Der Urologe [A] 4•98 441

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Klinik und Poliklinik für Urologie, Uroonkologie und Kinderurologie
Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h.c. H. Rübben
Ansprechpartner: Dr. med. F. vom Dorp
Hufelandstraße 55
45122 Essen
Tel. 0201 723 3214
Fax 0201 723 3151
[email protected]
Verfahrensanleitungen zu den
Leitlinien der
Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU)
und der
Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU)
Urothelkarzinom 2007
Urologische Universitätsklinik Essen
Westdeutschen Tumorzentrum Essen e.V. (WTZE)
in Kooperation mit
Sektion Leitlinien des Arbeitskreises - Uroonkologie
Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Krefeld, Mönchengladbach,
Mülheim, Neuss, Oberhausen, Troisdorf, Velbert
Dr. med. Bröcheler
Dr. med. Buck
Prof. Dr. med. Fichtner
Prof. Dr. med. Goepel
Dr. med. Hautkappe
Prof. Dr. med. Höfner
Prof. Dr. med. Hutschenreiter
Prof. Dr. med. Jacobi
PD Dr. med. Krege
Dr. med. Krüger
Dr. med. Stöblen
PD Dr. med. Lümmen
Prof. Dr. med. Stuschke
Prof. Dr. med. Meyer-Schwickerath Prof. Dr. med. Wammack
PD Dr. med. Miller
Prof. Dr. med. Otto
Dr. med. Rabs
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Rübben
Prof. Dr. med. Schmid
PD Dr. med. Sperling
3
Teil 1
Diagnostik
Einleitung
Mit 11.000 Neuerkrankungen/Jahr in der BRD macht das Harnblasenkarzinom 3% aller
bösartigen Tumoren aus.
Seit 1950 wird bei nachweisbarer beruflicher Exposition das Harnblasenkarzinom als
Berufskrankheit anerkannt (siehe Tabelle 1). Ein weiterer Risikofaktor ist der
Nikotinabusus. Patienten mit G3 Harnblasentumoren sind in der Mehrzahl starke
Raucher (Chinegwundoh et al. 1996).
Tabelle 1: Gefährdete Berufsgruppen (Rübben und Otto, 2001, Mc Cahy 1997)
Farb- /Kunststoffindustrie
Gummiverarbeitende Industrie (Kabel u.a.)
Gasproduktion in der Kohleindustrie
Kammerjäger
Laboratoriumsangestellte
Aluminiumindustrie
Textilindustrie
Druckindustrie
Kimonomaler, Friseure
Strahlenindustrie
______________________________________________________________________
Diagnostik bei symptomatischen Patienten (Abb.1)
Die rechtzeitige Erkennung des Tumors verbessert die Prognose der Patienten. Das
häufigste Symptom des Blasentumors ist die Hämaturie, wobei das Ausmaß der
4
Blutbeimengung nicht mit dem Tumorstadium korreliert. Jede Form der Hämaturie
fordert die Abklärung des Harntraktes (Sultana et al. 1996).
Neben
der
Hämaturie
können
Dysurie,
Algurie
oder
Pollakisurie
auf
einen
Harnblasentumor hindeuten. Vor allem bei persistierender Symptomatik und fehlendem
Infektnachweis muss ein Blasentumor und ein Carcinoma in situ ausgeschlossen
werden (Cummings et al. 1992).
Die Klinische Untersuchung ist wenig ergiebig.
Harnanalyse und Harnkultur
•
Die
Analyse
auf
Erythrozyten
und
Leukozyten
erfolgt
durch
Sedimentuntersuchung oder Teststreifen.
•
Eine Urinkultur zum Ausschluß eines Harnwegsinfekts erfolgt bei bestehender
symptomatischer Leukozyturie.
Laboruntersuchungen des Serums
•
Serumkreatinin als Parameter für die globale Nierenfunktion.
•
Blutbild und Gerinnung im Rahmen der OP-Vorbereitung zur diagnostischen
transurethralen Resektion.
Sonographie des Abdomens
Nieren: Der Nachweis einer Harnstauungsniere ist ein Hinweis auf ein invasives
Harnblasenkarzinom.
Blase: Die Sonographie der gefüllten Harnblase kann Blasentumoren bei bis zu 90% der
Patienten nachweisen. Falsch negative Befunde ergeben sich bei maximal 40% der
Patienten, falsch positive Befunde durch Blasentrabekulierung oder Blutkoagel bei ca.
10%.
5
Urethro-Zystoskopie
Die endoskopische Untersuchung lokalisiert den Tumor, stellt die Anzahl und den
Wachstumstyp fest und kann in 95% zwischen oberflächlichen oder muskelinvasiven
Tumoren differenzieren (Oosterlinck et al. 1993).
Akzeptiert ist die zytologische und histologische Abklärung durch transurethrale
Resektion (s.u.). Der zusätzliche Nutzen der 5-ALA (Aminolävulinsäure)-induzierten
Fluoreszenzzystoskopie ist nicht allgemein akzeptiert.
Urographie
Da bis zu 5% der Urothelkarzinome im oberen Harntrakt wachsen, ist das Urogramm
bzw. die retrograde Untersuchung akzeptierter Bestandteil der präoperativen Diagnostik.
Eine
Harnstauung
kann
auf
einen
Tumor
des
Harnleiters
oder
auf
einen
muskelinvasiven Tumor im Bereich der Uretermündung hindeuten (Dershaw et al. 1990,
See et al. 1992). Die positive Fallfindung im Urogramm liegt jedoch bei unter 0,5%
(Holmäng et al. 1998).
Urinzytologie und uringebundene Markersysteme
Die Urinzytologie und uringebundene Markersysteme können in etwa 90% ein
Carcinoma in situ nachweisen. Eine alleinige Urinzytologie ist zum Ausschluß eines
Tumors ungeeignet und ersetzt nicht die Zystoskopie: Gut differenzierte Tumoren
entgehen in etwa 50% der Fälle der urinzytologischen Diagnostik. Eine positive
Zytologie ohne Korrelation eines Tumors sollte eine weitere Abklärung bedingen, ggf.
erneute
TUR
und/oder
retrograde
Darstellung
des
oberen
Harntraktes.
Zur
Qualtitätssicherung der Urinzytologie werden durch die Sektion Urinzytologie des
Arbeitskreises Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Urologie Seminare und
Ringversuche angeboten.
6
Markersystem
n
Sensitivität %
Spezifität %
Zytologie
3444
55 (48-62)
94 (90-96)
BTA stat
1300
70 (66-74)
75 (64-84)
BTA Trak
829
66 (62-71)
65 (45-81)
NMP 22
2150
67 (60-73)
78 (72-83)
Telomerase
855
75 (71-79)
86 (71-94)
Vysis Urovysion
176
71
94,5
Ziel neuer Testverfahren, wie z.B. der BTA stat Test, der NMP 22 Test oder der
Telomerase Test ist, die schwache diagnostische Treffsicherheit der Urinzytologie im
hochdifferenzierten Tumorspektrum zu verbessern. Vor allem die Spezifität der
uringebundenen Markersysteme, also die korrekte Erkennung gesunder Patienten, liegt
unter der der zytologischen Diagnostik. Dies hätte bei konsequentem Einsatz ein
kostenintensiveres Aufkommen invasiver Diagnostik zur Folge ungeachtet der
psychologischen Auswirkungen für den Patienten. Ein ausreichend sensitives und
spezifisches System, wie es die Zystoskopie in Kombination mit der Urinzytologie
darstellt, ist noch nicht gefunden (Glas et al. 2003, Sarosdy et al 2002).
7
Ausbreitungsdiagnostik (Abb.1)
Primärtumordiagnose
Transurethrale Elektroresektion (TUR): Die TUR hat bei oberflächlichen Tumoren
diagnostische und therapeutische Bedeutung. Drei Fragen müssen durch die Resektion
beantwortet werden:
Welche Tumorart und Tumordifferenzierung liegen vor? (Histologischer Typ, GKategorie)
Wie tief ist der Tumor in die Blasenwand vorgewachsen? (T-Kategorie)
Finden sich neben dem exophytischen Tumor noch Tumorausläufer in der normal
aussehenden umgebenden Blasenschleimhaut (Tis)?
