftröhrchen und
MWPCs11 . Um die Effizienz der Spurbestimmung zu erhöhen, besteht jede Station
aus mehreren Detektoren derselben Sorte. Diese werden außerdem in einer Ebene senkrecht zum Strahl gegeneinander verdreht, um eine höhere Auflösung sowohl
vertikal als auch horizontal zu erreichen[14].
8
Large Area Trackers
Small Area Trackers
10
Very Small Area Trackers
11
Multi-Wire Proportional Chamber: siehe 3.7.2.1
9
3.5. Die Trigger
3.5
17
Die Trigger
Wie in Abschnitt 3.1 erwähnt, erreicht der Strahl eine Rate von bis zu 4 · 108 Myonen pro Spill. Deshalb benötigt man im Experiment ein Kriterium, nach welchem
Daten gespeichert und verworfen werden. Diese Entscheidung sollte in weniger als
1 µs getroffen werden, da nur eine begrenzte Kapazität an Zwischenspeicher zur Verfügung steht. In der 2012 DVCS Messung waren 3 Triggersysteme mit 2 Methoden
aktiv[18]. Für jedes Triggersystem werden mindestens zwei Hodoskope verwendet,
von denen mindestens eines hinter einem Myonenfilter liegt. Dies liegt daran, dass
ein erfolgreiches Auslösen hauptsächlich mit der Identifikation des gestreuten Myons
zusammenhängt. Die Anordnung der Hodoskope ist in Abbildung 3.3 skizziert.
Immer zwei Hodoskope sind analog zu einer Koinzidenzmatrix verschaltet. Jedem
Myon das beide Hodoskope passiert, kann eine Zone dieser Koinzidenzmatrix zugeordnet werden. Der Trigger wird ausgelöst, wenn dies für die entsprechende Zone
der Koinzidenzmatrix hinterlegt ist. Das Prinzip, nach dem die Koinzidenzmatrix
den Trigger auslöst, unterscheidet sich für Hodoskopsysteme, die die vertikale Position des Myons messen (HO, HMH) und Hodoskopsysteme, welche die horizontale
Position des Myons messen (HMV, HL).
Abbildung 3.3: Schematische Anordnung der relevanten Triggerkomponenten. Die
Kalorimeter und das HI-Hodoskopsystem wurden 2012 in den DVCS-Messungen
nicht verwendet. [18]
Ereignisse mit großem Q2 > 0.5 (GeV/c)2 werden hauptsächlich durch den Nachweis
von gestreuten Myonen mit großen Streuwinkeln ausgelöst. Hier werden Hodoskope
verwendet, welche die vertikale Position der Myonen messen. Da die vertikale Achse
paralell zur Richtung des Magnetfelds liegt, werden die Myonen nicht durch dieses
abgelenkt. Diese Trigger arbeiten nach dem Prinzip des “Target-Pointing“. Dieses
basiert auf dem Prinzip, alle Myonen zu verwerfen, die nicht das Target passiert
haben. Der Trigger wird nun nur ausgelöst, wenn die Zone der Koinzidenzmatrix
einer möglichen Spur zum Target zugeordnet werden kann.
Bei Ereignissen mit kleinen Q2 wurden die Myonen nur wenig abgelenkt. Das oben
beschriebene Verfahren kann hier nicht verwendet werden. Hier werden gestreute
Myonen über ihren Energieverlust nachgewiesen. Deshalb werden Hodoskope verwendet, die die horizontale Position der Myonen messen. Auf der horizontalen Achse
werden die Myonen durch das Magnetfeld abgelenkt. Durch die Stärke dieser Ablenkung kann der relative Energieverlust gemessen werden. Die Koinzidenzmatrix
18
3. Aufbau des COMPASS Experiments
löst also in Zonen aus die einem Energieverlust zugeordnet werden. Ein Beispiel für
diesen Prozess zeigt Abbildung 3.4.
Abbildung 3.4: Hier ist das Prinzip der Triggerlogik skizziert. Zwei Hodoskope sind
analog zu einer Koinzidenzmatrix verschaltet. Jedem Teilchen, welches die beiden
Hodoskope durchquert, wird eine Zone in der Koinzidenzmatrix zugeordnet. Der
Trigger wird nun nur ausgelöst, wenn diese Zone einem erlaubten Energieverlust
zugeordnet ist. Als Beispiel wird hier das Rote gestreute Myon akzeptiert, während
das blaue ungestreute Myon verworfen wird. Die Skizze zeigt eine Positionsmessung
in der horizontalen Ebene. Die Grafik stammt aus [18] und wurde nachbearbeitet.
3.6
Die Rekonstruktion der Ereignisse
Während der Messung werden die Signale der Detektoren in Form von Rohdaten
gespeichert. Um mit diesen Daten bequem arbeiten zu können, werden sie nach der
Messung in handlichere DST12 -Daten umgewandelt. In diesen werden die Informationen als Vierervektoren abgelegt. Hierfür wurde beim COMPASS-Experiment die
Software CORAL13 [19][14] entwickelt.
Mit dieser Software werden die Informationen der verschiedenen einzelnen Detektoren gesammelt und verknüpft. Verknüpft werden Informationen des selben Teilchens. Die Verknüpfung erfolgt über die Zeit- und Raumauflösung der Detektoren
und deren Position. Diese Daten werden CORAL für jeden Aufbau des COMPASSExperiments mitgeteilt. Auf die so rekonstruierten Spuren der Teilchen wird ein Algorithmus angewendet, der den besten primären und sekundären Vertex finden soll.
Vertex bezeichnet hier den Punkt, an dem eine Interaktion zwischen den Teilchen
12
13
Data Summary Trees
COMPASS Reconstruction- Algorithm Library
3.7. Der RICH-Detektor
19
stattgefunden hat. Die so gewonnenen Daten werden in mDST14 -Dateien gespeichert. Die Analyse dieser Daten erfolgt mit PHAST15 [20]. PHAST ist ein Programmiergerüst, dass Zugriff auf mDST-Daten ermöglicht und dem Benutzer darüber
hinaus eine Programmbibliothek zur Arbeit auf diesen Daten zur Verfügung stellt.
3.7
3.7.1
Der RICH-Detektor
Tscherenkow-Effekt
Wenn sich ein geladenes Teilchen durch ein dielektrisches Medium bewegt, polarisiert
es dessen Moleküle. Wenn diese nach dem Durchgang des Teilchens wieder in den
unpolarisierten Zustand zurückkehren, senden sie elektromagnetische Wellen aus.
Diese interferieren konstruktiv, falls sich das Teilchen mit einer Geschwindigkeit
bewegt, welche höher als die Lichtgeschwindigkeit in diesem Medium ist. Dadurch
bildet sich unter einem bestimmten Winkel zur Bewegungsrichtung des Teilchens
eine kohärente Wellenfront aus. Dieser Winkel θ hängt nur von der Geschwindigkeit
des Teilchens β und dem Brechungsindex des Mediums n ab.[21][22]
cos(θ) =
1
nβ
(3.1)
Die Herleitung dieser Gleichung kann in Abbildung 3.5 betrachtet werden. Das Teilchen legt in der Zeit t den Weg βtc im Medium zurück. Licht, das zum Zeitpunkt 0
ausgesendet wurde, legt in der selben Zeit den Weg nc t zurück. Da die sich ausbildende Wellenfront kohärent ist, muss die Bewegungsrichtung derselben zu ihr selbst
senkrecht sein. Deshalb bilden der Startpunkt und die Orte des Teilchens und des
Lichts zum Zeitpunkt t ein rechtwinkliges Dreieck.
3.7.2
Aufbau des RICH-1
RICH ist ein Akronym für “Ring Imaging Cherenkov“-Detector[14]. Im COMPASSExperiment ist der RICH-1 Teil des LAS16 . Im 2012 DVCS-Testlauf war er mit
gasförmigem C4 F10 gefüllt. Dieses bietet den Vorteil, dass die Kernladungszahl gering ist, wodurch nur wenige Photonen verloren gehen. Der Aufbau ist in Abbildung
3.6 dargestellt. Hier wird der Tscherenkow-Effekt ausgenutzt um Daten zur Teilchenidentifikation zu gewinnen. Dabei werden die Tscherenkow-Photonen durch ein
Spiegelsystem auf die Photodetektoren geleitet. Diese sphärischen Spiegel sind so
konstruiert, dass sie Tscherenkow-Photonen, die unter dem selben radialen Winkel
ausgestrahlt wurden, auf dieselbe Stelle des Photodetektors leiten. Das Prinzip wird
in Abbildung 3.6 auf der linken Seite veranschaulicht.
