Aufbau und Regelung eines elektrostatischen Levitators Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktor-Ingenieurs der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der Ruhr-Universität Bochum von Tilo Meister Wuppertal Bochum 2000 Dissertation eingereicht am : 24. November 2000 Tag der mündlichen Prüfung : 30. Januar 2001 Referent : Prof. Dr.-Ing. H. Unbehauen Koreferent : Prof. Dr. D. M. Herlach Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Institut für Raumsimulation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und dem Lehrstuhl für Elektrische Steuerung und Regelung der Ruhr-Universität Bochum. Herrn Prof. Dr.-Ing. H. Unbehauen und Herrn Prof. Dr. D. M. Herlach danke ich sehr herzlich für ihre ständige Diskussionsbereitschaft, die hilfreichen und motivierenden Ratschläge und die großzügige Förderung dieser Arbeit. Bei Herrn Prof. Dr. B. Feuerbacher bedanke ich mich für die Möglichkeit zur Durchführung dieser Arbeit am Institut für Raumsimulation. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. G. Lohöfer für die engagierte Betreuung und die tatkräftige Unterstützung beim Aufbau der in dieser Arbeit vorgestellten Anlage. Herrn Dr.-Ing. H. Werner und Herrn Dr.-Ing. P. Korba danke ich für viele hilfreiche Diskussionen und nützliche Tips. Zuguterletzt möchte ich auch allen Kolleginnen und Kollegen meinen Dank für die zahlreichen konstruktiven Anregungen und Diskussionen sowie das gute Arbeitsklima aussprechen. Köln, im Februar 2001 Tilo Meister Für meine Eltern, die mich immer unterstützt haben Inhaltsverzeichnis Vorwort ii Notation vi 1 Einleitung 1 2 Behälterloses Prozessieren 6 2.1 Dispersions- und Einbettungs-Techniken . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2 Fallrohre und Falltürme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.3 Levitationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.3.1 Akustische Levitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.3.2 Aerodynamische Levitation . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.3.3 Elektromagnetische Levitation . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.3.4 Elektrostatische Levitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3 Aufbau des elektrostatischen Levitators 18 3.1 Elektrodenanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.2 Positionserfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3.3 Vakuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.4 Probenheizung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.5 Probenladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.6 Temperaturmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4 Das nichtlineare Zustandsraummodell 34 INHALTSVERZEICHNIS 5 Verfahren zur Regelung, Simulation und Echtzeit 5.1 v 37 PID-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5.1.1 Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5.1.2 Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5.2 Linearisierung und Berechnung der Zustandsrückführung . . . . . 46 5.3 Robuste Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5.3.1 H∞ -Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5.3.1.1 Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5.3.1.2 Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Regelung mit schneller Ausgangsabtastung . . . . . . . . . 66 5.3.2.1 Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5.3.2.2 Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Zustandsregelung mit Identitätsbeobachter . . . . . . . . . 77 5.3.3.1 Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 5.3.3.2 Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Gesteuerte Adaption mit Ladungsschätzung . . . . . . . . . . . . 83 5.4.1 Globaler LMI-basierter Reglerentwurf . . . . . . . . . . . . 88 5.4.1.1 Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 5.4.1.2 Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Lokaler LMI-basierter Reglerentwurf . . . . . . . . . . . . 97 5.4.2.1 Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5.4.2.2 Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5.3.2 5.3.3 5.4 5.4.2 6 Zusammenfassung Literaturverzeichnis 103 106 Notation Skalare: Normalschrift (z. B. x) Vektoren: Fettschrift, klein (z. B. x) Matrizen: Fettschrift, groß (z. B. A) Übertragungsfunktionen: Normalschrift, groß (z. B. G(s)) Übertragungsmatrizen: Fettschrift, groß (z. B. G(s)) Physikalische Größen B Magnetische Induktion dl Abstand zwischen den Levitationselektroden E Elektrische Feldstärke ε Emissionsgrad Fl Levitationskraft zur stabilen Probenpositionierung g Gravitationsbeschleunigung m Probenmasse rl Radius des aufgeweiteten Laserstrahls hinter der Irisblende rp Probenradius ρ Dichte der Probe qs Probenladung φ Elektrisches Potential xd , y d Abstände der Zentren gegenüberliegender Seitenelektroden NOTATION vii Signale d, d Störung e, e Regelabweichung ζ Integratorzustände η Um Parameter erweiterter Zustandsvektor xz p Geschätzter Parameter (die mit einem Skalierungsfaktor gewichtete Probenladung) r, r Führungsgröße u, u Stellgröße der Regelstrecke ux , u y , u z Stellgrößen der Regelstrecke (Elektrodenspannungen an Levitations- und Seitenelektroden) u∗ , x ∗ , y ∗ Stellgrößenvektor, Zustandsvektor, Ausgangsgrößenvektor im Linearisierungspunkt ∆u, ∆x Abweichung der Vektoren u, x von der Ruhelage w Eingangssignal der erweiterten Regelstrecke Perw (jω) x Zustandsvektor der Regelstrecke xz Zustandsvektor für die z-Koordinate x̄ Um Integratorzustände erweiterter Zustandsvektor x1 , . . . , x 6 Zustandsgrößen der Regelstrecke x, y, z Probenposition in x-, y- und z-Richtung ys , y s Regelgröße y Ausgangsgrößenvektor des Zustandsraummodells z Ausgangsvektor des H∞ -Gütefunktionals Matrizen A, B, C, D Systemmatrix, Eingangsmatrix, Ausgangsmatrix, Durchgriffsmatrix einer kontinuierlichen Zustandsraumdarstellung Ad , B d , C d , D d Systemmatrix, Durchgriffsmatrix darstellung Eingangsmatrix, einer diskreten Ausgangsmatrix, Zustandsraum- NOTATION Ād , B̄d , C̄d , D̄d viii Systemmatrix, Eingangsmatrix, Ausgangsmatrix, Durchgriffsmatrix einer diskreten, um die Integratorzustände erweiterten Zustandsraumdarstellung Ai , B i Lokale linearisierte Modelle der Regelstrecke Al , B l Systemmatrix und Eingangsmatrix der linearisierten kontinuierlichen Regelstrecke F Lineare Zustandsrückführungsmatrix F̄ Erweiterte Zustandsrückführungsmatrix FB Beobachtermatrix Fi Lokale lineare Zustandsrückführungsmatrizen FI Matrix zur Vermeidung einer von Null verschiedenen Regelabweichung (dem Integrator nachgeschaltet) K Regler-Verstärkung L Ausgangsrückführungsmatrix bei schneller Ausgangsabtastung LE , M E Matrizen zur Beschreibung der ellipsenförmigen Polregion in der z-Ebene P Kovarianzmatrix des Schätzfehlers des erweiterten Zustandsvektors η Qk Kovarianzmatrix des Prozeßrauschens Wx , W u Gewichtsmatrizen für ein quadratisches Gütekriterium Übertragungsfunktionen und Übertragungsmatrizen ∆a (jω), ∆a (jω) Additive Modellunsicherheit ∆m (jω), ∆m (jω) Multiplikative Modellunsicherheit G(jω) Übertragungsfunktion der Regelstrecke G0 (jω) Übertragungsfunktion der nominalen Regelstrecke Perw (jω) Erweiterte Regelstrecke R(jω), R(jω) Stellgrößen-Empfindlichkeitsfunktion, -matrix S(jω), S(jω) Regelgüte-Empfindlichkeitsfunktion, -matrix T (jω), T(jω) Komplementäre Empfindlichkeitsfunktion, -matrix NOTATION ix We (jω), We (jω) Gewichtungsfunktion, -matrix für die Regelabweichung Wy (jω), Wy (jω) Gewichtungsfunktion, -matrix für die Ausgangsgröße Sonstige Variablen und Formelzeichen AT A −1 δ1 , δ 2 , δ 3 Transponierte Matrix A Inverse Matrix A Parameter zur Unterdrückung der Rauschanfälligkeit der schnellen Ausgangsabtastung k̄ Kalman-Verstärkungsvektor KP , K I , K D Reglerparameter des PID-Reglers µi (k) Gewichtsfaktoren beim “Gain Scheduling” pi Extremwerte des Parameters beim “Gain Scheduling” q, r1 , r2 Ellipsen-Parameter für Polregionen in der z-Ebene Qa , Q a Ausgangssignal des Positionsdetektors Rk Kovarianzsignal des Meßrauschens τ Abtastzeit V Ljapunow-Funktion ωe , ω y Durchtrittsfrequenzen der Gewichtungsfunktionen We und Wy ωs Durchtrittsfrequenz der Regelstrecke Kapitel 1 Einleitung Das Verfahren der elektrostatischen Levitation beruht auf der Wirkung der Coulomb-Kraft auf eine geladene Probe in einem elektrostatischen Feld. In einem elektrostatischen Levitator können Metalle und elektrisch nichtleitende Materialien im Vakuum berührungsfrei positioniert und aufgeschmolzen werden. Bei sehr hoher Reinheit und in einem weiten Temperaturbereich können zahlreiche materialwissenschaftliche Experimente durchgeführt werden. Die Ausnutzung der Kraftwirkung auf geladene Teilchen hat eine lange Geschichte. Im Jahre 1909 hat Millikan [1] die Ladung von feinen Öltröpfchen bestimmt, indem er diese in einem Kondensatorfeld zum Schweben gebracht hat. In der folgenden Zeit gab es zwar Untersuchungen zum Verhalten von kleinen Partikeln im elektrischen Feld, jedoch sind die Problemstellungen der Positionierung oder Prozessierung größerer Proben bei sehr hohen Temperaturen nicht behandelt worden [2] - [6]. Es dauerte bis zum Jahre 1984 [7], bis zum ersten Mal am Jet Propulsion Laboratory (JPL) des California Institute of Technology in Pasadena, USA, große feste Proben mit einem Durchmesser von einigen Millimetern im elektrostatischen Feld levitiert wurden. Ein Jahr später war es auch möglich, flüssige Proben zum Schweben zu bringen [8], [9]. Im Moment gibt es fünf Arbeitsgruppen, die elektrostatische Levitationsanlagen praktisch einsetzen. Ausgehend von den Arbeiten Mitte der 80er Jahre wurde im Jahre 1989 am JPL der Aufbau eines elektrostatischen Positionierers zur Untersuchung geschmolzener Proben begonnen [10]. Bis heute konnten dort KAPITEL 1. EINLEITUNG 2 zahlreiche Experimente an geschmolzenen Materialien durchgeführt werden [11] - [15]. Die Firma Loral in Kalifornien, USA, hat das Konzept des elektrostatischen Levitators des JPL zum “ElectroStatic ContAinerless ProcEssing System” (ESCAPES) weiterentwickelt, indem zahlreiche Verbesserungen an dem Aufbau und der Funktion der Anlage durchgeführt wurden [16]. Anschließend wurde das komplette System an das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville, USA, verkauft, wo es noch zum heutigen Zeitpunkt genutzt wird. Seit Anfang der 90er Jahre ist am Institut für Werkstoffphysik und Strukturforschung der Universität Bremen eine weitere elektrostatische Levitationsanlage aufgebaut und in Betrieb genommen worden [17]. In Japan wird am Central Research Laboratory der Mitsubishi Electric Corporation in Kooperation mit dem Space Experiment Department der NASDA ein elektrostatischer Levitator für den Betrieb im Weltraum entworfen [18] - [22]. Am Institut für Raumsimulation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Elektrische Steuerung und Regelung der Ruhr-Universität Bochum im Rahmen der vorliegenden Doktorarbeit seit 1998 eine modifizierte elektrostatische Levitationsanlage für den Laborbetrieb entwickelt und aufgebaut worden [23]. Ein ganz wesentliches Problem bei der elektrostatischen Levitation stellt die Regelung der Felder, die die geladene Probe tragen und positionieren, dar. Da elektrostatische Felder im Raum prinzipiell kein stabiles Potentialminimum liefern können (siehe Kapitel 5), ist für die Fixierung der Probenlage eine aktive Regelung erforderlich. Ladungsänderungen auf der Probe bewirken außerdem, daß sich das Systemverhalten zeitlich verändert. Dies gilt vor allem für den Aufheizvorgang, weil sich beim Aufheizen durch Abdampfen von Ionen [24] ebenso wie durch thermische Elektronenemission [25] die Ladung und damit die vom elektrostatischen Feld auf die Probe ausgeübte Kraft ändert. Wegen der Stellgrößenbegrenzung der Levitationselektroden-Spannung benötigt man eine Ladungsquelle, die der abnehmenden Ladung der Probe entgegenwirkt. Das Aufladen geschieht unter Ausnutzung des Photoeffektes durch Bestrahlen der Probe mit UV-Licht. Es gibt mehrere Möglichkeiten, diese UV-Lichtquelle zu realisieren. Bei der An- KAPITEL 1. EINLEITUNG 3 lage in Bremen findet die Aufladung durch dieselbe Lichtquelle statt, die auch dem Aufheizen der Probe dient. Dies ist insofern nachteilig, als eine Erhöhung der Intensität der Lampe zwar den Effekt der Aufladung vergrößert, aber sie verringert durch die gleichzeitig größere Erhitzung auch die Ladung der Probe. Durch Verwendung getrennter Quellen für das Aufheizen und Aufladen, wie bei der Anlage am Marshall Space Flight Center, ist es den Entwicklern gelungen, die Ladungsschwankungen in engeren Schranken zu halten. Daher wurde dieses Konzept der getrennten Quellen auch bei der Levitationsanlage am DLR realisiert. Trotzdem treten teilweise sehr schnelle Temperatur- und Ladungsänderungen der Probe auf. Bei dem elektrostatischen Levitator handelt es sich um eine nichtlineare, instabile, zeitvariante Regelstrecke. Dies erfordert die Verwendung von modernen, anspruchsvollen Regelverfahren, die bei verschiedenen Betriebsbedingungen eine gewisse Regelgüte garantieren. Bei den Levitationsanlagen des JPL und des Marshall Space Flight Centers wird für die Positionierung der Probe ein diskreter PID-Algorithmus verwendet [26]. Die Forscher aus Bremen benutzen einen analogen PID-Regler. In Japan wurde zunächst auch ein diskreter PID-Regler implementiert, später wurden einige Versuche mit einem Fuzzy-Regler durchgeführt. Das Problem bei Verwendung eines PID-Reglers besteht darin, daß aufgrund des Ladungsverlustes der Probe während des Versuchsablaufes ein häufiges Verstellen der Reglerverstärkungen erforderlich ist, um Stabilität zu gewährleisten. Unter Umständen sind die Änderungen des Systemverhaltens so schnell, daß das Nachführen der Reglerparameter per Hand fast unmöglich ist. Diese Schwierigkeit tritt insbesondere bei Untersuchungen an einem hochschmelzenden Material wie z. B. Zirkon auf, das sich innerhalb von zwei Sekunden nach Abschalten der Probenheizung um ca. 500K abkühlt. Zudem lenkt jede Beschäftigung mit dem Funktionsablauf der Anlage von der eigentlichen Tätigkeit des Messens von Materialeigenschaften der Probe ab. Dieser Stand der Technik ist die Motivation für den Einsatz robuster und adaptiver Regelkonzepte, um das manuelle Nachführen der Reglerparameter zu vermeiden. Bei der robusten Regelung wird Stabilität für eine im voraus quantifizier- KAPITEL 1. EINLEITUNG 4 te und beim Reglerentwurf berücksichtigte Modellunsicherheit garantiert. Dabei kann die Modellunsicherheit aus unzureichender Kenntnis des Regelstreckenverhaltens oder aus Änderungen der Betriebsbedingungen resultieren. Adaptive Regelungen für unvollständig bekannte oder zeitlich veränderliche Regelstrecken sind vor allem seit den 70er Jahren entwickelt und erfolgreich eingesetzt worden. Hierbei werden während des Betriebes aus den gemessenen Signalen Informationen über das dynamische Verhalten der Regelstrecke gewonnen. Bei Änderungen der Dynamik der Regelstrecke werden die Reglerparameter automatisch nachgeführt. Sowohl bei robusten als auch bei adaptiven Regelungsmethoden ist es wichtig, vorhandene Informationen über die Regelstrecke zu nutzen, um die Komplexität des Regelsystems so gering wie möglich zu halten. Hierzu wird ein nichtlineares physikalisches Modell des Levitationsvorganges aufgestellt. Gestützt auf dieses Modell können unterschiedliche, teils neuartige Regelverfahren eingesetzt und einem kritischen Leistungsvergleich unterzogen werden. Im Rahmen dieser Arbeit sollen neuartige LMI-basierte Entwurfsverfahren für lokal und global stabilisierende diskrete “Gain Scheduling”-Regler mit lokaler Polgebietsvorgabe entwickelt werden. Mit diesen Methoden ist ein einfacher und systematischer Reglerentwurf möglich. Die Ergebnisse sollen mit den Resultaten robuster Regelverfahren verglichen werden. Dazu sollen Versuche mit einem H∞ Regler und einem Identitätsbeobachter durchgeführt werden. Weiterhin werden Modifikationen bei der Regelung mittels schneller Ausgangsabtastung untersucht. Die vorliegende Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert. In Kapitel 2 werden die verschiedenen Methoden zum behälterlosen Prozessieren von Proben erläutert. Die elektrostatische Levitation wird drei anderen Levitationsverfahren gegenübergestellt. Weiterhin werden Dispersions-/ Einbettungstechniken und Fallrohre/ Falltürme vorgestellt. In Kapitel 3 wird der Aufbau des am DLR entworfenen elektrostatischen Levitators detailliert beschrieben. Die Aufstellung des nichtlinearen physikalischen Zustandsraummodells für die Anlage wird in Kapitel 4 gezeigt. In Kapitel 5 werden unterschiedliche robuste und adaptive Regelverfahren der PID-Regelung anhand von Simulationsstudien und Echtzeitexperimenten vergleichend gegenübergestellt. Kapitel 6 faßt schließlich die wichtigsten Ergeb- KAPITEL 1. EINLEITUNG nisse dieser Untersuchungen zusammen. 5 Kapitel 2 Behälterloses Prozessieren Die Untersuchung der physikalischen Eigenschaften und des Erstarrungsverhaltens von Schmelzen ist in den Materialwissenschaften von grundlegendem Interesse. Hierbei ist die Reinheit der Proben und die Verminderung heterogener Keimbildung von größter Bedeutung. Bei behälterfreien Prozessierungsmethoden wird dies gewährleistet, indem jeglicher Kontakt der Schmelzen mit einer Tiegelwand verhindert wird. Außerdem werden die Experimente meist in hochreiner Umgebung, d. h. im Vakuum oder in Schutzgasatmosphäre, durchgeführt, um eine Kontamination aus der Probenumgebung zu verhindern. Behälterfreie Prozessierungsmethoden werden überall dort eingesetzt, wo es auf freie Probenoberflächen ankommt. Dies ist bei hohen Probentemperaturen und aggressiven Schmelzen, die mit jedem Tiegelmaterial reagieren, und bei Unterkühlungsexperimenten (Schmelze bleibt bis zu Temperaturen weit unter den Schmelzpunkt flüssig), bei denen die Tiegelwand als Kristallisationskeim die Unterkühlbarkeit reduzieren würde, der Fall. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene experimentelle Methoden zum behälterlosen oder quasi-behälterlosen Prozessieren [27]: • Dispersions- und Einbettungs-Techniken, • Fallrohre und Falltürme und • Levitationstechniken. KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN 7 Alle diese Methoden basieren darauf, die heterogene Keimbildung weitestgehend zu unterdrücken, so daß eine Unterkühlung der Schmelzen ermöglicht wird. Jede dieser Techniken hat ihre besonderen Vorzüge, die im folgenden erläutert werden. 2.1 Dispersions- und Einbettungs-Techniken Bei der Tröpfchen-Dispersion in Emulsion wird das Probenmaterial in einem Medium mit niedriger katalytischer Wirkung eingebettet [28]. Durch die Verwendung eines geeigneten Einbettmaterials wird die heterogene Keimbildung an der Behälterwand vermindert. Indem das zu untersuchende geschmolzene Material in eine große Anzahl sehr kleiner Tröpfchen dispergiert wird, verteilen sich die aktiven Keime, die sich im Probenmaterial befinden, auf eine kleine Anzahl von Partikeln. Folglich ist der größte Teil der kleinen Tröpfchen frei von aktiven Keimen, so daß Experimente mit hohen Unterkühlungen möglich sind. Durch geeignete Wahl des Einbettmaterials oder durch Hinzuzfügen von oberflächenaktiven Chemikalien kann darüber hinaus das Probenmaterial an seiner Oberfläche passiviert werden. Obwohl diese in Bild 2.1 dargestellte Methode nicht Öl Metalltropfen im Öl Metall Bild 2.1: Prinzip der Tröpfchen-Dispersion (nach [28]) als behälterlos bezeichnet werden darf, weil die Flüssigkeit, in der die Tröpfchen schwimmen, als Behälter angesehen werden kann, wurden viele Erstarrungs- und KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN 8 Unterkühlungs-Experimente mit dieser Technik erfolgreich durchgeführt. Zur Verminderung heterogener Keimbildung bei massiven Proben kommen häufig Schmelzeinlagerungstechniken zum Einsatz. Hier wird durch Einlagerung der Probe in einen Glasfluß der Tiegelkontakt verhindert. Mit Hilfe der Glaseinbettung können Proben mit einem Gewicht von bis zu einigen hundert Gramm unterkühlt werden. Ein Nachteil besteht darin, daß für gewisse Probenmaterialien nicht immer geeignete Einbettmedien gefunden werden können. Außerdem ist der Zugang zur Beobachtung der Schmelzen durch das umgebende Material behindert. 