Didaktik der Algebra - BRG Krems Ringstraße

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S. Hilger, Didaktik der Algebra
Skript zur Vorlesung
Didaktik der Algebra
Dieses Geheft enthält in kompakter, manchmal nur stichpunktartig aufzählender Form, die wesentlichen fachlichen und experimentellen Grundlagen, wie sie in der Vorlesung Didaktik der
”
Algebra“ vorgestellt werden.
Es ist zum Gebrauch neben der Vorlesung gedacht und erhebt nicht den Anspruch, in sich
”
selbst verständlich“ oder vollständig zu sein.
S. Hilger
Dieses Skript im Internet:
http://mathsrv.ku-eichstaett.de/MGF/homes/didphy/skripten/mag.pdf
2
S. Hilger, Didaktik der Algebra
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
1.1 Der Begriff Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Leitideen im Algebra–Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 Zahlen und Zahlbereichserweiterungen
2.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Die Einführung der negativen Zahlen . . . . . .
2.2.1 Das Äquivalenzklassenmodell . . . . . .
2.2.2 Der Geometrische Aspekt (Schulpraxis)
2.2.3 Der Sachweltaspekt . . . . . . . . . . .
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Termbegriff
Historische und allgemein–didaktische Aspekte . . . . . .
Der Syntax–Zugang zum Termbegriff . . . . . . . . . . . .
Der Semantik–Zugang zum Termbegriff . . . . . . . . . .
Terme in der Schulpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.1 Einstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.2 Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.3 Terme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.4 Abkürzende Schreibweise . . . . . . . . . . . . . .
3.4.5 Auswerten von Termen . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.6 Auswerten von Termen mit mehreren Variablen . .
3.4.7 Gliedern von Termen . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.8 Grund– und Definitionsmenge . . . . . . . . . . . .
3.4.9 Äquivalenz von Termen . . . . . . . . . . . . . . .
3.4.10 Nachweis der Nicht–Äquivalenz . . . . . . . . . . .
3.4.11 Nachweis der Äquivalenz: Äquivalenzumformungen
3.5 Vereinfachende Äquivalenzumformungen . . . . . . . . . .
3.6 Der Term–Kurs in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . .
3.6.1 Produktterme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.6.2 Summenterme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.6.3 Multiplikation von Summentermen . . . . . . . . .
3.6.4 Faktorisierung von Summentermen . . . . . . . . .
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4 Gleichungen und Ungleichungen
4.1 Historische Episoden, Klassische und moderne Auffassung
4.2 Wandel der Begriffe von Gleichung und Lösung . . . . . .
4.2.1 Klassische Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.2 Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3 Heute: Pragmatismus in der Schulpraxis . . . . . . . . . .
4.4 Gleichungen: Der Kurs in der Schule . . . . . . . . . . . .
4.5 Gleichungen als Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.5.1 Typische Fehler bei Äquivalenzumformungen . . .
4.6 Quadratische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.6.1 Der Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.6.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.6.3 Lösungsverfahren anhand von Beispielen . . . . . .
4.6.4 Die Lösungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Der
3.1
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3.4
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5 Funktionen
5.1 Mathematische Fundierung . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Schulische Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.1 Der Funktionenfundus der Gymnasialmathematik .
5.2.2 Darstellung von Funktionen als Graphen . . . . . .
6 Anhang
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Literatur
[HS95]
Horst Hischer and Harald Scheid. Grundbegriffe der Analysis. Texte zur Didaktik der
Mathematik. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1995.
[PDS95] Friedhelm Padberg, Rainer Dankwerts, and Martin Stein. Zahlbereiche. Spektrum
Hochschultaschenbücher. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1995.
[Vol94]
Hans-Joachim Vollrath. Algebra in der Sekundarstufe, volume 32 of Lehrbücher und
Monographien zur Didaktik der Mathematik. BI–Wissenschaftsverlag, Mannheim, Leipzig, 1994.
S. Hilger, Didaktik der Algebra
1
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Einführung
1.1
Der Begriff Algebra
• Etymologie: Das Wort Algebra entlehnt sich dem Titel einer Abhandlung des Arabers Abu
Abdallah Muhammed ibn Musa al–Hwarizmi al–Magusi Über quadratische Gleichungen:
al–gabr. (Aus dem Namen al–Hwarizmi entstand das Wort Algorithmus).
calculi sind Steinchen, mit denen die Römer — ohne Nachdenken — rechneten. (Abakus
im Orient, saraban in Japan).
• Historisch: Die obige Schrift wurde ins Lateinische übersetzt und prägte die mitteleuropäische Mathematik. Hier bezeichnete Algebra im wesentlichen die Lehre von den Gleichungen.
• Nach heutigem wissenschaftlich–mathematischen Verständnis umfasst Algebra das Teilgebiet der Mathematik, in dem die Strukturen, genauer: Verknüpfungen, auf einer Menge
untersucht werden. Begriffsbildungen in der Algebra sind Gruppen, Ringe, Körper, Moduln,. . .
• Schulisch: Hier wird Algebra als Gegenüber von Geometrie aufgefasst, sie umfasst das
Umgehen mit Zahlen, Termen und Gleichungen. (Im wissenschaftlich–fachlichen Sinne ist
dies eigentlich die Arithmetik).
1.2
Leitideen im Algebra–Unterricht
• Zahlbereiche:
– Begriffsbildungen:
– Eigenschaften, Besonderheiten.
– Kalkül: Kopfrechnen, Schriftliches Rechnen, Taschenrechner, Computer.
• Abstrakte mathematische Konzepte: Vertrautheit mit den Inhalten, Beherrschung des
Kalküls.
– Variable, Termen: Äquivalenzumformungen.
– Aussageformen, Aussagen.
– Gleichungen, Ungleichungen: Bestimmen von Lösungsmengen.
– Funktionen, Relationen.
– Mengenlehre: Sie ist heute nicht mehr eigener Inhalt. Sie wird dort verwendet, wo ihr
Gehalt und ihre Begriffe nützlich sind.
• Übergeordnete Leitideen: Fundamentale mathematische Denk- und Arbeitsweisen: Formalisieren, Abstrahieren, Axiomatisieren, Beweisen, Mathematisieren, exaktes logisches
Schließen, Veranschaulichen.
•
Zahl — Term — Gleichung — Funktion.
Diese Begriffe bilden eine Art Grundgerüst aus vier Strängen, um die die Schul–Algebra
sich spiralig“ entwickelt. Die Begriffe werden immer wieder neu — bei zunehmender
”
Abstraktion und Komplexität — zum Inhalt des Algebra–Unterrichts.
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S. Hilger, Didaktik der Algebra
2
Zahlen und Zahlbereichserweiterungen
2.1
Überblick
Ein Gymnasial- oder RealSchüler erlebt im Laufe seines mathematischen Werdegangs immer
wieder Erweiterungen der ihm vertrauten Zahlbereiche.
Jgst.
Zahlb.
1
0 . . . 20
2
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5
0 . . . 100 0 . . . 1.000 0 . . . 1.000.000 N0
6
B = Q+
0
7 9
Q R
(11M N G)
C
• Die Zahlbereichserweiterungen sind jeweils begleitet von der Einführung der entsprechend möglichen rechnerischen Operationen.
• Das Umfeld für die Zahlbereiche (hinsichtlich Motivation für die Einführung, Verständnis, Veranschaulichung, Übung) bilden die drei Felder
– Algebra (intrinsisch): Es müssen neue Zahlen und Rechenarten für vermeintlich unlösba”
re“ Probleme (Gleichungen) gefunden werden. Wissenschaftlich steckt hier das Hankel’sche
Permanenzprinzip dahinter:
Bei einer Zahlbereichserweiterung muss der alte Zahlbereich (kanonisch) in dem neuen enthalten sein. Die (Rechen- und Ordnungs-)Strukturen des alten Zahlbereichs
sollen mit denen im neuen verträglich sein.
Beispiel: Bei der Erweiterung von R auf C kann die Ordnungsstruktur nicht bewahrt werden.
Dieses Prinzip ist kein innermathematisches oder gar beweisbares Prinzip, es stellt vielmehr
eine meta–mathematische Vorgehens–Empfehlung für die Erweiterung von Strukturen bereit.
Man kann hier auch von einem heuristischen oder einem induktiven Vorgehen sprechen.
– Sachwelt: Mathematisierung von Situationen aus Natur, Alltag, Technik, Freizeit oder anderen
Schulfächern (Physik, Geographie, Musik, Biologie, Chemie, Werken, Sport,. . . ).
– Geometrie: Insbesondere die Zahlenstrahlvorstellung, Flächenberechnung, Pythagoras,. . .
In der Schulpraxis treten diese drei Felder in Mischformen auf.
• Zum Problem der Reihenfolge der Zahlbereichserweiterungen: Bezüglich des Übergangs N → Q
gibt es grundsätzlich zwei alternative Wege:
N→Z→Q
oder
N → Q+ → Q.
Der erste Weg ist fachmathematisch besser verankert, da er die in der Algebra vorgegebenen kanonischen Strukturerweiterungen
Halbring → Ring → Körper
widerspiegelt. Sowohl historisch als auch entwicklungspsychologisch ist der zweite Weg vorzuziehen:
– Der Zahlbegriff ist eng an die Vorstellung von Größen (Maßzahlaspekt) geknüpft. Hier treten
vor allem Bruchteile und nicht so sehr negative Zahlen in Erscheinung.
– Die geometrisch orientierte griechische Mathematik kannte — sehr fein ausgearbeitet — den
Bruchzahlbegriff. Negative Zahlen sind eine viel jüngere Erfindung.
– Bruchzahlen sind lebensnäher, anschaulicher (Pestalozzi), konkreter (Piaget) als negative Zahlen. ((−1) · (−1) = +1).
– Im Alltagsleben treten (einfache) Bruchteile auf, nicht aber negative Zahlen.
– Diese Beobachtung korrespondiert auch mit der Mathematik der Grund und Hauptschule.
Bereits in der Grundschule werden einfachste Bruchteile thematisiert, bis vor kurzem kannte
der HS–Lehrplan nicht den Begriff der negativen Zahl.
– Nicht zuletzt spricht eine gut akzeptierte Unterrichtstradition für den zweiten Weg.
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S. Hilger, Didaktik der Algebra
2.2
Die Einführung der negativen Zahlen
Die Notwendigkeit der Einführung der negativen Zahlen bei bekannter Menge B der Bruchzahlen (inkl.
Null) kann inner–algebraisch durch einen Mangel“ nahegelegt werden, der — entsprechend den oben
”
beschriebenen Strängen — wie folgt formuliert werden kann:
• In der Menge der (nicht–negativen) Bruchzahlen B gibt es einen Mangel:
Die Gleichung 59 + x = 27 besitzt keine Lösung in B.
• Der Term 27 − 59 kann in B nicht berechnet werden.
• Der Operator (die Funktion) −59 kann nicht auf die Zahl 27 angewandt werden.
Es müssen also neue Zahlen geschöpft“ werden.
”
2.2.1
Das Äquivalenzklassenmodell
Mathematisch–wissenschaftlich bedeutet dies, es müssen solche Zahlen, Zahlbereiche und Strukturen —
als Mengen — mit den Mitteln der Mengenlehre und im Rahmen ihrer Axiomatik konstruiert werden.
Kurzbeschreibung dieses Vorgehens:
1. Vorgegeben sei die Menge der nichtnegativen Bruchzahlen B = Q+
0 oder allgemeiner eine Halbgruppe (oder Halbring), in der eine Gleichung der Form x + a = b, a, b ∈ B, höchstens eine Lösung
x ∈ B besitzt.
2. Bilde das kartesische Produkt
B × B = (a, b) a ∈ B, b ∈ B .
3. Auf B × B wird eine Relation definiert:
def
(a, b) ∼ (c, d) ⇐⇒ a + d = c + b.
Diese Definition könnte man viel anschaulicher auch durch die Gleichung a − b = c − d vollziehen.
Beachte aber, dass die in dieser Gleichung auftretenden Terme wegen des oben beschriebenen
Mangels a priori im allgemeinen nicht wohldefiniert sind.
4. Diese Relation ist reflexiv, symmetrisch und transitiv, also eine Äquivalenzrelation.
Beweis
• Wegen a + b = a + b gilt (a, b) ∼ (a, b), also Reflexivität.
• Es gelte (a, b) ∼ (c, d). Dann gilt
a+d=c+b
=⇒
c+b=a+d
=⇒
(c, d) ∼ (a, b)
und damit Symmetrie.
• Zum Beweis der Transitivität folgern wir
(a, b) ∼ (c, d)
a+d=c+b
=⇒
(c, d) ∼ (e, f )
c+f =e+d
a+d+c+f =c+b+e+d
EinAuf
=⇒
a+f =b+e
=⇒
=⇒
=⇒
a + f + (c + d) = b + c + (c + d)
(a, b) ∼ (e, f ).
5. Die rationalen (inklusive negativen) Zahlen werden nun definiert als die Äquivalenzklassen [(a, b)]
dieser Äquivalenzrelation.