Die Photodetektoren bestehen für den äußeren Bereich mit geringen Photonraten aus
wurden diese MWPCs
MWPCs17 . Im inneren Bereich mit Raten bis zu 106 Photonen
s
im Zeitraum von 2004 bis 2006[23] für eine bessere Auflösung durch MAPMTs18
ersetzt.
14
mini Data Summary Trees
PHysics Analysis Software Tools
16
siehe Abschnitt 3.3
17
Multi-Wire Proportional Chamber: siehe 3.7.2.1
18
Multi-Anode Photo-Multiplier Tubes: siehe 3.7.2.2
15
20
3. Aufbau des COMPASS Experiments
Abbildung 3.5: Skizze einer Wellenfront, die entsteht, wenn ein geladenes Teilchen
sich mit der Geschwindigkeit βc durch ein dielektrisches Medium bewegt.
Die Tscherenkow-Photonen erzeugen durch die Zuordnung in die Kanäle der Photodetektoren einen Ring. Aus dessen Radius kann dann der Tscherenkow-Winkel
bestimmt werden. Ein Beispiel, wie ein Ereignis in einem MWPC aussieht, gibt
Abbildung 3.7.
3.7.2.1
Multi-wire proportional chamber
Die “multi-wire proportional chamber“ kurz MWPC[25] dient der Spurauflösung von
geladenen Teilchen. Im RICH sollen mit MWPCs allerdings die Tscherenkowphotonen nachgewiesen werden. Die Konversion des Photons in ein Elektron erfolgt über
eine Cäsiumjodidbeschichtung als Photokathode.
In der MWPC wird ausgenutzt, dass ein geladenes Teilchen in Materie die Moleküle
entlang seiner Spur ionisiert, wobei Elektronen frei werden. Dies geschieht in einer
Kammer, in der auf mehreren parallel geführten Drähten dieselbe positive Hochspannung anliegt. Dort wandern diese Elektronen, durch das elektrische Feld, dass
von den Drähten erzeugt wird, zum nächstgelegen Draht. Gleichzeitig werden sie
ebenfalls durch das Feld beschleunigt. Deshalb ionisieren sie weitere Moleküle und
lösen dadurch eine Ladungslawine aus, welche dann im Draht als Strom abgeführt
wird. Dieser kann dann detektiert werden.
Da das elektrische Feld proportional mit dem Abstand zum Draht abfällt, ist der
Draht, welcher ein Signal erzeugt, der mit dem kleinsten Abstand zur Spur des Teilchens. Plaziert man nun verschränkt mehrere Ebenen von Drähten hintereinander,
kann die Spur mit einer gewissen Genauigkeit aufgelöst werden.
3.7.2.2
Multianode photomultiplier tube
Die “Multianode photomultiplier tube“ kurz MAPMT[26][27] nutzt den Photoeffekt
aus. Im RICH-1 werden Halbleiter-Bialkali-Photokathoden mit (18 · 18) mm2 aktiver Oberfläche und 16 Pixeln verwendet. Dies bedeutet, dass auf dieser Fläche 16
3.7. Der RICH-Detektor
21
Abbildung 3.6: COMPASS RICH-1: Prinzip und “artistic view“ [14]
Abbildung 3.7: Ein Ereigniss im COMPASS RICH-1. Die Quadrate stellen die Treffer
in den Kanälen der MWPCs dar. [24]
22
3. Aufbau des COMPASS Experiments
Kanäle aufgelöst werden können.
Photonen, die nun auf die Photokathode treffen, werden vernichtet und ihre Energie
hebt ein Elektron vom Valenz- in das Leitungsband. Dort bewegen sie sich aufgrund
der unterschiedlichen Ladungsträgerdichte zur Oberfläche des Leitungsbandes. Wenn
ihre Energie hier das Vakuumniveau erreicht, wird dieses Elektron in das Vakuum
emittiert und beschleunigt in Richtung der Anode. Zwischen Kathode und Anode
sind mehrere Dynoden geschaltet, die als Elektronenvervielfältiger wirken. An der
Anode werden die Elektronen dann als Strom abgeführt und geben ein Signal.
Da mit den MAPMTs hohe Raten gemessen werden können, ist ihre Zeitauflösung
sehr gut. Dies soll unter anderem in dieser Arbeit für die Zeitmessungen der ausgehenden Teilchen ausgenutzt werden.
Abbildung 3.8: Querschnitt einer “photomultiplier“ Röhre. Oben die Veranschaulichung des Prinzips[28] und unten der Aufbau der im RICH-1 verwendeten R7600M16[29].
3.7. Der RICH-Detektor
3.7.3
23
Teilchenidentifikation mit “extended Likelihood“-Methode
Zur Teilchenidentifikation im RICH-Detektor wird die“extended Likelihood“-Methode
verwendet[24][30]. Hier wird erwartet, dass für den Tscherenkow-Winkel θ und die
Masse M eines Teilchens gilt:
p
M 2 + p2
cos(θM ) =
np
(3.2)
wobei der Impuls p und der Brechungsindex n für diese Methode als bekannt vorausgesetzt werden. Mit diesen Werten wird nun jeder hypothetischen Masse des
Teilchens ein Likelihood-Wert zugeordnet.
"
LM = exp
N
X
j=1
#
fM (θj + ϕj )
N
Y
fM (θj + ϕj )
(3.3)
j=1
Das Produkt wird über die N in den Photodetektoren detektierten Photonen ausgeführt, deren θ kleiner ist als der maximale Tscherenkow-Winkel. Die Funktion
fM berücksichtigt, dass jedes Photon entweder zum Signal oder zum Hintergrund
gehören kann.
fM (θj + ϕj ) = SM (θj + ϕj ) + b
Der Parameter b wird aus der durchschnittlichen Verteilung der Treffer auf den
Photodetektoren, normalisiert auf ein Ereignis, bestimmt. Er berücksichtigt zum
einen den physikalischen, aber auch den vom Detektor verusachten Untergrund.
Die Funktion SM wiederum berücksichtigt, die Anzahl S0 der Photonen welche nach
dem Frank-Tamm Gesetz[22] erwartet werden, den erwarteten Tscherenkow-Winkel
aus Gleichung 3.2 und die Auflösung der einzelnen Photonen σθj . Der Wert σθj
ist aus der Kalibration bekannt. Außerdem berücksichtigt ein Term D , dass die
Photonen vom Strahl-Rohr absorbiert werden könnten, oder aufgrund der “Löcher“
zwischen den Spiegelelementen, oder den “blinden Flecken“ der Photodetektoren
verloren gehen könnten.
#
"
(θj − θM )2
S0
√ exp −0.5
D (θj + ϕj )
SM (θj + ϕj ) =
σθ2j
σθj 2π
In Abbildung 3.9 sieht man, dass die theoretischen Werte und die gemessenen nicht
exakt aufeinander fallen. Deshalb reicht ein hoher Likelihood-Wert noch nicht aus,
um einem Teilchen auch eine Masse zuzuordnen. Vor allem wenn die Massen und
damit auch θ nah beieinander liegen, kann es sein, dass zwei Massenhypothesen ähnliche Likelihood-Werte erzielen. Um Teilchen sinnvoll zu identifizieren, reicht es also
nicht aus nur den höchsten Likelihood-Wert zu betrachten, sondern es ist notwendig diesen mit den Werten anderer Massenhypothesen zu vergleichen. Je stärker der
Quotient dieser Werte von 1 abweicht, desto eindeutiger ist die Zuordnung.
24
3. Aufbau des COMPASS Experiments
Abbildung 3.9: Likelihood-Wert in Abhängigkeit von θ: Hier gezeigt ist die
Likelihood-Funktion unter der Massenhypothese eines Kaons. Der Impuls beträgt
19.6 GeV/c. Für diesen Impuls wird ein Tscherenkow-Winkel von θκ erwartet. Das
Maximum der Likelihood-Funktion liegt bei θM L . Der Wert von θHY P OT HESIS würde
einem Wert ensprechen, der durch die Ringanpassung der Treffer im Photodetektor
entsteht und ist daher auch kontinuierlich. Die Winkel θp und θπ geben die erwarteten Werte von θ unter gleichem Impuls, aber Protonen- bzw. Pionenhypothese an.
