Aufbau und Regelung eines elektrostatischen Levitators

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Aufbau und Regelung
eines elektrostatischen Levitators
Dissertation
zur
Erlangung des Grades eines
Doktor-Ingenieurs
der
Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik
der Ruhr-Universität Bochum
von
Tilo Meister
Wuppertal
Bochum 2000
Dissertation eingereicht am
: 24. November 2000
Tag der mündlichen Prüfung : 30. Januar 2001
Referent
: Prof. Dr.-Ing. H. Unbehauen
Koreferent
: Prof. Dr. D. M. Herlach
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen dem
Institut für Raumsimulation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
und dem Lehrstuhl für Elektrische Steuerung und Regelung der Ruhr-Universität
Bochum.
Herrn Prof. Dr.-Ing. H. Unbehauen und Herrn Prof. Dr. D. M. Herlach danke
ich sehr herzlich für ihre ständige Diskussionsbereitschaft, die hilfreichen und
motivierenden Ratschläge und die großzügige Förderung dieser Arbeit.
Bei Herrn Prof. Dr. B. Feuerbacher bedanke ich mich für die Möglichkeit zur
Durchführung dieser Arbeit am Institut für Raumsimulation.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. G. Lohöfer für die engagierte Betreuung
und die tatkräftige Unterstützung beim Aufbau der in dieser Arbeit vorgestellten
Anlage.
Herrn Dr.-Ing. H. Werner und Herrn Dr.-Ing. P. Korba danke ich für viele hilfreiche Diskussionen und nützliche Tips.
Zuguterletzt möchte ich auch allen Kolleginnen und Kollegen meinen Dank für
die zahlreichen konstruktiven Anregungen und Diskussionen sowie das gute Arbeitsklima aussprechen.
Köln, im Februar 2001
Tilo Meister
Für meine Eltern,
die mich immer unterstützt haben
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
ii
Notation
vi
1 Einleitung
1
2 Behälterloses Prozessieren
6
2.1
Dispersions- und Einbettungs-Techniken . . . . . . . . . . . . . .
7
2.2
Fallrohre und Falltürme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
2.3
Levitationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2.3.1
Akustische Levitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2.3.2
Aerodynamische Levitation . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
2.3.3
Elektromagnetische Levitation . . . . . . . . . . . . . . . .
13
2.3.4
Elektrostatische Levitation . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
3 Aufbau des elektrostatischen Levitators
18
3.1
Elektrodenanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
3.2
Positionserfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
3.3
Vakuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
3.4
Probenheizung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
3.5
Probenladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
3.6
Temperaturmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
4 Das nichtlineare Zustandsraummodell
34
INHALTSVERZEICHNIS
5 Verfahren zur Regelung, Simulation und Echtzeit
5.1
v
37
PID-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
5.1.1
Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
5.1.2
Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
5.2
Linearisierung und Berechnung der Zustandsrückführung . . . . .
46
5.3
Robuste Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
5.3.1
H∞ -Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
5.3.1.1
Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
5.3.1.2
Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
Regelung mit schneller Ausgangsabtastung . . . . . . . . .
66
5.3.2.1
Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
5.3.2.2
Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
Zustandsregelung mit Identitätsbeobachter . . . . . . . . .
77
5.3.3.1
Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
5.3.3.2
Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
Gesteuerte Adaption mit Ladungsschätzung . . . . . . . . . . . .
83
5.4.1
Globaler LMI-basierter Reglerentwurf . . . . . . . . . . . .
88
5.4.1.1
Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
5.4.1.2
Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
Lokaler LMI-basierter Reglerentwurf . . . . . . . . . . . .
97
5.4.2.1
Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
5.4.2.2
Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
5.3.2
5.3.3
5.4
5.4.2
6 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
103
106
Notation
Skalare:
Normalschrift (z. B. x)
Vektoren:
Fettschrift, klein (z. B. x)
Matrizen:
Fettschrift, groß (z. B. A)
Übertragungsfunktionen:
Normalschrift, groß (z. B. G(s))
Übertragungsmatrizen:
Fettschrift, groß (z. B. G(s))
Physikalische Größen
B
Magnetische Induktion
dl
Abstand zwischen den Levitationselektroden
E
Elektrische Feldstärke
ε
Emissionsgrad
Fl
Levitationskraft zur stabilen Probenpositionierung
g
Gravitationsbeschleunigung
m
Probenmasse
rl
Radius des aufgeweiteten Laserstrahls hinter der Irisblende
rp
Probenradius
ρ
Dichte der Probe
qs
Probenladung
φ
Elektrisches Potential
xd , y d
Abstände der Zentren gegenüberliegender Seitenelektroden
NOTATION
vii
Signale
d, d
Störung
e, e
Regelabweichung
ζ
Integratorzustände
η
Um Parameter erweiterter Zustandsvektor xz
p
Geschätzter Parameter (die mit einem Skalierungsfaktor
gewichtete Probenladung)
r, r
Führungsgröße
u, u
Stellgröße der Regelstrecke
ux , u y , u z
Stellgrößen der Regelstrecke (Elektrodenspannungen an
Levitations- und Seitenelektroden)
u∗ , x ∗ , y ∗
Stellgrößenvektor, Zustandsvektor, Ausgangsgrößenvektor im Linearisierungspunkt
∆u, ∆x
Abweichung der Vektoren u, x von der Ruhelage
w
Eingangssignal der erweiterten Regelstrecke Perw (jω)
x
Zustandsvektor der Regelstrecke
xz
Zustandsvektor für die z-Koordinate
x̄
Um Integratorzustände erweiterter Zustandsvektor
x1 , . . . , x 6
Zustandsgrößen der Regelstrecke
x, y, z
Probenposition in x-, y- und z-Richtung
ys , y s
Regelgröße
y
Ausgangsgrößenvektor des Zustandsraummodells
z
Ausgangsvektor des H∞ -Gütefunktionals
Matrizen
A, B, C, D
Systemmatrix,
Eingangsmatrix,
Ausgangsmatrix,
Durchgriffsmatrix einer kontinuierlichen Zustandsraumdarstellung
Ad , B d , C d , D d
Systemmatrix,
Durchgriffsmatrix
darstellung
Eingangsmatrix,
einer
diskreten
Ausgangsmatrix,
Zustandsraum-
NOTATION
Ād , B̄d , C̄d , D̄d
viii
Systemmatrix,
Eingangsmatrix,
Ausgangsmatrix,
Durchgriffsmatrix einer diskreten, um die Integratorzustände erweiterten Zustandsraumdarstellung
Ai , B i
Lokale linearisierte Modelle der Regelstrecke
Al , B l
Systemmatrix und Eingangsmatrix der linearisierten
kontinuierlichen Regelstrecke
F
Lineare Zustandsrückführungsmatrix
F̄
Erweiterte Zustandsrückführungsmatrix
FB
Beobachtermatrix
Fi
Lokale lineare Zustandsrückführungsmatrizen
FI
Matrix zur Vermeidung einer von Null verschiedenen Regelabweichung (dem Integrator nachgeschaltet)
K
Regler-Verstärkung
L
Ausgangsrückführungsmatrix bei schneller Ausgangsabtastung
LE , M E
Matrizen zur Beschreibung der ellipsenförmigen Polregion in der z-Ebene
P
Kovarianzmatrix des Schätzfehlers des erweiterten Zustandsvektors η
Qk
Kovarianzmatrix des Prozeßrauschens
Wx , W u
Gewichtsmatrizen für ein quadratisches Gütekriterium
Übertragungsfunktionen und Übertragungsmatrizen
∆a (jω), ∆a (jω)
Additive Modellunsicherheit
∆m (jω), ∆m (jω)
Multiplikative Modellunsicherheit
G(jω)
Übertragungsfunktion der Regelstrecke
G0 (jω)
Übertragungsfunktion der nominalen Regelstrecke
Perw (jω)
Erweiterte Regelstrecke
R(jω), R(jω)
Stellgrößen-Empfindlichkeitsfunktion, -matrix
S(jω), S(jω)
Regelgüte-Empfindlichkeitsfunktion, -matrix
T (jω), T(jω)
Komplementäre Empfindlichkeitsfunktion, -matrix
NOTATION
ix
We (jω), We (jω)
Gewichtungsfunktion, -matrix für die Regelabweichung
Wy (jω), Wy (jω)
Gewichtungsfunktion, -matrix für die Ausgangsgröße
Sonstige Variablen und Formelzeichen
AT
A
−1
δ1 , δ 2 , δ 3
Transponierte Matrix A
Inverse Matrix A
Parameter zur Unterdrückung der Rauschanfälligkeit
der schnellen Ausgangsabtastung
k̄
Kalman-Verstärkungsvektor
KP , K I , K D
Reglerparameter des PID-Reglers
µi (k)
Gewichtsfaktoren beim “Gain Scheduling”
pi
Extremwerte des Parameters beim “Gain Scheduling”
q, r1 , r2
Ellipsen-Parameter für Polregionen in der z-Ebene
Qa , Q a
Ausgangssignal des Positionsdetektors
Rk
Kovarianzsignal des Meßrauschens
τ
Abtastzeit
V
Ljapunow-Funktion
ωe , ω y
Durchtrittsfrequenzen der Gewichtungsfunktionen We
und Wy
ωs
Durchtrittsfrequenz der Regelstrecke
Kapitel 1
Einleitung
Das Verfahren der elektrostatischen Levitation beruht auf der Wirkung der
Coulomb-Kraft auf eine geladene Probe in einem elektrostatischen Feld. In einem
elektrostatischen Levitator können Metalle und elektrisch nichtleitende Materialien im Vakuum berührungsfrei positioniert und aufgeschmolzen werden. Bei
sehr hoher Reinheit und in einem weiten Temperaturbereich können zahlreiche
materialwissenschaftliche Experimente durchgeführt werden.
Die Ausnutzung der Kraftwirkung auf geladene Teilchen hat eine lange Geschichte. Im Jahre 1909 hat Millikan [1] die Ladung von feinen Öltröpfchen
bestimmt, indem er diese in einem Kondensatorfeld zum Schweben gebracht hat.
In der folgenden Zeit gab es zwar Untersuchungen zum Verhalten von kleinen
Partikeln im elektrischen Feld, jedoch sind die Problemstellungen der Positionierung oder Prozessierung größerer Proben bei sehr hohen Temperaturen nicht
behandelt worden [2] - [6]. Es dauerte bis zum Jahre 1984 [7], bis zum ersten
Mal am Jet Propulsion Laboratory (JPL) des California Institute of Technology
in Pasadena, USA, große feste Proben mit einem Durchmesser von einigen Millimetern im elektrostatischen Feld levitiert wurden. Ein Jahr später war es auch
möglich, flüssige Proben zum Schweben zu bringen [8], [9].
Im Moment gibt es fünf Arbeitsgruppen, die elektrostatische Levitationsanlagen praktisch einsetzen. Ausgehend von den Arbeiten Mitte der 80er Jahre
wurde im Jahre 1989 am JPL der Aufbau eines elektrostatischen Positionierers
zur Untersuchung geschmolzener Proben begonnen [10]. Bis heute konnten dort
KAPITEL 1. EINLEITUNG
2
zahlreiche Experimente an geschmolzenen Materialien durchgeführt werden [11]
- [15].
Die Firma Loral in Kalifornien, USA, hat das Konzept des elektrostatischen
Levitators des JPL zum “ElectroStatic ContAinerless ProcEssing System” (ESCAPES) weiterentwickelt, indem zahlreiche Verbesserungen an dem Aufbau und
der Funktion der Anlage durchgeführt wurden [16]. Anschließend wurde das
komplette System an das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville,
USA, verkauft, wo es noch zum heutigen Zeitpunkt genutzt wird.
Seit Anfang der 90er Jahre ist am Institut für Werkstoffphysik und Strukturforschung der Universität Bremen eine weitere elektrostatische Levitationsanlage
aufgebaut und in Betrieb genommen worden [17].
In Japan wird am Central Research Laboratory der Mitsubishi Electric Corporation in Kooperation mit dem Space Experiment Department der NASDA ein
elektrostatischer Levitator für den Betrieb im Weltraum entworfen [18] - [22].
Am Institut für Raumsimulation des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR) ist in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Elektrische
Steuerung und Regelung der Ruhr-Universität Bochum im Rahmen der vorliegenden Doktorarbeit seit 1998 eine modifizierte elektrostatische Levitationsanlage
für den Laborbetrieb entwickelt und aufgebaut worden [23].
Ein ganz wesentliches Problem bei der elektrostatischen Levitation stellt die
Regelung der Felder, die die geladene Probe tragen und positionieren, dar. Da
elektrostatische Felder im Raum prinzipiell kein stabiles Potentialminimum liefern können (siehe Kapitel 5), ist für die Fixierung der Probenlage eine aktive Regelung erforderlich. Ladungsänderungen auf der Probe bewirken außerdem, daß
sich das Systemverhalten zeitlich verändert. Dies gilt vor allem für den Aufheizvorgang, weil sich beim Aufheizen durch Abdampfen von Ionen [24] ebenso wie
durch thermische Elektronenemission [25] die Ladung und damit die vom elektrostatischen Feld auf die Probe ausgeübte Kraft ändert. Wegen der Stellgrößenbegrenzung der Levitationselektroden-Spannung benötigt man eine Ladungsquelle,
die der abnehmenden Ladung der Probe entgegenwirkt. Das Aufladen geschieht
unter Ausnutzung des Photoeffektes durch Bestrahlen der Probe mit UV-Licht.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, diese UV-Lichtquelle zu realisieren. Bei der An-
KAPITEL 1. EINLEITUNG
3
lage in Bremen findet die Aufladung durch dieselbe Lichtquelle statt, die auch
dem Aufheizen der Probe dient. Dies ist insofern nachteilig, als eine Erhöhung
der Intensität der Lampe zwar den Effekt der Aufladung vergrößert, aber sie
verringert durch die gleichzeitig größere Erhitzung auch die Ladung der Probe.
Durch Verwendung getrennter Quellen für das Aufheizen und Aufladen, wie bei
der Anlage am Marshall Space Flight Center, ist es den Entwicklern gelungen, die
Ladungsschwankungen in engeren Schranken zu halten. Daher wurde dieses Konzept der getrennten Quellen auch bei der Levitationsanlage am DLR realisiert.
Trotzdem treten teilweise sehr schnelle Temperatur- und Ladungsänderungen der
Probe auf.
Bei dem elektrostatischen Levitator handelt es sich um eine nichtlineare, instabile, zeitvariante Regelstrecke. Dies erfordert die Verwendung von modernen,
anspruchsvollen Regelverfahren, die bei verschiedenen Betriebsbedingungen eine
gewisse Regelgüte garantieren.
Bei den Levitationsanlagen des JPL und des Marshall Space Flight Centers
wird für die Positionierung der Probe ein diskreter PID-Algorithmus verwendet
[26]. Die Forscher aus Bremen benutzen einen analogen PID-Regler. In Japan
wurde zunächst auch ein diskreter PID-Regler implementiert, später wurden einige Versuche mit einem Fuzzy-Regler durchgeführt.
Das Problem bei Verwendung eines PID-Reglers besteht darin, daß aufgrund
des Ladungsverlustes der Probe während des Versuchsablaufes ein häufiges Verstellen der Reglerverstärkungen erforderlich ist, um Stabilität zu gewährleisten.
Unter Umständen sind die Änderungen des Systemverhaltens so schnell, daß das
Nachführen der Reglerparameter per Hand fast unmöglich ist. Diese Schwierigkeit tritt insbesondere bei Untersuchungen an einem hochschmelzenden Material
wie z. B. Zirkon auf, das sich innerhalb von zwei Sekunden nach Abschalten
der Probenheizung um ca. 500K abkühlt. Zudem lenkt jede Beschäftigung mit
dem Funktionsablauf der Anlage von der eigentlichen Tätigkeit des Messens von
Materialeigenschaften der Probe ab.
Dieser Stand der Technik ist die Motivation für den Einsatz robuster und adaptiver Regelkonzepte, um das manuelle Nachführen der Reglerparameter zu vermeiden. Bei der robusten Regelung wird Stabilität für eine im voraus quantifizier-
KAPITEL 1. EINLEITUNG
4
te und beim Reglerentwurf berücksichtigte Modellunsicherheit garantiert. Dabei
kann die Modellunsicherheit aus unzureichender Kenntnis des Regelstreckenverhaltens oder aus Änderungen der Betriebsbedingungen resultieren.
Adaptive Regelungen für unvollständig bekannte oder zeitlich veränderliche
Regelstrecken sind vor allem seit den 70er Jahren entwickelt und erfolgreich eingesetzt worden. Hierbei werden während des Betriebes aus den gemessenen Signalen
Informationen über das dynamische Verhalten der Regelstrecke gewonnen. Bei
Änderungen der Dynamik der Regelstrecke werden die Reglerparameter automatisch nachgeführt.
Sowohl bei robusten als auch bei adaptiven Regelungsmethoden ist es wichtig,
vorhandene Informationen über die Regelstrecke zu nutzen, um die Komplexität
des Regelsystems so gering wie möglich zu halten. Hierzu wird ein nichtlineares
physikalisches Modell des Levitationsvorganges aufgestellt. Gestützt auf dieses
Modell können unterschiedliche, teils neuartige Regelverfahren eingesetzt und
einem kritischen Leistungsvergleich unterzogen werden.
Im Rahmen dieser Arbeit sollen neuartige LMI-basierte Entwurfsverfahren
für lokal und global stabilisierende diskrete “Gain Scheduling”-Regler mit lokaler
Polgebietsvorgabe entwickelt werden. Mit diesen Methoden ist ein einfacher und
systematischer Reglerentwurf möglich. Die Ergebnisse sollen mit den Resultaten
robuster Regelverfahren verglichen werden. Dazu sollen Versuche mit einem H∞ Regler und einem Identitätsbeobachter durchgeführt werden. Weiterhin werden
Modifikationen bei der Regelung mittels schneller Ausgangsabtastung untersucht.
Die vorliegende Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert. In Kapitel 2 werden die
verschiedenen Methoden zum behälterlosen Prozessieren von Proben erläutert.
Die elektrostatische Levitation wird drei anderen Levitationsverfahren gegenübergestellt. Weiterhin werden Dispersions-/ Einbettungstechniken und Fallrohre/
Falltürme vorgestellt. In Kapitel 3 wird der Aufbau des am DLR entworfenen
elektrostatischen Levitators detailliert beschrieben. Die Aufstellung des nichtlinearen physikalischen Zustandsraummodells für die Anlage wird in Kapitel 4
gezeigt. In Kapitel 5 werden unterschiedliche robuste und adaptive Regelverfahren der PID-Regelung anhand von Simulationsstudien und Echtzeitexperimenten
vergleichend gegenübergestellt. Kapitel 6 faßt schließlich die wichtigsten Ergeb-
KAPITEL 1. EINLEITUNG
nisse dieser Untersuchungen zusammen.
5
Kapitel 2
Behälterloses Prozessieren
Die Untersuchung der physikalischen Eigenschaften und des Erstarrungsverhaltens von Schmelzen ist in den Materialwissenschaften von grundlegendem Interesse. Hierbei ist die Reinheit der Proben und die Verminderung heterogener
Keimbildung von größter Bedeutung. Bei behälterfreien Prozessierungsmethoden wird dies gewährleistet, indem jeglicher Kontakt der Schmelzen mit einer
Tiegelwand verhindert wird. Außerdem werden die Experimente meist in hochreiner Umgebung, d. h. im Vakuum oder in Schutzgasatmosphäre, durchgeführt,
um eine Kontamination aus der Probenumgebung zu verhindern. Behälterfreie
Prozessierungsmethoden werden überall dort eingesetzt, wo es auf freie Probenoberflächen ankommt. Dies ist bei hohen Probentemperaturen und aggressiven
Schmelzen, die mit jedem Tiegelmaterial reagieren, und bei Unterkühlungsexperimenten (Schmelze bleibt bis zu Temperaturen weit unter den Schmelzpunkt
flüssig), bei denen die Tiegelwand als Kristallisationskeim die Unterkühlbarkeit
reduzieren würde, der Fall.
Grundsätzlich gibt es drei verschiedene experimentelle Methoden zum
behälterlosen oder quasi-behälterlosen Prozessieren [27]:
• Dispersions- und Einbettungs-Techniken,
• Fallrohre und Falltürme und
• Levitationstechniken.
KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN
7
Alle diese Methoden basieren darauf, die heterogene Keimbildung weitestgehend
zu unterdrücken, so daß eine Unterkühlung der Schmelzen ermöglicht wird. Jede
dieser Techniken hat ihre besonderen Vorzüge, die im folgenden erläutert werden.
2.1
Dispersions- und Einbettungs-Techniken
Bei der Tröpfchen-Dispersion in Emulsion wird das Probenmaterial in einem Medium mit niedriger katalytischer Wirkung eingebettet [28]. Durch die Verwendung eines geeigneten Einbettmaterials wird die heterogene Keimbildung an der
Behälterwand vermindert. Indem das zu untersuchende geschmolzene Material
in eine große Anzahl sehr kleiner Tröpfchen dispergiert wird, verteilen sich die
aktiven Keime, die sich im Probenmaterial befinden, auf eine kleine Anzahl von
Partikeln. Folglich ist der größte Teil der kleinen Tröpfchen frei von aktiven
Keimen, so daß Experimente mit hohen Unterkühlungen möglich sind. Durch
geeignete Wahl des Einbettmaterials oder durch Hinzuzfügen von oberflächenaktiven Chemikalien kann darüber hinaus das Probenmaterial an seiner Oberfläche passiviert werden. Obwohl diese in Bild 2.1 dargestellte Methode nicht
Öl
Metalltropfen
im Öl
Metall
Bild 2.1: Prinzip der Tröpfchen-Dispersion (nach [28])
als behälterlos bezeichnet werden darf, weil die Flüssigkeit, in der die Tröpfchen
schwimmen, als Behälter angesehen werden kann, wurden viele Erstarrungs- und
KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN
8
Unterkühlungs-Experimente mit dieser Technik erfolgreich durchgeführt. Zur
Verminderung heterogener Keimbildung bei massiven Proben kommen häufig
Schmelzeinlagerungstechniken zum Einsatz. Hier wird durch Einlagerung der
Probe in einen Glasfluß der Tiegelkontakt verhindert. Mit Hilfe der Glaseinbettung können Proben mit einem Gewicht von bis zu einigen hundert Gramm
unterkühlt werden. Ein Nachteil besteht darin, daß für gewisse Probenmaterialien nicht immer geeignete Einbettmedien gefunden werden können. Außerdem
ist der Zugang zur Beobachtung der Schmelzen durch das umgebende Material
behindert.
2.2
Fallrohre und Falltürme
Eine der einfachsten Methoden, Schmelzen ohne jeglichen Kontakt mit einer Tiegelwand zu erstarren, ist die Nutzung von Fallrohren [29], [30]. Dabei wird die
oft dominierende tiegelwandinduzierte Keimbildung vollständig ausgeschaltet, indem kleine geschmolzene Partikel im freien Fall erstarren. Da die Tropfen beim
Fall im luftleeren Raum keine Kraft erfahren, nehmen sie die Gestalt einer Kugel
an. Ein wichtiges Merkmal von Fallversuchen besteht darin, daß die Erstarrung