Q := [(a, b)] ∈ P(B × B) a ∈ B, b ∈ B
7
S. Hilger, Didaktik der Algebra
6. Weitere Begriffsbildungen:
• In jeder Äquivalenzklasse gibt es genau ein Paar (a, b), das eine der Bedingungen in der
folgenden Tabelle erfüllt. Die zugehörige Klasse erhält dann eine besondere Schreibweise und
eine Eigenschaft zugeordnet.
a 6= 0 und b = 0
a = 0 und b 6= 0
a = 0 und b = 0
[(a, b)] = +a = a
[(a, b)] = −b
[(a, b)] = 0
positiv
negativ
Null
Die Zeichen + oder − sind (hier) Bestandteile der Zahlnotation, es sind keine Rechenzeichen.
Einführung der Mengensymbole Q+ , Q− .
• Eine Zahl, die nicht negativ (d.h. positiv oder Null) ist, heißt nicht–negativ. Entsprechend
wird nicht–positiv definiert.
−
• Einführung der Mengensymbole Q+
0 = B, Q0 .
• Die Menge der (bisherigen) nicht–negativen Bruchzahlen B kann mittels der Identifizierung
a = [(a, 0)] als Teilmenge der Menge der rationalen Zahlen aufgefasst werden. Also
N ⊂ N0 ⊂ B ⊂ Q.
• Die Zahl b ∈ Q heißt Gegenzahl von a, wenn sie die gespiegelten Relationen der Relationen
aus a enthält.
• Die Zahl b ∈ B heißt Absolutbetrag von a ∈ Q, wenn sie identisch oder Gegenzahl zu a ist.
Symbolisch: |a|.
7. Die lineare Ordnung auf Q wird wie folgt definiert:
a<b
⇐⇒
a, b nicht–negativ und a < b
oder
a negativ und b positiv
oder
a, b nicht–positiv und |b| < |a|.
8. Addition und Subtraktion
• Die Addition wird koordinatenweise definiert.
[(a, b)] + [(c, d)] := [(a + c, b + d)].
Man muss zeigen, dass diese Definition unabhängig von den ausgewählten Vertretern a, b der
Äquivalenzklasse ist.
• Es ergeben sich die Rechengesetze einer Abel’schen Gruppe.
• Die Subtraktion ist definiert als die Addition des inversen Elements:
a − b := a + (−b)
Diese Gleichung beinhaltet also eine Definition des Rechenzeichens minus“.
”
9. Multiplikation
+|a| · |b|, wenn a und b gleiches Vorzeichen haben,
a · b :=
−|a| · |b|, wenn a und b verschiedene Vorzeichen haben.
Warum trifft man gerade dies Definition? Eine Antwort kann man mit dem Hankel’schen Permanenzprinzip geben. Die Erweiterung der Multiplikation auf alle rationalen Zahlen soll so gestaltet
werden, dass die Rechengesetze —- hier das Distributivgesetz — gültig bleiben.
(a) Für a > 0, b > 0 ist die Multiplikation bereits festgelegt.
(b) Es sei a < 0, b > 0. Dann gilt — unter heuristischer Vorwegnahme des Distributivgesetzes —
DG
=⇒
0 = 0 · b = (a + |a|) · b = a · b + |a| · b
a · b = −(|a| · b)
8
S. Hilger, Didaktik der Algebra
(c) Es sei a > 0, b < 0. Dann gilt — unter heuristischer Vorwegnahme des Kommutativgesetzes
—
KG
2
a · b = b · a = −(|b| · a) = −(a · |b|).
(d) Es sei a > 0, b < 0. Dann gilt — unter heuristischer Vorwegnahme des Distributivgesetzes —
DG
=⇒
3
0 = 0 · b = (a + |a|) · b = a · b + |a| · b = a · b + [−(|a| · |b|)]
a · b = |a| · |b|.
10. Die Division ist definiert als die Umkehroperation der Multiplikation.
11. Insgesamt zeigt sich, dass in dieser Erweiterung Q von B alle Rechengesetze über einen linear
geordneten Körper sind.
Eine Menge mit zwei Verknüpfungen, genauer: das Tripel (M, ⊕, ⊗) heißt Körper, wenn die Eigenschaften
• (AG/A), (KG/A), (NE/A), (EiL/A), (ExL/A),
• (AG/M), (KG/M), (NE/M), (EiL/M), (ExL/M),
• (DG)
erfüllt sind.
12.
• Q ist die Ring–Erweiterung des Halbrings B. Da in B bereits (EiL/M), (ExL/M) gelten, ist
Q ein Körper.
• Bei Wahl der anderen Reihenfolge der Zahlbereichserweiterungen kann man auch sagen, dass
Q der Quotientenkörper des Integritätsrings Z ist. Man schreibt dann auch Q = Q(Z).
9
S. Hilger, Didaktik der Algebra
2.2.2
Der Geometrische Aspekt (Schulpraxis)
Hier wird die Vorstellung der Menge der Zahlen als Zahlenstrahl instrumentalisiert. Dieser Aspekt liegt
dem in der Schulpraxis meist angewandten Verfahren zur Erarbeitung der negativen Zahlen zugrunde.
1. Vorgegeben (Bekannt evtl. auch aus der 5. Jahrgangsstufe):
• Positive Bruchzahlen werden durch rechts–weisende Pfeile am Zahlenstrahl dargestellt. Bei
festgelegter Einheit (meist 1 cm) repräsentiert die Länge des Pfeils die Zahl. Je nach Kontext
ist der Pfeil mit Fußpunkt 0 ein besonderer“ Repräsentant der Zahl. (Der Vektorbegriff
”
drängt sich hier auf, sollte aber wegen des Abstraktionsgrades und des Begriffsaufwands
vermieden werden.)
• Addition: Der Fußpunkt des 2. Summanden wird an Spitze des 1. Summanden gesetzt. Der
Ergebnis“–Pfeil ist dann durch die Spitze des Gesamtpfeils bei Fußpunkt Null charakterisiert.
”
• Subtraktion: Die Spitze des Subtrahenden wird an Spitze des Minuenden gesetzt. Die Differenz
wird dann durch den Pfeil mit Fußpunkt Null und Spitze gleich Fußpunkt des Subtrahenden
dargestellt.
2. Bei Subtraktion eines Subtrahenden, der größer ist als der Minuend, ist das Ergebnis ein links–
weisender Pfeil. Dies ist Anlaß, neue Zahlen einzuführen, die diesen Pfeilen entsprechen. Man nennt
sie negative Zahlen. Die ursprünglichen (zu den rechts–weisenden Pfeilen gehörenden) Zahlen heißen
dann auch positiv.
3. Die Menge aller Zahlen, die auf diese Weise auf dem Zahlenstrahl darstellbar sind, heißt die Menge
der rationalen Zahlen. Sie wird mit Q ( Quotient“) bezeichnet.
”
Q+ ,
Q− ,
Q+
0 = B,
Q−
0
Begriffe der nicht–positiven und nicht–negativen Zahlen.
4. Die Zahl, die durch einen links–weisenden Pfeil der Länge n repräsentiert wird, wird mit −n
bezeichnet. Dabei ist das Minuszeichen Bestandteil der Zahlschreibweise, es symbolisiert (noch)
nicht eine Operation, die auf n angewandt wird.
5. Der Abstand einer rationalen Zahl vom Nullpunkt heißt (Absolut-)Betrag dieser Zahl.
Beispiele:
| − 2, 4| = 2, 4,
|5| = 5,
5
5
|− |= ,
3
3
|0| = 0.
Der Absolutbetrag ist also immer eine nicht–negative Zahl.
Mögliche Fehler beim (späteren) Rechnen mit Beträgen:
?
• |3 − 5| = 3 + 5 = 8
?
• |3 − 5| = |3| − |5| = 3 − 5 = −2
• | − a| = a
(Variable kommen erst später ins Spiel)
Vorsicht also mit der Kurzformel Das Vorzeichen weglassen!“
”
Sachweltbezug: Steuerberater(-kosten), Meereshöhe, Berghöhe (Seillänge),. . .
6. Zwei verschiedene Zahlen, die am Zahlenstrahl den gleichen Abstand zur Null (Absolutbetrag)
haben, heißen Gegenzahlen (zueinander). Die Null ist Gegenzahl zu sich selbst.
Oder:
Zwei Zahlen, die bezüglich der Null symmetrisch zueinander auf dem Zahlenstrahl liegen, heißen
Gegenzahlen (zueinander).
Hinweise:
Man kann noch nicht die Multiplikation mit −1 zur Definition heranziehen.
Die Symmetrie ist Inhalt des aktuellen Geometrie–Unterrichts.
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S. Hilger, Didaktik der Algebra
Damit kann der Absolutbetrag als abschnittsweise definierte Funktion dargestellt werden
(Propädeutik des Funktionsbegriffs):
a, falls a nicht–negativ,
|a| =
Gegenzahl zu a,
falls a negativ.
7. Eine rationale Zahl a ist kleiner als eine andere rationale Zahl b, symbolisch:
a<b
oder (äquivalent)
b > a,
wenn a auf dem Zahlenstrahl links von (Ungünstig: vor) b liegt.
Bei einer vertikalen Ausrichtung des Zahlenstrahls (beispielsweise im Koordinatensystem) liegt die
kleinere Zahl unterhalb.
Fehler: −3 < −5.
Bereits bekannt ist der Umgang mit den Relationszeichen ≤ und ≥. Sie sollen hier ebenfalls (im
Sinne des Spiralprinzips) wieder thematisiert werden.
8. Addition und Subtraktion. Ziel ist es jetzt, unter Beibehaltung der bisherigen Regeln, Gesetzmäßigkeiten für die Addition und Subtraktion beliebiger (positiver oder negativer) Zahlen zu erarbeiten.
Man erhält eine Regel, die beispielsweise so formuliert werden kann:
ADDITION:
Bei gleichen Vorzeichen addieren wir die Beträge und
geben der Summe das Vorzeichen der Summanden.
Bei verschiedenen Vorzeichen subtrahieren wir vom größeren Betrag den kleineren und
geben der Differenz das Vorzeichen der Zahl mit dem größeren Betrag.
Wie sonst auch bei der Anwendung solcher Regeln muss anfangs die Regel im Wortlaut umgesetzt
werden, später entsteht ein intuitiv einsichtiger Umgang mit dieser Rechensituation.
SUBTRAKTION:
Subtrahieren einer Zahl bedeutet: Addieren der Gegenzahl!
a − (+b) = a + (−b) a − (−b) = a + (+b)
9. Die Plusklammerregel. Beispiel:
8 + (−17 + 12) = 8 − 5 = 3
8 − 17 + 12 = −9 + 12 = 3
3 + (+5 − 7) = −9 + 12 = 1
3+5−7 = 8−7 = 1
( ∗ Ergänze durch Farben und Pfeile ∗ )
Plusklammerregel:
Plusklammern (d.h. Klammern und Pluszeichen vor der Klammer) dürfen einfach weggelassen werden.
Gegebenenfalls muss ein Pluszeichen vorher ergänzt werden.
11
S. Hilger, Didaktik der Algebra
10. Die Minusklammerregel. Beispiel:
8 − (−13) =
8 + 13 =
8 + 13
= 21
= 11
8 − (−13 + 16) =
8 + 13 − 16 =
8−3
= 5
= 5
8 − (+4 − 5) = 8 − (−1) = 9
8−4+5 =
= 9
( ∗ Ergänze durch Farben und Pfeile ∗ )
Minusklammerregel: Minusklammern (d.h. Klammern und Minuszeichen vor der Klammer) dürfen
weggelassen werden, wenn alle Vorzeichen in der Klammer geändert werden.
Gegebenenfalls muss ein Pluszeichen vorher ergänzt werden.
Fehlerquelle beim dritten Beispiel: Das erste Minuszeichen wird in ein Pluszeichen geändert.
11. Multiplikation. Die Multiplikation und die Division lassen sich nur schwer außermathematisch oder
geometrisch fundieren. (Wo in der Sachwelt oder Geometrie wird die Regel minus mal minus gleich
”
plus“ plausibel?) Wir wollen daher von dem geometrischen Gedankengang abweichen.
Fips Luftikus sagt zum Gerichtsvollzieher: Sie brauchen nicht zu pfänden, mein Kontostand hat sich verdreifacht.
Die der Multiplikation zugrundeliegende Auffassung vom Vervielfachen und das Kommutativgesetz
läßt sich zunächst verwenden, um das Vorzeichen eines Produkts bei nur einem negativen Faktor
plausibel zu machen:
Beispiel:
(+3) · (+4)
(+3) · (−4)
=
=
(−3) · (+4)
(−3)·)(−4)
KG
=
=
4 + 4 + 4 = 12
Fortgesetzte Addition
(−4) + (−4) + (−4) = −12
(+4) · (−3) = −12
??
Um auch das Vorzeichen bei zwei negativen Faktoren zu bestimmen, ist der (inner–)mathematische
Zugang über das Distributivgesetz wohl am einsichtigsten:
DG
(−3) · (−2) + (−3) · (+2) = (−3) · [(−2) + (+2)] = (−3) · 0 = 0.
