Universität Regensburg Naturwissenschaftliche Fakultät I – Didaktik der Mathematik Dr. Günter Rothmeier WS 2008/09 Private Vorlesungsaufzeichnungen Kein Anspruch auf Vollständigkeit 51 722 Elementarmathematik (LH) 1. und Fehlerfreiheit Zahlenbereiche 1.5. Die komplexen Zahlen 1.5.1. Die komplexen Zahlen sind nicht Gegenstand des Lehrplans. Allerdings geben viele Taschenrechner auch komplexe Zahlen als Lösung von quadratischen Gleichungen aus. Aus diesem Grunde sollte in diesem Zusammenhang auf die Nichtlösbarkeit von Wurzeln mit negativem Radikanden hingewiesen werden. 1.6. Potenzen und Wurzeln 1.6.1. Definition der Potenz, n∈ IN n a =a⋅a⋅a ... ⋅a n ∈ {2; 3; . . .} n Faktoren 1.6.2. Potenzgesetze Multiplikation von Potenzen mit gleicher Basis Wir leiten die Regeln aus der Produktschreibweise von Potenzen ab. m n a ⋅ a = (a ⋅ a ⋅ . . . ⋅ a) ⋅ (a ⋅ a ⋅ . . . ⋅ a) m Faktoren n Faktoren =a⋅a⋅...⋅a=a m+n m + n Faktoren Division von Potenzen mit gleicher Basis Bei der Division betrachten wir vorerst nur solche Fälle, bei denen die Anzahl der Faktoren im Zähler größer ist als im Nenner. am an = a ⋅ a ⋅ ... ⋅ a ⋅ ... ⋅ a a ⋅ a ⋅ ... ⋅ a m Faktoren n Faktoren = a ⋅ a ⋅ ... ⋅ a 1 Multiplikation von Potenzen mit gleichem Exponent Wir wenden die Definition der Potenz an und fassen neu zusammen. an ⋅ bn = (a ⋅ . . . ⋅ a) ⋅ (b ⋅ . . . ⋅ b) jeweils n Faktoren = (a ⋅ b) ⋅ . . . ⋅ (a ⋅ b) = (a ⋅ b) n Division von Potenzen mit gleichem Exponent an n b = n a ⋅ a ⋅ ... ⋅ a b ⋅ b ⋅ ... ⋅ b = a a a ⎛a⎞ ⋅...⋅ = ⎜ ⎟ ⋅ b b b ⎝b⎠ jeweils n Faktoren Potenzieren von Potenzen (am)n = am ⋅ am ⋅ . . . ⋅ am = Produkt mit n Faktoren am m⋅n a⋅a⋅...⋅a⋅a⋅a⋅...⋅a ⋅a⋅a⋅...⋅a⋅ ... ⋅a⋅a⋅…⋅a=a Produkt mit m Faktoren a n Produkte mit je m Faktoren a = m ⋅ n Faktoren a = am – n (m – n) Faktoren Mit n Faktoren a gekürzt. Universität Regensburg Naturwissenschaftliche Fakultät I – Didaktik der Mathematik Dr. Günter Rothmeier WS 2008/09 Private Vorlesungsaufzeichnungen Kein Anspruch auf Vollständigkeit 51 722 Elementarmathematik (LH) und Fehlerfreiheit 1.6.3. Besonderheiten a ⋅ a ⋅ a . . . ⋅ a an = = an − n = a0 = 1 a ⋅ a ⋅ a . . . ⋅ a an a0 = 1 1 Zusätzlich gilt für jede Basis a: a = a 1.6.4. Definition der Potenz, n∈ ZZ an = an − n − 1 = a −1 an + 1 ⇒ n a an + 1 = 1 a a–1 = n Faktoren 1 = n + 1 Faktoren a 1.6.5. Definition der Potenz, n∈ IR 1 2 Die Potenzen a und a 1 3 > 0: Wir fordern die Gültigkeit des 5. Potenzgesetzes. Dann gilt für a = 1 2 ( a )2 = a 1 2 ⋅2 1 2 = a1 = a Also: ( a )2 = a 1 2 2 a ist die nichtnegative Lösung der Gleichung x = a. Auf gleiche Weise wurde aber auch 1 3 ( a )3 = a 1 3 ⋅3 1 3 = a1 = a 1 3 a definiert. Also muss gelten: Also: ( a )3 = a 3 a ist die Lösung der Gleichung x = a. Entsprechend der Schreibweise bei Quadratwurzeln schreibt man: 1 3 a = 3 a ∈ IR 0+ a Verallgemeinerung 1 n ( a )n = a 1 n ⋅n = a1 = a 1 n Also: ( a )n = a Für die neuen Potenzen gelten alle