Nachdem der exophytische Tumoranteil abgetragen und das resezierte Gewebe mit der
Blasenspritze evakuiert wurde, werden getrennte Biopsien aus Tumorgrund inklusive
Blasenmuskulatur
und
Tumorrändern
entnommen.
So
kann
der
Pathologe
oberflächliche von muskelinfiltrierenden Tumoren unterscheiden. Randbiopsien sind aus
2 Gründen erforderlich:
Althausen et al. (1976) konnten zeigen, daß Biopsien aus dem unmittelbaren Umfeld
des Urotheltumors eine prognostische Aussage hinsichtlich des zu erwartenden
Rezidivs und der Progression ermöglichen. Bei hochgradigen Urotheldysplasien oder
Tis ist in bis zu 80% innerhalb von 12 Monaten ein Rezidiv zu erwarten. Zusätzlich
informiert die Randbiopsie über die komplette Tumorentfernung.
Fallweise nützliche Verfahren
Biopsie der prostatischen Harnröhre: Das Urothelkarzinom der Harnblase kann sich
per continuitatem in die prostatische Harnröhre und die Prostata erstrecken. Darüber
hinaus kann ein synchroner Schleimhautbefall der prostatischen Harnröhre bzw. eine
Infiltration in das Prostataparenchym auftreten. Die transurethrale Resektionsbiopsie der
prostatischen Harnröhre ist angezeigt bei
• Verdacht auf Tis der Harnblase (blasenerhaltende Therapie?)
• Verdacht auf muskelinfiltrierendes Karzinom (orthotope Darmblase?)
8
Bimanuelle Untersuchung: Die bimanuelle Untersuchung in Narkose wird als
diagnostische Maßnahme im TNM-System angeführt, um den organüberschreitenden
bzw.
den
im
kleinen
Becken
fixierten
Tumor
(T4)
zu
erfassen.
Das
Untersuchungsergebnis ist von der Ausdehnung und Lokalisation des Tumors, von
vorangegangenen Operationen im Unterbauch, Fettleibigkeit des Patienten und der
Erfahrung des Untersuchers abhängig (Wijkstrom et al 1998).
•
Oberflächliches Harnblasenkarzinom (Ta,T1,Tis)
Bei pTa-Tumoren ist eine weitere Ausbreitungsdiagnostik nicht erforderlich. Eine
generelle Indikation zur Nachresektion besteht nicht. Bei pTa G1-G2 und solitären
pT1G1 Tumoren besteht keine generelle Indikation zur Nachresektion, da keine
Progression des Tumors zu erwarten ist. Tumoren, die ein mittleres oder hohes
Risikoprofil haben (s.u.), insbesondere solche mit positiver Randbiopsie, sollten einer
Nachresektion zugeführt werden. Diese erfolgt 1 bis 6 Wochen nach dem Ersteingriff.
Beim Tis und Persistenz der positiven Zytologie ist durch ureterale Spülzytologie und
ggf. Ureteroskopie ein Befall des oberen Harntrakts auszuschließen.
Oberflächliche Blasenkarzinome werden nach Prognosefaktoren wie Anzahl der
Tumoren bei Diagnosestellung, Rezidivrate, Größe und Differenzierung des Tumors in 3
Risikogruppen eingeteilt (EAU-Guidelines, Oosterlinck et al 2002):
Niedrig-Risiko: singuläre Ta,G1, < 3 cm Durchmesser
Mittleres-Risiko: Ta-T1, G1-G2, multifokal, > 3 cm Durchmesser
Hoch-Risiko: T1, G3, mulitfokal oder rasch rezidivierend, Carcinoma in situ.
•
Muskelinvasives Harnblasenkarzinom (T2)
T-Kategorie: Die Invasion des Tumors in andere Organe wird mit 80% iger Sensitivität
und Spezifität diagnostiziert (Barentsz et al. 1996). Die verschiedenen technischen
Möglichkeiten der MRT zeigen bisher keinen diagnostischen Vorteil gegenüber der CT.
Die transabdominelle Sonographie kann zur Beurteilung der T-Kategorie wenig
beitragen.
9
N-Kategorie:
Die
Sensitivität
von
CT
und
MRT
zur
Aufdeckung
von
Lymphknotenmetastasen im kleinen Becken ist niedrig (Barentsz 1997, Paik et al.
2000): beide sind für diese Indikation als alleinige Untersuchung ungeeignet. Diese
Limitierung ergibt sich aus der Tatsache, daß sowohl im CT als auch im MRT lediglich
vergrößerte Lymphknoten erkannt werden können. Vergrößerte Lymphknoten werden
im CT/MRT ab einer Größe von 1 cm detektiert. Von sicher positiven Lymphknoten im
Sinne einer Metastasierung ist ab einer Größe von 3 cm auszugehen. In der
Positronenemissionstomographie
(PET)
können
Stoffwechselvorgänge
und
morphologische Veränderungen untersucht werden. Die erhöhte Glykolyse in Tumoren
kann mittels radioaktiv markierter Glukose und PET nachgewiesen werden. Beim
Harnblasenkarzinom ergab sich eine Sensitivität dieses Verfahrens für die Detektion von
Lymphknotenmetastasen von 67%, eine Spezifität von 86% und eine Treffsicherheit von
80%.
Somit
waren
die
PET-CT-Ergebnisse
besser
als
die
der
klassischen
Stagingverfahren, wie CT und MRT (Bachor et al. 1999).
Neuere
MRT-Untersuchungen
mit
eisenenthaltenden
superparamagnetischen
Nanopartikeln zeigte eine Sensitivität in der Detektion von Lymphknotenmetastasen von
90,5% im Vergleich zu 35,4% eines konventionellen MRT (Harisinghani et al. 2003).
M-Kategorie: Die Untersuchung zum Ausschluß von Lungenmetastasen ist die
Röntgenaufnahme der Thoraxorgane in zwei Ebenen. In Einzelfällen ohne Nachweis
anderer Metastasen kann die CT indiziert sein. Die Inzidenz von Knochenmetastasen
beim muskelinvasiven Harnblasenkarzinom wird in der Literatur zwischen 2% (Berger et
al. 1981) und 12% (Davey et al. 1985) angegeben, wobei eine alleinige
Knochenmetastasierung mit einer Häufigkeit von unter 2% anzunehmen ist (Wallmeroth
et al. 1999). Eine Knochenszintigrafie ist bei skelettsymptomatischen Patienten
angezeigt. Eine Abklärung von Lebermetastasen mittels Sonographie ist zu empfehlen.
Besteht bei geplanter kontinenter Harnableitung der Verdacht auf Darmerkrankungen,
kann eine Computertomographie des Abdomens und/oder eine Koloskopie bzw. virtuelle
Koloskopie in Form einer Magnetresonanztomographie durchgeführt werden.
10
Pathologische Diagnostik (s. Tab. 2,3)
Materialbehandlung und Information des Pathologen, histologische Bearbeitung
sowie pathologische Begutachtung und Dokumentation
Makroskopische Beschreibung
Die makroskopische Beschreibung umfaßt:
• Übersandtes Material: totale oder partielle Zystektomie, mitentfernte andere
Organe,Maßangaben einschl. Länge der entfernten Ureteren und Urethralanteile,
Versand in frischem oder fixiertem Zustand
• Tumorzahl und -lokalisation
• größte Tumorausdehnung
• makroskopischer Tumortyp
• Beziehung zu Ureterostien und Blasenausgang
• Minimale Entfernung zu Resektionsflächen: bei totaler Zystektomie: urethral, Ureter
links, Ureter rechts; bei partieller Zystektomie: seitliche Resektionsränder
Zuschneiden
Eingebettet werden:
1. Urethrale Resektionsfläche sowie Resektionsflächen der Ureteren, bei partieller
Zystektomie seitliche Resektionsflächen
2. Etwaige durch den Urologen markierte oder makroskopisch auf Tumor verdächtige
Stellen an der pelvinen Oberfläche des Präparates (lokal unradikal?)