2.2 Fallrohre und Falltürme Eine der einfachsten Methoden, Schmelzen ohne jeglichen Kontakt mit einer Tiegelwand zu erstarren, ist die Nutzung von Fallrohren [29], [30]. Dabei wird die oft dominierende tiegelwandinduzierte Keimbildung vollständig ausgeschaltet, indem kleine geschmolzene Partikel im freien Fall erstarren. Da die Tropfen beim Fall im luftleeren Raum keine Kraft erfahren, nehmen sie die Gestalt einer Kugel an. Ein wichtiges Merkmal von Fallversuchen besteht darin, daß die Erstarrung unter Mikrogravitationsbedingungen abläuft. In Bild 2.2 ist der Aufbau eines Fallrohres schematisch dargestellt. Das Probenmaterial befindet sich in einem Tiegel am oberen Ende des Fallrohres. Nachdem es über eine Spule induktiv zum Schmelzen gebracht wird, kann es mit hohem Druck aus dem Tiegel herausgepreßt werden. Anschließend zerfällt der ausgepreßte Schmelzstrahl in viele kleine Tröpfchen, die während des freien Falls erstarren und am unteren Ende des Rohres in einem Auffangbehälter gesammelt werden. Im Gegensatz zu Fallrohren werden in Falltürmen nicht nur die Proben, sondern die gesamten Experimentapparaturen dem freien Fall ausgesetzt [31]. Anders als bei den Fallrohr-Versuchen können die Proben hier kontinuierlich von den an der Apparatur angebrachten Meßeinrichtungen untersucht werden. Wesentliche Nachteile von Fallrohr und Fallturm bestehen darin, daß die Experimentierzeit durch die Fallzeit auf wenige Sekunden beschränkt ist. Beispielsweise beträgt die Fallzeit bei einem Fallrohr oder Fallturm mit einer Höhe von KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN 9 Bild 2.2: Fallrohr zum behälterfreien Erstarren von Tröpfchen metallischer Schmelzen (nach [32]) KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN 10 10m nur ca. 1s. Bei dem Fallrohr tritt zusätzlich das Problem auf, daß eine Temperaturmessung an den Partikeln während des Falls sehr schwierig zu realisieren ist. Diese Nachteile werden überwunden, wenn Levitationstechniken zum behälterlosen Prozessieren verwendet werden. 2.3 Levitationstechniken Wegen der kurzen Experiment-Zeit ist man in Fallrohren bzw. Falltürmen auf die Untersuchung von sehr kleinen Proben beschränkt. Nur bei kleinen Proben kann eine vollständige Erstarrung während der kurzen Fallzeit garantiert werden. Da sich in Fallrohren die Probe während der Unterkühlungs- und Erstarrungsphase außerdem kontinuierlich bewegt, wird die Messung physikalischer Eigenschaften erheblich erschwert. Diese Schwierigkeiten werden umgangen, indem man eine massive Probe mit Levitationstechniken in einem frei schwebenden Zustand und in einer stabilen Position hält. Durch die Levitation massiver Proben wird die Unterkühlung von Proben ermöglicht, die nicht nur direkt beobachtet und untersucht, sondern auch extern angeregt werden können. Zum Beispiel kann zur Messung der Oberflächenspannung die Probe zu Oberflächenschwingungen angeregt werden [33]. Oder es kann die Kristallisation der Probe zu einem definierten Zeitpunkt mittels einer Triggernadel ausgelöst werden [34]. Im folgenden werden die vier Levitationstechniken beschrieben, die derzeit am häufigsten verwendet werden. 2.3.1 Akustische Levitation Das Prinzip der akustischen Levitation beruht auf der Erzeugung einer stationären Kraft durch ein akustisches Feld mit hoher Intensität. In einem akustischen Levitator wird, wie in Bild 2.3 dargestellt, eine stehende Welle zwischen einer Schallquelle und einem Reflektor erzeugt. Der Abstand zwischen der Quelle und dem Reflektor beträgt ein ganzzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge. Die Größe der Kraft muß ausreichend sein, um der Gravitationskraft entgegen- KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN 11 Reflektor stabil instabil Druck Geschwindigkeit Kraft Schallquelle Bild 2.3: Akustische Levitation von kleinen Proben (nach [35]) zuwirken. Gemäß der nichtlinearen akustischen Theorie werden in stehenden Schallwellen hoher Intensität Proben mit im Vergleich zum umgebenden Gas großen Dichten an Druckknoten levitiert. Um eine stabile akustische Levitation zu erhalten, muß die Probengröße deutlich kleiner als die Schallwellenlänge sein. Optimale Bedingungen für die Levitation von kugelförmigen Proben in einer stehenden Schallwelle existieren, wenn die Wellenlänge sechsmal so groß wie der Probenradius ist [35]. Bei Schallfeldern mit Frequenzen von 1 − 100kHz können Proben im Bereich von Zehntel Millimetern bis zu einigen Zentimetern levitiert werden. Unter der Annahme, daß die Dichte der Probe ρ viel größer ist als die Dichte des umgebenden Gases ρg , ergibt sich für eine stehende Welle mit der Geschwindigkeit der Luftteilchen vw = v0 sin(kz) cos(ωt) und dem Druck pw = −p0 cos(kz) sin(ωt) die zeitlich gemittelte Levitationskraft in vertikaler Richtung als [35] 5 Fl = (πrp2 )ρg v02 (krp ) sin(2kz) für kr ¿ 1 , (2.1) 6 wobei rp den Probenradius, k die Wellenzahl und z die Koordinate entlang der Symmetrieachse des Levitators beschreibt. KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN 12 Mit der akustischen Levitationstechnik ist es also möglich, Metalle und elektrisch nichtleitende Proben behälterfrei zu prozessieren. Es können Materialien mit relativ geringen Dichten, wie z. B. Aluminium, unter nahezu isothermen Bedingungen untersucht werden. Zum Aufheizen der Proben werden Hochleistungslaser verwendet. Hierbei treten in der Regel Schwierigkeiten auf, die stabile Probenposition zu gewährleisten, da das Schallfeld durch die entstehenden Temperaturunterschiede verändert wird. Weiterhin erfordert die akustische Levitation immer eine Gasatmosphäre, weil ein Medium notwendig ist, welches das Ultraschallfeld trägt. Da selbst vorgereinigte Gase immer Unreinheiten wie Sauerstoff oder Wasser enthalten, werden Untersuchungen zum Unterkühlungsverhalten metallischer Schmelzen, die eine hochreine Umgebung erfordern, beeinflußt. 2.3.2 Aerodynamische Levitation Bei der in Bild 2.4 dargestellten aerodynamischen Levitation wird die Positionierung der Proben durch Gasströmungen realisiert, deren Geschwindigkeit und Richtung mit Hilfe von unterschiedlich geformten Düsen variiert werden können [36]. Die Levitationskraft resultiert aus dem Impulsübertrag von den Gasmo- Bild 2.4: Gasdüse eines aerodynamischen Levitators (nach [36]) KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN 13 lekülen auf die Probe. Durch die Kegelform der Gasdüse wird eine stabile Positionierung erreicht. Zum Aufheizen und Schmelzen der Proben werden wie bei der akustischen Levitation Laser mit hoher Leistung verwendet. Durch den zur Positionierung notwendigen Gasstrom hat man wie bei der akustischen Levitation auch bei der aerodynamischen Levitation das Problem der Gasreinheit. 2.3.3 Elektromagnetische Levitation Das Verfahren der elektromagnetischen Levitation beruht darauf, daß zeitliche Änderungen von Magnetfeldern, die von einer mit einem hochfrequenten Wechselstrom durchflossenen Spule hervorgerufen werden, in elektrisch leitenden Materialien Wirbelströme induzieren (−(∂B/∂t) = rotE = 1 rotj σ mit elektrischer Leitfähligkeit σ und elektrischer Stromdichte j) und damit dort ein magnetisches Moment mm erzeugen [37]. Nach der Lenzschen Regel sind die Wirbelströme gegenüber dem äußeren Feld um π phasenverschoben. Diese Wirbelströme verursachen im Zusammenspiel mit ihrem magnetischen Erzeugerfeld eine Lorentzkraft Fl = −∇(mm B) , (2.2) die die Probe bei geeigneter Spulengeometrie und Dimensionierung des Spulenstroms gegen die Gravitation anheben kann. Gleichzeitig führen ohmsche Verluste des Induktionsstroms zur Aufheizung des Materials. In Bild 2.5 ist die schematische Anordnung einer elektromagnetischen Levitationsanlage dargestellt. Das Spulensystem wird von einem HF-Generator mit hochfrequenten Wechselströmen gespeist. Es befindet sich innerhalb einer Vakuumkammer, die bis zu einem Druck von 10−8 mbar evakuiert werden kann. Zur konvektiven Kühlung der Probe können über das Gasversorgungssystem gereinigte Gase in die Kammer eingelassen werden. Die Temperatur der Probe wird berührungslos über ein Zwei-Farbenoder Quotientenpyrometer (siehe Abschnitt 3.6) mit einer Genauigkeit von ±5K gemessen. Zu Diagnosezwecken dienen ein Massenspektrometer und ein System zur schnellen Temperaturerfassung mit einer Abtastzeit von 1M Hz. Neben der Einschränkung, daß mit der elektromagnetischen Levitation nur elektrisch leitende Proben prozessiert werden können, birgt die Kopplung von KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN 14 Bild 2.5: Elektromagnetische Levitation im Erdlabor (nach [34]) Levitations- und Heizwirkung weiterhin den Nachteil, daß eine gewisse Mindesterwärmung der Probe durch die zur Aufrechterhaltung der Levitationskraft notwendige minimale Wirbelstromstärke nicht unterschritten werden kann. Daher ist es nicht möglich, niedrigschmelzende Systeme im Vakuum zu unterkühlen. Unterkühlungsexperimente an niedrigschmelzenden Proben sind nur bei Verwendung von Kühlgasen möglich, wobei eine Kontamination der Probe durch die Gasatmosphäre nicht auszuschließen ist. Dieses Problem wird umgangen, wenn die Proben unter Schwerelosigkeit im Weltraum prozessiert werden. Bislang wurde das behälterfreie Prozessieren unter Mikrogravitation in der Anlage TEMPUS (Tiegelfreies ElektroMagnetisches Prozessieren Unter Schwerelosigkeit) realisiert, die schon bei zwei Space ShuttleMissionen im Einsatz war [38]. Da aufgrund der reduzierten Gravitationskraft die zur Positionierung der Proben notwendigen Kräfte sehr klein sind, kann durch ein geschickt gewähltes Spulendesign eine Entkopplung von Positionieren und KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN 15 Bild 2.6: TEMPUS: Elektromagnetische Levitation unter Weltraumbedingungen (nach [38]) Heizen erreicht werden. Bei der TEMPUS-Anlage werden, wie in Bild 2.6 dargestellt, zur Positionierung zwei koaxiale Spulen mit identischer Geometrie, aber entgegengesetzter Stromrichtung verwendet. Um die Proben aufzuheizen bzw. zu schmelzen, ist zwischen den oberhalb und unterhalb der Probe angeordneten Positionierspulen eine zusätzliche Spule angebracht. Durch die geringen Positionierfelder und die damit einhergehende geringe Erwärmung der Proben können bei der elektromagnetischen Positionierung unter Schwerelosigkeit auch niedrigschmelzende Metalle im Vakuum prozessiert und unterkühlt werden, da die Kühlung durch Wärmestrahlung ausreicht. KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN 2.3.4 16 Elektrostatische Levitation Die elektrostatische Levitation wird durch die Coulomb-Kraft auf elektrisch geladene Proben in einem elektrischen Feld ermöglicht. Mit dieser Methode können sowohl Metalle und Halbleiter als auch Isolatoren prozessiert werden. Die wesentliche Anforderung an die Probensubstanz besteht darin, daß die Oberflächenladung, die sich während eines Experimentes z. B. durch Abdampfen von Material ändert, durch geeignete Maßnahmen erhalten werden kann. Das Kernstück eines Levitationselek troden (±20 kV) Probe (positiv geladen ) -/+ 3 kV +/- 3 kV -/+ 3 kV +/- 3 kV Seitenelektroden Bild 2.7: Elektrodenanordnung bei einem elektrostatischen Levitator elektrostatischen Positionierers stellt die Elektrodenanordnung dar und ist in Bild 2.7 gezeigt. Die sechs im Zentrum der Vakuumkammer angebrachten Elektroden erzeugen über Hochspannungsversorgungen das elektrostatische Feld zur dreidimensionalen stabilen Probenpositionierung. Es sind zwar auch ringförmig oder tetraedrisch angeordnete Elektrodenkonfigurationen in einigen Anlagen bereits zum Einsatz gekommen [39]. Diese haben sich aber nicht durchgesetzt, so daß in der vorliegenden Arbeit ausschließlich auf die oben beschriebene Anordnung eingegangen wird. Weitere Details zum Aufbau eines elektrostatischen Levitators sind in Kapitel 3 beschrieben. Die Gleichungen für die erzeugten Levitationsfelder werden in Kapitel 4 erläutert. Als vorteilhaft im Gegensatz zur elektromagnetischen Levitation erweist sich bei der elektrostatischen Positionierung, daß auch elektrisch nichtleitende Ma- KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN 17 terialien prozessiert werden können. Außerdem entfällt die Kopplung zwischen Levitationskraft und Heizwirkung auf die Probe. Daher ist es möglich, Proben ohne Kühlung bei niedrigen Temperaturen zu prozessieren, so daß auch niedrigschmelzende Metalle in der Nähe der Schmelztemperatur oder gar im unterkühlten Zustand untersucht werden können. Da die Experimente zudem im Vakuum durchgeführt werden (siehe Abschnitt 3.3), liegen bezüglich der Reinheit der Umgebungsatmosphäre optimale Bedingungen vor. Andererseits besitzen geschmolzene Proben im Vakuum eine erheblich höhere Abdampfrate als im Gas. In Legierungen kann dies aufgrund unterschiedlicher Dampfdrücke der Komponenten zu einer Konzentrationsveränderung im Laufe des Experimentes führen und generell natürlich zu einem erhöhten Masseverlust der Proben. Durch Beschränkungen in den Elektrodenspannungen ist man im allgemeinen auf leichte Proben mit kleinem Probendurchmesser (1 − 3mm) angewiesen, und aufgrund der auf der Probe befindlichen Ladungen hat man mögliche Auswirkungen auf die Messung der Oberflächenspannung zu berücksichtigen. Zusammenfassend kann man festhalten, daß jede der verschiedenen Levitationstechniken gewisse Vor- und Nachteile besitzt. Viele Eigenschaften sind komplementär zueinander, so daß sich die Methoden gegenseitig gut ergänzen. Nach dieser Einführung über Möglichkeiten zum behälterlosen Prozessieren soll im übrigen Teil der Arbeit die elektrostatische Levitation im Mittelpunkt stehen. Nach einer Beschreibung des Aufbaus und Erklärung der Funktionsweise der Anlage wird im weiteren auf unterschiedliche Regelungsmethoden und deren Anwendung detailliert eingegangen. Kapitel 3 Aufbau des elektrostatischen Levitators Die Methode der elektrostatischen Levitation basiert auf der Coulomb-Kraft, die auf elektrisch geladene Proben in einem elektrischen Feld wirkt. Sie kann auf eine Großzahl von Materialien angewendet werden, die Metalle, Halbleiter und Isolatoren einschließt. Ein Foto des im Rahmen dieser Arbeit am Institut für Raumsimulation des DLR aufgebauten elektrostatischen Levitators ist in Bild 3.1 dargestellt. Das Kernstück der Anlage ist die im Zentrum der Vakuumkammer (siehe Abschnitt 3.3) angebrachte Elektrodenanordnung, die das für die Positionierung von elektrisch geladenen Proben notwendige elektrische Feld erzeugt (siehe Abschnitt 3.1). Da elektrostatische Felder im Raum prinzipiell kein stabiles Potentialminimum liefern können (siehe Kapitel 5), ist für die Fixierung der Probenlage eine aktive Regelung erforderlich. Hierbei wird die Probe durch zwei im rechten Winkel angeordnete Laser beleuchtet und ihr Schattenwurf auf zwei gegenüberliegenden optischen Positionsdetektoren erfaßt. Eine Änderung der Probenlage im Raum und damit eine Verschiebung des Schattens verändert die Ausgangsspannung der Detektoren und liefert damit ein Signal zur Regelung der mit den Elektroden verbundenen Hochspannungsverstärker (siehe Abschnitt 3.2). Wie in der schematischen Darstellung der Anlage in Bild 3.2 gezeigt wird, kann die Probe mittels eines Lasers aufgeheizt werden (siehe Abschnitt 3.4). Dabei können Probentemperaturen von über 2000K erreicht werden. Der La- KAPITEL 3. AUFBAU 19 Vakuumkammer UV-Lampe Hochspannungsverstärker Positionsdetektoren Positionierungslaser mit Strahlaufweitung Bild 3.1: Foto des im Rahmen dieser Arbeit aufgebauten elektrostatischen Levitators Pyrometer (geplant ) Vakuumkammer Positionsdetektor (PSD) Positionierungslaser Heizlaser (geplant ) Elektrodenanordnung UV-Lampe Bild 3.2: Schematische Darstellung des elektrostatischen Levitators KAPITEL 3. AUFBAU 20 dungsverlust während des Aufheizvorganges wird durch die UV-Strahlung einer Deuterium-Lampe kompensiert (siehe Abschnitt 3.5). Die Temperatur der Probe wird berührungsfrei über ein Pyrometer gemessen (siehe Abschnitt 3.6). Der Heizlaser und das Pyrometer konnten aufgrund von Problemen bei der Lieferung leider noch nicht integriert werden und fehlen deshalb auf dem Foto der Anlage. Die detaillierte Funktionsweise der einzelnen Komponenten wird in den folgenden Abschnitten beschrieben. 3.1 Elektrodenanordnung Von zentraler Bedeutung sind die sechs im Zentrum der Vakuumkammer fixierten Elektroden, die das elektrostatische Feld zur Positionierung der Proben erzeugen. Die Anordnung der Elektroden ist schematisch in Bild 2.7 dargestellt. Zwischen den beiden Levitationselektroden, die für die Erzeugung des vertikalen elektrostatischen Feldes zuständig sind, läßt sich eine Hochspannung im Bereich von −20kV bis +20kV anlegen. Als Spannungsquelle wird der Spannunsverstärker 20/20B der Firma Trek benutzt. Diese große Spannung ist notwendig, da durch das elektrische Feld ein Gleichgewicht zur Schwerkraft der Probe hergestellt werden muß. Zusätzlich müssen sehr schnelle Spannungsänderungen möglich sein, um eine stabile Probenlage zu garantieren. Die maximale Anstiegsgeschwindigkeit der Ausgangsspannung (Slew Rate) des verwendeten Verstärkers beträgt 350V /µs. Typische Werte für die elektrische Ladung der Probe liegen in der Größenordnung von qs ∼ 10−9 C. Bei einem Plattenabstand von dl ∼ 8mm wird dann eine Spannung von uz ∼ 8kV zwischen den Levitationselektroden benötigt, um eine Probe mit einer Masse von m ∼ 0, 1g zu levitieren. Die Gleichungen zur Berechnung der Levitationsfelder werden in Kapitel 4 erläutert. Das Feld in horizontaler Richtung dient nur zur lateralen Positionierung der Probe zwischen den Levitationselektroden. Die Schwerkraft spielt hier keine Rolle, so daß ein Spannungsbereich von ±6kV jeweils für ein gegenüberliegendes Elektrodenpaar völlig ausreicht. Hierfür wird der speziell für diese Anlage gefer- tigte 4-fach Hochspannungsverstärker HVA-3B4 der Firma WME verwendet, der gegenüberliegende Elektroden mit einer entgegengetzten Spannung im Bereich KAPITEL 3. AUFBAU 21 von ±3kV bei einer Slew Rate von 12V /µs versorgt. In Bild 3.3 sind die untere 1. Seitenelektrodenpaar 2. Seitenelektrodenpaar untere Levitationselektrode Bild 3.3: Foto der Elektrodenanordnung des elektrostatischen Levitators Levitationselektrode und die vier Seitenelektroden dargestellt. Die Seitenelektroden befinden sich auf einer Ebene mit der unteren, geerdeten Levitationselektrode, so daß seitlich eine freie Sicht auf die Probe gewährleistet ist. Im Gegensatz zu den bisherigen Anlagen, wo immer nur jeweils eine der gegenüberliegenden Seitenelektroden mit einer Hochspannung angesteuert wird und die andere Elektrode auf Masse liegt, werden im vorliegenden Fall die Spannungen von allen vier Seitenelektroden geregelt. Dies hat den entscheidenden Vorteil, daß die Feldverteilung in der horizontalen Ebene symmetrisch ist und Störungen schneller und präziser ausgeregelt werden können. Der Abstand der Levitationselektroden beträgt typischerweise 8mm, die Zentren gegenüberliegender Seitenelektroden sind 23mm voneinander entfernt. KAPITEL 3. AUFBAU 3.2 22 Positionserfassung Die Positionserfassung der Probe geschieht durch zwei im rechten Winkel zueinander aufgestellten Positionsdetektoren (PSD), die jeweils von einem gegenüberliegenden HeNe-Laser angestrahlt werden. Der Grund für die Wahl von HeNeLasern ist deren definierte gaußförmige Intensitätsverteilung. Ein PSD (Position Sensing Detector) ist ein optoelektronischer Baustein, der einen einfallenden Lichtpunkt