Potenzgesetze. Wir beschränken uns auf den Nachweis für das erste Potenzgesetz. Für a, x, y ∈ IR+ und m, n aus IN gilt: a Beweis: Zugehörige Gleichungen: Potenzieren: ⇔ „Gleichungen“ multiplizieren: 1 m 1 n ⋅ a = a 1 m + 1 n xm = a1 (xm)n = (a1)n xmn = an xnm ⋅ ymn = an ⋅ am (x ⋅ y)mn = an + m Radizieren: x⋅y= a Also: a 1 m 1 n yn = a1 (yn)m = (a1)m ynm = am m+n m⋅n n+m n ⋅ a = a m ⋅n = am⋅n + mm⋅ n 1 = am + 1 n Universität Regensburg Naturwissenschaftliche Fakultät I – Didaktik der Mathematik Dr. Günter Rothmeier WS 2008/09 Private Vorlesungsaufzeichnungen Kein Anspruch auf Vollständigkeit 51 722 Elementarmathematik (LH) und Fehlerfreiheit 1.7. Wachstumsprozesse 1.7.6. Herleitung der Funktionsgleichung Wir zeigen die Vorgehensweise an einem Beispiel. Aufgabe: Von einer Bakterienkultur sind anfänglich 10 Bakterien vorhanden. Im Durchschnitt verdoppelt sich ihre Anzahl in jeder Stunde. Auf welchen Bestand ist die Bakterienkultur nach 5,5 Stunden angewachsen? Nach welcher Zeit hat sie sich verzehnfacht. Gesucht ist also der funktionale Zusammenhang zwischen der Zeit (x Stunden) seit Anlage der Kultur und der Anzahl (y) der vorhandenen Bakterien. Zu Beginn: Nach 1 Stunde: Nach 2 Stunden: Nach 3 Stunden: Nach 4 Stunden: y0 = 10 y1 = 20 y2 = 40 y3 = 80 y4 =160 bzw. bzw. bzw. bzw. bzw. y0 = 10 ⋅ 1 y1 = 10 ⋅ 2 y2 = 10 ⋅ 4 y3 = 10 ⋅ 8 y4 = 10 ⋅16 ⇔ ⇔ ⇔ ⇔ ⇔ y0 = 10 ⋅ 20 y1 = 10 ⋅ 21 y2 = 10 ⋅ 22 y3 = 10 ⋅ 23 y4 = 10 ⋅ 24 Nach x Stunden: y = 10 ⋅ 2x Das Anwachsen der Bakterienkultur kann also durch die Funktionsgleichung y = 10 ⋅ 2x mit DI = IN0 beschrieben werden. Diese Gleichung kann auch für Zwischenwerte (z. B. 3,2 Stunden) verwendet werden, also DI = IR 0+ . 1.7.7. Graphische Lösung Aus der Graphik: Für x = 5,5 erhält man y ≈ 450 y = 10 ⋅ 25,5 Überprüfung mit dem Taschenrechner: Tastenfolge: Anzeige: × 10 2 xy 5,5 = 452,54834 Das Ergebnis kann nur eine ganze Zahl sein; also ist auf 453 zu runden. Nach 5,5 Stunden ist die Bakterienkultur auf 453 Bakterien angewachsen. Aus der Graphik: Für y = 100 erhält man x ≈ 3,3 450 y = 10 ⋅ 2x 100 Nach 3,3 Stunden hat sich die Anzahl der Bakterien in der Bakterienkultur verzehnfacht. 1.7.8. Rechnerische Lösung Für y = 100 erhält man: 100 = 10 ⋅ 2x ⇔ 5,5 10 = 2x. lg 10 = x ⋅ lg 2 Logarithmieren: Auflösen nach x: 3,3 x= lg 10 lg 2 ≈ 3,32 Nach 3,32 Stunden hat sich die Anzahl der Bakterien in der Kultur verzehnfacht. 1.8. Abklingprozesse Abklingprozesse werden in analoger Weise wie Wachstumsprozesse behandelt. Unter Halbwertszeit versteht man diejenige Zeit, nach der die Hälfte eines Ausgangsstoffes zerfallen ist. Universität Regensburg Naturwissenschaftliche Fakultät I – Didaktik der Mathematik Dr. Günter Rothmeier WS 2008/09 51 722 Elementarmathematik (LH) 1.9. Private Vorlesungsaufzeichnungen Kein Anspruch auf Vollständigkeit und Fehlerfreiheit Übung 1.0 Aus einer Amöbenzelle entstehen durch Zellteilung neue Zellen. Ihre Anzahl verdoppelt sich pro Tag. 1.1 Wie viele Zellen können in 5 Tagen (30 Tagen) entstehen? 