Proseminar Lineare Algebra Normale Räume Verfasserin: Laura Brumann Wintersemester 2013/2014 Vortrag gehalten am: 21. Januar 2014 Betreuender Dozent: Prof. Dr. Lorenz Schwachhöfer Literatur: Querenburg, Boto v., Mengentheoretische Topologie, 3. Auflage, 2001. Diese Ausarbeitung zum Thema Normale Räume basiert auf dem gleichnamigen Kapitel aus der Seminarlektüre, Seiten 95 bis 97. Inhaltsverzeichnis: 1. Normale Räume 1.1 Definition: Normaler Raum 3 1.2 Motivation zum Urysohn’schen Lemma 4 2. Das Lemma von Urysohn 2.1 Urysohn’sches Lemma 5 2.2 Beweis des Urysohn’schen Lemmas 5 3. Folgerungen aus dem Urysohn’schen Lemma 3.1 Satz 13 3.2 Korollar 14 4. Verschärfung des Urysohn’schen Lemmas 4.1 Motivation für die Verschärfung 15 4.2 Definition: Gδ -M enge, Fσ -M enge 15 4.3 Satz 16 4.4 Verschärfung des Urysohn’schen Lemmas 18 1. Normale Räume 1.1 Definition: Normaler Raum Ein topologischer Raum (X, O) heißt normal, wenn (X, O) ein T4 -Raum und ein T1 -Raum ist. Wiederholung: Ein topologischer Raum (X, O) heißt T1 -Raum, wenn von je zwei verschiedenen Punkten aus X jeder eine Umgebung besitzt, die den anderen Punkt nicht enthält. Ein topologischer Raum (X, O) heißt T4 -Raum, wenn es zu je zwei disjunkten, abgeschlossenen Teilmengen disjunkte Umgebungen gibt. X B A UA UB Figure 1: Skizze eines normalen Raumes 3 1.2 Motivation zum Urysohn’schen Lemma Damit man das Urysohn’sche Lemma verstehen und den Beweis nachvollziehen kann, wird zunächst die Motivation dargelegt. Das Thema dieser und der nächsten Ausarbeitung soll zwei Fragen klären: Die erste Frage ist, ob es zu zwei disjunkten, abgeschlossenen Mengen A und B aus einem topologischen Raum X eine stetige Funktion f: X → R gibt, die auf den Mengen A und B vorgeschriebene Werte a bzw. b annimmt. Diese Frage wird durch das Lemma von Urysohn beantwortet. Die zweite Frage ist, ob sich eine auf einer abgeschlossenen Menge A erklärte und dort auch stetige Funktion auf ganz X fortsetzen lässt. Auf diese Frage wird in der nächsten Ausarbeitung und dem dazugehörigen Vortrag genauer eingegangen durch den Fortsetzungssatz von Tietze. Daraus wird ersichtlich sein, dass es für normale Räume ”viele” stetige Funktionen gibt, was für allgemeine, nicht spezifizierte topologische Räume keineswegs der Fall sein braucht. Als Beispiel dient hier, dass für einen indiskreten topologischen Raum lediglich nur die konstanten Funktionen stetig sind. Wie bereits in der zweiten Ausarbeitung zu diesem Proseminar gezeigt wurde (Michael Holzäpfel, 22.10.13, Satz 3.1c), gibt es unter den Voraussetzungen, dass (X, d) ein metrischer Raum und A, B disjunkte, nicht leere, abgeschlossene Teilmengen von X sind, eine stetige Funktion f: X → [0, 1] mit f (A) = {0} und f (B) = {1}. Das Urysohn’sche Lemma wird zeigen, dass es eine Funktion mit denselben Eigenschaften gibt, wenn X ein T4 -Raum ist. Die Motivation für das anschließende Lemma ist folglich, dass man Eigenschaften, die uns von den metrischen Räumen bekannt sind, auf normale Räume übertragen will. 4 2. Das Lemma von Urysohn 2.1 Urysohn’sches Lemma Ist X ein T4 -Raum und sind A, B disjunkte, nichtleere, abgeschlossene Mengen in X, dann gibt es eine stetige Funktion f: X → [0, 1] mit f (A) = {0} und f (B) = {1}. 