in einen analogen Positionswert umwandelt [40]. In der vorliegenden Anwendung wird er allerdings genau invers hierzu betrieben. Der Laser strahlt die Probe an, der Schattenwurf wird auf dem PSD erfaßt, und eine der Position der Probe proportionale Spannung wird über eine Meßelektronik ausgegeben. Die beiden PSDs 2L10SP der Firma Sitek und die hierzu passenden Verstärkerkarten OT-301DL wurden bei der Firma Laser Components bezogen. Die Laser stammen von der Firma Melles Griot. Sie arbeiten bei einer Wellenlänge von 632, 8nm und einer Leistung von ca. 7mW . Ein PSD, dessen Funktionsweise schematisch Einfallender Lichstrahl I1 I2 Bild 3.4: Schematische Darstellung der Funktionsweise eines eindimensionalen PSDs (nach [41]) KAPITEL 3. AUFBAU 23 in Bild 3.4 dargestellt ist, arbeitet ähnlich wie eine normale Photodiode. Das auf das aktive Gebiet fallende Licht erzeugt einen Photostrom, der in Richtung des p- und des n-Gebietes abfließt. Im Gegensatz zu einer Photodiode verfügt ein PSD jedoch über mehrere elektrische Kontakte. Dadurch kommt es zu einer Aufteilung des Photostromes unter die Kontakte, in Abhängigkeit von der Position des Lichtflecks. Die Position ermittelt man mit einer Verstärkerelektronik durch Bildung der Stromdifferenz zwischen zwei gegenüberliegenden Kontakten. Durch Normierung auf den Gesamtstrom wird das Positionssignal unabhängig von der einfallenden Lichtintensität. Für einen kleinen Lichtpunkt ergibt sich das Positionssignal X eines eindimensionalen PSDs über die Beziehung: X= L L ∆I L I1 − I 2 · Qa = · P = · , 2 2 2 I1 + I 2 I (3.1) wobei mit I1 und I2 die jeweiligen Signalströme zu den beiden Kontakten des PSDs bezeichnet sind, L die Detektorlänge ist und Qa einen Ausgang der Verstärkerkarte darstellt. Es sind ein- und zweidimensionale PSDs erhältlich. Bei zweidimensionalen PSDs wird die Position durch Messung der Ströme an vier paarweise gegenüberliegenden Kontakten bestimmt. Für jede Dimension gilt Gl. (3.1). In der vorliegenden Anlage werden zur Messung der dreidimensionalen Position der Probe zwei zweidimensionale PSDs mit einer aktiven Fläche von 10mm × 10mm ver- wendet. Diese werden in einem Winkel von 90◦ zueinander versetzt angebracht, so daß die Position der Probe in allen drei Dimensionen gemessen werden kann. Dabei wird die vertikale Position doppelt, d.h. von beiden PSDs, gemessen. Im Gegensatz zu Pixelelementen (CCD) ist bei positionsempfindlichen De- tektoren die Auflösung nicht durch die Pixelgröße begrenzt und keine aufwendige Bildanalyse durch einen Computer nötig [42]. Hierdurch können bei PSDs viel kleinere Abtastzeiten als bei CCDs erreicht werden. Segmentierte Positionsdetektoren wie Differential- und Quadrantendetektoren können nur Wege bis zur Größe des Strahldurchmessers erfassen. Ein PSD eignet sich dagegen zur Messung größerer Wege über die gesamte aktive Fläche. Zur Messung der Position der Probe im elektrostatischen Levitator werden die PSDs im invertierten Modus betrieben, d. h. sie werden nahezu vollkom- KAPITEL 3. AUFBAU 24 men ausgeleuchtet, und der Schatten, den die Probe wirft, dient als Maß für die Probenposition. In Bild 3.5 ist der geschlossene Kreis für die optische Positionsbestimmung dargestellt. Der Strahl der Positionierungslaser, der ursprünglich Positionierungslaser (polarisiert) Hochspannungsverstärker DA-Karte PC Spiegel Strahlaufweitungsoptik RotlichtPSD filter IrisPolarisationsblende filter Regelung Verstärker- AD-Karte Elektronik Bild 3.5: Optische Positionsbestimmung der Probe im geschlossenen Regelkreis einen Durchmesser von 1mm hat, wird mittels eines optischen Aufweitsystems auf 25mm vergrößert. Hiervon werden mit Hilfe einer Irisblende die äußeren Bereiche, deren Intensität stark variiert, ausgeblendet. Der verbleibende Strahl von 8mm Durchmesser hinter der Blende leuchtet mit einer gleichmäßigeren Intensitätsverteilung den gesamten Raum zwischen den Elektroden aus. Zu beachten ist, daß der PSD nicht auf seiner gesamten aktiven Fläche beleuchtet werden darf, da er sich nur innerhalb von 80 Prozent seiner Länge in xbzw. y-Richtung linear verhält. Der auf einen Durchmesser von 8mm aufgeweitete Laserstrahl trifft auf die Probe, und diese verursacht einen Schatten im Strahlengang. Der übrige Teil des Strahls wird nun von der Detektoreinheit, die aus drei Komponeneten besteht, aufgenommen. Dort wird zuerst mittels eines auf die Laserfrequenz abgestimmten schmalbandigen Bandfilters Streulicht aus der Umgebung ausgeblendet, das die Messung der Probenposition ansonsten negativ KAPITEL 3. AUFBAU 25 beeinflussen würde. Der zweite Teil der Detektoreinheit ist ein Polarisationsfilter, der nur für Licht mit der Polarisationsrichtung des gegenüberliegenden Lasers durchlässig ist. Hierdurch wird gewährleistet, daß das Streulicht des zweiten Positionierungslasers mit um 90◦ gedrehter Strahlpolarisierung ausgeblendet wird. Der dritte Teil der Detektoreinheit ist schließlich der PSD, der in Abhängigkeit von der Lichtverteilung Signalströme erzeugt, die zur Ermittlung der Probenposition verwendet werden. Die von der Verstärkerkarte ermittelte Probenposition kann jetzt nicht mehr durch Gl. (3.1) beschrieben werden, da nicht die Voraussetzung eines kleinen Lichtpunktes gegeben ist. Die Probenposition wird nun durch Bildung des Lichtschwerpunktes auf dem PSD ermittelt, d. h. es muß über die gesamte beleuchtete Fläche integriert werden. In Vektorschreibweise erhält man für das Quotientensignal eines PSDs ∆I 2 ∆S Qa = P = · P , I S L mit Z L Z L 2 2 ∆S = S(x, y) xxy dx dy −L 2 X S = Z L 2 −L 2 (3.2) (3.3) −L 2 Z L 2 S(x, y) dx dy . (3.4) −L 2 Dabei beschreibt S(x, y) eine amplitudenunabhängige, beliebig normierte Intensitätsverteilung des Laserstrahls, und xxy stellt das vektorielle Positionssignal dar. Wie man leicht erkennen kann, kürzt sich für den Fall, daß der PSD von einem Lichtpunkt bestrahlt wird, die Intensitätsverteilung aus Gl. (3.2) heraus, und man erhält ein vergleichbares Ergebnis wie in Gl. (3.1) für eine Dimension. Beim Schattenwurf, der schematisch in Bild 3.6 dargestellt ist, müssen jedoch die Integrale aus den Gln. (3.3) und (3.4) über die gesamte beleuchtete Fläche ausgewertet werden, was hier nicht im einzelnen dargestellt werden soll. Man erhält folgendes Ergebnis für das vektorielle Quotientensignal aus Gl. (3.2): " # µ ¶2 rl 2 xp − 2 |xp |2 + Qa (xl ) Qa = Kc ³ ´2 1+ (3.5) wl wl rl − 1 rp mit Kc = konst und wl = Radius des aufgeweiteten Laserstrahls. Die übrigen Variablenbezeichnungen sind Bild 3.6 zu entnehmen. Hierbei ist zu beachten, daß KAPITEL 3. AUFBAU 26 I3 Probenschatten rl xl I1 rp I2 xp PSD y x I4 aufgeweiteter Laserstrahl Bild 3.6: Schattenwurf der Probe auf den PSD wl den Strahlradius nach der Aufweitung und rl den Radius des Strahls hinter der Irisblende beschreibt (vgl. Bild 3.5). Für kleine Auslenkungen der Probe, d. h. |xp | ¿ wl √ 2 ≈ 9mm, vereinfacht sich Gl. (3.5), so daß man den Ausdruck # "µ ¶ 2 rl 1 − 1 (Qa − Qa (xl )) xp = Kc rp (3.6) für die vektorielle Probenposition erhält. Zur Berechnung der Position der Probe benötigt man also das Quotientensignal ohne Probe Qa (xl ) zur Nullpunktskorrektur, das Quotientensignal mit Probe Qa , das Radienverhältnis rl /rp und einen konstanten Faktor Kc , der durch eine einmalige Referenzmessung ermittelt werden kann. Der einzige bei Messungen an verschiedenen Proben zu bestimmende Faktor ist also das Radienverhältnis. Die beiden Radien rl und rp können gemessen werden, jedoch erhält man ein genaueres Ergebnis, wenn man die Summen- KAPITEL 3. AUFBAU signale mit und ohne Probe in Beziehung zueinander setzt. Es gilt P P µ ¶2 I0 − I rp P , = rl I0 27 (3.7) wenn als Näherung wieder ein stark aufgeweiteter Laserstrahl vorausgesetzt wird. P P Hierbei ist I0 das Summensignal ohne Probe und I das Summensignal mit Probe. Die Signale der Verstärkerkarte werden in die AD-Karte des Echtzeitrechners eingelesen. Im Computer wird aus diesen Signalen die Probenposition bestimmt, und diese wird anschließend in den Regelalgorithmus eingespeist. Hieraus werden Stellsignale berechnet, die über die DA-Karte des Rechners an die einzelnen Hochspannungsverstärker weitergeleitet werden. 3.3 Vakuum Die Elektrodenanordnung zur exakten Positionierung der Proben im elektrostatischen Feld befindet sich in einer zylinderförmigen Vakuumkammer. Alle anderen Subsysteme, wie Positionsdetektoren, Heizlaser, usw. sind um diese Kammer angeordnet. Zu Testzwecken wird eine Aluminiumkammer mit einem Volumen von ca. 9000cm3 verwendet. Später soll die Aluminiumkammer durch eine Edelstahlkammer ersetzt werden. Zur Erzeugung des Vakuums werden eine DrehschieberVorpumpe der Firma Alcatel (Pascal 2010 SD) mit einem Nennsaugvermögen von 9.7m3 /h und eine Turbo-Molekularpumpe von Leybold (Turbovac 361) mit einem Saugvermögen von 1242m3 /h benutzt. Mit diesen Pumpen ist ein Vakuum von bis zu 10−8 mbar erreichbar. Der Grund für die Evakuierung besteht zum einen darin, daß bei den verwendeten hohen Spannungen (bis zu 20kV ) und geringen Plattenabständen (ca. 8mm) ein elektrischer Überschlag durch Ionisierung der Luft vermieden werden muß. Andererseits können die Proben in einer ultrareinen Umgebung prozessiert werden. So wird z. B. die Oxidation der Probe entscheidend reduziert, die anderweitig die Unterkühlbarkeit der Proben reduzieren kann. KAPITEL 3. AUFBAU 3.4 28 Probenheizung Sobald die Probe in einem stabilen Zustand schwebt, kann diese mit einem Hochleistungs-Diodenlaser-System aufgeheizt werden. Es ist geplant, zwei 25W Diodenlaser mit Fokussieroptik zu verwenden, die die Probe von entgegengesetzten Seiten anstrahlen. Ein optisches Linsensystem am Laserausgang ist notwendig, da das Licht, das von den Diodenlasern emittiert wird, sehr divergent ist. Die Wellenlänge der Diodenlaser beträgt 810nm. Der Brennfleck auf der Probe, die sich etwa 20cm entfernt von den Lasern zwischen den Levitationselektroden in dem Vakuumrezipienten befindet, hat eine Größe von ca. 1mm2 . Im Gegensatz zu Nd-Yag-Lasern, die an den bisherigen elektrostatischen Levitationsanlagen eingesetzt wurden, bieten Diodenlaser den Vorteil der einfachen Intensitätsregelung. Die Ausgangsleistung des Lasers besitzt einen recht guten linearen Zusammenhang mit dem einstellbaren Diodenstrom. Bei Nd-Yag-Lasern sind für die Regelung der Ausgangsleistung sehr aufwendige Intensitäts-Abschwächungsmechanismen notwendig. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte dieses System zum Aufheizen der Proben aufgrund von Problemen bei der Lieferung des Laser-Systems leider noch nicht integriert werden. 3.5 Probenladung Die Oberflächenladung einer Probe bleibt während eines Levitationsexperimentes nicht konstant. Im wesentlichen läßt sich die zeitliche Ladungsänderung durch vier verschiedene Prozesse beschreiben: kapazitives Aufladen, Abdampfen von positiven Ionen, thermische Elektronenemission, photoelektrische Elektronenemission. Zu Beginn des Experimentes befindet sich die feste Probe auf der unteren Levitationselektrode und wird durch Erhöhung der Spannung an der oberen Elektrode kapazitiv aufgeladen. Bei der Prozessierung metallischer Proben wird die obere Elektrode typischerweise auf einem negativen Potential gehalten, um die Probe positiv aufzuladen. Die Theorie zur elektrostatischen Levitation wurde für KAPITEL 3. AUFBAU 29 leitende und nichtleitende Materialen unterschiedlicher Geometrie von Felici [43] hergeleitet. Die Abhebspannung uz,ab ist dadurch gekennzeichnet, daß die elektrostatische Kraft größer als die Gewichtskraft der Probe geworden ist, so daß der Kontakt zwischen Probe und unterer Elektrode unterbrochen wird. Bei der Berechnung der Abhebspannung geht man von der Ladung qs einer leitenden Kugel mit Radius rp aus, die sich im elektrischen Feld E einer unendlich ausgedehnten leitenden Platte auf dieser Platte befindet qs = 4πα²0 Erp2 . (3.8) Hierbei ist ²0 = 8, 854 · 10−12 VCm , und α ist eine Konstante, die sich bei einer leitenden Kugel zu 1, 645 ergibt. Setzt man bei Abwesenheit der Kugel ein homogenes Feld E zwischen den Levitationselektroden voraus, dann gilt E = uz /dl , wobei uz die Elektrodenspannung und dl der Elektrodenabstand ist. Die Kraft auf die Kugel beim Abheben ergibt sich zu FE = qs E = 4παβ²0 u2z,ab rp2 /d2l , (3.9) wobei sich β = 0, 832 nach der Methode der Spiegelladungen berechnen läßt. Auf die Spiegelladungsterme wird noch einmal im Detail in Kapitel 4 eingegangen. Setzt man nun die Kraft aus Gl. (3.9) mit der Gewichtskraft der Probe Fg = mg = (4/3)πrp3 ρg gleich, wobei m die Probenmasse, g die Gravitationsbeschleunigung und ρ die Probendichte darstellt, so erhält man für die Abhebspannung [17] r ρgrp uz,ab = dl . (3.10) 3²0 αβ Die Ladung zum Abhebezeitpunkt beträgt demnach s ρg²0 αrp5 qs,ab = 4πα²0 uz,ab rp2 /dl = 4π . 3β (3.11) Solange die Probe nicht aufgeheizt wird, behält sie diesen Ladungswert. Bei der Spannung kann man hingegen Veränderungen auch im festen Zustand der Probe feststellen. Die Levitationsspannung uz,l , die sich einstellt, wenn die Probe in der Mitte zwischen den beiden Levitationselektroden positioniert wird, ist geringer KAPITEL 3. AUFBAU 30 als die Abhebspannung, da sich die Spiegelladungsterme an dieser Stelle gerade aufheben. Die Levitationskraft ergibt sich hier zu Fl = qs,ab El = qs,ab uz,l /dl . (3.12) Durch Gleichsetzen dieser Kraft mit der Gewichtskraft der Probe erhält man r βρgrp uz,l = dl . (3.13) 3²0 α Die Levitationsspannung ist also die um β verringerte Abhebspannung: uz,l = βuz,ab . Wie in Kapitel 5 gezeigt wird, ist das System aber instabil, so daß sich die Levitationsspannung nicht konstant einstellt, wenn die Probe die Mitte erreicht hat. Stattdessen bewirkt die Regelung, daß der Wert der Elektrodenspannung ständig um den der Levitationsspannung schwankt. Die drei übrigen Ent- bzw. Aufladungsprozesse treten beim Aufheizen der Probe auf. Die Aufladung durch Glühemission von Elektronen wirkt der Entladung durch Abdampfen der positiven Ionen an der Oberfläche zwar entgegen, jedoch überwiegt mit zunehmender Temperatur der Abdampfvorgang immer mehr. Um der Entladung der Probe entgegenzusteuern, wird eine zusätzliche Elektronenemission durch Bestrahlung der Probe mit UV-Licht angeregt. Die Abdampfrate W + (Atome pro Fläche- und Zeiteinheit) der Metallatome läßt sich in Abhängigkeit von der absoluten Temperatur T , dem Dampfdruck Pd und der Atommasse ma durch die Beziehung [44] W+ = √ Pd 2πma kB T (3.14) berechnen, wobei kB die Boltzmann-Konstante darstellt. Die Anzahl der Elektronen, die pro Fläche- und Zeiteinheit die Oberfläche durch thermische Emission verlassen, ist durch die Richardson-DushmanGleichung [25] W − ¶ µ AT 2 φa 0 = exp − e kB T (3.15) gegeben. Dabei ist A = 120Acm−2 K −2 die Richardson-Konstante, e die elektrische Elementarladung und φa 0 die effektive Austrittsarbeit. Unter Berücksichti- KAPITEL 3. AUFBAU 31 gung des Einflusses des elektrischen Feldes E ist φa 0 durch s e3 E φa 0 = φ a − 4π²0 (3.16) gegeben, wobei φa die Austrittsarbeit ist. Bei der Aufladung durch Bestrahlung der Probe mit dem UV-Licht einer Deuterium-Lampe von Hamamatsu (L1835) wird der Photoeffekt ausgenutzt. Die Photoelektronenauslösung erfolgt durch Einzelprozesse zwischen je einem Lichtquant der Energie E = hfs (3.17) und einem Leitungselektron. Dabei ist h = 6, 626 · 10−34 Js die Planck-Konstante und fs die Frequenz der Strahlung. Um eine ausreichende Effizienz zu erzielen, sind bei Metallen zur Aufbringung der Austrittsarbeit Energien in der Größenordnung von ∼ 10eV erforderlich. Dies entspricht Wellenlängen im ultravioletten Bereich (λ ∼ 100nm). Die verwendete UV-Quelle liefert Strahlung im Wel- lenlängenbereich von 115 − 400nm bei einer Leistung von 150W . Die Photoelektronenauslösung kann prinzipiell auch an den Elektroden erfol- gen, wenn dort ungewollt UV-Strahlung auftrifft. Da eine positive Ladung auf der Probe erhalten werden soll, ist aber eine hohe Elektronenemission der Probe und eine geringe Elektronenemission der Elektroden wünschenswert. Deshalb sollte die Austrittsarbeit des Elektrodenmaterials einen größeren Wert haben als die des Probenmaterials. Durch diese teilweise erheblichen Ladungsschwankungen wird eine ruhige Positionierung der Proben sehr schwierig. Die Schwankungen der Probenladung verändern das dynamische Verhalten des Systems und erfordern ständig ein Nachstellen der Reglerverstärkungen durch den Bediener. Bei schnellen Temperaturänderungen und somit schnellen Ladungsänderungen der Probe ist das Nachführen der Reglerparameter per Hand aber praktisch unmöglich. Diese Schwierigkeit tritt insbesondere bei Untersuchungen an einem hochschmelzenden Material wie z.B. Zirkon auf, das sich innerhalb von zwei Sekunden nach Abschalten der Probenheizung um ca. 500K abkühlt. Zudem lenkt jede Beschäftigung mit dem Funktionsablauf der Anlage von der eigentlichen Tätigkeit des Messens KAPITEL 3. AUFBAU 32 von Materialeigenschaften der Probe ab. Dies ist der Grund, weshalb in dieser Arbeit mehrere Regelkonzepte ohne manuelles Nachführen der Reglerparameter entwickelt wurden. Da Aufheizvorgänge an Proben wegen des fehlenden Heizlasers noch nicht realisierbar sind, werden feste Proben im schwebenden Zustand mit dem UV-Licht der Deuterium-Lampe bestrahlt. Dies bewirkt eine Ladungserhöhung der Probe und ermöglicht die Bewertung der verschiedenen, in dieser Arbeit vorgestellten Regelverfahren. In Kapitel 5 werden die unterschiedlichen Methoden näher erläutert und die Ergebnisse verglichen. 