unter Mikrogravitationsbedingungen abläuft. In Bild 2.2 ist der Aufbau eines
Fallrohres schematisch dargestellt. Das Probenmaterial befindet sich in einem
Tiegel am oberen Ende des Fallrohres. Nachdem es über eine Spule induktiv
zum Schmelzen gebracht wird, kann es mit hohem Druck aus dem Tiegel herausgepreßt werden. Anschließend zerfällt der ausgepreßte Schmelzstrahl in viele
kleine Tröpfchen, die während des freien Falls erstarren und am unteren Ende
des Rohres in einem Auffangbehälter gesammelt werden.
Im Gegensatz zu Fallrohren werden in Falltürmen nicht nur die Proben, sondern die gesamten Experimentapparaturen dem freien Fall ausgesetzt [31]. Anders als bei den Fallrohr-Versuchen können die Proben hier kontinuierlich von
den an der Apparatur angebrachten Meßeinrichtungen untersucht werden.
Wesentliche Nachteile von Fallrohr und Fallturm bestehen darin, daß die Experimentierzeit durch die Fallzeit auf wenige Sekunden beschränkt ist. Beispielsweise beträgt die Fallzeit bei einem Fallrohr oder Fallturm mit einer Höhe von
KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN
9
Bild 2.2: Fallrohr zum behälterfreien Erstarren von Tröpfchen metallischer
Schmelzen (nach [32])
KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN
10
10m nur ca. 1s. Bei dem Fallrohr tritt zusätzlich das Problem auf, daß eine
Temperaturmessung an den Partikeln während des Falls sehr schwierig zu realisieren ist. Diese Nachteile werden überwunden, wenn Levitationstechniken zum
behälterlosen Prozessieren verwendet werden.
2.3
Levitationstechniken
Wegen der kurzen Experiment-Zeit ist man in Fallrohren bzw. Falltürmen auf die
Untersuchung von sehr kleinen Proben beschränkt. Nur bei kleinen Proben kann
eine vollständige Erstarrung während der kurzen Fallzeit garantiert werden. Da
sich in Fallrohren die Probe während der Unterkühlungs- und Erstarrungsphase
außerdem kontinuierlich bewegt, wird die Messung physikalischer Eigenschaften
erheblich erschwert.
Diese Schwierigkeiten werden umgangen, indem man eine massive Probe mit
Levitationstechniken in einem frei schwebenden Zustand und in einer stabilen
Position hält. Durch die Levitation massiver Proben wird die Unterkühlung von
Proben ermöglicht, die nicht nur direkt beobachtet und untersucht, sondern auch
extern angeregt werden können. Zum Beispiel kann zur Messung der Oberflächenspannung die Probe zu Oberflächenschwingungen angeregt werden [33]. Oder es
kann die Kristallisation der Probe zu einem definierten Zeitpunkt mittels einer
Triggernadel ausgelöst werden [34].
Im folgenden werden die vier Levitationstechniken beschrieben, die derzeit
am häufigsten verwendet werden.
2.3.1
Akustische Levitation
Das Prinzip der akustischen Levitation beruht auf der Erzeugung einer stationären Kraft durch ein akustisches Feld mit hoher Intensität. In einem akustischen Levitator wird, wie in Bild 2.3 dargestellt, eine stehende Welle zwischen
einer Schallquelle und einem Reflektor erzeugt. Der Abstand zwischen der Quelle
und dem Reflektor beträgt ein ganzzahliges Vielfaches der halben Wellenlänge.
Die Größe der Kraft muß ausreichend sein, um der Gravitationskraft entgegen-
KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN
11
Reflektor
stabil
instabil
Druck Geschwindigkeit
Kraft
Schallquelle
Bild 2.3: Akustische Levitation von kleinen Proben (nach [35])
zuwirken. Gemäß der nichtlinearen akustischen Theorie werden in stehenden
Schallwellen hoher Intensität Proben mit im Vergleich zum umgebenden Gas
großen Dichten an Druckknoten levitiert. Um eine stabile akustische Levitation
zu erhalten, muß die Probengröße deutlich kleiner als die Schallwellenlänge sein.
Optimale Bedingungen für die Levitation von kugelförmigen Proben in einer stehenden Schallwelle existieren, wenn die Wellenlänge sechsmal so groß wie der
Probenradius ist [35]. Bei Schallfeldern mit Frequenzen von 1 − 100kHz können
Proben im Bereich von Zehntel Millimetern bis zu einigen Zentimetern levitiert
werden.
Unter der Annahme, daß die Dichte der Probe ρ viel größer ist als die Dichte des umgebenden Gases ρg , ergibt sich für eine stehende Welle mit der Geschwindigkeit der Luftteilchen vw = v0 sin(kz) cos(ωt) und dem Druck pw =
−p0 cos(kz) sin(ωt) die zeitlich gemittelte Levitationskraft in vertikaler Richtung
als [35]
5
Fl = (πrp2 )ρg v02 (krp ) sin(2kz) für kr ¿ 1 ,
(2.1)
6
wobei rp den Probenradius, k die Wellenzahl und z die Koordinate entlang der
Symmetrieachse des Levitators beschreibt.
KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN
12
Mit der akustischen Levitationstechnik ist es also möglich, Metalle und elektrisch nichtleitende Proben behälterfrei zu prozessieren. Es können Materialien
mit relativ geringen Dichten, wie z. B. Aluminium, unter nahezu isothermen Bedingungen untersucht werden.
Zum Aufheizen der Proben werden Hochleistungslaser verwendet. Hierbei treten in der Regel Schwierigkeiten auf, die stabile Probenposition zu gewährleisten,
da das Schallfeld durch die entstehenden Temperaturunterschiede verändert wird.
Weiterhin erfordert die akustische Levitation immer eine Gasatmosphäre, weil ein
Medium notwendig ist, welches das Ultraschallfeld trägt. Da selbst vorgereinigte
Gase immer Unreinheiten wie Sauerstoff oder Wasser enthalten, werden Untersuchungen zum Unterkühlungsverhalten metallischer Schmelzen, die eine hochreine
Umgebung erfordern, beeinflußt.
2.3.2
Aerodynamische Levitation
Bei der in Bild 2.4 dargestellten aerodynamischen Levitation wird die Positionierung der Proben durch Gasströmungen realisiert, deren Geschwindigkeit und
Richtung mit Hilfe von unterschiedlich geformten Düsen variiert werden können
[36]. Die Levitationskraft resultiert aus dem Impulsübertrag von den Gasmo-
Bild 2.4: Gasdüse eines aerodynamischen Levitators (nach [36])
KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN
13
lekülen auf die Probe. Durch die Kegelform der Gasdüse wird eine stabile Positionierung erreicht. Zum Aufheizen und Schmelzen der Proben werden wie bei
der akustischen Levitation Laser mit hoher Leistung verwendet. Durch den zur
Positionierung notwendigen Gasstrom hat man wie bei der akustischen Levitation
auch bei der aerodynamischen Levitation das Problem der Gasreinheit.
2.3.3
Elektromagnetische Levitation
Das Verfahren der elektromagnetischen Levitation beruht darauf, daß zeitliche
Änderungen von Magnetfeldern, die von einer mit einem hochfrequenten Wechselstrom durchflossenen Spule hervorgerufen werden, in elektrisch leitenden Materialien Wirbelströme induzieren (−(∂B/∂t) = rotE =
1
rotj
σ
mit elektrischer
Leitfähligkeit σ und elektrischer Stromdichte j) und damit dort ein magnetisches
Moment mm erzeugen [37]. Nach der Lenzschen Regel sind die Wirbelströme
gegenüber dem äußeren Feld um π phasenverschoben. Diese Wirbelströme verursachen im Zusammenspiel mit ihrem magnetischen Erzeugerfeld eine Lorentzkraft
Fl = −∇(mm B) ,
(2.2)
die die Probe bei geeigneter Spulengeometrie und Dimensionierung des Spulenstroms gegen die Gravitation anheben kann. Gleichzeitig führen ohmsche Verluste
des Induktionsstroms zur Aufheizung des Materials. In Bild 2.5 ist die schematische Anordnung einer elektromagnetischen Levitationsanlage dargestellt. Das
Spulensystem wird von einem HF-Generator mit hochfrequenten Wechselströmen
gespeist. Es befindet sich innerhalb einer Vakuumkammer, die bis zu einem
Druck von 10−8 mbar evakuiert werden kann. Zur konvektiven Kühlung der Probe
können über das Gasversorgungssystem gereinigte Gase in die Kammer eingelassen werden. Die Temperatur der Probe wird berührungslos über ein Zwei-Farbenoder Quotientenpyrometer (siehe Abschnitt 3.6) mit einer Genauigkeit von ±5K
gemessen. Zu Diagnosezwecken dienen ein Massenspektrometer und ein System
zur schnellen Temperaturerfassung mit einer Abtastzeit von 1M Hz.
Neben der Einschränkung, daß mit der elektromagnetischen Levitation nur
elektrisch leitende Proben prozessiert werden können, birgt die Kopplung von
KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN
14
Bild 2.5: Elektromagnetische Levitation im Erdlabor (nach [34])
Levitations- und Heizwirkung weiterhin den Nachteil, daß eine gewisse Mindesterwärmung der Probe durch die zur Aufrechterhaltung der Levitationskraft notwendige minimale Wirbelstromstärke nicht unterschritten werden kann. Daher
ist es nicht möglich, niedrigschmelzende Systeme im Vakuum zu unterkühlen.
Unterkühlungsexperimente an niedrigschmelzenden Proben sind nur bei Verwendung von Kühlgasen möglich, wobei eine Kontamination der Probe durch die
Gasatmosphäre nicht auszuschließen ist.
Dieses Problem wird umgangen, wenn die Proben unter Schwerelosigkeit im
Weltraum prozessiert werden. Bislang wurde das behälterfreie Prozessieren unter Mikrogravitation in der Anlage TEMPUS (Tiegelfreies ElektroMagnetisches
Prozessieren Unter Schwerelosigkeit) realisiert, die schon bei zwei Space ShuttleMissionen im Einsatz war [38]. Da aufgrund der reduzierten Gravitationskraft die
zur Positionierung der Proben notwendigen Kräfte sehr klein sind, kann durch
ein geschickt gewähltes Spulendesign eine Entkopplung von Positionieren und
KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN
15
Bild 2.6: TEMPUS: Elektromagnetische Levitation unter Weltraumbedingungen (nach [38])
Heizen erreicht werden. Bei der TEMPUS-Anlage werden, wie in Bild 2.6 dargestellt, zur Positionierung zwei koaxiale Spulen mit identischer Geometrie, aber
entgegengesetzter Stromrichtung verwendet. Um die Proben aufzuheizen bzw.
zu schmelzen, ist zwischen den oberhalb und unterhalb der Probe angeordneten
Positionierspulen eine zusätzliche Spule angebracht.
Durch die geringen Positionierfelder und die damit einhergehende geringe
Erwärmung der Proben können bei der elektromagnetischen Positionierung unter Schwerelosigkeit auch niedrigschmelzende Metalle im Vakuum prozessiert und
unterkühlt werden, da die Kühlung durch Wärmestrahlung ausreicht.
KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN
2.3.4
16
Elektrostatische Levitation
Die elektrostatische Levitation wird durch die Coulomb-Kraft auf elektrisch geladene Proben in einem elektrischen Feld ermöglicht. Mit dieser Methode können
sowohl Metalle und Halbleiter als auch Isolatoren prozessiert werden. Die wesentliche Anforderung an die Probensubstanz besteht darin, daß die Oberflächenladung, die sich während eines Experimentes z. B. durch Abdampfen von Material
ändert, durch geeignete Maßnahmen erhalten werden kann. Das Kernstück eines
Levitationselek troden (±20 kV)
Probe (positiv geladen )
-/+ 3 kV
+/- 3 kV
-/+ 3 kV
+/- 3 kV
Seitenelektroden
Bild 2.7: Elektrodenanordnung bei einem elektrostatischen Levitator
elektrostatischen Positionierers stellt die Elektrodenanordnung dar und ist in Bild
2.7 gezeigt. Die sechs im Zentrum der Vakuumkammer angebrachten Elektroden
erzeugen über Hochspannungsversorgungen das elektrostatische Feld zur dreidimensionalen stabilen Probenpositionierung. Es sind zwar auch ringförmig oder
tetraedrisch angeordnete Elektrodenkonfigurationen in einigen Anlagen bereits
zum Einsatz gekommen [39]. Diese haben sich aber nicht durchgesetzt, so daß
in der vorliegenden Arbeit ausschließlich auf die oben beschriebene Anordnung
eingegangen wird. Weitere Details zum Aufbau eines elektrostatischen Levitators
sind in Kapitel 3 beschrieben. Die Gleichungen für die erzeugten Levitationsfelder
werden in Kapitel 4 erläutert.
Als vorteilhaft im Gegensatz zur elektromagnetischen Levitation erweist sich
bei der elektrostatischen Positionierung, daß auch elektrisch nichtleitende Ma-
KAPITEL 2. BEHÄLTERLOSES PROZESSIEREN
17
terialien prozessiert werden können. Außerdem entfällt die Kopplung zwischen
Levitationskraft und Heizwirkung auf die Probe. Daher ist es möglich, Proben ohne Kühlung bei niedrigen Temperaturen zu prozessieren, so daß auch
niedrigschmelzende Metalle in der Nähe der Schmelztemperatur oder gar im unterkühlten Zustand untersucht werden können. Da die Experimente zudem im
Vakuum durchgeführt werden (siehe Abschnitt 3.3), liegen bezüglich der Reinheit
der Umgebungsatmosphäre optimale Bedingungen vor. Andererseits besitzen geschmolzene Proben im Vakuum eine erheblich höhere Abdampfrate als im Gas.
In Legierungen kann dies aufgrund unterschiedlicher Dampfdrücke der Komponenten zu einer Konzentrationsveränderung im Laufe des Experimentes führen
und generell natürlich zu einem erhöhten Masseverlust der Proben. Durch Beschränkungen in den Elektrodenspannungen ist man im allgemeinen auf leichte
Proben mit kleinem Probendurchmesser (1 − 3mm) angewiesen, und aufgrund
der auf der Probe befindlichen Ladungen hat man mögliche Auswirkungen auf
die Messung der Oberflächenspannung zu berücksichtigen.
Zusammenfassend kann man festhalten, daß jede der verschiedenen Levitationstechniken gewisse Vor- und Nachteile besitzt. Viele Eigenschaften sind komplementär zueinander, so daß sich die Methoden gegenseitig gut ergänzen.
Nach dieser Einführung über Möglichkeiten zum behälterlosen Prozessieren
soll im übrigen Teil der Arbeit die elektrostatische Levitation im Mittelpunkt
stehen. Nach einer Beschreibung des Aufbaus und Erklärung der Funktionsweise
der Anlage wird im weiteren auf unterschiedliche Regelungsmethoden und deren
Anwendung detailliert eingegangen.
Kapitel 3
Aufbau des elektrostatischen
Levitators
Die Methode der elektrostatischen Levitation basiert auf der Coulomb-Kraft, die
auf elektrisch geladene Proben in einem elektrischen Feld wirkt. Sie kann auf
eine Großzahl von Materialien angewendet werden, die Metalle, Halbleiter und
Isolatoren einschließt. Ein Foto des im Rahmen dieser Arbeit am Institut für
Raumsimulation des DLR aufgebauten elektrostatischen Levitators ist in Bild
3.1 dargestellt. Das Kernstück der Anlage ist die im Zentrum der Vakuumkammer (siehe Abschnitt 3.3) angebrachte Elektrodenanordnung, die das für die
Positionierung von elektrisch geladenen Proben notwendige elektrische Feld erzeugt (siehe Abschnitt 3.1). Da elektrostatische Felder im Raum prinzipiell kein
stabiles Potentialminimum liefern können (siehe Kapitel 5), ist für die Fixierung
der Probenlage eine aktive Regelung erforderlich. Hierbei wird die Probe durch
zwei im rechten Winkel angeordnete Laser beleuchtet und ihr Schattenwurf auf
zwei gegenüberliegenden optischen Positionsdetektoren erfaßt. Eine Änderung
der Probenlage im Raum und damit eine Verschiebung des Schattens verändert
die Ausgangsspannung der Detektoren und liefert damit ein Signal zur Regelung
der mit den Elektroden verbundenen Hochspannungsverstärker (siehe Abschnitt
3.2). Wie in der schematischen Darstellung der Anlage in Bild 3.2 gezeigt wird,
kann die Probe mittels eines Lasers aufgeheizt werden (siehe Abschnitt 3.4).
Dabei können Probentemperaturen von über 2000K erreicht werden. Der La-
KAPITEL 3. AUFBAU
19
Vakuumkammer
UV-Lampe
Hochspannungsverstärker
Positionsdetektoren
Positionierungslaser
mit Strahlaufweitung
Bild 3.1: Foto des im Rahmen dieser Arbeit aufgebauten elektrostatischen Levitators
Pyrometer
(geplant )
Vakuumkammer
Positionsdetektor (PSD)
Positionierungslaser
Heizlaser
(geplant )
Elektrodenanordnung
UV-Lampe
Bild 3.2: Schematische Darstellung des elektrostatischen Levitators
KAPITEL 3. AUFBAU
20
dungsverlust während des Aufheizvorganges wird durch die UV-Strahlung einer
Deuterium-Lampe kompensiert (siehe Abschnitt 3.5). Die Temperatur der Probe wird berührungsfrei über ein Pyrometer gemessen (siehe Abschnitt 3.6). Der
Heizlaser und das Pyrometer konnten aufgrund von Problemen bei der Lieferung
leider noch nicht integriert werden und fehlen deshalb auf dem Foto der Anlage.
Die detaillierte Funktionsweise der einzelnen Komponenten wird in den folgenden Abschnitten beschrieben.
3.1
Elektrodenanordnung
Von zentraler Bedeutung sind die sechs im Zentrum der Vakuumkammer fixierten
Elektroden, die das elektrostatische Feld zur Positionierung der Proben erzeugen.
Die Anordnung der Elektroden ist schematisch in Bild 2.7 dargestellt. Zwischen
den beiden Levitationselektroden, die für die Erzeugung des vertikalen elektrostatischen Feldes zuständig sind, läßt sich eine Hochspannung im Bereich von −20kV
bis +20kV anlegen. Als Spannungsquelle wird der Spannunsverstärker 20/20B
der Firma Trek benutzt. Diese große Spannung ist notwendig, da durch das
elektrische Feld ein Gleichgewicht zur Schwerkraft der Probe hergestellt werden
muß. Zusätzlich müssen sehr schnelle Spannungsänderungen möglich sein, um eine stabile Probenlage zu garantieren. Die maximale Anstiegsgeschwindigkeit der
Ausgangsspannung (Slew Rate) des verwendeten Verstärkers beträgt 350V /µs.
Typische Werte für die elektrische Ladung der Probe liegen in der Größenordnung von qs ∼ 10−9 C. Bei einem Plattenabstand von dl ∼ 8mm wird dann
eine Spannung von uz ∼ 8kV zwischen den Levitationselektroden benötigt, um
eine Probe mit einer Masse von m ∼ 0, 1g zu levitieren. Die Gleichungen zur
Berechnung der Levitationsfelder werden in Kapitel 4 erläutert.
Das Feld in horizontaler Richtung dient nur zur lateralen Positionierung der
Probe zwischen den Levitationselektroden. Die Schwerkraft spielt hier keine Rolle, so daß ein Spannungsbereich von ±6kV jeweils für ein gegenüberliegendes
Elektrodenpaar völlig ausreicht. Hierfür wird der speziell für diese Anlage gefer-
tigte 4-fach Hochspannungsverstärker HVA-3B4 der Firma WME verwendet, der
gegenüberliegende Elektroden mit einer entgegengetzten Spannung im Bereich
KAPITEL 3. AUFBAU
21
von ±3kV bei einer Slew Rate von 12V /µs versorgt. In Bild 3.3 sind die untere
1. Seitenelektrodenpaar
2. Seitenelektrodenpaar
untere Levitationselektrode
Bild 3.3: Foto der Elektrodenanordnung des elektrostatischen Levitators
Levitationselektrode und die vier Seitenelektroden dargestellt. Die Seitenelektroden befinden sich auf einer Ebene mit der unteren, geerdeten Levitationselektrode, so daß seitlich eine freie Sicht auf die Probe gewährleistet ist. Im Gegensatz
zu den bisherigen Anlagen, wo immer nur jeweils eine der gegenüberliegenden
Seitenelektroden mit einer Hochspannung angesteuert wird und die andere Elektrode auf Masse liegt, werden im vorliegenden Fall die Spannungen von allen vier
Seitenelektroden geregelt. Dies hat den entscheidenden Vorteil, daß die Feldverteilung in der horizontalen Ebene symmetrisch ist und Störungen schneller und
präziser ausgeregelt werden können.
Der Abstand der Levitationselektroden beträgt typischerweise 8mm, die Zentren gegenüberliegender Seitenelektroden sind 23mm voneinander entfernt.
KAPITEL 3. AUFBAU
3.2
22
Positionserfassung
Die Positionserfassung der Probe geschieht durch zwei im rechten Winkel zueinander aufgestellten Positionsdetektoren (PSD), die jeweils von einem gegenüberliegenden HeNe-Laser angestrahlt werden. Der Grund für die Wahl von HeNeLasern ist deren definierte gaußförmige Intensitätsverteilung. Ein PSD (Position Sensing Detector) ist ein optoelektronischer Baustein, der einen einfallenden
Lichtpunkt in einen analogen Positionswert umwandelt [40]. In der vorliegenden
Anwendung wird er allerdings genau invers hierzu betrieben. Der Laser strahlt
die Probe an, der Schattenwurf wird auf dem PSD erfaßt, und eine der Position
der Probe proportionale Spannung wird über eine Meßelektronik ausgegeben. Die
beiden PSDs 2L10SP der Firma Sitek und die hierzu passenden Verstärkerkarten
OT-301DL wurden bei der Firma Laser Components bezogen. Die Laser stammen von der Firma Melles Griot. Sie arbeiten bei einer Wellenlänge von 632, 8nm
und einer Leistung von ca. 7mW . Ein PSD, dessen Funktionsweise schematisch
Einfallender
Lichstrahl
I1
I2
Bild 3.4: Schematische Darstellung der Funktionsweise eines eindimensionalen
PSDs (nach [41])
KAPITEL 3. AUFBAU
23
in Bild 3.4 dargestellt ist, arbeitet ähnlich wie eine normale Photodiode. Das
auf das aktive Gebiet fallende Licht erzeugt einen Photostrom, der in Richtung
des p- und des n-Gebietes abfließt. Im Gegensatz zu einer Photodiode verfügt
ein PSD jedoch über mehrere elektrische Kontakte. Dadurch kommt es zu einer
Aufteilung des Photostromes unter die Kontakte, in Abhängigkeit von der Position des Lichtflecks. Die Position ermittelt man mit einer Verstärkerelektronik
durch Bildung der Stromdifferenz zwischen zwei gegenüberliegenden Kontakten.
Durch Normierung auf den Gesamtstrom wird das Positionssignal unabhängig
von der einfallenden Lichtintensität. Für einen kleinen Lichtpunkt ergibt sich
das Positionssignal X eines eindimensionalen PSDs über die Beziehung:
X=
L
L ∆I
L I1 − I 2
· Qa = · P = ·
,
2
2
2 I1 + I 2
I
(3.1)
wobei mit I1 und I2 die jeweiligen Signalströme zu den beiden Kontakten des
PSDs bezeichnet sind, L die Detektorlänge ist und Qa einen Ausgang der
Verstärkerkarte darstellt.
Es sind ein- und zweidimensionale PSDs erhältlich. Bei zweidimensionalen
PSDs wird die Position durch Messung der Ströme an vier paarweise gegenüberliegenden Kontakten bestimmt. Für jede Dimension gilt Gl. (3.1). In der vorliegenden Anlage werden zur Messung der dreidimensionalen Position der Probe
zwei zweidimensionale PSDs mit einer aktiven Fläche von 10mm × 10mm ver-