2.2 Beweis des Urysohn’schen Lemmas In dem Lemma von Urysohn ist gegeben, dass X ein T4 -Raum ist, und A, B abgeschlossene, nicht leere, disjunkte Teilmengen von X sind. Daraus lässt sich direkt folgern, dass X \ A, sowie X \ B offen sind, da das Komplement abgeschlossener Mengen offen ist. Es wird in dem Lemma die Frage untersucht: Existiert eine stetige Funktion f: X → [0, 1] mit f (A) = {0} und f (B) = {1}? Der Beweis teilt sich auf in den Existenzbeweis einer Funktion und den Stetigkeitsbeweis von f . 1. Existenzbeweis p k p, k ∈ N, 0 ≤ p ≤ 2 ⊂ [0, 1] Indexmenge. Sei D := 2k Daraus folgt, dass D aus den folgenden Elementen besteht: k p Werte, die in D liegen 0 0≤p≤1 0, 1 1 0≤p≤2 2 0≤p≤4 3 0≤p≤8 ... ... ... n 0 ≤ p ≤ 2n 1 2 2n−1 2n , , ..., , 2n 2n 2n 2n ... ... ... 1 2 , 2 2 1 2 3 4 , , , 4 4 4 4 1 2 3 4 5 6 7 8 , , , , , , , 8 8 8 8 8 8 8 8 5 Bemerkung: Die Elemente setzen sich wie folgt zusammen: k durchläuft die natürlichen Zahlen N, wobei p immer zwischen 0 und 2k liegt (siehe Definition der Indexmenge D). 2 1 Die Werte, die doppelt in der Indexmenge D vorkommen wie z.B. = , 4 2 werden in der gekürzten Form behalten, jedoch nicht doppelt aufgelistet. Das bedeutet, dass alle rationalen Zahlen mit einer geraden Zahl im Zähler aus der Indexmenge fallen. Bilde nun aus der Indexmenge D die Folge F . 1 3 5 7 2n − 1 1 1 3 1 3 5 7 , ... F = 0, 1, , , , , , , , ..., n , n , n , n , ..., 2 4 4 8 8 8 8 2 2 2 2 2n Bemerkung: Da die Elemente nur einfach in der Indexmenge vorkommen, werden auch hier nur die gekürzten, einfachen Formen von der Folge erfasst. Wiederholung: Ein topologischer Raum X ist genau dann ein T4 -Raum, wenn für jede abgeschlossene Menge A die Menge der abgeschlossenen Umgebungen eine Umgebungsbasis von A bildet, d.h. wenn es zu jeder Umgebung U von A eine offene Menge O gibt, so dass A ⊂ O ⊂ O ⊂ U . Diese Eigenschaft wird sich im Beweis des Urysohn’schen Lemmas zu nutze gemacht. Man wählt sich zunächst zwei offene Mengen G0 sowie G1 für die gilt: A ⊂ G0 ⊂ G0 ⊂ G1 ⊂ G1 ⊂ X \ B. A G0 G1 B Figure 2: Die Menge X mit G0 und G1 6 Bei dieser Kette von Teilmengen liegt A in einer Menge G0 , die trivialerweise Teilmenge des eigenen Abschlusses ist. Dieser liegt in der Menge G1 , die wiederum trivialerweise Teilmenge des eigenen Abschlusses ist. Und dieser liegt in einer Umgebung von A, oder auch X \ B. Es wurde sich also die Eigenschaft, die zuvor wiederholt wurde, doppelt zu nutze gemacht. Dies war möglich, da ein normaler Raum die T4 -Raum Eigenschaft besitzt. Nun wird jedem d aus der zuvor gewählten Indexmenge p D := p, k ∈ N, 0 ≤ p ≤ 2k eine Umgebung Gd von A durch vollständige k 2 Induktion soweit zugeordnet, so