3. Beide Ureterostien
4. Trigonum
5. Rechte und linke Seitenwand
6. Blasenscheitel
7. Alle tumorösen, tumorverdächtigen und ulzerösen Areale, jeweils mit gesamter Wand,
um die Tiefenausdehnung exakt feststellen zu können
11
8. Beim Mann: je drei Blöcke aus rechtem und linkem Prostatalappen (zum Ausschluß
einer intraprostatischen Ausbreitung des Urothelkarzinoms bzw. zum Ausschluß eines
gleichzeitig bestehenden Prostatakarzinoms), intraprostatische Harnröhre
9. Sämtliche Lymphknoten, getrennt nach Stationen (Lymphknoten mit > 5 mm Dicke
werden äquatorial halbiert bzw. in bis 5 mm dicke Schreiben lamelliert und einzeln
eingebettet, kleinere Lymphknoten einer Station können jeweils ungeteilt zusammen in
einer Kapsel eingebettet werden. Die Größe von metastatischen Lymphknoten ist zu
dokumentieren, sofern > 2 cm.)
Pathohistologische Begutachtung und Dokumentation (Tab. 5)
Das Suffix „y“ wird der pTNM-Formel vorangesetzt, wenn eine präoperative Radio und/
oder Chemotherapie vorangegangen ist. Bei Vorliegen mehrerer synchroner Karzinome
wird bei der pTNM-Klassifikation der am weitesten fortgeschrittene Tumor berücksichtigt
und der pT-Kategorie entweder (m) (für multipel) oder die Zahl synchroner Karzinome in
Klammern zugesetzt. Dabei werden papilläre Karzinome (invasiv und nichtinvasiv) und
nichtpapilläre invasive Karzinome gezählt. Das Vorkommen zusätzlicher in-situKarzinome wird durch den Zusatz „is“ angezeigt. Fakultativ kann das Vorkommen
ausschließlich von Mikrometastasen (2 mm) durch Zusatz von (mi) zu pN oder pM
angegeben werden. Isolierte (disseminierte) Tumorzellen in Knochenmarksbiopsien
werden mit „(i)“ gekennzeichnet (UICC 1993).
Erweitertes Programm
Hier
werden
die
oben
angeführten
weiteren
histomorphologischen
Parameter
beschrieben sowie gegebenenfalls die histopathologische Response-Beurteilung nach
präoperativer Radio- und / oder Chemotherapie vorgenommen.
12
Abb. 1
Diagnostischer Algorithmus beim Harnblasenkarzinom
Symptomatischer Patient
-Hämaturie
-Irritative Miktionssympt.
Klinische Untersuchung
Sonographie Abdomen/Becken
Urographie
Urinlabor
Serumkreatinin
Zytologie
Urethro-Zystoskopie
Primärtumordiagnostik
Transurethrale Resektion
Biopsie bei pos. Zytologie
Fallweise nützlich:
X1
-Bimanuelle Untersuchung
x2
-Biopsie prostat. Harnröhre
Ausbreitungsdiagnostik
Oberflächlicher Tumor (Ta, T1, Tis)
fallweise
x3
Nachresektion
Muskelinvasiver Tumor (>T1)
-Röntgen Thoraxorgane
-Leber-Sono
Fallweise nützlich:
-Becken CT/MRT bei lokal
fortgeschrittenem Tumor
-Knochenszintigraphie bei
Symptomatik
X1:
insbesondere vor Zystektomie
X2:
insbesondere vor geplantem orthotopen Blasenersatz
X3:
Mittleres-Risiko: Ta-T1, G1-G2, multifokal, > 3 cm Durchmesser; Hoch-Risiko: T1,
G3, mulitfokal oder rasch rezidivierend, Carcinoma in situ
13
Tabelle 2
TNM Klassifikation und Stadieneinteilung des Harnblasenkarzinoms (UICC 2002)
_________________________________________________________________________________________________________
T Primärtumor
TX
T0
Ta
Tis
T1
T2
T3
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
Kein Anhalt für Primärtumor Oberflächliches
Nicht-invasiver papillärer Tumor
Carcinoma in situ (»flat tumor«)
Tumor infiltriert subepitheliales Bindegewebe
Tumor infiltriert Muskulatur
T2a Tumor infiltriert oberflächliche Muskulatur (innere Hälfte)
T2b Tumor infiltriert äußere Muskulatur (äußere Hälfte)
Tumor infiltriert perivesikales Fettgewebe Karzinom
T3a Mikroskopisch
T3b Makroskopisch (extravesikaler Tumor)
T4Tumor infiltriert Prostata oder Uterus oder Vagina oder Becken- oder Bauchwand
T4a Tumor infiltriert Prostata oder Uterus oder Vagina
T4b Tumor infiltriert Becken- oder Bauchwand
Oberflächliches Karzinom
Muskelinvasives Karzinom
Der Zusatz (m) soll bei der entspr.T-Kategorie verwendet werden, um multiple Läsionen anzuzeigen.
Der Zusatz (is) kann zu jeder T-Kategorie verwendet werden, um das Vorliegen eines assoziierten Cis anzuzeigen.
N
Regionäre Lymphknoten
_____________________________________________________________________________________________________________________
Regionäre Lymphknoten sind die Lymphknoten des kleinen Beckens,die im wesentlichen den Beckenlymphknoten unter der Bifurkation der Aa. iliacae
communes entsprechen. Die Seitenlokalisation beeinflußt die N-Klassifikation nicht.
NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen
Größte Ausdehnung
Zahl befallener Lymphknoten
befallener Lymphknoten
Solitär
Multipel________________________________
2 cm oder weniger
mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 5 cm
mehr als 5 cm
N1
N2
N3
N2
M
Fernmetastasen
______________________________________________________________________________________________
MX Fernmetastasen können nicht beurteilt werden
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
pTNM Pathologische Klassifikation
_________________________________________________________________________________________________________
Die pT-, pN- und pM-Kategorien entsprechen den T-, N- und M-Kategorien
Erfordernisse für pTNM
pT:
pN0:
pN1:
pN2:
pN3:
pM1:
Histologische Untersuchung des Präparates einer partiellen oder totalen Zystektomie ohne makroskopisch erkennbaren Tumor an den
Resektionsrändern oder mikroskopische Bestätigung der Invasion von Prostata, Uterus,Vagina, Beckenwand,Bauchwand,Darm
Histologische Untersuchung von acht oder mehr regionären Lymphknoten
Mikroskopische Bestätigung einer oder mehrerer Metastasen in einem solitären regionären Lymphknoten, Metastasengröße <2 cm
Mikroskopische Bestätigung einer oder mehrerer Metastasen in einem solitären regionären Lymphknoten, Metastasengröße >2 cm, aber
nicht >5cm oder mikroskopische Bestätigung von Metastasen in mindestens zwei regionären Lymphknoten. Metastasengröße nicht >5 cm
Mikroskopische Bestätigung einer regionären Lymphknotenmetastase, die >5 cm ist
Mikroskopischer (histologischer oder zytologischer) Nachweis von Fernmetastasen
14
Tabelle 3 Einteilung urothelialer Tumoren
WHO –Typisierung der Tumoren der Harnblase in derzeit gültigen Fassung (Eble et al., 2004)
Histologische Klassifikation von Tumoren der Harnblase
1. Urotheliale Tumoren
1.1 Non invasive urotheliale Neoplasien
1.1.1
Urotheliales Papillom
1.1.2
Urotheliales Papillom, invertierter Typ
1.1.3
Nicht invasive urotheliale Neoplasie mit niedrig malignem
Potenzial
1.1.4
Nicht invasives papilläres Urothelkarzinom, low grade
1.1.5
Nicht invasives papilläres Urothelkarzinom, high grade
1.1.6
Urotheliales Carcinoma in situ
1.2 Invasive urotheliale Neoplasien
1.2.1
Infiltrierendes Urothelkarzinom
ICD-O
8120/0
8121/0
8130/1
8130/2
8130/2
8120/2
8120/3
Grading der Tumoren der ableitenden Harnwege
Das Grading urothelialer Tumoren unterliegt seit Jahrzehnten einem kontinuierlichen
Wandel. Die kürzlich publizierte WHO-Klassifikation (Eble et al., 2004) entspricht
praktisch der WHO-ISUP-Klassifikation (1998); sie grenzt bei den papillären urothelialen
Tumoren neben dem Papillom drei weitere Entitäten ab (siehe Tabelle 4). Die
Neueinführung der Kategorie des „nicht invasiven papillären urothelialen Tumors mit
niedrig malignem Potenzial (LMP)“ hat jedoch eine Reihe von Kontroversen
hervorgerufen. Morphologisch fällt bei Anwendung der alten WHO Kriterien ein Teil der
ehemaligen pTa G1-Tumoren in die LMP-Kategorie. Die Problematik der neuen WHOKlassifikation (2004) wird auch dadurch verdeutlicht, dass in zwei Textbüchern (Murphy
et al. 2004; Foster und Ross, 2004) das Urothelkarzinom nicht in Übereinstimmung mit
der WHO-Klassifikation klassifiziert wird.