Die Abbildung stammt aus [24].
4. Datenanalyse
4.1
Daten und Schnitte
Die im Folgenden verwendeten Daten wurden im November 2012 in den Tagen vom
8.11. bis zum 16.11. genommen. Sie beinhalten sowohl Runs mit µ+ -Strahl als auch
µ− -Strahl. Der Aufbau des Experiments diente der Messung von Prozessen der TiefVirtuellen-Compton-Streuung “deeply virtual compton scattering“. Zum Auslesen
dieser Daten wird PHAST1 verwendet. Die Daten der Messung wurden im mDST1 Format gespeichert.
4.1.1
Schnitte auf ρ0
In dieser Arbeit sollen explizit die Möglichkeiten des RICH2 zur Myonenidentifikation betrachtet werden. Um Myonen im RICH zu untersuchen, ist es sinnvoll sie in
einem Prozess zu betrachten, der eine gute Statistik liefert. Im Folgenden werden,
angelehnt an [31], grobe Schnitte auf ρ0 -Ereignisse durchgeführt. Die ρ0 entstehen
bei der harten exklusiven Mesonproduktion3 . Diese Ereignisse bieten sich an, da die
harte exklusive Mesonenproduktion für das ρ0 -Meson den höchsten Wirkungsquerschnitt aufweist4 . Das ρ0 zerfällt im Mittel in 4.5·10−15 ns in zwei Pionen. Deshalb
wird es im Experiment als π + und π − detektiert.
Schnitt auf den Vertex
• CORAL1 gibt den Vertex als besten primären Vertex an. Dies bedeutet, der
Vertex muss mit einem Strahlteilchen zusammenfallen. Wenn dies für mehrere
Vertices der Fall ist, wird zuerst der Vertex mit den meisten auslaufenden
Teilchen und dann der mit dem kleineren Rekonstuktionsfehler ausgegeben.
• Insgesamt wurden für diesen Vertex nur drei auslaufende Teilchen detektiert.
1
siehe
siehe
3
siehe
4
siehe
2
Abschnitt 3.6
Abschnitt 3.7
Abschnitt 2.2.7
Abbildung 2.4
26
4. Datenanalyse
Schnitt auf das einfallende Myon
• Das einlaufende Myon hat für den“backpropagation“-Algorithmus einen LikelihoodWert > 0.001. Dadurch werden die Ereignisse aussortiert, bei denen nicht genügend Treffer in der BMS5 detektiert wurden, um aussagekräftige Werte für
die Spur und dadurch auch den Impuls des einlaufenden Teilchens zu erhalten.
Schnitt auf das auslaufende Myon
• PHAST1 gibt das auslaufende Myon dieses Vertex als bestes auslaufendes Myon an. Dies bedeutet, das Teilchen:
– legt mehr als 30 Strahlungslängen zurück.
– wurde noch hinter dem letzten Myonen Filter detektiert.
– hat dieselbe Ladung wie das Strahlteilchen.
– gehört zu einem Primären Vertex, ohne weitere ausgehende Myonen.
– seine sich ableitende Spur durchquert die Trigger-Hodoskope die ausgelöst
haben.
– Es hat nicht das Eisen-“Joch“ durchquert, welches das Magnetfeld des
SM26 begrenzt.
– keine Spur des zugehöhrigen Events geht durch ein Loch im Absorbersystem.
In dieser Analyse werden diese von PHAST als Myonen identifizierten Teilchen
im Folgenden als µP HAST bezeichnet. Ihre Masse wird auf die Myonenmasse
gesetzt.
Schnitt auf Hadronen
• Die Teilchen, welche nicht als µP HAST identifiziert wurden, besitzen entgegengesetzte Ladungen. Im Folgenden wird für diese Teilchen die Pionhypothese
angenommen. Das bedeutet ihre Masse wird auf die Pionenmasse gesetzt.
Schnitte auf Kinematik
• y > 0.1, wobei y hier in Abschnitt 2.2.1 definiert wurde. Der Schnitt dient
dazu, Ereignisse zu entfernen, bei denen die Kinematik schlecht rekonstruiert
ist. Abbildung 4.1 zeigt diesen Schnitt.
• Q2 > 0.5 (GeV/c)2 . Die Virtualität Q2 wurde ebenfalls in Abschnitt 2.2.1
definiert. Durch das Entfernen von Ereignissen, bei welchen diese Virtualität
klein ist, wird sichergestellt, dass es sich tatsächlich um inelastische Streuungen
handelt. Abbildung 4.2 zeigt diesen Schnitt.
4.1. Daten und Schnitte
27
Abbildung 4.1: Das Histogramm zeigt y. Die gefärbte Fläche bleibt nach dem Schnitt
erhalten. Die Binbreite ist hier 2.5 · 10−3 .
Abbildung 4.2: Das Histogramm zeigt Q2 . Die gefärbte Fläche bleibt nach dem
Schnitt erhalten. Die Binbreite ist hier 0.02 (GeV/c)2 .
28
4. Datenanalyse
Schnitt auf RICH-Information
• Hier handelt es sich um einen speziellen Schnitt dieser Arbeit. Für die Betrachtung im RICH werden alle Ereignisse aussortiert, bei denen keine RICHInformation vorliegt. Betroffen sind Ereignisse, bei denen Teilchen vorkommen,
deren Impuls nicht ausreicht um im RICH Tscherenkow-Photonen zu erzeugen.
Tabelle 4.1: Schnitte für ρ0 : Effekt der Schnitte auf die Statistik der Ereignisse. Insgesamt wurden in dieser Woche 15409452 Ereignisse detektiert. Die Schnitte erfolgen
in der Reihenfolge von oben nach unten. Angegeben wird der Anteil der nach dem
Schnitt erhalten bleibt.
Schnitt
Anteil an allen Ereig- Anteil an den Ereignissen, für die bisheri- nissen des vorherigen
gen Schnitte in h
Schnitts in %
Bester Primärer Vertex
Ausgehende Teilchen
µP HAST
Genügend Treffer in der BMS7
Ladung ausgehende Teilchen
Q2
y
RICH-Information
687
6.34
3.44
2.97
2.10
0.81
0.69
0.49
0.922
54.3
86.3
70.5
38.7
85.3
70.0
Alle Schnitte und deren Auswirkungen sind in Tabelle 4.1 zusammengefasst. In dieser
Arbeit wurde für die Ereignisse eine fehlende Energie Emiss berechnet nach:
Emiss = Eµ − Eµ0 − Eρ0
(4.1)
Abbildung 4.3 zeigt Emiss nach den verschiedenen Schnitten. Ereignisse, bei denen
nun ein exklusives ρ0 entsteht, liegen in der Abbildung um 0 GeV verteilt. Während Ereignisse, die in der Abbildung bei anderen Werten von Emiss liegen, semiinklusiven8 Prozessen zugeordnet werden. Auffällig ist, dass durch die Schnitte nicht
nur dieser Untergrund entfernt wird, sondern auch sehr viel Signal um 0 GeV. Diese Schnitte sind jedoch notwendig, da es sich bei den kinematischen Schnitten um
Schnitte handelt, die auch die Qualität der Rekonstruktion sicherstellen.
Mit den hier erfolgten Schnitten wurde noch nicht vollständig auf exklusive ρ0 geschnitten. Dieses Vorgehen ist zulässig, da sich diese Arbeit mit der Identifikation
von Teilchen im RICH beschäftigt. Eine Betrachtung von exklusiven ρ0 mit vollständigen Schnitten im Rahmen des COMPASS-Experiments liefern [12], [32] und [31].
Abbildung 4.4 rechtfertigt dieses Vorgehen. Sie zeigt die Impulsverteilung des auslaufenden Myons µP HAST (schwarz). Nur ein kleiner Teil der Myonen liegt in einem
niedrigen Impulsbereich. Der RICH-Detektor kann jedoch nur Teilchen mit einem
kleinen Impuls identifizieren. Weitere Schnitte hätten zur Folge, dass diese sowieso schon kleine Statistik im relevanten Impulsbereich weiter sinken würde. Im Gegensatz zu den µP HAST befindet sich ein Großteil der Pionen (rot, grün) in einem
Impulsbereich, in dem eine Identifikation mit dem RICH möglich ist.