dass: für d < d0 gilt: Gd ⊂ Gd0 Induktionsbeweis: zu zeigen: Es ist in diesem Induktionsbeweis zu zeigen, dass wenn man eine beliebige Zahl b ∈ D nimmt, dass bereits im vorherigen Schritt einer Zahl a < b, sowie einer Zahl c > b eine Umgebung Ga bzw. Gc zugeordnet wurde und so eine Umgebung Ga ⊂ Gb ⊂ Gb ⊂ Gc existiert. Diese Teilmengen-Verkettung existiert aufgrund der oben wiederholten T4 Raum Eigenschaft. Induktionsanfang: Der Induktionsanfang muss nicht weiter erläutert werden, da er bereits durch zweimaliges Anwenden der T4 -Raum Eigenschaft oben erklärt wurde: A ⊂ G0 ⊂ G0 ⊂ G1 ⊂ G1 ⊂ X \ B. Induktionsvoraussetzung: 2p + 1 Allen Zahlen d ∈ D, die in F vor b = (p, n ∈ N, 2p + 1 < 2n ) stehen, 2n seien bereits offene Mengen Gd zugeordnet mit: d < d0 ⇒ Gd ⊂ Gd0 . Induktionsschritt: 2p 2p + 2 Seien nun a = n und c = die nächst größeren bzw. nächst kleineren 2 2n 2p + 1 Elemente in D um b = . 2n 2p 2p + 1 2p + 2 Daraus folgt, dass a < b < c bzw. n < < gilt. n 2 2 2n 7 Wenn man a und c kürzt, so ergibt sich: 2p p 2p + 2 p+1 a = n = n−1 und c = = . Und somit gilt: 2 2 2n 2n−1 p 2n−1 = 2p 2p + 1 2p + 2 p+1 < < = n−1 n n n 2 2 2 2 Daraus folgt, dass a zu Ga sowie c zu Gc bereits im (n − 1)-ten Iterationsschritt zugeordnet wurden. Also sind a und c vor b in der Folge F . Wenn man so die T4 -Raum Eigenschaft erneut verwendet, so gilt, dass man daraus schließen kann, dass: ∃Gb offen mit: Ga ⊂ Gb ⊂ Gb ⊂ Gc . Daraus folgt, dass unabhängig davon wie b ∈ D gewählt wurde, man zuvor schon einem a ∈ D sowie einem c ∈ D ein Ga und ein Gc zugeordnet hat. Damit ist gezeigt, dass die ”< ”-Relation gilt mit: d < d0 ⇒ Gd ⊂ Gd0 . Damit ist die induktive Zuordnung gezeigt. A G0 G1 G1/4 G1/2 G3/4 B Figure 3: Induktive Zuordnung aller Gd 8 Nun wurden allen rationalen Zahlen D Umgebungen aus der Indexmenge p Gd zugeordnet. Doch da D := p, k ∈ N, 0 ≤ p ≤ 2k ⊂ Q ist, und 2k [0, 1] ⊂ R ist, müssen auch die irrationalen Zahlen berücksichtigt werden und den irrationalen Zahlen Umgebungen Gt zugeordnet werden, wobei t ∈ [0, 1]. S Für t ∈ [0, 1] gilt nun Gt := Gd . Aus den vorherigen Vorträgen und d∈D,d≤t Ausarbeitungen ist bekannt, dass die Vereinigung offener Mengen wieder offen ist, somit ist Gt offen. Bemerkung: Wenn t ∈ D und t ∈ [0, 1] gilt, so soll dem t nur eine Umgebung Gt zugeordnet worden sein. Es soll gelten: Gneu = Galt t t . Wähle 0 6 t = dS6 1. neu ⇒ Galt Galt t ⊆ d = Gt d∈D,d≤t Wähle nun 0 6 d 6 t 6 1 alt ⇒ Galt d ⊆ Gt S alt neu Galt ⇒ Gt = d ⊆ Gt d∈D,d≤t neu alt neu Aus Galt und Gneu ⊆ Galt t ⊆ Gt t t folgt Gt = Gt . Des Weiteren definiere Gt = ∅ für t < 0 sowie Gt = X für t > 1. Behauptung: Sei t < t0 dann gilt: t < t0 ⇒ Gt ⊂ G0t Für 0 6 t < t0 6 1 gilt: Es gilt d1 , d2 ∈ D mit t < d1 < d2 < t0 . Dies gilt, da D dicht in R liegt, das bedeutet, ∀t ∈ [0, 1] ⊂ R enthält jede Umgebung Ut immer Elemente d ∈ D. t d1 d2 t' Figure 4: Intervall t,t’ Daraus und aus der Definition von Gt := S Gd kann man folgern, dass d∈D,d≤t Gt ⊂ Gd1 ist, weil t < d1 . Und somit gilt auch: Gt ⊂ Gd1 . 