1.2 Durch welche Funktion f kann der Vorgang beschrieben werden, wenn zu Beginn 3 Amöben vorhanden sind? [ Ergebnis: f mit y = 3 ⋅ 2x ] 1.3 Tabellarisieren Sie f für x ∈ [0 ; 10] mit Δx = 1 und zeichnen Sie den zugehörigen Graphen. Zeit t = x Tage x-Achse: 1 cm ∧ y-Achse: 1 cm ∧ = 2 Tage = 200 Amöben 1.4 Nach wie vielen Tagen sind mehr als 1000 Amöben entstanden? 1.5 Wie viele Amöben gibt es nach 14 Tagen? 2.0 Zu einem Kapital K0 werden die Zinsen jeweils am Jahresende hinzugefügt. Kapital und Zinsen werden zusammen weiter verzinst (Zinseszinsen). Das Kapital K0 wächst so in n Jahren bei p% Zinsen auf Kn an. Es gilt die Gleichung: Kn = K0 (1 + 2.1 2.2 2.3 3.0 3.1 3.2 3.3 3.4 p n ) 100 . Auf welchen Betrag wachsen 800 EUR bei einem Zinssatz von 4% in 6 Jahren? Legt man 800 EUR bei 6% Verzinsung für 4 Jahre fest, erhält man ein kleineres Endkapital. Berechnen Sie den prozentualen Unterschied bezogen auf K6. Wie hoch ist der Zinssatz bei der Gleichung Kn = K0 ⋅ 1,055n? Nach wie vielen Jahren verdoppelt sich bei dieser Verzinsung das Kapital? Eine Bakterienkultur bedeckt in einer Petrischale eine Fläche von 10 cm2.Wird ein antibakterielles Mittel eingetropft, so sterben stündlich 15% der Bakterien ab. Ermitteln Sie rechnerisch, welche Fläche nach 2 (5; 8; 12; 24) Stunden noch von den Bakterien bedeckt ist. Bestätigen Sie mit den Ergebnissen aus 3.1. dass der Abklingprozess durch die Gleichung y = 10 ⋅ 0,85x beschrieben wird. Ermitteln Sie die “Halbwertszeit” dieses Abklingprozesses. Nach welcher Zeit sind nur mehr 2% der Ausgangsfläche bedeckt? Universität Regensburg Naturwissenschaftliche Fakultät I – Didaktik der Mathematik Dr. Günter Rothmeier WS 2008/09 51 722 Elementarmathematik (LH) Lösungen zu Übungsblatt 1.9: Aufgabe 1 1.1 1.2 1.3 1.4 2.1 2.2 = 25 = 32 =3 = 3 ⋅ 20 =3⋅2 = 3 ⋅ 21 = 3 ⋅ 2 ⋅ 2 = 3 ⋅ 22 Nach x Tagen: y(x) = 3 ⋅ 2x 1 6 x y 5 96 6 192 3.1 2 12 3.4 7 384 4 48 8 768 9 1536 49 152 Amöben 4 6 ) € = 1 012,26 € 100 6 4 K4 = 800 ⋅ (1 + ) € = 1 009,98 € 100 ∆K = 2,28 € K6 = 800 ⋅ (1 + 2, 28 ⋅ 100 = 0,23 % 1 012, 26 p = 5,5 % ⇔ 2 ⋅ K0 = K0 ⋅ 1,055n 2 = 1,055n n = log1,055 2 lg 2 n= n = 12,95 lg 1,055 Nach 1 Stunde: Nach 2 Stunden: Nach 5 Stunden: Nach 8 Stunden: Nach 12 Stunden: Nach 24 Stunden: 3.2 3.3 3 24 Nach 14 Tagen: p= 2.3 Zahlenbereiche – Ergänzungen n(5) y0 y(1) y(2) 0 3 Kein Anspruch auf Vollständigkeit und Fehlerfreiheit t1 = 5 d Zu Beginn: Nach 1 Tag: Nach 2 Tagen: x y Private Vorlesungsaufzeichnungen 15 2 1 2 2 cm = 100 ⋅ 0,85 cm = 85 cm 100 100 ⋅ 0,852 cm2 = 72,3 cm2 100 ⋅ 0,855 cm2 = 44,4 cm2 100 ⋅ 0,852 cm2 = 27,3 cm2 100 ⋅ 0,8512 cm2 = 14,2 cm2 100 ⋅ 0,8524 cm2 = 2,0 cm2 100 cm2 – 100 ⋅ Nach x Stunden: 100 ⋅ 0,85x cm2 A (4,27 | 50) Die Halbwertszeit beträgt 4,27 Stunden. B (24,02 | 2) Nach 24,02 Stunden sind nur mehr 2 % der Fläche bedeckt. x