5
Beam-Momentum-Station
Spektrometer-Magnet 2
8
siehe Abschnitt 2.2
6
4.1. Daten und Schnitte
29
Abbildung 4.3: Das Histogramm zeigt die fehlende Energie nach den verschiedenen
Schnitten unter der ρ0 -Hypothese. In schwarz für die Ereignisse, die nach den Schnitten in PHAST noch vorhanden sind. In gelb für die Ereignisse nach dem Q2 -Schnitt,
in grün nach dem y-Schnitt und in rot nach dem Schnitt auf RICH-Information. Die
Binbreite ist hier 0.1 GeV.
Abbildung 4.4: Das Histogramm zeigt die Impulsverteilung des auslaufenden Myons
µP HAST (schwarz), der auslaufenden positiven Teilchen (rot) und der auslaufenden
negativen Teilchen (grün). Die Binbreite ist hier 0.4 (GeV/c).
30
4. Datenanalyse
4.2
Vergleich von Myonen und Pionen im RICH
Um an die Informationen des RICH zu gelangen, wird in PHAST die ‘RICH-Klasse‘
verwendet. Die verfügbaren Informationen dieser Klasse sind die Likelihood-Werte9 ,
deren Ableitung und χ2 -Werte, die Ring-Anpassung und der aus dieser Anpassung
ermittelte Tscherenkow-Winkel. Verfügbar ist außerdem die Anzahl der Photonen
in einem Ring und deren durchschnittliche mit den MAPMTs10 gemessenen Zeit.
Um die Myonen und Pionen im RICH zu unterscheiden, werden die Teilchen mit
ihrem Tscherenkow-Winkel gegen den Impuls aufgetragen. Dieser Winkel hängt laut
Gleichung 3.1 nur von der Geschwindigkeit ab. Deshalb bildet sich im Histogramm
für jede Masse eine charakteristische Kurve heraus, auf welcher die Teilchen liegen.
Jede dieser Kurven konvergiert gegen ein Maximum von:
1
(4.2)
θmax = arcos
n
wobei n der Brechungsindex ist. Gleichzeitig existiert für jede Masse eine untere
Grenze.
m
pmin = √
(4.3)
n2 − 1
wobei m die Masse in (eV/c2 ) ist. Unter dieser Schwelle gibt es keine TscherenkowStrahlung, weshalb es auch keine Einträge im Histogramm gibt.
Abbildung 4.5: θ-Impuls-Histogramm: Die µP HAST sind in schwarz dargestellt, die
positiv geladenen Teilchen in rot. Phast gibt diese Läufe mit einem Brechungsindex
von 1.00143 bis 1.00148 an.
In Abbildung 4.5 erkennt man diese obere Grenze. Der theoretische Wert beträgt
hier für den höchsten Brechungsindex θmax = 0.054 rad. Theorie und Experiment
stimmen überein. Gleichzeitig erkennt man hier auch, warum der RICH-Detektor
bisher hauptsächlich zur Hadronenidentifikation genutzt wurde. Die geringe Masse
der Myonen bzw. Pionen führt nämlich zu deutlich steileren Kurven, als bei schweren
9
10
siehe Abschnitt 3.7.3
siehe Abschnitt 3.7.2.2
4.2. Vergleich von Myonen und Pionen im RICH
31
Teilchen. Dies führt dazu, dass diese Teilchen nur in einem kleinen Impulsbereich
mit dem RICH identifiziert werden können. Außerdem ist im Bild durch die Nähe
der Kurven zueinander auch der geringe Massenunterschied zwischen Pion und Myon zu erkennen.
Bei den positiven Teilchen zeigt die Abbildung, dass es sich um mindestens 3 verschiedene Teilchen handelt, die jeweils ihre eigene Kurve bilden. Den drei offensichtlichen Kurven kann die Protonen-, Kaonen- und Pionenhypothese zugeordnet
werden. Außerdem kann man Elektronen erkennen, die selbst bei kleinsten Impulsen
noch θmax zugeordnet werden.
In Abbildung 4.6 wird die Verteilung der Tscherenkow-Winkel von µP HAST gezeigt.
Diese liegen zum Großteil nahe bei dem theoretischen Wert von θmax (rot).
Für die nähere Betrachtung der Teilchen im RICH, werden Likelihood-Funktionen11
verwendet.
Abbildung 4.6: Verteilung des Tscherenkow-Winkels von µP HAST . In rot ist θmax für
den Brechungsindex 1.00143 markiert. Die Binbreite ist 1.35 · 10−4 rad.
4.2.1
Schnitte auf Likelihood-Werte des RICH-Detektors
Ziel dieses Abschnitts ist es, einen sinnvollen Schnitt auf das Verhältnis aus höchstem und zweithöchstem Likelihood-Wert für die µP HAST zu finden. Da die Statistik
für diese im relevanten Impulsbereich zu niedrig ist, werden in diesem Abschnitt
stattdessen alle anderen positiven Teilchen betrachtet. Hier speziell diese, bei denen
die Pionhypothese den höchsten Likelihood-Wert liefert. Die Verteilung des Verhältnisses dieser Teilchen zeigt eine fallende Exponentialfunktion (siehe Abbildung 4.7).
Deshalb liefert sie keinen Hinweis darauf, an welcher Stelle ein Schnitt auf das Verhältnis sinnvoll wäre. Anders verhält es sich, wenn der absolute Likelihood-Wert (der
Pionhypothese) gegen das Verhältnis aufgetragen wird. Hier lässt sich eine Häufung
von Ereignissen in Kanälen mit kleinen Werten und kleinen Verhältnissen erkennen.
Also sind hier besonders viele Teilchen vertreten, bei denen sowohl das Verhältnis,
als auch die Differenz der beiden Likelihood-Werte sehr gering ist. Somit erscheint
11
siehe 3.7.3
32
4. Datenanalyse
eine Identifikation dieser Teilchen über den RICH nicht sinnvoll. Zur Betrachtung
ausgewählt werden deshalb nur Teilchen, für die gilt:
LH-Wert ≥ −20 · LH-Verhältnis + 20.7
(4.4)
Von 275619 Teilchen werden auf diese Weise 28950 entfernt. Dies entspricht 10.5 %.
Abbildung 4.7: LH-Verhältnis: Dargestellt ist das Verhältnis aus höchstem und zweithöchstem Likelihood-Wert für die postiven Teilchen, bei denen die Pionenhypothese
den höchsten Likelihood-Wert liefert. Die Binbreite ist 2 · 10−3 .
4.2. Vergleich von Myonen und Pionen im RICH
33
Abbildung 4.8: Hier ist der Likelihood-Wert der Pionhypothese gegen das LikelihoodVerhältnis aus höchstem und zweithöchstem Likelihood-Wert aufgetragen. Abbildung 4.9 zeigt den für den Likelihood-Schnitt relevanten Bereich dieses Histogramms.
Die Binbreite des Wertes beträgt 0.045, die des Verhältnisses 1.9 · 10−3 .
Abbildung 4.9: LH-Wert-Verhältnis: Mit rot ist der Schnitt auf die Likelihood-Werte
eingezeichnet. Es handelt sich hier um einen Ausschnitt aus Abbildung 4.8. Die
Binbreite des Wertes beträgt 0.01, die des Verhältnisses 2.5 · 10−4 .
34
4.2.2
4. Datenanalyse
Betrachtung der auslaufenden Myonen nach PHAST
Im Folgenden werden die von PHAST als auslaufende Myonen identifizierten Teilchen µP HAST näher betrachtet. Der Schnitt aus Gleichung 4.4 wird auf alle µP HAST
angewendet. Wobei hier natürlich nicht der Likelihoodwert der Pionhypothese verwendet wird. Stattdessen wird der Likelihood-Wert der Teilchenhypothese verwendet, die den höchsten Likelihood-Wert liefert.
Identifiziert wird ein Teilchen durch den RICH ebenfalls mit der Teilchenhypothese,
die den höchsten Likelihood-Wert liefert. In Tabelle 4.2 ist dargestellt, wie sich die
Identifikation nach dem Kriterium aus Gleichung 4.4 in verschiedenen Impulsbereichen verhält.