Addition des Terms (−3) · (+2) auf beiden Seiten führt auf
(−3) · (−2) = +6.
Wenn dieser Zugang — abhängig von Kenntnisstand und Niveau in der Klasse — als zu abstrakt
eingeordnet werden muß, so kann man auch ein Bildungsgesetz“ heranziehen:
”
(−3) · 3 = −9
(−3) · 2 = −6
(−3) · 1 = −3
(−3) · 0 = 0
(−3) · (−1) = ??
(−3) · (−2) = ??
12
S. Hilger, Didaktik der Algebra
Die Ergebnisse +3 und +6 für die letzten beiden Zeilen drängen sich auf.
Als Regel läßt sich festhalten:
Zwei rationale Zahlen werden multipliziert, indem man
• ihre Beträge multipliziert und
+
• dem Produkt ein
als Vorzeichen gibt, wenn die beiden Faktoren
−
gleiche
Vorzeichen haben.
verschiedene
Dann: Verallgemeinerung auf mehrere Faktoren (Übung, Beispiele, evtl. als Regel).
Eine hilfreiche Beobachtung ist, dass sich bei Änderung des Vorzeichens einer der Faktoren das
Vorzeichen des Produkts ändert.
12. Der Spezialfall der Multiplikation mit −1 ist sehr wichtig und in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen im Hinblick auf das spätere Rechnen mit Termen.
Die Multiplikation mit −1 bedeutet eine Änderung des Vorzeichens.
Bereits hier kann man herausarbeiten, dass Multiplikation einer Differenz mit −1 gleichbedeutend
ist mit einer Vertauschung von Minuend und Subtrahend. Beispiele:
(−1) · (5 − 3) = (−1) · 2 = −2 = 3 − 5
(−1) · [(−2) − 5] = (−1) · (−7) = +7 = 5 − (−2)
Alternativ gibt es für die minus mal minus“–Situation den Zugang von Castelnuovo (1968): Recht”
”
ecksflächenberechnung im Koordinatensystem“, siehe [Vol94, S. 53].
Eine Anwendung der Multiplikations–Vorzeichen–Regeln in der Physik tritt bei Gesetzen über
Kräfte auf, die sowohl anziehend als auch abstoßend sein können. So lautet beispielsweise das
Coulomb–Gesetz für die Kraft zwischen zwei el. Ladungen:
F~12 =
u
Q1
Q1 · Q2
· ~e12
4πε0 εr · r2
u
...............................................................................
Q2
F~12
............................................
~e12
legt die Einheitsrichutng fest
Eine analoge Situation liegt für magnetische Kräfte vor. Magnetische Kräfte sind im Alltag bzw.
im Experiment leichter zu beobachten, die mathematische Formulierung des zugehörigen Gesetzes
ist deutlich anspruchsvoller.
Gerade wegen der unterschiedlichen Kraftrichtungen sind die verursachenden Größen (el. Ladungen
bzw. el. Ströme) vorzeichenbehaftet.
Der Hinweis auf diese physikalischen Situationen kann nicht oder nur sehr bedingt in den Unterricht der 7. JGS eingebrachte werden. Er beinhaltet vielmehr eine später mögliche physikalisch
begründete Einsicht in die Konsistenz der Multiplikationsregel.
13
S. Hilger, Didaktik der Algebra
13. Die Regeln für die Division ergeben sich aus denen der Multiplikation, wenn man beachtet, dass es
sich um die Umkehroperation handelt:
20 :
5
20 : (−5)
(−20) :
5
(−20) : (−5)
= 4,
= −4,
= −4,
= 4,
da
da
da
(−4) · (−5) = 20
(−4) · 5
= −20
4 · (−5) = −20
Aus diesem Beispiel kann man — induktiv — auf die allgemeine Regel schließen, die — analog zu
der der Multiplikation — formuliert werden kann:
Zwei rationale Zahlen werden dividiert, indem man
• ihre Beträge dividiert und
+
• dem Produkt ein
als Vorzeichen gibt, wenn die beiden Faktoren
−
gleiche
Vorzeichen haben.
verschiedene
Alternativ kann man zunächst den Kehrbruch einer rationalen Zahl ermitteln mit Hilfe der Beobachtung, dass
Bruch · Kehrbruch = 1.
ist. Es stellt sich dabei heraus, dass der Kehrbruch einer negativen Zahl gleich dem negativen
Kehrwert des Absolutbetrags ist.
Merke: Der Kehrwert einer rationalen Zahl a 6= 0 hat
• das gleiche Vorzeichen wie a,
• den gleichen Betrag wie der Kehrwert des Betrags von a.
Die Vorzeichenregel für die Division ergibt sich dann mit der aus der Bruchrechnung bekannten
Tatsache, dass die Division das gleiche ist wie die Multiplikation mit dem Kehrbruch.
Beachte die aus der bisherigen (Bruch–)Rechnung bekannte Tatsache, dass die Division durch Null
sinnlos ist. (Die Formulierung als Verbot ist ungünstig.)
Zusatz:
• Die Multiplikation einer Zahl mit −1
• die Division einer Zahl durch −1
und
• Änderung des Vorzeichens einer Zahl
bedeuten das gleiche.
und
S. Hilger, Didaktik der Algebra
2.2.3
14
Der Sachweltaspekt
Modelle:
• Temperaturen: Hier ist der Begriff minus“ auch im Alltag präsent. Problem später: Addition und
”
Subtraktion von Temperaturen gibt es nicht (Unterscheide Temperaturen und Temperturunterschiede).
• Schuldenmodell: Schulden werden als negatives Guthaben gewertet.
• Jahreszahlen: Vor Christi Geburt“ und nach Christi Geburt“. Ein Problem hier ist, dass Jahres”
”
zahlen Zeitintervalle und nicht Zeitpunkte beschreiben. Der Zeitraum 8 v.C. – 7 n.C. umfasst 16
Jahre, da es ein Jahr Null gibt.
• Höhenangaben in der Geographie: Über bzw. unter Normal Null (NN). (Die tiefste Landstelle der
Welt ist in Israel: 353 u. NN)
• In der Physik treten langsam zunehmend (etwa ab der 10. Jgst.) immer mehr negative Größenwerte
(Spannungen, Ladungen, Kräfte, Wegstrecken, Zeitspannen, Stromstärken, . . . ) auf.
S. Hilger, Didaktik der Algebra
3
15
Der Termbegriff
3.1
Historische und allgemein–didaktische Aspekte
Ich kann kaum mit Zahlen rechnen, wie soll ich dann mit Buchstaben umgehen?
Das Rechnen mit Termen weist gegenüber dem Rechnen mit Zahlen einen qualitativ höheren Abstraktheitsgrad auf. Aufgrunddessen ist es einerseits schwieriger, andererseits aber auch sehr erfolgreich“.
”
• Propädeutik des Funktions- bzw. Operatorbegriffs.
• Baupläne, Flußdiagramme.
•
Termgeometrie“.
”
16
S. Hilger, Didaktik der Algebra
3.2
Der Syntax–Zugang zum Termbegriff
Syntax ist allgemein die Lehre von den Regeln, die das Zusammenstellen von Zeichen und Wörtern in
einer Sprache beschreiben.
Ein Term ist lediglich eine Folge von Symbolen (Zeichen)“. Die mathematische Ausgestaltung dieses
”
Aspekts geschieht — grob beschrieben — wie folgt:
1. Vorgegeben ist ein Alphabet, das ist eine beliebige Menge A, deren Elemente in diesem Zusammenhang Symbole oder Buchstaben heißen. Zum Beispiel ist dies
n
A =
0, 1, . . . , 9, a, b, . . . , z, A, B, . . . , Z,
o
√
α, β, . . . , ω, +, −, ·, :, /,
,
, ↑, =, (, ), [, ], {, }, t
2. Ein Term (fachmathematisch: Wort) ist eine Abbildung T : N → A mit T (n) = t für fast alle
n ∈ N.
3. Die Syntax“ legt fest, dass nur eine Teilmenge der Menge aller Terme als erlaubt oder sinnvoll
”
gilt.
4. Der Kalkül legt Regeln fest, welche Terme äquivalent sind. Beispiel: Ein Paar den Term einschließende Klammern kann entfernt werden
(a + b) ∼ a + b
oder
(a + b) ↑ 2 ∼ a ↑ 2 + 2 · a · b + b ↑ 2
5. Optional kann noch eine Quasi–Ordnung (antisymmetrische und transitive Relation) ist einfacher
”
als“ auf der Menge aller Terme durch Regeln festgelegt werden:
T1 ist einfacher als T2
Ziel des Manipulierens von Termen ist dann die Vereinfachung, das heißt das Auffinden eines
möglichst einfachen äquivalenten Terms zu einem vorgegebenen Term.
Eine andere Möglichkeit, die Menge aller erlaubten Terme festzulegen, besteht in der Rekursiven Definition. Sehr ungenau kann dies an dem folgenden Beispiel verdeutlicht werden:
1. Jede Zahl ist ein Term.
2. Jede Variable ist ein Term.
3. Sind T1 und T2 Terme, so sind auch Terme:
T1 + T2 ,
T 1 − T2 ,
T 1 · T2 ,
T1 /T2
4. Und so weiter . . .
In einem solchen rekursiv definierten Termsystem entsteht das Entscheidbarkeitsproblem: Kann man
von jedem vorgegebenen Term T entscheiden, ob er in endlich vielen Schritten gemäß der Rekursionsregeln bildbar ist oder nicht. Kurt Gödel: Das Axiomensystem unserer“ Mathematik ist unvollständig:
”
Es gibt immer Terme, von denen nicht entschieden werden kann, ob sie bildbar sind. Dieses Problem
kann auch nicht durch Hinzunahme weiterer Regeln (Axiome) behoben werden. (Dieses mathematische
Grundlagenphänomen wird in dem Buch Gödel, Escher, Bach“ von D.R. Hofstadter populär auseinan”
dergesetzt.)
Die Syntax-Mathematik ist die Grundlage der Symbolischen–Algebra–Computersysteme wie DERIVE,
MAPLE, MATHEMATICA. Sie ist Bestandteil der Theoretischen Informatik.
17
S. Hilger, Didaktik der Algebra
3.3
Der Semantik–Zugang zum Termbegriff
Semantik bedeutet allgemein die Lehre von der inhaltlichen Bedeutung von Zeichen, Wörtern und Sätzen
in einer Sprache.
Hier wird schon der spätere Funktionsbegriff vorweggenommen. Terme sind Vorschriften“, die es gestat”
ten, beim Einsetzen von Zahlen neue Zahlen zu erhalten. Es wird aber noch nicht der Funktionsbegriff in
seiner vollen Bedeutung (mit Definitionsmenge, Wertemenge, Umkehrbarkeit, graphischer Darstellung)
herangezogen.
3.4
Terme in der Schulpraxis
Hier geschieht ein ständiges unausgesprochenes Wechselspiel zwischen formaler (Syntax) und inhaltlicher
(Semantik) Auffassung.
Verblaßt bei Schülern die Einsicht, dass Terme die Möglichkeit des Einsetzens von Zahlen in sich bergen
und daher der Umgang mit ihnen sich als natürlich–gesetzmäßig begründen läßt, so neigen sie dazu, den
Termkalkül als ein Gebäude von formal–positivistischen Gesetzen anzusehen, nach dem sie — weil es halt
so vorgeschrieben ist — verfahren müssen.
3.4.1
Einstieg
Ganz allgemein läßt sich ein Einstieg beispielsweise — unter dem Semantik–Aspekt — über ein Sachwelt–
Beispiel zur Zusammensetzung
Gesamtkosten = Fixkosten + Variable Kosten
herstellen. Beispiele sind:
• Was kostet eine Nintendo– (bzw. Gameboy–)Ausstattung mit 2, 3, 4, . . . , x Spielen?
• Telefonrechnung: Grundgebühr plus Kosten für die Einheiten.
• Stromrechnung.
Diese Beispiele führen auf einen vergleichsweise einfachen linearen (fachlich: affinen) Term a · x + b.
In der Folge sind einige Begriffe genauer zu klären oder zu erläutern.
3.4.2
Variable
Symbole wie , 4, ?, x, y, z, a, b, c, . . ., an deren Stelle (rationale bzw. reelle) Zahlen eingesetzt werden
können, heißen in der Mathematik Variable (in der Grundschule: Platzhalter).
3.4.3
Terme
Rechenausdrücke, in denen
• Zahlen und/oder Variable
• einzeln oder durch Rechenzeichen verknüpft
auftreten, heißen in der Mathematik Terme.
Beispiele:
25 a 3 + 24 · x 26a4 + 26x3
a2 + b2 − c2
Hinweise:
• Rechenzeichen sind auch Klammern, Bruchstriche, Hochstellen.
• Der Malpunkt zwischen Zahl und Variable oder zwischen Variable und Variable kann weggelassen
werden. Dies entspricht dem Sprachgebrauch Zwei Semmeln“ anstelle von Zwei mal Semmel“.