3.6 Temperaturmessung Zur Vermeidung heterogener Keimstellen (vgl. Kapitel 2) in den unterkühlten, frei schwebenden Schmelzen ist man bezüglich der Temperaturmessung auf berührungsfreie Verfahren angewiesen. Bei der Temperaturerfassung mit Strahlungspyrometern wird die von der Probe ausgehende Temperaturstrahlung gemessen. Die physikalische Grundlage für die Pyometrie bildet das Plancksche Strahlungsgesetz [45] 2πhc2 LS = λ5 µ exp µ hc λkB TS ¶ −1 ¶−1 . (3.18) Hierbei ist LS die spektrale Strahlungsdichte eines schwarzen Körpers, h das Plancksche Wirkungsquantum, c die Lichtgeschwindigkeit, λ die Wellenlänge, kB die Boltzmann-Konstante und TS die Temperatur des schwarzen Körpers. Für λTS ¿ 1 kann das Plancksche Gesetz durch das Strahlungsgesetz von Wien µ ¶ hc 2πhc2 exp − (3.19) LS = λ5 λkB TS angenähert werden. Im allgemeinen stellen jedoch die glühenden Körper, deren Temperatur mit dem Pyrometer gemessen wird, keine schwarzen Strahler dar, d. h. ihr Absorptionsvermögen ist kleiner als 1. Damit ist auch ihr Emissionsvermögen kleiner als das des schwarzen Körpers bei gleicher Temperatur, so daß die vom Pyrometer angezeigte Temperatur kleiner ist als die wahre Temperatur. KAPITEL 3. AUFBAU 33 Die wahre Strahlungsdichte Lwahr läßt sich aus der gemessenen Strahlungsdichte Lmeß und dem als bekannt vorausgesetzten Emissionsgrad ε über die Beziehung Lwahr = εLmeß (3.20) berechnen, wobei 0 < ε < 1 gilt. Bei der elektrostatischen Levitationsanlage wird ein Quotientenpyrometer verwendet, bei dem die Temperatur aus dem Verhältnis der Signale zweier Strahlungsdichten ermittelt wird, die bei zwei dicht zusammenliegenden Wellenlängen λ1 und λ2 gemessen werden: S(T ) = L(λ2 , T )/L(λ1 , T ). Das Wiensche Gesetz liefert dann: S(T ) = µ λ1 λ2 ¶5 exp µ hc kB T µ 1 1 − λ1 λ2 ¶¶ . (3.21) Unter der Annahme linearer Signalumsetzung S = const · L folgt nach den Gln. (3.20) und (3.21) die wahre Temperatur des untersuchten Objektes Twahr = · 1 Tmeß k B λ1 λ2 + ln hc λ2 − λ1 µ ε(λ2 ) ε(λ1 ) ¶¸−1 . (3.22) Dabei ist Tmeß die der einfallenden Strahlungsdichte entsprechende Meßtemperatur und ε(λ1,2 ) der Emissionsgrad bei der jeweiligen Wellenlänge. Wenn beim Quotientenpyrometer die Emissionsgrade ε(λ1 ) und ε(λ2 ) identisch sind, stimmen Meßtemperatur und wahre Temperatur überein. Da aber die sogenannte wirksame Wellenlänge λw = λ1 λ2 /(λ2 − λ1 ) umso größer ist, je dichter die beiden Wellenlängen λ1 und λ2 zusammenliegen, ergeben schon kleine Schwankungen der Emissionsgrade Meßfehler. Aufgrund der Verzögerungen bei der Lieferung des Heizlaser-Systems können in der Levitationsanlage bisher nur feste Proben prozessiert werden. Deswegen ist an der Anlage auch noch kein Pyrometer installiert. Kapitel 4 Das nichtlineare Zustandsraummodell Für den Entwurf eines robusten oder adaptiven Reglers ist es notwendig, eine möglichst genaue direkte oder indirekte Kenntnis des augenblicklichen Regelstreckenverhaltens zu haben. Am JPL in Pasadena, USA, wurde für die Modellberechnung ein numerischer Finite-Elemente-Ansatz gewählt [46], [47]. Mit dieser Methode konnte jedoch kein geschlossener Ausdruck für die Feldverteilung im Raum ermittelt werden. Daher soll im folgenden ein physikalisches Zustandsraummodell des elektrostatischen Levitators hergeleitet werden. In Bild 4.1 ist für die vertikale Richtung die Elektrodenanordnung mit der Probe schematisch dargestellt. Das Kräftegleichgewicht des eindimensionalen Systems ergibt sich z dl Bild 4.1: Probe zwischen den Levitationselektroden KAPITEL 4. ZUSTANDSRAUMMODELL 35 durch die Beziehung mz̈ = FE − mg . (4.1) Hierbei beschreibt m die Probenmasse, z die Probenposition in z-Richtung, g die Gravitationsbeschleunigung und FE die elektrische Kraft auf die Probe. Diese Kraft kann näherungsweise über ¸ · uz 1 qs2 1 FE = −qs + − dl 16π²0 (dl − z)2 z 2 mit rp ≤ z ≤ dl − rp (4.2) bestimmt werden, wobei qs die Probenladung, uz die Spannung zwischen den Levitationselektroden, dl der Plattenabstand und rp der Probenradius ist. Der erste Term von Gl. (4.2) stammt von dem elektrischen Feld der Levitationselektroden, die einen Plattenkondensator darstellen. In guter Näherung werden unendlich lange parallele Elektroden angenommen. Der zweite Term berücksichtigt die Tatsache, daß sich eine geladene Kugel in der Nähe der beiden Elektroden befindet. Er wird nach der Spiegelladungsmethode für Punktladungen berechnet. Das horizontale Feld in x- und y-Richtung ist für die gewählte Elektrodenanordnung exakt nicht einfach zu bestimmen. Die Seitenelektroden befinden sich auf derselben Ebene wie die untere Levitationselektrode, so daß deren Feld relativ inhomogen ist. Trotzdem wird aber in erster Näherung das elektrische Feld der Seitenelektroden ähnlich wie in Gl. (4.1) über das Kräftegleichgewicht für zwei parallele Elektroden berechnet. Aufgrund vollkommener Symmetrie in x- und yRichtung wird im folgenden die Feldberechnung beispielhaft für die x-Koordinate durchgeführt. In horizontaler Richtung entfällt die Gravitationskraft, so daß man das Kräftegleichgewicht qs 2ux (4.3) xd aufstellen kann. Dabei ist x die Probenposition in x-Richtung und xd der Abmẍ = Kh stand zweier gegenüberliegender Seitenelektroden. Die Elektroden werden gegensinnig mit ux bzw. −ux angesteuert, so daß der Potentialunterschied zwischen den Elektroden 2ux beträgt. Kh ist ein Faktor, der die Kraft auf die horizontale Komponente reduziert und ergibt sich aus ¶¶ µ µ z . Kh = cos arctan xd /2 (4.4) KAPITEL 4. ZUSTANDSRAUMMODELL 36 Nun kann das nichtlineare Zustandsraummodell aufgestellt werden. Mit dem Zustandsvektor x= x1 x2 x3 = x4 x5 x6 x ẋ y ẏ z ż erhält man die nichtlineare Zustandsraumdarstellung im kontinuierlichen Zeitbereich ẋ = ³ cos arctan x2 ³ x5 xd /2 ´´ qs 2ux mxd x4 ´´ ³ qs 2uy 5 cos arctan yxd /2 myd ³ qs m h − udzl + qs 16π²0 x ³ 6 1 (dl −x5 )2 − 1 x25 1 0 0 0 0 0 ´i −g = f (x, u) x x = y . y = Cx = 0 0 1 0 0 0 z 0 0 0 0 1 0 (4.5) (4.6) Wie man bereits aus den Gln. (4.1) und (4.3) erkennt, hat das System doppelintegrales Verhalten und ist somit instabil. Dadurch wird die Validierung des Modells im offenen Regelkreis unmöglich gemacht. Die Frage, wie gut das System durch Gl. (4.5) beschrieben wird, kann erst bei Betrieb im geschlossenen Regelkreis beantwortet werden. Durch Vergleich der Resultate in der Simulation und in der Echtzeit können indirekt Rückschlüsse auf die Modellgenauigkeit gezogen werden. Kapitel 5 Verfahren zur Regelung, Simulation und Echtzeit Wie zuvor schon mehrfach angedeutet, können elektrostatische Felder im Raum prinzipiell kein stabiles Potentialminimum liefern. Folglich ist das System instabil (siehe Kapitel 4), und eine aktive Regelung ist notwendig. Dies wird deutlich, wenn man die Stabilitätsbedingungen in der Umgebung einer Punktladung betrachtet. Hierzu sei das elektrische Potential am Ort a mit Z a φ=− Eda (5.1) ∞ definiert, wobei E die elektrische Feldstärke bezeichnet. In allen drei Dimensionen müssen die Kriterien für ein lokales Minimum erfüllt sein: ∂2 φ>0, ∂x2 ∂2 φ>0, ∂y 2 ∂2 φ>0 ∂z 2 (5.2) Hieraus folgt sofort, daß auch ∂2 ∂2 ∂2 φ + φ + φ>0 ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 (5.3) gelten muß. Aus den Maxwell-Gleichungen erhält man jedoch ∆φ = ∂2 ∂2 ∂2 ρs φ + φ + φ=− =0 , 2 2 2 ∂x ∂y ∂z ²0 (5.4) weil keine Raumladungsdichte ρs zwischen den Elektroden vorhanden ist. Die Stabilitätsbedingungen sind also laut Maxwell nicht erfüllbar, was bedeutet, daß KAPITEL 5. REGELUNG 38 es keine stabile Lage für eine Punktladung zwischen den Elektroden gibt (instabiles System). Es ist zwar möglich, mit leicht konkav geformten Levitationselektroden horizontale Stabilität für nicht allzu große äußere Störungen zu garantieren, jedoch muß die vertikale Probenposition immer geregelt werden. Für eine ruhige Positionierung sind die Seitenelektroden aber unabdingbar, da ansonsten mögliche Oszillationen der Probe in horizontaler Richtung, verursacht durch das Abheben der Probe zu Beginn, äußere Erschütterungen der Anlage oder den Rückstoß beim Abdampfen von Material, im Vakuum noch nicht einmal durch die Luftreibung gedämpft werden. Mit Hilfe des in Kapitel 4 dargestellten nichtlinearen Zustandsraummodells werden in der Simulation unterschiedliche Regelungsmethoden getestet. Die bisherigen elektrostatischen Levitationsanlagen verwenden zur Probenpositionierung einen PID-Regler, dessen Reglerparameter ständig an die sich ändernden Bedingungen (vgl. Abschnitt 3.5) manuell angepaßt werden. Dies lenkt zum einen von der eigentlichen Tätigkeit des Bedieners, nämlich dem Messen von Materialeigenschaften, ab. Zum anderen wird die Probe durch schnelle Ladungsänderungen sehr unruhig, und im schlechtesten Fall kann die Regelung sogar instabil werden. Dies ist die Motivation für den Einsatz von fortgeschrittenen Regelungskonzepten. In dieser Arbeit wird die PID-Regelung mit verschiedenen robusten und adaptiven Regelkonzepten verglichen. Bei den Echtzeitexperimenten wird die gemessene dreidimensionale Position in einem digitalen Regler verarbeitet [48]. Dort werden die Spannungen an den drei Elektrodenpaaren berechnet. Zur Regelung werden zwei PCs eingesetzt, die über ein gewöhnliches serielles Kabel verbunden sind und die Echtzeitsoftware RealLink-32 der Firma RealTech verwenden. Dabei fungiert ein PC als Entwicklungsrechner (Host), auf dem der Regler in Matlab und Simulink implementiert ist. Der Realtime-Workshop, der sich ebenfalls auf dem HostRechner befindet, wandelt die Simulink-Modelle und die eventuell eingebundenen Matlab-Befehle in C-Code um. Im Anschluß wird das Reglerkonzept mit Hilfe der Software RealLink-32 und dem Watcom C/C++ Compiler auf dem EchtzeitHardwaresystem im Target implementiert. Der Target ist also der eigentliche Echtzeitrechner, der die Regelgrößen mittels AD-Karte aufnimmt und nach Be- KAPITEL 5. REGELUNG 39 rechnung des Stellgesetzes die Stellgrößen über eine DA-Karte ausgibt. Im folgenden werden die verschiedenen zum Einsatz gekommenen Reglertypen vorgestellt und die Ergebnisse von Simulations- und Echtzeitstudien vergleichend gegenübergestellt. Bis auf die klassische PID-Regelung basieren alle übrigen Reg- Bild 5.1: Foto einer schwebenden Probe im elektrostatischen Levitator ler auf LMI-Methoden [49], die in letzter Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnen. Eine schwebende Aluminiumprobe mit einem Durchmesser von 2mm ist in Bild 5.1 dargestellt. 5.1 PID-Regelung In den bisherigen elektrostatischen Levitationsanlagen wurden fast ausschließlich PID-Regler verwendet. Diese sind im industriellen Bereich die wichtigsten Standardregler und zeichnen sich dadurch aus, daß sie sehr einfach zu handhaben sind. Die prinzipielle Wirkungsweise läßt sich durch eine Parallelschaltung je eines P-, I- und D-Gliedes erklären, woraus sich als Übertragungsfunktion des PID-Reglers [50] UR (s) KI = KP + + KD s (5.5) E(s) s ergibt. Dabei beschreibt UR die Reglerausgangsgröße, E die Regelabweichung, GR (s) = und KP , KI und KD sind jeweils die Reglerparameter für das P-, I- und DGlied. Durch unterschiedliche Wahl der Reglerparameter können das maximale KAPITEL 5. REGELUNG 40 Überschwingen, die Ausregelzeit und die bleibende Regelabweichung beeinflußt werden. Im vorliegenden Fall wird zusätzlich zur PID-Regelung ein in Reihe geschaltetes phasenanhebendes Glied verwendet. Wie in Kapitel 4 gezeigt wurde, hat das System doppelintegrales Verhalten, so daß die Phase bei −180◦ liegt und die Phasenreserve verschwindet. Für ein gutes Regelverhalten wird die Phase in der Nähe der Durchtrittsfrequenz angehoben. Die Übertragungsfunktion des phasenanhebenden Gliedes lautet [50]: GR (s) = 1 + Ts s mit 0 < αp < 1 . 1 + α p Ts s (5.6) Mit der Konstanten Ts der Dimension Zeit ergibt sich daraus für s = jω der Frequenzgang 1 + jω/ωz 1 + jω/ωn (5.7) mit den beiden Eckfrequenzen ωz = 1 1 mit ωn = . Ts αp Ts (5.8) Die maximale Anhebung des Phasenwinkels beträgt ϕ(ω) = arctan(Ts ω) − arctan(αp Ts ω) (5.9) √ (5.10) bei der Frequenz ωmax = ω Z ωN . Der Grund für die Wahl eines kontinuierlichen Reglers liegt zum einen darin, daß die Abtastzeit der diskreten Regelung von τ = 2ms sehr klein ist. Demnach liegen nahezu kontinuierliche Verhältnisse vor. Außerdem ist die Bestimmung der z-Übertragungsfunktion des diskreten PID-Reglers aufgrund eines beliebigen Zeitverlaufes der Regelabweichung nur näherungsweise möglich. Ein diskreter Regler würde also keinen entscheidenen Gewinn an Genauigkeit der Regelung zur Folge haben. KAPITEL 5. REGELUNG 5.1.1 41 Simulation Für alle in dieser Arbeit vorkommenden Simulationsstudien werden folgende Konstanten des Systems aus Gl. (4.5) angenommen: m = 1, 13 · 10−5 kg , dl = 0, 008m , rp = 0, 001m , g = 9, 81 m , s2 xd = yd = 0, 023m . In den Echtzeitversuchen werden dementsprechend Aluminiumproben mit einem Durchmesser von 2mm verwendet. In der Simulation stellt sich heraus, daß es sinnvoll ist, ein phasenanhebendes Glied mit den Eckfrequenzen ωz = 10 1 1 und ωn = 100 s s (5.11) zu verwenden. Dementsprechend ergibt sich nach Gl. (5.8) Ts = 0, 1s und αp = 0, 1. Für eine gute Regelung reicht ein PI-Regler vollkommen aus. In x- und y-Richtung werden die Reglerparameter KP = 106 und KI = 107 (5.12) KP = −106 und KI = −107 (5.13) und in z-Richtung eingesetzt. Zur Bestimmung der Reglerparameter werden die Einstellregeln von Ziegler und Nichols verwendet [51]. Es wurden auch alternative Verfahren, wie z. B. die Methode von Chien, Hrones und Reswick [52], ausgetestet, allerdings brachte dies keine entscheidene Verbesserung des Regelverhaltens. Das Blockschaltbild der verwendeten PID-Regelung ist in Bild 5.2 dargestellt. Dabei beschreibt MUX einen Multiplexer, der die Stellsignale der drei Koordinaten auf eine Sammelleitung führt. Der DEMUX-Block ist ein Demultiplexer, der aus einer Sammelleitung die drei Koordinaten extrahiert. Das konstante Signal u∗ = [0 0 − 6821, 7V ]T beschreibt den Stellgrößen- vektor im Linearisierungspunkt (siehe Abschnitt 5.2). Dieser Wert wird dem Stellsignal des PID-Reglers überlagert. Für den Fall, daß sich das System exakt im Linearisierungspunkt befindet, wird also das Stellsignal des PID-Reglers KAPITEL 5. REGELUNG PIDx 42 u* + r(k) + - DEMUX PID y MUX 0.1s+1 + 0.01s+1 u(k) HG u(t) τ ys(k) x = f(x, u) y(t) + + y= Cx d(t) . PID z Bild 5.2: Blockschaltbild für die PID-Regelung zu Null. Es ist zu beachten, daß der Wert für u∗ von der Führungsgröße r(k) abhängt. Da in dieser Arbeit immer r = [0 0 4mm]T gelten soll, ist die feste Einstellung von u∗ gerechtfertigt. Weiterhin sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß in der gesamten Arbeit ein dünner Pfeil für skalare Größen und ein fetter Pfeil für vektorielle Größen verwendet wird. In der Simulation soll nun das Verhalten des Systems bei einer Störung d(t), die durch eine Ladungsänderung verursacht wird, untersucht werden. Aus vorangehenden Echtzeit-Tests weiß man, daß beim Abheben der Probe die Ladung qs = 1, 3 · 10−10 C beträgt. Dies stimmt sehr gut mit dem aus Gl. (3.11) theore- tisch ermittelten Wert von qs = 1, 43 · 10−10 C überein. Zu Vergleichszwecken mit den Echtzeitergebnissen wird aber der in der Praxis bestimmte Wert verwendet. Durch Bestrahlung der Probe mit UV-Licht erhöht sich die Ladung um 15% auf qs = 1, 5 · 10−10 C. Zu Beginn des Experimentes befindet sich die Probe in der Mitte zwischen den Levitationselektroden, d. h. x = y = 0mm und z = 4mm. Die Positionssignale sind in dem Regelgrößenvektor ys zusammengefaßt. Für diesen Versuch mit Ladungserhöhung sind die Simulationsergebnisse in Bild 5.3 dargestellt. Dabei ist p die mit einem Skalierungsfaktor gewichtete Probenladung p = 1010 · qs . Die Resultate für die horizontalen Koordinaten x und y bzw. ux und uy sind hier nicht gezeigt, da sie unverändert bleiben. Dies ist auch zu erwarten, da unabhängig von der Größe der Probenladung durch ein Stellsignal von 0V die KAPITEL 5. REGELUNG 43 −5 uz/kV −6 −7 −8 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 z/mm 6 5 4 3 1.6 p 1.5 1.4 1.3 1.2 Bild 5.3: Simulation PI-Regler: Ladungserhöhung Probe in der Position 0mm gehalten wird. Betrachtet man nun das vertikale Positionssignal z, so erkennt man, daß nach der Ladungserhöhung die maximale Positionsänderung 0, 4mm beträgt und nach 0, 5s der ursprüngliche Wert von z = 4mm wieder erreicht wird. Wegen der höheren Ladung der Probe ist nun eine um ca. 1kV betraglich niedrigere Spannung an den Levitationselektroden notwendig, um die Probe in der Schwebe zu halten. Im späteren Betrieb der Anlage treten jedoch keine Ladungserhöhungen, sondern Ladungsverluste während des Aufheizvorgangs der Proben auf. Prinzipiell macht dies für die Regelung keinen Unterschied, aber die zu erwartenden Verluste sind möglicherweise größer als 15%. Daher wird eine Simulation durch- KAPITEL 5. REGELUNG 44 geführt, in der die Ladung der Probe um mehr als 40% von qs = 1, 43 · 10−10 C auf qs = 0, 83 · 10−10 C abnimmt. Bei derart großen Ladungsänderungen können auch die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Reglertypen besser verglichen werden. In Bild 5.4 ist die Simulation eines Experimentes mit Ladungsverlust dargestellt. Hier beträgt die maximale Änderung der vertikalen Probenposition −5 uz/kV −10 −15 −20 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 5 z/mm 4 3 2 1 1.4 p 1.2 1 0.8 0.6 Bild 5.4: Simulation PI-Regler: Ladungsverlust 2mm und die Ausregelzeit ca. 0, 7s. Nach dem negativen Ladungssprung hat sich der Betrag der Spannung an den Levitationselektroden um etwa 5kV vergrößert. 5.1.2 Echtzeit In Bild 5.5 ist das Echtzeitverhalten des PI-Reglers bei Ladungserhöhung der Probe durch Bestrahlung mit UV-Licht dargestellt. Da in den Echtzeitversuchen ux/kV KAPITEL 5. REGELUNG 45 2 0 −2 uy/kV x/mm 12 12.5 13 13.5 14 14.5 t/s 15 15.5 16 16.5 17 12.5 13 13.5 14 14.5 t/s 15 15.5 16 16.5 17 12.5 13 13.5 14 14.5 t/s 15 15.5 16 16.5 17 12.5 13 13.5 14 14.5 t/s 15 15.5 16 16.5 17 12.5 13 13.5 14 14.5 t/s 15 15.5 16 16.5 17 12.5 13 13.5 14 14.5 t/s 15 15.5 16 16.5 17 0.5 0 −0.5 12 2 0 −2 y/mm 12 0.5 0 −0.5 12 uz/kV 0 −5 −10 z/mm 12 6 4 12 Bild 5.5: Echtzeit PI-Regler: Ladungserhöhung die Positions- und infolgedessen auch die Spannungssignale in horizontaler Richtung niemals exakt Null werden, macht sich die Ladungsänderung auch bei x und y bzw. bei ux und uy bemerkbar. In dem vorliegenden Echtzeitexperiment wird die Deuteriumlampe bei t = 13, 4s angeschaltet. Dies hat zur Folge, daß die Kugel um maximal 0, 8mm in vertikaler Richtung ausgelenkt wird. In weniger als 0, 5s ist die Störung ausgeregelt. Der Betrag des Spannungssignals an den Levitationselektroden vermindert sich nach der Ladungserhöhung um 1, 7kV . In x- und y-Richtung sind kleine, aber immerhin erkennbare Positionsänderungen von 0, 1mm bzw. 0, 2mm zu beobachten. Beim Vergleich von Simulation und Echtzeit fällt auf, daß die Simulation ein besseres Regelverhalten, d. h. eine geringere Auslenkung des z-Signals, vorher- KAPITEL 5. REGELUNG 46 sagt als dies in dem Experiment wirklich der Fall ist. Dies deutet auf kleine Ungenauigkeiten im Zustandsraummodell hin. Allerdings treten diese Differenzen zwischen Simulation und Echtzeit bei anderen Reglertypen, wie z. B. bei den beiden “Gain Scheduling”-Verfahren (vgl. Abschnitt 5.4) nicht auf. 5.2 Linearisierung und Berechnung der Zustandsrückführung Die robusten und adaptiven Reglerentwürfe basieren auf dem Modell gemäß Gl. (4.5). Zur Vereinfachung des Reglerentwurfes wird das nichtlineare Zustandsraummodell linearisiert [53]. Dies ist insofern gerechtfertigt, als die Experimente bei einer fest definierten Probenposition durchgeführt werden und die Auslenkungen aus der Ruhelage nur sehr gering sind. Beim robusten Reglerentwurf wird das Modell nach Gl. (4.5) in einem Arbeitspunkt linearisiert, bei den “Gain Scheduling”-Ansätzen werden zwei lokale lineare Modelle bestimmt, die das Extremverhalten des Systems beschreiben. Hier wird zunächst auf die Linearisierung bei der robusten Regelung eingegangen. Die Details zur Linearisierung beim “Gain Scheduling”-Verfahren sind in Abschnitt 5.4.1 beschrieben. Als Linearisierungspunkt wird x∗ = [0 0 0 0 0, 004m 0]T und u∗ = [0 0 − 6821, 7V ]T gewählt. Diese Werte folgen aus der Tatsache, daß der Sollwert fest auf r = [0 0 4mm]T eingestellt wird. Die Linearisierung speziell um den oben angegebenen Punkt erfolgt im Hinblick auf eine spätere Untersuchung des Störverhaltens des Reglers. Der Linearisierungspunkt entspricht den nominalen Arbeitsbedingungen. Damit erhält man ein System der Form ∆ẋ = Al ∆x + Bl ∆u (5.14) KAPITEL 5. REGELUNG 47 mit Al = 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0, 001 0 0 0 0 0 0 0 , Bl = 0 0, 001 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 −0, 0016 253, 1 0 0 . Ähnlich wie bei der Modellvalidierung ist es wegen der Instabilität des Systems unmöglich, im offenen Regelkreis festzustellen, wie gut die lineare Beschreibung das nichtlineare Modell annähert. In Bild 5.6 ist die Struktur des linearen Zustandsreglers dargestellt. Es ist zu beachten, daß ∆x und dementsprechend auch ∆u zu Null werden, wenn sich das System exakt im Linearisierungspunkt befindet. Für den Reglerentwurf stellt es sich als sinnvoll heraus, getrennte Modelle für die Regelung der drei Koordinaten x, y und z zu verwenden. Dies hat den entscheidenen Vorteil, daß man die Lage der Eigenwerte des geschlossenen Regelkreises für alle drei Dimensionen unabhängig voneinander wählen kann, wodurch das Regelverhalten viel exakter beeinflußt werden kann. Im nichtlinearen Modell sind die drei Koordinaten zwar gekoppelt, aber in dem linearisierten Modell nach Gl. (5.14) tritt diese Kopplung nicht mehr auf, so daß es zulässig ist, diese Aufteilung in drei Teilmodelle durchzuführen. Dazu wird jeweils ein Teilsystem durch zwei aufeinanderfolgende Zeilen der Matrizen Al und Bl gebildet. Der Einfachheit halber wird im folgenden gezeigt, wie standsrückführungsmatrix für das Gesamtsystem ermittelt wird. die Zu- Tatsächlich werden jedoch für jedes Teilsystem getrennte Zustandsregler berechnet und anschließend zu einem Gesamtregler zusammengefaßt. Zur Reglersynthese wird das linearisierte Modell mit der Abtastzeit 2ms diskretisiert [54], [55]. Man erhält x(k + 1) = Ad x(k) + Bd u(k) y(k) = Cd x(k) . (5.15) Zur Vermeidung einer von Null verschiedenenen Regelabweichung e(k) bei Aufschaltung einer Führungsgröße r(k) muß eine Integration der Regelabweichung KAPITEL 5. REGELUNG erfolgen. 