Eine Identifikation als Myon, erscheint nach dieser Tabelle erst mit einem Impuls
kleiner 20 GeV sinnvoll. Allerdings befinden sich nur 1 % aller µP HAST in diesem
Bereich. Überraschend ist die Betrachtung des Impulsbereichs unter 15 GeV. In diesem Bereich werden 35.9 % der Teilchen, nach dem Likelihood-Schnitt aus Gleichung
4.4, als etwas anderes als Myonen identifiziert. Für diese Teilchen stimmt also die
Identifikation von PHAST und RICH nicht überein.
Dies könnte darauf hindeuten, dass dieses Kriterium noch zu schwach ist. Abbildung
4.10 zeigt jedoch, dass diese Rate durchaus realistisch ist.
In dieser Abbildung befinden sich nur die µP HAST . In den verschiedenen Farben sind
die Ergebnisse der Identifikation dieser Teilchen im RICH dargestellt. In rot erkennt
man hier ein Pionenband. Es handelt sich also laut dem Kriterium aus Gleichung 4.4
um Pionen, welche von PHAST aber als Myonen identifiziert wurden. In grün sind
die Teilchen markiert, die vom RICH als Untergrund bzw. Elektronen identifiziert
werden. Auch diese liegen außerhalb der Myonenkurve. Pionen machen in dieser Abbildung 30.3 %, Elektronen und Untergrund 5.7% der gesamten Teilchen aus. In gelb
sind die Teilchen dargestellt, die aufgrund des Likelihood-Schnitts nicht identifiziert
werden können. Diese liegen besonders in dem Bereich, in dem Myon und Pion nicht
mehr vom RICH getrennt werden können. Was diesen Schnitt zusätzlich rechtfertigt.
Der in der Abbildung gezeigte hohe Anteil von Pionen und Myonen verschiebt sich
in höheren Impulsbereichen zugunsten des Untergrunds bzw. der Elektronen. Im
gesamten Impulsbereich liegt deren Anteil bei 48.8 %. Sie stellen damit den größten
Anteil der Teilchen, die mit dem RICH nach Gleichung 4.4 identifiziert werden können. Die Tabelle 4.2 zeigt in höheren Impulsbereichen, dass sich die Anzahl der vom
RICH nach Kriterium 4.4 als Myonen identifizierten Teilchen kaum verändert. Dagegen nimmt die Anzahl der gesamten µP HAST in diesen Bereichen stark zu. Nach
dem Kriterium aus Gleichung 4.4 können im gesamten Impulsbereich nur 52.3 %
der Teilchen überhaupt identifiziert werden. Auch dieser Wert zeigt, dass der RICH
nicht für die Teilchenidentifikation in einem hohen Impulsbereich geeignet ist.
In Abbildung 4.11 sind die µP HAST entsprechend ihren Streuwinkeln Θ unterschiedlich eingefärbt. Unter anderem wird noch einmal deutlich, warum sich so wenige µP HAST auch vom RICH als Myonen identifizieren lassen. Der größte Teil der
Teilchen liegt in einem Impulsbereich über 20 GeV. In diesem Bereich ist deren
Tscherenkow-Winkel nicht mehr von dem der Pionen zu unterscheiden.
Die Teilchen, die für die Betrachtung im RICH in einem brauchbaren Impulsbereich
liegen besitzen einen Streuwinkel größer 30 mrad. Dies bedeutet, dass sie mit dem
4.2. Vergleich von Myonen und Pionen im RICH
35
Tabelle 4.2: Identifizierung der µP HAST mit dem RICH nach Kriterium 4.4 für verschiedene Impulsbereiche.
Die Spalte “Impuls“ gibt den Impulsbereich an. Es werden also in der entsprechenden
Zeile alle µP HAST betrachtet, deren Impuls zwischen 0 GeV und der entsprechenden
oberen Grenze liegt. Die Spalte “Insgesamt“ gibt an, wieviele µP HAST sich in diesem
Impulsbereich befinden. In der Spalte “LH-Schnitt“ wird gezeigt, wieviele µP HAST
nach dem Kriterium aus Gleichung 4.4 nicht mit dem RICH identifiziert werden können. Die Spalte “Myonen“ gibt an wieviele µP HAST vom RICH nach dem Kriterium
aus Gleichung 4.4 als Myonen identifiziert wurden.
Die Prozentangabe bezieht sich auf den jeweiligen Bruchteil im Bezug zur gesamten
Anzahl µP HAST im jeweiligen Impulsbereich.
Impuls
Myonen
LH-Schnitt
Insgesamt
in GeV/c
Anzahl %
Anzahl %
Anzahl
< 15
< 20
< 30
< 40
< 80
Alles
1093
2707
7225
10000
12282
14918
46.5
51.3
46.7
33.8
10.7
3.2
413
1506
6518
14129
58160
222944
17.6
28.5
42.1
47.7
50.6
47.7
2352
5274
15481
29592
114834
466936
Abbildung 4.10: RICH-Identifikation der µP HAST . Die Teilchen, die vom RICH nach
Kriterium aus Gleichung 4.4 als Myonen identifiziert wurden, sind in schwarz, die
als Pionen identifizierten in rot dargestellt. In grün sind die Teilchen dargestellt,
die als Elektronen bzw. Untergrund identifiziert wurden. In gelb sind die Ereignisse
dargestellt, bei denen eine Identifizierung nach dem Kriterium von Gleichung 4.4
nicht möglich ist.
36
4. Datenanalyse
LAS12 rekonstruiert wurden. Dies erklärt auch, warum sich in Abbildung 4.10 unter
diesen µP HAST nach Kriterium aus Gleichung 4.4 Pionen finden. Im SAS müssten
die Pionen zerfallen, bevor sie die MW2 erreichen. Nur 1 % der µP HAST wird im LAS
rekonstruiert, alle anderen im SAS.
Bei der Betrachtung von exklusiven ρ0 nach [31] wird ein Schnitt auf den transversalen Impuls durchgeführt. Durch diesen Schnitt gehen die µP HAST mit großen
Streuwinkeln größtenteils verloren. Somit gehen auch die µP HAST verloren, die in
einem für die Identifikation im RICH geeigneten Impulsbereich liegen. Dies deutet darauf hin, dass es sich bei diesen Ereignissen um semi-inklusiven Untergrund
handelt. Deshalb ist davon auszugehen, dass die µP HAST , welche sich in einem für
die Identifikation im RICH geeigneten Impulsbereich befinden, auch eine geringe
Relevanz für das COMPASS-Experiment haben.
Abbildung 4.11: Betrachtung der auslaufenden Myonen µP HAST im RICH mit Einfärbung des Streuwinkels. In rot Streuwinkel über 60 mrad in schwarz zwischen 60 mrad
und 30 mrad und in grün unter 30 mrad.
4.3
Trennung von ungestreuten und gestreuten
Myonen
Im Experiment besteht die Möglichkeit, dass ein Myon so an einem Proton streut,
dass es nicht mehr von den Detektoren erfasst wird. Gleichzeitig kann es sein, dass
ein Myon aus dem Strahl sowohl zeitlich, als auch räumlich nahe an einem Vertex
vorbeifliegt. In diesem Fall könnte es sein, dass der Detektor das Myon, welches nicht
gestreut wurde, fälschlicherweise dem Ereignis zuordnet. Ein solches Ereignis wird
nun falsch rekonstruiert und Emiss wäre deutlich größer 0 GeV.
Die Idee ist nun, die gute Zeitauflösung der MAPMT’s (Abschnitt 3.7.2.2) des RICH
zu nutzen, um solche Ereignisse auszusortieren. Es soll also aus Kombination von
RICH- und Strahlzeit ein Untergrundschnitt entwickelt werden.
4.3. Trennung von ungestreuten und gestreuten Myonen
37
Abbildung 4.12: Hier ist die gemittelte Zeit der Ringphotonen im RICH tRICH gegen
die Strahlzeit tBeam aufgetragen. Die roten Punkte mit Fehlerbalken geben den Mittelwert der Gaußverteilung und dessen Fehler für die RICH-Zeit in einem Intervall
der Strahlzeit an. An diese Punkte wurde die rote Gerade angepasst. Die Binbreite
von tRICH ist 0.055 ns, die von tBeam 0.05 ns.