wendet. Diese werden in einem Winkel von 90◦ zueinander versetzt angebracht,
so daß die Position der Probe in allen drei Dimensionen gemessen werden kann.
Dabei wird die vertikale Position doppelt, d.h. von beiden PSDs, gemessen.
Im Gegensatz zu Pixelelementen (CCD) ist bei positionsempfindlichen De-
tektoren die Auflösung nicht durch die Pixelgröße begrenzt und keine aufwendige
Bildanalyse durch einen Computer nötig [42]. Hierdurch können bei PSDs viel
kleinere Abtastzeiten als bei CCDs erreicht werden. Segmentierte Positionsdetektoren wie Differential- und Quadrantendetektoren können nur Wege bis zur
Größe des Strahldurchmessers erfassen. Ein PSD eignet sich dagegen zur Messung größerer Wege über die gesamte aktive Fläche.
Zur Messung der Position der Probe im elektrostatischen Levitator werden
die PSDs im invertierten Modus betrieben, d. h. sie werden nahezu vollkom-
KAPITEL 3. AUFBAU
24
men ausgeleuchtet, und der Schatten, den die Probe wirft, dient als Maß für die
Probenposition. In Bild 3.5 ist der geschlossene Kreis für die optische Positionsbestimmung dargestellt. Der Strahl der Positionierungslaser, der ursprünglich
Positionierungslaser
(polarisiert)
Hochspannungsverstärker
DA-Karte
PC
Spiegel
Strahlaufweitungsoptik
RotlichtPSD
filter
IrisPolarisationsblende
filter
Regelung
Verstärker- AD-Karte
Elektronik
Bild 3.5: Optische Positionsbestimmung der Probe im geschlossenen Regelkreis
einen Durchmesser von 1mm hat, wird mittels eines optischen Aufweitsystems
auf 25mm vergrößert. Hiervon werden mit Hilfe einer Irisblende die äußeren Bereiche, deren Intensität stark variiert, ausgeblendet. Der verbleibende Strahl von
8mm Durchmesser hinter der Blende leuchtet mit einer gleichmäßigeren Intensitätsverteilung den gesamten Raum zwischen den Elektroden aus.
Zu beachten ist, daß der PSD nicht auf seiner gesamten aktiven Fläche beleuchtet werden darf, da er sich nur innerhalb von 80 Prozent seiner Länge in xbzw. y-Richtung linear verhält. Der auf einen Durchmesser von 8mm aufgeweitete
Laserstrahl trifft auf die Probe, und diese verursacht einen Schatten im Strahlengang. Der übrige Teil des Strahls wird nun von der Detektoreinheit, die aus
drei Komponeneten besteht, aufgenommen. Dort wird zuerst mittels eines auf
die Laserfrequenz abgestimmten schmalbandigen Bandfilters Streulicht aus der
Umgebung ausgeblendet, das die Messung der Probenposition ansonsten negativ
KAPITEL 3. AUFBAU
25
beeinflussen würde. Der zweite Teil der Detektoreinheit ist ein Polarisationsfilter, der nur für Licht mit der Polarisationsrichtung des gegenüberliegenden Lasers
durchlässig ist. Hierdurch wird gewährleistet, daß das Streulicht des zweiten Positionierungslasers mit um 90◦ gedrehter Strahlpolarisierung ausgeblendet wird.
Der dritte Teil der Detektoreinheit ist schließlich der PSD, der in Abhängigkeit
von der Lichtverteilung Signalströme erzeugt, die zur Ermittlung der Probenposition verwendet werden. Die von der Verstärkerkarte ermittelte Probenposition
kann jetzt nicht mehr durch Gl. (3.1) beschrieben werden, da nicht die Voraussetzung eines kleinen Lichtpunktes gegeben ist. Die Probenposition wird nun durch
Bildung des Lichtschwerpunktes auf dem PSD ermittelt, d. h. es muß über die
gesamte beleuchtete Fläche integriert werden. In Vektorschreibweise erhält man
für das Quotientensignal eines PSDs
∆I
2 ∆S
Qa = P = · P ,
I
S
L
mit
Z L Z L
2
2
∆S =
S(x, y) xxy dx dy
−L
2
X
S =
Z
L
2
−L
2
(3.2)
(3.3)
−L
2
Z
L
2
S(x, y) dx dy .
(3.4)
−L
2
Dabei beschreibt S(x, y) eine amplitudenunabhängige, beliebig normierte Intensitätsverteilung des Laserstrahls, und xxy stellt das vektorielle Positionssignal
dar. Wie man leicht erkennen kann, kürzt sich für den Fall, daß der PSD von
einem Lichtpunkt bestrahlt wird, die Intensitätsverteilung aus Gl. (3.2) heraus,
und man erhält ein vergleichbares Ergebnis wie in Gl. (3.1) für eine Dimension.
Beim Schattenwurf, der schematisch in Bild 3.6 dargestellt ist, müssen jedoch
die Integrale aus den Gln. (3.3) und (3.4) über die gesamte beleuchtete Fläche
ausgewertet werden, was hier nicht im einzelnen dargestellt werden soll. Man
erhält folgendes Ergebnis für das vektorielle Quotientensignal aus Gl. (3.2):
"
#
µ ¶2
rl
2
xp
− 2 |xp |2 + Qa (xl )
Qa = Kc ³ ´2
1+
(3.5)
wl
wl
rl
−
1
rp
mit Kc = konst und wl = Radius des aufgeweiteten Laserstrahls. Die übrigen
Variablenbezeichnungen sind Bild 3.6 zu entnehmen. Hierbei ist zu beachten, daß
KAPITEL 3. AUFBAU
26
I3
Probenschatten
rl
xl
I1
rp
I2
xp
PSD
y
x
I4
aufgeweiteter
Laserstrahl
Bild 3.6: Schattenwurf der Probe auf den PSD
wl den Strahlradius nach der Aufweitung und rl den Radius des Strahls hinter
der Irisblende beschreibt (vgl. Bild 3.5).
Für kleine Auslenkungen der Probe, d. h. |xp | ¿
wl
√
2
≈ 9mm, vereinfacht sich
Gl. (3.5), so daß man den Ausdruck
#
"µ ¶
2
rl
1
− 1 (Qa − Qa (xl ))
xp =
Kc
rp
(3.6)
für die vektorielle Probenposition erhält. Zur Berechnung der Position der Probe
benötigt man also das Quotientensignal ohne Probe Qa (xl ) zur Nullpunktskorrektur, das Quotientensignal mit Probe Qa , das Radienverhältnis rl /rp und einen
konstanten Faktor Kc , der durch eine einmalige Referenzmessung ermittelt werden kann. Der einzige bei Messungen an verschiedenen Proben zu bestimmende
Faktor ist also das Radienverhältnis. Die beiden Radien rl und rp können gemessen werden, jedoch erhält man ein genaueres Ergebnis, wenn man die Summen-
KAPITEL 3. AUFBAU
signale mit und ohne Probe in Beziehung zueinander setzt. Es gilt
P
P
µ ¶2
I0 − I
rp
P
,
=
rl
I0
27
(3.7)
wenn als Näherung wieder ein stark aufgeweiteter Laserstrahl vorausgesetzt wird.
P
P
Hierbei ist
I0 das Summensignal ohne Probe und
I das Summensignal mit
Probe.
Die Signale der Verstärkerkarte werden in die AD-Karte des Echtzeitrechners
eingelesen. Im Computer wird aus diesen Signalen die Probenposition bestimmt,
und diese wird anschließend in den Regelalgorithmus eingespeist. Hieraus werden Stellsignale berechnet, die über die DA-Karte des Rechners an die einzelnen
Hochspannungsverstärker weitergeleitet werden.
3.3
Vakuum
Die Elektrodenanordnung zur exakten Positionierung der Proben im elektrostatischen Feld befindet sich in einer zylinderförmigen Vakuumkammer. Alle anderen
Subsysteme, wie Positionsdetektoren, Heizlaser, usw. sind um diese Kammer angeordnet. Zu Testzwecken wird eine Aluminiumkammer mit einem Volumen von
ca. 9000cm3 verwendet. Später soll die Aluminiumkammer durch eine Edelstahlkammer ersetzt werden. Zur Erzeugung des Vakuums werden eine DrehschieberVorpumpe der Firma Alcatel (Pascal 2010 SD) mit einem Nennsaugvermögen
von 9.7m3 /h und eine Turbo-Molekularpumpe von Leybold (Turbovac 361) mit
einem Saugvermögen von 1242m3 /h benutzt. Mit diesen Pumpen ist ein Vakuum von bis zu 10−8 mbar erreichbar. Der Grund für die Evakuierung besteht
zum einen darin, daß bei den verwendeten hohen Spannungen (bis zu 20kV )
und geringen Plattenabständen (ca. 8mm) ein elektrischer Überschlag durch Ionisierung der Luft vermieden werden muß. Andererseits können die Proben in
einer ultrareinen Umgebung prozessiert werden. So wird z. B. die Oxidation der
Probe entscheidend reduziert, die anderweitig die Unterkühlbarkeit der Proben
reduzieren kann.
KAPITEL 3. AUFBAU
3.4
28
Probenheizung
Sobald die Probe in einem stabilen Zustand schwebt, kann diese mit einem
Hochleistungs-Diodenlaser-System aufgeheizt werden. Es ist geplant, zwei 25W
Diodenlaser mit Fokussieroptik zu verwenden, die die Probe von entgegengesetzten Seiten anstrahlen. Ein optisches Linsensystem am Laserausgang ist notwendig, da das Licht, das von den Diodenlasern emittiert wird, sehr divergent ist. Die
Wellenlänge der Diodenlaser beträgt 810nm. Der Brennfleck auf der Probe, die
sich etwa 20cm entfernt von den Lasern zwischen den Levitationselektroden in
dem Vakuumrezipienten befindet, hat eine Größe von ca. 1mm2 . Im Gegensatz
zu Nd-Yag-Lasern, die an den bisherigen elektrostatischen Levitationsanlagen
eingesetzt wurden, bieten Diodenlaser den Vorteil der einfachen Intensitätsregelung. Die Ausgangsleistung des Lasers besitzt einen recht guten linearen Zusammenhang mit dem einstellbaren Diodenstrom. Bei Nd-Yag-Lasern sind für die
Regelung der Ausgangsleistung sehr aufwendige Intensitäts-Abschwächungsmechanismen notwendig.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte dieses System zum Aufheizen der
Proben aufgrund von Problemen bei der Lieferung des Laser-Systems leider noch
nicht integriert werden.
3.5
Probenladung
Die Oberflächenladung einer Probe bleibt während eines Levitationsexperimentes
nicht konstant. Im wesentlichen läßt sich die zeitliche Ladungsänderung durch
vier verschiedene Prozesse beschreiben: kapazitives Aufladen, Abdampfen von
positiven Ionen, thermische Elektronenemission, photoelektrische Elektronenemission.
Zu Beginn des Experimentes befindet sich die feste Probe auf der unteren Levitationselektrode und wird durch Erhöhung der Spannung an der oberen Elektrode kapazitiv aufgeladen. Bei der Prozessierung metallischer Proben wird die
obere Elektrode typischerweise auf einem negativen Potential gehalten, um die
Probe positiv aufzuladen. Die Theorie zur elektrostatischen Levitation wurde für
KAPITEL 3. AUFBAU
29
leitende und nichtleitende Materialen unterschiedlicher Geometrie von Felici [43]
hergeleitet. Die Abhebspannung uz,ab ist dadurch gekennzeichnet, daß die elektrostatische Kraft größer als die Gewichtskraft der Probe geworden ist, so daß der
Kontakt zwischen Probe und unterer Elektrode unterbrochen wird. Bei der Berechnung der Abhebspannung geht man von der Ladung qs einer leitenden Kugel
mit Radius rp aus, die sich im elektrischen Feld E einer unendlich ausgedehnten
leitenden Platte auf dieser Platte befindet
qs = 4πα²0 Erp2 .
(3.8)
Hierbei ist ²0 = 8, 854 · 10−12 VCm , und α ist eine Konstante, die sich bei einer
leitenden Kugel zu 1, 645 ergibt.
Setzt man bei Abwesenheit der Kugel ein homogenes Feld E zwischen den
Levitationselektroden voraus, dann gilt E = uz /dl , wobei uz die Elektrodenspannung und dl der Elektrodenabstand ist. Die Kraft auf die Kugel beim Abheben
ergibt sich zu
FE = qs E = 4παβ²0 u2z,ab rp2 /d2l ,
(3.9)
wobei sich β = 0, 832 nach der Methode der Spiegelladungen berechnen läßt. Auf
die Spiegelladungsterme wird noch einmal im Detail in Kapitel 4 eingegangen.
Setzt man nun die Kraft aus Gl. (3.9) mit der Gewichtskraft der Probe Fg = mg =
(4/3)πrp3 ρg gleich, wobei m die Probenmasse, g die Gravitationsbeschleunigung
und ρ die Probendichte darstellt, so erhält man für die Abhebspannung [17]
r
ρgrp
uz,ab = dl
.
(3.10)
3²0 αβ
Die Ladung zum Abhebezeitpunkt beträgt demnach
s
ρg²0 αrp5
qs,ab = 4πα²0 uz,ab rp2 /dl = 4π
.
3β
(3.11)
Solange die Probe nicht aufgeheizt wird, behält sie diesen Ladungswert. Bei der
Spannung kann man hingegen Veränderungen auch im festen Zustand der Probe
feststellen. Die Levitationsspannung uz,l , die sich einstellt, wenn die Probe in der
Mitte zwischen den beiden Levitationselektroden positioniert wird, ist geringer
KAPITEL 3. AUFBAU
30
als die Abhebspannung, da sich die Spiegelladungsterme an dieser Stelle gerade
aufheben. Die Levitationskraft ergibt sich hier zu
Fl = qs,ab El = qs,ab uz,l /dl .
(3.12)
Durch Gleichsetzen dieser Kraft mit der Gewichtskraft der Probe erhält man
r
βρgrp
uz,l = dl
.
(3.13)
3²0 α
Die Levitationsspannung ist also die um β verringerte Abhebspannung: uz,l =
βuz,ab .
Wie in Kapitel 5 gezeigt wird, ist das System aber instabil, so daß sich die
Levitationsspannung nicht konstant einstellt, wenn die Probe die Mitte erreicht
hat. Stattdessen bewirkt die Regelung, daß der Wert der Elektrodenspannung
ständig um den der Levitationsspannung schwankt.
Die drei übrigen Ent- bzw. Aufladungsprozesse treten beim Aufheizen der Probe auf. Die Aufladung durch Glühemission von Elektronen wirkt der Entladung
durch Abdampfen der positiven Ionen an der Oberfläche zwar entgegen, jedoch
überwiegt mit zunehmender Temperatur der Abdampfvorgang immer mehr. Um
der Entladung der Probe entgegenzusteuern, wird eine zusätzliche Elektronenemission durch Bestrahlung der Probe mit UV-Licht angeregt.
Die Abdampfrate W + (Atome pro Fläche- und Zeiteinheit) der Metallatome
läßt sich in Abhängigkeit von der absoluten Temperatur T , dem Dampfdruck Pd
und der Atommasse ma durch die Beziehung [44]
W+ = √
Pd
2πma kB T
(3.14)
berechnen, wobei kB die Boltzmann-Konstante darstellt.
Die Anzahl der Elektronen, die pro Fläche- und Zeiteinheit die Oberfläche durch thermische Emission verlassen, ist durch die Richardson-DushmanGleichung [25]
W
−
¶
µ
AT 2
φa 0
=
exp −
e
kB T
(3.15)
gegeben. Dabei ist A = 120Acm−2 K −2 die Richardson-Konstante, e die elektrische Elementarladung und φa 0 die effektive Austrittsarbeit. Unter Berücksichti-
KAPITEL 3. AUFBAU
31
gung des Einflusses des elektrischen Feldes E ist φa 0 durch
s
e3 E
φa 0 = φ a −
4π²0
(3.16)
gegeben, wobei φa die Austrittsarbeit ist.
Bei der Aufladung durch Bestrahlung der Probe mit dem UV-Licht einer
Deuterium-Lampe von Hamamatsu (L1835) wird der Photoeffekt ausgenutzt. Die
Photoelektronenauslösung erfolgt durch Einzelprozesse zwischen je einem Lichtquant der Energie
E = hfs
(3.17)
und einem Leitungselektron. Dabei ist h = 6, 626 · 10−34 Js die Planck-Konstante
und fs die Frequenz der Strahlung. Um eine ausreichende Effizienz zu erzielen,
sind bei Metallen zur Aufbringung der Austrittsarbeit Energien in der Größenordnung von ∼ 10eV erforderlich. Dies entspricht Wellenlängen im ultravioletten
Bereich (λ ∼ 100nm). Die verwendete UV-Quelle liefert Strahlung im Wel-
lenlängenbereich von 115 − 400nm bei einer Leistung von 150W .
Die Photoelektronenauslösung kann prinzipiell auch an den Elektroden erfol-
gen, wenn dort ungewollt UV-Strahlung auftrifft. Da eine positive Ladung auf
der Probe erhalten werden soll, ist aber eine hohe Elektronenemission der Probe und eine geringe Elektronenemission der Elektroden wünschenswert. Deshalb
sollte die Austrittsarbeit des Elektrodenmaterials einen größeren Wert haben als
die des Probenmaterials.
Durch diese teilweise erheblichen Ladungsschwankungen wird eine ruhige Positionierung der Proben sehr schwierig. Die Schwankungen der Probenladung
verändern das dynamische Verhalten des Systems und erfordern ständig ein
Nachstellen der Reglerverstärkungen durch den Bediener. Bei schnellen Temperaturänderungen und somit schnellen Ladungsänderungen der Probe ist das
Nachführen der Reglerparameter per Hand aber praktisch unmöglich. Diese
Schwierigkeit tritt insbesondere bei Untersuchungen an einem hochschmelzenden
Material wie z.B. Zirkon auf, das sich innerhalb von zwei Sekunden nach Abschalten der Probenheizung um ca. 500K abkühlt. Zudem lenkt jede Beschäftigung
mit dem Funktionsablauf der Anlage von der eigentlichen Tätigkeit des Messens
KAPITEL 3. AUFBAU
32
von Materialeigenschaften der Probe ab.
Dies ist der Grund, weshalb in dieser Arbeit mehrere Regelkonzepte ohne manuelles Nachführen der Reglerparameter entwickelt wurden. Da Aufheizvorgänge
an Proben wegen des fehlenden Heizlasers noch nicht realisierbar sind, werden
feste Proben im schwebenden Zustand mit dem UV-Licht der Deuterium-Lampe
bestrahlt. Dies bewirkt eine Ladungserhöhung der Probe und ermöglicht die
Bewertung der verschiedenen, in dieser Arbeit vorgestellten Regelverfahren. In
Kapitel 5 werden die unterschiedlichen Methoden näher erläutert und die Ergebnisse verglichen.
3.6
Temperaturmessung
Zur Vermeidung heterogener Keimstellen (vgl. Kapitel 2) in den unterkühlten, frei schwebenden Schmelzen ist man bezüglich der Temperaturmessung auf
berührungsfreie Verfahren angewiesen. Bei der Temperaturerfassung mit Strahlungspyrometern wird die von der Probe ausgehende Temperaturstrahlung gemessen. Die physikalische Grundlage für die Pyometrie bildet das Plancksche
Strahlungsgesetz [45]
2πhc2
LS =
λ5
µ
exp
µ
hc
λkB TS
¶
−1
¶−1
.
(3.18)
Hierbei ist LS die spektrale Strahlungsdichte eines schwarzen Körpers, h das
Plancksche Wirkungsquantum, c die Lichtgeschwindigkeit, λ die Wellenlänge, kB
die Boltzmann-Konstante und TS die Temperatur des schwarzen Körpers. Für
λTS ¿ 1 kann das Plancksche Gesetz durch das Strahlungsgesetz von Wien
µ
¶
hc
2πhc2
exp −
(3.19)
LS =
λ5
λkB TS
angenähert werden. Im allgemeinen stellen jedoch die glühenden Körper, deren
Temperatur mit dem Pyrometer gemessen wird, keine schwarzen Strahler dar,
d. h. ihr Absorptionsvermögen ist kleiner als 1. Damit ist auch ihr Emissionsvermögen kleiner als das des schwarzen Körpers bei gleicher Temperatur, so daß
die vom Pyrometer angezeigte Temperatur kleiner ist als die wahre Temperatur.
KAPITEL 3. AUFBAU
33
Die wahre Strahlungsdichte Lwahr läßt sich aus der gemessenen Strahlungsdichte
Lmeß und dem als bekannt vorausgesetzten Emissionsgrad ε über die Beziehung
Lwahr = εLmeß
(3.20)
berechnen, wobei 0 < ε < 1 gilt.
Bei der elektrostatischen Levitationsanlage wird ein Quotientenpyrometer verwendet, bei dem die Temperatur aus dem Verhältnis der Signale zweier Strahlungsdichten ermittelt wird, die bei zwei dicht zusammenliegenden Wellenlängen
λ1 und λ2 gemessen werden: S(T ) = L(λ2 , T )/L(λ1 , T ). Das Wiensche Gesetz
liefert dann:
S(T ) =
µ
λ1
λ2
¶5
exp
µ
hc
kB T
µ
1
1
−
λ1 λ2
¶¶
.
(3.21)
Unter der Annahme linearer Signalumsetzung S = const · L folgt nach den Gln.
(3.20) und (3.21) die wahre Temperatur des untersuchten Objektes
Twahr =
·
1
Tmeß
k B λ1 λ2
+
ln
hc λ2 − λ1
µ
ε(λ2 )
ε(λ1 )
¶¸−1
.
(3.22)
Dabei ist Tmeß die der einfallenden Strahlungsdichte entsprechende Meßtemperatur und ε(λ1,2 ) der Emissionsgrad bei der jeweiligen Wellenlänge. Wenn beim
Quotientenpyrometer die Emissionsgrade ε(λ1 ) und ε(λ2 ) identisch sind, stimmen Meßtemperatur und wahre Temperatur überein. Da aber die sogenannte
wirksame Wellenlänge λw = λ1 λ2 /(λ2 − λ1 ) umso größer ist, je dichter die beiden
Wellenlängen λ1 und λ2 zusammenliegen, ergeben schon kleine Schwankungen
der Emissionsgrade Meßfehler.
Aufgrund der Verzögerungen bei der Lieferung des Heizlaser-Systems können
in der Levitationsanlage bisher nur feste Proben prozessiert werden. Deswegen
ist an der Anlage auch noch kein Pyrometer installiert.
Kapitel 4
Das nichtlineare
Zustandsraummodell
Für den Entwurf eines robusten oder adaptiven Reglers ist es notwendig, eine
möglichst genaue direkte oder indirekte Kenntnis des augenblicklichen Regelstreckenverhaltens zu haben. Am JPL in Pasadena, USA, wurde für die Modellberechnung ein numerischer Finite-Elemente-Ansatz gewählt [46], [47]. Mit
dieser Methode konnte jedoch kein geschlossener Ausdruck für die Feldverteilung
im Raum ermittelt werden. Daher soll im folgenden ein physikalisches Zustandsraummodell des elektrostatischen Levitators hergeleitet werden. In Bild 4.1 ist
für die vertikale Richtung die Elektrodenanordnung mit der Probe schematisch
dargestellt. Das Kräftegleichgewicht des eindimensionalen Systems ergibt sich
z
dl
Bild 4.1: Probe zwischen den Levitationselektroden
KAPITEL 4. ZUSTANDSRAUMMODELL
35
durch die Beziehung
mz̈ = FE − mg .
(4.1)
Hierbei beschreibt m die Probenmasse, z die Probenposition in z-Richtung, g die
Gravitationsbeschleunigung und FE die elektrische Kraft auf die Probe. Diese
Kraft kann näherungsweise über
¸
·
uz
1
qs2
1
FE = −qs +
−
dl
16π²0 (dl − z)2 z 2
mit rp ≤ z ≤ dl − rp
(4.2)
bestimmt werden, wobei qs die Probenladung, uz die Spannung zwischen den
Levitationselektroden, dl der Plattenabstand und rp der Probenradius ist.
Der erste Term von Gl. (4.2) stammt von dem elektrischen Feld der Levitationselektroden, die einen Plattenkondensator darstellen. In guter Näherung werden unendlich lange parallele Elektroden angenommen. Der zweite Term berücksichtigt die Tatsache, daß sich eine geladene Kugel in der Nähe der beiden Elektroden befindet. Er wird nach der Spiegelladungsmethode für Punktladungen
berechnet.
Das horizontale Feld in x- und y-Richtung ist für die gewählte Elektrodenanordnung exakt nicht einfach zu bestimmen. Die Seitenelektroden befinden sich
auf derselben Ebene wie die untere Levitationselektrode, so daß deren Feld relativ
inhomogen ist. Trotzdem wird aber in erster Näherung das elektrische Feld der
Seitenelektroden ähnlich wie in Gl. (4.1) über das Kräftegleichgewicht für zwei
parallele Elektroden berechnet. Aufgrund vollkommener Symmetrie in x- und yRichtung wird im folgenden die Feldberechnung beispielhaft für die x-Koordinate
durchgeführt. In horizontaler Richtung entfällt die Gravitationskraft, so daß man
das Kräftegleichgewicht
qs 2ux
(4.3)
xd
aufstellen kann. Dabei ist x die Probenposition in x-Richtung und xd der Abmẍ = Kh
stand zweier gegenüberliegender Seitenelektroden. Die Elektroden werden gegensinnig mit ux bzw. −ux angesteuert, so daß der Potentialunterschied zwischen
den Elektroden 2ux beträgt. Kh ist ein Faktor, der die Kraft auf die horizontale
Komponente reduziert und ergibt sich aus
¶¶
µ
µ
z
.
Kh = cos arctan
xd /2
(4.4)
KAPITEL 4. ZUSTANDSRAUMMODELL
36
Nun kann das nichtlineare Zustandsraummodell aufgestellt werden. Mit dem
Zustandsvektor