Zur Zeit wird der Vorschlag eines Grading – System für pTa Tumoren diskutiert, welches
analog dem Gleason Grading beim Prostatakarzinom die Tumorheterogenität insofern
berücksichtigt, indem ein Score aus einem primären und einem sekundären Grading
gebildet wird; das Ergebnis dieser Diskussion bleibt aber noch abzuwarten. Bisher
vorliegende Ergebnisse zeigte aber signifikante Unterschiede im progressfreien
Überleben nach durchschnittlich 7 Jahren zwischen den vorgeschlagenen ScoreGruppen (Cheng et al., 2000).
Das Grading von Urotheltumoren erfolgt nach folgenden Prinzipien:
•
•
•
Das Grading sowohl für nicht invasive als auch invasive Tumoren angewendet.
Bei papillären Tumoren dürfen nur orthograd getroffene Tumorabschnitte zum
Grading verwendet werden.
Bereits in der Übersichtsvergrößerung wird entschieden, ob und wieweit die Textur
der papillären Formationen erhalten ist oder nicht.
15
•
•
Papilläre Tumoren werden immer nach dem höchsten Tumorgrad bewertet (d. h.
auch ein kleiner „high grade“ Focus reicht aus um einen „high grade“ Tumor zu
diagnostizieren).
Das urotheliale Carcinoma in situ ist definitionsgemäß immer ein niedrig
differenziertes Karzinom.
Grading-Kriterien für papilläre Urotheltumoren (WHO,2004)
Eine vereinfachte Gegenüberstellung verschiedener angewandter Grading-Systeme der
letzten Jahrzehnte ist in der folgenden Tabelle dargestellt (Busch und Algaba, 2000).
Das modifizierte Bergqvist Grading von Malmström et al. (1987) stellte die Basis für die
Grading - Einteilungen der WHO von 1998 und 1999 dar.
Die terminologische Beschränkung der neuen WHO Klassifikation (2004) in „low grade“
und „high grade“ Urothelkarzinome ist prinzipiell begrüßenswert. Der publizierte
Einwand der Arbeitsgruppe um Bostwick (Cheng und Bostwick, 2000) ist aber sicherlich
mehr als berechtigt, dass die Schaffung einer neuen Kategorie des „papillären Tumors
mit niedrig malignem Potenzial“ (= LMP), die kein klar definierte Tumorentität
repräsentiert und zudem nur schwer von pTa GI-Karzinomen abgrenzbar ist, nicht
sinnvoll ist und daher im klinischen Alltag schwer einführbar sein wird.
Tabelle 4:
Gegenüberstellung verschiedener Grading – Systeme
WHO 1973
Papillom
Malmström 1987
ISUP/WHO 1998
WHO 1999
WHO 2004
Grad 1
Papillom
LMP
Grad 2A
Low grade Ca
Papillom
LMP
Low grade
Grad 1
Papillom
LMP
Low grade
Ca
Grad 2B
High grade Ca
Grad 3-4
High grade Ca
Grad 1
Grad 2
Grad 3
High grade
Grad 2
High grade
Ca
High grade
Grad 3
Ein prognostisch multivariat unabhängiger Stellenwert des Grading nach zytologischen
oder nukleären Kriterien für muskelinvasive Urotheltumoren ist zur Zeit nicht gegeben,
da bei über 80% der muskelinvasiven Urothelkarzinome zytologisch ein hochmaligner
Tumor vorliegt. Ob ein analog dem Gleason-Grading beim Prostatakarzinom
durchgeführtes Scoringsystem, bei dem das Wachstumsmuster der invasiven
Komponente (nodulär, trabekulär oder netzförmig infiltrierend) als Grundlage benützt
wird, hier eine Verbesserung herbeiführt, kann noch nicht abschließend beurteilt
werden. Zur Zeit sind beim muskelinvasiven Harnblasenkarzinom das Staging und der
Lymphknotenstatus die besten Indikatoren für ein aggressives biologisches Verhalten
des Tumors.
16
Tabelle 5
Pathohistologisches Gutachten bei Harnblasenkarzinom–Minimalprogramm
Patientendaten__________________
1.Angaben zur R-Klassifikation
a) Befunde an Resektionslinien
Totale
Zystektomie
Partielle
Zystekt.
E.-Nr.__________________
F = Tumorfrei
T = Tumorbefall
Ureter rechts
Ureter links
Urethra o
Perivesikal
o
o
o
Harnblase seitl.
Perivesikal
o
o
X = Nicht untersucht
b) Falls verbindl.Aussagen über die klinische R-Klassifikation vorliegen: Definitive R-Klassifikation
0 = Kein Residualtumor (R0)
1 = Nur mikroskopischer Residualtumor (R1)
2 = Makroskopischer Residualtumor, mikroskopisch nicht bestätigt (R2a)
3 = Makroskopischer Residualtumor, auch mikroskopisch bestätigt (R2b)
Falls Residualtumor, Lokalisation
N = Nein
J = Ja
Lokoregionär
Fernmetastasen
o
o
o
o
2.Bei Operation Schnitt durch Tumorgewebe?
o Nein
o Ja
3.pTNM-Klassifikation -
(y)|_| pT |_|_|_| (m) |_| (is) |_|
pN |_| (mi) |_| pM |_| (mi) |_| (i) |_|
Zahl untersuchter Lymphknoten |_|_|
Zahl befallener Lymphknoten |_|_|
4. Histologischer Typ (WHO)
Übergangszellkarzinom in situ 1820/2
Papilläres Übergangszellkarzinom 8130/3
Nicht papilläres invasives Übergangszellkarzinom 8120/3
Sonstiges________________________________________
5. Histologischer Differenzierungsgrad
G1
G2
G3
X = GX
6. Assoziierte Harnblasenveränderungen, vom Tumor getrennt
o Gering- und mäßiggradige Dysplasie
o Hochgradige Dysplasie/Carcinoma in situ
________________ _________________________
(Datum) (Unterschrift)
17
Teil 2
Therapie
Empfehlungen zur operativen Therapie des oberflächlichen Karzinoms (Ta-T1, Tis)
TUR
Die TUR ist beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom ein Eingriff mit diagnostischer
und kurativer Zielsetzung. Repräsentatives Gewebe wird für die pathologischhistologische
Beurteilung
gewonnen
und
eine
vollständige
Entfernung
des
Tumorgewebes im Gesunden angestrebt. Die photodynamische Therapie (PDT) des
oberflächlichen Harnblasenkarzinoms ist derzeit noch als experimentell anzusehen
(Benson 1991, Kriegmair et al. 1995, 1996b).
Adjuvante Instillationstherapie
Ziel der intravesikalen Rezidivprophylaxe ist, Rezidivhäufigkeit und Progressionsrate zu
senken. Rezidiv- und Progressionshäufigkeit sowie Metastasierung korrelieren mit der
T-Kategorie und der Tumordifferenzierung. Weitere prognostisch relevante Faktoren
sind: Multifokales Tumorwachstum (Rübben et al. 1988), Tumorgröße über 5 cm,
begleitende Urotheldysplasien (Torti u. Lum 1984) und begleitendes Tis (Utz u. Farrow
1984). In Abhängigkeit von den prognostischen Kriterien wird nach TUR die Indikation
zur
adjuvanten
Therapie
oberflächlicher
Harnblasenkarzinome
(intravesikale
Rezidivprophylaxe) gestellt (Tab. 1). Bei solitären oder wenigen primären pTa G1-2Tumoren und solitären pT1 G1-Tumoren ist keine Instillationstherapie indiziert. Eine
Indikation zur Instillationstherapie ergibt sich bei pTa G3, pT1 G2-3 und pTis (falls keine
Zystektomie geplant ist) und rasch rezidivierenden pTa G2-3- und pT1-Tumoren.
