Das Progressive Therapeutische Spiegelbild im Dialog Tagung am 6. / 7. März 2009 im Gemeinschaftszentrum der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen Das Progressive Therapeutische Spiegelbild Im Dialog mit neueren Entwicklungen der Neurobiologie, der Kunsttherapie und der Psychoanalyse Beim Progressiven Therapeutischen Spiegelbild handelt es sich um eine vom Basler Psychiater und Psychoanalytiker Prof. Gaetano Benedetti mit Dr. Maurizio Peciccia (Perugia) entwickelte psychodynamische, kunsttherapeutische Behandlungsmethode. Die Technik wurde insbesondere für die Psychotherapie schwerer psychischer Störungen geschaffen. Ausgangspunkt des Verfahren sind die zentralen Grundproblematiken strukturell schwer gestörter Menschen: Chronische Schizophrenie als Spaltung zwischen Symbiose und Autismus, Verlust der normalen Symbolisierungsfähigkeit und das zentrale Dilemma, einerseits menschliche Anteilnahme und Verstandenwerden so dringend zu benötigen, andererseits aber diese Beziehungsangebote und Versuche der Kontaktaufnahme kaum ertragen zu können. Die Methode trägt diesen zentralen Schwierigkeiten Rechnung: In einem kreativen Dialog mit (von Therapeut und Patient abwechselnd selbst gezeichneten) Bildern versucht der Therapeut vorsichtig in die hermetische Welt des Kranken vorzudringen, das kranke Selbstbild zu rekonstruieren, um dort «das schizophrene Ich ständig mit einem durch den Therapeuten positivierten Selbstbild zu konfrontieren». (Benedetti u. Peciccia, 1999). Wir sind nun der Ansicht, dass eine Reihe von interessanten Entwicklungen in den letzten Jahren den zentralen Elementen, die das Verfahren früh postuliert hat, beizupflichten scheinen. Diese Methode zur Behandlung von Menschen mit unsicheren Ich-Grenzen soll daher in Dialog gebracht werden mit anderen wissenschaftlichen Diskursen wie etwa die Entdeckung der Spiegelneuronen und ihre Auswirkung auf die Psychotherapie, die unabhängig entwickelte Squiggle-Technik von Winnicott, neuere psychodynamische Prozesstheorien wie das Mentalisierungskonzept, die Theorie affektiver Synchronisierungsprozesse oder aktuelle kunsttherapeutische Entwicklungen. Verbunden wird die Tagung mit einer Ausstellung von Arbeiten, die im kunsttherapeutischen Atelier der 1980 geschlossenen legendären Klinik Bellevue in Kreuzlingen entstanden sind, wo die Psychosenpsychotherapie einen wichtigen Stellenwert hatte. Die Arbeiten wurden von Silvio Lütscher gerettet und der Klinik Münsterlingen als Schenkung vermacht. Dr. med. Dipl. Psych. Gerhard Dammann Chefarzt/Spitaldirektor Thomas Meng Kunst-/Gestaltungstherapeut Freitag, 6. März 2009 09:00 Ankunft, Kaffee und Gipfeli 09:45 Gerhard Dammann Begrüssung wichtigen Funktion im Rahmen diagnostischer und differentialdiagnostischer Überlegungen, bietet sie gute Zugangsmöglichkeiten zu den abgespalteten Anteilen dieser oft künstlerisch begabten Patienten. In den Bildern wird die ganze inhaltliche Vielfalt einer destruktiven, macht- und angstbesetzten inneren Bilderwelt zugänglich. Als autonomer Gestalter können sich die Patienten im Bild Freiräume schaffen, in denen progressive Entwicklung möglich ist. Moderation: Doris Straus 09:50 10:15 Thomas Meng Einführung Technik, Fragestellung aus der kunsttherapeutischen Praxis Beim zeichnerischen Dialog in der Methode des progressiven therapeutischen Spiegelbilds stellen sich unterschiedliche Fragen für das Vorgehen. Diese möchten wir zum Anfang der Tagung stellen, um die Beiträge aus der