4.3.1
Vergleich von Strahlzeit und RICH-Zeit
Abbildung 4.12 zeigt die beiden Werte für die Strahlzeit tBeam und die gemittelte Zeit
der Ringphotonen des RICH tRICH . Beide Zeitmessungen werden durch denselben
Trigger ausgelöst. Also entstehen beide Zeiten aus einer Differenz aus gemessener
Zeit und getriggerter Zeit. Die Messungen wurden voneinander unabhängig durchgeführt.
Die Abbildung zeigt, dass die beiden Werte korreliert sind. Diese Korrelation ensteht
dadurch, dass beide Zeiten in der Regel dasselbe Myon detektieren. Unkorreliertheit
wäre der Fall, wenn die Unschärfe der Detektoren groß gegenüber der Unschärfe
des Triggers wäre. Deshalb ist die Korrelation der Werte auf die Breite des Triggers
zurückzuführen.
Beide Messungen lassen sich verknüpfen, um eine neue Zeitverteilung für jedes Ereignis zu erhalten. Die Breite dieser Verteilung wäre vom Trigger unabhängig. Diese
Zeit würde angeben wie gut einlaufendes und auslaufendes Myon zueinander passen.
Bei Zeiten um 0 ns wäre sie ein Indiz für eine gute Übereinstimmung. Große Abweichungen von 0 ns würden bedeuten, dass hier einlaufendes und auslaufendes Myon
falsch rekonstruiert wurden.
Zur Ermittlung dieser neuen Zeit muss zuerst die Korrelation untersucht werden.
Abbildung 4.12 zeigt, dass der Zusammenhang zwischen tBeam und tRICH durch eine Gerade beschrieben werden kann. Diese wird im Folgenden ermittelt.
Hierzu wird die Strahlzeit in Intervalle eingeteilt. Nun werden die Zeiten des RICH,
die zu den Ereignissen in diesem Intervall gehören, betrachtet. An diese tRICH wird
eine Gaußanpassung durchgeführt. In Abbildung 4.13 ist eine Anpassung als Beispiel
dargestellt. Der Mittelwert der angepassten Gaußfunktion entspricht dem Wert und
der Fehler des Mittelwerts dem Fehler des tRICH -Wertes für dieses Intervall.
12
siehe Abschnitt 3.3
38
4. Datenanalyse
Auf diese Art werden mehrere Punkte mit Fehlerbalken erzeugt. Diese Punkte sind
in Abbildung 4.12 eingetragen. Der Fehler eines Punktes auf die Strahlzeit entspricht
der halben Breite des Intervalls.
An diese Punkte wird nun eine Geradenanpassung mit y = a·x + b durchgeführt.
Das Ergebnis ist in Abbildung 4.12 zu sehen und hat die Werte:
a = 0.91 ± 0.012
b = 0.22 ± 0.03 ns
χ2 /ndf = 20.4/23
(4.5)
Damit ist der Zusammenhang zwischen tBeam und tRICH beschrieben. Nun wird
wieder jedes einzelne Ereignis in Abbildung 4.12 betrachtet. Der Abstand der Koordinate zur Geraden entspricht nun der extrahierten Zeit tdif f .
Abbildung 4.13: Gaußanpassung an tRICH aus dem Intervall -0.94 ns< tBeam <0.68 ns. Die Breite von (0.427 ± 0.003) ns liegt deutlich anders als die Breite der
gemittelten Zeiten aller Rinphotonen (0.551 ± 0.001) ns (siehe Abbildung 4.14). Die
Binbreite ist 0.09 ns.
In Abbildung 4.14 sind alle Zeiten zu sehen. In blau die extrahierte Zeit tdif f , in rot
die Strahlzeit tBeam und in grün die RICH-Ringzeit tRICH . Es ist zu sehen, dass der
Mittelwert von tRICH nicht bei 0 liegt. Dies ist der Fall, da die Kalibration auf t = 0
offensichtlich nicht gut erfolgt ist. Für diese Arbeit ist dies jedoch nicht relevant, da
hier nur die Position eines Eintrags innerhalb der Verteilung, nicht aber die Position der Verteilung betrachtet wird. Auffällig ist, dass sich für tdif f die Breite auf
(0.438 ± 0.001) ns verringert hat. Dadurch wird noch einmal deutlich, dass der Trigger für die Werte von tBeam und tRICH eine Rolle spielt. Auch der Fehler, der sich
nicht quadratisch fortpflanzt obwohl tdif f einer Differenz aus aus tBeam und tRICH
ähnelt, ist ein Indiz hierfür.
In den Randbereichen von tdif f sollten nun die Ereignisse zu finden sein, bei denen tBeam und tRICH stark voneinander abweichen. Deshalb wird im Folgenden die
Hypothese, dass es sich hier um ungestreute Strahlmyonen handelt, überprüft.
4.3. Trennung von ungestreuten und gestreuten Myonen
39
Abbildung 4.14: Verteilung der Strahlzeit tBeam (rot), der gemittelten Zeit der Ringphotonen tRICH (grün) und der daraus extrahierten Zeit tdif f (blau) und jeweils eine
daran angepasste Gaußfunktion. Die Binbreite ist hier 0.05 ns.
4.3.2
Auswirkung eines Schnitts auf die aus diesen Zeiten
extrahierte Zeit tdif f für Emiss
In diesem Abschnitt wird überprüft, ob sich die extrahierte Zeit aus Abschnitt 4.3.1
dazu eignet Untergrund zu entfernen. An die Daten wird deshalb ein Zeitschnitt
angelegt. Entfernt werden alle Ereignisse bei denen tdif f 3σ vom Mittelwert entfernt
liegt. Der Schnitt entfernt 7835 Ereignisse. Es sollten vor allem Ereignisse betroffen
sein, bei denen das auslaufende Myon nicht das gestreute Myon ist.
Abbildung 4.15oben zeigt die fehlende Energie Emiss vor und nach dem Zeit-Schnitt.
Abbildung 4.15unten zeigt Emiss für die Ereignisse, die durch den Schnitt entfernt
werden. Wie in Abbildung 4.3 wurde Emiss wieder unter Pionenhypothese ermittelt.
In Abbildung 4.15unten ist ein Peak bei 0 GeV zu sehen. Dieser zeigt, dass bei diesem
Schnitt auch Signal, also exklusive ρ0 -Ereignisse, entfernt werden. Aus diesem Grund
ist der Schnitt auf tdif f nicht als Untergrundschnitt geeignet.
40
4. Datenanalyse
Abbildung 4.15: Oben: Fehlende Energie Emiss bevor und nach dem die Ereignisse
entfernt wurden, die weiter als 3σ vom Mittelwert der extrahierten Zeit entfernt
liegen.
Unten: Fehlende Energie Emiss der Ereignisse, bei denen die extrahierte Zeit mindestens 3σ vom Mittelwert entfernt liegt.
Die Binbreite beträgt in beiden Bildern 0.55 GeV.
4.3. Trennung von ungestreuten und gestreuten Myonen
4.3.3
41
Untersuchung der vom Schnitt betroffenen Ereignisse
auf Häufungen in Spills
Im Folgenden wird untersucht, warum der Schnitt auf tdif f nicht den erwarteten
Untergrundschnitt liefert. Eine mögliche Erklärung liefert ein Blick auf die Strahlzeit. Diese wird unter anderem über die szintillierenden Fasern13 ermittelt. Es ist
bekannt, dass die Zeitmessung in diesen szintillierenden Fasern immer wieder um
8 ns ‘springt‘. Von einem solchen Sprung wäre immer ein kompletter Spill14 betroffen. Dies bewirkt eine Verschiebung von tBeam in dieser Messung. Diese Verschiebung
entspricht nicht den 8 ns, da an der Ermittlung der Zeit mehrere Detektoren beteiligt
sind.
Wenn diese Verschiebung eintritt, kann die Rekonstruktion der Daten trotzdem erfolgen. Auch die Physik und die restliche Messung kann wie gewünscht ablaufen.
Dadurch liefert eine solche Messung gegebenenfalls auch exklusive ρ0 . Nun wird vermutet, dass es sich bei den exklusiven ρ0 aus Abbildung 4.15unten, genau um solche
Ereignisse handelt.