”
”
Ein Konflikt entsteht hinsichtlich der Angabe von Größen in gemischten Einheiten (3 m25 cm =
3 m + 25 cm und nicht 3 m25 cm = 3 m · 25 cm) oder gemischten Zahlen (3 52 = 3 + 25 und nicht
3 25 = 3 · 25 ).
18
S. Hilger, Didaktik der Algebra
• Konvention: Potenz vor Punkt vor Strich (Po vor Pu vor S).
• Klammern: Gewöhnlich werden in der Reihenfolge von innen nach außen runde, eckige und geschweifte Klammern benutzt. Dies ist als Hilfestellung, nicht als unumstößliche Regel anzusehen.
3.4.4
Abkürzende Schreibweise
Für Terme gibt es eine abkürzende Schreibweise der Form
T(
),
gesprochen:
T von . . .
In die Lücke zwischen den Klammern werden die Variablen eingetragen.
• Die einzelnen Variablen werden durch Semikola voneinander getrennt, da in der Schule das Komma
der Dezimalbruch–Darstellung von Zahlen vorbehalten ist.
• Verschiedene Terme können durch Indizes (tiefgestellte Zahlen) gekennzeichnet werden.
• Beachte, dass alle Variable, die in einem Term auftreten, in der Klammerliste enthalten sein müssen.
• Die Variablen in der Klammerliste werden — per Konvention — im allgemeinen alphabetisch
angeordnet. Fachlich ist dies ohne Bedeutung.
• Auch die Variablennamen sind eigentlich ohne Bedeutung, die Terme T3 und T7 sollten von vornherein als gleich angesehen werden.
Diese Idee liegt auch der Definition von Funktionen oder Prozeduren beim Programmieren (B:
PACSAL, C) zugrunde. Für die Weiterverwendung der Funktion oder Prozedur im Programm
oder das Kompilieren ist der Variablenname ohne jede Bedeutung.
Beispiele sind:
T1 (x) = x2 − 25
1
T2 () = −2
T3 (a) = 2 · a − 35 + 28a
2
x
T4 (x) = 10
(Bremsweg)
3.4.5
T5 (a; b) = a2 − b2
T6 (x; ; f ) = x − f
T7 (x) = 2 · x − 35 + 28x
2
x
x
T8 (x) = 10
+ 3 · 10
(Anhalteweg)
Auswerten von Termen
Unter dem Auswerten eines Terms versteht man, dass anstelle der Variablen Zahlen eingesetzt werden
(alternative Sprechweise: die Variablen mit Zahlen belegt) werden. Dabei nimmt der Term einen Wert an.
Beispiele:
T1 (2) = 22 − 25 = 4 − 25 = −21
1
1
3
T1 (− ) = (− )2 − 25 = −24
2
2
4
1
1
=−
−4 − 2
6
5
5
5 3
T3 ( ) = 2 · − + 28 6 = . . .
6
6 5
20 2
40 2
T4 (20) =
=4
T4 (40) =
= 16
10
10
100 2
100
T8 (100) =
+3·
= 130
10
10
T2 (−4) =
Übungsaufgaben bestehen darin, dass Tabellen mit den Termwerten angelegt werden. Das Eintragen von
Kreuzen in ein Koordinatensystem oder gar das Erstellen von Graphen würde den Charakter von Termen
als Wertzuweiser“ zu sehr verschleiern. Dies sollte später im Kontext des Funktionsbegriffs erfolgen.
”
S. Hilger, Didaktik der Algebra
3.4.6
19
Auswerten von Termen mit mehreren Variablen
Anhand der obigen Beispiele:
1
1
=−
−4 − 2
6
T5 (13; 5) = 132 − 52 = 144
T6 (2; 3; 12) = 23 − 12 = −4
T2 (−4)
=
Treten in einem Term . . .
• verschiedene Variable auf, so dürfen sie mit verschiedenen oder gleichen Zahlen belegt werden.
• dieselben Variablen (mehrmals) auf, so müssen sie mit derselben Zahl belegt werden.
In dem Term–Kurs wird ständig zwischen den Ebenen
1 Variable — mehrere Variable
gewechselt, ohne dass dies extra deutlich gemacht würde.
3.4.7
Gliedern von Termen
Hier tritt wieder der Syntax–Aspekt des Termbegriffs stärker hervor.
• Fachwörter — Text — Termbaum
• Einstieg: Es soll ein Term beschrieben werden, ohne dass dabei Rechenzeichen genannt werden.
• Merke: Bei der Termgliederung muß genau in der umgekehrten Reihenfolge vorgegangen werden
wie bei der Auswertung nach einer Variablenbelegung.
• Idee der Unterklammerung.
3.4.8
Grund– und Definitionsmenge
Diese Begriffe werden definiert für den Fall von Termen mit beliebig vielen Variablen, in Beispielen wird
diese Definition dann aber nur für Terme mit einer Variable umgesetzt.
Die Menge, deren Elemente für die Einsetzung anstelle einer Variablen vorgesehen sind, heißt Grundmenge
G des Terms.
Wenn nicht anders vereinbart, ist G = Q, ab der 9. JGS. G = R.
Die Menge der Elemente aus der Grundmenge, die für eine Variable eingesetzt werden dürfen (oder:
sinnvoll eingesetzt werden können), heißt Definitionsmenge D des Terms.
Die Unterscheidung zwischen Grund- und Definitionsmenge ist dann sinnvoll, wenn Divisionen von (Teil–
)Termen auftreten. Der Divisor–Teilterm darf nicht den Wert Null annehmen.
Im Kontext der Bemühung, das — vermeintlich (?) — überzogene Begriffssystem der Schulmathematik
zu verschlanken, gibt es den Ansatz, einen der beiden Begriffe ganz zu vermeiden und die Problematik
der nicht–zulässigen Einsetzungen da zu behandeln, wo man ihr begegnet.
20
S. Hilger, Didaktik der Algebra
3.4.9
Äquivalenz von Termen
Beispiel: Ein quadratisches Grundstück soll eingezäunt werden. Auf jeder Seite sollen n Pfähle mit immer
gleichem Abstand stehen. Wie viele Pfähle müssen eingepflockt werden?
u u u u u u
u
u
u
n=7
u
u
u u u u u u
u
u
u
u
u
u
u
r r r r r r r r r r r
r
r
r
r
r
r
r
r
r
r
n = 11
r
r
r
r
r
r
r
r
r r r r r r r r r r r
p p p p p p p p p p p p p p p
p
p
p
p
p
p
p
p
n = 16
p
p
p
p
p
p
p p p p p p p p p p p p p p p
p
p
p
p
p
p
p
p
p
p
p
p
p
p
p
p
Lösung: Je nach Mathematisierung dieses Sachverhalts stößt man auf verschiedene“ Terme:
”
• T1 (n) = n + (n − 1) + (n − 1) + (n − 2)
• T2 (n) = n + n + (n − 2) + (n − 2)
• T3 (n) = 2 · n + 2 · (n − 2)
• T4 (n) = 4 · (n − 1)
• T5 (n) = n2 − (n − 2)2
Die Grundmenge ist jeweils G = {2; 3; 4; . . .}. Wir werten die Terme für verschiedene n aus:
(Man könnte
zunächst auf die Idee kommen, dass Ti nur Quadratzahlen als Werte annimmt)
Term
T1 (n) = n + (n − 1) + (n − 1) + (n − 2)
T2 (n) = n + n + (n − 2) + (n − 2)
T3 (n) = 2 · n + 2 · (n − 2)
T4 (n) = 4 · (n − 1)
T5 (n) = n2 − (n − 2)2
n = 2 n = 5 n = 10
4
16
36
4
16
36
4
16
36
4
16
36
4
16
36
n = 63
248
248
248
248
248
Die Tabelle deutet darauf hin, dass bei der Belegung von n mit natürlichen Zahlen jeweils der gleiche
Wert angenommen wird.
Zwei Terme T1 (x) und T2 (x) mit gemeinsamer Definitionsmenge D heißen äquivalent, wenn sie bei allen
Belegungen der Variablen mit Zahlen aus D jeweils den gleichen Wert annehmen.
Man schreibt dann:
T1 (x) = T2 (x),
x ∈ D.
Beachte, dass die Angabe der Definitionsmenge weggelassen werden kann, wenn der Kontext klar ist.
Frage: Kann man äquivalente Terme als gleich“ bezeichnen?
”
• In semantischer Hinsicht JA, da es sich um die gleichen Wertzuweisungen (Funktionen) handelt.
• In syntaktischer Hinsicht NEIN, da es sich um verschiedene Symbolfolgen handelt.
• In der Schulpraxis wird dieses Problem im allgemeinen unter den“ Teppich gekehrt. So wird zwar
”
der Begriff der Äquivalenz“ eingeführt, in der Folge aber werden beispielsweise die beiden Terme
”
in jeweils den Zeilen
p+q
(a + b)2
q+p
a2 + 2ab + b2
durchaus als gleich bezeichnet.
21
S. Hilger, Didaktik der Algebra
3.4.10
Nachweis der Nicht–Äquivalenz
Beachte: Nicht–Äquivalenz liegt vor, wenn die beiden Terme bei Einsetzung irgend einer (einzigen) Zahl
aus der Grundmenge verschiedene Werte annehmen.
Eine Fehlvorstellung besteht hier darin, dass die Nicht–Äquivalenz durch Äquivalenzumformungen (Begriff: Siehe unten) gezeigt werden muß.
Beispiele:
x2
02
12
x3 − 3x2 + 2x + 5
03 − 3 · 02 + 2 · 0 + 5
13 − 3 · 12 + 2 · 1 + 5
23 − 3 · 22 + 2 · 2 + 5
33 − 3 · 32 + 2 · 3 + 5
(x + 3)2
(0 + 3)2
(1 + 3)2
(2 + 3)2
..
.
2
(7 + 3)
3.4.11
2x, G = N0
= 2·0
6= 2 · 1 =⇒
Nicht äquivalent
2x3 − 6x2 + 4x + 5 G = Q
= 2 · 03 − 6 · 02 + 4 · 0 + 5
= 2 · 13 − 6 · 12 + 4 · 1 + 5
= 2 · 23 − 6 · 22 + 4 · 2 + 5
6= 2 · 33 − 6 · 32 + 4 · 3 + 5 =⇒
=
=
=
=
x2 + 6x + 9 G = N
02 + 6 · 0 + 9
12 + 6 · 1 + 9
22 + 6 · 2 + 9
..
.
72 + 6 · 7 + 9 =⇒
Nicht äquivalent
(Nicht–)Äquivalenz?
Nachweis der Äquivalenz: Äquivalenzumformungen
Zum Nachweis der Äquivalenz von zwei Termen müßte man gemäß Definition alle Elemente der Definitionsmenge durchtesten“. Dies ist bei unendlichen Definitionsmengen (B: Q) unmöglich.
”
Dieses Problem wird nun — mathematisch wenig einwandfrei — wieder durch Rückgriff auf den Syntax–
Aspekt gelöst“, man definiert:
”
Wird ein Term T1 durch Anwendung von gültigen Rechengesetzen in einen Term T2 (x) umgeformt, so
spricht man von einer Äquivalenzumformung.
Bei dem Begriff gültige Rechengesetze“ nimmt man Bezug auf die in der bisherigen Schul–Mathematik
”
erworbenen zum Teil intuitiv vorhandenen Auffassungen davon.
Ein (nicht für die SchülerInnen gedachtes) illustratives Beispiel besteht in den beiden Termen
artanh x
und
1 1+x
ln
,
2 1−x
D = ] − 1, 1[.
Die beiden Terme sind äquivalent, es läßt sich aber nicht ohne weiteres eine (elementare) Äquivalenzumformung angeben.
3.5
Vereinfachende Äquivalenzumformungen
Das Programm (Ziel) des Schul–Term–Kurses besteht dann darin, einen gegebenen Term durch Äquivalenzumformung in eine möglichst einfache“ oder zweckmäßige“ Form zu bringen. Der Begriff zweckmäßig“
”
”
”
bezieht sich darauf, dass der Begriff einfach“, und damit das Ziel einer Äquivalenzumformung, im allge”
meinen nicht eindeutig ist. Beispiele:
• Ein Term soll in Summenform oder in Produktform gewandelt werden.
• Ein quadratischer Term soll in Summenform oder in Scheitelform dargestellt werden.
22
S. Hilger, Didaktik der Algebra
• Bei der Berechnung des Rechteck–Umfangs ist der Term 2a+2b einfacher“, weil er den Sachkontext
”
durchschaubar wiedergibt. Bei der Auswertung ist der äquivalente Term 2 · (a + b) einfacher“, da
”
jetzt statt drei Grundrechnungen“ nur zwei durchzuführen sind. Außerdem entfällt die Speicherung
”
eines Zwischenergbnisses.
• Das letzte Beispiel zeigt den allgemeinen Sachverhalt auf, dass — je nach Kontext — ein Term in
Summenform oder in Produktform als einfacher“ angesehen werden kann.
”
Es erfolgt ein ständiges Wechselspiel von Einsicht (Hinter den Variablen stehen Zahlen) und Einschleifen
(Korrekte Anwendung der syntaktisch aufgefaßten Formeln).