18
Zur intravesikalen Rezidivprophylaxe stehen Zytostatika (Doxorubicin, Mitomycin C) und
der Immunmodulator BCG (Bacillus Calmette-Guérin) zur Verfügung. Die intravesikale
Therapie erzielt keinen Effekt auf die Progression der Erkrankung. Die Rezidivrate kann
nach einer Metaanalyse signifikant um 6% gesenkt werden (Pawinski et al. 1996). Ein
Chemotherapeutikum
der
ersten
Wahl
zur
Rezidivprophylaxe
oberflächlicher
Blasenkarzinome läßt sich aus den vorhandenen Daten nicht ableiten
Während
bei
Patienten
mit
niedrigem
Progressionsrisiko
die
Chemo-
und
Immuntherapie als gleichwertig anzusehen ist (Rübben et al. 1990, Vegt et al. 1995),
wird bei hohem Progressionsrisiko (G3-Tumoren, Rezidivtumoren) die intravesikale
Behandlung mit BCG vorgezogen (Lamm et al. 1991, Lamm u. Griffith 1992).
Die Therapieschemata für die intravesikale Chemo- und Immunprophylaxe sind nicht
standardisiert. Gemeinsamer Nenner sind eine „Induktionsphase“ über 6 bis 8 Wochen
und eine „Erhaltungsphase“ im Sinne einer Langzeittherapie (Tab. 2).
Für die Chemoprophylaxe ist ein früher Beginn unmittelbar nach TUR vorteilhaft und
ohne Gefahr möglich. Hierdurch kann die Dauer der „Erhaltungsphase“ auf maximal 6
Monate verkürzt werden (Bouffioux et al. 1995). Bisher ist nicht geklärt, in wie weit eine
einzige Frühinstillation einer nachfolgenden Induktions- und Erhaltungsphase unterlegen
ist (Tolley et al. 1996; Solsona et al. 1999). Nach einer Metaanalyse reduziert eine
Frühinstillation bei Tumoren mit niedrigem Progressionsrisiko das Rezidivrisiko um 11%
gegenüber einer alleinigen TUR-B (Sylvester et al. 2004).
Der Therapiebeginn mit BCG sollte frühestens zwei Wochen nach TUR erfolgen, um
systemische Nebenwirkungen zu vermeiden. Im Rahmen einer Metaanalyse zeigte der
Einsatz von BCG eine Reduktion der Tumorprogression um lediglich 4%, ohne Einfluß
auf
das
Überleben
der
Patienten.
Dieser
Effekt
war
nur
mit
einer
BCG-
Erhaltungstherapie über 36 Monate zu erzielen. Es zeigte sich kein signifikanter
Unterschied gegenüber einer intravesikalen Chemotherapie mit Mitomycin (Sylvester et
al. 2002). Die Ergebnisse der intravesikalen Chemo- bzw. Immunprophylaxe sind aus
den Tabellen 3-5 ersichtlich.
Patienten mit pT1G3-Tumoren sind eine besondere Risikogruppe, da der Tumor häufig
progredient wird. Nach vollständiger TUR ist der Versuch der organerhaltenden
Therapie mittels intravesikaler BCG-Instillationsprophylaxe erlaubt. Bei dem Rezidiv des
19
pT1G3-Tumors innerhalb von 3 bis 6 Monaten ist die Zystektomie indiziert, da das
Progressionsrisiko in diesem Fall hoch ist (Jakse et al. 1985). Bei T1G3 Tumoren kann
eine adjuvante Radiotherapie der Harnblase mit 50 Gy erfolgen. Bei Patienten, die eine
Zystektomie ablehnen oder aus anderen Gründen nicht dafür in Frage kommen, ist die
definitive Radiotherapie eine akzeptierte Behandlung.
Einen Sonderfall stellt das Carcinoma in situ (Tis) dar: Das Rezidiv- und
Progressionsrisiko ist hoch und beträgt nach alleiniger TUR bis zu 80%. Die
intravesikale Therapie mit BCG nach der TUR ist als Teil der Primärbehandlung
anzusehen. Bei etwa 70% der Patienten wird damit eine Vollremission über die Dauer
von fünf Jahren erreicht. Versagt diese Therapie, ist die radikale Zystektomie möglich.
Muskelinvasives Karzinom (T2-T4,NX,M0)
Die Prognose muskelinvasiver Harnblasenkarzinome korreliert mit der T Kategorie
(Infiltrationstiefe) und dem Behandlungsverfahren. Standardtherapie ist die radikale
Zystektomie; Sonderformen sind TUR, organerhaltende Tumorresektion, Radiotherapie
und Chemotherapie.
Radikale Zystektomie
Pelvine Lymphadenektomie: Die pelvine Lymphadenektomie ist Bestandteil der
radikalen Zystektomie. Die Zielsetzung ist primär diagnostisch und es gibt zunehmend
Hinweise auch auf einen therapeutischen Wert. Die histo-pathologische Beurteilung
umfaßt das Ausmaß des Tumorbefalls und die Anzahl der tumorbefallenen
Lymphknoten. Die Lymphknotendissektion erstreckt sich auf die Lymphknoten in der
Fossa obturatoria und der Vasa iliaca externa bis zum Abgang der A. iliaca interna.
Fakultativ kann der Eingriff bis in Höhe der Aortenbifurkation ausgedehnt werden.
Retrospektive Untersuchungen zeigen, dass die Anzahl der entfernten Lymphknoten mit
einem signifikanten Überlebensvorteil korreliert (Leissner et al. 2003). Im Rahmen einer
prospektiven Arbeit konnte Leissner et al. zeigen, daß Lymphknotenmetastasen in Höhe
der Aortenbifurkation in bis zu 18% der Fälle auftraten (Leissner et al. 2004).
Operatives Vorgehen beim Mann:
20
Entfernt werden Blase, Prostata und Samenblasen. Der Versuch der Potenzerhaltung
mit Schonung des neurovaskulären Bündels ist fakultativ, er kann je nach
Tumorlokalisation die Radikalität des Eingriffs kompromittieren. Empfehlenswert ist ein
Absetzungsrand der Harnleiter und der Harnröhre. Ist dieser positiv, muss ein erneuter
Absetzungsrand genommen werden. Die Urethrektomie ist obligat bei bestehendem
positivem Harnröhrenabsetzungsrand oder Tumorbefall der prostatischen Harnröhre.
Bei einer zuvor negativer Biopsie der prostatischen Harnröhre im Rahmen einer TUR-P
kann auf die intraoperative Schnellschnittuntersuchung verzichtet werden. Urethrale
Tumorrezidive nach radikaler Zystektomie beim Mann mit orthotopen Blasenersatz
liegen bei ca. 3% (Freeman et al 1995)
Operatives Vorgehen bei der Frau:
Entfernt werden Blase und aus Gründen der Radikalität ist das bisher akzeptierte
Verfahren die Entfernung von Uterus, beide Adnexen (bei jüngeren Patienten wird 1
Adnexe belassen), Vaginaldach und Urethra. In Abhängigkeit von der Tumorlokalisation
und der Tumorausdehnung kann auf die Entfernung von Uterus, Adnexen und
Vaginaldach verzichtet werden. Bei Anlage einer Neoblase bei der Frau werden die
Urethra mit dem Sphinkter sowie das Vaginaldach erhalten. Dabei sollte der urethale
Absetzungsrand in der intraoperativen Schnellschnittdiagnostik tumorfrei sein, und
präoperativ kein Tumor im Bereich des Blasenhalses und der Urethra (Stein et al. 1997;
Stenzl et al. 1997).
Ergebnisse:
Die Verbesserung der operativen Technik und perioperativen Maßnahmen hat die
Mortalitätsrate der radikalen Zystektomie auf 1,5% verringert. Die tumorspezifische 5JahresÜberlebensrate für Patienten mit muskelinvasivem Harnblasenkarzinom ist
abhängig von der Infiltrationstiefe des Tumors und beträgt für den auf die Muskulatur
begrenzten Tumor (pT2, pN0 (1997)) 70-80%, für den über die Muskulatur hinaus
infiltrierenden Tumor (pT3, pN0 (1997)) 20-36% (Miller 1994).