x=





x1


 

x2 
 
 

x3 
=
 
x4  
 

x5 
 
x6
x


ẋ 


y 


ẏ 

z 

ż
erhält man die nichtlineare Zustandsraumdarstellung im kontinuierlichen Zeitbereich







ẋ = 





³
cos arctan
x2
³
x5
xd /2
´´
qs 2ux
mxd
x4
´´
³
qs 2uy
5
cos arctan yxd /2
myd
³
qs
m
h
− udzl
+

qs
16π²0
x
³ 6
1
(dl −x5 )2
−
1
x25
1 0 0 0 0 0
´i
−g









 = f (x, u)





x

 


x =  y  .
y = Cx = 
0
0
1
0
0
0
 


z
0 0 0 0 1 0
(4.5)
(4.6)
Wie man bereits aus den Gln. (4.1) und (4.3) erkennt, hat das System doppelintegrales Verhalten und ist somit instabil. Dadurch wird die Validierung des Modells
im offenen Regelkreis unmöglich gemacht. Die Frage, wie gut das System durch
Gl. (4.5) beschrieben wird, kann erst bei Betrieb im geschlossenen Regelkreis beantwortet werden. Durch Vergleich der Resultate in der Simulation und in der
Echtzeit können indirekt Rückschlüsse auf die Modellgenauigkeit gezogen werden.
Kapitel 5
Verfahren zur Regelung,
Simulation und Echtzeit
Wie zuvor schon mehrfach angedeutet, können elektrostatische Felder im Raum
prinzipiell kein stabiles Potentialminimum liefern. Folglich ist das System instabil (siehe Kapitel 4), und eine aktive Regelung ist notwendig. Dies wird deutlich,
wenn man die Stabilitätsbedingungen in der Umgebung einer Punktladung betrachtet. Hierzu sei das elektrische Potential am Ort a mit
Z a
φ=−
Eda
(5.1)
∞
definiert, wobei E die elektrische Feldstärke bezeichnet. In allen drei Dimensionen
müssen die Kriterien für ein lokales Minimum erfüllt sein:
∂2
φ>0,
∂x2
∂2
φ>0,
∂y 2
∂2
φ>0
∂z 2
(5.2)
Hieraus folgt sofort, daß auch
∂2
∂2
∂2
φ
+
φ
+
φ>0
∂x2
∂y 2
∂z 2
(5.3)
gelten muß. Aus den Maxwell-Gleichungen erhält man jedoch
∆φ =
∂2
∂2
∂2
ρs
φ
+
φ
+
φ=− =0 ,
2
2
2
∂x
∂y
∂z
²0
(5.4)
weil keine Raumladungsdichte ρs zwischen den Elektroden vorhanden ist. Die
Stabilitätsbedingungen sind also laut Maxwell nicht erfüllbar, was bedeutet, daß
KAPITEL 5. REGELUNG
38
es keine stabile Lage für eine Punktladung zwischen den Elektroden gibt (instabiles System). Es ist zwar möglich, mit leicht konkav geformten Levitationselektroden horizontale Stabilität für nicht allzu große äußere Störungen zu garantieren,
jedoch muß die vertikale Probenposition immer geregelt werden. Für eine ruhige Positionierung sind die Seitenelektroden aber unabdingbar, da ansonsten
mögliche Oszillationen der Probe in horizontaler Richtung, verursacht durch das
Abheben der Probe zu Beginn, äußere Erschütterungen der Anlage oder den
Rückstoß beim Abdampfen von Material, im Vakuum noch nicht einmal durch
die Luftreibung gedämpft werden.
Mit Hilfe des in Kapitel 4 dargestellten nichtlinearen Zustandsraummodells
werden in der Simulation unterschiedliche Regelungsmethoden getestet.
Die
bisherigen elektrostatischen Levitationsanlagen verwenden zur Probenpositionierung einen PID-Regler, dessen Reglerparameter ständig an die sich ändernden
Bedingungen (vgl. Abschnitt 3.5) manuell angepaßt werden. Dies lenkt zum einen
von der eigentlichen Tätigkeit des Bedieners, nämlich dem Messen von Materialeigenschaften, ab. Zum anderen wird die Probe durch schnelle Ladungsänderungen
sehr unruhig, und im schlechtesten Fall kann die Regelung sogar instabil werden.
Dies ist die Motivation für den Einsatz von fortgeschrittenen Regelungskonzepten. In dieser Arbeit wird die PID-Regelung mit verschiedenen robusten und
adaptiven Regelkonzepten verglichen.
Bei den Echtzeitexperimenten wird die gemessene dreidimensionale Position in einem digitalen Regler verarbeitet [48]. Dort werden die Spannungen an
den drei Elektrodenpaaren berechnet. Zur Regelung werden zwei PCs eingesetzt, die über ein gewöhnliches serielles Kabel verbunden sind und die Echtzeitsoftware RealLink-32 der Firma RealTech verwenden. Dabei fungiert ein PC
als Entwicklungsrechner (Host), auf dem der Regler in Matlab und Simulink
implementiert ist. Der Realtime-Workshop, der sich ebenfalls auf dem HostRechner befindet, wandelt die Simulink-Modelle und die eventuell eingebundenen
Matlab-Befehle in C-Code um. Im Anschluß wird das Reglerkonzept mit Hilfe
der Software RealLink-32 und dem Watcom C/C++ Compiler auf dem EchtzeitHardwaresystem im Target implementiert. Der Target ist also der eigentliche
Echtzeitrechner, der die Regelgrößen mittels AD-Karte aufnimmt und nach Be-
KAPITEL 5. REGELUNG
39
rechnung des Stellgesetzes die Stellgrößen über eine DA-Karte ausgibt.
Im folgenden werden die verschiedenen zum Einsatz gekommenen Reglertypen
vorgestellt und die Ergebnisse von Simulations- und Echtzeitstudien vergleichend
gegenübergestellt. Bis auf die klassische PID-Regelung basieren alle übrigen Reg-
Bild 5.1: Foto einer schwebenden Probe im elektrostatischen Levitator
ler auf LMI-Methoden [49], die in letzter Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnen. Eine schwebende Aluminiumprobe mit einem Durchmesser von 2mm ist in
Bild 5.1 dargestellt.
5.1
PID-Regelung
In den bisherigen elektrostatischen Levitationsanlagen wurden fast ausschließlich
PID-Regler verwendet. Diese sind im industriellen Bereich die wichtigsten Standardregler und zeichnen sich dadurch aus, daß sie sehr einfach zu handhaben sind.
Die prinzipielle Wirkungsweise läßt sich durch eine Parallelschaltung je eines P-,
I- und D-Gliedes erklären, woraus sich als Übertragungsfunktion des PID-Reglers
[50]
UR (s)
KI
= KP +
+ KD s
(5.5)
E(s)
s
ergibt. Dabei beschreibt UR die Reglerausgangsgröße, E die Regelabweichung,
GR (s) =
und KP , KI und KD sind jeweils die Reglerparameter für das P-, I- und DGlied. Durch unterschiedliche Wahl der Reglerparameter können das maximale
KAPITEL 5. REGELUNG
40
Überschwingen, die Ausregelzeit und die bleibende Regelabweichung beeinflußt
werden.
Im vorliegenden Fall wird zusätzlich zur PID-Regelung ein in Reihe geschaltetes phasenanhebendes Glied verwendet. Wie in Kapitel 4 gezeigt wurde, hat
das System doppelintegrales Verhalten, so daß die Phase bei −180◦ liegt und
die Phasenreserve verschwindet. Für ein gutes Regelverhalten wird die Phase
in der Nähe der Durchtrittsfrequenz angehoben. Die Übertragungsfunktion des
phasenanhebenden Gliedes lautet [50]:
GR (s) =
1 + Ts s
mit 0 < αp < 1 .
1 + α p Ts s
(5.6)
Mit der Konstanten Ts der Dimension Zeit ergibt sich daraus für s = jω der
Frequenzgang
1 + jω/ωz
1 + jω/ωn
(5.7)
mit den beiden Eckfrequenzen
ωz =
1
1
mit ωn =
.
Ts
αp Ts
(5.8)
Die maximale Anhebung des Phasenwinkels beträgt
ϕ(ω) = arctan(Ts ω) − arctan(αp Ts ω)
(5.9)
√
(5.10)
bei der Frequenz
ωmax =
ω Z ωN .
Der Grund für die Wahl eines kontinuierlichen Reglers liegt zum einen darin, daß
die Abtastzeit der diskreten Regelung von τ = 2ms sehr klein ist. Demnach
liegen nahezu kontinuierliche Verhältnisse vor. Außerdem ist die Bestimmung
der z-Übertragungsfunktion des diskreten PID-Reglers aufgrund eines beliebigen
Zeitverlaufes der Regelabweichung nur näherungsweise möglich. Ein diskreter
Regler würde also keinen entscheidenen Gewinn an Genauigkeit der Regelung
zur Folge haben.
KAPITEL 5. REGELUNG
5.1.1
41
Simulation
Für alle in dieser Arbeit vorkommenden Simulationsstudien werden folgende Konstanten des Systems aus Gl. (4.5) angenommen:
m = 1, 13 · 10−5 kg , dl = 0, 008m , rp = 0, 001m , g = 9, 81
m
,
s2
xd = yd = 0, 023m .
In den Echtzeitversuchen werden dementsprechend Aluminiumproben mit einem
Durchmesser von 2mm verwendet.
In der Simulation stellt sich heraus, daß es sinnvoll ist, ein phasenanhebendes
Glied mit den Eckfrequenzen
ωz = 10
1
1
und ωn = 100
s
s
(5.11)
zu verwenden. Dementsprechend ergibt sich nach Gl. (5.8) Ts = 0, 1s und αp =
0, 1. Für eine gute Regelung reicht ein PI-Regler vollkommen aus. In x- und
y-Richtung werden die Reglerparameter
KP = 106 und KI = 107
(5.12)
KP = −106 und KI = −107
(5.13)
und in z-Richtung
eingesetzt. Zur Bestimmung der Reglerparameter werden die Einstellregeln von
Ziegler und Nichols verwendet [51]. Es wurden auch alternative Verfahren, wie
z. B. die Methode von Chien, Hrones und Reswick [52], ausgetestet, allerdings
brachte dies keine entscheidene Verbesserung des Regelverhaltens.
Das Blockschaltbild der verwendeten PID-Regelung ist in Bild 5.2 dargestellt.
Dabei beschreibt MUX einen Multiplexer, der die Stellsignale der drei Koordinaten auf eine Sammelleitung führt. Der DEMUX-Block ist ein Demultiplexer, der
aus einer Sammelleitung die drei Koordinaten extrahiert.
Das konstante Signal u∗ = [0 0
− 6821, 7V ]T beschreibt den Stellgrößen-
vektor im Linearisierungspunkt (siehe Abschnitt 5.2). Dieser Wert wird dem
Stellsignal des PID-Reglers überlagert. Für den Fall, daß sich das System exakt im Linearisierungspunkt befindet, wird also das Stellsignal des PID-Reglers
KAPITEL 5. REGELUNG
PIDx
42
u*
+
r(k) +
-
DEMUX
PID y
MUX
0.1s+1 +
0.01s+1
u(k)
HG
u(t)
τ ys(k)
x = f(x, u) y(t) +
+
y= Cx
d(t)
.
PID z
Bild 5.2: Blockschaltbild für die PID-Regelung
zu Null. Es ist zu beachten, daß der Wert für u∗ von der Führungsgröße r(k)
abhängt. Da in dieser Arbeit immer r = [0 0 4mm]T gelten soll, ist die feste
Einstellung von u∗ gerechtfertigt.
Weiterhin sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß in der gesamten Arbeit
ein dünner Pfeil für skalare Größen und ein fetter Pfeil für vektorielle Größen
verwendet wird.
In der Simulation soll nun das Verhalten des Systems bei einer Störung d(t),
die durch eine Ladungsänderung verursacht wird, untersucht werden. Aus vorangehenden Echtzeit-Tests weiß man, daß beim Abheben der Probe die Ladung
qs = 1, 3 · 10−10 C beträgt. Dies stimmt sehr gut mit dem aus Gl. (3.11) theore-
tisch ermittelten Wert von qs = 1, 43 · 10−10 C überein. Zu Vergleichszwecken mit
den Echtzeitergebnissen wird aber der in der Praxis bestimmte Wert verwendet.
Durch Bestrahlung der Probe mit UV-Licht erhöht sich die Ladung um 15% auf
qs = 1, 5 · 10−10 C. Zu Beginn des Experimentes befindet sich die Probe in der
Mitte zwischen den Levitationselektroden, d. h. x = y = 0mm und z = 4mm.
Die Positionssignale sind in dem Regelgrößenvektor ys zusammengefaßt. Für
diesen Versuch mit Ladungserhöhung sind die Simulationsergebnisse in Bild 5.3
dargestellt. Dabei ist p die mit einem Skalierungsfaktor gewichtete Probenladung
p = 1010 · qs . Die Resultate für die horizontalen Koordinaten x und y bzw. ux und
uy sind hier nicht gezeigt, da sie unverändert bleiben. Dies ist auch zu erwarten,
da unabhängig von der Größe der Probenladung durch ein Stellsignal von 0V die
KAPITEL 5. REGELUNG
43
−5
uz/kV
−6
−7
−8
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
z/mm
6
5
4
3
1.6
p
1.5
1.4
1.3
1.2
Bild 5.3: Simulation PI-Regler: Ladungserhöhung
Probe in der Position 0mm gehalten wird.
Betrachtet man nun das vertikale Positionssignal z, so erkennt man, daß nach
der Ladungserhöhung die maximale Positionsänderung 0, 4mm beträgt und nach
0, 5s der ursprüngliche Wert von z = 4mm wieder erreicht wird. Wegen der
höheren Ladung der Probe ist nun eine um ca. 1kV betraglich niedrigere Spannung an den Levitationselektroden notwendig, um die Probe in der Schwebe zu
halten.
Im späteren Betrieb der Anlage treten jedoch keine Ladungserhöhungen, sondern Ladungsverluste während des Aufheizvorgangs der Proben auf. Prinzipiell
macht dies für die Regelung keinen Unterschied, aber die zu erwartenden Verluste sind möglicherweise größer als 15%. Daher wird eine Simulation durch-
KAPITEL 5. REGELUNG
44
geführt, in der die Ladung der Probe um mehr als 40% von qs = 1, 43 · 10−10 C
auf qs = 0, 83 · 10−10 C abnimmt. Bei derart großen Ladungsänderungen können
auch die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Reglertypen besser verglichen
werden. In Bild 5.4 ist die Simulation eines Experimentes mit Ladungsverlust
dargestellt. Hier beträgt die maximale Änderung der vertikalen Probenposition
−5
uz/kV
−10
−15
−20
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
5
z/mm
4
3
2
1
1.4
p
1.2
1
0.8
0.6
Bild 5.4: Simulation PI-Regler: Ladungsverlust
2mm und die Ausregelzeit ca. 0, 7s. Nach dem negativen Ladungssprung hat sich
der Betrag der Spannung an den Levitationselektroden um etwa 5kV vergrößert.
5.1.2
Echtzeit
In Bild 5.5 ist das Echtzeitverhalten des PI-Reglers bei Ladungserhöhung der
Probe durch Bestrahlung mit UV-Licht dargestellt. Da in den Echtzeitversuchen
ux/kV
KAPITEL 5. REGELUNG
45
2
0
−2
uy/kV
x/mm
12
12.5
13
13.5
14
14.5
t/s
15
15.5
16
16.5
17
12.5
13
13.5
14
14.5
t/s
15
15.5
16
16.5
17
12.5
13
13.5
14
14.5
t/s
15
15.5
16
16.5
17
12.5
13
13.5
14
14.5
t/s
15
15.5
16
16.5
17
12.5
13
13.5
14
14.5
t/s
15
15.5
16
16.5
17
12.5
13
13.5
14
14.5
t/s
15
15.5
16
16.5
17
0.5
0
−0.5
12
2
0
−2
y/mm
12
0.5
0
−0.5
12
uz/kV
0
−5
−10
z/mm
12
6
4
12
Bild 5.5: Echtzeit PI-Regler: Ladungserhöhung
die Positions- und infolgedessen auch die Spannungssignale in horizontaler Richtung niemals exakt Null werden, macht sich die Ladungsänderung auch bei x
und y bzw. bei ux und uy bemerkbar. In dem vorliegenden Echtzeitexperiment
wird die Deuteriumlampe bei t = 13, 4s angeschaltet. Dies hat zur Folge, daß die
Kugel um maximal 0, 8mm in vertikaler Richtung ausgelenkt wird. In weniger
als 0, 5s ist die Störung ausgeregelt. Der Betrag des Spannungssignals an den
Levitationselektroden vermindert sich nach der Ladungserhöhung um 1, 7kV . In
x- und y-Richtung sind kleine, aber immerhin erkennbare Positionsänderungen
von 0, 1mm bzw. 0, 2mm zu beobachten.
Beim Vergleich von Simulation und Echtzeit fällt auf, daß die Simulation ein
besseres Regelverhalten, d. h. eine geringere Auslenkung des z-Signals, vorher-
KAPITEL 5. REGELUNG
46
sagt als dies in dem Experiment wirklich der Fall ist. Dies deutet auf kleine
Ungenauigkeiten im Zustandsraummodell hin. Allerdings treten diese Differenzen zwischen Simulation und Echtzeit bei anderen Reglertypen, wie z. B. bei den
beiden “Gain Scheduling”-Verfahren (vgl. Abschnitt 5.4) nicht auf.
5.2
Linearisierung und Berechnung der Zustandsrückführung
Die robusten und adaptiven Reglerentwürfe basieren auf dem Modell gemäß Gl.
(4.5). Zur Vereinfachung des Reglerentwurfes wird das nichtlineare Zustandsraummodell linearisiert [53]. Dies ist insofern gerechtfertigt, als die Experimente
bei einer fest definierten Probenposition durchgeführt werden und die Auslenkungen aus der Ruhelage nur sehr gering sind. Beim robusten Reglerentwurf
wird das Modell nach Gl. (4.5) in einem Arbeitspunkt linearisiert, bei den “Gain
Scheduling”-Ansätzen werden zwei lokale lineare Modelle bestimmt, die das Extremverhalten des Systems beschreiben. Hier wird zunächst auf die Linearisierung bei der robusten Regelung eingegangen. Die Details zur Linearisierung beim
“Gain Scheduling”-Verfahren sind in Abschnitt 5.4.1 beschrieben.
Als Linearisierungspunkt wird x∗ = [0 0 0 0 0, 004m 0]T und u∗ =
[0 0
− 6821, 7V ]T gewählt. Diese Werte folgen aus der Tatsache, daß der
Sollwert fest auf r = [0 0 4mm]T eingestellt wird. Die Linearisierung speziell
um den oben angegebenen Punkt erfolgt im Hinblick auf eine spätere Untersuchung des Störverhaltens des Reglers. Der Linearisierungspunkt entspricht den
nominalen Arbeitsbedingungen. Damit erhält man ein System der Form
∆ẋ = Al ∆x + Bl ∆u
(5.14)
KAPITEL 5. REGELUNG
47
mit






Al = 





0 1 0 0
0 0 0 0
0 0 0 1
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0
0


0
0
0


 0, 001
0
0
0 





0
0
0
0 
 , Bl =  0


0, 001
0
0
0 
 0


 0
0
0
0
1 


0
0
−0, 0016
253, 1 0
0






 .