3.6
Der Term–Kurs in der Schule
Wir schildern hier den — auch gemäß Lehrplan — ablaufenden Term–Kurs. Das folgende ist ein Königsbeispiel für den technisch–methodischen Begriff des kleinschrittigen Erarbeitens“.
”
3.6.1
Produktterme
Ein Term heißt Produktterm, wenn er ein Produkt aus (Vorzeichenfaktoren, ) Zahlen und Potenzen von
Variablen ist.
Halte die Vorstellung präsent, dass an := |a · .{z
. . · a}.
n−mal
Vereinfachung von Produkttermen: Man kann Produktterme vereinfachen, indem man . . .
• Vorzeichen
• Zahlfaktoren und
• Variablenpotenzen mit gleicher Basis
unter Anwendung des Kommutativ– und des Assoziativgesetzes zusammenfasst und dann (evtl. ) die
Variablenpotenzen alphabetisch ordnet.
Es entsteht ein Einfacher Produktterm“ mit einem Vorzeichen, einem Zahlfaktor und jeweils einer Potenz
”
für jede Variable.
Beispiel:
3
1
1
3
· x · · b2 · · a · b · 3 · x3 = · a · b3 · x4 .
4
2
3
8
Bei der Multiplikation von Variablen beachte, dass
an · am = an+m
da (a
· . . . a}) · (a
· . . . a}) = a
· . . . a}
| · a{z
| · a{z
| · a{z
n−mal
m−mal
n+m−mal
Beachte, dass ein häufig auftretender Fehler darin besteht, dass — beispielsweise —
a2 · a3 = a6
berechnet wird. Ursachen dafür sind . . .
• das Verblassen einer lebendigen Vorstellung von der Definition der Potenz, Es wird nur noch formal
gerechnet.
• das simple Übertragen der Multiplikation im Term auf den Exponenten,
• die Verwechslung (Fehler durch Nähe) mit der Potenzregel (siehe unten).
Multiplikation von Produkttermen: Produktterme werden multipliziert, indem man die Vorzeichenfaktoren, Zahlen und Variablen jeweils getrennt multipliziert und das entstehende Produkt dann vereinfacht.
Potenzierung von Produkttermen: Ein Produktterm wird potenziert, indem man jeden Faktor einzeln
(mit dem Exponenten) potenziert.
(Veranschaulichung durch Würfelvolumen: Kantenlänge x → 2x).
Beachte, dass bei für die Potenzierung von Potenzen gilt:
(an )m = an·m
· . . . a}) = a
· . . . a}
da (a
· . . . a}) · . . . · (a
| · a{z
| · a{z
| · a{z
n−mal
|
n−mal
{z
m−mal
n·m−mal
}
23
S. Hilger, Didaktik der Algebra
3.6.2
Summenterme
Ein Term heißt Summenterm, wenn er als verallgemeinerte Summe von Produkttermen geschrieben ist.
Verallgemeinert“ heißt hier, dass Additionen und Subtraktionen auftreten können (Früherer Ausdruck:
”
Aggregat). Die einzelnen Summanden und Subtrahenden heißen in diesem Zusammenhang auch Glieder.
Gleichartige Produktterme Zwei (einfache) Produktterme heißen gleichartig, wenn sie als Faktoren die
gleichen Variablenpotenzen, aber eventuell verschiedene Zahlfaktoren oder verschiedene Vorzeichen haben.
5rs2 t
− 18rs2 t
rts2
2r · 5s · t · (−3s)
Gleichartige Produktterme in einem Summenterm können mit Hilfe des Distributivgesetzes zusammengefaßt werden.
5rs2 t − 18rs2 t + rts2 + 2r · 5s · t · (−3s) =
5rs2 t − 18rs2 t + rs2 t + (−30)rs2 t
−42rs2 t.
Summenterme werden vereinfacht, indem man
• zunächst die Produktterme vereinfacht (und ordnet) und dann
• gleichartige Produktterme zusammenfaßt.
3.6.3
Multiplikation von Summentermen
Das Distributivgesetz
Das Distributivgesetz sollte bereits aus den Zahlbereichen“ bekannt sein.
”
a · (b + c) = a · b + a · c und (a + b) · c = a · c + b · c
für alle a, b, c ∈ Q.
Neu ist jetzt, dass anstelle der Zahlen und Variablen auch beliebige Teilterme stehen können. Das Einsetzen von Termen anstelle von Variablen in bekannten Formeln ist eine wesentliche Grundfertigkeit des
Termrechnens an sich und sollte bereits hier — im vergleichbar elementaren Kontext — gut geübt werden.
e · (f + g) = e · f + e · g
b · (a + c) = ba + bc = ab + bc
2a2 x · (3ax + 5x3 ) = 6a3 x2 + 10a2 x4
Einen Sonderfall nimmt die Multiplikation eines Summemterms mit −1 ein. Dies sollte extra thematisiert
— und nicht als klarer Spezialfall“ abgehandelt — werden.
”
Bei Multiplikation eines Summenterms mit −1 ändern sich die Vorzeichen der einzelnen
Glieder.
Die Grundformel
Frau Taube sagt zu ihrem Mann:
Ich habe heute unser Blumenbeet um 3 m verlängert und 2 m verbreitert. Kannst Du mir
bitte Pflanzen dafür mitbringen?
Herr Taube bringt für 6 m2 Pflanzen mit!
a
b
2m
3m
24
S. Hilger, Didaktik der Algebra
Die neue Fläche ergibt sich also zu:
(a + 3 m) · (b + 2 m) = a · b + a · 2 m + 3 m · b + 6 m2 .
Kann man dies auch durch Ä–Umformungen nachrechnen?
DG
(a + b) · (c + d) = (a + b) · s = a · s + b · s
| {z }
s
DG
a · (c + d) + b · (c + d) = a · c + a · d + b · c + b · d.
Merke (Grundformel): Für beliebige Zahlen aus Q gilt:
(a + b) · (c + d) = a · c + a · d + b · c + b · d.
Das Ausmultiplizieren — allgemein
Die Grundformel kann verallgemeinert werden auf
• mehrgliedrige Summentermen als Faktoren und/oder
• mehr als zwei Faktoren.
Merke: Man multipliziert zwei Summenterme, indem man jedes Glied aus dem ersten Summenterm mit
jedem Glied aus dem zweiten Summenterm (unter Berücksichtigung der Vorzeichen) multipliziert und
diese Produkte dann addiert.
Bei mehr als zwei Faktoren werden nacheinander immer jeweils zwei Faktoren multipliziert.
Die Plus–Formel
Sie heißt auch 1. binomische Formel. Der Zugang erfolgt beispielsweise über den Flächenvergleich in einem
Quadrat
a
b
a
b
Rechnerisch erhält man das durch Zurückführen auf die Grundformel.
(a + b)2 = (a + b) · (a + b) = a2 + ab + ba + b2 = a2 + 2ab + b2 .
Es müssen also die Quadrate der Summanden und das doppelte gemischte Glied addiert werden.
Eine Anwendung: Leichteres Quadrieren
422 = (40 + 2)2 = 402 + 2 · 40 · 2 + 22 = 1764.
Die Minus–Formel
Sie wird auch als 2. binomische Formel bezeichnet.
Zugang über den Flächenvergleich in einem Quadrat
a
b
a
b
25
S. Hilger, Didaktik der Algebra
Rechnerisch erhält man das durch Zurückführen auf die Grundformel.
(a − b)2 = (a − b) · (a − b) = a2 − ab − ba + b2 = a2 − 2ab + b2 .
Alternative: Zurückführen auf die Plus–Formel:
2
(a − b)2 = a + (−b) = a2 + 2a(−b) + (−b)2 = a2 − 2ab + b2 .
Ein Problem stellt hier das Ersetzen der Variable b (in der Plusformel) durch (−b) dar.
Anwendung: Leichteres Quadrieren
492 = (50 − 1)2 = 502 − 2 · 50 · 1 + 12 = 2401.
Die Plus–Minus–Formel
Sie trägt auch den Namen 3. binomische Formel“.
”
Zugang über die Umstellung einer Rechtecksfläche der Seitenlängen a + b und a − b. Man schneidet sie
entsprechend einer der beiden Skizzen durch und dreht bzw. verschiebt das rechte“ Teilstück, so dass
”
eine Quadratdifferenz“ entsteht.
”
a
b
..
.....
.....
.....
.....
.
.
.
.
.....
.....
.....
.....
.....
...
...
..
...
...
...
...
.
a
b
a
b
...................................................................................................................
...
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..... ..
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.
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...
...
.....
.................................................................................
...
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...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
..
....................................
a
a−b
b
..............................................................................................................
...
....
....
...
....
...
...
...
...
..
.................................................................................................................
...
..
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
..
....................................
a
a−b
b
Rechnerisch erhält man das durch Zurückführen auf die Grundformel.
GF
KG
(a + b) · (a − b) = a2 − ab + ba − b2 = a2 − ab + ab − b2 = a2 − b2 .
Anwendung: Leichteres Kopf–Multiplizieren
49 · 51 = (50 − 1) · (50 + 1) = 502 − 12 = 2499.
26
S. Hilger, Didaktik der Algebra
Die binomischen Formeln auf einen Blick
Es gelten die Formeln
(a + b)2
= a2
(a − b) = a2
(a − b) = a2
2
·
(a + b)
+ 2ab + b2
− 2ab + b2
− b2
(Plus–Formel)
(Minus–Formel)
(Plus–Minus–Formel)
Diese tabellarische Darstellung ist nicht unbedingt als Merkhilfe gedacht, sie betont aber nochmals die
Idee, dass Summenterme multipliziert werden.
Konkrete Durchführung bei umfangreicheren Termen:
(25xy 2 + 4p)2 = (25xy 2 + 4p )2 = (25xy 2 )2 + 2 25xy 2 4p +( 4p )2
| {z } |{z}
| {z }
| {z } |{z} |{z}
a
b
a
a
b
b
Eine Hilfestellung ist dadurch gegeben, dass die Glieder, die die Rolle von a und b innerhalb der Formeln
spielen, durch Bleistiftunterschrift entsprechend gekennzeichnet werden.
Eine Schwierigkeit tritt auf, wenn in solchen Termen selbst die Variablen a oder b auftreten:
(|{z}
3a + |{z}
5b )2 = . . .
a
b
Behebung: Umwechseln zu A, B oder α, β oder anderen geeigneten Variablennamen.
Früher mußten auch die binomische Formeln für höhere Potenzen (B: (a + b)3 ) (auswendig) beherrscht
werden.
Heute eher: Fähigkeit, solche Terme zu multiplizieren.
Hinweis (Fachmathematik) : Es gilt die allgemeine Binomialformel:
n X
n k n−k
(a + b)n =
a b
k
k=0
Bei mehrgliedrigen Summentermen (B: (a + b − c)2 ) sollte man das Ausmultiplizieren direkt anwenden.
27
S. Hilger, Didaktik der Algebra
3.6.4
Faktorisierung von Summentermen
Einstieg: Betrachte den Term T (e; f ) =
e2 −f 2
e+f .
Es gilt T (1; 2) = −1, T (2; 5) = −3, T (6; 3) = 3, . . . .
Offenbar gilt: T (e; f ) = e − f . Wie kann man das herausfinden?
Mit Faktorisieren!
Kann ein Summenterm durch ein Ä–Umformung in einen Produktterm überführt werden, so spricht man
von einer Faktorisierung.
Zusammenfassung der Faktorisierungsmethoden
Gesetze
Minusklammerregel
−(b − a) = a − b
Multiplizieren
mit −1 multiplizieren
Umkehren der Vorzeichen“
”
Faktorisieren
durch −1 dividieren
Umkehren der Vorzeichen“
”
Distributivgesetz
a(b + c) = ab + ac
Grundformel
(a + b)(c + d) = ac + ad +
bc + bd
Plusformel
(a + b)2 = a2 + 2ab + b2
Minusformel
(a − b)2 = a2 − 2ab + b2
Plusminusformel
(a − b)(a + b) = a2 − b2
Ausmultiplizieren
in die Klammer ziehen“
”
Gliedweises Multiplizieren
Ausklammern
aus der Klammer ziehen“
”
Wiederholtes
Ausklammern (anspruchsvoll: Satz
von Vieta)
Anwenden der Plusformel
in umgekehrter Richtung
Anwenden der Minusformel
in umgekehrter Richtung
Anwenden der Plusminusformel in umgekehrter
Richtung
Anwenden der Plusformel
Anwenden der Minusformel
Anwenden der Plusminusformel
Beim Faktorisieren mit Hilfe der binomischen Formeln kann es leicht zu einem Fehler kommen, der auf
die Nicht–Beachtung des Faktors 2 zurückzuführen ist:
?
9r2 − 6rs + 4s2 = (3r − 2s)2
Hilfreich für die Vermeidung dieses Fehlers ist der Faktorisierungs–Dreischritt
1. Suche das erste quadratische Glied!
2. Suche das zweite quadratische Glied!
3. Teste das doppelte gemischte Glied!
28
S. Hilger, Didaktik der Algebra
4
Gleichungen und Ungleichungen
4.1
Historische Episoden, Klassische und moderne Auffassung
Gleichungen standen immer im Mittelpunkt der Algebra.