21
Harnableitung nach Zystektomie
Inkontinente Harnableitungen:
Die einfachste Form der Harnableitung ist das Ureterhautstoma. Nachteil ist die hohe
Inzidenz an ischämiebedingten Strikturen im Hautniveau und die dauerhafte Versorgung
des Stomas mit einem DJ-Katheter. Die Indikation zur Ureterokutaneostomie ist auf
Risikopatienten beschränkt, denen eine Darmoperation nicht mehr zugemutet werden
kann (Koontz et al. 1986). Bei einer Harnableitung über ein intestinales Conduit ist die
Stenosegefahr gering. Als Darmanteile eignen sich Ileum (Abb. 1), Colon sigmoideum
oder Colon transversum. Ausschlaggebend für die Wahl ist die Darmbeschaffenheit
nach evtl. Vorbestrahlung. Bei Strahlenschäden des Dünndarms ist das Colon
transversum vorzuziehen (Hautmann 1986).
Ileum Conduit:
Kontinente Harnableitungen:
Beim orthotopen Blasenersatz (Neoblase) wird das Darmreservoir aus Ileum oder Colon
an die Harnröhre anastomosiert. Die Miktion erfolgt durch Bauchpresse, die Kontinenz
ist durch den externen urethralen Sphinkter gewährleistet (Abb. 2)(Studer et al. 1997).
22
Bei der kontinenten, supravesikalen Harnableitung (Pouch) wird das Darmreservoir aus
Ileum und/oder Colon über ein kontinentes Stoma an die Bauchdecke (z.B. umbilikal)
angeschlossen. Die Entleerung erfolgt durch Einmalkatheterismus (Abb. 3)(Monti et al.
1997).
Eine
weitere
Harnleiterdarmimplantation
Möglichkeit
der
kontinenten
(Ureterosigmoideostomie)
mit
Harnableitung
der
ist
die
Modifikation
des
autoaugmentierten Sigmas. Kontinenzmechanismus ist in diesem Fall der anale
Schließmuskel (Fisch et al. 1996). Die Vielzahl der möglichen Harnableitungsformen
ermöglicht es, die individuellen Bedürfnisse des Patienten zu berücksichtigen.
Ileum Neoblase:
23
Sonderformen der operativen Therapie invasiver Tumoren
Transurethrale Blasentumorresektion:
Selektionierte Patienten (solitärer Tumor, < pT3a, R0-Resektion) können durch TUR
geheilt werden. Die 5-Jahres-Überlebensraten liegen bei 80% (Herr 1987, Solsona et al.
1992). Die Schwierigkeit einer sicheren Patientenselektion ist jedoch erheblich.
Blasenteilresektion:
Bei der Blasenteilresektion wird der Tumor mit einer umgebenden Blasenmanschette
durch Schnittoperation entfernt. Zum Ausschluß von Lymphknotenmetastasen ist die
pelvine Lymphadenektomie obligat. Einzige Indikation zur Blasenteilresektion ist der
solitäre muskelinvasive Tumor ohne assoziertes Carcinoma in situ mit Lokalisation im
Bereich des Blasendaches. Es gibt keine Daten, die bei dieser Indikation eine Unterbzw. Überlegenheit gegenüber der radikalen Zystektomie zeigen. Aktuelle Daten
belegen ein 5 Jahrekrankheitsfreies Überleben von 69% (Holzbeierlein et al. 2004).
Radiotherapie bzw. multimodaler organerhaltender Therapie
Multimodale Konzepte unter Einschluss einer möglichst kompletten transurethralen
Tumorresektion gefolgt von einer konventionell fraktionierten Radiotherapie (5 x
wöchentlich 1,8 – 2,0 Gy) mit einer sequentiellen oder simultanen Chemotherapie (vor
allem Cis- oder Carboplatin evtl. kombiniert mit 5-FU + Leucovorin) zeigen in einigen
Phase-II- und in einer Phase-III-Studie signifikant verbesserte Remissions- und lokale
Tumorkontrollraten gegenüber der alleinigen Radiotherapie. Moderne klinische Studien
mit multimodaler Therapie erzielen 5-Jahres-Überlebensraten im Bereich von 50 - 60%;
sie erreichen damit heute Überlebensraten, die denen der radikalen Operation fast
ebenbürtig sind. Ein Überlebensvorteil gegenüber der radikalen Zystektomie ist aber
mangels randomisierter Studien nicht nachgewiesen (Tabelle 9,10)
Bis zu drei Viertel der überlebenden Patienten können die eigene, gut funktionierende
Blase behalten. Bei diesen Therapiekonzepten erfolgt die Entfernung der Blase nur noch
als „Salvage-Zystektomie“, wenn ein inkomplettes Tumoransprechen vorliegt oder bei
nachgewiesenen invasiven Lokalrezidiven.
24
Neue klinische Studien zeigen, dass hyperfraktionierte und akzelerierte Bestrahlungskonzepte (d.h. 2 x tägliche Bestrahlung mit 1,2 – 1,8Gy) der konventionell fraktionierten
Radiotherapie wahrscheinlich überlegen sind. Dies gilt aber nur dann, wenn keine
simultane Chemotherapie verabreicht wird. Ein Überlebensvorteil gegenüber der
radikalen Zystektomie ist nicht belegt.
Wesentliche
Voraussetzung
für
die
blasenerhaltende
Vorgehensweise
ist
die
Anwendung von modernen Standards in Planung (CT-Simulation, 3D-Planung) und
Ausführung der Bestrahlung (Linear-beschleuniger mit > 10 MV Photonenenergie,
Mehrfelder-Technik mit Individualkollimatoren, niedrige Einzeldosen von 1,8 – 2,0Gy und
ausreichend hohe Gesamtdosen von 50 – 59Gy).
Es bestehen damit folgende Indikationen zu einer adjuvanten (R0-TUR) bzw. additiven
(R1/2-TUR) oder ggf. palliativen Radio- oder Radiochemotherapie:
-
Prophylaktische adjuvanteRadio-/Radiochemotherapie
nach R0-TUR ab
T1G3-Stadium,
falls der Patient den Blasenerhalt als Alternative zur Zystektomie wünscht
-
AdditiveRadio-/Radiochemotherapie nach R1/2-TUR ab T2-3-Stadium,
falls der Patient den Blasenerhalt als Alternative zur Zystektomie wünscht
-
primär definitiv bei Inoperabilität des Patienten
-
primär palliativ bei fortgeschrittenen, organüberschreitenden T4-Tumoren,
Nach Abschluss der Behandlung sind regelmäßige Verlaufskontrollen erforderlich, um
die Blasenfunktion zu prüfen (bei Pollakisurie z.B. Ausschluß einer „radiogenen
Schrumpfblase“) und invasive Lokalrezidive rechtzeitig zu erkennen; im letzteren Fall
sollten die operablen Patienten einer Salvage-Zystektomie zugeführt werden.
Systemische Chemotherapie bei Patienten mit Fernmetastasen
Cisplatin,
Methotrexat,
Gemcitabin
und
Taxane
erreichen
als
wirksame
Einzelsubstanzen Gesamtremissionsraten von ca. 30% bzw. 26-29% mit Anteilen
kompletter Remissionen (CR) von jeweils etwa 5% und medianen Remissionsintervallen
von 3 bis 6 Monaten ( Stadler et al. 1997; Papamichael et al. 1997). Kombinationen
methotrexat- und cisplatinhaltiger Schemata weisen eine Remissionsrate von 56-65%
25
auf (Loehrer et al. 1990). Im Rahmen einer prospektiv randomisierten Studie wurde das
MVAC-Protokoll mit der Kombination aus Gemcitabine und Cisplatin verglichen. Hierbei
zeigte sich kein Unterschied der beiden Protokolle hinsichtlich des Gesamtüberlebens,
der medianen Überelebenszeit (12-14 Monate), der Zeit bis zur Progression und der
Ansprechrate. Der Gemcitabine-Cisplatin-Arm hatte ein reduziertes Toxizitätsprofil
gegenüber MVAC (van der Maase et al. 2000). In Phase II-Studien hat die Kombination
von Gemcitabine und Taxol als second-line Therapie objektive Remissionen bis zu 60%
erzielt (Sternberg et al. 2000). Die Kombination aus Gemcitabine, Cisplatin und Taxanen
erscheint in Phase II-Studien vielversprechend (Bellmunt et al. 2000).