Ähnlich wie bei der Modellvalidierung ist es wegen der Instabilität des Systems
unmöglich, im offenen Regelkreis festzustellen, wie gut die lineare Beschreibung
das nichtlineare Modell annähert. In Bild 5.6 ist die Struktur des linearen Zustandsreglers dargestellt. Es ist zu beachten, daß ∆x und dementsprechend auch
∆u zu Null werden, wenn sich das System exakt im Linearisierungspunkt befindet.
Für den Reglerentwurf stellt es sich als sinnvoll heraus, getrennte Modelle
für die Regelung der drei Koordinaten x, y und z zu verwenden. Dies hat den
entscheidenen Vorteil, daß man die Lage der Eigenwerte des geschlossenen Regelkreises für alle drei Dimensionen unabhängig voneinander wählen kann, wodurch
das Regelverhalten viel exakter beeinflußt werden kann. Im nichtlinearen Modell sind die drei Koordinaten zwar gekoppelt, aber in dem linearisierten Modell
nach Gl. (5.14) tritt diese Kopplung nicht mehr auf, so daß es zulässig ist, diese
Aufteilung in drei Teilmodelle durchzuführen. Dazu wird jeweils ein Teilsystem
durch zwei aufeinanderfolgende Zeilen der Matrizen Al und Bl gebildet.
Der
Einfachheit
halber
wird
im
folgenden
gezeigt,
wie
standsrückführungsmatrix für das Gesamtsystem ermittelt wird.
die
Zu-
Tatsächlich
werden jedoch für jedes Teilsystem getrennte Zustandsregler berechnet und anschließend zu einem Gesamtregler zusammengefaßt. Zur Reglersynthese wird das
linearisierte Modell mit der Abtastzeit 2ms diskretisiert [54], [55]. Man erhält
x(k + 1) = Ad x(k) + Bd u(k)
y(k) = Cd x(k) .
(5.15)
Zur Vermeidung einer von Null verschiedenenen Regelabweichung e(k) bei Aufschaltung einer Führungsgröße r(k) muß eine Integration der Regelabweichung
KAPITEL 5. REGELUNG
erfolgen.
48
Hierfür wird ein Regler mit PI-ähnlicher Struktur verwendet (sie-
he Bild 5.6). Man bekommt drei neue Integratorzustände ζ(k), die sich über
u*
r(k) +
e(k)
-
(k)
z-1
1-z-1
+
FI
+
d(k)
u(k)
+
+
Bd
x(k+1)
+
z-1
x(k)
Cd
y(k) ++
ys(k)
Ad
∆u
∆x
F
+
-
x*
Bild 5.6: Zustandsregler mit zusätzlicher Ausgangsrückführung über einen IRegler
ζ(k + 1) =ζ(k) + r(k) − ys (k) berechnen lassen. Der um die Integratorzustände
erweiterte Zustandsvektor lautet
x̄ =
"
x
ζ
#
.
(5.16)
Damit ergibt sich das erweiterte Zustandsraummodell
x̄(k + 1) = Ād x̄(k) + B̄d u(k) + R̄r(k) + D̄d(k)
y(k) = C̄d x̄(k)
(5.17)
mit
Ād =
"
Ad
0
#
"
Bd
#
, B̄d =
, R̄ =
−Cd I
0
"
#
h
i
0
D̄ =
, C̄d = Cd 0
.
−I
"
0
I
#
,
(5.18)
Um zu große Überschwinger beim Abheben der Probe zu vermeiden, die im
Extremfall dazu führen können, daß die Probe die obere Levitationselektrode
berührt und das Experiment neu gestartet werden muß, werden die Führungsgrößen mit Hilfe eines P T1 -Gliedes vorgefiltert. Bei der Wahl der Zeitkonstanten
KAPITEL 5. REGELUNG
49
muß ein Kompromiß zwischen der Größe des Überschwingers und der gewünschten Ausregelzeit gefunden werden.
Die lineare Zustandsrückführungsmatrix F und die dem Integrator nachgeschaltete Matrix FI sollen nun so bestimmt werden, daß die Anforderungen an
die Regelung erfüllt werden. Das Regelgesetz ergibt sich mit der “ erweiterten”
Zustandsgrößenrückführung
#
"
h
i x(k) − x∗
u = F FI
+ u∗ = F̄x̄(k) − Fx∗ + u∗ ,
ζ(k)
(5.19)
wobei
F̄ =
h
F FI
Aus Gl. (5.17) bekommt man mit Gl. (5.19)
i
.
x̄(k + 1) = (Ād + B̄d F̄)x̄(k) − B̄d Fx∗ + B̄d u∗ + R̄r(k) + D̄d(k) .
(5.20)
Hieraus erhält man die Systemmatrix des um den Integrator erweiterten Modells
zu
Ād + B̄d F̄ =
"
Ad + B d F B d F I
−Cd
I
#
.
(5.21)
Dadurch, daß die Matrix FI in die erweiterte Zustandsrückführung F̄ mit einbezogen wird, ist es nun möglich, mit Hilfe des konvexen Suchverfahrens die beiden
Matrizen F und FI in einem Schritt zu bestimmen.
Zur Berechnung der erweiterten Zustandsrückführungsmatrix wird das Konzept der Polvorgabe für den geschlossenen Regelkreis mit Lösung mittels des
LMI-Verfahrens verwendet [56]. Damit ist es möglich, die Regelgüte zu beeinflussen, indem die Pole des geschlossenen Kreises in einem bestimmten vorgegebenen Gebiet angeordnet werden. Beim zeitdiskreten Reglerentwurf, der hier
betrachtet wird, werden für die Beschreibung des Regelverhaltens des Systems
im Einheitskreis der komplexen z-Ebene liegende Ellipsen gewählt, innerhalb derer die Pole des geschlossenen Regelkreises plaziert werden (siehe Bild 5.7). Die
Ellipsen-Parameter lauten q, r1 und r2 . Durch Verschieben dieser “LMI-Region”
KAPITEL 5. REGELUNG
50
Bild 5.7: Anordnung der Pole des geschlossenen Regelkreises in der z-Ebene
näher zum Ursprung wird die Regelung schneller, allerdings wird auch der Überschwinger größer. Der vertikale Radius r2 der Ellipse bestimmt die Dämpfung
des Systems.
Zusätzlich wird die Polgebietsvorgabe mit einem quadratischen Gütekriterium
kombiniert [57]
V =
∞
X
£
k=0
x̄T (k)Wx x̄(k) + uT (k)Wu u(k)
¤
.
(5.22)
Dabei sind Wx und Wu symmetrische, positiv semidefinite Bewertungsmatrizen.
Die Zustände können über die Matrix Wx und die Stellgrößen über Wu gewichtet
werden. Es läßt sich also festhalten, daß für die Bestimmung der erweiterten
Zustandsrückführung die quadratische Optimierung durch eine Polgebietsvorgabe
eingeschränkt wird [58].
KAPITEL 5. REGELUNG
51
Während die Linearisierung des Modells bei allen Regelverfahren durchgeführt
wird, ist die Bestimmung der Zustandsrückführung nicht immer notwendig. Die
hier dargestellte Berechnung der Zustandsrückführungsmatrix ist die Grundlage
für den robusten Reglerentwurf mit schneller Ausgangsabtastung und Identitätsbeobachter. Beim lokalen “Gain Scheduling”-Entwurf werden auf diese Weise
zwei lokale Zustandsregler bestimmt. Die Berechnung der Zustandsrückführungen beim globalen “Gain Scheduling”-Entwurf unterscheidet sich jedoch von dem
oben beschriebenen Ansatz und wird in Abschnitt 5.4.1 erläutert.
Für den
H∞ -Entwurf wird die Zustandsrückführungsmatrix nicht benötigt. Auf die H∞ Reglerberechnung wird in Abschnitt 5.3.1 eingegangen.
5.3
Robuste Regelung
Die meisten Verfahren zur Reglersynthese setzen ein Modell der Regelstrecke voraus. Da es häufig unmöglich ist, das System exakt zu beschreiben, ist es für die
praktische Anwendung wichtig, daß der Regler robust ist, d. h. unempfindlich gegenüber Abweichungen des Regelstreckenmodells von dem realen System. Wenn
das dynamische Verhalten des realen Prozesses und des Modells nicht vollkommen übereinstimmen, liegt es meistens daran, daß sich die Systemeigenschaften
zeitlich ändern. Zeitvariantes Regelstreckenverhalten kann zum Beispiel durch
unvorhersehbare Parameteränderungen oder Parameterunsicherheiten verursacht
sein.
Neben dem Ziel der Robustheit sind beim Reglerentwurf auch Anforderungen
an die Qualität der Regelung zu erfüllen. Dies bedeutet, daß die Regelgüte in
der Gegenwart von Modellunsicherheiten und Störungen optimiert werden soll.
Es muß also ein Kompromiß zwischen erreichbarer Regelgüte und Robustheit
gefunden werden.
In diesem Kaptitel werden drei robuste Regelverfahren vorgestellt und in
Simulations- und Echtzeitversuchen auf die elektrostatische Levitationsanlage angewendet. Es wird beschrieben, wie bei den verschiedenen Methoden zur Regelung mittels H∞ -Optimierung, schneller Ausgangsabtastung und Identitätsbeobachter bei garantierter Stabilität gegenüber bestimmten Modellunsicherheiten
KAPITEL 5. REGELUNG
52
gleichzeitig die Regelgüte optimiert werden kann. Zu beachten ist, daß der H∞ Entwurf im Frequenzbereich stattfindet, wohingegen die beiden anderen Verfahren im Zeitbereich durchgeführt werden. Bei allen drei Verfahren werden neuartige LMI-Methoden zur Reglersynthese verwendet.
5.3.1
H∞ -Regelung
Bei der H∞ -Regelung wird durch Optimierung der Amplitudengänge von Übertragungsfunktionen die Regelgüte und Robustheit des Systems beeinflußt [59] [65]. Die H∞ -Norm der stabilen Übertragungsfunktion G(s) mit dem Eingangssignal u(t) und dem Ausgangssignal ys (t) ist im SISO-Fall als
kG(s)k∞ =
kys (t)k2
ku(t)k2 6=0 ku(t)k2
sup
(5.23)
definiert. Dabei beschreibt ku(t)k2 die 2-Norm von u(t), was gleichbedeutend mit
der Wurzel aus der Energie des Signals u(t) ist. Da für s = jω die Übertragungs-
funktion in den Frequenzgang G(jω) übergeht, entspricht Gl. (5.23) dann dem
Maximum des Amplitudengangs
kG(s)k∞ = sup |G(jω)| .
(5.24)
ω∈R
Bei Mehrgrößensystemen ist die Beurteilung der Stabilität des Gesamtsystems
anhand der Amplitudengänge der Einzelübertragungsfunktionen sehr schwierig.
Deshalb werden bei Mehrgrößensystemen ersatzweise oft die Frequenzgänge der
singulären Werte betrachtet, die eine relativ einfache Abschätzung des Systemverhaltens erlauben. Die singulären Werte σi (jω) einer Übertragungsmatrix G(jω)
mit r Eingangs- und v Ausgangsgrößen sind definiert als Lösungen der Eigenwert-/ Eigenvektorgleichung
[σi2 (jω)I − GT (−jω)G(jω)]vi (jω) = 0 mit i = 1, . . . , r .
(5.25)
Aus dieser Gleichung läßt sich der betragsmäßig größte singuläre Wert
σmax (jω) = max{σi (jω), i = 1, . . . , r} zu
σmax (jω) = max
u
kys (jω)k2
kG(jω)u(jω)k2
= max
u
ku(jω)k2
ku(jω)k2
(5.26)
KAPITEL 5. REGELUNG
53
bestimmen, wobei ku(jω)k2 =
p
uT (jω)u(jω) die euklidische Norm des Vektors
u(jω) bezeichnet.
Empfindlichkeitsfunktionen
Eine überaus wichtige Rolle beim H∞ -Entwurf spielen Empfindlichkeitsfunktionen. Das Ziel der H∞ -Regelung ist es, durch Optimierung der Amplitudengänge
von Empfindlichkeitsfunktionen eine gewünschte Regelgüte und Robustheit zu
erreichen. Betrachtet man den in Bild 5.8 dargestellten SISO-Standardregelkreis
r +
e
K
-
u
G0
++
d
ys
Bild 5.8: SISO-Standardregelkreis
mit der nominalen Regelstrecke G0 (jω), dem Regler K(jω) und dem Störsignal
d(jω), so ist die Regelgüte-Empfindlichkeitsfunktion S(jω) durch das Übertragungsverhalten zwischen d(jω) und der Regelgröße ys (jω) definiert, also
ys (jω) =
1
d(jω) = S(jω)d(jω) .
1 + K(jω)G0 (jω)
(5.27)
1
.
1 + K(jω)G0 (jω)
(5.28)
Es folgt
S(jω) =
In diesem Zusammenhang kann S(jω) auch als das Übertragungsverhalten zwischen der Führungsgröße r(jω) und der Regelabweichung e(jω) interpretiert werden: e(jω) = S(jω)r(jω). Im stationären Zustand soll die Regelabweichung und
der Einfluß von Störungen auf das Ausgangssignal möglichst gering sein. Dies
bedeutet, daß die Empfindlichkeitsfunktion S(jω) im niederfrequenten Bereich
eine kleine Amplitude annehmen soll, d. h.
S(jω) ¿ 1 für ω klein .
(5.29)
KAPITEL 5. REGELUNG
54
Zu höheren Frequenzen hin nimmt die Regelabweichung zu, da die Regelstrecke
normalerweise Tiefpaßverhalten besitzt, so daß die Regelgröße dem Sollwert nicht
beliebig schnell folgen kann. Daher steigt die Regelgüte-Empfindlichkeitsfunktion
bis auf den Wert 1 bei ω → ∞.
Um ein unsicheres System zu beschreiben, ersetzt man die nominale Regel-
strecke G0 (jω) durch
G(jω) = (1 + ∆m (jω))G0 (jω)
(5.30)
Dabei stellt der Faktor ∆m (jω) die multiplikative Modellunsicherheit dar und
beschreibt die Abweichungen des realen Regelstreckenmodells von dem nominalen System. Das Ziel des robusten Reglerentwurfes muß sein, daß der geschlossene Regelkreis für alle vorkommenden Werte von ∆m (jω) stabil bleibt. Die
Regelgüte-Empfindlichkeitsfunktion des Regelkreises mit G(jω) nach Gl. (5.30)
lautet
S∆m (jω) =
1
1
= S(jω)
.
1 + (1 + ∆m (jω))K(jω)G0 (jω)
1 + ∆m (jω)T (jω)
(5.31)
Dabei wird die Funktion
T (jω) =
K(jω)G0 (jω)
1 + K(jω)G0 (jω)
(5.32)
als Empfindlichkeitsfunktion für multiplikative Modellunsicherheiten oder als
komplementäre Empfindlichkeitsfunktion bezeichnet. Im Standardregelkreis ist
T (jω) identisch mit der Führungsübertragungsfunktion, da
ys (jω) =
K(jω)G0 (jω)
r(jω) = T (jω)r(jω) .
1 + K(jω)G0 (jω)
(5.33)
Bei niedrigen Frequenzen soll T (jω) möglichst den Wert 1 annehmen, weil in
diesem Fall die Regelgröße der Führungsgröße entspricht. Bei höheren Frequenzen
kann dies nicht mehr gewährleistet werden, so daß T (jω) für ω → ∞ gegen Null
geht. Weiterhin ist die komplementäre Empfindlichkeitsfunktion T (jω) mit der
Regelgüte-Empfindlichkeitsfunktion S(jω) über den Zusammenhang
S(jω) + T (jω) = 1
(5.34)
KAPITEL 5. REGELUNG
55
verknüpft. Wenn der Regler die nominale Regelstrecke G0 (jω) stabilisiert, d. h.
S(jω) stabil ist, dann folgt aus Gl. (5.31) als Bedingung für robuste Stabilität
des Gesamtsystems, daß
1
(5.35)
1 + ∆m (jω)T (jω)
stabil sein muß. Diese Forderung ist aufgrund des Nyquist-Kriteriums garantiert
erfüllt, wenn ∆m (jω) und T (jω) stabil sind und
|∆m (jω)T (jω)| < 1 ∀ ω
(5.36)
gilt. Normalerweise ist der genaue Verlauf der multiplikativen Modellunsicherheit
∆m (jω) unbekannt. Jedoch ist es möglich, über Gewichtungsfunktionen, auf die
im weiteren Verlauf dieses Abschnitts eingegangen wird, die maximal erlaubte
Amplitude von ∆m (jω) festzulegen.
Neben multiplikativen Modellunsicherheiten werden häufig auch additive Modellunsicherheiten ∆a (jω) zur Beschreibung von unsicheren Systemen verwendet.
Die Übertragungsfunktion der Regelstrecke lautet dann
G(jω) = G0 (jω) + ∆a (jω) .
(5.37)
Analog zu Gl. (5.31) läßt sich mit
S∆a (jω) =
1
1
= S(jω)
1 + (G0 (jω) + ∆a (jω))K(jω)
1 + ∆a (jω)R(jω)
(5.38)
die Empfindlichkeitsfunktion für additive Modellunsicherheiten
R(jω) =
K(jω)
1 + G0 (jω)K(jω)
(5.39)
ableiten. R(jω) wird auch als Stellgrößen-Empfindlichkeitsfunktion bezeichnet.
Allerdings sind additive Unsicherheitsmodelle bei integralen Regelstrecken oftmals kritisch [66]. Die Modellbeschreibung des elektrostatischen Levitators hat
doppelintegrales Verhalten (siehe Kapitel 4). Bei Variationen der Probenladung
führt dies dazu, daß im niedrigen Frequenzbereich die Modellunsicherheit ∆a (jω)
über alle Grenzen wächst. Aus diesem Grund wird in den weiteren Ausführungen
die Stellgrößen-Empfindlichkeitsfunktion nicht mehr berücksichtigt.
KAPITEL 5. REGELUNG
56
Im Mehrgrößenfall sind die Empfindlichkeitsmatrizen und das multiplikative
Unsicherheitsmodell analog zu den Gln. (5.28), (5.30) und (5.32) definiert:
S(jω) = (I + K(jω)G0 (jω))−1
(5.40)
G(jω) = (I + ∆m (jω))G0 (jω)
(5.41)
T(jω) = K(jω)G0 (jω)(I + K(jω)G0 (jω))−1 .
(5.42)
Gewichtungsfunktionen
Beim optimalen H∞ -Entwurf ist die gezielte Beeinflussung der Amplitudengänge
der Empfindlichkeitsfunktionen von großer Bedeutung. Über Gewichtungsfunktionen We (jω) und Wy (jω) wird im SISO-Fall der Betrag der Empfindlichkeitsfunktionen S(jω) und T (jω) nach oben begrenzt. Dies geschieht durch geeignete
Wahl des Reglers K(jω). Die Wahl der Gewichtungsfunktionen wirkt sich also
unmittelbar auf die Regelung aus. Die Regelkreisstruktur ist in Bild 5.9 darge-
We
r+
e
-
K
u
G0
+ d y
s
+
Wy
ze
zy
Bild 5.9: Regelkreisstruktur für die H∞ -Regelung
stellt. Durch eine etwas andere Anordnung läßt sich der Regler K(jω) mit den
unbekannten Parametern von den restlichen Blöcken, die bereits bekannt sind,
trennen. Zur Berechnung eines H∞ -Reglers erhält man also eine erweiterte Regelkreisstruktur nach Bild 5.10. In dieser äquivalenten Darstellung beschreibt
die Frequenzgangmatrix Perw (jω) die erweiterte Regelstrecke und enthält alle
bekannten Parameter des Regelkreises inklusive der Gewichtungsfunktionen, die
die Anforderungen an die Regelgüte und Robustheit des Regelkreises festlegen.
KAPITEL 5. REGELUNG
57
ze
w
zy
P erw
u
K
e
Bild 5.10: Erweiterte Regelkreisstruktur für die H∞ -Regelung
Die Zustandsraumdarstellung der erweiterten Regelstrecke lautet im SISO-Fall:
ẋ = Ax + b1 w + b2 u
(5.43)
z = C1 x + d11 w + d12 u
(5.44)
e = cT
2 x + d21 w + d22 u .
(5.45)
Dabei sind die Ein- und Ausgangssignale der erweiterten Regelstrecke folgendermaßen definiert:
• w: Äußeres Signal, das auf den Regelkreis einwirkt (Sollwertsignal r oder
Störsignal d)
• u: Stellgröße der Regelstrecke
• z = [ze
zy ]T : Verallgemeinerter Ausgangsvektor (frequenzgewichtete Re-
gelabweichung ze und Regelgröße zy )
• e: Regelabweichung (meßbares Signal der erweiterten Regelstrecke, das auf
den Regler zurückgeführt wird)
KAPITEL 5. REGELUNG
58
Die verallgemeinerte Ausgangsgröße z = [ze
zy ]T wird über
ze (jω) = We (jω)e(jω) und zy (jω) = Wy (jω)ys (jω)
(5.46)
bestimmt. Mit
ys (jω) = S(jω)d(jω) bzw. e(jω) = S(jω)r(jω)
(5.47)
aus Gl. (5.27) und
ys (jω) = T (jω)r(jω)
(5.48)
aus Gl. (5.33) folgt
z(jω) =
"
We (jω)S(jω)
Wy (jω)T (jω)
#
r(jω) .
(5.49)
Ein optimaler H∞ -Regler muß also die Bedingung für garantierte Regelgüte
|We (jω)S(jω)| ≤ 1 ∀ ω
(5.50)
und für robuste Stabilität bei multiplikativen Modellunsicherheiten
|Wy (jω)T (jω)| ≤ 1 ∀ ω
(5.51)
erfüllen. Im Mehrgrößenfall muß entsprechend den Gln. (5.50) und (5.51)
σmax {We (jω)S(jω)} ≤ 1 ∀ ω
(5.52)
σmax {Wy (jω)T(jω)} ≤ 1 ∀ ω
(5.53)
und
gelten, wobei We (jω) und Wy (jω) Gewichtungsmatrizen darstellen.
Entwurfskriterien
Wie in Abschnitt 5.2 beschrieben, werden die Ortskoordinaten x, y und z beim
Reglerentwurf entkoppelt. Daher werden im folgenden die Entwurfskriterien für
den SISO-Fall erläutert.
KAPITEL 5. REGELUNG
59
Mit der Definition der Empfindlichkeitsfunktionen, der Modellunsicherheit
und der Gewichtungsfunktionen sind die Grundlagen geschaffen, um die Anforderungen an die Regelgüte und die Robustheit des geschlossenen Regelkreises
systematisch zu beschreiben. Zur numerischen Auswertung dieser Anforderungen ist die Verwendung der H∞ -Norm, die in Gl. (5.24) eingeführt wurde, sehr
nützlich. Damit können die Bedingungen für garantierte Regelgüte und robuste
Stabilität aus den Gln. (5.50) und (5.51) sehr einfach als
kWe (jω)S(jω)k∞ ≤ 1
(5.54)
kWy (jω)T (jω)k∞ ≤ 1
(5.55)
und
angegeben werden. Die Gln. (5.54) und (5.55) können in dem sogenannten “mixed
sensitivity criterion”
°
° W (jω)S(jω)
° e
°
° Wy (jω)T (jω)
°
°
°
°
°
∞
≤1
(5.56)
zusammengefaßt werden. Im allgemeinen möchte man durch den Reglerentwurf
jedoch nicht nur erreichen, daß die H∞ -Norm des Gütefunktionals aus Gl. (5.56)
kleiner als 1 ist, sondern daß die zugehörige H∞ -Norm minimal wird. Das Ziel
des H∞ -Entwurfs ist also, das Gütefunktional als Funktion der Reglerparameter
so zu optimieren, daß die Forderung
°
°
° W (jω)S(jω) °
° e
°
°
° ≤ γopt
° Wy (jω)T (jω) °
mit γopt = min
(5.57)
∞
erfüllt ist.
“Loop Shaping”-Methode zum Reglerentwurf
Die “Loop Shaping”-Methode ist ein Verfahren, bei dem verschiedene Gesichtspunkte des Regelkreises wie Führungsverhalten, Bandbreite, Störungsunterdrückung, Robustheit gegenüber der Modellunsicherheit und Amplitudenbegrenzung im Frequenzbereich spezifiziert werden können. Das “Loop Shaping” beinhaltet vier Schritte:
KAPITEL 5. REGELUNG
60
1. Formulierung der Entwurfsspezifikationen in Form einer GütefunktionalOptimierung,
2. Grafischer Entwurf der Gewichtungsfunktionen,
3. Spezifikation der Reglerstruktur und
4. Entwurf eines H∞ -Reglers.
Nachdem die Anforderungen an die Regelung in Form eines “mixed sensitivity
criterion” gemäß Gl. (5.56) festgelegt wurden, folgt der Entwurf der Gewichtungsfunktionen. Die grafische Festlegung bietet eine Alternative zur numerischen Berechnung der Gewichtungsfunktionen und spielt eine große Rolle beim optimalen
H∞ -Reglerentwurf. Deshalb werden im folgenden einige Regeln zur Wahl der Gewichtungsfunktionen erläutert. Die wichtigste Kenngröße beim Entwurf ist die
Durchtrittsfrequenz ωs der Regelstrecke. Für Frequenzwerte, die wesentlich kleiner als ωs sind, kann eine hohe Regelgüte (d. h. S(jω) ¿ 1) schon mit geringem
Stellaufwand erreicht werden, weil G0 (jω)K(jω) À 1 für ω < ωs . Im oberen Fre-
quenzbereich ist dies dagegen nur durch eine große Reglerverstärkung möglich.
Um den Stellaufwand zu begrenzen, sollte die Bandbreite des geschlossenen Kreises, die durch die Durchtrittsfrequenzen ωe und ωy der Gewichtungsfunktionen
We (jω) und Wy (jω) bestimmt wird, zwar größer sein als ωs , aber nicht allzu groß.
Gute Werte liegen im Bereich ωs ≤ ωe ≤ ωy ≤ 2ωs . Folgende Strategie kann bei
der Wahl von ωe und ωy von Nutzen sein:
• Man vergrößere die Durchtrittsfrequenz ωe , wenn die Regelung zu langsam
ist.
• Man verkleinere die Durchtrittsfrequenz ωy , wenn die Regelung überschwingt.
Neben der Bandbreite ist auch die Phasenreserve des geschlossenen Regelkreises
für die Qualität der Regelung von großer Bedeutung. In der Nähe der Durchtrittsfrequenz sollte deshalb die Amplitude des offenen Regelkreises um ca. 20dB/
Dekade abfallen. Dies entspricht einer Phasenreserve von
π
.
2
Dies wird erreicht,
KAPITEL 5. REGELUNG
61
wenn We (jω) und Wy (jω) für ω ≈ ωs ebenfalls mit 20dB/ Dekade abfallen bzw.
ansteigen.
Bei Regelstrecken mit integralem Verhalten, wie es bei dem elektrostatischen Positionierer der Fall ist, muß zusätzlich beachtet werden, daß die Gewichtungsfunktion We (jω) mindestens ebenso viele Integratoren wie die Regelstrecke
G0 (jω) besitzt [66].
Die Synthese des H∞ -Reglers kann mit verschiedenen Methoden durchgeführt
werden. In dieser Arbeit wird ein LMI-basierter Ansatz verwendet [49], [67].
5.3.1.1
Simulation
Mit der im vorigen Abschnitt beschriebenen “Loop Shaping”-Methode soll ein
diskreter H∞ -Regler entworfen werden. Die im vorigen Abschnitt hergeleiteten
Gleichungen sind im diskreten Fall gültig, wenn das Argument “(jω)” durch
z = ejωτ ersetzt wird, wobei τ die Abtastzeit darstellt.
Die Gewichtungsfunktionen werden grafisch bestimmt.
Dies ist ein sehr
mühsames Verfahren, da bereits kleine Änderungen der vorgegebenen Kurvenverläufe für die Gewichtungsfunktionen teilweise sehr große Einflüsse auf die
Qualität der Regelung haben. Ein gezieltes Suchen nach den optimalen Gewichtungsfunktionen ist bei dieser Methode nahezu unmöglich.
Nachdem die Gewichtungsfunktionen festgelegt sind, können die Regler Kx ,
Ky und Kz jeweils über das diskrete Zustandsraummodell
ξ(k + 1) = AK ξ(k) + bK e(k)
u(k) = cT
K ξ(k) + dK e(k) .
(5.58)
berechnet werden. Dabei fungiert ξ als Hilfszustandsvektor. Das Blockschaltbild
des H∞ -Reglers ist in Bild 5.11 dargestellt. Im folgenden soll auf die Einstellwerte
für den diskreten H∞ -Regler eingegangen werden. In x- bzw. y-Richtung der
Versuchseinrichtung werden die Gewichtsfunktionen
We (z) =
und
0, 6508 − 1, 8681z −1 + 1, 7893z −2 − 0, 5720z −3
1 − 2, 9998z −1 + 2, 9996z −2 − 0, 9998z −3
(5.59)
15, 3827 − 14, 7916z −1
1 − 0, 0431z −1
(5.60)
Wy (z) =
KAPITEL 5. REGELUNG
62
Kx
r(k) + e(k)
-
Ky
DEMUX
u*
MUX
+
+
u(k)
HG
u(t)
.x = f(x,u)
y= Cx
τ
y(t) +
ys(k)
+
d(t)
Kz
Bild 5.11: Blockschaltbild für die H∞ -Regelung
gewählt. In z-Richtung liefern die Gewichtungsfunktionen
We (z) =
0, 4324 + 22, 2038z −1 − 22, 6034z −2
1 − 1, 9984z −1 + 0, 9984z −2
(5.61)
und
198, 1959 − 383, 2916z −1 + 185, 1208z −2
(5.62)
Wy (z) =
1 − 0, 9359z −1 − 0, 0000z −2
ein gutes Regelverhalten. Wie schon im vorigen Abschnitt beschrieben wurde,
ist bei der Wahl von We (jω) darauf zu achten, daß diese Gewichtungsfunktion
mindestens ebenso viele Integratoren wie die Regelstrecke, also zwei, besitzt.
Mit der oben genannten Wahl der Gewichtungsfunktionen ergeben sich für
die x- und y-Richtung die Reglermatrizen bzw. -vektoren