• Geronimo Cardano (1501 – 1576), Niccolo Tartaglia (1500 – 1557): Prioritätsstreit um Lösungen
der kubischen Gleichung.
• Ludovico Ferrari (1522 – 1565): AufLösung der Gleichung 4. Grades. (→ dtv–Atlas Mathematik,
Band 1, S. 110).
• Francois Viete (1540 – 1603, Schöpfer der Buchstabenalgebra“): Zusammenhang von Lösungen
”
und Koeffizienten in quadratischen Gleichungen.
• Carl Friedrich Gauß (1777 – 1855): Fundamentalsatz der Algebra.
• Niels Henrik Abel (1802 – 1829): Die allgemeine Gleichung 5. Grades ist nicht durch Radikale
lösbar (Radikalerweiterung eines Körpers: Grundrechenarten und Wurzelziehen ist unbeschränkt
möglich).
Beispiel: x5 − 6x3 + 3 = 0.
• Pierre de Fermat: Vermutung, dass die Gleichung
xn + y n = z n
für n ≥ 3 keine Lösung in Z3 besitzt. (Beweis: Andrew Wiles, 1992).
• Issac Newton (1642 — 1727): Iterative Verfahren zur näherungsweisen Bestimmung von Lösungen:
xn+1 =
f (xn )
.
f 0 (xn )
• Moderne Algebra: Differenzial-, Integral-, Funktionalgleichungen: Mehr eine Theorie der geeigneten
Räume (Funktionalanalysis) als eine Theorie der Darstellung von Wurzeln (Algebra).
Beispiel: Die Gewöhnliche Differenzialgleichung
y 0 = x2 + y 2
besitzt keine elementare“ Lösung.
”
4.2
4.2.1
Wandel der Begriffe von Gleichung und Lösung
Klassische Auffassungen
G (Gleichung) Im Bestreben, die Theorie der Gleichungen zu systematisieren, sah man sich gewichtigen Problemen ausgesetzt. Man verzettelte sich in einem unübersichtlichen Begriffssystem (Vgl.
Vollrath, S. 184).
U (Ungleichungen) Gleichungen und Ungleichungen werden in unterschiedlichen Konzepten aufgearbeitet.
L (Lösung) Lösungen sind Zahlen, die die Gleichung erfüllen. Vielfalt der Strukturen von Lösungsmengen: (Keine Lösung, Über- und Unterbestimmtheit, diskret viele, unendlich viele Lösungen,. . . )
Tabuisierung von pathologischen Fällen
x=x+1
x=x
0=0
5x − 3 = 7 + 5x
3x + 9 = 3(x + 3)
17 + 4 = = 21
Ä (Ä–Umformungen) Man versucht für die vielen Gleichungstypen entsprechende (Lösungs–
)Techniken zu entwickeln.
Der Syntax–Gedanke (Vorschriften, erlaubt, unerlaubt) tritt auf.
Beispiel einer Merkregel über das Rüberbringen“:
”
S. Hilger, Didaktik der Algebra
29
Riwwer–ruff — niwwer–nunner.
Die Techniken sind zum Teil nicht zu durchschauen: Wie kommt zum Beispiel der Übergang von
der Variablen x
ax2 + bx + c = 0
zu der doppel–deutigen Variablen x1,2 in der Lösungsformel
√
−b ± b2 − 4ac
x1,2 =
2a
zustande? Was heißt ±?
Z (Zahl) Was ist die Rolle des umgebenden Zahlbereichs? Beispiel:
x2 + 1 = 0
P (Praxis) Algebraische Aspekte stehen in Vordergrund.
4.2.2
Reform
G Mathematische Begriffsklärung im Rahmen der Logik und Mengenlehre:
Eine Gleichung ist eine Aussageform, die bei Einsetzungen von Elementen der Grundmenge anstelle der Variablen in eine (wahre oder falsche) Aussage übergeht.
U Ungleichungen sind einfach nur eine Spielart von Aussageformen.
L Die Lösungsmenge ist die Erfüllungsmenge der Aussageform.
n
o
L := x ∈ G Gleichung in x
Die Grundmenge bildet den Rahmen“.
”
Ä Gleichungen werden dadurch umgeformt, dass auf die beiden Terme auf der linken und der rechten
Seite die gleichen Abbildungen (Operationen) angewandt werden.
Dabei ändert sich — bei fest gegebener Grundmenge — im allgemeinen die Lösungsmenge Lv
(vorher) in eine Lösungsmenge Ln (nachher).
Eine Umformung heißt nun speziell . . .
– Gewinnumformung, wenn Ln ⊃ Lv .
(Beispiele: Multiplizieren mit der Variablen, Multiplizieren mit Null, Quadrieren, . . . )
Wird eine Gleichung mittels Gewinnumformungen gelöst, so muss man a posteriori die Elemente der Lösungsmenge daraufhin testen, ob sie die Gleichung erfüllen (Probe!).
– Verlustumformung, wenn Ln ⊂ Lv . (Beispiele: Dividieren durch die Variable, Wurzelziehen,
...)
Alle Elemente der Lösungsmenge sind tatsächlich Lösungen, man kann sich aber nicht sicher
sein, alle Lösungen gefunden zu haben.
– Äquivalenzumformung, wenn Ln = Lv (siehe unten).
Z Der Begriff Zahl“ tritt gegenüber dem Begriff Struktur“ in den Hintergrund.
”
”
P Aussagenlogik und Mengenlehre etablieren sich als eigenständige Inhalte.
Die Syntax–Auffassung bei der Umformung von (Un–)Gleichungen tritt in den Vordergrund. Umformungsregeln werden nicht ausreichend begründet. Es werden übertrieben Symbole (Quantoren,
logische Verknüpfungen ¬, ∨, ∧) benützt.
Die Reformbestrebungen erscheinen im Nachhinein aber überzogen: Insgesamt wird die Abstraktionsfähigkeit der Schüler überstrapaziert (→ Piaget).
S. Hilger, Didaktik der Algebra
4.3
30
Heute: Pragmatismus in der Schulpraxis
Man versucht, die Gleichungslehre schlicht zu halten.
G Gleichungen erscheinen stärker im Kontext von Termen
Eine Gleichung entsteht, wenn zwei Terme gleich gesetzt werden.
U Ungleichungen werden — im Sinne von Variation und Flexibilität — immer gleich miterfasst.
Gründe dafür:
– Die praktische Legitimation der Verwendung des Begriffs der Lösungsmenge tritt schon bei
einfacheren (Un–)Gleichungen auf.
– Der Ordnungsaspekt der Zahlen wird betont.
– Propädeutik der Analysis.
– Relativierung und Hinterfragung der Hinüberbring“–Auffassung.
”
L Aus der Aussagenlogik und der Mengenlehre werden die zweckmäßigen Begriffsbildungen und
Spechweisen übernommen:
1. Die Menge, deren Elemente für die Einsetzung anstelle einer Variablen einer (Un–)Gleichung
vorgesehen sind, heißt Grundmenge G der (Un-)Gleichung.
2. Die Menge der Elemente aus der Grundmenge G, die für die Variable einer (Un–)Gleichung
eingesetzt werden dürfen, heißt Definitionsmenge D der (Un–)Gleichung.
3. Die Menge der Elemente der Definitionsmenge D, für die die (Un–)Gleichung erfüllt ist, heißt
Lösungsmenge L der (Un–)Gleichung.
4. Eine (Un–)Gleichung, für die L = { } gilt, heißt unerfüllbar.
5. Eine (Un–)Gleichung, für die L = D gilt, heißt allgemeingültig.
Z Es werden Äquivalenzumformungen genau beschrieben. Dabei tritt das Waage–Modell auf: Auf
beiden Seiten wird die gleiche Operation ausgeführt.
Beispiele sind
1. Vertauschung der Seiten.
2. Termumformungen auf der linken oder rechten Seite.
3. Addition bzw. Subtraktion einer beliebigen Zahl.
4. Addition bzw. Subtraktion eines beliebigen Terms.
5. Multiplikation mit bzw. Division durch eine positive Zahl.
6. Multiplikation mit bzw. Division durch eine negative Zahl unter gleichzeitiger Umkehrung
des Relationszeichens (Problem: Anwendung des Waage–Modells).
7. Multiplikation mit bzw. Division durch einen Term, der bei Einsetzung beliebiger Elemente
der Grundmenge nur positive Werte annimmt.
8. Multiplikation mit bzw. Division durch einen Term, der bei Einsetzung beliebiger Elemente
der Grundmenge nur negative Werte annimmt, unter gleichzeitiger Umkehrung des Relationszeichens.
9. Auf beiden Seiten wird der Kehrwert gebildet. Dabei ist ebenfalls das Relationszeichen umzukehren (B: Parallelschaltung von Widerständen, Abbildungsgleichung).
– Nur die ersten sechs Typen von Äquivalenzumformungen sind schulrelevant.
– Bei den Äquivalenzumformungen 3 – 9 sollte immer der Aspekt
Auf beiden Seiten der Gleichung wird die gleiche Operation ausgeführt“
”
gegenüber dem auf die andere Seite bringen“ oder dem Rüberbringen“ herausgestellt wer”
”
den.
– Beachte, dass der Sonderfall (Umkehrung des Relationszeichens) nur bei der Konstellation
31
S. Hilger, Didaktik der Algebra
Punktoperation, negative Zahl, Ungleichung
auftritt.
• Gewinn- und Verlustumformungen werden nicht als Begriffe thematisiert, ihre Problematik aber
angerissen durch Eingrenzung der Grundmenge auf die Definitionsmenge, Probe, Fallunterscheidungen.
• Sinn der Probe allgemein:
– Verlebendigung einer formalen Prozedur, Einsicht in die Schlagkraft eines Algorithmus.
– Austesten von Lösungen bei Gewinnumformungen.
– Fehlertest.
• Beachte, dass die beiden Gleichungen
x2 − 2 = 0
und
x2 − 3 = 0
über Q äquivalent sind (→ Fehlauffassung).
• Problem der Zielrichtung: Was heißt Vereinfachung“?
”
P Gleichungen als Hilfsmittel bei Anwendungen, d.h. Sachaufgaben.
Maria ist 24 Jahre alt. Sie ist doppelt so alt, wie Anna war als Maria so alt war, wie Anna jetzt
ist. Wie alt ist Anna?
Unterstützung durch graphische Darstellungen: Lösung als Nullstelle.
4.4
Gleichungen: Der Kurs in der Schule
• Grundschule: Platzhalteraufgaben () oder (Klecksaufgaben) als Propädeutik des Gleichungsbegriffs: Lösung mittels konkreter Vorstellungen und Umkehroperationen. Eine Besonderheit: Aufgaben mit unbekanntem Relationszeichen
• 5./6. Jahrgangsstufe: Einfache (Un-)Gleichungen als ein Mittel zur Durchdringung des jeweils aktuellen Zahlenraums. Lösungsmethoden: Probierverfahren, Vereinfachende Analogien, Umkehrtechnik. Mengenlehre tritt als günstige Sprechweise in Erscheinung.
• 7./8. Jahrgangsstufe: Begriff der Äquivalenzumformung, Grund- und Definitionsmenge.
• Dann zunehmend anspruchsvolle (Un-)Gleichungstypen: Bruchgleichungen, Gleichungssysteme,
quadratische Gleichungen, Betragsgleichungen.
• Dabei immer: Text- oder Sachaufgaben.
• In der Geometrie: Gleichungen von Geraden, Ebenen, Kreisen, Ellipsen, Parabeln, Kegelschnitten.
4.5
Gleichungen als Aussagen
Gleichungen treten nicht nur als zu erfüllende Aussageformen (innerhalb eines Problems), sondern auch
als Aussagen (bei Sätzen, Definitionen,. . . ), auf.
• Formelgleichungen: Anwendungen in Physik, Wirtschaft usw.
1
1
1
=
+
Rges
R1
R2
• Rechengesetze: Für alle a, b ∈ Q gilt: (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 .
• Mengenbeschreibende Gleichungen:
n
o
Q = n ∈ N Es existiert ein m ∈ N, so dass m2 = n
• Funktionsgleichungen:
y = f (x) = x2 + sin(x).
32
S. Hilger, Didaktik der Algebra
4.5.1
Typische Fehler bei Äquivalenzumformungen
Beachte, dass im folgenden Fehler beschrieben werden. Die angegebenen Umformungen sind also keine
(gültigen) Äquivalenzumformungen.
• Fehler bei Termumformungen: Siehe dort!
• Die Variable in einem Produktterm wird durch Subtraktion isoliert:
3x + 5 = 26 − 3
⇐⇒
x + 5 = 23
• Mangelnde Berücksichtigung des Distributivgesetzes:
2x + 3 = 4 : 2
⇐⇒
x+3=2
• Vermeintliche Berücksichtigung des Distributivgesetzes:
25 · (x + 15) = 150 : 5
⇐⇒
5 · (x + 3) = 30.