Kunsttherapie, Psychotherapie und Neurologie in einen gemeinsamen Kontext zu stellen. Prof. Flora von Spreti Die Kunst, mit der «Kunst» die Spaltung zu überbrücken. Kunsttherapeutische Fragestellung bei der Behandlung von Borderline-Patienten Die stationäre Behandlung einer Borderline-Störung erfordert in der Regel ein spezielles Behandlungs-Setting. Die Kunsttherapie kann gerade im integrativen Behandlungsangebot einer Klinik ein wichtiges therapeutisches Element sein. Abgesehen von ihrer 11:00 Pause 11:25 Prof. Michael Günter Kugelfische, Frankensteins und Oschis Winnicott's Squiggletechnik in der kinderpsychoanalytischen und kinderpsychiatrischen Arbeit Theorie und Praxis des von Winnicott entwickelten Squiggle-Spiels werden dargestellt. Grundlegend ist sein Verständnis von Psychotherapie als Bereich, in dem sich das spielerische Potential der Psyche entfalten kann. Instruktion und die Arbeitsweise mit der Squiggle-Technik werden skizziert. Durch das wechselseitige gemeinsame Zeichnen von Kritzeln auf ein Blatt Papier und deren Ausarbeitung durch den Gesprächspartner – Patient bzw. Therapeut – entsteht eine Atmosphäre von Gleichberechtigung, die jede Attitüde einer ärztlichen Autorität und Überlegenheit vermeidet. Die spielerische und bildliche Herangehensweise lässt auch bei schwierigen, gehemmten oder schwer gestörten Patienten schnell einen Dialog entstehen, der unbewusste Konflikte im Gespräch zugänglich macht. Daher eignet sich das Squiggle-Spiel für einen raschen Zugang zur Psyche des Kindes oder Jugendlichen im Erstinterview. Ein Fallbeispiel mit Squiggle-Bildern illustriert die Arbeitsweise. 12:10 Prof. Gisela Schmeer Resonanz und Verfremdung: Unbewusstes und absichtliches Ausscheren aus der Resonanz Die Referentin beschäftigt sich mit den Abweichungen der Resonanz. Es werden u.a. kunsttherapeutische Interventionen vorgestellt, bei denen der Therapeut absichtlich aus dem empathischen (Resonanz-) Geschehen ausbricht und über einen Quereinstieg die vom Patienten ausgehenden Systeme sprengen oder doch erweitert. 13:00 Mittagessen 14:30 Workshopblock mit 5 Workshops 1. Prof. Flora von Spreti Die Kunst, mit der «Kunst» die Spaltung zu überbrücken Anhand von Fallvignetten und Bildbeispielen wird gemeinsam diskutiert, wie positive Entwicklungspotentiale in den Bildern von Patienten mit Borderline-Störung im Verlaufe der Behandlung aktiviert und genutzt werden können. 2. Prof. Michael Günter Erstkontakte mit Kindern: Winnicotts Squiggle Technik in der Praxis Vertiefung des Vortrages und der Technik des Squiggle-Interviews im Dialog mit den Teilnehmern und anhand von Fallbeispielen. 3. Dr. Maurizio Peciccia, Thomas Meng Praxisbeispiel des progressiven therapeutischen Spiegelbilds In der Methode des progressiven therapeutischen Spiegelbilds stellt sich immer wieder die Frage, welche zeichnerische Antwort ist die Richtige? Ausgehend von einer Bildreihe aus der klinischen Praxis wollen wir mögliche Antworten zeichnen und diese in der Gruppe diskutieren. 4. Prof. Cord Benecke Affektive Synchronisationsprozesse. Affektive Synchronisationsprozesse haben einen zentralen Stellenwert in der menschlichen Entwicklung, bei psychischen Störungen und in der Psychotherapie. Über die affektive Kommunikation werden innere Zustände und interpersonelle Beziehungen wechselseitig verschaltet. Affekte können u. a. als «Werkzeuge» zur Regulierung von Beziehungen verstanden werden, die je nach Bezugspunkt interaktive und / oder repräsentationale Intersubjektivität gestalten. Die Funktion affektiver Austauschprozesse im therapeutischen Prozess wird an- hand aktueller Forschungsergebnisse verdeutlicht und mittels Videobeispiele illustriert und diskutiert. 