9 Des Weiteren gilt, wegen der Eigenschaft von Gd , dass Gd1 ⊂ Gd2 , da d1 < d2 . Erneut gilt wegen der Definition von Gt : Gd2 ⊂ Gt . Wenn man diese durch die Definition gegebenen Relationen betrachtet, so folgt insgesamt: Gt ⊂ Gd1 ⊂ Gd2 ⊂ Gt0 ⇒ Gt ⊂ Gt0 für t < t0 Des Weiteren gilt: 1) Für t < t0 und t < 0 folgt Gt = ∅ und damit Gt = ∅ ⊂ Gt0 , da die leere Menge Teilmenge aller Mengen ist. 2) Für t < t0 und t0 > 1 folgt Gt ⊂ Gt0 = X, da die Menge X Obermenge aller Mengen ist. Das bedeutet, dass die Teilmengeninklusion für alle d ∈ D, t ∈ [0, 1], X und ∅ gilt. Nun definiere f: X → R durch die Vorschrift: f (x) = inf {t ∈ R|x ∈ Gt } Es sind nun mehrere Dinge zu zeigen: 1. Existenz des Infimums Aus t < 0 folgt x ∈ Gt = ∅. Dies ist ein Widerspruch zur Definition. Also ist{t ∈ R|x ∈ Gt } ⊆ [0, ∞[ und damit ist {t ∈ R|x ∈ Gt } nach unten beschränkt. Aus t > 1 folgt x ∈ Gt = X. Da ]1, ∞[⊆ {t ∈ R|x ∈ Gt }, folgt daraus {t ∈ R|x ∈ Gt } = 6 ∅. Also ist 0 ≤ inf {t ∈ R|x ∈ Gt } ≤ 1 Daraus folgt die Existenz des Infimums. Daraus folgt die zweite Forderung: 0 ≤ f (x) ≤ 1. Wegen A ⊂ G0 gilt f (x) = 0, wenn x ∈ A. Wenn x 6∈ G1 ist, gilt x ∈ X \ G1 , also x 6∈ Gt für t < 1, und die Funktion nimmt so den Wert 1 an. Wegen B ⊂ X \ G1 gilt f (x) = 1, wenn x ∈ B. 10 Das heißt es gilt 0 ≤ f (x) ≤ 1 für alle x ∈ X und f (A) = {0}, f (B) = {1} jedoch gilt nur f −1 ({0}) ⊃ A und f −1 ({1}) ⊃ B und somit ist die Existenz der Funktion gezeigt. Jetzt bleibt noch die Stetigkeit von f zu zeigen. 2. Stetigkeitsbeweis Definition der Stetigkeit: f ist stetig in x0 , wenn es für jedes > 0 eine offene Umgebung U von x0 gibt, so dass: f (U ) ⊆]f (x0 ) − , f (x0 ) + [ Es ist klar, dass x0 ∈ f −1 (]f (x0 ) − , f (x0 ) + [). Nun existieren d1 , d2 ∈ D mit: f (x0 ) − < d1 < f (x0 ) < d2 < f (x0 ) + Nun definiere: U := Gd2 \ Gd1 Es ist zu zeigen, dass: 1. U ist offen 2. x0 ∈ U 3. f (U ) ⊆]f (x0 ) − , f (x0 ) + [ Zu 1. U ist offen: U = Gd2 \ Gd1 = Gd2 ∩ (X \ Gd1 ) Daraus folgt, dass U offen ist, da es der Schnitt von zwei offenen Mengen ist. Hierbei ist (X \ Gd1 ) offen, da es das Komplement von einer abgeschlossenen Menge ist. Zu 2. x0 ∈ U = Gd2 \ Gd1 Es soll also gelten, dass x0 ∈ Gd2 und x0 6∈ Gd1 ist. Dieser Punkt unterteilt sich in zwei Teile: zu zeigen: x0 ∈ Gd2 x0 ∈ Gd2 gilt, da d2 ∈ {t ∈ R|x0 ∈ Gt }. Da f (x0 ) < d2 folgt inf {t ∈ R|x0 ∈ Gt } < d2 . Also existiert t ∈]f (x0 ), d2 [ mit x0 ∈ Gt ⊂ Gd2 , und da t < d2 folgt x0 ∈ Gd2 . zu zeigen: x0 6∈ Gd1 Annahme: x0 ∈ Gd1 Wähle t ∈]d1 , f (x0 )[ Daraus folgt zum Einen, dass t < f (x0 ), also x0 6∈ Gt 11 Außerdem folgt daraus: d1 < t ⇒ Gd1 ⊂ Gt Da x0 6∈ Gt folgt aus dieser Aussage, dass x0 6∈ Gd1 Dies ist ein Widerspruch zur Annahme. Also haben wir x0 ∈ U und U offen. Zu 3. Wähle nun ein y ∈ U . Aus den vorher gezeigten Eigenschaften folgt: y ∈ Gd2 ⇒ f (y) ≤ d2 sowie y 6∈ Gd1 ⇒ f (y) > d1 Daraus folgt: f (y) ∈]d1 , d2 ] ⊆]f (x0 ) − , f (x0 ) + [ Daraus folgt: f (U ) ⊆]f (x0 ) − , f (x0 ) + [ Damit ist der Beweis der Stetigkeit der Funktion abgeschlossen. Damit ist das Urysohn’sche Lemma bewiesen. 