Durch die Schwankung in der Strahlzeitmessung würden solche Ereignisse in Abbildung 4.12 auf der x-Achse verschoben werden. Die Distanz zur Geraden würde
dadurch größer und sie wären vom Schnitt auf tdif f betroffen.
Um zu überprüfen ob dies so zutrifft, werden deshalb die Spills13 auf eine statistische
Häufung der Ereignisse untersucht. Eine solche Häufung würde darauf hindeuten,
dass dieser Spill vom ‘Sprung‘ der szintillierenden Fasern betroffen wäre.
Bisher wurde in dieser Analyse nicht zwischen Runs mit positiven bzw. negativen
Strahlmyonen unterschieden. An dieser Stelle wird dieser Unterschied relevant, da
der Strahl, abhängig von seiner Polarisation, eine andere Intesität13 besitzt. Deshalb
müssen diese Läufe im Folgenden getrennt voneinander betrachtet werden.
Grundsätzlich gilt die Annahme, dass die Ereignisse über alle Spills gleichverteilt
sind. Abbildung 4.16 zeigt die Anzahl der Ereignisse in einzelnen Spills nach den
Schnitten aus Tabelle 4.1. Sie ist zum Beispiel für die negativen Strahlmyonen folgendermaßen zu verstehen: “Spills in denen genau 39 Ereignisse detektiert wurden,
treten 402 mal auf“. Die Information, in genau welchen Spills die genau 39 Ereignisse
auftreten, ist unwichtig. Hier ist die Anzahl der Ereignisse noch deutlich größer als
die Anzahl der Spills. Deshalb sollten die Histogramme in Abbildung 4.16 nach dem
zentralen Grenzwertsatz normal verteilt sein. Die Gaußanpassung mit χ2 /ndf = 1.32
bzw. χ2 /ndf = 2.01 zeigt, dass die Annahme, die Ereignisse seien identisch und unabhängig über die Spills verteilt, gerechtfertigt ist. Hier kann man auch die von den
verschiedenen Intensitäten verursachten unterschiedlichen Gaußverteilungen erkennen.
Abbildung 4.17 und 4.18 zeigen diese Verteilung nun für Ereignisse, die durch den
Schnitt aus Abschnitt 4.3.1 entfernt wurden. Dadurch, dass sich die Anzahl der Spills
und die Anzahl der Ereignisse in derselben Größenordnung befinden, ist eine Gaußanpassung hier nicht mehr sinnvoll. Die Überprüfung, ob eine signifikante Häufung
in einzelnen Spills stattfindet, kann trotzdem erfolgen. Dafür wurde das Experiment
unter der Annahme, dass die weggeschnittenen Ereignisse unter den vorher gefüllten
13
14
siehe Abschnitt 3.1
siehe Abschnitt 3.1
42
4. Datenanalyse
Abbildung 4.16: Verteilung der Anzahl von Ereignissen in einzelnen Spills nach
Schnitten aus Tabelle 4.1. Die Anzahl der Einträge entspricht der Anzahl der Spills in
denen Ereignisse detektiert wurden. Die Summe der Produkte aus Binnummer und
Binhöhe entspricht der Anzahl der Ereignisse. Die positiven Strahlmyonen sind rot
die negativen schwarz dargestellt. In der Woche der Datennahme gab es mehr Läufe
mit negativen als mit positiven Myonen. Dies erklärt die unterschiedliche Anzahl an
Spills.
Spills gleichverteilt sind, simuliert. Es wurden also im negativen Fall 4483 Ereignisse
zufällig auf 7622 Spills verteilt. Danach wird wieder die Anzahl der Spills betrachtet, welche dieselbe Anzahl an Ereignissen hat. Diese Simulation wurde 10000 mal
ausgeführt und danach über die Einträge gemittelt. Durch die Hohe Anzahl an Simulationen wird der simulierte Wert als fehlerlos angenommen. Nun wird mit dem
Ergebnis des Experiments ein χ2 -Test an die simulierte Verteilung vorgenommen.
Für die negativen Strahlmyonen ergab dieser einen χ2 -Wert von 3.66 bei 5 Freiheitsgraden. Hier lässt sich kein Hinweis auf eine Ungleichverteilung, also eine Häufung
in bestimmten Spills feststellen. Die Hypothese der Gleichverteilung würde angenommen werden, allerdings mit einer Wahrscheinlichkeit von 40.1 % damit falsch
zu liegen. Für die positiven Strahlmyonen wurden 3352 Ereignisse auf 1807 Spills
verteilt. Der χ2 -Test ergab einen χ2 -Wert von 14.4 bei 8 Freiheitsgraden. Damit ist
die Hypothese der Gleichverteilung hier mit einer Signifikanz von 7.19 % abgelehnt.
Eine Häufung von Ereignissen in bestimmten Spills für die positiven Myonen ist
wahrscheinlich.
Bei der Bewertung dieser Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass die Statistik
der positiven Strahlmyonen im Vergleich zu den negativen Strahlmyonen um einen
Faktor 4 (7622 Spills statt 1807 Spills) reduziert ist. Es ist davon auszugehen, dass
die Betrachtung der negativen Strahlmyonen das verlässlichere Ergebnis liefert. Anhand dieser Betrachtung ist es also nicht möglich, das Signal in Abbildung 4.15unten,
auf die Sprünge in der Zeitmessungen der szintillierenden Fasern zurückzuführen.
4.3. Trennung von ungestreuten und gestreuten Myonen
43
Abbildung 4.17: Negative Strahlmyonen: Verteilung der Anzahl von Ereignissen,
die durch den Schnitt aus Abschnitt 4.3.1 entfernt wurden, in einzelnen Spills. Die
Anzahl der Einträge entspricht der Anzahl der Spills in denen vor dem Schnitt
auf tdif f Ereignisse detektiert wurden. Die Summe der Produkte aus Binnummer
und Binhöhe entspricht der Anzahl der Ereignisse. Die im Experiment negativen
Strahlmyonen sind schwarz dargestellt. In hellblau ist das nach Gleichverteilung
simulierte und über 10000 Simulationen gemittelte Histogramm dargestellt.
Abbildung 4.18: Positive Strahlmyonen: Verteilung der Anzahl von Ereignissen in
einzelnen Spills für positive Strahlmyonen. In rot für das Experiment. In hellblau die
nach Gleichverteilung simulierte und über 10000 Simulationen gemittelte Verteilung.
44
4. Datenanalyse
5. Zusammenfassung
Diese Arbeit beschäftigte sich mit den 2012 am COMPASS-Experiment aufgezeichneten Daten der DVCS-Messung. Das Ziel der Arbeit war zu untersuchen, wie die
in dieser Messung vom RICH-Detektor RICH-1 gelieferten Daten zur Myonenidentifikation genutzt werden können.
Diese Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass sich diese Daten zur Identifikation von
Myonen in einem Impulsbereich unter 20 GeV eignen. Allerdings liegen die bei dieser
Messung gestreuten Myonen zu 99 % in einem Impulsbereich über 20 GeV. In diesem
Impulsbereich ist die Annäherung des Tscherenkow-Winkels des Myons an den im
Experiment maximal möglichen Tscherenkow-Winkel bereits soweit fortgeschritten,
dass die ausgesendeten Tscherenkow-Photonen der Myonen nicht mehr von denen
der Pionen unterschieden werden können.
Eine Identifikation der Myonen in einem Impulsbereich zwischen pmin (n) und 20 GeV
kann jedoch unter Berücksichtigung der Likelihood-Werte durchgeführt werden. Hier
wurde, unter den in dieser Arbeit verwendeten Kriterien, festgestellt, dass nur etwa die Hälfte der von PHAST als bestes auslaufendes Myon bezeichneten Teilchen
vom RICH-1 als Myon bestätigt werden können. Wobei weitere 29 % aufgrund des
verwendeten Kriteriums nicht mit dem RICH-1 identifiziert werden konnten. Die
restlichen 21 % wurden nach dem Kriterium als Pionen, Elektronen oder Untergrund
identifiziert. Rückschlüsse auf die Identifikation von PHAST im gesamten Impulsbereich sind jedoch nicht zulässig, da der kleine Impuls der Myonen mit einem großen
Streuwinkel zusammenhängt. Die Rekonstruktion der Myonen erfolgt deshalb über
verschiedene Spektrometerstufen.