0, 0045 0, 0009 −0, 0106 −0, 2576 −0, 2374

 0, 0314 0, 0088 −0, 0953 −2, 3060 −2, 1256


 0, 0043 0, 0011 −0, 0121 −0, 3158 −0, 2910
AK = 103 

0, 0005
 −0, 0000 0, 0000 −0, 0000 0, 0006

 0, 0000 0, 0000 −0, 0000 0, 0002
0, 0001

0, 0000 0, 0000 −0, 0000 0, 0000 −0, 0000
−0, 0227


−0, 2033 


−0, 0278 
 ,

0, 0000 

−0, 0000 

0, 0010
KAPITEL 5. REGELUNG
63

9
cT
K = 10
h





bK = 





0, 0619


−0, 0051 


−0, 0152 
 ,

−0, 0023 

−0, 0023 

−0, 0005

h
,
−0, 0947

i
,
dK = 0 .
Für die z-Richtung lauten die Reglermatrizen

1, 2242 −1, 9112 −1, 4632 0, 0634 −0, 9567

 −1, 1444 10, 6622
7, 3924 −0, 3205 4, 8365


 −0, 6898 5, 8359
5, 4655 −0, 1936 2, 9212
AK = 

0, 0030
1, 0907
0, 0019
 −0, 0005 0, 0040

 3, 8253 −32, 1312 −24, 5386 1, 0572 −15, 0320

−0, 0001 0, 0007
0, 0005
0, 0971
0, 0003
7
cT
K = 10
i
0, 0154 0, 0038 −0, 0467 −1, 1289 −1, 0406 −0, 0995





bK = 





0, 2358

0, 4785 


0, 2890 
 ,

−1, 7402 

−1, 5848 

−0, 1550


−0, 0118 


0, 0982 
 ,

−0, 0001 

0, 3336 

−0, 0000
0, 6954 −5, 8667 −4, 4865 0, 1942 −2, 9298 −0, 2901
dK = 0 .
In Bild 5.12 ist das Regelverhalten für eine sprungförmige Ladungsänderung von
qs = 1, 3 · 10−10 C auf qs = 1, 5 · 10−10 C dargestellt. Dabei ändert sich die vertikale
Probenposition um maximal 1, 1mm. Die Ausregelzeit beträgt 0, 5s. Wenn man
dieses Ergebnis mit dem der PID-Regelung vergleicht, so liefert der PID-Regler
(vgl. Bild 5.3) ein eindeutig besseres Regelverhalten. Bei gleicher Ausregelzeit
KAPITEL 5. REGELUNG
64
−5
uz/kV
−6
−7
−8
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
z/mm
6
5
4
3
1.6
p
1.5
1.4
1.3
1.2
Bild 5.12: Simulation H∞ -Regler: Ladungserhöhung
beträgt die maximale Auslenkung der Probe in z-Richtung beim PID-Regler nur
etwa ein Drittel der Auslenkung beim H∞ -Regler.
Weiterhin soll das Regelverhalten bei einer sprungförmigen Abnahme der Probenladung untersucht werden. Bei einer Absenkung der Ladung um 40% wie beim
PID-Regler wird die Regelung instabil. Deswegen wird der Ladungssprung hier
um die Hälfte auf 20% der ursprünglichen Ladung herabgesetzt. Dies entspricht
einer Änderung von qs = 1, 43 · 10−10 C auf qs = 1, 13 · 10−10 C. Die hieraus resultierenden Simulationsergebnisse sind in Bild 5.13 dargestellt. Die maximale
Änderung der vertikalen Probenposition beträgt 2, 1mm. Diese ist größer als
beim PID-Regler (vgl. Bild 5.4), obwohl der Ladungssprung nur halb so groß ist.
Die Ausregelzeit liegt bei ca. 0, 7s.
KAPITEL 5. REGELUNG
65
−5
uz/kV
−10
−15
−20
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
5
z/mm
4
3
2
1
1.4
p
1.2
1
0.8
0.6
Bild 5.13: Simulation H∞ -Regler: Ladungsverlust
5.3.1.2
Echtzeit
Das Echtzeitverhalten des H∞ -Reglers bei einer Ladungserhöhung ist in Bild 5.14
gezeigt. Die UV-Lampe wird bei t = 15, 9s eingeschaltet. Die Probe bewegt sich
durch die Ladungszunahme um maximal 2, 7mm nach oben. Nach 0, 8s hat sie die
Position in der Mitte zwischen den Elektroden wieder erreicht. Im Vergleich zum
PID-Regler (vgl. Bild 5.5) ist die maximale Auslenkung in z-Richtung dreimal so
groß. Auch in x- und y-Richtung ist das Regelverhalten viel schlechter als bei der
PID-Regelung. Bis zu 1mm wird die Probe aus der Ruhelage herausgebracht.
Zur Zurückregelung in die Ausgangsposition werden in horizontaler Richtung
Spannungen von bis zu 1kV angelegt.
ux/kV
KAPITEL 5. REGELUNG
66
2
0
−2
uy/kV
x/mm
15
15.5
16
16.5
17
17.5
t/s
18
18.5
19
19.5
20
15.5
16
16.5
17
17.5
t/s
18
18.5
19
19.5
20
15.5
16
16.5
17
17.5
t/s
18
18.5
19
19.5
20
15.5
16
16.5
17
17.5
t/s
18
18.5
19
19.5
20
15.5
16
16.5
17
17.5
t/s
18
18.5
19
19.5
20
15.5
16
16.5
17
17.5
t/s
18
18.5
19
19.5
20
0.5
0
−0.5
15
2
0
−2
y/mm
15
0.5
0
−0.5
15
uz/kV
0
−5
−10
z/mm
15
6
4
15
Bild 5.14: Echtzeit H∞ -Regler: Ladungserhöhung
5.3.2
Regelung mit schneller Ausgangsabtastung
Bei der Regelung von MIMO-Regelstrecken mittels schneller Ausgangsabtastung
soll auf der Grundlage einer mit Hilfe konvexer Programmierung entworfenen
Zustandsrückführungsmatrix F eine Ausgangsrückführungsmatrix L bestimmt
werden [68] - [75]. Im Gegensatz zur Zustandsrückführung hat die schnelle Ausgangsabtastung den entscheidenden Vorteil, daß sie nicht auf die teilweise nicht
meßbaren Zustände zugreift, sondern auf die Ausgangsgrößen.
Betrachtet werde die als steuerbar und beobachtbar angenommene kontinuierliche Regelstrecke
KAPITEL 5. REGELUNG
67
ẋ = Ax + Bu
(5.63)
y = Cx .
(5.64)
Nun wählt man bei dem Verfahren der schnellen Ausgangsabtastung eine Abtastzeit τ , in der das Stellsignal u konstant gehalten wird. Dieses Intervall wird
wiederum in N Intervalle der Länge ∆ = τ /N aufgeteilt, und die Ausgangssignale
y werden zu den Zeitpunkten t = l∆ mit l = 0, 1, ... gemessen.
Das Stellsignal in dem Intervall kτ ≤ t < (k + 1)τ berechnet sich aus den
letzten N Ausgangsgrößen über die Beziehung:
u(t) = Lyf (t) =
h
L0 L1 · · · LN−1

y(kτ − τ )

i  y(kτ − τ + ∆)


..

.

y(kτ − ∆)




 .


(5.65)
Im weiteren sei (Ad , Bd , Cd ) das mit der Abtastzeit τ und (A∗d , B∗d , Cd ) das mit
der Abtastzeit ∆ diskretisierte Modell bezeichnet, wobei bei konstanter Abtastzeit stets Cd = C gilt. Zur Berechnung der Matrix L stellt man das diskrete
mathematische Modell der Regelstrecke
mit




C0 = 


x(k + 1) = Ad x(k) + Bd u(k)
(5.66)
yf (k + 1) = C0 x(k) + D0 u(k)
(5.67)
Cd
Cd A∗d
..
.
N−1
Cd Ad∗








 ; D0 = 




0
Cd B∗d
..
.
PN −2 ∗j ∗
Cd j=0 Ad Bd







auf. Das diskrete Modell nach den Gln. (5.66) und (5.67) hat zur Zeit t = kτ das
KAPITEL 5. REGELUNG
68
Eingangssignal u(k) = u(kτ ), den Zustand x(k) = x(kτ ) und das Ausgangssignal


y(kτ − τ )


 y(kτ − τ + ∆) 


yf (k) = 
 .
.
..




y(kτ − ∆)
Setzt man nun Gl. (5.66) in Gl. (5.67) ein und berücksichtigt, daß
u(k) = Fx(k)
(5.68)
yf (k) = CF x(k)
(5.69)
CF = (C0 + D0 F)(Ad + Bd F)−1 .
(5.70)
gilt, so erhält man
mit
Das Stellgesetz lautet dann
u(k) = Lyf (k) = LCF x(k) .
(5.71)
Durch Gleichsetzen von Gl. (5.68) und (5.71) bekommt man folgende Bedingung
zur Berechnung der Ausgangsrückführungsmatrix L
LCF = F .
(5.72)
Eine Lösung dieser Gleichung existiert, wenn CF vollen Rang besitzt. Dies ist
der Fall, wenn N ≥ ν gilt, wobei ν den Beobachtbarkeitsindex von (A∗d , B∗d )
beschreibt.
Bei der Betrachtung des geschlossenen Regelkreises muß berücksichtigt werden, daß im allgemeinen keine Meßwerte des Ausgangssignals für t < 0 vorliegen, so daß das Stellsignal u(0) im Intervall 0 ≤ t < τ nicht mit dem Stell-
gesetz aus Gl. (5.71) berechnet werden kann. Da durch die nichtdynamische
schnelle Ausgangsabtastung mit dem Stellgesetz u(k) = Lyf (k) die lineare Zustandsrückführung mit u(k) = Fx(k) realisiert werden soll, kann deshalb für
KAPITEL 5. REGELUNG
69
0 ≤ t < τ als Stellsignal u(0) = Fx(0) verwendet werden, vorausgesetzt der An-
fangszustand x(0) ist bekannt. Ist dies nicht der Fall, wird mit dem Schätzwert
x̂(0) das Signal û(0) = Fx̂(0) verwendet. Das Stellsignal für k ≥ 1 kann dann mit
Gl. (5.71) berechnet werden. Mit x̂(0) 6= x(0) ist jedoch auch u(k) 6= Fx(k) und
y(k) 6= Cx(k). Das Stellgesetz u(k) = Fx(k) wird aufgrund des Fehlers in der
Anfangsschätzung des Zustands x(0) durch die abgetastete Ausgangsrückführung
u(k) = Ly(k) nicht realisiert. Die Frage ist, inwieweit sich der Fehler x̂(0) 6= x(0)
auf das weitere Verhalten des geschlossenen Regelkreises auswirkt, d. h. ob even-
tuell dadurch das Gesamtsystem instabil werden kann. Nun ist die Dynamik des
geschlossenen Kreises bestimmt durch
# "
"
#"
#
x(k + 1)
Ad + B d F
Bd
x(k)
=
,
ud (k + 1)
ud (k)
0
LD0 − FBd
(5.73)
mit ud (k) = u(k) − Fx(k).
Damit ist der durch die schnelle Ausgangsabtastung geschlossene Regelkreis genau dann stabil, wenn alle Eigenwerte der Matrizen (Ad +Bd F) und (LD0 −FBd )
innerhalb des Einheitskreises liegen.
In der Praxis stellen sich jedoch zwei Probleme beim Entwurf der Ausgangsrückführungsmatrix L heraus [72]. Zum einen wird der unbekannte Zustandsvektor implizit geschätzt, wenn angenommen wird, daß das Stellsignal über
eine Zustandsrückführung gebildet wird. Wenn also eine externe Störung oder
eine Änderung der Systemeigenschaften einen Stellgrößenfehler verursacht, wird
das Abklingen dieses Fehlers über die Eigenwerte von LD0 − FBd bestimmt.
Für Stabilität müssen diese Eigenwerte im Einheitskreis und für ein schnelles
Abklingen des Fehlers sollten sie in der Nähe des Ursprungs liegen. Die Wahl der
Eigenwerte hat unmittelbare Auswirkungen auf die L-Matrix.
Zum anderen tritt beim Entwurf von L das Problem der Rauschanfälligkeit
des Systems durch große Verstärkungswerte auf. Dem kann begegnet werden,
indem eine obere Schranke δ für die Norm der Ausgangsrückführungsmatrix L
festgelegt wird.
Bei der Beschäftigung mit diesen Problemen stellt sich heraus, daß eine bessere
Regelgüte erreicht werden kann, wenn man nicht darauf besteht, Gl. (5.72) exakt
KAPITEL 5. REGELUNG
70
zu erfüllen. Indem kleine Abweichungen über eine Näherung LCF ≈ F erlaubt
werden, können deutliche Verbesserungen bei der Lösung der oben beschriebenen Probleme erzielt werden, obwohl die gewünschte Dynamik des geschlossenen
Kreises kaum beeinflußt wird.
Damit kann zur Berechnung der Ausgangsrückführungsmatrix L Gl. (5.72)
durch folgende drei Ungleichungen ersetzt werden:
kLk < δ1 ,
(5.74)
k(LD0 − FBd )k < δ2 ,
(5.75)
k(LCF − F)k < δ3 .
(5.76)
Dabei beschreiben δi mit i = 1, ..., 3 obere Grenzen auf Matrix-Normen, und jede
sollte so klein wie möglich sein. Ein kleiner Wert von δ1 bedeutet eine kleine
Rauschanfälligkeit des Systems, ein kleines δ2 hat ein schnelles Abklingen von
Schätzfehlern zur Folge, und je kleiner δ3 ist, desto besser wird die ursprünglich
entworfene Zustandsrückführung durch die Ausgangsrückführungsmatrix L angenähert. Unter Benutzung des Schur-Komplementes können die Gln. (5.74) (5.76) in folgende drei lineare Matrixungleichungen (LMI) umgeformt werden:
#
"
−δ12 I L
<0
(5.77)
LT −I
"
#
−δ22 I
(LD0 − FBd )
<0
(5.78)
(LD0 − FBd )T
−I
#
"
(LCF − F)
−δ32 I
<0
(5.79)
(LCF − F)T
−I
Zur Lösung dieser Gleichungen erweist es sich als sinnvoll, feste obere Grenzen für
δ1 und δ2 vorzugeben. Mittels konvexer Programmierungsmethoden wird dann
unter diesen Bedingungen δ3 minimiert, d. h. die beste Näherung von F durch L
gesucht.
5.3.2.1
Simulation
Die erweiterte Zustandsrückführungsmatrix F̄ wird, wie in Abschnitt 5.2 beschrieben, über eine Kombination aus einer Polgebietsvorgabe mit einem quadratischen
KAPITEL 5. REGELUNG
71
Gütekriterium ermittelt. Es stellt sich heraus, daß es eine gute Wahl ist, die Matrizen Wx und Wu des Gütekriteriums gemäß Gl. (5.22) als Einheitsmatrizen
festzusetzen und die Polregion zum Einstellen des Reglers zu verwenden. Die
besten Ergebnisse konnten erzielt werden, wenn für die x- und y-Richtung eine
Ellipse mit dem Zentrum q = 0, 67 und den Halbachsen r1 = 0, 3, r2 = 0, 1
gewählt wird. In z-Richtung sei q = 0, 67, r1 = 0, 3, r2 = 0, 01. Hieraus ergibt
sich die lineare Zustandsrückführungsmatrix zu

-1,3377 -0,0603
0
0
0
0

F = 106 
0
0
-1,3377 -0,0603
0
0

0
0
0
0
1,3984 0,0530
und die dem Integrator nachgeschaltete Matrix zu

1,9801
0
0

FI = 104 
0
1,9801
0

0
0
-1,7395


 .





(5.80)
(5.81)
Dieselben Einstellwerte für F und FI werden zu Vergleichszwecken auch bei
der Regelung mittels Identitätsbeobachter und beim lokalen “Gain Scheduling”Verfahren verwendet.
Für die Realisierung der Zustandsrückführung durch die Ausgangsrückführungsmatrix L wird N = 6 gewählt.
Wie im vorigen Abschnitt erklärt, stellt die Rauschanfälligkeit des Systems bei
der Methode der schnellen Ausgangsabtastung ein großes Problem dar. Durch
Festlegung von zwei oberen Grenzen δi kann die dritte minimiert werden. In
unserem Fall werden für δ1 und δ2 feste Werte vorgegeben, und δ3 , dessen Größe
die Güte der Realisierung der Zustandsrückführungsmatrix durch die Ausgangsrückführungsmatrix L beschreibt, wird minimiert. In x-, y- und z-Richtung wird
δ1 = 1016 und δ2 = 0, 3 gewählt. Für eine geringere Rauschanfälligkeit des
Systems wäre es zwar wünschenswert, einen kleineren Wert von δ1 vorzugeben,
allerdings wird dann bei der Minimierung kein stabilisierender Regler für das
System gefunden. Mit den gewählten Werten für δ1 und δ2 ergibt sich für δ3 ein
Wert von 9, 3374 · 10−12 für die x- und y-Richtung und 1, 4488 · 10−12 für die zRichtung. Diese kleinen Werte drücken aus, daß die Ausgangsrückführungsmatrix
KAPITEL 5. REGELUNG
72
L sehr gut durch die Zustandsrückführungsmatrix F angenähert wird. Man erhält
folgende L-Matrix

2,4105
0
0
1,4535
0
0
0
2,4107
0
0
1,4577
0
0
0
-2,0350
0
0
-1,1728
7

L = 10 

0,4892
0
0
-0,4933
0
0
0
0,4847
0
0
-0,4932
0
0
0
-0,5442
0
0
0,2984

-1,4842
0
0
-2,4991
0
0

 .
0
-1,4888
0
0
-2,4945
0

0
0
1,4703
0
0
2,1101
Das Blockschaltbild für die Regelung mittels schneller Ausgangsabtastung ist in
Bild 5.15 dargestellt. Dabei beschreibt y ∗ = [0 0 4mm]T die Ausgangsgröße
d(t)
u*
r(k) +
e(k)
-
z-1
1-z-1
(k)
FI
+
+
u(k)
+
HG
u(t)
τ
.
x = f(x,u) y(t) ++
y= Cx
ys(k)
L
τ
yf (k)
τ/Ν
(l+1) = As (l) + Bsy(l)
y(l)
yf (l) = Cs (l)
+
-
y*
Bild 5.15: Blockschaltbild für die Regelung mittels schneller Ausgangsabtastung
im Linearisierungspunkt. Dieser Wert hängt ähnlich wie u∗ und x∗ (siehe Kapitel
5.1 und 5.2) von dem fest eingestellten Führungsgrößenvektor r(k) ab. Die Erzeugung des Ausgangsgrößenvektors yf (k) wird durch ein Zustandsraummodell
KAPITEL 5. REGELUNG
73
(As , Bs , Cs ) mit Abtastzeit ∆ realisiert, wobei
As =
"
0(N −1)v×v
I(N −1)v
0v×v
0v×(N −1)v
#
, Bs =
"
0(N −1)v×v
Iv
#
, Cs = IN v
gilt und v = 3 die Anzahl der Ausgangsgrößen ist.
Die Ergebnisse eines Experimentes mit einer Erhöhung der Probenladung von
qs = 1, 3·10−10 C auf qs = 1, 5·10−10 C sind in Bild 5.16 gezeigt. Man erkennt, daß
−5
uz/kV
−6
−7
−8
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
z/mm
6
5
4
3
1.6
p
1.5
1.4
1.3
1.2
Bild 5.16: Simulation schnelle Ausgangsabtastung: Ladungserhöhung
die maximale Positionsänderung in z-Richtung von 0, 7mm in 0, 4s ausgeregelt
wird. Dieses simulierte Regelverhalten ist besser als das bei der H∞ -Regelung
(vgl. Bild 5.12), allerdings nicht ganz so gut wie das des PID-Reglers (vgl. Bild
5.3).
KAPITEL 5. REGELUNG
74
Weiterhin wird getestet, wie sich die Regelung mittels schneller Ausgangsabtastung verhält, wenn die Ladung der Probe sprungförmig um 40% von
qs = 1, 43 · 10−10 C auf qs = 0, 83 · 10−10 C abnimmt. Für dieses Experiment
werden unterschiedliche Reglerparameter verwendet als bei der Regelung mit La-
dungszunahme. Neben Wx = I und Wu = I wird für die Polregion in x- und
y-Richtung eine Ellipse mit dem Zentrum q = 0, 68 und den Halbachsen r1 = 0, 3,
r2 = 0, 1 gewählt, in z-Richtung sei q = 0, 54, r1 = 0, 3, r2 = 0, 01. Diese Werte
werden wieder zu Vergleichszwecken auch bei der Ladungsverlust-Regelung mittels Identitätsbeobachter und beim lokalen “Gain Scheduling”-Verfahren verwendet. Weiterhin wird zur Reduktion der Rauschanfälligkeit in x- und y-Richtung
δ1 = 1016 und δ2 = 0, 3 und in z-Richtung δ1 = 1017 und δ2 = 0, 3 gewählt. Für
kleinere Werte von δ1 kann leider kein stabilisierender Regler gefunden werden.
Damit ergeben sich die Reglermatrizen

−0, 0548 −0, 0038
0
0
0
0

7
F = 10 
0
0
−0, 0548 −0, 0038
0
0
0
0
0
0
3, 7267 0, 0256


0, 0054
0
0


 ,
FI = 106 
0
0,
0054
0


0
0
−3, 0957

0, 1555
0
0
0, 0937
0
0

L = 108 
0
0, 1555
0
0
0, 0936
0

0
0
0, 7162
0
0
−0, 7261
0, 0313
0
0
0
0, 0313
0
0
0
−1, 2902
−0, 0316
0
0
0
0
−0, 0315
0


 ,

0
−0, 9812

−0, 0951
0
0
−0, 1591
0
0

 .
0
−0, 0951
0
0
−0, 1591
0

0
0
0, 1992
0
0
2, 2576
Die Simulation der Regelung mit schneller Ausgangsabtastung und Ladungsverlust ist in Bild 5.17 dargestellt. Die maximale vertikale Positionsänderung be-
KAPITEL 5. REGELUNG
75
−5
uz/kV
−10
−15
−20
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
z/mm
4.5
4
3.5
1.4
p
1.2
1
0.8
0.6
Bild 5.17: Simulation schnelle Ausgangsabtastung: Ladungsverlust
trägt lediglich 0, 2mm, also ein Zehntel des Wertes mit PID-Regelung (vgl. Bild
5.4), bei einer Ausregelzeit von 0, 3s. Allerdings ist die Regelung sehr schwingungsanfällig, was sich sowohl im Positionssignal als auch in der Stellspannung
bemerkbar macht.
5.3.2.2
Echtzeit
Die Echtzeitresultate für eine Ladungserhöhung der Probe um 15% sind in Bild
5.18 dargestellt. Zunächst kann beobachtet werden, daß die Regelung in allen drei
Dimensionen sehr rauschanfällig ist. Dies hängt damit zusammen, daß es nicht
möglich ist, für δ1 < 1016 einen stabilisierenden Regler zu finden. Infolgedessen
sind die Verstärkungsfaktoren in der Matrix L sehr groß. Dies führt zu sehr
ux/kV
KAPITEL 5. REGELUNG
76
2
0
−2
uy/kV
x/mm
20
20.5
21
21.5
22
22.5
t/s
23
23.5
24
24.5
25
20.5
21
21.5
22
22.5
t/s
23
23.5
24
24.5
25
20.5
21
21.5
22
22.5
t/s
23
23.5
24
24.5
25
20.5
21
21.5
22
22.5
t/s
23
23.5
24
24.5
25
20.5
21
21.5
22
22.5
t/s
23
23.5
24
24.5
25
20.5
21
21.5
22
22.5
t/s
23
23.5
24
24.5
25
0.5
0
−0.5
20
2
0
−2
y/mm
20
0.5
0
−0.5
20
uz/kV
0
−5
−10
z/mm
20
6
4
20
Bild 5.18: Echtzeit schnelle Ausgangsabtastung: Ladungserhöhung
großen Stellsignalen, was wiederum ein unruhiges Positionssignal zur Folge hat.
Bei t = 21, 9s wird die UV-Lampe angestellt, so daß sich die Probe um bis
zu 0, 9mm nach oben bewegt. Nach 0, 4s befindet sie sich wieder in der Ausgangslage. Für das x- und y-Signal sind während des gesamten Versuches relativ
große Schwingungen mit einer Amplitude von bis zu 0, 4mm zu beobachten. Die
Ladungsänderung fällt aufgrund der sehr unruhigen Signale in horizontaler Richtung nicht sichtbar ins Gewicht.
Es läßt sich festhalten, daß der PID-Regler (vgl. Bild 5.5) aufgrund der geringeren Rauschanfälligkeit der Regelung mittels schneller Ausgangsabtastung auf
jeden Fall zu bevorzugen ist.
KAPITEL 5. REGELUNG
5.3.3
77
Zustandsregelung mit Identitätsbeobachter
Für die als steuerbar und beobachtbar angenommene und mit der Abtastzeit τ
diskretisierte Regelstrecke
x(k + 1) = Ad x(k) + Bd u(k)
y(k) = Cd x(k)
(5.82)
soll ein Identitätsbeobachter entworfen werden [76] - [80]. Dabei handelt es sich
um ein diskretes System gleicher Dimension mit der Differenzengleichung (siehe
Bild 5.19)
x̂(k + 1) = Âd x̂(k) + B̂d u(k) + FB (y(k) − ŷ(k))
= (Âd − FB Ĉd )x̂(k) + B̂d u(k) + FB y(k) .
(5.83)
Der Beobachter wird genau dann den Zustand x(k) rekonstruieren können, d. h.
u(k)
HG
u(t)
.
x =Ax+Bu
y= Cx
y(t)
τ
+
FB
^
B
d
^
x(k+1)
+
+
+
z-1
^
x(k)
y(k)
-
^
C
d
^
A
d
^
x(k)
Bild 5.19: Prinzip des Identitätsbeobachters
x̂(k) konvergiert gegen x(k), wenn
Âd = Ad , B̂d = Bd , Ĉd = Cd
^
y(k)
KAPITEL 5. REGELUNG
78
erfüllt ist. Man erhält
x̂(k + 1) = (Ad − FB Cd )x̂(k) + Bd u(k) + FB y(k) .
(5.84)
Hieraus läßt sich dann die Beobachtermatrix FB mit Hilfe von konvexen Suchverfahren aus der LMI Control Toolbox in Matlab berechnen. Man muß jedoch
beachten, daß FB so gewählt wird, daß die Antwort des Beobachters schneller
ist als die des Systems, da sonst keine zuverlässigen Ergebnisse erzielt werden
können.
Bei der Betrachtung des geschlossenen Regelkreises geht man davon aus, daß
mit F ein für das diskrete System (Ad , Bd , Cd ) entworfener stabilisierender linearer Zustandsregler definiert wird, der die Eigenwerte des Systems in eine ganz
bestimmte stabile Region der z-Ebene verschiebt. Da die Zustandsrückführung
nicht realisiert werden kann, wird der durch den entworfenen Beobachter rekonstruierte Zustand x̂(k) über den Zustandsregler F zurückgeführt. Das geschlossene Regelsystem ergibt sich zu
#"
#
"
# "
x(k)
x(k + 1)
Ad + B d F
Bd F
,
=
ex (k)
ex (k + 1)
0
A d − F B Cd
(5.85)
mit dem Beobachtungsfehler ex (k) = x(k)−x̂(k). Gemäß dem Separationsprinzip
ergeben sich die Eigenwerte des geschlossenen Regelkreises aus den Eigenwerten
des Systems mit Zustandsrückführung ohne Beobachter und den Eigenwerten des
Beobachters.
Ein wichtiger Unterschied zum Verfahren der schnellen Ausgangsabtastung
bleibt festzuhalten.
Neben den Eigenwerten des Systems mit Zustandsrück-
führung erhält man für den Beobachter zusätzlich soviele Eigenwerte, wie das
System Zustände hat. Bei der schnellen Ausgangsabtastung kommen jedoch nur
soviele Eigenwerte hinzu, wie das System Eingänge hat. Wenn also die Anzahl
der Eingänge kleiner als die der Zustände ist, was fast immer zutrifft, so hat
man bei der schnellen Ausgangsabtastung weniger Eigenwerte als beim Beobachter zu berücksichtigen, d. h. die Dynamik des Systems kann wesentlich einfacher
beherrscht werden.
KAPITEL 5. REGELUNG
5.3.3.1
79
Simulation
Bei der Regelung mittels Identitätsbeobachter wird die erweiterte Zustandsrückführungsmatrix mit demselben Verfahren und denselben Parametern bestimmt
wie bei der schnellen Ausgangsabtastung. Für die Matrizen des Gütekriteriums
werden wieder Einheitsmatrizen gewählt. Die Polregion für die x- und y-Richtung
ist eine Ellipse mit dem Zentrum q = 0, 67 und den Halbachsen r1 = 0, 3, r2 = 0, 1,
in z-Richtung gilt q = 0, 67, r1 = 0, 3, r2 = 0, 01. Mit diesen Reglerparametern
ergibt sich dieselbe lineare Zustandsrückführungsmatrix wie in Gl. (5.80) und dieselbe Matrix FI wie in Gl. (5.81). Für die Berechnung der Beobachtermatrix FB
u*
r(k) +
e(k)
-
z-1
1-z-1
(k)
FI
+
+
u(k)
HG
+
u(t)
.
x = f(x, u)
y=Cx
d(t)
y(t) ++
τ
ys(k)
+
FB
-
^
y(k)
^
B
d
^
x(k+1)
+
+
+
^
x(k)
z-1
^
C
d
^
A
d
∆u
F
∆x
+
-
x*
Bild 5.20: Blockschaltbild für die Zustandsregelung mit einem Identitätsbeobachter und zusätzlicher Ausgangsrückführung über einen I-Regler
wird wie schon bei der Bestimmung der erweiterten Zustandsrückführungsmatrix
das konvexe Optimierungsverfahren aus der LMI-Toolbox von Matlab verwendet.
Als LMI-Region wird für alle drei Koordinaten eine Ellipse mit dem Zentrum
KAPITEL 5. REGELUNG
80
q = 0, 2 und den Halbachsen r1 = 0, 1, r2 = 0, 1 gewählt. Die Gewichtsmatrizen
des Gütefunktionals seien Einheitsmatrizen. Damit ergibt sich die Beobachtermatrix zu

1,5652
0
0

 306,4899
0
0



0
1,5652
0
FB = 

0
306,4899
0



0
0
1,5661

0
0
307,2598






 .