12 3. Folgerungen aus dem Urysohn’schen Lemma 3.1 Satz Ein Raum X ist genau dann ein T4 -Raum, wenn es zu je zwei disjunkten, abgeschlossenen, nichtleeren Teilmengen A und B eine stetige Funktion f: X → [0, 1] gibt mit f (A) = {0} und f (B) = {1}. Beweis: Dieser Beweis teilt sich, da es sich um eine äquivalente Aussage handelt, in zwei Teile, die Hin- und die Rückrichtung, auf: ”⇒” Wurde durch das Lemma von Urysohn bereits bewiesen. ”⇐” Gegeben seien zwei disjunkte, nicht leere, abgeschlossene Teilmengen A, B ⊂ X. zu zeigen: Es existiert eine offene Umgebung UA zu A und eine offene Umgebung UB zu B, wobei UA und UB disjunkt sind. Nach Voraussetzung existiert eine stetige Funktion f: X → [0, 1] mit f (A) = {0} und f (B) = {1}. Es ist bekannt, dass f (A) = {0} jedoch ist im Allgemeinen f −1 ({0}) 6= A, sondern A ⊂ f −1 ({0}). Das heißt A ist Teilmenge aller Urbilder von {0} unter f . Analog gilt: f (B) = {1} und B ⊂ f −1 ({1}). Betrachte nun die Umgebungen U1 := f −1 ([0, 14 [), und U2 := f −1 (] 43 , 1]). U1 und U2 sind offen in X, da f stetig ist und [0, 14 [ und ] 34 , 1] offen in [0, 1] sind. Wegen f −1 ([0, 41 [) = U1 gilt auch: f (U1 ) = [0, 14 [. Analog: Wegen f −1 (] 43 , 1]) = U2 gilt auch: f (U2 ) =] 34 , 1]. Daraus folgt: A ⊂ f −1 ({0}) ⊂ f −1 ([0, 41 [) = U1 sowie B ⊂ f −1 ({1}) ⊂ f −1 (] 34 , 1]) = U2 13 Daraus folgt, dass U1 = UA eine Umgebung von A, sowie U2 = UB eine Umgebung von B ist. Auch gilt UA ∩ UB = ∅, da [0, 41 [∩] 34 , 1] = ∅. Damit ist der Beweis zu dem Satz abgeschlossen. 3.2 Korollar Ein normaler Raum ist vollständig regulär. Wiederholung: Ein topologischer Raum (X, O) heißt vollständig regulär, wenn er ein T3a und ein T1 -Raum ist. Ein topologischer Raum (X, O) heißt T3a -Raum, wenn es zu jeder abgeschlossenen Menge A ⊂ X und jedem x ∈ X \A eine stetige Funktion f: X → [0, 1] gibt mit f (x) = 1 und f (A) ⊂ {0}. Ein topologischer Raum (X, O) heißt T1 -Raum, wenn von je zwei verschiedenen Punkten aus X jeder eine Umgebung besitzt, die den anderen Punkt nicht enthält. Beweis: Zu zeigen wäre hier die T1 -Raum Eigenschaft, sowie die T3a -Raum Eigenschaft. Dadurch, dass wir gegeben haben, dass es sich um einen normalen Raum handelt, kann von der T1 -Raum Eigenschaft ausgegangen werden. Somit: zu zeigen: Zu zeigen bleibt also die T3a -Raum Eigenschaft, die wie folgt gefolgert werden kann: Jeder T3a -Raum ist, wie durch den letzten Vortrag bekannt ist, ein T3 -Raum. Somit besitzen die Menge A und der Punkt x disjunkte Umgebungen. Der Beweis zu diesem Korollar verläuft also analog zum Lemma von Urysohn mit der Annahme, dass B eine einelementige Menge ist mit B = {x}. Durch die T1 -Raum Eigenschaft folgt zudem, wie aus dem letzten Vortrag bekannt ist, dass jede einpunktige Menge abgeschlossen ist. Somit sind alle Faktoren gegeben, um den Beweis dieses Korollars analog zum Beweis des Lemmas von Urysohn zu führen. Somit ist das Korollar bewiesen. 