Bei
manifester
Metastasierung
ist
die
Polychemotherapie
die
aktzeptierte
Behandlungsform mit initial 2 Zyklen. Eine Fortführung der Therapie ist nur bei
objektivem und subjektivem Ansprechen angezeigt, andernfalls sollte eine Umstellung
der Therapie erfolgen. Bei ca. 10-30% der Patienten mit metastasierter Erkrankung kann
eine komplette Remission erzielt werden, die bei ca. 13% länger anhaltend ist. Das
bedeutet einen maximalen Vorteil für den Patienten von 10-15% bei hoher
therapieinduzierter Toxizität.
Die durch Chemotherapie verursachte Knochenmarkdepression limitiert häufig die
zeitgerechte Behandlung mit erhaltener Dosisintensität. Durch eine begleitende
Applikation von Granulocyte Colony-Stimulating Factor (G-CSF) ist es möglich, das
Auftreten, die Dauer und die Schwere von Grad-3-Leukopenien nach WHO zu
reduzieren (Glaspy u.Golde 1992). Der sog.„kalkuliert prophylaktische G-CSF-Einsatz“
ist indiziert bei einer stark ausgeprägten Myelosuppression (<1000 Leukozyten, <500
Granulozyten/µl Blut) während eines vorangegangenen Zyklus. Dies bedeutet, daß im
Folgezyklus G-CSF in einem bestimmten Zeitintervall verabreicht wird.
Adjuvante Chemotherapie
Zahlreiche Studien , die eine Kombinationschemotherapie in adjuvanter Absicht
untersuchen scheinen einen Vorteil für die Chemotherapie zu zeigen. Aufgrund der
geringen Fallzahl jedoch sind die Ergebnisse kontrovers. Ausgehend von der EORTC
wird eine prospektive Studie, die 1344 Patienten rekrutieren soll, durchgeführt, welche 4
Zyklen sofortiger Chemotherapie gegen eine verzögerte Therapie bei Rezidiv testet.
26
Drei Chemotherapieregime werden durchgeführt: Hochdosis MVAC, MVAC und
Gemcitabin/Cisplatin.
Neoadjuvante Chemotherapie
Es kann bezüglich der neoadjuvanten Chemotherapie keine Aussage gemacht werden,
da klinische Studien derzeit kontroverse Ergebnisse zeigen.
Besondere Situationen
Urothelkarzinom der prostatischen Harnröhre
Ein Befall der Prostata bei Vorliegen eines Blasenkarzinoms wird in 8-42% der Fälle
beobachtet und ist meist mit einem Tis assoziiert (Badalament et al. 1992). Da sich ein
prognostischer Unterschied zwischen einem mukösen, duktalen und stromalem Befall
der Prostata findet (Schellhammer et al. 1995), ist in jedem Fall zunächst die TUR
durchzuführen. Eine anschließende intravesikale Rezidivprophylaxe ist nur bei einem
auf die Mukosa beschränkten oder bei einem duktalen in-situ Karzinom indiziert (Hillyard
et al. 1988, Orihuela et al. 1989). Durch die Resektion des Blasenhalses herrscht eine
Kommunikation zwischen Blase und prostatischer Harnröhre, so daß das Agens auch
hier seine Wirkung entfalten kann (Bretton et al. 1989).Bei Vorliegen eines gleichzeitigen
infiltrierenden
Harnblasenkarzinoms
besteht
die
Indikation
zur
gleichzeitigen
Urethrektomie bei radikaler Zystektomie. Die stromale Invasion des Urothelkarzinoms
der Prostata ist mit hohem Progressionsrisiko verbunden, so dass die radikale
Zystektomie
mit
Urethrektomie
Übergangszellkarzinom
der
indiziert
prostatischen
ist.
Das
Harnröhre
sehr
und
seltene
Prostata
primäre
(ohne
Harnblasenkarzinom) wird bei der Therapie des Prostatakarzinoms besprochen.
Urothelkarzinom im oberen Harntrakt
Das Urothelkarzinom im oberen Harntrakt tritt bei etwa 5% der Patienten mit
Blasenkarzinom auf, während die Patienten mit einem Urothelkarzinom im oberen
Harntrakt weitere Tumoren in der Blase in etwa 50-75% der Fälle aufweisen (Otto et al.
27
1993). Die Abklärung erfolgt durch retrograde Ureteropyelographie, Zytologie und
Ureterorenoskopie ggf. mit Biopsie. Eine korrekte Stagingresektion, wie in der Blase, ist
ureteroskopisch nicht möglich. Bei monofokalen Tumoren im distalen Harnleiterdrittel ist
die Ureterteilresektion mit Ureterozystoneostomie in Psoas-Bladder-Hitch-Technik
indiziert. Bei höhergelegenen oder multifokalen Tumoren ist die Therapie der Wahl bei
intakter kontralateraler Nierenfunktion die Nephroureterektomie mit Entnahme einer
Blasenmanschette (Johannson u. Wahlquist 1979) und diagnostischer regionaler
Lymphadenektomie. Die einfache Nephrektomie mit subtotaler Ureterektomie ist keine
adäquate Therapiemaßnahme, da sie mit einem hohen Risiko von Lokalrezidiven im
Harnleiterstumpf oder im ostiumnahen Blasenbereich einhergeht (Johannson u.
Wahlquist 1979, Cummings et al. 1980). Nur in Ausnahmefällen kann die endoskopische
organerhaltende Therapie mittels perkutaner oder ureteroskopischer Elektroresektion
und/oder Laserkoagulation durchgeführt werden.
Histologische Sonderformen
Adenokarzinom
2% der primären Blasentumoren, Ätiologie unklar (chronische Entzündungen und
Irritationen). Urachuskarzinom Aus Anteilen des Urachus, somit prinzipiell extravesikal
lokalisiert. 95% Adenokarzinom, selten Urothelkarzinom, Plattenepithelkarzinom oder
Sarkom. Prognose schlechter als die für das primäre Adenokarzinom der Harnblase.
Indikation zur radikalen Zystektomie mit En-bloc-Exzision des Urachus.
Plattenepithelkarzinom
In westlichen Ländern 1-5%, in Ägypten 75% der Blasenkarzinome (El-Bolkainy et al.
1981). Assoziation mit der Schistosomiasis. Indikation zur radikalen Zystektomie
(Ghoneim u. Assad 1980). Auftreten bei chronischen Dauerkatheterträgern, bei
Blasenextrophie-Patienten und bei Schistosomiasis (Anderstrom et al. 1983). Indikation
zur radikalen Zystektomie.
28
Palliative Therapie
Eine Makrohämaturie, die durch endoskopische Eingriffe in Narkose nicht beherrschbar
ist, kann durch Instillation von 2- bis 5%igem Formalin in die Blase behandelt werden.
Ein vesiko-ureteraler Reflux muß zuvor ausgeschlossen sein, da sonst die Gefahr des
akuten Nierenversagens gegeben ist (Brown 1970). Diese Maßnahme muß in Narkose
erfolgen und kann bei Bedarf wiederholt werden. Bei Versagen aller lokalen
Maßnahmen, kann die transfemorale Embolisation einer oder beider Arteriae iliacae
internae versucht werden (Carmienani et al. 1980). Bei lokalen Schmerzen kann eine
Symptombesserung durch eine palliative Strahlentherapie erreicht werden. Indikationen
zur
palliativen
supravesikalen
Harnableitung
sind
tumorbedingte
Harnstauung,
Blutungen und lokale Symptome, die häufig durch Ausschaltung der Blase aus dem
Harntrakt gebessert werden. Zu bedenken ist, ob einfache Formen der Harnableitung
(Nephrostomie, Ureterokutaneostomie) dem Patienten eine akzeptable Lebensqualität
ermöglichen. Bei einer Lebenserwartung von mehr als sechs Monaten ist eine
permanente Harnableitung unter
Verwendung von Darmanteilen vorzuziehen. Das
Belassen der Harnblase ist mit einer nicht unerheblichen Morbidität belastet
(persistierende Blutung, Pyozystis, lokale Symptome). Indikationen zur palliativen
Zystektomie sind nicht beherrschbare Blutungen und lokale Symptome, die durch eine
supravesikale Harnableitung alleine nicht zu beseitigen sind. Ziel ist die Verbesserung
der Lebensqualität, die lokale Tumorkontrolle sowie die Beseitigung bzw. Linderung
tumorbedingter Komplikationen.