Außerdem wurde gezeigt, dass die Breite der Verteilung, der im RICH-1 gemessene Zeit, für die ausgehenden Myonen in derselben Größenordnung liegt, wie die in
der M21 ermittelten Zeit der einlaufenden Myonen. Gleichzeitig wurde untersucht,
ob sich aus der Kombination dieser Zeiten ein Untergrundschnitt ermitteln lässt.
Die Annahme, dass eine große Differenz der beiden Zeiten auf Ereignisse hindeutet,
1
siehe 3.1
46
5. Zusammenfassung
bei denen die Myonen schlecht rekonstruiert wurden, konnte in dieser Arbeit nicht
bestätigt werden. Ein Schnitt auf hohe Differenzen ging hier mit einem Verlust an
Signal einher.
Um diese Beobachtung zu erklären wurde in Betracht gezogen, dass ein bekanntes
‘springen‘ der Zeit in den szintillierenden Fasern des M2 existiert. Durch diese Verfälschung der Zeit des einlaufenden Myon wäre auch Signal von einem Schnitt auf
die Differenz der Zeit betroffen. Falls diese Hypothese zutreffend wäre, müssten sich
vom Schnitt betroffene Ereignisse in von ‘Zeitsprüngen‘ betroffenen Spills häufen.
Deshalb wurde die Verteilung der vom Schnitt betroffenen Ereignisse auf die Spills
des Experiments mit einer unter Gleichverteilung simulierten Verteilung verglichen.
Dieser Vergleich konnte zwar Hinweise auf eine Ungleichverteilung feststellen, allerdings nicht in einer Größenordnung, welche das Signal im oben genannten Zeitschnitt
erklären würde.
Diese Arbeit wurde exemplarisch auf einer Woche Datennahme ausgeführt. Es existieren allerdings noch Daten aus weiteren fünf Wochen. Es wäre interessant zu sehen, wie sich die erhöhte Statistik auf die Ergebnisse auswirkt. Außerdem existieren
aus anderen Analysen sogenannte ‘Bad-Spill‘-Listen, die sich mit den ‘Zeitsprüngen‘
auseinander setzen. Ein Abgleich mit diesen ‘Bad-Spill‘-Listen könnte Aufschluss
darüber bringen, wie das Signal im Schnitt auf die Zeit zu erklären ist.
Literaturverzeichnis
[1] E. Leader and M. Anselmino, “A Crisis in the Parton Model: Where, Oh
Where Is the Proton’s Spin?”, Z.Phys. C41 (1988) 239.
[2] COMPASS Collaboration, C. Adolph et al., “Leading and next-to-leading
order gluon polarization in the nucleon and longitudinal double spin
asymmetries from open charm muoproduction”,Phys. Rev. D 87 (Mar, 2013)
052018. http://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevD.87.052018.
[3] X. Ji, “Deeply virtual Compton scattering”, Phys. Rev. D 55 (1997) 7114,
arXiv:hep-ph/9609381v3.
[4] R. Jaffe and A. Manohar, “The G(1) Problem: Fact and Fantasy on the Spin
of the Proton”, Nucl.Phys. B337 (1990) 509–546.
[5] B. Povh, K. Rith, C. Scholz, and F. Zetsche, “Teilchen und Kerne”,
Springer-Verlag, 2006.
[6] M. Burkardt, C. Miller, and W. Nowak, “Spin-polarized high-energy scattering
of charged leptons on nucleons”, Rept.Prog.Phys. 73 (2010) 016201,
arXiv:0812.2208 [hep-ph].
[7] C. Amsler, M. Doser, M. Antonelli, et al., “Review of Particle Physics”,
Physics Letters B 667, 1-5 (2008) 1–6.
[8] R. Devenish and A. Cooper-Sarkar, “Deep Inelastic Scattering”, Oxford
University Press, 2004.
[9] M. Diehl, “Generalized parton distributions”, Phys.Rept. 388 (2003) 41–277,
arXiv:hep-ph/0307382 [hep-ph].
[10] J. C. Collins, “Light-cone Variables, Rapidity and All That”, (1997) .
[11] A. Belitsky, D. Müller, and A. Kirchner, “Theory of deeply virtual Compton
scattering on the nucleon”, Nuclear Physics B 629 (2002) 323 – 392.
[12] K. Schmidt, “Transverse target spin asymmetries in exclusive vector meson
muonproduction”, PhD thesis, Juni, 2014.
[13] S. V. Goloskokov and P. Kroll, “The target asymmetry in hard vector-meson
electroproduction and parton angular momenta”, Eur. Phys. J. C 59 (2009)
809 – 819.
48
Literaturverzeichnis
[14] COMPASS Collaboration, P. Abbon et al., “The COMPASS experiment at
CERN”, Nucl.Instrum.Meth. A577 (2007) 455–518, arXiv:hep-ex/0703049
[hep-ex].
[15] N. Doble, L. Gatignon, G. von Hotley, and F. Novoskoltsev, “The upgraded
muon beam at the SPS”, Nucl.Instrum.Meth. A343 (1994) 351–362.
[16] M. Leberig and L. Gatignon, “The M2 Beam Line”, Villar Meeting, CERN,
July 2004.
[17] E. Bielert, J. Bremer, N. Doshita, et al., “A 2.5m long liquid hydrogen target
for COMPASS”, Nucl.Instrum.Meth. A746 (2014) 20–25.
[18] C. Bernet, A. Bravar, J. Hannappel, et al., “The COMPASS trigger system for
muon scattering”, Nucl.Instrum.Meth. A550 (2005) 217–240.
[19] CORAL, “COMPASS Reconstruction-l Algorithm Library”,
http://coral.web.cern.ch/coral/.
[20] PHAST, “PHysics Analysis Software Tools”,
http://ges.home.cern.ch/ges/phast.
[21] P. A. Cherenkov, “Visible Radiation Produced by Electron Moving in a
Medium with Velocities Exceeding that of Light ”, Phys. Rev. 52 (1937) 378.
[22] I. Tamm and I. Frank, “Coherent Radiation of Fast Electrons in a Medium ”,
Doklady Akad. Nauk SSSR 14 (1937) 107.
[23] P. Abbon, M. Alekseev, et al., “The COMPASS RICH-1 detector upgrade”,
Eur. Phys. J. Special Topics 162 (2008) 251–257.
[24] P. Abbon, M. Alexeev, H. Angerer, et al., “Particle identification with
COMPASS RICH-1”, Nucl.Instrum.Meth. A631 (2011) 26–39.
[25] A. Amoroso et al., “The front-end electronics for the COMPASS MWPCs”,
Nuclear Instruments and Methods in Physics Research Section A:
Accelerators, Spectrometers, Detectors and Associated Equipment 518 (2004)
no. 1-2, 495 – 497.
[26] M. Alekseev, R. Birsa, et al., “Studies for a fast RICH”, Nucl.Instrum.Meth.
A553 (2005) 53–57.
[27] B. E. Saleh and M. C. Teich, “Fundamentals of Photonics”, John Wiley &
Sons, Inc., ISBN 9780471213741, 1991.
[28] Hamamatsu Photonics, “Photocathode technology 26.07.2014”,
http://www.hamamatsu.com/jp/en/technology/innovation/
photocathode/index.html.
[29] Hamamatsu Photonics, “Multianode Photomultiplier Tube Assembly H8711
SERIES 26.07.2014”,
http://www.hamamatsu.com/resources/pdf/etd/H8711_TPMH1320E.pdf.
Literaturverzeichnis
49
[30] R. Barlow, “Extended maximum likelihood”, Nucl.Instrum.Meth. A297 (1990)
496–506.
[31] A. Groß, “Extraction of cross sections for ρ0 and Φ muoproduction at the
COMPASS experiment”, Master thesis, University of Freiburg, October, 2014.
[32] COMPASS Collaboration, C. Adolph et al., “Leading and Next-to-Leading
Order Gluon Polarization in the Nucleon and Longitudinal Double Spin
Asymmetries from Open Charm Muoproduction”, Phys.Rev. D87 (2013)
052018, arXiv:1211.6849 [hep-ex].
Herunterladen