14 4. Verschärfung des Urysohn’schen Lemmas 4.1 Motivation für die Verschärfung Die Motivation zu der Verschärfung des Urysohn’schen Lemmas ist, dass nun bekannt ist, dass die Funktion f: X → [0, 1] A auf {0} und B auf {1} abbildet. Damit gilt: A ⊂ f −1 ({0}) und B ⊂ f −1 ({1}). Jedoch ist die Verschärfung des Urysohn’schen Lemmas dazu gedacht, dass man will, dass: f −1 ({0}) = A und: −1 f ({1}) = B gilt. Anders ausgedrückt soll gelten: f (x) = 0 für x ∈ A und f (x) 6= 0 für x 6∈ A und: f (x) = 1 für x ∈ B und f (x) 6= 1 für x 6∈ B. 4.2 Definition: Gδ -M enge, Fσ -M enge Sei (X, O) ein topologischer Raum. Eine Teilmenge A von X heißt Gδ -M enge, wenn sie als Durchschnitt abzählbar ∞ T vieler offener Mengen dargestellt werden kann. A = Gi , Gi offen. i=1 Eine Teilmenge B von X heißt Fσ -M enge, wenn sie als Vereinigung abzählbar ∞ S vieler abgeschlossener Mengen dargestellt werden kann: B = Fi , Fi abgeschlossen. i=1 15 4.3 Satz Ist X ein T4 -Raum und ist ∅ = 6 A ⊂ X abgeschlossen, so gibt es genau dann eine stetige Funktion f auf X mit f −1 ({0}) = A, wenn A eine Gδ -Menge ist. Beweis: Der Beweis gliedert sich in zwei Teile: 1. Die Hinrichtung 2. Die Rückrichtung ”⇒” Es ist gegeben, dass f −1 ({0}) = A, ∅ = 6 A ⊂ X, A abgeschlossen, X T4 -Raum. zu zeigen: ∞ ! T A soll Gδ -Menge sein, d.h.: A = Gi , Gi offen. i=1 Man stellt {0} als Schnitt von immer kleiner werdenden Intervallen dar: ∞ T 1 1 1 1 ] − , [, da 0 das einzige Element ist, das in allen ] − , [ enthalten ist. n n n n n=1 ∞ ∞ T T A = f −1 ({0}) = f −1 ( ] − n1 , n1 [) = f −1 (] − n1 , n1 [) n=1 n=1 Letztere Gleichheit gilt aufgrund der mengentheoretischen Grundlagen, die zu Beginn des Proseminars bereits erklärt wurden(Altje Frank, 15.10.13). Aus dieser Gleichheitskette folgt, dass A Gδ -Menge ist, da die Gi die Urbilder von offenen Intervallen sind, und somit auch offen sind. Somit ist die Hinrichtung gezeigt. ”⇐” ∞ T Es ist gegeben, dass A Gδ -Menge ist, also: A = Gi , Gi offen. i=1 zu zeigen: ! ∃f mit f −1 ({0}) = A, f stetig. Gefordert ist also ein Existenzbeweis: Aus der Voraussetzung, dass A eine Gδ -Menge ist, ist bekannt, dass zu jedem i = 1, 2, 3..... ∈ I ein Gi zugeordnet werden kann, wobei jedes Gi eine offene Umgebung von A ist. Aus dem Urysohn’schen Lemma ist bekannt: 16 Zu jedem i ∈ I gibt es eine stetige Funktion fi für die gilt: fi (A) = {0}, fi: X → [0, 1] und fi (X \ Gi ) = {1}. Definiere die Reihe sn (x) = n P ( 21i fi (x)). i=1 Da fi (x) ∈ [0, 1], ist der maximale Wert, den fi annehmen kann 1, sowie der minimale Wert 0 . Daher können wir sagen, dass die Reihe beschränkt ist mit: 0 6 sn (x) 6 n P ( 21i ) 6 i=1 ∞ P ( 21i ) = 1 i=1 Daraus folgt, dass sn (x) konvergiert. Wir definieren die Grenzwertfunktion f (x) := lim sn (x) = n−→∞ ∞ P ( 21i fi (x)). i=1 Es gilt: 0 6 f (x) 6 1 da 0 6 sn (x) 6 1 Diese Funktion f ist stetig, da eine Grenzwertfunktion bei gleichmäßiger Konvergenz stetiger Funktionen wieder stetig ist. Somit ist noch zu zeigen, dass f −1 ({0}) = A gilt: Hierfür nimmt man zwei Fälle an: 1. Fall: x ∈ A Durch die Definition für fi (A) = {0} gilt, dass fi für alle i ∈ I den Wert 0 annimmt, und so jeder Summand 0 wird. Daraus folgt: f (x) = 0. 