48 Hierfür wird ein Regler mit PI-ähnlicher Struktur verwendet (sie- he Bild 5.6). Man bekommt drei neue Integratorzustände ζ(k), die sich über u* r(k) + e(k) - (k) z-1 1-z-1 + FI + d(k) u(k) + + Bd x(k+1) + z-1 x(k) Cd y(k) ++ ys(k) Ad ∆u ∆x F + - x* Bild 5.6: Zustandsregler mit zusätzlicher Ausgangsrückführung über einen IRegler ζ(k + 1) =ζ(k) + r(k) − ys (k) berechnen lassen. Der um die Integratorzustände erweiterte Zustandsvektor lautet x̄ = " x ζ # . (5.16) Damit ergibt sich das erweiterte Zustandsraummodell x̄(k + 1) = Ād x̄(k) + B̄d u(k) + R̄r(k) + D̄d(k) y(k) = C̄d x̄(k) (5.17) mit Ād = " Ad 0 # " Bd # , B̄d = , R̄ = −Cd I 0 " # h i 0 D̄ = , C̄d = Cd 0 . −I " 0 I # , (5.18) Um zu große Überschwinger beim Abheben der Probe zu vermeiden, die im Extremfall dazu führen können, daß die Probe die obere Levitationselektrode berührt und das Experiment neu gestartet werden muß, werden die Führungsgrößen mit Hilfe eines P T1 -Gliedes vorgefiltert. Bei der Wahl der Zeitkonstanten KAPITEL 5. REGELUNG 49 muß ein Kompromiß zwischen der Größe des Überschwingers und der gewünschten Ausregelzeit gefunden werden. Die lineare Zustandsrückführungsmatrix F und die dem Integrator nachgeschaltete Matrix FI sollen nun so bestimmt werden, daß die Anforderungen an die Regelung erfüllt werden. Das Regelgesetz ergibt sich mit der “ erweiterten” Zustandsgrößenrückführung # " h i x(k) − x∗ u = F FI + u∗ = F̄x̄(k) − Fx∗ + u∗ , ζ(k) (5.19) wobei F̄ = h F FI Aus Gl. (5.17) bekommt man mit Gl. (5.19) i . x̄(k + 1) = (Ād + B̄d F̄)x̄(k) − B̄d Fx∗ + B̄d u∗ + R̄r(k) + D̄d(k) . (5.20) Hieraus erhält man die Systemmatrix des um den Integrator erweiterten Modells zu Ād + B̄d F̄ = " Ad + B d F B d F I −Cd I # . (5.21) Dadurch, daß die Matrix FI in die erweiterte Zustandsrückführung F̄ mit einbezogen wird, ist es nun möglich, mit Hilfe des konvexen Suchverfahrens die beiden Matrizen F und FI in einem Schritt zu bestimmen. Zur Berechnung der erweiterten Zustandsrückführungsmatrix wird das Konzept der Polvorgabe für den geschlossenen Regelkreis mit Lösung mittels des LMI-Verfahrens verwendet [56]. Damit ist es möglich, die Regelgüte zu beeinflussen, indem die Pole des geschlossenen Kreises in einem bestimmten vorgegebenen Gebiet angeordnet werden. Beim zeitdiskreten Reglerentwurf, der hier betrachtet wird, werden für die Beschreibung des Regelverhaltens des Systems im Einheitskreis der komplexen z-Ebene liegende Ellipsen gewählt, innerhalb derer die Pole des geschlossenen Regelkreises plaziert werden (siehe Bild 5.7). Die Ellipsen-Parameter lauten q, r1 und r2 . Durch Verschieben dieser “LMI-Region” KAPITEL 5. REGELUNG 50 Bild 5.7: Anordnung der Pole des geschlossenen Regelkreises in der z-Ebene näher zum Ursprung wird die Regelung schneller, allerdings wird auch der Überschwinger größer. Der vertikale Radius r2 der Ellipse bestimmt die Dämpfung des Systems. Zusätzlich wird die Polgebietsvorgabe mit einem quadratischen Gütekriterium kombiniert [57] V = ∞ X £ k=0 x̄T (k)Wx x̄(k) + uT (k)Wu u(k) ¤ . (5.22) Dabei sind Wx und Wu symmetrische, positiv semidefinite Bewertungsmatrizen. Die Zustände können über die Matrix Wx und die Stellgrößen über Wu gewichtet werden. Es läßt sich also festhalten, daß für die Bestimmung der erweiterten Zustandsrückführung die quadratische Optimierung durch eine Polgebietsvorgabe eingeschränkt wird [58]. KAPITEL 5. REGELUNG 51 Während die Linearisierung des Modells bei allen Regelverfahren durchgeführt wird, ist die Bestimmung der Zustandsrückführung nicht immer notwendig. Die hier dargestellte Berechnung der Zustandsrückführungsmatrix ist die Grundlage für den robusten Reglerentwurf mit schneller Ausgangsabtastung und Identitätsbeobachter. Beim lokalen “Gain Scheduling”-Entwurf werden auf diese Weise zwei lokale Zustandsregler bestimmt. Die Berechnung der Zustandsrückführungen beim globalen “Gain Scheduling”-Entwurf unterscheidet sich jedoch von dem oben beschriebenen Ansatz und wird in Abschnitt 5.4.1 erläutert. Für den H∞ -Entwurf wird die Zustandsrückführungsmatrix nicht benötigt. Auf die H∞ Reglerberechnung wird in Abschnitt 5.3.1 eingegangen. 5.3 Robuste Regelung Die meisten Verfahren zur Reglersynthese setzen ein Modell der Regelstrecke voraus. Da es häufig unmöglich ist, das System exakt zu beschreiben, ist es für die praktische Anwendung wichtig, daß der Regler robust ist, d. h. unempfindlich gegenüber Abweichungen des Regelstreckenmodells von dem realen System. Wenn das dynamische Verhalten des realen Prozesses und des Modells nicht vollkommen übereinstimmen, liegt es meistens daran, daß sich die Systemeigenschaften zeitlich ändern. Zeitvariantes Regelstreckenverhalten kann zum Beispiel durch unvorhersehbare Parameteränderungen oder Parameterunsicherheiten verursacht sein. Neben dem Ziel der Robustheit sind beim Reglerentwurf auch Anforderungen an die Qualität der Regelung zu erfüllen. Dies bedeutet, daß die Regelgüte in der Gegenwart von Modellunsicherheiten und Störungen optimiert werden soll. Es muß also ein Kompromiß zwischen erreichbarer Regelgüte und Robustheit gefunden werden. In diesem Kaptitel werden drei robuste Regelverfahren vorgestellt und in Simulations- und Echtzeitversuchen auf die elektrostatische Levitationsanlage angewendet. Es wird beschrieben, wie bei den verschiedenen Methoden zur Regelung mittels H∞ -Optimierung, schneller Ausgangsabtastung und Identitätsbeobachter bei garantierter Stabilität gegenüber bestimmten Modellunsicherheiten KAPITEL 5. REGELUNG 52 gleichzeitig die Regelgüte optimiert werden kann. Zu beachten ist, daß der H∞ Entwurf im Frequenzbereich stattfindet, wohingegen die beiden anderen Verfahren im Zeitbereich durchgeführt werden. Bei allen drei Verfahren werden neuartige LMI-Methoden zur Reglersynthese verwendet. 5.3.1 H∞ -Regelung Bei der H∞ -Regelung wird durch Optimierung der Amplitudengänge von Übertragungsfunktionen die Regelgüte und Robustheit des Systems beeinflußt [59] [65]. Die H∞ -Norm der stabilen Übertragungsfunktion G(s) mit dem Eingangssignal u(t) und dem Ausgangssignal ys (t) ist im SISO-Fall als kG(s)k∞ = kys (t)k2 ku(t)k2 6=0 ku(t)k2 sup (5.23) definiert. Dabei beschreibt ku(t)k2 die 2-Norm von u(t), was gleichbedeutend mit der Wurzel aus der Energie des Signals u(t) ist. Da für s = jω die Übertragungs- funktion in den Frequenzgang G(jω) übergeht, entspricht Gl. (5.23) dann dem Maximum des Amplitudengangs kG(s)k∞ = sup |G(jω)| . (5.24) ω∈R Bei Mehrgrößensystemen ist die Beurteilung der Stabilität des Gesamtsystems anhand der Amplitudengänge der Einzelübertragungsfunktionen sehr schwierig. Deshalb werden bei Mehrgrößensystemen ersatzweise oft die Frequenzgänge der singulären Werte betrachtet, die eine relativ einfache Abschätzung des Systemverhaltens erlauben. Die singulären Werte σi (jω) einer Übertragungsmatrix G(jω) mit r Eingangs- und v Ausgangsgrößen sind definiert als Lösungen der Eigenwert-/ Eigenvektorgleichung [σi2 (jω)I − GT (−jω)G(jω)]vi (jω) = 0 mit i = 1, . . . , r . (5.25) Aus dieser Gleichung läßt sich der betragsmäßig größte singuläre Wert σmax (jω) = max{σi (jω), i = 1, . . . , r} zu σmax (jω) = max u kys (jω)k2 kG(jω)u(jω)k2 = max u ku(jω)k2 ku(jω)k2 (5.26) KAPITEL 5. REGELUNG 53 bestimmen, wobei ku(jω)k2 = p uT (jω)u(jω) die euklidische Norm des Vektors u(jω) bezeichnet. Empfindlichkeitsfunktionen Eine überaus wichtige Rolle beim H∞ -Entwurf spielen Empfindlichkeitsfunktionen. Das Ziel der H∞ -Regelung ist es, durch Optimierung der Amplitudengänge von Empfindlichkeitsfunktionen eine gewünschte Regelgüte und Robustheit zu erreichen. Betrachtet man den in Bild 5.8 dargestellten SISO-Standardregelkreis r + e K - u G0 ++ d ys Bild 5.8: SISO-Standardregelkreis mit der nominalen Regelstrecke G0 (jω), dem Regler K(jω) und dem Störsignal d(jω), so ist die Regelgüte-Empfindlichkeitsfunktion S(jω) durch das Übertragungsverhalten zwischen d(jω) und der Regelgröße ys (jω) definiert, also ys (jω) = 1 d(jω) = S(jω)d(jω) . 1 + K(jω)G0 (jω) (5.27) 1 . 1 + K(jω)G0 (jω) (5.28) Es folgt S(jω) = In diesem Zusammenhang kann S(jω) auch als das Übertragungsverhalten zwischen der Führungsgröße r(jω) und der Regelabweichung e(jω) interpretiert werden: e(jω) = S(jω)r(jω). Im stationären Zustand soll die Regelabweichung und der Einfluß von Störungen auf das Ausgangssignal möglichst gering sein. Dies bedeutet, daß die Empfindlichkeitsfunktion S(jω) im niederfrequenten Bereich eine kleine Amplitude annehmen soll, d. h. S(jω) ¿ 1 für ω klein . (5.29) KAPITEL 5. REGELUNG 54 Zu höheren Frequenzen hin nimmt die Regelabweichung zu, da die Regelstrecke normalerweise Tiefpaßverhalten besitzt, so daß die Regelgröße dem Sollwert nicht beliebig schnell folgen kann. Daher steigt die Regelgüte-Empfindlichkeitsfunktion bis auf den Wert 1 bei ω → ∞. Um ein unsicheres System zu beschreiben, ersetzt man die nominale Regel- strecke G0 (jω) durch G(jω) = (1 + ∆m (jω))G0 (jω) (5.30) Dabei stellt der Faktor ∆m (jω) die multiplikative Modellunsicherheit dar und beschreibt die Abweichungen des realen Regelstreckenmodells von dem nominalen System. Das Ziel des robusten Reglerentwurfes muß sein, daß der geschlossene Regelkreis für alle vorkommenden Werte von ∆m (jω) stabil bleibt. Die Regelgüte-Empfindlichkeitsfunktion des Regelkreises mit G(jω) nach Gl. (5.30) lautet S∆m (jω) = 1 1 = S(jω) . 1 + (1 + ∆m (jω))K(jω)G0 (jω) 1 + ∆m (jω)T (jω) (5.31) Dabei wird die Funktion T (jω) = K(jω)G0 (jω) 1 + K(jω)G0 (jω) (5.32) als Empfindlichkeitsfunktion für multiplikative Modellunsicherheiten oder als komplementäre Empfindlichkeitsfunktion bezeichnet. Im Standardregelkreis ist T (jω) identisch mit der Führungsübertragungsfunktion, da ys (jω) = K(jω)G0 (jω) r(jω) = T (jω)r(jω) . 1 + K(jω)G0 (jω) (5.33) Bei niedrigen Frequenzen soll T (jω) möglichst den Wert 1 annehmen, weil in diesem Fall die Regelgröße der Führungsgröße entspricht. Bei höheren Frequenzen kann dies nicht mehr gewährleistet werden, so daß T (jω) für ω → ∞ gegen Null geht. Weiterhin ist die komplementäre Empfindlichkeitsfunktion T (jω) mit der Regelgüte-Empfindlichkeitsfunktion S(jω) über den Zusammenhang S(jω) + T (jω) = 1 (5.34) KAPITEL 5. REGELUNG 55 verknüpft. Wenn der Regler die nominale Regelstrecke G0 (jω) stabilisiert, d. h. S(jω) stabil ist, dann folgt aus Gl. (5.31) als Bedingung für robuste Stabilität des Gesamtsystems, daß 1 (5.35) 1 + ∆m (jω)T (jω) stabil sein muß. Diese Forderung ist aufgrund des Nyquist-Kriteriums garantiert erfüllt, wenn ∆m (jω) und T (jω) stabil sind und |∆m (jω)T (jω)| < 1 ∀ ω (5.36) gilt. Normalerweise ist der genaue Verlauf der multiplikativen Modellunsicherheit ∆m (jω) unbekannt. Jedoch ist es möglich, über Gewichtungsfunktionen, auf die im weiteren Verlauf dieses Abschnitts eingegangen wird, die maximal erlaubte Amplitude von ∆m (jω) festzulegen. Neben multiplikativen Modellunsicherheiten werden häufig auch additive Modellunsicherheiten ∆a (jω) zur Beschreibung von unsicheren Systemen verwendet. Die Übertragungsfunktion der Regelstrecke lautet dann G(jω) = G0 (jω) + ∆a (jω) . (5.37) Analog zu Gl. (5.31) läßt sich mit S∆a (jω) = 1 1 = S(jω) 1 + (G0 (jω) + ∆a (jω))K(jω) 1 + ∆a (jω)R(jω) (5.38) die Empfindlichkeitsfunktion für additive Modellunsicherheiten R(jω) = K(jω) 1 + G0 (jω)K(jω) (5.39) ableiten. R(jω) wird auch als Stellgrößen-Empfindlichkeitsfunktion bezeichnet. Allerdings sind additive Unsicherheitsmodelle bei integralen Regelstrecken oftmals kritisch [66]. Die Modellbeschreibung des elektrostatischen Levitators hat doppelintegrales Verhalten (siehe Kapitel 4). Bei Variationen der Probenladung führt dies dazu, daß im niedrigen Frequenzbereich die Modellunsicherheit ∆a (jω) über alle Grenzen wächst. Aus diesem Grund wird in den weiteren Ausführungen die Stellgrößen-Empfindlichkeitsfunktion nicht mehr berücksichtigt. KAPITEL 5. REGELUNG 56 Im Mehrgrößenfall sind die Empfindlichkeitsmatrizen und das multiplikative Unsicherheitsmodell analog zu den Gln. (5.28), (5.30) und (5.32) definiert: S(jω) = (I + K(jω)G0 (jω))−1 (5.40) G(jω) = (I + ∆m (jω))G0 (jω) (5.41) T(jω) = K(jω)G0 (jω)(I + K(jω)G0 (jω))−1 . (5.42) Gewichtungsfunktionen Beim optimalen H∞ -Entwurf ist die gezielte Beeinflussung der Amplitudengänge der Empfindlichkeitsfunktionen von großer Bedeutung. Über Gewichtungsfunktionen We (jω) und Wy (jω) wird im SISO-Fall der Betrag der Empfindlichkeitsfunktionen S(jω) und T (jω) nach oben begrenzt. Dies geschieht durch geeignete Wahl des Reglers K(jω). Die Wahl der Gewichtungsfunktionen wirkt sich also unmittelbar auf die Regelung aus. Die Regelkreisstruktur ist in Bild 5.9 darge- We r+ e - K u G0 + d y s + Wy ze zy Bild 5.9: Regelkreisstruktur für die H∞ -Regelung stellt. Durch eine etwas andere Anordnung läßt sich der Regler K(jω) mit den unbekannten Parametern von den restlichen Blöcken, die bereits bekannt sind, trennen. Zur Berechnung eines H∞ -Reglers erhält man also eine erweiterte Regelkreisstruktur nach Bild 5.10. In dieser äquivalenten Darstellung beschreibt die Frequenzgangmatrix Perw (jω) die erweiterte Regelstrecke und enthält alle bekannten Parameter des Regelkreises inklusive der Gewichtungsfunktionen, die die Anforderungen an die Regelgüte und Robustheit des Regelkreises festlegen. KAPITEL 5. REGELUNG 57 ze w zy P erw u K e Bild 5.10: Erweiterte Regelkreisstruktur für die H∞ -Regelung Die Zustandsraumdarstellung der erweiterten Regelstrecke lautet im SISO-Fall: ẋ = Ax + b1 w + b2 u (5.43) z = C1 x + d11 w + d12 u (5.44) e = cT 2 x + d21 w + d22 u . (5.45) Dabei sind die Ein- und Ausgangssignale der erweiterten Regelstrecke folgendermaßen definiert: • w: Äußeres Signal, das auf den Regelkreis einwirkt (Sollwertsignal r oder Störsignal d) • u: Stellgröße der Regelstrecke • z = [ze zy ]T : Verallgemeinerter Ausgangsvektor (frequenzgewichtete Re- gelabweichung ze und Regelgröße zy ) • e: Regelabweichung (meßbares Signal der erweiterten Regelstrecke, das auf den Regler zurückgeführt wird) KAPITEL 5. REGELUNG 58 Die verallgemeinerte Ausgangsgröße z = [ze zy ]T wird über ze (jω) = We (jω)e(jω) und zy (jω) = Wy (jω)ys (jω) (5.46) bestimmt. Mit ys (jω) = S(jω)d(jω) bzw. e(jω) = S(jω)r(jω) (5.47) aus Gl. (5.27) und ys (jω) = T (jω)r(jω) (5.48) aus Gl. (5.33) folgt z(jω) = " We (jω)S(jω) Wy (jω)T (jω) # r(jω) . (5.49) Ein optimaler H∞ -Regler muß also die Bedingung für garantierte Regelgüte |We (jω)S(jω)| ≤ 1 ∀ ω (5.50) und für robuste Stabilität bei multiplikativen Modellunsicherheiten |Wy (jω)T (jω)| ≤ 1 ∀ ω (5.51) erfüllen. Im Mehrgrößenfall muß entsprechend den Gln. (5.50) und (5.51) σmax {We (jω)S(jω)} ≤ 1 ∀ ω (5.52) σmax {Wy (jω)T(jω)} ≤ 1 ∀ ω (5.53) und gelten, wobei We (jω) und Wy (jω) Gewichtungsmatrizen darstellen. Entwurfskriterien Wie in Abschnitt 5.2 beschrieben, werden die Ortskoordinaten x, y und z beim Reglerentwurf entkoppelt. Daher werden im folgenden die Entwurfskriterien für den SISO-Fall erläutert. KAPITEL 5. REGELUNG 59 Mit der Definition der Empfindlichkeitsfunktionen, der Modellunsicherheit und der Gewichtungsfunktionen sind die Grundlagen geschaffen, um die Anforderungen an die Regelgüte und die Robustheit des geschlossenen Regelkreises systematisch zu beschreiben. Zur numerischen Auswertung dieser Anforderungen ist die Verwendung der H∞ -Norm, die in Gl. (5.24) eingeführt wurde, sehr nützlich. Damit können die Bedingungen für garantierte Regelgüte und robuste Stabilität aus den Gln. (5.50) und (5.51) sehr einfach als kWe (jω)S(jω)k∞ ≤ 1 (5.54) kWy (jω)T (jω)k∞ ≤ 1 (5.55) und angegeben werden. Die Gln. (5.54) und (5.55) können in dem sogenannten “mixed sensitivity criterion” ° ° W (jω)S(jω) ° e ° ° Wy (jω)T (jω) ° ° ° ° ° ∞ ≤1 (5.56) zusammengefaßt werden. Im allgemeinen möchte man durch den Reglerentwurf jedoch nicht nur erreichen, daß die H∞ -Norm des Gütefunktionals aus Gl. (5.56) kleiner als 1 ist, sondern daß die zugehörige H∞ -Norm minimal wird. Das Ziel des H∞ -Entwurfs ist also, das Gütefunktional als Funktion der Reglerparameter so zu optimieren, daß die Forderung ° ° ° W (jω)S(jω) ° ° e ° ° ° ≤ γopt ° Wy (jω)T (jω) ° mit γopt = min (5.57) ∞ erfüllt ist. “Loop Shaping”-Methode zum Reglerentwurf Die “Loop Shaping”-Methode ist ein Verfahren, bei dem verschiedene Gesichtspunkte des Regelkreises wie Führungsverhalten, Bandbreite, Störungsunterdrückung, Robustheit gegenüber der Modellunsicherheit und Amplitudenbegrenzung im Frequenzbereich spezifiziert werden können. Das “Loop Shaping” beinhaltet vier Schritte: KAPITEL 5. REGELUNG 60 1. Formulierung der Entwurfsspezifikationen in Form einer GütefunktionalOptimierung, 2. Grafischer Entwurf der Gewichtungsfunktionen, 3. Spezifikation der Reglerstruktur und 4. Entwurf eines H∞ -Reglers. Nachdem die Anforderungen an die Regelung in Form eines “mixed sensitivity criterion” gemäß Gl. (5.56) festgelegt wurden, folgt der Entwurf der Gewichtungsfunktionen. Die grafische Festlegung bietet eine Alternative zur numerischen Berechnung der Gewichtungsfunktionen und spielt eine große Rolle beim optimalen H∞ -Reglerentwurf. Deshalb werden im folgenden einige Regeln zur Wahl der Gewichtungsfunktionen erläutert. Die wichtigste Kenngröße beim Entwurf ist die Durchtrittsfrequenz ωs der Regelstrecke. Für Frequenzwerte, die wesentlich kleiner als ωs sind, kann eine hohe Regelgüte (d. h. S(jω) ¿ 1) schon mit geringem Stellaufwand erreicht werden, weil G0 (jω)K(jω) À 1 für ω < ωs . Im oberen Fre- quenzbereich ist dies dagegen nur durch eine große Reglerverstärkung möglich. Um den Stellaufwand zu begrenzen, sollte die Bandbreite des geschlossenen Kreises, die durch die Durchtrittsfrequenzen ωe und ωy der Gewichtungsfunktionen We (jω) und Wy (jω) bestimmt wird, zwar größer sein als ωs , aber nicht allzu groß. Gute Werte liegen im Bereich ωs ≤ ωe ≤ ωy ≤ 2ωs . Folgende Strategie kann bei der Wahl von ωe und ωy von Nutzen sein: • Man vergrößere die Durchtrittsfrequenz ωe , wenn die Regelung zu langsam ist. • Man verkleinere die Durchtrittsfrequenz ωy , wenn die Regelung überschwingt. Neben der Bandbreite ist auch die Phasenreserve des geschlossenen Regelkreises für die Qualität der Regelung von großer Bedeutung. In der Nähe der Durchtrittsfrequenz sollte deshalb die Amplitude des offenen Regelkreises um ca. 20dB/ Dekade abfallen. Dies entspricht einer Phasenreserve von π . 2 Dies wird erreicht, KAPITEL 5. REGELUNG 61 wenn We (jω) und Wy (jω) für ω ≈ ωs ebenfalls mit 20dB/ Dekade abfallen bzw. ansteigen. Bei Regelstrecken mit integralem Verhalten, wie es bei dem elektrostatischen Positionierer der Fall ist, muß zusätzlich beachtet werden, daß die Gewichtungsfunktion We (jω) mindestens ebenso viele Integratoren wie die Regelstrecke G0 (jω) besitzt [66]. Die Synthese des H∞ -Reglers kann mit verschiedenen Methoden durchgeführt werden. In dieser Arbeit wird ein LMI-basierter Ansatz verwendet [49], [67]. 