In Bild 5.20 ist das Blockschaltbild für die Regelung mittels Identitätsbeobachter
−5
uz/kV
−6
−7
−8
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
z/mm
6
5
4
3
1.6
p
1.5
1.4
1.3
1.2
Bild 5.21: Simulation Identitätsbeobachter: Ladungserhöhung
dargestellt. Die Simulationsergebnisse für die Regelung mit Identitätsbeobachter
KAPITEL 5. REGELUNG
81
bei einer Ladungserhöhung um 15% zeigt Bild 5.21. Man erkennt, daß sich die
Probe um maximal 0, 8mm nach oben bewegt. Dieser Wert ist doppelt so groß
wie bei der PID-Regelung (vgl. Bild 5.3). Die Ausregelzeit beträgt 0, 5s.
Bei der Simulation eines Ladungsverlustes von 40%, die in Bild 5.22 gezeigt
ist, werden genau wie bei der schnellen Ausgangsabtastung andere Reglereinstellwerte als bei der Ladungserhöhung verwendet (siehe Abschnitt 5.3.2.1). Die
−5
uz/kV
−10
−15
−20
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
z/mm
4.5
4
3.5
1.4
p
1.2
1
0.8
0.6
Bild 5.22: Simulation Identitätsbeobachter: Ladungsverlust
maximale Positionsänderung von nur 0, 4mm wird in sehr schnellen 0, 2s ausgeregelt. Damit beträgt die Änderung der vertikalen Probenposition nur ein Fünftel
und die Ausregelzeit weniger als ein Drittel des jeweiligen Wertes bei der PIDRegelung (vgl. Bild 5.4).
Wie man auch schon an den Resultaten bei der schnellen Ausgangsabtastung
KAPITEL 5. REGELUNG
82
erkennt, ist die robuste Regelung (H∞ -Regelung ausgenommen) bei großen Ladungsänderungen im Vergleich zur PID-Regelung deutlich im Vorteil. Dies liegt
daran, daß die Wahl der Reglereinstellwerte sehr gut an das zu untersuchende
Störverhalten angepaßt werden kann. Bei kleinen Störungen wirkt sich diese einfache Reglereinstellung nicht so deutlich im Regelverhalten aus, aber bei großen
Ladungsänderungen ist die robuste Regelung dadurch um ein Vielfaches besser
als die PID-Regelung, bei der für den Ladungsverlust keine günstigeren Reglereinstellwerte gefunden werden konnten.
5.3.3.2
Echtzeit
Die Echtzeitergebnisse für eine 15%ige Ladungseröhung der Probe sind in Bild
ux/kV
5.23 dargestellt. Bei t = 20, 9s wird die Deuteriumlampe angeschaltet. Dies hat
2
0
−2
uy/kV
x/mm
20
20.5
21
21.5
22
22.5
t/s
23
23.5
24
24.5
25
20.5
21
21.5
22
22.5
t/s
23
23.5
24
24.5
25
20.5
21
21.5
22
22.5
t/s
23
23.5
24
24.5
25
20.5
21
21.5
22
22.5
t/s
23
23.5
24
24.5
25
20.5
21
21.5
22
22.5
t/s
23
23.5
24
24.5
25
20.5
21
21.5
22
22.5
t/s
23
23.5
24
24.5
25
0.5
0
−0.5
20
2
0
−2
y/mm
20
0.5
0
−0.5
20
uz/kV
0
−5
−10
z/mm
20
6
4
20
Bild 5.23: Echtzeit Identitätsbeobachter: Ladungserhöhung
KAPITEL 5. REGELUNG
83
zur Folge, daß sich die Probe auflädt und um maximal 0, 8mm nach oben bzw.
0, 1mm in den seitlichen Richtungen bewegt. Die Ausregelzeit beträgt 0, 4s. Diese
Werte entsprechen ziemlich genau den Ergebnissen bei der PID-Regelung (vgl.
Bild 5.5). Wie bei den Simulationsversuchen beobachtet, machen sich die Vorteile
der Regelung mittels Identitätsbeobachter erst bei größeren Ladungsänderungen
bemerkbar.
5.4
Gesteuerte Adaption mit Ladungsschätzung
Eine besondere Art der adaptiven Regelung ist das Verfahren der gesteuerten
Adaption (“Gain Scheduling”). Hierbei handelt es sich um eine Adaption im
offenen Kreis, d. h. es findet keine Rückkopplung zur Überprüfung der Wirkung
der Adaption statt [81].
Verwendet wird die Methode der gesteuerten Adaption [82] - [96], wenn bekannt ist, wie sich das dynamische Verhalten eines Prozesses bei verschiedenen
Betriebsbedingungen verändert. Eine mögliche Ursache für diese Änderungen
der Dynamik können bekannte Nichtlinearitäten sein. Wenn sich die Betriebsbedingungen ändern, ist es möglich, die Reglerparameter der neuen Situation
anzupassen. Es handelt sich um einen linearen Regler, dessen Parameter als
Funktion der Betriebsbedingungen in einer vorher festgelegten Art und Weise
variiert werden.
Eine Voraussetzung für die Anwendung der gesteuerten Adaption ist das Auffinden von Hilfsvariablen, die die Änderungen der Systemdynamik ausreichend
gut beschreiben. Dann ist es nämlich möglich, die Effekte der Parametervariationen einfach durch Veränderung der Reglerparameter als Funktion der Hilfsvariablen zu reduzieren.
Nachdem geeignete Hilfsvariablen gefunden wurden, werden die Reglerparameter in den unterschiedlichen Betriebsbedingungen berechnet. Dabei muß besonders am Übergang zwischen verschiedenen Betriebsbedingungen auf die Stabilität des Systems und die Güte der Regelung geachtet werden. Unter Umständen
KAPITEL 5. REGELUNG
84
müssen neue Betriebszustände definiert werden. Es sei hier aber noch mal darauf
hingewiesen, daß die Regelgüte des geschlossenen Systems keinen Einfluß auf die
Reglerparameter hat.
Der Entwurf von “Gain Scheduling”-Reglern wird normalerweise heuristisch
durchgeführt, wobei auf der Grundlage von lokalen linearisierten Modellen lokale
Regler berechnet werden. Diese lokalen Regler werden über die Hilfsvariablen unterschiedlich gewichtet, so daß ein parameterabhängiger Gesamt-Regler gefunden
werden kann, der in allen Arbeitspunkten gültig ist. Allerdings funktioniert dieser
Ansatz nur, wenn die Parameteränderungen langsam sind. Es ist bekannt, daß
schnelle Parameteränderungen ein zeitvariantes System instabil machen können,
auch wenn alle lokalen Regler stabil sind [81]. In [97] wurde jedoch gezeigt,
wie LMI-Techniken für den Entwurf der lokalen Regler genutzt werden können,
um Stabilität und ein gewisses Maß an Regelgüte zu garantieren. Bei diesem
Ansatz wird eine feste Ljapunow-Funktion für alle lokalen Regler verwendet, so
daß Stabilität für beliebig schnelle Parameteränderungen gesichert ist. Weitere
Untersuchungen zur Stabilität parameterabhängiger Systeme sind in [98] - [100]
dargestellt.
In
dieser
Arbeit
werden
zwei
unterschiedliche
LMI-basierte
“Gain
Scheduling”-Regler präsentiert. Zum einen wird ein globaler Entwurf verwendet, der zwar konservativ ist, aber globale Stabilität in bezug auf das benutzte
Modell garantiert [82]. Dem wird ein lokaler Entwurf gegenübergestellt, bei dem
der Gesamt-Regler durch eine systematische Suche über lokale Entwurfsparameter bestimmt werden kann. Dieser Entwurf ist weniger konservativ als der
globale Entwurf, stellt dafür aber einen eher heuristischen Ansatz dar, so daß
keine Aussagen zur Stabilität des Systems getroffen werden können. Diese beiden Regelverfahren werden untereinander und mit den in den vorigen Abschnitten beschriebenen Methoden verglichen. Bevor auf die Details der beiden “Gain
Scheduling”-Regler eingegangen wird, soll im folgenden die Schätzung der Probenladung und der Zustände, die bei beiden Methoden notwenig ist, erläutert
werden.
KAPITEL 5. REGELUNG
85
Ladungsschätzung
Die Ladung ist der Parameter, der sich während des Aufheizens und Abkühlens
der Probe verändert. Durch Schätzung der Ladung mit einem nichtlinearen Beobachter [101] - [108] können die Änderungen der Systemdynamik erfaßt und
dementsprechend die Reglerverstärkungen den Betriebsbedingungen angepaßt
werden.
Eine Standardmethode zur Schätzung eines unbekannten Parameters p besteht darin, einen gesamten erweiterten Zustandsvektor ηges = [xT
p]T mit
Dynamik p(k + 1) = p(k) einzuführen. Bei der vorliegenden Anlage ist der Parameter die mit einem Skalierungsfaktor gewichtete Probenladung
p = 1010 · qs .
(5.86)
Die beste Schätzung wird erreicht, wenn das nichtlineare System nach Gl. (4.5)
nicht linearisiert, sondern sofort mit der Abtastzeit τ mittels der Euler-Näherung ẋ ≈
x(k+1)−x(k)
τ
diskretisiert wird. Unter Ausnutzung der Tatsache, daß
x5 ¿ xd /2, yd /2 gilt, vereinfachen sich die Gleichungen für x2 (k+1) und x4 (k+1)
ohne großen Verlust an Genauigkeit. Man erhält folgendes nichtlineare, diskrete,
parameterabhängige Modell:







x(k + 1) = 






x1 (k) + τ x2 (k)
³ −10 ´
x2 (k) + τ 2 10 mxdpux
x3 (k) + τ x4 (k)
³ −10 ´
x4 (k) + τ 2 10 mydpuy
x5 (k) + τ x6 (k)
³
³
−10
10−20 p2
1
z
x6 (k) + τ − 10 mdpu
+
−
16π²0 m
(dl −x5 (k))2
l
1
x25 (k)
´
−g






 .




´ 
(5.87)
Wie man leicht feststellen kann, tritt der Parameter p in den Gleichungen jeder
der drei Koordinaten x, y und z auf. Da aber im nominalen Arbeitspunkt x
und y auf einem konstanten Wert im Zentrum der Levitationselektroden gehalten
werden, fehlt jegliche Erregung, so daß eine Schätzung des Parameters unmöglich
gemacht wird. Es stellt sich als günstiger heraus, den Parameter p nur über die
beiden Gleichungen für die z-Koordinate zu bestimmen, da die Probe in vertikaler
KAPITEL 5. REGELUNG
86
Richtung eine äußere Kraft in Form einer gefilterten Sprungfunktion erfährt, bis
die Mitte zwischen den Levitationselektroden erreicht ist.
Das zur Ladungsschätzung verwendete System reduziert sich also auf


x5 (k) + τ x6 (k)
³
³
´
´  .
xz (k + 1) = 
10−20 p2
10−10 puz
1
1
x6 (k) + τ − mdl + 16π²0 m (dl −x2 (k)) − x2 (k) − g
5
5
(5.88)
Die Schätzung wird mittels eines diskreten erweiterten Kalman Filters (EKF)
durchgeführt [101]. Dabei ist der Zustandsvektor xz um den Parameter p aus Gl.
(5.86) mit Dynamik p(k + 1) = p(k) erhöht. Dieser erweiterte Zustandsvektor
wird η = [xz T p]T genannt.
Damit kann für die Ladungsschätzung das nichtlineare Modell

x5 (k) + τ x6 (k)
³
´
´
³

−10 pu
10−20 p2
10
1
1
z

η(k + 1) =  x6 (k) + τ − mdl + 16π²0 m (dl −x2 (k)) − x2 (k) − g
5
5
p(k)


 (5.89)

aufgestellt werden. Die Zustandsgleichung ergibt sich aus der Überlagerung der
Modellbeschreibung aus Gl. (5.89) mit einem weißen Rauschanteil v(k) als
η(k + 1) = gf (η(k), k) + v(k) .
(5.90)
Dabei stellt v(k) das Prozeßrauschen mit dem Mittelwert Null und der Kovarianzmatrix Qk (k) dar. Die Meßgleichung lautet
ya (k) = hf (η(k), k) + w(k) ,
(5.91)
wobei w(k) Meßrauschen mit Mittelwert Null und Kovarianzsignal Rk (k) ist, und
ya (k) die skalare Ausgangsgröße des Kalman Filters beschreibt. Im vorliegenden
Fall gilt hf (η(k), k) = x5 (k).
Die Kovarianzmatrix des Schätzfehlers des erweiterten Zustandsvektors wird
als P bezeichnet. Dabei gilt
P = P(k, +) für kτ < t < (1 − ε)(k + 1)τ
(5.92)
P = P(k, −) für (1 − ε)kτ < t < kτ
(5.93)
KAPITEL 5. REGELUNG
87
mit ε ¿ 1. P(k, −) ist also der Wert kurz vor und P(k, +) der Wert kurz nach
einer Messung [101].
Zur Ladungsschätzung wird der folgende Algorithmus implementiert. Im ersten Schritt wird der Kalman-Verstärkungsvektor berechnet:
£
¤−1
k̄(k) = P(k, −)h(k) hT (k)P(k, −)h(k) + Rk (k)
.
(5.94)
Dabei wird der Vektor h(k) näherungsweise [101] durch
¯
∂hf (η, k) ¯¯
T
h (k) ≈
∂η T ¯η =η̂ (k,−)
(5.95)
η̂(k, +) = η̂(k, −) + k̄(k)ey (k)
(5.96)
beschrieben. Der geschätzte erweiterte Zustandsvektor ergibt sich als
mit ey (k) = ya (k) − ŷa (k). Die aktualisierte Kovarianzmatrix P lautet:
£
¤
P(k, +) = I − k̄(k)hT (k) P(k, −) .
(5.97)
Unter Verwendung von Gl. (5.90) kann der erweiterte Zustandsvektor beim
nächsten Abtastzeitpunkt berechnet werden:
η̂(k + 1, −) = gf (η̂(k, +), k) .
(5.98)
Schließlich folgt als neue Kovarianzmatrix
P(k + 1, −) = ΦT (k)P(k, +)Φ(k) + Qk (k)
(5.99)
mit der linearen Näherung [101]
¯
∂gf (η, k) ¯¯
Φ (k) ≈
.
∂η T ¯η =η̂ (k,+)
T
(5.100)
Um diesen Algorithmus zu implementieren, müssen numerische Werte für das
Kovarianzsignal des Meßrauschens Rk (k) und die Kovarianzmatrix des Prozeßrauschens Qk (k) eingesetzt werden.
KAPITEL 5. REGELUNG
88
Zustandsschätzung
Mit dem oben beschriebenen Verfahren zur Ladungsschätzung werden außer dem
Parameter auch gleichzeitig die beiden Zustände x5 und x6 geschätzt. Die restlichen Zustände, die ebenfalls für eine Regelung mit Zustandsrückführung notwendig sind, werden von einem Identitätsbeobachter ermittelt, dessen Prinzip schon
in Abschnitt 5.3.3 erläutert wurde.
5.4.1
Globaler LMI-basierter Reglerentwurf
Das nichtlineare Modell aus Gl. (4.5) wird unter Verwendung von Gl. (5.86) durch
ein diskretes (quasi)lineares parameterabhängiges Zustandsraummodell
x(k + 1) = A(p)x(k) + B(p)u(k)
(5.101)
angenähert, wobei die Systemmatrizen A(p) und B(p) von dem zeitveränderlichen Parameter p(k) abhängen. Wenn pi mit i = 1, 2 die Extremwerte des
Parameters darstellen, kann aus Gl. (5.101) eine Menge von lokalen linearisierten
Modellen (Ai , Bi ) = (A(pi ), B(pi )), i = 1, 2 bestimmt werden. Für jedes lokale
Modell kann dann eine Zustandsrückführungsmatrix Fi entworfen werden. Der
Parameter p(k) wird für die Gewichtung der lokalen Regler benutzt. Zu jedem
Zeitpunkt kann p(k) als konvexe Zerlegung
p(k) = µ1 (k)p1 + µ2 (k)p2 ,
2
X
i=1
µi (k) = 1 ∀ k
(5.102)
dargestellt werden. Dabei wird p(k) als bekannt vorausgesetzt, und die Gewichtsfaktoren µi (k) können folgendermaßen berechnet werden:
"
# "
#−1 "
#
µ1 (k)
p1 p2
p(k)
=
,
µ2 (k)
1 1
1
(5.103)
wobei [·]−1 die Inverse der Matrix [·] darstellt. Damit kann das Modell aus Gl.
(5.101) durch eine konvexe Kombination der lokalen linearen Modelle ausgedrückt
werden:
mit Ā(k) =
x(k + 1) = Ā(k)x(k) + B̄(k)u(k) ,
2
X
µi (k)Ai und B̄(k) =
µi (k)Bi .
2
X
i=1
i=1
(5.104)
KAPITEL 5. REGELUNG
89
Dieselben Gewichtsfaktoren µi (k) werden benutzt, um die Zustandsrückführung
F(k) und die Matrix FI (k) für das Gesamtsystem zu bilden:
F(k) =
2
X
µi (k)Fi , FI (k) =
i=1
2
X
µi (k)FI,i .
(5.105)
i=1
Es ist ein bekanntes Problem [85], daß das resultierende geschlossene System
¡
¢
x(k + 1) = Ā(k) + B̄(k)F(k) x(k)
(5.106)
instabil sein kann, auch wenn alle Eigenwerte der Systemmatrix des geschlossenen
Kreises
Âcl (k) = Ā(k) + B̄(k)F(k),
∀k>0
(5.107)
innerhalb des Einheitskreises der z-Ebene liegen. Die Ursache hierfür liegt darin,
daß die lokalen Regler für die ausgewählten Arbeitspunkte entworfen wurden und
bei einer konvexen Kombination der lokalen linearen Regler im allgemeinen keine Aussagen zur Stabilität des Systems gemacht werden können. In letzter Zeit
sind allerdings LMI-Techniken zum Entwurf der lokalen Regler entwickelt worden, durch die Stabilität und ein gewisses Maß an Regelgüte garantiert werden.
Diese Methoden basieren auf der Verwendung einer einzigen Ljapunow-Funktion
für alle lokalen Regler und sind daher potentiell konservativ [83]. Um eine Vorstellung über den möglichen Konservatismus zu bekommen, wird der Methode
des globalen Reglerentwurfes in Abschnitt 5.4.2 ein heuristischer Entwurf von
lokalen Reglern mit lokalen Ljapunow-Funktionen gegenübergestellt.
Im folgenden soll ein neuartiges globales LMI-basiertes Entwurfsverfahren
für einen diskreten “Gain Scheduling”-Regler mit lokaler Polgebietsvorgabe
präsentiert und erläutert werden. Es kann gezeigt werden [61], daß ein Zustandsrückführungsregler u = Fi x die Eigenwerte von Gii = Ai + Bi Fi in einer
Ellipsenregion anordnet, wenn die Zustandsrückführung durch Fi = Ki Q−1 beschrieben werden kann und die Matrizen Q = QT > 0 (d. h. positiv definit) und
Ki folgende lineare Matrix-Ungleichung erfüllen:
LE Q + ME (Ai Q + Bi Ki ) + ME T (Ai Q + Bi Ki )T < 0 ,
(5.108)
KAPITEL 5. REGELUNG
90
i = 1, 2. Mit der Matrix Q wird die globale quadratische Ljapunow-Funktion
V (x(k)) = xT (k)Q−1 x(k) > 0 berechnet, und die Matrizen LE und ME beschreiben die Ellipsenregion:
#
"
"
−1 −q/r1
, ME =
LE =
−q/r1
−1
0
(r2 +r1 )
2r1 r2
(r2 −r1 )
2r1 r2
0
#
.
(5.109)
Die Bedeutung der Variablen q, r1 und r2 sind in Bild 5.7 dargestellt. Weiterhin
kann gezeigt werden [82], daß bei zusätzlicher Stabilität der Matrizen Gij =
Ai + Bi Fj mit j = 1, 2 und i < j das gesamte geschlossene System stabil ist. In
den Matrizen Gij werden lokale Modelle mit nicht für diese Modelle entworfenen
Reglern kombiniert.
Die Matrizen Gij sind stabil, wenn die Eigenwerte von Gij innerhalb des
Einheitskreises liegen und die Matrix Q aus Gl. (5.108) die Ungleichung
"
#
−Q − 12 (Ai Q + Aj Q + Bj Ki + Bi Kj )
<0
(5.110)
− 12 (Ai Q + Aj Q + Bj Ki + Bi Kj )T − Q
erfüllt. Da Gl. (5.108) und Gl. (5.110) garantieren, daß
∆V (x(k)) = V (x(k + 1)) − V (x(k)) < 0, ∀ x(k) für k > 0
(5.111)
gilt, ist das gesamte geschlossene System stabil.
5.4.1.1
Simulation
In der Simulation soll nun die zu erwartende Ladungsänderung mit den Auswirkungen auf die Regel- und Stellgrößen untersucht werden. Hierzu wird die mit
einem Skalierungsfaktor gewichtete Probenladung aus Gl. (5.86) als Parameter
gewählt. Zu Beginn des Versuchs, wenn die Probe von der unteren Elektrode
abgehoben hat, beträgt die Probenladung qs = 1, 3 · 10−10 C. Durch die Bestrah-
lung der Probe mit UV-Licht erhöht sich dieser Wert auf qs = 1, 5 · 10−10 C. Der
Parameter ändert sich also in dem Interval p1 < p(k) < p2 , wobei
p1 = 1, 3,
p2 = 1, 5 .
Um das nichtlineare Modell nach Gl. (4.5) in die (quasi)lineare Form von Gl.
(5.101) zu bringen, müßte p(k) Parameter enthalten, die von den Zustandsgrößen
KAPITEL 5. REGELUNG
91
abhängen. Der Einfachheit halber wird ein Ansatz gewählt, der eine lineare
Approximation verwendet. Das Zustandsraummodell aus Gl. (4.5) wird in zwei
Arbeitspunkten pAP 1,z und pAP 2,z linearisiert. Diese Punkte werden so gewählt,
daß die Punkte p1 und p2 auf jeden Fall in dem Bereich zwischen pAP 1,z und
pAP 2,z enthalten sind. Hier wird
pAP 1,z = 1 und pAP 2,z = 2, 8
gewählt, um auch eventuell größere Ladungsänderungen zuzulassen. In Tabelle
5.1 sind die Linearisierungspunkte dargestellt. Sie sind so gewählt worden, da das
Ziel der Regelung darin besteht, die Probe in der Mitte der Levitationselektroden zu positionieren. Es ergeben sich hieraus zwei lokale lineare Modelle. Nach
p(k)
x∗
u∗
pAP 1,z
[0 0 0 0 0, 004m 0]T
[0 0
pAP 2,z
[0 0 0 0 0, 004m 0]T
[0 0
− 8868, 2V ]T
− 3167, 2V ]T
Tabelle 5.1: Linearisierungspunkte für die Ladungszunahme
Diskretisierung des Modells mit der Abtastzeit τ = 2ms und Erweiterung des
Zustandsvektors um die Integratorzustände wie in Gl. (5.16) können analog zu
Gl. (5.17) zwei erweiterte Zustandsraummodelle aufgestellt werden. Dementsprechend werden auch zwei erweiterte Zustandsrückführungsmatrizen bestimmt, aus
denen mittels Gewichtungsfaktoren nach Gl. (5.105) der Gesamtregler berechnet
wird. Das Stellgesetz ergibt sich wie in Gl. (5.19). In Bild 5.24 ist die Struktur des Gain Scheduling-Reglers dargestellt. Das in Abschnitt 5.4 beschriebene
erweiterte Kalman-Filter wird zur Schätzung der Probenladung verwendet. Dabei wird der Parameter p als zusätzlicher Zustand interpretiert. Der Einfachheit
halber werden die Kovarianzmatrix Qk (k) und das Kovarianzsignal Rk (k) des
erweiterten Kalman-Filters als konstant angenommen. Die beste Schätzung wird
erreicht, wenn