• Zwei Schritte werden zugleich ausgeführt und dabei die Reihenfolge vertauscht:
6x2 + 4x + 14 = −8x + 8x : 2
⇐⇒
3x2 + 10x + 7 = 0.
• Fehler mit Null und Eins:
25 · x = 25
⇐⇒
x=0
Die Operation · x auf der linken Seite ist ohne Einfluss“, also muss x gleich Null sein.
”
• Fehler im Zusammenhang mit Brüchen:
35 ⇐⇒
4a + 2 = x.
140a + 70 =
x
• Mangelndes Problembewußtsein um Gewinn- und Verlustumformungen.
x2 = 625
⇐⇒
x = 25
oder
|x − 2| = 27
⇐⇒
x = 25
• Viele dieser Fehler treten verstärkt auf, wenn Parameter (Formvariable) anstelle von Zahlen in den
Gleichungen auftreten.
• Bei Ungleichungen: Falsche Berücksichtigung der Umkehr des Relationszeichens.
• Mangelnde Unterscheidung von Mal–Punkten und Minuszeichen (Schrift).
33
S. Hilger, Didaktik der Algebra
4.6
Quadratische Gleichungen
4.6.1
Der Begriff
Eine Gleichung, die sich — direkt oder nach einer Äquivalenzumformung — in der Form
ax2 + |{z}
bx + |{z}
c = 0,
|{z}
qu.G.
l.G.
k.G.
mit (fest gegebenen Zahlen) a ∈ R \ {0}, b, c ∈ R schreiben lässt, heißt Quadratische Gleichung.
Die Abkürzungen bedeuten quadratisches, lineares bzw. konstantes Glied.
Die obige Form der Gleichung heißt Normalform oder Summenform der quadratischen Gleichung (im
Gegensatz zur Scheitelform, eher geometrisch wichtig).
4.6.2
Beispiele
• x2 − 4x + 3 = 0
• x2 = 36
• 3x2 + 7x − 36 = 28x − 25x2 − 40
• x · (x + 5) = 8
2
• 5x − 3 = 0 (Nicht–Beispiel)
• (x − 25) = 0
Ü1: Bestimme jeweils die Normalform und dann die drei Glieder!
Ü2: Kannst Du Lösungen finden?
Die Variable muss nicht unbedingt x sein. Auch
3y 2 + 5y − 12 = 0
ist eine quadratische Gleichung.
4.6.3
Lösungsverfahren anhand von Beispielen
Die Sofort–Präsentation der Lösungsformel ist insofern ungünstig, als die Schüler/innen den Eindruck
erhalten, dass sie fertige Werkzeuge einfach nur benutzen sollen und sie sowieso“ keine Einsicht in ihr
”
Zustandekommen erfahren können.
Ein Vorschlag: Von einfachen zu schwierigen Beispielen. (Die Kennzeichen der einzelnen Schritte sollen
in der Schulpraxis nicht angegeben, sondern jeweils bestimmt werden).
Beispiel 1: b = 0, a = 1, c beliebig.
• x2 − 25 = 0
2
• x − 12 = 0
• x2 = 0
• x +9=0
L = {−5; +5}
=⇒
L = {−12; +12}
L = {0}
=⇒
2
=⇒
L = {}
=⇒
Beispiel 2: b = 0, a, c beliebig .
• 9x2 − 25 = 0
• 2x2 − 4 = 0
• 3x2 = 0
2
=⇒
• −5x − 80 = 0
=⇒
=⇒
5 5
L = {− ; + }
3 3
√
√
L = {− 2; + 2}
L = {0}
=⇒
L = {}
34
S. Hilger, Didaktik der Algebra
Beispiel 3: b 6= 0, a = 1, D := b2 − 4ac = 0.
x2 − 10x + 25 = 0
⇐⇒
(x − 5)2 = 0
⇐⇒
x − 5 = 0 L = {5}.
Beispiel 4: b 6= 0, a = 1, D := b2 − 4ac > 0.
x2 − 10x + 16
x − 10x + 25 − 9
(x − 5)2 − 9
(x − 5)2
x−5
x
2
=
=
=
=
=
=
0
0
0
9
−3
2
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
oder x − 5 = +3
oder x = 8
⇐⇒
L = {2; 8}.
Beispiel 5: b 6= 0, a = 1, D := b2 − 4ac < 0.
x2 − 10x + 74 = 0
⇐⇒
2
x − 10x + 25 + 49 = 0
⇐⇒
(x − 5)2 + 49 = 0
⇐⇒
2
(x − 5) = −49
⇐⇒
L = { }.
Beispiel 6: b 6= 0, a beliebig, D := b2 − 4ac = 0.
9x2 + 12x + 4 = 0
(3x + 2)2 = 0
(3x + 2)
=
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
0
2
L = {− }.
3
Beispiel 7: b 6= 0, a beliebig, D := b2 − 4ac > 0.
9x2 + 24x − 9
9x + 24x + 16 − 25
(3x + 4)2 − 25
(3x + 4)2
3x + 4
2
0
⇐⇒
0
⇐⇒
0
⇐⇒
25
⇐⇒
−5 oder 3x + 4 = +5
⇐⇒
1
1
x = −3 oder x =
⇐⇒
L = {−3; }.
3
3
=
=
=
=
=
Beispiel 8: b 6= 0, a beliebig, D := b2 − 4ac < 0.
9x2 + 24x + 20 = 0
⇐⇒
2
9x + 24x + 16 + 4 = 0
⇐⇒
2
(3x + 4) + 4 = 0
⇐⇒
2
(3x + 4) = −4
⇐⇒
L = { }.
• Betrachte zuerst die Beispiele 3,4,5. Verfolge zurück, woran es liegt, dass 2,1,0 Lösungen auftreten!
• Betrachte die Beispiele 6,7,8.
• Was ist mit dem Sonderfall c = 0?
35
S. Hilger, Didaktik der Algebra
4.6.4
Die Lösungsformel
Ziel: Wir wollen eine Formel für die Lösungsmenge einer beliebigen quadratischen Gleichung finden, die
in Summenform gegeben ist,
a · x2 + b · x + c = 0
(∗).
1. Der Divisionstrick: Wir dividieren die (beiden Seiten der) Gleichung durch den Formfaktor a 6= 0
x2 +
c
b
· x + = 0.
a
a
2. Quadratische Ergänzung: Wir schieben zwei Summanden dazwischen, die sich kompensieren:
2 2
b
b
c
b
x2 + · x +
−
+ = 0.
a
2a
2a
a
|
{z
}
=0
3. Wir wenden die Plusformel in Rückwärtsrichtung an:
2 2
b
b
c
x+
−
+ = 0.
2a
2a
a
4. Wir isolieren (herausschälen) den quadratischen Term
2 2
b
c
b
x+
=
− .
2a
2a
a
und formen weiter um
2
b
1
x+
= 2 · (b2 − 4ac).
| {z }
2a
4a
=:D
Der Ausdruck in der Klammer heißt Diskriminante. Wir können übersichtlicher schreiben:
2
b
D
x+
= 2
(∗∗).
2a
4a
Beachte, dass die Anfangsgleichung (∗) und die Endgleichung (∗∗) äquivalent sind.
5. Wir unterscheiden jetzt drei Fälle:
(a) Die Diskriminante ist positiv D > 0. Dann ist die Gleichung (∗∗) äquivalent zu:
√
√
D
D
b
b
x+
oder x +
=−
=+
2a
2a
2a
2a
√
√
D
D
b
b
oder x = − −
⇐⇒ x = − +
2a
2a
2a
2a
Wir können also die Lösungsmenge aufschreiben:
√ o
√ o n
√
n
D
D
b
D
b
b
.
= −
±
;− −
L= −
+
2a
2a
2a
2a
2a
2a
(b) Die Diskriminante ist Null D = 0. Dann ist die Gleichung äquivalent zu der linearen Gleichung:
b
= 0,
2a
die wir leicht lösen können:
n
b o
L= −
.
2a
x+
S. Hilger, Didaktik der Algebra
36
(c) Die Diskriminante ist negativ D < 0. Dann besitzt die Gleichung (∗∗), also auch die Gleichung
(∗) keine Lösung.
no
L=
.
Wir fassen dieses Verfahren in einem Satz zusammen:
Satz: Es sei ein quadratische Gleichung in Summenform vorgegeben:
a · x2 + b · x + c = 0.
Es wird dann die Diskriminante als Ausdruck D := b2 − 4ac gebildet. Ist dann
no
• D < 0, so gibt es keine Lösung: L =
.
n
o
b
• D = 0, so gibt es genau eine Lösung L = − 2a
.
• D > 0, so gibt es genau zwei verschiedene Lösungen
√
√ o
n
b
D
b
D
L= −
+
;− −
.
2a
2a
2a
2a
Weiterführung:
• Lerne die Lösungsformel auswendig!
• Viele Beispiele, insbesondere Probe machen.
Dann
• Biquadratische Gleichungen sind quadratische Gleichungen in der Variablen x2 .
√
• Wurzelgleichungen sind quadratische Gleichungen in der Variablen x.
• Paramter–Gleichungen: Die Zahl der Lösungen hängt von einem Parameter ab.
• Sachaufgaben:
– Kombinatorik: Bei einer Party schütteln sich alle gegenseitig die Hände. Wie viele Gäste sind
da, wenn dies 45 mal geschieht. Hinweis:
n · (n − 1)
2
– Extremwertaufgaben: Auf einer Wiese soll ein rechteckiges Teilstück durch einen 800 m langen
Zaun eingegrenzt werden. Wie lang/breit muss das Rechteck sein, damit die eingesperrten
Schafe am meisten zu fressen bekommen?
45 =
s · (800 − s) = F
37
S. Hilger, Didaktik der Algebra
5
Funktionen
Eine Funktion einer veränderlichen Größe ist ein Ausdruck, der auf irgendeine Weise aus der
veränderlichen Größe und Konstanten zusammengesetzt ist.
Johann Bernoulli, (ch, 1667 – 1748, 1718).
Steht eine Variable y so in Beziehung zu einer Variablen x, dass zu jedem numerischen Wert
von x gemäß einer Vorschrift ein eindeutiger Wert von y gehört, so heißt y eine Funktion der
unabhängigen Variablen x.
P.G. Lejeune Dirichlet (dt, 1805 – 1859, 1837).
Diese beiden Definitionen von Funktionen sind geprägt von dem syntaktischen bzw. semantischen Aspekt.
Die zweite Definition ermöglicht einen viel größeren Spielraum bei der Definition von Funktionen, so ist
beispielsweise die nirgends–stetige Dirichlet–Funktion f : R → R erst so definierbar“.
”
1, if x ∈ Q,
f (x) :=
0, if x ∈ R \ Q.
5.1
Mathematische Fundierung
Es seien A und B zwei Mengen.
1. Für a ∈ A und b ∈ B definiert man das geordnete Paar als die Menge
n
o
(a, b) := {a, b}, a .
Das wesentliche an dieser Definition ist, dass die so gebildete Menge den folgenden unscheinbaren,
aber bedeutungsvollen Satz erfüllt:
Es gilt (a, b) = (c, d)
⇐⇒
a = c und b = d.
Ist der auf der obigen umständlichen“ Definition basierende Satz akzeptiert, so kann diese wieder
”
in den Hintergrund treten.
2. Das Kartesische Produkt (René Descartes, fr, 1596 – 1650) der Mengen A und B ist die Menge der
geordneten Paare:
n
o
A × B := (a, b) a ∈ A, b ∈ B .
3. Eine Relation R zwischen A und B ist eine beliebige Teilmenge von A × B.
Gut kann man das mit Hilfe eines Liniendiagramms (Venn–Diagramms) veranschaulichen:
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....................................
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A ...............u
u
u
u
u
B
u
u
u
Zwischen einem Element a ∈ A und einem Element b ∈ B wird genau dann eine Linie gezogen,
wenn (a, b) ∈ R.
38
S. Hilger, Didaktik der Algebra
4. Eine Relation zwischen A und B heißt
(♣)
(♠)
(♥)
(♦)
links–total,
a ∈ A mindestens ein b ∈ B
rechts–eindeutig,
a ∈ A höchstens ein b ∈ B
wenn für jedes
existiert, so dass (a, b) ∈ R.
rechts–total,
b ∈ B mindestens ein a ∈ A
links–eindeutig,
b ∈ B höchstens ein a ∈ A
a ∈ A startet mindestens
a ∈ A startet höchstens
Im Diagramm veranschaulicht heißt dies: In
eine Linie.
b ∈ B endet mindestens
b ∈ B endet höchstens
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u
u
u
u
A
u
u
u
u
u
B
u
u
B
u
u
B
(♥) ist verletzt
u
u
u
u
A
u
(♠) ist verletzt
u
u
u
A
(♣) ist verletzt
u
u
u
A
B
(♦) ist verletzt
5. Eine Relation zwischen A und B heißt Funktion, wenn sie links–total und rechts–eindeutig ist: Zu
jedem a ∈ A existiert genau ein b ∈ B, so dass (a, b) ∈ R.