2. Fall: x 6∈ A. Ebenfalls wegen der Definition von fi (X \ Gi ) = {1} gilt, dass es mindestens einen Index i ∈ I gibt, so dass fi (x) = 1, und so ist ∞ P f (x) = ( 21j fj ) > ( 21i ) > 0. Dies gilt, da es mindestens ein Gi geben muss, j=1 für das gilt: x 6∈ Gi , da A eine Gδ -Menge ist. Somit ist gezeigt: Es gibt eine stetige Funktion f: X → [0, 1] mit f −1 ({0}) = A. 17 4.4 Verschärfung des Urysohn’schen Lemmas Es sei X ein T4 -Raum, A und B seien disjunkte, abgeschlossene, nicht leere Teilmengen von X. Ist A bzw. B eine Gδ -Menge, so gibt es eine stetige Funktion f: X → [0, 1] mit f (A) = {0} und f (B) = {1}, die außerhalb von A verschieden von 0 bzw. außerhalb von B verschieden von 1 ist. Sind A und B Gδ -Mengen, so gibt es eine stetige Funktion f : X → [0, 1] mit A = f −1 ({0}) und B = f −1 ({1}). Beweis: Der Beweis zu der Verschärfung des Urysohn’schen Lemmas beginnt zunächst damit, dass man den vorherigen Satz für die abgeschlossenen, disjunkten Teilmengen A und B von X erneut beweist. Demnach gibt es eine stetige Funktion: f −1 ({0}) = A und eine stetige Funktion g −1 ({0}) = B Ziel dieses Beweises ist es nun die beiden stetigen Funktionen so miteinander zu verknüpfen, dass es eine stetige Funktion h(x) gibt mit: h−1 ({0}) = A und h−1 ({1}) = B Existenzbeweis von h(x): Betrachten wir nun die Funktion: h(x) = f (x) f (x) + g(x) Dabei gilt f (x) + g(x) 6= 0, da: Annahme: Sei f (x) + g(x) = 0. Daraus folgt f (x) = 0 und g(x) = 0 also wäre x ∈ (A ∩ B) = ∅, was jedoch ein Widerspruch ist. Es ist zu zeigen, dass diese Funktion h(x) die von uns gewünschten Eigenschaften erfüllt: Für a ∈ A soll h(a) = 0 sein. Für b ∈ B soll h(b) = 1 sein. Auf c 6∈ A ∪ B soll h(c) ∈]0, 1[ sein. 18 Fall 1: a ∈ A Es ist bekannt, dass f (a) = 0 und g(a) 6= 0 gilt. Daraus folgt, dass: h(a) = f (a) 0 = =0 f (a) + g(a) 0 + g(a) Fall 2: b ∈ B Es ist bekannt, dass g(b) = 0 und f (b) 6= 0 gilt. Daraus folgt, dass: h(b) = f (b) f (b) f (b) = = = 1. f (b) + g(b) f (b) + 0 f (b) Fall 3: c 6∈ A ∪ B Es ist bekannt, dass f (c) 6∈ {0, 1} und g(c) 6∈ {0, 1} gilt. Daher ist der Zähler des Bruches unter allen Umständen kleiner als der Nenner, ausserdem wird weder f (c) noch g(c) jemals negativ. Daher lässt sich sagen, dass h(c) = f (c) ∈]0, 1[, f (c) + g(c) Somit hat die gewählte Funktion h(x) die gewünschten Eigenschaften. Stetigkeitsbeweis von h(x): Diese Funktion h(x) ist stetig, da Summen und Quotienten von stetigen Funktionen stetig sind, sofern die Nennerfunktion nicht verschwindet. Damit ist die Verschärfung des Urysohn’schen Lemmas bewiesen. 19