Qk = 

10−4
0
0
10−4
0
0
0


0 
 , Rk = 1
107
(5.112)
KAPITEL 5. REGELUNG
92
d(t)
u*
r(k) +
e(k)
-
z-1
1-z-1
(k)
+
+
u(k)
+
.
HG
u(t) x = f(x,u,p) y(t) ++
y= Cx
EKF (z,p)
Beobachter (x,y)
∆u
∆x
ys(k)
µ1FI,1+µ2FI,2
µ1F1+µ2F2
^
p(k)
^
x(k)
+
τ
-
Gewichtung
x*
F(k)
FI(k)
Bild 5.24: Blockschaltbild des implementierten Gain Scheduling-Reglers
gewählt wird. Wie in Abschnitt 5.4.1 dargestellt, muß für den Reglerentwurf in
der z-Ebene eine Polregion gewählt werden, durch die die Lage der Eigenwerte
von Ai + Bi Fi bestimmt wird. Die lokalen linearen Regler können dann aus
Ungl. (5.108) ermittelt werden. Die besten Ergebnisse konnten erzielt werden,
wenn bei beiden lokalen Modellen für alle drei Koordinaten x, y und z zur Reglerberechnung jeweils eine ellipsenförmige Polregion mit dem Zentrum q = 0, 9
und den Halbachsen r1 = 0, 09, r2 = 0, 2 verwendet wird. Mittels konvexer Optimierungsmethoden aus der LMI-Toolbox von Matlab ergeben sich die lokalen
Zustandsrückführungsmatrizen zu

−2, 7241 −0, 1055
0
0
0
0

6
F1 = 10 
0
0
−2, 7241 −0, 1055
0
0
0
0
0
0
1, 9476 0, 0673


 ,

KAPITEL 5. REGELUNG


F2 = 106 

−1, 0996 −0, 0431
0
0
0
0
93
0
0
−1, 0996 −0, 0431
0
0
0
0
0
0
1, 0156 0, 0283
Die dem Integrator nachgeschalteten Matrizen lauten


7, 0049
0
0


 ,
FI,1 = 104 
0
7,
0049
0


0
0
−4, 5481


2, 5186
0
0


 .
FI,2 = 104 
0
2, 5186
0


0
0
−1, 7464


 .

Zusätzlich muß für die Zustandsschätzung von x1 bis x4 eine LMI-Region vor-
gegeben werden. Hier wird eine Ellipse mit dem Zentrum q = 0, 2 und den
Halbachsen r1 = 0, 1, r2 = 0, 1 gewählt. Damit ergibt sich die Beobachtermatrix


1, 5652
0



 306, 4401
0


(5.113)
FB = 
 .


0
1,
5652


0
306, 4401
In Bild 5.25 ist die Antwort des geschlossenen Regelkreises gezeigt, wenn die La-
dung eine sprungartige Erhöhung von 1, 3 · 10−10 C auf 1, 5 · 10−10 C erfährt. Die
maximale Änderung der Probenposition in der vertikalen Richtung von 0, 4mm
wird in 0, 2s ausgeregelt, was im Vergleich zum PID-Regler ein besseres Regelverhalten darstellt (vgl. Bild 5.3). Im untersten Diagramm ist außer dem vorgegebenen Ladungssprung der vom erweiterten Kalman Filter geschätzte Ladungswert
gestrichelt eingezeichnet. Dieser Wert nähert die wahre Größe der Ladung sehr
gut an. Dies ist für die Regelung sehr wichtig, da aus dem geschätzten Ladungswert die Gewichtungsfaktoren für die lokalen Regler berechnet werden.
Für die Simulation des Ladungsverlustes von 40% müssen zwei neue Arbeitspunkte pAP 1,v und pAP 2,v definiert werden. Da sich der Parameter in einem Bereich zwischen 0, 83 und 1, 43 ändert, wird
pAP 1,v = 0, 5 und pAP 2,v = 1, 5
KAPITEL 5. REGELUNG
94
−5
uz/kV
−6
−7
−8
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
z/mm
6
5
4
3
1.6
p
1.5
1.4
1.3
1.2
Bild 5.25: Simulation Gain Scheduling (globaler Entwurf): Ladungserhöhung
gewählt. Die sich hieraus ergebenden Linearisierungspunkte sind in Tabelle 5.2
dargestellt. Bei der Simulation der Ladungsabnahme werden andere Reglereinp(k)
x∗
u∗
pAP 1,v
[0 0 0 0 0, 004m 0]T
[0 0
pAP 2,v
[0 0 0 0 0, 004m 0]T
[0 0
− 17736, 5V ]T
− 5912, 2V ]T
Tabelle 5.2: Linearisierungspunkte für die Ladungsabnahme
stellwerte als bei der Ladungszunahme verwendet. Als Polregion in der z-Ebene
wird für alle drei Koordinaten eine Ellipse mit dem Zentrum q = 0, 58 und den
Halbachsen r1 = 0, 3, r2 = 0, 2 gewählt. Damit ergeben sich die lokalen Zu-
KAPITEL 5. REGELUNG
95
−5
uz/kV
−10
−15
−20
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
z/mm
4.5
4
3.5
1.4
p
1.2
1
0.8
0.6
Bild 5.26: Simulation Gain Scheduling (globaler Entwurf): Ladungsverlust
standsrückführungsmatrizen und die FI -Matrizen als

−5, 3160 −0, 0437
0
0
0
0

F1 = 107 
0
0
−5, 3160 −0, 0437
0
0

0
0
0
0
3, 5107 0, 0287

−8, 0256 −0, 0690
0
0
0
0

7
F2 = 10 
0
0
−8, 0256 −0, 0690
0
0
0
0
0
0
5, 3015 0, 0454


 ,



 ,

KAPITEL 5. REGELUNG


FI,1 = 106 



FI,2 = 106 

96
3, 7618
0
0
0
3, 7618
0
0
0
−2, 4782
5, 6395
0
0
0
5, 6395
0
0
0
−3, 7259


 ,



 .

Bei Betrachtung der Ergebnisse für die Simulation mit Ladungsverlust, die in
Bild 5.26 dargestellt ist, wird besonders deutlich, daß das “Gain Scheduling”Verfahren im Vergleich zur PID-Regelung (vgl. Bild 5.4) im Vorteil ist. Die
maximale Änderung der Probenposition in vertikaler Richtung beträgt 0, 2mm
bei einer Ausregelzeit von 0, 1s. Damit wird in einem Siebtel der Zeit eine maximale Änderung im z-Signal von nur einem Zehntel des Wertes mit PID-Regelung
erreicht. Wie bei der Ladungszunahme nähert die geschätzte Ladung auch beim
Ladungsverlust den wahren Wert sehr gut an.
5.4.1.2
Echtzeit
Das Echtzeitverhalten des global entworfenen “Gain Scheduling”-Reglers für eine
Ladungserhöhung um 15% ist in Bild 5.27 dargestellt. Bei t = 20, 6s wird die
UV-Lampe angeschaltet. Dies bewirkt eine Positionsänderung der Probe in zRichtung von 0, 4mm. Nach knapp 0, 3s ist der ursprüngliche Wert von z =
4mm wieder erreicht. In x- und y-Richtung sind relativ große Stellsignale zu
beobachten, die zur Folge haben, daß sich die Ladungsänderung der Probe nicht
auf die horizontalen Positionssignale auswirkt.
Im Vergleich zur PID-Regelung kann mit dem “Gain Scheduling”-Verfahren
eine halb so große Positionsänderung in vertikaler Richtung in fast der halben
Zeit ausgeregelt werden (vgl. Bild 5.5). Außerdem ist zum Zeitpunkt der Ladungszunahme eine ruhigere Positionierung der Probe in horizontaler Richtung
möglich.
KAPITEL 5. REGELUNG
97
18
0.5
0
−0.5
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
18
2
0
−2
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
18
0.5
0
−0.5
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
18
0
−5
−10
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
18
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
z/mm
uz/kV
y/mm
uy/kV
x/mm
ux/kV
2
0
−2
4.5
4
p
18
2
1
18
Bild 5.27: Echtzeit Gain Scheduling (globaler Entwurf): Ladungserhöhung
5.4.2
Lokaler LMI-basierter Reglerentwurf
Der im vorigen Abschnitt beschriebene Reglerentwurf ist möglicherweise konservativ, da eine einzige globale quadratische Ljapunow-Funktion, die durch die
symmetrische konstante Marix Q charakterisiert ist, verwendet wird. Um herauszufinden, ob die Stabilitätsgarantie eine Verschlechterung des Regelverhaltens zur
Folge hat, wird der Reglerentwurf mit einem gemeinsamen Q aus Ungl. (5.108)
in diesem Abschnitt mit lokalen Qi ’s durchgeführt. Die Einschränkung für die
Matrizen Gij nach Ungl. (5.110) entfällt bei diesem Ansatz. Mit LE und ME
gemäß Gl. (5.109) muß also für Qi = Qi T > 0
LE Qi + ME (Ai Qi + Bi Ki ) + ME T (Ai Qi + Bi Ki )T < 0 ,
(5.114)
KAPITEL 5. REGELUNG
98
i = 1, 2 gelten.
5.4.2.1
Simulation
Bei dem lokalen “Gain Scheduling”-Entwurf werden dieselben Arbeits- und Linearisierungspunkte und dasselbe Blockschaltbild wie beim globalen Entwurf (siehe
Bild 5.24) verwendet. Die Einstellungen des erweiterten Kalman Filters sind
ebenfalls bei beiden “Gain Scheduling”-Verfahren identisch.
Allerdings werden für den Entwurf der beiden lokalen erweiterten Zustandsrückführungsmatrizen beim lokalen Entwurf andere Reglerparameter als
beim globalen Entwurf verwendet. Aufgrund der unterschiedlichen Reglersynthese wären die Ergebnisse der beiden Verfahren bei identischer Wahl der Reglerparameter nicht vergleichbar. Für beide lokale lineare Modelle werden als Polregion
in der z-Ebene Ellipsen mit den Parametern q = 0, 67, r1 = 0, 3, r2 = 0, 1 in
x- bzw. y-Richtung und q = 0, 67, r1 = 0, 3, r2 = 0, 01 in z-Richtung festgelegt.
Zusätzlich werden die Matrizen Wx und Wu des quadratischen Gütekriteriums
aus Gl. (5.22) als Einheitsmatrizen gewählt. Zu Vergleichszwecken werden hier
dieselben Reglereinstellwerte wie bei der Regelung mittels schneller Ausgangsabtastung und Identitätsbeobachter verwendet. Damit ergeben sich die lokalen
Zustandsrückführungsmatrizen zu

−1, 9012 −0, 0858
0
0
0
0

6
F1 = 10 
0
0
−1, 9012 −0, 0858
0
0
0
0
0
0
2, 0340 0, 0782

−0, 6660 −0, 0300
0
0
0
0

F2 = 106 
0
0
−0, 6660 −0, 0300
0
0

0
0
0
0
1, 1807 0, 0295
Die dem Integrator nachgeschalteten Matrizen lauten

2, 8117
0
0

4
FI,1 = 10 
0
2, 8117
0
0
0
−2, 8203


 ,



 ,



 .

KAPITEL 5. REGELUNG

99

0, 9849
0
0
0
0, 9849
0
0
0
−1, 4840

FI,2 = 104 


 .

Als Reglerparameter für die Schätzung der Zustände x1 bis x4 werden dieselben
−5
uz/kV
−6
−7
−8
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
z/mm
6
5
4
3
1.6
p
1.5
1.4
1.3
1.2
Bild 5.28: Simulation Gain Scheduling (lokaler Entwurf): Ladungserhöhung
Werte wie beim globalen Entwurf verwendet. Damit ergibt sich die Beobachtermatrix nach Gl. (5.113).
In Bild 5.28 ist das Regelverhalten des Systems bei einer sprungartigen Ladungserhöhung um 15% dargestellt. Die Ergebnisse sind den Resultaten beim
globalen Entwurf sehr ähnlich. In 0, 3s wird eine maximale Änderung der vertikalen Probenposition von 0, 4mm ausgeregelt.
KAPITEL 5. REGELUNG
100
Für die Regelung mit 40%igem Ladungsverlust sind die Simulationsergebnisse
in Bild 5.29 gezeigt. Als Polregionen in der z-Ebene werden für beide lokale lineare
−5
uz/kV
−10
−15
−20
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
1
1.5
2
2.5
3
3.5
t/s
4
4.5
5
5.5
6
z/mm
4.5
4
3.5
1.4
p
1.2
1
0.8
0.6
Bild 5.29: Simulation Gain Scheduling (lokaler Entwurf): Ladungsverlust
Modelle Ellipsen mit den Parametern q = 0, 68, r1 = 0, 3, r2 = 0, 1 in x- bzw.
y-Richtung und q = 0, 54, r1 = 0, 3, r2 = 0, 01 in z-Richtung festgelegt. Damit
ergeben sich die lokalen Zustandsrückführungsmatrizen und FI -Matrizen als


−0, 0548 −0, 0038
0
0
0
0


 ,
F1 = 107 
0
0
−0,
0548
−0,
0038
0
0


0
0
0
0
3, 7267 0, 0256


−0, 0164 −0, 0011
0
0
0
0


 ,
F2 = 108 
0
0
−0, 0164 −0, 0011
0
0


0
0
0
0
1, 0961 0, 0076
KAPITEL 5. REGELUNG


FI,1 = 106 



FI,2 = 106 

101
0, 0054
0
0
0
0, 0054
0
0
0
−3, 0957
0, 0163
0
0
0
0, 0163
0
0
0
−9, 0559


 ,



 .

Auch beim Ladungsverlust werden ähnliche Ergebnisse erzielt wie beim globalen
Entwurf. Die maximale Positionsänderung der Probe beträgt 0, 2mm bei einer
Ausregelzeit von 0, 1s.
5.4.2.2
Echtzeit
Die Echtzeitergebnisse bei einer Ladungserhöhung der Probe von 15% sind in
Bild 5.30 dargestellt. Die Deuteriumlampe wird bei t = 20, 5s eingeschaltet.
Die Kurven für die Spannungs- und Positionssignale unterscheiden sich qualitativ kaum sichtbar von denjenigen beim globalen “Gain Scheduling”-Entwurf.
Die Ladungsänderung macht sich in den horizontalen Positionssignalen nicht bemerkbar. In vertikaler Richtung wird eine maximale Änderung der Position von
0, 4mm in 0, 3s ausgeregelt.
Es läßt sich festhalten, daß keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem
globalen und lokalen “Gain Scheduling”-Entwurf feststellbar sind. Der global
entworfene Regler ist also nicht so konservativ, wie es die Theorie vermuten ließ.
Beim Vergleich der “Gain Scheduling”-Regler mit der PID-Regelung stellt sich
heraus, daß die “Gain Scheduling”-Verfahren ein deutlich besseres Regelverhalten
als die in Abschnitt 5.1 beschriebene PID-Regelung aufweisen. Sowohl bei der
maximalen Positionsänderung als auch bei der Ausregelzeit werden halb so große
Werte erreicht. Betrachtet man die Simulationen für große Ladungsverluste, so
kann damit gerechnet werden, daß beim Aufheizen der Proben, das teilweise sehr
große Ladungsschwankungen zur Folge hat, die Unterschiede im Regelverhalten
noch deutlicher werden.
KAPITEL 5. REGELUNG
102
18
0.5
0
−0.5
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
18
2
0
−2
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
18
0.5
0
−0.5
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
18
0
−5
−10
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
18
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
18.5
19
19.5
20
20.5
t/s
21
21.5
22
22.5
23
z/mm
uz/kV
y/mm
uy/kV
x/mm
ux/kV
2
0
−2
4.5
4
p
18
2
1
18
Bild 5.30: Echtzeit Gain Scheduling (lokaler Entwurf): Ladungserhöhung
Kapitel 6
Zusammenfassung
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist ein elektrostatischer Levitator zur berührungslosen Untersuchung von Materialien aufgebaut worden. Mit dieser Anlage wird durch Anlegen elektrostatischer Felder die Probenposition im Raum
geregelt. Die Qualität der verwendeten Regelungsmethoden wurde anhand des
Störverhaltens bei Ladungsänderungen der Probe beurteilt.
Im Vergleich zu den bisher existierenden Anlagen gibt es sowohl bei der verwendeten Apparatur als auch im Bereich der Regelungstechnik zahlreiche Neuerungen.
Beim Aufbau der Anlage sind zwei neuartige Entwicklungen hervorzuheben.
Zur horizontalen Stabilisierung der Probenposition werden zwei um jeweils 90 ◦
versetzte Elektrodenpaare verwendet, die sich auf der gleichen Ebene befinden
wie die untere Levitationselektrode. Um bei Auslenkungen der Probe in horizontaler Richtung eine möglichst symmetrische Feldverteilung zu erhalten, werden
die jeweils gegenüberliegenden Elektroden mit einer Spannung gleichen Betrages,
aber umgekehrten Vorzeichens versorgt. Bisher wurde immer eine der beiden
gegenüberliegenden Elektroden geerdet, und die Spannung an der anderen Elektrode wurde für die Positionsregelung genutzt. Dies führte dazu, daß sich das
Regelverhalten ändert, je nachdem zu welcher Seite die Probe ausgelenkt wurde. Durch die Ansteuerung aller Elektroden werden bei geeigneter Reglerwahl
Störungen in horizontaler Richtung sehr schnell und exakt ausgeregelt.
Zum Aufheizen der Proben wurde bei den bisherigen elektrostatischen Levita-
KAPITEL 6. ZUSAMMENFASSUNG
104
tionsanlagen ein Nd-Yag-Laser oder eine Xenon-Bogenlampe verwendet. Bei der
Anlage des DLR ist der Einbau eines Hochleistungs-Diodenlaser-Systems geplant.
Dieses ermöglicht eine sehr einfache Einstellung der Laser-Ausgangsleistung über
den Diodenstrom. Mit diesem System werden auch feine Modulationen der Leistung realisierbar sein, die für spätere materialwissenschaftliche Untersuchungen
notwendig sind.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit bestand in der Entwicklung und dem Vergleich
unterschiedlicher robuster und adaptiver Regelverfahren zur stabilen Positionierung von Proben bei verschiedenen vorgegebenen Betriebsbedingungen. Hierzu
wurde ein nichtlineares physikalisches Zustandsraummodell der Anlage hergeleitet. Für die Reglerberechnung wurde dieses Modell linearisiert. Anschließend
wurden die Gleichungen für die drei Koordinaten entkoppelt und die Teilsysteme
diskretisiert.
Es wurden die Vor- und Nachteile von sechs unterschiedlichen Regelungsverfahren erläutert. Der PID-Regelung wurden mit der H∞ -Regelung und der Regelung mittels Identitätsbeobachter zwei Standardverfahren gegenübergestellt. Bei
der schnellen Ausgangsabtastung und den in dieser Arbeit vorgestellten “Gain
Scheduling”-Verfahren wurden neuartige Entwicklungen in den Reglerentwurf
einbezogen.
Die Rauschanfälligkeit der schnellen Ausgangsabtastung konnte reduziert werden, indem eine modifizierte Reglerberechnung durchgeführt wurde.
Zum Entwurf eines in bezug auf das verwendete Modell global stabilisierenden
und eines lokalen, diskreten “Gain Scheduling”-Reglers wurden lineare Matrixungleichungen aufgestellt und für die Anwendung spezifiziert. Hiermit wurde ein
einfacher und schneller Reglerentwurf ermöglicht.
Bei der Beurteilung der sechs unterschiedlichen Regelungsverfahren konnte
festgestellt werden, daß die beiden “Gain Scheduling”-Regler sowohl bei einer
Ladungszunahme als auch bei einem Ladungsverlust der Probe das beste Regelverhalten lieferten. Dies bedeutet, daß nach der Ladungsänderung eine kleine
maximale Auslenkung der Probe in sehr kurzer Zeit ausgeregelt wird. Allerdings
ist bei diesen Methoden auch der Aufwand am größten, da die Schätzung eines
Parameters zur Gewichtung lokaler linearer Modelle benutzt wird.
KAPITEL 6. ZUSAMMENFASSUNG
105
Mit einem PID-Regler konnten bei einer Ladungszunahme der Probe relativ
gute Ergebnisse erzielt werden. Bei großen Ladungsverlusten, wie sie beim Aufheizen der Proben erwartet werden, konnte jedoch bei fester Reglereinstellung
kein zufriedenstellendes Regelverhalten gewährleistet werden.
Die Resultate der Regelung mit einem linearen Identitätsbeobachter fielen
qualitativ schlechter aus als mit den “Gain Scheduling”-Verfahren. Im Vergleich
zur PID-Regelung waren aber vor allem bei der Simualtion des Ladungsverlustes deutliche Vorteile zu erkennen. Sowohl beim Aufwand als auch beim Regelverhalten lag die Regelung mittels Identitätsbeobachter zwischen den “Gain
Scheduling”-Verfahren und der PID-Regelung.
Die Regelung mit schneller Ausgangsabtastung lieferte trotz der modifizierten
Reglerberechnung sehr unruhige Ausgangssignale. In der Simulation konnten
sowohl für die Ladungszunahme als auch für den Ladungsverlust relativ gute
Ergebnisse erzielt werden. Durch die Rauschempfindlichkeit der Regelung bei
den Echtzeitversuchen sind die bisher genannten Regelverfahren der schnellen
Ausgangsabtastung jedoch vorzuziehen.
Die H∞ -Regelung schnitt von den sechs eingesetzten Verfahren am schlechtesten ab. Die maximale Positionsänderung der Probe bei der Ladungszunahme
war bei der H∞ -Regelung größer als bei allen anderen Methoden. Außerdem war
die Reglereinstellung sehr zeitaufwendig und mühsam.
In Zukunft muß sich zeigen, ob die “Gain Scheduling”-Regler auch bei einem
durch das Aufheizen der Proben bedingten Ladungsverlust ähnlich vielversprechende Resultate liefern wie beim Aufladevorgang und bei der Simulation der
Ladungsabnahme. Zur Minimierung der Rauschanfälligkeit bei der Regelung
mittels schneller Augangsabtastung müssen weitere Maßnahmen in Angriff genommen werden, damit das Potential, das in dieser Methode steckt und in der
Simulation des Ladungsverlustes sehr deutlich wird, ausgenutzt werden kann.
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Lebenslauf
Name
Tilo Meister
Geburtsdatum
19. Februar 1973
Geburtsort
Wuppertal
Familienstand
ledig
Schulausbildung
1979 - 1983
Grundschule Reichsgrafenstraße, Wuppertal
1983 - 1992
Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium, Wuppertal,
Abitur im Juni 1992
Hochschulausbildung
1992 - 1997
Studium der Elektrotechnik an der RuhrUniversität Bochum, Diplom im Dez. 1997
Aug. 1995 - Mai 1996
2-semestriger Studienaufenthalt an der Purdue
University, West Lafayette, Indiana, USA
Berufstätigkeit
seit Feb. 1998
Doktorand am Lehrstuhl für Elektrische
Steuerung und Regelung der Ruhr-Universität
Bochum in Kooperation mit dem Institut für
Raumsimulation des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt, Köln
Köln, im Februar 2001
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