5.3.1.1 Simulation Mit der im vorigen Abschnitt beschriebenen “Loop Shaping”-Methode soll ein diskreter H∞ -Regler entworfen werden. Die im vorigen Abschnitt hergeleiteten Gleichungen sind im diskreten Fall gültig, wenn das Argument “(jω)” durch z = ejωτ ersetzt wird, wobei τ die Abtastzeit darstellt. Die Gewichtungsfunktionen werden grafisch bestimmt. Dies ist ein sehr mühsames Verfahren, da bereits kleine Änderungen der vorgegebenen Kurvenverläufe für die Gewichtungsfunktionen teilweise sehr große Einflüsse auf die Qualität der Regelung haben. Ein gezieltes Suchen nach den optimalen Gewichtungsfunktionen ist bei dieser Methode nahezu unmöglich. Nachdem die Gewichtungsfunktionen festgelegt sind, können die Regler Kx , Ky und Kz jeweils über das diskrete Zustandsraummodell ξ(k + 1) = AK ξ(k) + bK e(k) u(k) = cT K ξ(k) + dK e(k) . (5.58) berechnet werden. Dabei fungiert ξ als Hilfszustandsvektor. Das Blockschaltbild des H∞ -Reglers ist in Bild 5.11 dargestellt. Im folgenden soll auf die Einstellwerte für den diskreten H∞ -Regler eingegangen werden. In x- bzw. y-Richtung der Versuchseinrichtung werden die Gewichtsfunktionen We (z) = und 0, 6508 − 1, 8681z −1 + 1, 7893z −2 − 0, 5720z −3 1 − 2, 9998z −1 + 2, 9996z −2 − 0, 9998z −3 (5.59) 15, 3827 − 14, 7916z −1 1 − 0, 0431z −1 (5.60) Wy (z) = KAPITEL 5. REGELUNG 62 Kx r(k) + e(k) - Ky DEMUX u* MUX + + u(k) HG u(t) .x = f(x,u) y= Cx τ y(t) + ys(k) + d(t) Kz Bild 5.11: Blockschaltbild für die H∞ -Regelung gewählt. In z-Richtung liefern die Gewichtungsfunktionen We (z) = 0, 4324 + 22, 2038z −1 − 22, 6034z −2 1 − 1, 9984z −1 + 0, 9984z −2 (5.61) und 198, 1959 − 383, 2916z −1 + 185, 1208z −2 (5.62) Wy (z) = 1 − 0, 9359z −1 − 0, 0000z −2 ein gutes Regelverhalten. Wie schon im vorigen Abschnitt beschrieben wurde, ist bei der Wahl von We (jω) darauf zu achten, daß diese Gewichtungsfunktion mindestens ebenso viele Integratoren wie die Regelstrecke, also zwei, besitzt. Mit der oben genannten Wahl der Gewichtungsfunktionen ergeben sich für die x- und y-Richtung die Reglermatrizen bzw. -vektoren 0, 0045 0, 0009 −0, 0106 −0, 2576 −0, 2374 0, 0314 0, 0088 −0, 0953 −2, 3060 −2, 1256 0, 0043 0, 0011 −0, 0121 −0, 3158 −0, 2910 AK = 103 0, 0005 −0, 0000 0, 0000 −0, 0000 0, 0006 0, 0000 0, 0000 −0, 0000 0, 0002 0, 0001 0, 0000 0, 0000 −0, 0000 0, 0000 −0, 0000 −0, 0227 −0, 2033 −0, 0278 , 0, 0000 −0, 0000 0, 0010 KAPITEL 5. REGELUNG 63 9 cT K = 10 h bK = 0, 0619 −0, 0051 −0, 0152 , −0, 0023 −0, 0023 −0, 0005 h , −0, 0947 i , dK = 0 . Für die z-Richtung lauten die Reglermatrizen 1, 2242 −1, 9112 −1, 4632 0, 0634 −0, 9567 −1, 1444 10, 6622 7, 3924 −0, 3205 4, 8365 −0, 6898 5, 8359 5, 4655 −0, 1936 2, 9212 AK = 0, 0030 1, 0907 0, 0019 −0, 0005 0, 0040 3, 8253 −32, 1312 −24, 5386 1, 0572 −15, 0320 −0, 0001 0, 0007 0, 0005 0, 0971 0, 0003 7 cT K = 10 i 0, 0154 0, 0038 −0, 0467 −1, 1289 −1, 0406 −0, 0995 bK = 0, 2358 0, 4785 0, 2890 , −1, 7402 −1, 5848 −0, 1550 −0, 0118 0, 0982 , −0, 0001 0, 3336 −0, 0000 0, 6954 −5, 8667 −4, 4865 0, 1942 −2, 9298 −0, 2901 dK = 0 . In Bild 5.12 ist das Regelverhalten für eine sprungförmige Ladungsänderung von qs = 1, 3 · 10−10 C auf qs = 1, 5 · 10−10 C dargestellt. Dabei ändert sich die vertikale Probenposition um maximal 1, 1mm. Die Ausregelzeit beträgt 0, 5s. Wenn man dieses Ergebnis mit dem der PID-Regelung vergleicht, so liefert der PID-Regler (vgl. Bild 5.3) ein eindeutig besseres Regelverhalten. Bei gleicher Ausregelzeit KAPITEL 5. REGELUNG 64 −5 uz/kV −6 −7 −8 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 z/mm 6 5 4 3 1.6 p 1.5 1.4 1.3 1.2 Bild 5.12: Simulation H∞ -Regler: Ladungserhöhung beträgt die maximale Auslenkung der Probe in z-Richtung beim PID-Regler nur etwa ein Drittel der Auslenkung beim H∞ -Regler. Weiterhin soll das Regelverhalten bei einer sprungförmigen Abnahme der Probenladung untersucht werden. Bei einer Absenkung der Ladung um 40% wie beim PID-Regler wird die Regelung instabil. Deswegen wird der Ladungssprung hier um die Hälfte auf 20% der ursprünglichen Ladung herabgesetzt. Dies entspricht einer Änderung von qs = 1, 43 · 10−10 C auf qs = 1, 13 · 10−10 C. Die hieraus resultierenden Simulationsergebnisse sind in Bild 5.13 dargestellt. Die maximale Änderung der vertikalen Probenposition beträgt 2, 1mm. Diese ist größer als beim PID-Regler (vgl. Bild 5.4), obwohl der Ladungssprung nur halb so groß ist. Die Ausregelzeit liegt bei ca. 0, 7s. KAPITEL 5. REGELUNG 65 −5 uz/kV −10 −15 −20 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 5 z/mm 4 3 2 1 1.4 p 1.2 1 0.8 0.6 Bild 5.13: Simulation H∞ -Regler: Ladungsverlust 5.3.1.2 Echtzeit Das Echtzeitverhalten des H∞ -Reglers bei einer Ladungserhöhung ist in Bild 5.14 gezeigt. Die UV-Lampe wird bei t = 15, 9s eingeschaltet. Die Probe bewegt sich durch die Ladungszunahme um maximal 2, 7mm nach oben. Nach 0, 8s hat sie die Position in der Mitte zwischen den Elektroden wieder erreicht. Im Vergleich zum PID-Regler (vgl. Bild 5.5) ist die maximale Auslenkung in z-Richtung dreimal so groß. Auch in x- und y-Richtung ist das Regelverhalten viel schlechter als bei der PID-Regelung. Bis zu 1mm wird die Probe aus der Ruhelage herausgebracht. Zur Zurückregelung in die Ausgangsposition werden in horizontaler Richtung Spannungen von bis zu 1kV angelegt. ux/kV KAPITEL 5. REGELUNG 66 2 0 −2 uy/kV x/mm 15 15.5 16 16.5 17 17.5 t/s 18 18.5 19 19.5 20 15.5 16 16.5 17 17.5 t/s 18 18.5 19 19.5 20 15.5 16 16.5 17 17.5 t/s 18 18.5 19 19.5 20 15.5 16 16.5 17 17.5 t/s 18 18.5 19 19.5 20 15.5 16 16.5 17 17.5 t/s 18 18.5 19 19.5 20 15.5 16 16.5 17 17.5 t/s 18 18.5 19 19.5 20 0.5 0 −0.5 15 2 0 −2 y/mm 15 0.5 0 −0.5 15 uz/kV 0 −5 −10 z/mm 15 6 4 15 Bild 5.14: Echtzeit H∞ -Regler: Ladungserhöhung 5.3.2 Regelung mit schneller Ausgangsabtastung Bei der Regelung von MIMO-Regelstrecken mittels schneller Ausgangsabtastung soll auf der Grundlage einer mit Hilfe konvexer Programmierung entworfenen Zustandsrückführungsmatrix F eine Ausgangsrückführungsmatrix L bestimmt werden [68] - [75]. Im Gegensatz zur Zustandsrückführung hat die schnelle Ausgangsabtastung den entscheidenden Vorteil, daß sie nicht auf die teilweise nicht meßbaren Zustände zugreift, sondern auf die Ausgangsgrößen. Betrachtet werde die als steuerbar und beobachtbar angenommene kontinuierliche Regelstrecke KAPITEL 5. REGELUNG 67 ẋ = Ax + Bu (5.63) y = Cx . (5.64) Nun wählt man bei dem Verfahren der schnellen Ausgangsabtastung eine Abtastzeit τ , in der das Stellsignal u konstant gehalten wird. Dieses Intervall wird wiederum in N Intervalle der Länge ∆ = τ /N aufgeteilt, und die Ausgangssignale y werden zu den Zeitpunkten t = l∆ mit l = 0, 1, ... gemessen. Das Stellsignal in dem Intervall kτ ≤ t < (k + 1)τ berechnet sich aus den letzten N Ausgangsgrößen über die Beziehung: u(t) = Lyf (t) = h L0 L1 · · · LN−1 y(kτ − τ ) i y(kτ − τ + ∆) .. . y(kτ − ∆) . (5.65) Im weiteren sei (Ad , Bd , Cd ) das mit der Abtastzeit τ und (A∗d , B∗d , Cd ) das mit der Abtastzeit ∆ diskretisierte Modell bezeichnet, wobei bei konstanter Abtastzeit stets Cd = C gilt. Zur Berechnung der Matrix L stellt man das diskrete mathematische Modell der Regelstrecke mit C0 = x(k + 1) = Ad x(k) + Bd u(k) (5.66) yf (k + 1) = C0 x(k) + D0 u(k) (5.67) Cd Cd A∗d .. . N−1 Cd Ad∗ ; D0 = 0 Cd B∗d .. . PN −2 ∗j ∗ Cd j=0 Ad Bd auf. Das diskrete Modell nach den Gln. (5.66) und (5.67) hat zur Zeit t = kτ das KAPITEL 5. REGELUNG 68 Eingangssignal u(k) = u(kτ ), den Zustand x(k) = x(kτ ) und das Ausgangssignal y(kτ − τ ) y(kτ − τ + ∆) yf (k) = . . .. y(kτ − ∆) Setzt man nun Gl. (5.66) in Gl. (5.67) ein und berücksichtigt, daß u(k) = Fx(k) (5.68) yf (k) = CF x(k) (5.69) CF = (C0 + D0 F)(Ad + Bd F)−1 . (5.70) gilt, so erhält man mit Das Stellgesetz lautet dann u(k) = Lyf (k) = LCF x(k) . (5.71) Durch Gleichsetzen von Gl. (5.68) und (5.71) bekommt man folgende Bedingung zur Berechnung der Ausgangsrückführungsmatrix L LCF = F . (5.72) Eine Lösung dieser Gleichung existiert, wenn CF vollen Rang besitzt. Dies ist der Fall, wenn N ≥ ν gilt, wobei ν den Beobachtbarkeitsindex von (A∗d , B∗d ) beschreibt. Bei der Betrachtung des geschlossenen Regelkreises muß berücksichtigt werden, daß im allgemeinen keine Meßwerte des Ausgangssignals für t < 0 vorliegen, so daß das Stellsignal u(0) im Intervall 0 ≤ t < τ nicht mit dem Stell- gesetz aus Gl. (5.71) berechnet werden kann. Da durch die nichtdynamische schnelle Ausgangsabtastung mit dem Stellgesetz u(k) = Lyf (k) die lineare Zustandsrückführung mit u(k) = Fx(k) realisiert werden soll, kann deshalb für KAPITEL 5. REGELUNG 69 0 ≤ t < τ als Stellsignal u(0) = Fx(0) verwendet werden, vorausgesetzt der An- fangszustand x(0) ist bekannt. Ist dies nicht der Fall, wird mit dem Schätzwert x̂(0) das Signal û(0) = Fx̂(0) verwendet. Das Stellsignal für k ≥ 1 kann dann mit Gl. (5.71) berechnet werden. Mit x̂(0) 6= x(0) ist jedoch auch u(k) 6= Fx(k) und y(k) 6= Cx(k). Das Stellgesetz u(k) = Fx(k) wird aufgrund des Fehlers in der Anfangsschätzung des Zustands x(0) durch die abgetastete Ausgangsrückführung u(k) = Ly(k) nicht realisiert. Die Frage ist, inwieweit sich der Fehler x̂(0) 6= x(0) auf das weitere Verhalten des geschlossenen Regelkreises auswirkt, d. h. ob even- tuell dadurch das Gesamtsystem instabil werden kann. Nun ist die Dynamik des geschlossenen Kreises bestimmt durch # " " #" # x(k + 1) Ad + B d F Bd x(k) = , ud (k + 1) ud (k) 0 LD0 − FBd (5.73) mit ud (k) = u(k) − Fx(k). Damit ist der durch die schnelle Ausgangsabtastung geschlossene Regelkreis genau dann stabil, wenn alle Eigenwerte der Matrizen (Ad +Bd F) und (LD0 −FBd ) innerhalb des Einheitskreises liegen. In der Praxis stellen sich jedoch zwei Probleme beim Entwurf der Ausgangsrückführungsmatrix L heraus [72]. Zum einen wird der unbekannte Zustandsvektor implizit geschätzt, wenn angenommen wird, daß das Stellsignal über eine Zustandsrückführung gebildet wird. Wenn also eine externe Störung oder eine Änderung der Systemeigenschaften einen Stellgrößenfehler verursacht, wird das Abklingen dieses Fehlers über die Eigenwerte von LD0 − FBd bestimmt. Für Stabilität müssen diese Eigenwerte im Einheitskreis und für ein schnelles Abklingen des Fehlers sollten sie in der Nähe des Ursprungs liegen. Die Wahl der Eigenwerte hat unmittelbare Auswirkungen auf die L-Matrix. Zum anderen tritt beim Entwurf von L das Problem der Rauschanfälligkeit des Systems durch große Verstärkungswerte auf. Dem kann begegnet werden, indem eine obere Schranke δ für die Norm der Ausgangsrückführungsmatrix L festgelegt wird. Bei der Beschäftigung mit diesen Problemen stellt sich heraus, daß eine bessere Regelgüte erreicht werden kann, wenn man nicht darauf besteht, Gl. (5.72) exakt KAPITEL 5. REGELUNG 70 zu erfüllen. Indem kleine Abweichungen über eine Näherung LCF ≈ F erlaubt werden, können deutliche Verbesserungen bei der Lösung der oben beschriebenen Probleme erzielt werden, obwohl die gewünschte Dynamik des geschlossenen Kreises kaum beeinflußt wird. Damit kann zur Berechnung der Ausgangsrückführungsmatrix L Gl. (5.72) durch folgende drei Ungleichungen ersetzt werden: kLk < δ1 , (5.74) k(LD0 − FBd )k < δ2 , (5.75) k(LCF − F)k < δ3 . (5.76) Dabei beschreiben δi mit i = 1, ..., 3 obere Grenzen auf Matrix-Normen, und jede sollte so klein wie möglich sein. Ein kleiner Wert von δ1 bedeutet eine kleine Rauschanfälligkeit des Systems, ein kleines δ2 hat ein schnelles Abklingen von Schätzfehlern zur Folge, und je kleiner δ3 ist, desto besser wird die ursprünglich entworfene Zustandsrückführung durch die Ausgangsrückführungsmatrix L angenähert. Unter Benutzung des Schur-Komplementes können die Gln. (5.74) (5.76) in folgende drei lineare Matrixungleichungen (LMI) umgeformt werden: # " −δ12 I L <0 (5.77) LT −I " # −δ22 I (LD0 − FBd ) <0 (5.78) (LD0 − FBd )T −I # " (LCF − F) −δ32 I <0 (5.79) (LCF − F)T −I Zur Lösung dieser Gleichungen erweist es sich als sinnvoll, feste obere Grenzen für δ1 und δ2 vorzugeben. Mittels konvexer Programmierungsmethoden wird dann unter diesen Bedingungen δ3 minimiert, d. h. die beste Näherung von F durch L gesucht. 5.3.2.1 Simulation Die erweiterte Zustandsrückführungsmatrix F̄ wird, wie in Abschnitt 5.2 beschrieben, über eine Kombination aus einer Polgebietsvorgabe mit einem quadratischen KAPITEL 5. REGELUNG 71 Gütekriterium ermittelt. Es stellt sich heraus, daß es eine gute Wahl ist, die Matrizen Wx und Wu des Gütekriteriums gemäß Gl. (5.22) als Einheitsmatrizen festzusetzen und die Polregion zum Einstellen des Reglers zu verwenden. Die besten Ergebnisse konnten erzielt werden, wenn für die x- und y-Richtung eine Ellipse mit dem Zentrum q = 0, 67 und den Halbachsen r1 = 0, 3, r2 = 0, 1 gewählt wird. In z-Richtung sei q = 0, 67, r1 = 0, 3, r2 = 0, 01. Hieraus ergibt sich die lineare Zustandsrückführungsmatrix zu -1,3377 -0,0603 0 0 0 0 F = 106 0 0 -1,3377 -0,0603 0 0 0 0 0 0 1,3984 0,0530 und die dem Integrator nachgeschaltete Matrix zu 1,9801 0 0 FI = 104 0 1,9801 0 0 0 -1,7395 . (5.80) (5.81) Dieselben Einstellwerte für F und FI werden zu Vergleichszwecken auch bei der Regelung mittels Identitätsbeobachter und beim lokalen “Gain Scheduling”Verfahren verwendet. Für die Realisierung der Zustandsrückführung durch die Ausgangsrückführungsmatrix L wird N = 6 gewählt. Wie im vorigen Abschnitt erklärt, stellt die Rauschanfälligkeit des Systems bei der Methode der schnellen Ausgangsabtastung ein großes Problem dar. Durch Festlegung von zwei oberen Grenzen δi kann die dritte minimiert werden. In unserem Fall werden für δ1 und δ2 feste Werte vorgegeben, und δ3 , dessen Größe die Güte der Realisierung der Zustandsrückführungsmatrix durch die Ausgangsrückführungsmatrix L beschreibt, wird minimiert. In x-, y- und z-Richtung wird δ1 = 1016 und δ2 = 0, 3 gewählt. Für eine geringere Rauschanfälligkeit des Systems wäre es zwar wünschenswert, einen kleineren Wert von δ1 vorzugeben, allerdings wird dann bei der Minimierung kein stabilisierender Regler für das System gefunden. Mit den gewählten Werten für δ1 und δ2 ergibt sich für δ3 ein Wert von 9, 3374 · 10−12 für die x- und y-Richtung und 1, 4488 · 10−12 für die zRichtung. Diese kleinen Werte drücken aus, daß die Ausgangsrückführungsmatrix KAPITEL 5. REGELUNG 72 L sehr gut durch die Zustandsrückführungsmatrix F angenähert wird. Man erhält folgende L-Matrix 2,4105 0 0 1,4535 0 0 0 2,4107 0 0 1,4577 0 0 0 -2,0350 0 0 -1,1728 7 L = 10 0,4892 0 0 -0,4933 0 0 0 0,4847 0 0 -0,4932 0 0 0 -0,5442 0 0 0,2984 -1,4842 0 0 -2,4991 0 0 . 0 -1,4888 0 0 -2,4945 0 0 0 1,4703 0 0 2,1101 Das Blockschaltbild für die Regelung mittels schneller Ausgangsabtastung ist in Bild 5.15 dargestellt. Dabei beschreibt y ∗ = [0 0 4mm]T die Ausgangsgröße d(t) u* r(k) + e(k) - z-1 1-z-1 (k) FI + + u(k) + HG u(t) τ . x = f(x,u) y(t) ++ y= Cx ys(k) L τ yf (k) τ/Ν (l+1) = As (l) + Bsy(l) y(l) yf (l) = Cs (l) + - y* Bild 5.15: Blockschaltbild für die Regelung mittels schneller Ausgangsabtastung im Linearisierungspunkt. Dieser Wert hängt ähnlich wie u∗ und x∗ (siehe Kapitel 5.1 und 5.2) von dem fest eingestellten Führungsgrößenvektor r(k) ab. Die Erzeugung des Ausgangsgrößenvektors yf (k) wird durch ein Zustandsraummodell KAPITEL 5. REGELUNG 73 (As , Bs , Cs ) mit Abtastzeit ∆ realisiert, wobei As = " 0(N −1)v×v I(N −1)v 0v×v 0v×(N −1)v # , Bs = " 0(N −1)v×v Iv # , Cs = IN v gilt und v = 3 die Anzahl der Ausgangsgrößen ist. Die Ergebnisse eines Experimentes mit einer Erhöhung der Probenladung von qs = 1, 3·10−10 C auf qs = 1, 5·10−10 C sind in Bild 5.16 gezeigt. Man erkennt, daß −5 uz/kV −6 −7 −8 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 z/mm 6 5 4 3 1.6 p 1.5 1.4 1.3 1.2 Bild 5.16: Simulation schnelle Ausgangsabtastung: Ladungserhöhung die maximale Positionsänderung in z-Richtung von 0, 7mm in 0, 4s ausgeregelt wird. Dieses simulierte Regelverhalten ist besser als das bei der H∞ -Regelung (vgl. Bild 5.12), allerdings nicht ganz so gut wie das des PID-Reglers (vgl. Bild 5.3). KAPITEL 5. REGELUNG 74 Weiterhin wird getestet, wie sich die Regelung mittels schneller Ausgangsabtastung verhält, wenn die Ladung der Probe sprungförmig um 40% von qs = 1, 43 · 10−10 C auf qs = 0, 83 · 10−10 C abnimmt. Für dieses Experiment werden unterschiedliche Reglerparameter verwendet als bei der Regelung mit La- dungszunahme. Neben Wx = I und Wu = I wird für die Polregion in x- und y-Richtung eine Ellipse mit dem Zentrum q = 0, 68 und den Halbachsen r1 = 0, 3, r2 = 0, 1 gewählt, in z-Richtung sei q = 0, 54, r1 = 0, 3, r2 = 0, 01. Diese Werte werden wieder zu Vergleichszwecken auch bei der Ladungsverlust-Regelung mittels Identitätsbeobachter und beim lokalen “Gain Scheduling”-Verfahren verwendet. Weiterhin wird zur Reduktion der Rauschanfälligkeit in x- und y-Richtung δ1 = 1016 und δ2 = 0, 3 und in z-Richtung δ1 = 1017 und δ2 = 0, 3 gewählt. Für kleinere Werte von δ1 kann leider kein stabilisierender Regler gefunden werden. Damit ergeben sich die Reglermatrizen −0, 0548 −0, 0038 0 0 0 0 7 F = 10 0 0 −0, 0548 −0, 0038 0 0 0 0 0 0 3, 7267 0, 0256 0, 0054 0 0 , FI = 106 0 0, 0054 0 0 0 −3, 0957 0, 1555 0 0 0, 0937 0 0 L = 108 0 0, 1555 0 0 0, 0936 0 0 0 0, 7162 0 0 −0, 7261 0, 0313 0 0 0 0, 0313 0 0 0 −1, 2902 −0, 0316 0 0 0 0 −0, 0315 0 , 0 −0, 9812 −0, 0951 0 0 −0, 1591 0 0 . 0 −0, 0951 0 0 −0, 1591 0 0 0 0, 1992 0 0 2, 2576 Die Simulation der Regelung mit schneller Ausgangsabtastung und Ladungsverlust ist in Bild 5.17 dargestellt. Die maximale vertikale Positionsänderung be- KAPITEL 5. REGELUNG 75 −5 uz/kV −10 −15 −20 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 z/mm 4.5 4 3.5 1.4 p 1.2 1 0.8 0.6 Bild 5.17: Simulation schnelle Ausgangsabtastung: Ladungsverlust trägt lediglich 0, 2mm, also ein Zehntel des Wertes mit PID-Regelung (vgl. Bild 5.4), bei einer Ausregelzeit von 0, 3s. Allerdings ist die Regelung sehr schwingungsanfällig, was sich sowohl im Positionssignal als auch in der Stellspannung bemerkbar macht. 