In diesem Zusammenhang heißt A Definitionsmenge und B Wertemenge der Funktion. Die Menge
n
o
b ∈ B Es ex. a ∈ A, so dass (a, b) ∈ R
heißt Bild(–menge) der Funktion.
Eine Funktion wird nicht mehr — wie bei der Definition als Relation mit speziellen Eigenschaften
naheliegend — als ein statisches Objekt aufgefasst, sondern eher dynamisch: Es geschieht eine
Zuordnung von Punkten b ∈ B zu Punkten a ∈ A. Dies wird auch in einer gänzlich veränderten
Notation deutlich:
A → B
f:
a 7→ f (a)
f (a) ist dabei ein irgendwie gearteter mathematisch sinnvoller Ausdruck (Term, Textdefinition,
auch per Fallunterscheidung,. . . ).
injektiv,
links-eindeutig
6. Eine Funktion heißt surjektiv, wenn sie zusätzlich rechts-total
ist.
bijektiv,
links-eindeutig und rechts-total
S. Hilger, Didaktik der Algebra
39
7. Im letzten Fall ist die Spiegelrelation
n
o
R−1 := (b, a)(a, b) ∈ R ⊆ B × A
ebenfalls eine Funktion. Sie heißt Umkehrfunktion zu R.
Beispiele: Quadratfunktion, Wurzelfunktion
5.2
Schulische Praxis
Die Definition erfolgt heute nicht mehr über den viel zu abstrakten Relationsbegriff, sondern anschaulich:
Es seien D und W zwei Mengen. Eine Vorschrift, die
• jedem Element aus D
• genau ein Element aus W
zuordnet, heißt Funktion von D nach W.
Es handelt sich also letztlich um einen Ettikettenschwindel: Der Ausdruck Vorschrift“ ist ja genauso
”
wenig definiert wie der Begriff Funktion“.
”
Einige Kommentare:
• Die Mengen sind Teilmengen (meist: Intervalle) des aktuellen Zahlbereichs (Q, R oder C). (In
der Geometrie tritt ebenfalls der Funktionsbegriff (als Abbildungsbegriff auf, hier sind die zugrundeliegenden Mengen Teilmengen der Zeichenebene“) Die Elemente der Definitionsmenge werden
”
praktisch immer mit dem Buchstaben x und die der Wertemenge mit y bezeichnet. (Vor- und
Nachteile)
• In der Notation wird die Mengenebene unterdrückt. Man schreibt also nur
f : x 7→ f (x)
• Einige besondere Bezeichnungen seien anhand des Beispiels f (x) = 2x2 − 5 erklärt:
• Funktionsvorschrift: x 7→ 2x2 − 5.
• Funktionsterm 2x2 − 5.
• Funktionsgleichung y = 2x2 − 5.
• Hinsichtlich des Begriffs der Definitionsmenge treten Inkonsistenzen auf. In der allgemeinen Einführung des Funktionsbegriffs tritt die Definitionsmenge — korrekt — als vorgegebenes Objekt auf.
In der Praxis muss dann immer die (maximale) Definitionsmenge aus dem Funktionsterm f (x) als
Teilmenge einer Grundmenge (R) bestimmt werden (Nenner dürfen nicht Null, Radikanden nicht
negativ sein, Logarithmusargumente müssen positiv sein,. . . ).
• In der Schulpraxis tritt nur der Begriff der Wertemenge, nicht der der Bildmenge in Erscheinung.
In der Analysis der Oberstufe wird die Wertemenge immer auf der Grundlage der Definitionsmenge
und des Funktionsterms als Teilmenge von R bestimmt. Das Problem der Surjektivität bleibt
ausgeklammert. Die Frage der Umkehrbarkeit einer Funktion ist auf das Problem der Injektivität
reduziert.
Insgesamt tritt hier ein in der Schulmathematik häufiger zu beobachtendes Phänomen auf:
Es werden Begriffe vermeintlich exakt eingeführt. Beim langfristigen Umgang mit ihnen werden sie aber
— aufgrund Zweckmäßigkeit, Unwissenheit, Schülerüberforderung, Vermeidung von Penibilität oder Pathologien — in abgewandelter oder verschleierter Bedeutung benutzt.
Beispiele: Begriff der Definitionsmenge, Wertemenge, Äquivalenz von Termen. Dieses Dilemma tritt auch
in der Analysis der Oberstufe (Kurvendiskussion) auf.
S. Hilger, Didaktik der Algebra
5.2.1
40
Der Funktionenfundus der Gymnasialmathematik
Folgende Funktionen werden — gemäß Lehrplan — in den angegebenen Jahrgangsstufen eingeführt. Der
Begriff Funktion tritt erst in 8/9 in Erscheinung.
FUNKTIONEN IN DER ALGEBRA:
6 Direkte und indirekte Proportionalität.
8 Lineare und abschnittsweise lineare Funktionen.
9 Quadratische und Wurzelfunktionen, Betragsfunktion.
10 Potenz, Exponential- und Logarithmusfunktionen, trigonometrische Funktionen.
11 Polynomfunktionen, Abschnittsweise definierte Funktionen, Zusammengesetzte Funktionen.
11, Additum Gauß–Klammer (größter Ganzzahlanteil), Signumfunktion, Funktionen aus der Informatik (Portofunktion).
12 Natürliche Exponential- und Logarithmusfunktion.
13 Rationale Funktionen.
LK Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen.
ABBILDUNGEN IN DER GEOMETRIE:
7 Punkt- und Achsenspiegelungen, Verschiebungen, Drehungen, allg. Kongruenzabbildungen.
9 Zentrische Streckung, Raumgeometrische Abbildungen.
13 Affine und lineare Abbildungen.
41
S. Hilger, Didaktik der Algebra
5.2.2
Darstellung von Funktionen als Graphen
...
....... Wertemenge
.......
... .... ...
..
...
....
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..............................
...
.................................
...
.......................
....................
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.................
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Definitionsmenge
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Stelle
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...
...
....
..
y
1
1
x
• Die Definitionsmenge wird als (Teilmenge der) Rechtswertachse (horizontale Achse, x–Achse) aufgefasst.
• Die Wertemenge wird als (Teilmenge der) Hochwertachse (vertikale Achse, y–Achse) aufgefasst.
• Die graphische Darstellung der Funktion geschieht dadurch, dass jeder Punkt (x, y) der Relation
im Koordinatensystem markiert wird. Damit ist
n
o
Gf = P (x, y) ∈ E x ∈ D ∧ y = f (x) ⊆ D × W.
Damit ist der Graph einer Funktion f im streng mengentheoretischen Sinn gleich dieser Funktion.
• Der
Graph hat mit jeder vertikalen Gerade durch eine Stelle der Definitionsmenge
mindestens (↔ linkstotal)
einen, d.h. genau einen, Punkt gemeinsam.
höchstens (↔ rechtseindeutig)
Bei der graphischen Darstellung tritt der dynamische“ Charakter der Funktion (Zuordnung) in den
”
Hintergrund, der Graph ist eher ein statisches“ Objekt.
”
Unterscheide die Begriffe
Symbol Begriff
x
Stelle
Element der . . .
Definitionsmenge
y
Wert
Wertemenge
(x, y)
Punkt
Kart. Produkt
graphisch . . .
Rechtswertachse
(x-Achse)
Hochwertachse
(y-Achse)
Zeichenebene
(x, y)–Koordinatensystem
S. Hilger, Didaktik der Algebra
6
Anhang
42
43
S. Hilger, Didaktik der Algebra
Rechengesetze
Es sei M eine Menge, deren Elemente in diesem Zusammenhang Zahlen heißen.
Auf M sind zwei Operationen (= Verknüpfungen) definiert:
Die Addition
Die Multiplikation
⊕:M ×M →M
:M ×M →M
⊕ heißt: plus
heißt: mal
Im folgenden sind mögliche Eigenschaften dieser Operationen aufgelistet:
Eigenschaften der Addition
• Assoziativgesetz der Addition (AG/A)
Für alle a, b, c ∈ M gilt: (a ⊕ b) ⊕ c = a ⊕ (b ⊕ c).
(∗ Damit wird die Schreibweise a ⊕ b ⊕ c := (a ⊕ b) ⊕ c sinnvoll. ∗)
• Kommutativgesetz der Addition (KG/A)
Für alle a, b ∈ M gilt: a ⊕ b = b ⊕ a.
• Neutrales Element der Addition (NE/A)
Es gibt ein Element 0 ∈ M , so daß für alle a ∈ M gilt:
a ⊕ 0 = 0 ⊕ a = a.
• Eindeutigkeit der Lösung“ (EiL/A)
”
Zu beliebigen a, b ∈ M gibt es höchstens ein Element c ∈ M , so daß gilt:
a ⊕ c = b.
• Existenz der Lösung“ (ExL/A)
”
Zu beliebigen a, b ∈ M gibt es mindestens ein Element c ∈ M , so daß gilt:
a ⊕ c = b.
Eigenschaften der Multiplikation
• Assoziativgesetz der Multiplikation (AG/M)
Für alle a, b, c ∈ M gilt: (a b) c = a (b c).
(∗ Damit wird die Schreibweise a b c := (a b) c sinnvoll. ∗)
• Kommutativgesetz der Multiplikation (KG/M)
Für alle a, b ∈ M gilt: a b = b a.
• Neutrales Element der Multiplikation (NE/M)
Es gibt ein Element 1 ∈ M , so daß für alle a ∈ M gilt:
a 1 = 1 a = a.
• Eindeutigkeit der Lösung“ (EiL/M)
”
Zu beliebigen a ∈ M \ {0}, b ∈ M gibt es höchstens ein Element c ∈ M , so daß gilt:
a c = b.
• Existenz der Lösung“ (ExL/M)
”
Zu beliebigen a ∈ M \ {0}, b ∈ M gibt es mindestens ein Element c ∈ M , so daß gilt:
a c = b.
Eine Eigenschaft, die eine Beziehung zwischen Addition und Multiplikation herstellt
• Distributivgesetz (DG)
Für alle a, b, c ∈ M gilt: a (b ⊕ c) = (a b) ⊕ (a c) = a b ⊕ a c.
(∗ Die Unterlassung der Klammersetzung im letzten Term wird durch die Punkt–vor–Strich–Konvention gerechtfertigt: Punktrechnung bindet stärker als Strichrechnung. ∗)
44
S. Hilger, Didaktik der Algebra
Relationen in einer Menge
Es sei M eine Menge.
Definitionen Eine beliebige Teilmenge R ⊆ M × M heißt Relation in M .
Zwei Elemente x, y ∈ M heißen vergleichbar (bezüglich R), wenn (x, y) ∈ R oder (y, x) ∈ R.
Eigenschaften einer Relation Im folgenden sind mögliche Eigenschaften einer solchen Relation
aufgelistet:
Eine Relation R in einer Menge M heißt
• reflexiv, wenn für alle x ∈ M gilt:
(x, x) ∈ R.
• symmetrisch, wenn für alle x ∈ M, y ∈ M die folgende Implikation gilt:
(x, y) ∈ R =⇒ (y, x) ∈ R.
(∗ Das heißt: Nur wenn (x, y) ∈ R ist, muß auch (y, x) ∈ R sein. ∗)
• transitiv, wenn füralle x ∈ M, y ∈ M, z ∈ M die folgende Implikation gilt:
(x, y) ∈ R und
=⇒ (x, z) ∈ R
(y, z) ∈ R
• irreflexiv, wenn für alle x ∈ M gilt:
(x, x) ∈
/ R.
• antisymmetrisch oder identitiv, wenn für alle x ∈ M, y ∈ M mit x 6= y höchstens eine der beiden
folgenden Aussagen wahr ist:
(x, y) ∈ R
(y, x) ∈ R
• total, wenn je zwei Elemente x, y ∈ M vergleichbar sind, d.h. für alle x, y ∈ M mindestens eine der
beiden folgenden Aussagen wahr ist:
(x, y) ∈ R
(y, x) ∈ R
• Äquivalenzrelation, wenn sie
• Halbordnung, wenn sie
reflexiv, symmetrisch und transitiv
reflexiv, antisymmetrisch und transitiv
• lineare (oder totale) Ordnung, wenn sie
• strenge Halbordnung, wenn sie
ist.
ist.
eine Halbordnung und zusätzlich total
irreflexiv, antisymmetrisch und transitiv
ist.
ist.
• strenge lineare Ordnung, wenn sie
eine strenge Halbordnung ist und zusätzlich je zwei verschiedene Elemente von M vergleichbar sind.
ist.
S. Hilger, Didaktik der Algebra
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Literatur
[HS95]
Horst Hischer and Harald Scheid. Grundbegriffe der Analysis. Texte zur Didaktik der Mathematik. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1995.
[PDS95] Friedhelm Padberg, Rainer Dankwerts, and Martin Stein. Zahlbereiche. Spektrum Hochschultaschenbücher. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1995.
[Vol94]
Hans-Joachim Vollrath. Algebra in der Sekundarstufe, volume 32 of Lehrbücher und Monographien zur Didaktik der Mathematik. BI–Wissenschaftsverlag, Mannheim, Leipzig, 1994.
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