17:45 Ende 18:00 Eröffnung der Ausstellung «Verlorengegangene und wiedergefundene Bilder» aus dem offenen Atelier der Privatklinik Bellevue und Ehrung von Silvio Lütscher anlässlich der Übergabe des Kunsttherapiearchivs an die Klinik Münsterlingen. 19:30 Fest mit gemeinsamen Essen (separate Anmeldung) 5. Prof. Gisela Schmeer Resonanzbildmethode Die Resonanzbildmethode, ein gruppendynamisches Verstehen, erleichtert und belebt den Prozess der Vernetzung und bietet die Möglichkeit des visuellen Lernens in der Gruppe. 16:30 Ende Workshops Pause Samstag, 7. März 2009 17:00 Prof. Gertraud Schottenloher Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile Es gibt eine relativ neue Forschungsrichtung, die «Collaboration» zum Thema hat. «Collaboration» meint die kreative Zusammenarbeit zwischen zwei Menschen, in der etwas entsteht, das in seinem Wesen über das hinausgeht, was jeder alleine hätte erschaffen können, also nicht die Addition der geleisteten Arbeit, sondern das essentiell Neue, das in der Zusammenarbeit entsteht. Dieser Vortrag wirft die Frage auf und untersucht, inwieweit es sich beim progressiven therapeutischen Spiegelbild um echte «Collaboration» handelt und welche Wirkung diese gegebenenfalls hat. 08:30 Ankunft, Gipfeli und Kaffee Moderation: Dr. Bernhard Grimmer 09.00 Dr. Maurizio Peciccia Das progressive therapeutische Spiegelbild Es wird die Methode des progressiven therapeutischen Spiegelbilds vorgestellt, wobei die Ähnlichkeit zur Traumarbeit und das sich daraus ergebende psychodynamische Modell dargelegt wird. Mit einem Beispiel aus der klinischen Praxis wird der therapeutische Prozess zudem anschaulich erläutert. 09:45 10:15 Dr. Gerhard Dammann Wirkfaktoren des Progressiven Therapeutischen Spiegelbilds im Lichte neuer psychodynamischer Prozesstheorien Die Methode des Progressiven Therapeutischen Spiegelbilds soll mit neueren psychodynamischen Prozesstheorien (z.B. dem Mentalisierungskonzept, den «Now Moments» nach Stern) verknüpft werden. Dabei sollen relevante Wirkfaktoren näher untersucht werden. Es zeigt sich dabei, dass die Methode interessante Parallelen zu anderen Verfahren für die Behandlung struktureller Störungen aufweist, bei denen Spaltungsphänomene von zentraler Bedeutung sind. Darüber hinaus weist dieses Verfahren aber einige wichtige und originelle Besonderheiten auf. Prof. Cord Benecke Affektive Synchronisierungsprozesse Affektive Synchronisationsprozesse haben einen zentralen Stellenwert in der menschlichen Entwicklung, bei psychischen Störungen und in der Psychotherapie. Über die affektive Kommunikation werden innere Zustände und interpersonelle Beziehungen wechselseitig verschaltet. Affekte können u. a. als „Werkzeuge“ zur Regulierung von Beziehungen verstanden werden, die je nach Bezugspunkt interaktive und/oder repräsentationale Intersubjektivität gestalten. 10:45 Pause mit Imbiss 11:15 Prof. Joachim Bauer Das System der Spiegelneuronen Neurobiologische Basis intuitiven Verstehens Die Entdeckung des Systems der Spiegelnervenzellen weist den menschlichen Körper als ein Resonanzorgan aus: Innere Befindlichkeiten, Motive und Gefühle von uns wahrgenommener anderer Menschen aktivieren in uns neuronale Systeme, die aktiv wären, wenn wir selbst das fühlen würden, was der von uns beobachtete andere Mensch gerade fühlt. Spiegelnervenzellen organisieren, was als «Embodied Simulation» bezeichnet wird. Sie bilden nicht nur den neurobiologischen Hintergrund für therapeutisches Verstehen, sondern - via Internalisierung und Identifikation - auch für im Patienten ablaufende Veränderungsvorgänge. 