5.3.2.2 Echtzeit Die Echtzeitresultate für eine Ladungserhöhung der Probe um 15% sind in Bild 5.18 dargestellt. Zunächst kann beobachtet werden, daß die Regelung in allen drei Dimensionen sehr rauschanfällig ist. Dies hängt damit zusammen, daß es nicht möglich ist, für δ1 < 1016 einen stabilisierenden Regler zu finden. Infolgedessen sind die Verstärkungsfaktoren in der Matrix L sehr groß. Dies führt zu sehr ux/kV KAPITEL 5. REGELUNG 76 2 0 −2 uy/kV x/mm 20 20.5 21 21.5 22 22.5 t/s 23 23.5 24 24.5 25 20.5 21 21.5 22 22.5 t/s 23 23.5 24 24.5 25 20.5 21 21.5 22 22.5 t/s 23 23.5 24 24.5 25 20.5 21 21.5 22 22.5 t/s 23 23.5 24 24.5 25 20.5 21 21.5 22 22.5 t/s 23 23.5 24 24.5 25 20.5 21 21.5 22 22.5 t/s 23 23.5 24 24.5 25 0.5 0 −0.5 20 2 0 −2 y/mm 20 0.5 0 −0.5 20 uz/kV 0 −5 −10 z/mm 20 6 4 20 Bild 5.18: Echtzeit schnelle Ausgangsabtastung: Ladungserhöhung großen Stellsignalen, was wiederum ein unruhiges Positionssignal zur Folge hat. Bei t = 21, 9s wird die UV-Lampe angestellt, so daß sich die Probe um bis zu 0, 9mm nach oben bewegt. Nach 0, 4s befindet sie sich wieder in der Ausgangslage. Für das x- und y-Signal sind während des gesamten Versuches relativ große Schwingungen mit einer Amplitude von bis zu 0, 4mm zu beobachten. Die Ladungsänderung fällt aufgrund der sehr unruhigen Signale in horizontaler Richtung nicht sichtbar ins Gewicht. Es läßt sich festhalten, daß der PID-Regler (vgl. Bild 5.5) aufgrund der geringeren Rauschanfälligkeit der Regelung mittels schneller Ausgangsabtastung auf jeden Fall zu bevorzugen ist. KAPITEL 5. REGELUNG 5.3.3 77 Zustandsregelung mit Identitätsbeobachter Für die als steuerbar und beobachtbar angenommene und mit der Abtastzeit τ diskretisierte Regelstrecke x(k + 1) = Ad x(k) + Bd u(k) y(k) = Cd x(k) (5.82) soll ein Identitätsbeobachter entworfen werden [76] - [80]. Dabei handelt es sich um ein diskretes System gleicher Dimension mit der Differenzengleichung (siehe Bild 5.19) x̂(k + 1) = Âd x̂(k) + B̂d u(k) + FB (y(k) − ŷ(k)) = (Âd − FB Ĉd )x̂(k) + B̂d u(k) + FB y(k) . (5.83) Der Beobachter wird genau dann den Zustand x(k) rekonstruieren können, d. h. u(k) HG u(t) . x =Ax+Bu y= Cx y(t) τ + FB ^ B d ^ x(k+1) + + + z-1 ^ x(k) y(k) - ^ C d ^ A d ^ x(k) Bild 5.19: Prinzip des Identitätsbeobachters x̂(k) konvergiert gegen x(k), wenn Âd = Ad , B̂d = Bd , Ĉd = Cd ^ y(k) KAPITEL 5. REGELUNG 78 erfüllt ist. Man erhält x̂(k + 1) = (Ad − FB Cd )x̂(k) + Bd u(k) + FB y(k) . (5.84) Hieraus läßt sich dann die Beobachtermatrix FB mit Hilfe von konvexen Suchverfahren aus der LMI Control Toolbox in Matlab berechnen. Man muß jedoch beachten, daß FB so gewählt wird, daß die Antwort des Beobachters schneller ist als die des Systems, da sonst keine zuverlässigen Ergebnisse erzielt werden können. Bei der Betrachtung des geschlossenen Regelkreises geht man davon aus, daß mit F ein für das diskrete System (Ad , Bd , Cd ) entworfener stabilisierender linearer Zustandsregler definiert wird, der die Eigenwerte des Systems in eine ganz bestimmte stabile Region der z-Ebene verschiebt. Da die Zustandsrückführung nicht realisiert werden kann, wird der durch den entworfenen Beobachter rekonstruierte Zustand x̂(k) über den Zustandsregler F zurückgeführt. Das geschlossene Regelsystem ergibt sich zu #" # " # " x(k) x(k + 1) Ad + B d F Bd F , = ex (k) ex (k + 1) 0 A d − F B Cd (5.85) mit dem Beobachtungsfehler ex (k) = x(k)−x̂(k). Gemäß dem Separationsprinzip ergeben sich die Eigenwerte des geschlossenen Regelkreises aus den Eigenwerten des Systems mit Zustandsrückführung ohne Beobachter und den Eigenwerten des Beobachters. Ein wichtiger Unterschied zum Verfahren der schnellen Ausgangsabtastung bleibt festzuhalten. Neben den Eigenwerten des Systems mit Zustandsrück- führung erhält man für den Beobachter zusätzlich soviele Eigenwerte, wie das System Zustände hat. Bei der schnellen Ausgangsabtastung kommen jedoch nur soviele Eigenwerte hinzu, wie das System Eingänge hat. Wenn also die Anzahl der Eingänge kleiner als die der Zustände ist, was fast immer zutrifft, so hat man bei der schnellen Ausgangsabtastung weniger Eigenwerte als beim Beobachter zu berücksichtigen, d. h. die Dynamik des Systems kann wesentlich einfacher beherrscht werden. KAPITEL 5. REGELUNG 5.3.3.1 79 Simulation Bei der Regelung mittels Identitätsbeobachter wird die erweiterte Zustandsrückführungsmatrix mit demselben Verfahren und denselben Parametern bestimmt wie bei der schnellen Ausgangsabtastung. Für die Matrizen des Gütekriteriums werden wieder Einheitsmatrizen gewählt. Die Polregion für die x- und y-Richtung ist eine Ellipse mit dem Zentrum q = 0, 67 und den Halbachsen r1 = 0, 3, r2 = 0, 1, in z-Richtung gilt q = 0, 67, r1 = 0, 3, r2 = 0, 01. Mit diesen Reglerparametern ergibt sich dieselbe lineare Zustandsrückführungsmatrix wie in Gl. (5.80) und dieselbe Matrix FI wie in Gl. (5.81). Für die Berechnung der Beobachtermatrix FB u* r(k) + e(k) - z-1 1-z-1 (k) FI + + u(k) HG + u(t) . x = f(x, u) y=Cx d(t) y(t) ++ τ ys(k) + FB - ^ y(k) ^ B d ^ x(k+1) + + + ^ x(k) z-1 ^ C d ^ A d ∆u F ∆x + - x* Bild 5.20: Blockschaltbild für die Zustandsregelung mit einem Identitätsbeobachter und zusätzlicher Ausgangsrückführung über einen I-Regler wird wie schon bei der Bestimmung der erweiterten Zustandsrückführungsmatrix das konvexe Optimierungsverfahren aus der LMI-Toolbox von Matlab verwendet. Als LMI-Region wird für alle drei Koordinaten eine Ellipse mit dem Zentrum KAPITEL 5. REGELUNG 80 q = 0, 2 und den Halbachsen r1 = 0, 1, r2 = 0, 1 gewählt. Die Gewichtsmatrizen des Gütefunktionals seien Einheitsmatrizen. Damit ergibt sich die Beobachtermatrix zu 1,5652 0 0 306,4899 0 0 0 1,5652 0 FB = 0 306,4899 0 0 0 1,5661 0 0 307,2598 . In Bild 5.20 ist das Blockschaltbild für die Regelung mittels Identitätsbeobachter −5 uz/kV −6 −7 −8 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 z/mm 6 5 4 3 1.6 p 1.5 1.4 1.3 1.2 Bild 5.21: Simulation Identitätsbeobachter: Ladungserhöhung dargestellt. Die Simulationsergebnisse für die Regelung mit Identitätsbeobachter KAPITEL 5. REGELUNG 81 bei einer Ladungserhöhung um 15% zeigt Bild 5.21. Man erkennt, daß sich die Probe um maximal 0, 8mm nach oben bewegt. Dieser Wert ist doppelt so groß wie bei der PID-Regelung (vgl. Bild 5.3). Die Ausregelzeit beträgt 0, 5s. Bei der Simulation eines Ladungsverlustes von 40%, die in Bild 5.22 gezeigt ist, werden genau wie bei der schnellen Ausgangsabtastung andere Reglereinstellwerte als bei der Ladungserhöhung verwendet (siehe Abschnitt 5.3.2.1). Die −5 uz/kV −10 −15 −20 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 z/mm 4.5 4 3.5 1.4 p 1.2 1 0.8 0.6 Bild 5.22: Simulation Identitätsbeobachter: Ladungsverlust maximale Positionsänderung von nur 0, 4mm wird in sehr schnellen 0, 2s ausgeregelt. Damit beträgt die Änderung der vertikalen Probenposition nur ein Fünftel und die Ausregelzeit weniger als ein Drittel des jeweiligen Wertes bei der PIDRegelung (vgl. Bild 5.4). Wie man auch schon an den Resultaten bei der schnellen Ausgangsabtastung KAPITEL 5. REGELUNG 82 erkennt, ist die robuste Regelung (H∞ -Regelung ausgenommen) bei großen Ladungsänderungen im Vergleich zur PID-Regelung deutlich im Vorteil. Dies liegt daran, daß die Wahl der Reglereinstellwerte sehr gut an das zu untersuchende Störverhalten angepaßt werden kann. Bei kleinen Störungen wirkt sich diese einfache Reglereinstellung nicht so deutlich im Regelverhalten aus, aber bei großen Ladungsänderungen ist die robuste Regelung dadurch um ein Vielfaches besser als die PID-Regelung, bei der für den Ladungsverlust keine günstigeren Reglereinstellwerte gefunden werden konnten. 5.3.3.2 Echtzeit Die Echtzeitergebnisse für eine 15%ige Ladungseröhung der Probe sind in Bild ux/kV 5.23 dargestellt. Bei t = 20, 9s wird die Deuteriumlampe angeschaltet. Dies hat 2 0 −2 uy/kV x/mm 20 20.5 21 21.5 22 22.5 t/s 23 23.5 24 24.5 25 20.5 21 21.5 22 22.5 t/s 23 23.5 24 24.5 25 20.5 21 21.5 22 22.5 t/s 23 23.5 24 24.5 25 20.5 21 21.5 22 22.5 t/s 23 23.5 24 24.5 25 20.5 21 21.5 22 22.5 t/s 23 23.5 24 24.5 25 20.5 21 21.5 22 22.5 t/s 23 23.5 24 24.5 25 0.5 0 −0.5 20 2 0 −2 y/mm 20 0.5 0 −0.5 20 uz/kV 0 −5 −10 z/mm 20 6 4 20 Bild 5.23: Echtzeit Identitätsbeobachter: Ladungserhöhung KAPITEL 5. REGELUNG 83 zur Folge, daß sich die Probe auflädt und um maximal 0, 8mm nach oben bzw. 0, 1mm in den seitlichen Richtungen bewegt. Die Ausregelzeit beträgt 0, 4s. Diese Werte entsprechen ziemlich genau den Ergebnissen bei der PID-Regelung (vgl. Bild 5.5). Wie bei den Simulationsversuchen beobachtet, machen sich die Vorteile der Regelung mittels Identitätsbeobachter erst bei größeren Ladungsänderungen bemerkbar. 5.4 Gesteuerte Adaption mit Ladungsschätzung Eine besondere Art der adaptiven Regelung ist das Verfahren der gesteuerten Adaption (“Gain Scheduling”). Hierbei handelt es sich um eine Adaption im offenen Kreis, d. h. es findet keine Rückkopplung zur Überprüfung der Wirkung der Adaption statt [81]. Verwendet wird die Methode der gesteuerten Adaption [82] - [96], wenn bekannt ist, wie sich das dynamische Verhalten eines Prozesses bei verschiedenen Betriebsbedingungen verändert. Eine mögliche Ursache für diese Änderungen der Dynamik können bekannte Nichtlinearitäten sein. Wenn sich die Betriebsbedingungen ändern, ist es möglich, die Reglerparameter der neuen Situation anzupassen. Es handelt sich um einen linearen Regler, dessen Parameter als Funktion der Betriebsbedingungen in einer vorher festgelegten Art und Weise variiert werden. Eine Voraussetzung für die Anwendung der gesteuerten Adaption ist das Auffinden von Hilfsvariablen, die die Änderungen der Systemdynamik ausreichend gut beschreiben. Dann ist es nämlich möglich, die Effekte der Parametervariationen einfach durch Veränderung der Reglerparameter als Funktion der Hilfsvariablen zu reduzieren. Nachdem geeignete Hilfsvariablen gefunden wurden, werden die Reglerparameter in den unterschiedlichen Betriebsbedingungen berechnet. Dabei muß besonders am Übergang zwischen verschiedenen Betriebsbedingungen auf die Stabilität des Systems und die Güte der Regelung geachtet werden. Unter Umständen KAPITEL 5. REGELUNG 84 müssen neue Betriebszustände definiert werden. Es sei hier aber noch mal darauf hingewiesen, daß die Regelgüte des geschlossenen Systems keinen Einfluß auf die Reglerparameter hat. Der Entwurf von “Gain Scheduling”-Reglern wird normalerweise heuristisch durchgeführt, wobei auf der Grundlage von lokalen linearisierten Modellen lokale Regler berechnet werden. Diese lokalen Regler werden über die Hilfsvariablen unterschiedlich gewichtet, so daß ein parameterabhängiger Gesamt-Regler gefunden werden kann, der in allen Arbeitspunkten gültig ist. Allerdings funktioniert dieser Ansatz nur, wenn die Parameteränderungen langsam sind. Es ist bekannt, daß schnelle Parameteränderungen ein zeitvariantes System instabil machen können, auch wenn alle lokalen Regler stabil sind [81]. In [97] wurde jedoch gezeigt, wie LMI-Techniken für den Entwurf der lokalen Regler genutzt werden können, um Stabilität und ein gewisses Maß an Regelgüte zu garantieren. Bei diesem Ansatz wird eine feste Ljapunow-Funktion für alle lokalen Regler verwendet, so daß Stabilität für beliebig schnelle Parameteränderungen gesichert ist. Weitere Untersuchungen zur Stabilität parameterabhängiger Systeme sind in [98] - [100] dargestellt. In dieser Arbeit werden zwei unterschiedliche LMI-basierte “Gain Scheduling”-Regler präsentiert. Zum einen wird ein globaler Entwurf verwendet, der zwar konservativ ist, aber globale Stabilität in bezug auf das benutzte Modell garantiert [82]. Dem wird ein lokaler Entwurf gegenübergestellt, bei dem der Gesamt-Regler durch eine systematische Suche über lokale Entwurfsparameter bestimmt werden kann. Dieser Entwurf ist weniger konservativ als der globale Entwurf, stellt dafür aber einen eher heuristischen Ansatz dar, so daß keine Aussagen zur Stabilität des Systems getroffen werden können. Diese beiden Regelverfahren werden untereinander und mit den in den vorigen Abschnitten beschriebenen Methoden verglichen. Bevor auf die Details der beiden “Gain Scheduling”-Regler eingegangen wird, soll im folgenden die Schätzung der Probenladung und der Zustände, die bei beiden Methoden notwenig ist, erläutert werden. KAPITEL 5. REGELUNG 85 Ladungsschätzung Die Ladung ist der Parameter, der sich während des Aufheizens und Abkühlens der Probe verändert. Durch Schätzung der Ladung mit einem nichtlinearen Beobachter [101] - [108] können die Änderungen der Systemdynamik erfaßt und dementsprechend die Reglerverstärkungen den Betriebsbedingungen angepaßt werden. Eine Standardmethode zur Schätzung eines unbekannten Parameters p besteht darin, einen gesamten erweiterten Zustandsvektor ηges = [xT p]T mit Dynamik p(k + 1) = p(k) einzuführen. Bei der vorliegenden Anlage ist der Parameter die mit einem Skalierungsfaktor gewichtete Probenladung p = 1010 · qs . (5.86) Die beste Schätzung wird erreicht, wenn das nichtlineare System nach Gl. (4.5) nicht linearisiert, sondern sofort mit der Abtastzeit τ mittels der Euler-Näherung ẋ ≈ x(k+1)−x(k) τ diskretisiert wird. Unter Ausnutzung der Tatsache, daß x5 ¿ xd /2, yd /2 gilt, vereinfachen sich die Gleichungen für x2 (k+1) und x4 (k+1) ohne großen Verlust an Genauigkeit. Man erhält folgendes nichtlineare, diskrete, parameterabhängige Modell: x(k + 1) = x1 (k) + τ x2 (k) ³ −10 ´ x2 (k) + τ 2 10 mxdpux x3 (k) + τ x4 (k) ³ −10 ´ x4 (k) + τ 2 10 mydpuy x5 (k) + τ x6 (k) ³ ³ −10 10−20 p2 1 z x6 (k) + τ − 10 mdpu + − 16π²0 m (dl −x5 (k))2 l 1 x25 (k) ´ −g . ´ (5.87) Wie man leicht feststellen kann, tritt der Parameter p in den Gleichungen jeder der drei Koordinaten x, y und z auf. Da aber im nominalen Arbeitspunkt x und y auf einem konstanten Wert im Zentrum der Levitationselektroden gehalten werden, fehlt jegliche Erregung, so daß eine Schätzung des Parameters unmöglich gemacht wird. Es stellt sich als günstiger heraus, den Parameter p nur über die beiden Gleichungen für die z-Koordinate zu bestimmen, da die Probe in vertikaler KAPITEL 5. REGELUNG 86 Richtung eine äußere Kraft in Form einer gefilterten Sprungfunktion erfährt, bis die Mitte zwischen den Levitationselektroden erreicht ist. Das zur Ladungsschätzung verwendete System reduziert sich also auf x5 (k) + τ x6 (k) ³ ³ ´ ´ . xz (k + 1) = 10−20 p2 10−10 puz 1 1 x6 (k) + τ − mdl + 16π²0 m (dl −x2 (k)) − x2 (k) − g 5 5 (5.88) Die Schätzung wird mittels eines diskreten erweiterten Kalman Filters (EKF) durchgeführt [101]. Dabei ist der Zustandsvektor xz um den Parameter p aus Gl. (5.86) mit Dynamik p(k + 1) = p(k) erhöht. Dieser erweiterte Zustandsvektor wird η = [xz T p]T genannt. Damit kann für die Ladungsschätzung das nichtlineare Modell x5 (k) + τ x6 (k) ³ ´ ´ ³ −10 pu 10−20 p2 10 1 1 z η(k + 1) = x6 (k) + τ − mdl + 16π²0 m (dl −x2 (k)) − x2 (k) − g 5 5 p(k) (5.89) aufgestellt werden. Die Zustandsgleichung ergibt sich aus der Überlagerung der Modellbeschreibung aus Gl. (5.89) mit einem weißen Rauschanteil v(k) als η(k + 1) = gf (η(k), k) + v(k) . (5.90) Dabei stellt v(k) das Prozeßrauschen mit dem Mittelwert Null und der Kovarianzmatrix Qk (k) dar. Die Meßgleichung lautet ya (k) = hf (η(k), k) + w(k) , (5.91) wobei w(k) Meßrauschen mit Mittelwert Null und Kovarianzsignal Rk (k) ist, und ya (k) die skalare Ausgangsgröße des Kalman Filters beschreibt. Im vorliegenden Fall gilt hf (η(k), k) = x5 (k). Die Kovarianzmatrix des Schätzfehlers des erweiterten Zustandsvektors wird als P bezeichnet. Dabei gilt P = P(k, +) für kτ < t < (1 − ε)(k + 1)τ (5.92) P = P(k, −) für (1 − ε)kτ < t < kτ (5.93) KAPITEL 5. REGELUNG 87 mit ε ¿ 1. P(k, −) ist also der Wert kurz vor und P(k, +) der Wert kurz nach einer Messung [101]. Zur Ladungsschätzung wird der folgende Algorithmus implementiert. Im ersten Schritt wird der Kalman-Verstärkungsvektor berechnet: £ ¤−1 k̄(k) = P(k, −)h(k) hT (k)P(k, −)h(k) + Rk (k) . (5.94) Dabei wird der Vektor h(k) näherungsweise [101] durch ¯ ∂hf (η, k) ¯¯ T h (k) ≈ ∂η T ¯η =η̂ (k,−) (5.95) η̂(k, +) = η̂(k, −) + k̄(k)ey (k) (5.96) beschrieben. Der geschätzte erweiterte Zustandsvektor ergibt sich als mit ey (k) = ya (k) − ŷa (k). Die aktualisierte Kovarianzmatrix P lautet: £ ¤ P(k, +) = I − k̄(k)hT (k) P(k, −) . (5.97) Unter Verwendung von Gl. (5.90) kann der erweiterte Zustandsvektor beim nächsten Abtastzeitpunkt berechnet werden: η̂(k + 1, −) = gf (η̂(k, +), k) . (5.98) Schließlich folgt als neue Kovarianzmatrix P(k + 1, −) = ΦT (k)P(k, +)Φ(k) + Qk (k) (5.99) mit der linearen Näherung [101] ¯ ∂gf (η, k) ¯¯ Φ (k) ≈ . ∂η T ¯η =η̂ (k,+) T (5.100) Um diesen Algorithmus zu implementieren, müssen numerische Werte für das Kovarianzsignal des Meßrauschens Rk (k) und die Kovarianzmatrix des Prozeßrauschens Qk (k) eingesetzt werden. KAPITEL 5. REGELUNG 88 Zustandsschätzung Mit dem oben beschriebenen Verfahren zur Ladungsschätzung werden außer dem Parameter auch gleichzeitig die beiden Zustände x5 und x6 geschätzt. Die restlichen Zustände, die ebenfalls für eine Regelung mit Zustandsrückführung notwendig sind, werden von einem Identitätsbeobachter ermittelt, dessen Prinzip schon in Abschnitt 5.3.3 erläutert wurde. 5.4.1 Globaler LMI-basierter Reglerentwurf Das nichtlineare Modell aus Gl. (4.5) wird unter Verwendung von Gl. (5.86) durch ein diskretes (quasi)lineares parameterabhängiges Zustandsraummodell x(k + 1) = A(p)x(k) + B(p)u(k) (5.101) angenähert, wobei die Systemmatrizen A(p) und B(p) von dem zeitveränderlichen Parameter p(k) abhängen. Wenn pi mit i = 1, 2 die Extremwerte des Parameters darstellen, kann aus Gl. (5.101) eine Menge von lokalen linearisierten Modellen (Ai , Bi ) = (A(pi ), B(pi )), i = 1, 2 bestimmt werden. Für jedes lokale Modell kann dann eine Zustandsrückführungsmatrix Fi entworfen werden. Der Parameter p(k) wird für die Gewichtung der lokalen Regler benutzt. Zu jedem Zeitpunkt kann p(k) als konvexe Zerlegung p(k) = µ1 (k)p1 + µ2 (k)p2 , 2 X i=1 µi (k) = 1 ∀ k (5.102) dargestellt werden. Dabei wird p(k) als bekannt vorausgesetzt, und die Gewichtsfaktoren µi (k) können folgendermaßen berechnet werden: " # " #−1 " # µ1 (k) p1 p2 p(k) = , µ2 (k) 1 1 1 (5.103) wobei [·]−1 die Inverse der Matrix [·] darstellt. Damit kann das Modell aus Gl. (5.101) durch eine konvexe Kombination der lokalen linearen Modelle ausgedrückt werden: mit Ā(k) = x(k + 1) = Ā(k)x(k) + B̄(k)u(k) , 2 X µi (k)Ai und B̄(k) = µi (k)Bi . 2 X i=1 i=1 (5.104) KAPITEL 5. REGELUNG 89 Dieselben Gewichtsfaktoren µi (k) werden benutzt, um die Zustandsrückführung F(k) und die Matrix FI (k) für das Gesamtsystem zu bilden: F(k) = 2 X µi (k)Fi , FI (k) = i=1 2 X µi (k)FI,i . (5.105) i=1 Es ist ein bekanntes Problem [85], daß das resultierende geschlossene System ¡ ¢ x(k + 1) = Ā(k) + B̄(k)F(k) x(k) (5.106) instabil sein kann, auch wenn alle Eigenwerte der Systemmatrix des geschlossenen Kreises Âcl (k) = Ā(k) + B̄(k)F(k), ∀k>0 (5.107) innerhalb des Einheitskreises der z-Ebene liegen. Die Ursache hierfür liegt darin, daß die lokalen Regler für die ausgewählten Arbeitspunkte entworfen wurden und bei einer konvexen Kombination der lokalen linearen Regler im allgemeinen keine Aussagen zur Stabilität des Systems gemacht werden können. In letzter Zeit sind allerdings LMI-Techniken zum Entwurf der lokalen Regler entwickelt worden, durch die Stabilität und ein gewisses Maß an Regelgüte garantiert werden. Diese Methoden basieren auf der Verwendung einer einzigen Ljapunow-Funktion für alle lokalen Regler und sind daher potentiell konservativ [83]. Um eine Vorstellung über den möglichen Konservatismus zu bekommen, wird der Methode des globalen Reglerentwurfes in Abschnitt 5.4.2 ein heuristischer Entwurf von lokalen Reglern mit lokalen Ljapunow-Funktionen gegenübergestellt. Im folgenden soll ein neuartiges globales LMI-basiertes Entwurfsverfahren für einen diskreten “Gain Scheduling”-Regler mit lokaler Polgebietsvorgabe präsentiert und erläutert werden. Es kann gezeigt werden [61], daß ein Zustandsrückführungsregler u = Fi x die Eigenwerte von Gii = Ai + Bi Fi in einer Ellipsenregion anordnet, wenn die Zustandsrückführung durch Fi = Ki Q−1 beschrieben werden kann und die Matrizen Q = QT > 0 (d. h. positiv definit) und Ki folgende lineare Matrix-Ungleichung erfüllen: LE Q + ME (Ai Q + Bi Ki ) + ME T (Ai Q + Bi Ki )T < 0 , (5.108) KAPITEL 5. REGELUNG 90 i = 1, 2. Mit der Matrix Q wird die globale quadratische Ljapunow-Funktion V (x(k)) = xT (k)Q−1 x(k) > 0 berechnet, und die Matrizen LE und ME beschreiben die Ellipsenregion: # " " −1 −q/r1 , ME = LE = −q/r1 −1 0 (r2 +r1 ) 2r1 r2 (r2 −r1 ) 2r1 r2 0 # . (5.109) Die Bedeutung der Variablen q, r1 und r2 sind in Bild 5.7 dargestellt. Weiterhin kann gezeigt werden [82], daß bei zusätzlicher Stabilität der Matrizen Gij = Ai + Bi Fj mit j = 1, 2 und i < j das gesamte geschlossene System stabil ist. In den Matrizen Gij werden lokale Modelle mit nicht für diese Modelle entworfenen Reglern kombiniert. Die Matrizen Gij sind stabil, wenn die Eigenwerte von Gij innerhalb des Einheitskreises liegen und die Matrix Q aus Gl. (5.108) die Ungleichung " # −Q − 12 (Ai Q + Aj Q + Bj Ki + Bi Kj ) <0 (5.110) − 12 (Ai Q + Aj Q + Bj Ki + Bi Kj )T − Q erfüllt. Da Gl. (5.108) und Gl. (5.110) garantieren, daß ∆V (x(k)) = V (x(k + 1)) − V (x(k)) < 0, ∀ x(k) für k > 0 (5.111) gilt, ist das gesamte geschlossene System stabil. 