29
Tabelle 1
Empfehlung zur möglichen adjuvanten intravesikalen Instillationstherapie
Stadium
Diff.-Grad
Primär-/Rezidivtumor
Adj. Intravesikale Therapie
pTa
G1/2
Primärtumor o. solitär
nein
G1/2
Primärtumor/Rezidiv, multifokal
ja
Tis
G3
ja
pT1
G1/2
Primärtumor/Rezidiv
ja
G3
Primärtumor/Rezidiv
ja, wenn keine aggressivere
Therapie
Tabelle 2
Therapieschemata zur intravesikalen Rezidivprophylaxe
Substanz
Dosierung
Induktionstherapie
Langzeittherapie
Doxorubicin
40 mg
Wöchentlich (6-8 Wochen)
Monatlich (6-12 Monate)
Mitomycin
20 mg
Wöchentlich (6-8 Wochen)
Monatlich (6-12 Monate)
BCG
81 mg
Wöchentlich (6 Wochen)
Wöchentlich (3 Wochen)
1-5 mal
2. Zyklus bei Rezidiv mit
nach 3 und 6 Monaten
niedrigem Progressions-
dann ½ jährlich bis 3 Jahre
8
10 Keime
potential
Tabelle 3
Ergebnisse kontrollierter klinischer Studien zur intravesikalen Chemotherapie. Die
Senkung der Rezidive beträgt im Mittel 15% im Vergleich zu nur mit TUR
behandelten Patienten (kumulative Daten)
% Rezidive
Kontrolle
Therapie
% Vorteil
35
15%
n
Mitomycin C
Gesamt
157
50
[Huland et al (1984), Niijama et al. (1983), Akaza et al. (1987), Kim u. Lee (1989), Tolley et al (1988), Rübben et al.
(1990)]
Doxorubicin
Gesamt
241
47
34
13%
[Niijma et al. (1983), Zincke et al. (1983), Kurth et al. (1985), Akaza et al. (1987), Rübben et al (1988)]
30
_____________________________________________________________________________________________
Tabelle 4
BCG versus Chemotherapeutika – vergleichende randomisierte Studien
(Adriamycin=ADM, Mitomycin C=MMC, Epirubicin=EPI)
Autor
Therapie
n
CR
Signifikanz
Martinez-Pineiro et al. (1990b)
BCG
ADM
Thiotepa
67
53
56
87%
57%
64%
p<0.002 (BCG/ADM)
p<0.003 (BCG/Thio.)
v.d. Meijden et al. (1989)
BCG-RIVM
MMC
170
167
67%
71%
n.s.
Lamm et al (1991)
(SWOG) (pTaG1)
(CIS)
BCG
ADM
BCG
ADM
63
p=0.015
6468
67
37%
17%
45%
18%
Lamm et al. (1992) (SWOG)
BCG
MMC
190
187
81%
67%
p=0.005
Vegt et al. (1995)
BCG Tice
BCG RIVM
MMC
140
149
148
36%
54%
57%
p=0.01 (MMC/Tice)
p=0.01 (RIVM/Tice)
n.s. (MMC/RIVM)
Lundholm et al. (1996)
BCG
MMC
125
125
49%
34%
p<0.03
p<0.001
31
Tabelle 5: Gebräuchliche Chemotherapieschemata beim fortgeschrittenen
Harnblasenkarzinom:
MVAC – 28 Tage Zyklus
Methotrexat
30mg/qm
Vinblastin
3mg/qm
Cisplatin 70mg/qm
Tag 2
Doxorubicin
30mg/qm
Tag 1, 15, 22
Tag 1, 15, 22
Tag 2
CM – 21 Tage Zyklus
Cisplatin 70mg/qm
Tag 1
Methotrexat
40mg/qm
Tag 1, 8, 15
CMV – 21 Tage Zyklus
Cisplatin
100mg/qm Tag 2
Methotrexate
30mg/qm
Tag 1, 8
Vinbalstin
3mg/qm Tag 1, 8
CisCA – 21 Tage Zyklus
Cisplatin
70mg/qm
Cyclophodphsmid 650mg/qm
Doxorubicin
50mg/qm
Tag 2
Tag 1
Tag 2
Paclitaxel, Carboplatin – 21 Tage Zyklus
Paclitaxel
80mg/qm
Tag 1, 8, 15
Carboplatin
AUC 6
Tag 1
Gemcitabine, Cisplatin – 28 Tage Zyklus
Gemcitabine
1000mg/qm
Tag 1, 8, 15
Cisplatin
70mg/qm
Tag 2
32
Tabelle 6
Europäische Studien zur kombinierten Radiochemotherapie
Klinische Studie
(Jahr) [Quelle]
Zahl TNM
(N)
Neoadjuvante
Therapie
RT-Konzept ( +
Konsolidierung )
Komplette
Remission
5-JahresÜberleben
5-Jahres-ÜL
mit Blase
Sauer et al.
(1998)
333
TURBT
50,4 – 59Gy / 1,8Gy
71%
56%
41%
60 Gy / 2 Gy
70%
84%
(4 Jahre)
83%
(4 Jahre)
TURBT
45 Gy / 1,8 Gy +
20 Gy / 2 Gy (CR)
68%
48%
K.A .
+ 2 Zyklen MVAC
+ Cisplatin
TURBT
50,4 – 59Gy / 1,8 Gy
Tl–4
+ Carbo-/Cisplatin
Zapatero et al.
(2000)
40
T2–4
TURBT
+ 3 Zyklen MCV
Arias et al.
(2000)]
Rodel et al.
(2002)
50
415
T2–4
Tl–4
72%
50%
42%
89%
69%
(3 Jahre)
K.A.
74%
60% Krebs- K.A.
26% mit ZE
+ Carbo / Cisplatin
Chen et al.
(2003)]
23
T3–4
TURBT
60– 61,2 Gy /
1,8 Gy / 2Gy
+ Cisplatin /
5-FU / Leucovorin
Peyromaure et al.
(2004)]
43
T2
TURBT
24 Gy / 3 Gy
(+ 2 x RCT; K.A.)
+ Cisplatin / 5-FU
spezifisch
Legende: ZE = Zystektomie; TURBT =Transurethrale Resektion des Blasentumors; K.A. = keine Angaben;
33
Tabelle 7
Amerikanische klinische Studien zur kombinierten Radiochemotherapie
TNM
Initiale
Therapie
RT-Konzept ( +
Konsolidierung )
Komplette
Remission
5-Jahres- 5-JahresÜberleben ÜL mit Blase
RTOG 88-02
91
(Tester et al. ´96)
1988 – 1990
T2-4a
TURBT +
2 cycles MCV
39,6 Gy / 1,8 Gy
(25,2 Gy / 1,8 Gy)
+ Cisplatin
75%
62%
(4 Jahre)
44%
(4 Jahre)
RTOG 89-03
123
(Shipley et al. ´98
1990 – 1993
T2-4a
TURBT +
2 cycles MCV
versus no
chemotherapy
T2-4a TURBT
39,6 Gy / 1,8 Gy
(25,2 Gy / 1,8 Gy)
+ Cisplatin
61%
49%
36%
vs.
55%
67%
vs.
48%
83%
(3 Jahre)
vs.
40%
66%
(3 Jahre)
40,8 Gy / 2 x RT/d : 74%
1,8 Gy + 1,6 Gy
24 Gy / 2 x RT/d :
1,5 Gy + 1,5 Gy
+ Cisplatin
+ 3 x MCV (adjuv)
61%
(3 Jahre)
48%
(3 Jahre)
Studie
(Jahr) [Quelle]
RTOG 95-06
(Kaufman 2000)
1995-1997
Zahl
(N)
34
RTOG 97-06
47
(Hagan et al. `03)
1997-1999
T2-4a
TURBT
24 Gy / 2 x RT/d :
3 Gy + 3 Gy
20 Gy / 2 x RT/d :
2,5 Gy + 2,5 Gy
+ 5-FU / Cisplatin
34
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