12:00 Dr. Hildburg Porschke Auf dem Weg zu einer Neurobiologie der Abgrenzung Derzeit nähert sich die neurobiologische Forschung von zwei Seiten dem Verstehen des Selbst, des «Inner Self», bzw. der «Theory of Mind », einerseits vom Beziehungsaspekt der Resonanz und Empathie (Spiegelneuronensystem), andererseits von den Aspekten der Selektion, Fokussierung und Abgrenzung her, dem Differenzieren von Eigen und Fremd, innen und aussen, bedeutend für das Selbst oder nicht, Grundlagen also für die subjektive Einflussnahme, Bewusstheit und Integrationsleistungen des Selbst / Ich. Anmeldung bis 20.02.2009 Anmeldung mit beigefügtem Vordruck oder per email: [email protected] 12:30 Rundgespräch Ergebnisse der Tagung mit Publikumsdiskussion Gebühren Tagung inklusive Essen und Parkgebühren 13:45 Ende der Tagung und gemeinsames Mittagsbuffet Freitag und Samstag Freitag oder Samstag normal CHF 300.- / € 200.CHF 200.- / € 135.- *ermässigt CHF 200.- / € 135.CHF 150.- / € 100.- TAGUNGSINFORMATIONEN Organisation Ingrid Breitenbach Tel. +41(0)71 686 40 34 E-Mail: [email protected] Fachauskunft Thomas Meng Tel. +41(0)71 686 41 63 E-Mail: [email protected] Veranstalter Psychiatrische Dienste Thurgau Dr. G. Dammann, Chefarzt / Spitaldirektor Anschrift Psychiatrische Klinik Münsterlingen Postfach 154, CH-8596 Münsterlingen FAX: +41(0)71 686 40 35 Festessen Freitagabend mit Anmeldung CHF 30.- / € 20.- Einzahlung Bitte benutzen Sie den beigefügten Einzahlungsschein für die Tagungsgebühr. Barbezahlung an der Tageskasse ist möglich. Anmeldung für die Workshops Bei den Workshops muss eine Erst- und Zweitwahl getroffen werden. Die Workshopzuteilung erfolgt nach Eingangsdatum der Anmeldung. Übernachtungsmöglichkeiten auf Anfrage: [email protected] *Schüler, Lehrlinge, Studenten, IV-Bezüger – nur mit Ausweis Referentinnen und Referenten Bauer, Joachim Univ.-Prof. Dr. med., Universitätsklinik Freiburg Benecke, Cord PD Dr. phil. Dipl.-Psych., Univesitätsklinik, Innsbruck Dammann, Gerhard Dr. phil., Chefarzt, Spitaldirektor PDT, Münsterlingen Grimmer, Bernhard Dr. phil., Fachpsychologe für Psychotherapie FSP, Münsterlingen Günter, Michael Univ.-Prof. Dr. med., Universitätsklinik Tübingen Meng, Thomas Kunsttherapeut, Leiter vom Offenen Atelier, Münsterlingen Peciccia, Maurizio Dr. med. Arzt für Psychotherapie und Psychoanalyse, Ponte Felcino-Perugia Porschke, Hildburg Dr. med., Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Münsterlingen Schmeer, Gisela Prof. h.c., Dr. med., Dipl. Psych, Ärztin f. Psychotherapie Psychoanalyse, München Schottenloher, Gertraud Prof. Dr., Akademie der bildenden Künste, München Straus, Doris Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Münsterlingen Von Spreti, Flora Prof. h. c., Hochschule für Kunsttherapie, Nürtingen Tagungsort Psychiatrische Klinik, CH-8596-Münsterlingen Anfahrt Münsterlingen liegt zwischen Kreuzlingen und Romanshorn am Schweizer Bodenseeufer. Sie erreichen uns von Konstanz oder Kreuzlingen in 20 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Bahnstation: Münsterlingen-Spital (Halt auf Verlangen). Bushaltestelle: Münsterlingen-Spital. Unterkunft/Infos www.konstanz.de und www.kreuzlingen.ch