5.4.1.1 Simulation In der Simulation soll nun die zu erwartende Ladungsänderung mit den Auswirkungen auf die Regel- und Stellgrößen untersucht werden. Hierzu wird die mit einem Skalierungsfaktor gewichtete Probenladung aus Gl. (5.86) als Parameter gewählt. Zu Beginn des Versuchs, wenn die Probe von der unteren Elektrode abgehoben hat, beträgt die Probenladung qs = 1, 3 · 10−10 C. Durch die Bestrah- lung der Probe mit UV-Licht erhöht sich dieser Wert auf qs = 1, 5 · 10−10 C. Der Parameter ändert sich also in dem Interval p1 < p(k) < p2 , wobei p1 = 1, 3, p2 = 1, 5 . Um das nichtlineare Modell nach Gl. (4.5) in die (quasi)lineare Form von Gl. (5.101) zu bringen, müßte p(k) Parameter enthalten, die von den Zustandsgrößen KAPITEL 5. REGELUNG 91 abhängen. Der Einfachheit halber wird ein Ansatz gewählt, der eine lineare Approximation verwendet. Das Zustandsraummodell aus Gl. (4.5) wird in zwei Arbeitspunkten pAP 1,z und pAP 2,z linearisiert. Diese Punkte werden so gewählt, daß die Punkte p1 und p2 auf jeden Fall in dem Bereich zwischen pAP 1,z und pAP 2,z enthalten sind. Hier wird pAP 1,z = 1 und pAP 2,z = 2, 8 gewählt, um auch eventuell größere Ladungsänderungen zuzulassen. In Tabelle 5.1 sind die Linearisierungspunkte dargestellt. Sie sind so gewählt worden, da das Ziel der Regelung darin besteht, die Probe in der Mitte der Levitationselektroden zu positionieren. Es ergeben sich hieraus zwei lokale lineare Modelle. Nach p(k) x∗ u∗ pAP 1,z [0 0 0 0 0, 004m 0]T [0 0 pAP 2,z [0 0 0 0 0, 004m 0]T [0 0 − 8868, 2V ]T − 3167, 2V ]T Tabelle 5.1: Linearisierungspunkte für die Ladungszunahme Diskretisierung des Modells mit der Abtastzeit τ = 2ms und Erweiterung des Zustandsvektors um die Integratorzustände wie in Gl. (5.16) können analog zu Gl. (5.17) zwei erweiterte Zustandsraummodelle aufgestellt werden. Dementsprechend werden auch zwei erweiterte Zustandsrückführungsmatrizen bestimmt, aus denen mittels Gewichtungsfaktoren nach Gl. (5.105) der Gesamtregler berechnet wird. Das Stellgesetz ergibt sich wie in Gl. (5.19). In Bild 5.24 ist die Struktur des Gain Scheduling-Reglers dargestellt. Das in Abschnitt 5.4 beschriebene erweiterte Kalman-Filter wird zur Schätzung der Probenladung verwendet. Dabei wird der Parameter p als zusätzlicher Zustand interpretiert. Der Einfachheit halber werden die Kovarianzmatrix Qk (k) und das Kovarianzsignal Rk (k) des erweiterten Kalman-Filters als konstant angenommen. Die beste Schätzung wird erreicht, wenn Qk = 10−4 0 0 10−4 0 0 0 0 , Rk = 1 107 (5.112) KAPITEL 5. REGELUNG 92 d(t) u* r(k) + e(k) - z-1 1-z-1 (k) + + u(k) + . HG u(t) x = f(x,u,p) y(t) ++ y= Cx EKF (z,p) Beobachter (x,y) ∆u ∆x ys(k) µ1FI,1+µ2FI,2 µ1F1+µ2F2 ^ p(k) ^ x(k) + τ - Gewichtung x* F(k) FI(k) Bild 5.24: Blockschaltbild des implementierten Gain Scheduling-Reglers gewählt wird. Wie in Abschnitt 5.4.1 dargestellt, muß für den Reglerentwurf in der z-Ebene eine Polregion gewählt werden, durch die die Lage der Eigenwerte von Ai + Bi Fi bestimmt wird. Die lokalen linearen Regler können dann aus Ungl. (5.108) ermittelt werden. Die besten Ergebnisse konnten erzielt werden, wenn bei beiden lokalen Modellen für alle drei Koordinaten x, y und z zur Reglerberechnung jeweils eine ellipsenförmige Polregion mit dem Zentrum q = 0, 9 und den Halbachsen r1 = 0, 09, r2 = 0, 2 verwendet wird. Mittels konvexer Optimierungsmethoden aus der LMI-Toolbox von Matlab ergeben sich die lokalen Zustandsrückführungsmatrizen zu −2, 7241 −0, 1055 0 0 0 0 6 F1 = 10 0 0 −2, 7241 −0, 1055 0 0 0 0 0 0 1, 9476 0, 0673 , KAPITEL 5. REGELUNG F2 = 106 −1, 0996 −0, 0431 0 0 0 0 93 0 0 −1, 0996 −0, 0431 0 0 0 0 0 0 1, 0156 0, 0283 Die dem Integrator nachgeschalteten Matrizen lauten 7, 0049 0 0 , FI,1 = 104 0 7, 0049 0 0 0 −4, 5481 2, 5186 0 0 . FI,2 = 104 0 2, 5186 0 0 0 −1, 7464 . Zusätzlich muß für die Zustandsschätzung von x1 bis x4 eine LMI-Region vor- gegeben werden. Hier wird eine Ellipse mit dem Zentrum q = 0, 2 und den Halbachsen r1 = 0, 1, r2 = 0, 1 gewählt. Damit ergibt sich die Beobachtermatrix 1, 5652 0 306, 4401 0 (5.113) FB = . 0 1, 5652 0 306, 4401 In Bild 5.25 ist die Antwort des geschlossenen Regelkreises gezeigt, wenn die La- dung eine sprungartige Erhöhung von 1, 3 · 10−10 C auf 1, 5 · 10−10 C erfährt. Die maximale Änderung der Probenposition in der vertikalen Richtung von 0, 4mm wird in 0, 2s ausgeregelt, was im Vergleich zum PID-Regler ein besseres Regelverhalten darstellt (vgl. Bild 5.3). Im untersten Diagramm ist außer dem vorgegebenen Ladungssprung der vom erweiterten Kalman Filter geschätzte Ladungswert gestrichelt eingezeichnet. Dieser Wert nähert die wahre Größe der Ladung sehr gut an. Dies ist für die Regelung sehr wichtig, da aus dem geschätzten Ladungswert die Gewichtungsfaktoren für die lokalen Regler berechnet werden. Für die Simulation des Ladungsverlustes von 40% müssen zwei neue Arbeitspunkte pAP 1,v und pAP 2,v definiert werden. Da sich der Parameter in einem Bereich zwischen 0, 83 und 1, 43 ändert, wird pAP 1,v = 0, 5 und pAP 2,v = 1, 5 KAPITEL 5. REGELUNG 94 −5 uz/kV −6 −7 −8 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 z/mm 6 5 4 3 1.6 p 1.5 1.4 1.3 1.2 Bild 5.25: Simulation Gain Scheduling (globaler Entwurf): Ladungserhöhung gewählt. Die sich hieraus ergebenden Linearisierungspunkte sind in Tabelle 5.2 dargestellt. Bei der Simulation der Ladungsabnahme werden andere Reglereinp(k) x∗ u∗ pAP 1,v [0 0 0 0 0, 004m 0]T [0 0 pAP 2,v [0 0 0 0 0, 004m 0]T [0 0 − 17736, 5V ]T − 5912, 2V ]T Tabelle 5.2: Linearisierungspunkte für die Ladungsabnahme stellwerte als bei der Ladungszunahme verwendet. Als Polregion in der z-Ebene wird für alle drei Koordinaten eine Ellipse mit dem Zentrum q = 0, 58 und den Halbachsen r1 = 0, 3, r2 = 0, 2 gewählt. Damit ergeben sich die lokalen Zu- KAPITEL 5. REGELUNG 95 −5 uz/kV −10 −15 −20 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 z/mm 4.5 4 3.5 1.4 p 1.2 1 0.8 0.6 Bild 5.26: Simulation Gain Scheduling (globaler Entwurf): Ladungsverlust standsrückführungsmatrizen und die FI -Matrizen als −5, 3160 −0, 0437 0 0 0 0 F1 = 107 0 0 −5, 3160 −0, 0437 0 0 0 0 0 0 3, 5107 0, 0287 −8, 0256 −0, 0690 0 0 0 0 7 F2 = 10 0 0 −8, 0256 −0, 0690 0 0 0 0 0 0 5, 3015 0, 0454 , , KAPITEL 5. REGELUNG FI,1 = 106 FI,2 = 106 96 3, 7618 0 0 0 3, 7618 0 0 0 −2, 4782 5, 6395 0 0 0 5, 6395 0 0 0 −3, 7259 , . Bei Betrachtung der Ergebnisse für die Simulation mit Ladungsverlust, die in Bild 5.26 dargestellt ist, wird besonders deutlich, daß das “Gain Scheduling”Verfahren im Vergleich zur PID-Regelung (vgl. Bild 5.4) im Vorteil ist. Die maximale Änderung der Probenposition in vertikaler Richtung beträgt 0, 2mm bei einer Ausregelzeit von 0, 1s. Damit wird in einem Siebtel der Zeit eine maximale Änderung im z-Signal von nur einem Zehntel des Wertes mit PID-Regelung erreicht. Wie bei der Ladungszunahme nähert die geschätzte Ladung auch beim Ladungsverlust den wahren Wert sehr gut an. 5.4.1.2 Echtzeit Das Echtzeitverhalten des global entworfenen “Gain Scheduling”-Reglers für eine Ladungserhöhung um 15% ist in Bild 5.27 dargestellt. Bei t = 20, 6s wird die UV-Lampe angeschaltet. Dies bewirkt eine Positionsänderung der Probe in zRichtung von 0, 4mm. Nach knapp 0, 3s ist der ursprüngliche Wert von z = 4mm wieder erreicht. In x- und y-Richtung sind relativ große Stellsignale zu beobachten, die zur Folge haben, daß sich die Ladungsänderung der Probe nicht auf die horizontalen Positionssignale auswirkt. Im Vergleich zur PID-Regelung kann mit dem “Gain Scheduling”-Verfahren eine halb so große Positionsänderung in vertikaler Richtung in fast der halben Zeit ausgeregelt werden (vgl. Bild 5.5). Außerdem ist zum Zeitpunkt der Ladungszunahme eine ruhigere Positionierung der Probe in horizontaler Richtung möglich. KAPITEL 5. REGELUNG 97 18 0.5 0 −0.5 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 18 2 0 −2 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 18 0.5 0 −0.5 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 18 0 −5 −10 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 18 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 z/mm uz/kV y/mm uy/kV x/mm ux/kV 2 0 −2 4.5 4 p 18 2 1 18 Bild 5.27: Echtzeit Gain Scheduling (globaler Entwurf): Ladungserhöhung 5.4.2 Lokaler LMI-basierter Reglerentwurf Der im vorigen Abschnitt beschriebene Reglerentwurf ist möglicherweise konservativ, da eine einzige globale quadratische Ljapunow-Funktion, die durch die symmetrische konstante Marix Q charakterisiert ist, verwendet wird. Um herauszufinden, ob die Stabilitätsgarantie eine Verschlechterung des Regelverhaltens zur Folge hat, wird der Reglerentwurf mit einem gemeinsamen Q aus Ungl. (5.108) in diesem Abschnitt mit lokalen Qi ’s durchgeführt. Die Einschränkung für die Matrizen Gij nach Ungl. (5.110) entfällt bei diesem Ansatz. Mit LE und ME gemäß Gl. (5.109) muß also für Qi = Qi T > 0 LE Qi + ME (Ai Qi + Bi Ki ) + ME T (Ai Qi + Bi Ki )T < 0 , (5.114) KAPITEL 5. REGELUNG 98 i = 1, 2 gelten. 5.4.2.1 Simulation Bei dem lokalen “Gain Scheduling”-Entwurf werden dieselben Arbeits- und Linearisierungspunkte und dasselbe Blockschaltbild wie beim globalen Entwurf (siehe Bild 5.24) verwendet. Die Einstellungen des erweiterten Kalman Filters sind ebenfalls bei beiden “Gain Scheduling”-Verfahren identisch. Allerdings werden für den Entwurf der beiden lokalen erweiterten Zustandsrückführungsmatrizen beim lokalen Entwurf andere Reglerparameter als beim globalen Entwurf verwendet. Aufgrund der unterschiedlichen Reglersynthese wären die Ergebnisse der beiden Verfahren bei identischer Wahl der Reglerparameter nicht vergleichbar. Für beide lokale lineare Modelle werden als Polregion in der z-Ebene Ellipsen mit den Parametern q = 0, 67, r1 = 0, 3, r2 = 0, 1 in x- bzw. y-Richtung und q = 0, 67, r1 = 0, 3, r2 = 0, 01 in z-Richtung festgelegt. Zusätzlich werden die Matrizen Wx und Wu des quadratischen Gütekriteriums aus Gl. (5.22) als Einheitsmatrizen gewählt. Zu Vergleichszwecken werden hier dieselben Reglereinstellwerte wie bei der Regelung mittels schneller Ausgangsabtastung und Identitätsbeobachter verwendet. Damit ergeben sich die lokalen Zustandsrückführungsmatrizen zu −1, 9012 −0, 0858 0 0 0 0 6 F1 = 10 0 0 −1, 9012 −0, 0858 0 0 0 0 0 0 2, 0340 0, 0782 −0, 6660 −0, 0300 0 0 0 0 F2 = 106 0 0 −0, 6660 −0, 0300 0 0 0 0 0 0 1, 1807 0, 0295 Die dem Integrator nachgeschalteten Matrizen lauten 2, 8117 0 0 4 FI,1 = 10 0 2, 8117 0 0 0 −2, 8203 , , . KAPITEL 5. REGELUNG 99 0, 9849 0 0 0 0, 9849 0 0 0 −1, 4840 FI,2 = 104 . Als Reglerparameter für die Schätzung der Zustände x1 bis x4 werden dieselben −5 uz/kV −6 −7 −8 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 z/mm 6 5 4 3 1.6 p 1.5 1.4 1.3 1.2 Bild 5.28: Simulation Gain Scheduling (lokaler Entwurf): Ladungserhöhung Werte wie beim globalen Entwurf verwendet. Damit ergibt sich die Beobachtermatrix nach Gl. (5.113). In Bild 5.28 ist das Regelverhalten des Systems bei einer sprungartigen Ladungserhöhung um 15% dargestellt. Die Ergebnisse sind den Resultaten beim globalen Entwurf sehr ähnlich. In 0, 3s wird eine maximale Änderung der vertikalen Probenposition von 0, 4mm ausgeregelt. KAPITEL 5. REGELUNG 100 Für die Regelung mit 40%igem Ladungsverlust sind die Simulationsergebnisse in Bild 5.29 gezeigt. Als Polregionen in der z-Ebene werden für beide lokale lineare −5 uz/kV −10 −15 −20 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 1 1.5 2 2.5 3 3.5 t/s 4 4.5 5 5.5 6 z/mm 4.5 4 3.5 1.4 p 1.2 1 0.8 0.6 Bild 5.29: Simulation Gain Scheduling (lokaler Entwurf): Ladungsverlust Modelle Ellipsen mit den Parametern q = 0, 68, r1 = 0, 3, r2 = 0, 1 in x- bzw. y-Richtung und q = 0, 54, r1 = 0, 3, r2 = 0, 01 in z-Richtung festgelegt. Damit ergeben sich die lokalen Zustandsrückführungsmatrizen und FI -Matrizen als −0, 0548 −0, 0038 0 0 0 0 , F1 = 107 0 0 −0, 0548 −0, 0038 0 0 0 0 0 0 3, 7267 0, 0256 −0, 0164 −0, 0011 0 0 0 0 , F2 = 108 0 0 −0, 0164 −0, 0011 0 0 0 0 0 0 1, 0961 0, 0076 KAPITEL 5. REGELUNG FI,1 = 106 FI,2 = 106 101 0, 0054 0 0 0 0, 0054 0 0 0 −3, 0957 0, 0163 0 0 0 0, 0163 0 0 0 −9, 0559 , . Auch beim Ladungsverlust werden ähnliche Ergebnisse erzielt wie beim globalen Entwurf. Die maximale Positionsänderung der Probe beträgt 0, 2mm bei einer Ausregelzeit von 0, 1s. 5.4.2.2 Echtzeit Die Echtzeitergebnisse bei einer Ladungserhöhung der Probe von 15% sind in Bild 5.30 dargestellt. Die Deuteriumlampe wird bei t = 20, 5s eingeschaltet. Die Kurven für die Spannungs- und Positionssignale unterscheiden sich qualitativ kaum sichtbar von denjenigen beim globalen “Gain Scheduling”-Entwurf. Die Ladungsänderung macht sich in den horizontalen Positionssignalen nicht bemerkbar. In vertikaler Richtung wird eine maximale Änderung der Position von 0, 4mm in 0, 3s ausgeregelt. Es läßt sich festhalten, daß keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem globalen und lokalen “Gain Scheduling”-Entwurf feststellbar sind. Der global entworfene Regler ist also nicht so konservativ, wie es die Theorie vermuten ließ. Beim Vergleich der “Gain Scheduling”-Regler mit der PID-Regelung stellt sich heraus, daß die “Gain Scheduling”-Verfahren ein deutlich besseres Regelverhalten als die in Abschnitt 5.1 beschriebene PID-Regelung aufweisen. Sowohl bei der maximalen Positionsänderung als auch bei der Ausregelzeit werden halb so große Werte erreicht. Betrachtet man die Simulationen für große Ladungsverluste, so kann damit gerechnet werden, daß beim Aufheizen der Proben, das teilweise sehr große Ladungsschwankungen zur Folge hat, die Unterschiede im Regelverhalten noch deutlicher werden. KAPITEL 5. REGELUNG 102 18 0.5 0 −0.5 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 18 2 0 −2 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 18 0.5 0 −0.5 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 18 0 −5 −10 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 18 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 18.5 19 19.5 20 20.5 t/s 21 21.5 22 22.5 23 z/mm uz/kV y/mm uy/kV x/mm ux/kV 2 0 −2 4.5 4 p 18 2 1 18 Bild 5.30: Echtzeit Gain Scheduling (lokaler Entwurf): Ladungserhöhung Kapitel 6 Zusammenfassung Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist ein elektrostatischer Levitator zur berührungslosen Untersuchung von Materialien aufgebaut worden. Mit dieser Anlage wird durch Anlegen elektrostatischer Felder die Probenposition im Raum geregelt. Die Qualität der verwendeten Regelungsmethoden wurde anhand des Störverhaltens bei Ladungsänderungen der Probe beurteilt. Im Vergleich zu den bisher existierenden Anlagen gibt es sowohl bei der verwendeten Apparatur als auch im Bereich der Regelungstechnik zahlreiche Neuerungen. Beim Aufbau der Anlage sind zwei neuartige Entwicklungen hervorzuheben. Zur horizontalen Stabilisierung der Probenposition werden zwei um jeweils 90 ◦ versetzte Elektrodenpaare verwendet, die sich auf der gleichen Ebene befinden wie die untere Levitationselektrode. Um bei Auslenkungen der Probe in horizontaler Richtung eine möglichst symmetrische Feldverteilung zu erhalten, werden die jeweils gegenüberliegenden Elektroden mit einer Spannung gleichen Betrages, aber umgekehrten Vorzeichens versorgt. Bisher wurde immer eine der beiden gegenüberliegenden Elektroden geerdet, und die Spannung an der anderen Elektrode wurde für die Positionsregelung genutzt. Dies führte dazu, daß sich das Regelverhalten ändert, je nachdem zu welcher Seite die Probe ausgelenkt wurde. Durch die Ansteuerung aller Elektroden werden bei geeigneter Reglerwahl Störungen in horizontaler Richtung sehr schnell und exakt ausgeregelt. Zum Aufheizen der Proben wurde bei den bisherigen elektrostatischen Levita- KAPITEL 6. ZUSAMMENFASSUNG 104 tionsanlagen ein Nd-Yag-Laser oder eine Xenon-Bogenlampe verwendet. Bei der Anlage des DLR ist der Einbau eines Hochleistungs-Diodenlaser-Systems geplant. Dieses ermöglicht eine sehr einfache Einstellung der Laser-Ausgangsleistung über den Diodenstrom. Mit diesem System werden auch feine Modulationen der Leistung realisierbar sein, die für spätere materialwissenschaftliche Untersuchungen notwendig sind. Der Schwerpunkt dieser Arbeit bestand in der Entwicklung und dem Vergleich unterschiedlicher robuster und adaptiver Regelverfahren zur stabilen Positionierung von Proben bei verschiedenen vorgegebenen Betriebsbedingungen. Hierzu wurde ein nichtlineares physikalisches Zustandsraummodell der Anlage hergeleitet. Für die Reglerberechnung wurde dieses Modell linearisiert. Anschließend wurden die Gleichungen für die drei Koordinaten entkoppelt und die Teilsysteme diskretisiert. Es wurden die Vor- und Nachteile von sechs unterschiedlichen Regelungsverfahren erläutert. Der PID-Regelung wurden mit der H∞ -Regelung und der Regelung mittels Identitätsbeobachter zwei Standardverfahren gegenübergestellt. Bei der schnellen Ausgangsabtastung und den in dieser Arbeit vorgestellten “Gain Scheduling”-Verfahren wurden neuartige Entwicklungen in den Reglerentwurf einbezogen. Die Rauschanfälligkeit der schnellen Ausgangsabtastung konnte reduziert werden, indem eine modifizierte Reglerberechnung durchgeführt wurde. Zum Entwurf eines in bezug auf das verwendete Modell global stabilisierenden und eines lokalen, diskreten “Gain Scheduling”-Reglers wurden lineare Matrixungleichungen aufgestellt und für die Anwendung spezifiziert. Hiermit wurde ein einfacher und schneller Reglerentwurf ermöglicht. Bei der Beurteilung der sechs unterschiedlichen Regelungsverfahren konnte festgestellt werden, daß die beiden “Gain Scheduling”-Regler sowohl bei einer Ladungszunahme als auch bei einem Ladungsverlust der Probe das beste Regelverhalten lieferten. Dies bedeutet, daß nach der Ladungsänderung eine kleine maximale Auslenkung der Probe in sehr kurzer Zeit ausgeregelt wird. Allerdings ist bei diesen Methoden auch der Aufwand am größten, da die Schätzung eines Parameters zur Gewichtung lokaler linearer Modelle benutzt wird. KAPITEL 6. ZUSAMMENFASSUNG 105 Mit einem PID-Regler konnten bei einer Ladungszunahme der Probe relativ gute Ergebnisse erzielt werden. Bei großen Ladungsverlusten, wie sie beim Aufheizen der Proben erwartet werden, konnte jedoch bei fester Reglereinstellung kein zufriedenstellendes Regelverhalten gewährleistet werden. Die Resultate der Regelung mit einem linearen Identitätsbeobachter fielen qualitativ schlechter aus als mit den “Gain Scheduling”-Verfahren. Im Vergleich zur PID-Regelung waren aber vor allem bei der Simualtion des Ladungsverlustes deutliche Vorteile zu erkennen. Sowohl beim Aufwand als auch beim Regelverhalten lag die Regelung mittels Identitätsbeobachter zwischen den “Gain Scheduling”-Verfahren und der PID-Regelung. Die Regelung mit schneller Ausgangsabtastung lieferte trotz der modifizierten Reglerberechnung sehr unruhige Ausgangssignale. In der Simulation konnten sowohl für die Ladungszunahme als auch für den Ladungsverlust relativ gute Ergebnisse erzielt werden. Durch die Rauschempfindlichkeit der Regelung bei den Echtzeitversuchen sind die bisher genannten Regelverfahren der schnellen Ausgangsabtastung jedoch vorzuziehen. Die H∞ -Regelung schnitt von den sechs eingesetzten Verfahren am schlechtesten ab. Die maximale Positionsänderung der Probe bei der Ladungszunahme war bei der H∞ -Regelung größer als bei allen anderen Methoden. Außerdem war die Reglereinstellung sehr zeitaufwendig und mühsam. In Zukunft muß sich zeigen, ob die “Gain Scheduling”-Regler auch bei einem durch das Aufheizen der Proben bedingten Ladungsverlust ähnlich vielversprechende Resultate liefern wie beim Aufladevorgang und bei der Simulation der Ladungsabnahme. Zur Minimierung der Rauschanfälligkeit bei der Regelung mittels schneller Augangsabtastung müssen weitere Maßnahmen in Angriff genommen werden, damit das Potential, das in dieser Methode steckt und in der Simulation des Ladungsverlustes sehr deutlich wird, ausgenutzt werden kann. Literaturverzeichnis [1] R. A. Millikan, The Electron, Chicago University Press, USA, 1916. [2] P. J. Wyatt, D. T. Phillips, “A new instrument for the study of individual aerosol particles”, Journal of Colloid Interface Science, Vol. 39, pp. 125-135, 1972. [3] S. Arnold, “Determination of particle mass and charge by one electron differentials”, Journal of Aerosol Science, Vol. 10, pp. 49-53, 1979. [4] L. 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Februar 1973 Geburtsort Wuppertal Familienstand ledig Schulausbildung 1979 - 1983 Grundschule Reichsgrafenstraße, Wuppertal 1983 - 1992 Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium, Wuppertal, Abitur im Juni 1992 Hochschulausbildung 1992 - 1997 Studium der Elektrotechnik an der RuhrUniversität Bochum, Diplom im Dez. 1997 Aug. 1995 - Mai 1996 2-semestriger Studienaufenthalt an der Purdue University, West Lafayette, Indiana, USA Berufstätigkeit seit Feb. 1998 Doktorand am Lehrstuhl für Elektrische Steuerung und Regelung der Ruhr-Universität Bochum in Kooperation mit dem Institut für Raumsimulation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, Köln Köln, im Februar 2001