VORSICHT, STEINSCHLAG!

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VORSICHT,
STEINSCHLAG!
Wie gefährlich sind Meteoriten?
VON MICHAEL VOGEL
E
in winziger lichtpunkt, der sich rasch über
den Himmel bewegt. Unerwartet, lautlos. Das
Schauspiel dauert nur ein, zwei Augenblicke.
Es sieht aus, als ob einer der funkelnden
Sterne einfach seinen Platz am Himmel aufgegeben hätte und zur Erde fiele. Ganz falsch ist diese Vorstellung nicht. Denn Sternschnuppen, von der Wissenschaft
als Meteore bezeichnet, sind die Lichter, die entstehen,
wenn Gesteinsbrocken aus dem Weltraum in
die Erdatmosphäre stürzen.
So könnte es aussehen, wenn ein Meteorit mit
zerstörerischer Wucht auf der Erde einschlägt
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FOTO: © D LR/SI M U LATI ON EI NES M ETEO R ITENEINSCHL AGS
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AUGUST 2005
Das helle Leuchten, an dem sich
Hobby-Sterngucker und romantische
Seelen erfreuen, entsteht, weil die
Himmelskörper mit sehr hoher Geschwindigkeit durch die Erdatmosphäre rasen, bis zu 270-mal schneller als ein großes Passagierflugzeug.
Die entstehende Reibungswärme ist
enorm und lässt den Körper vollständig verglühen – meist in vielen Kilometern Höhe.
on den meisten Sternschnuppen bekommen wir
gar nichts mit, weil sie so
winzig sind, dass man ihr
Leuchten nicht sehen
kann, oder weil sie am Taghimmel verglühen und dort von der Sonne überstrahlt werden. Kaum zu glauben, dass
alle Himmelskörper, die an einem
durchschnittlichen Tag in der Erdatmosphäre verglühen, ein Gesamtgewicht haben, das dem von 20 Rangierlokomotiven entspricht.
Die durchs All rasenden Körper
sind bei der Entstehung unseres Sonnensystems übrig geblieben, das aus
einer großen Gas- und Staubwolke
hervorging. Sie verdichtete sich immer
stärker, bis schließlich in ihrem Zentrum die Sonne entstand. Um sie
herum bildeten sich dann die Planeten, darunter die Erde.
Aus diesen Teilchen sind auch die
Kometen entstanden, einige Kilometer
große Körper aus Staub, gefrorenem
Wasser und Gasen. Nähert sich ein
solcher Komet auf seiner Bahn der
Sonne, verliert er einen Teil seiner Bestandteile, weil er an der Oberfläche
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auftaut. Wie eine Schleppe bleiben die
Staubteilchen entlang der Kometenbahn zurück – und können in der Erdatmosphäre verglühen, wenn die Erde
auf ihrer Bahn um die Sonne diese
Schleppe aus Staub kreuzt.
Doch es fliegen nicht nur winzige
Staubteilchen – die Meteoroiden –
durch den Weltraum, sondern auch
Brocken von der Größe eines Hauses,
eines Supertankers oder einer Stadt.
Himmelskörper mit Durchmessern
zwischen einigen Metern und 1000 Kilometern. Man nennt sie Asteroiden
oder Kleinplaneten. Manche der
Kleinplaneten beschreiben Bahnen um
die Sonne, die sie auch in die Nähe
Die Perseiden sind nach dem
Sternbild Perseus benannt
FOTO: (LINKS) © MAURITIUS; (RECHTS) © BLICKWINKEL/N.DAUTEL
RD
IM AUGUST REGNET ES STERNSCHNUPPEN
Kometen sind nur sehr selten mit
bloßem Auge zu beobachten
der Erde führen. Trifft ein solcher größerer Brocken zufällig mit unserem
Planeten zusammen, verglüht er nur
zum Teil in der Atmosphäre, der Rest
fällt auf die Erdoberfläche.
So schreckte in der Nacht des
6. April 2002 ein außergewöhnlich
heller Lichtblitz am Himmel viele
Menschen in Süddeutschland auf. Von
Zwar fallen Sternschnuppen immer unverhofft, aber zu manchen Zeiten hat
man größere Chancen, Meteoroiden verglühen zu sehen. Im August zum Beispiel, besonders in der Nacht vom 12. auf den 13. Mit etwas Glück können Sie
dann mehrere Schnuppen innerhalb einer Minute bewundern. Schuld daran ist
der Meteorstrom der Perseiden, der auf den Kometen Swift-Tuttle zurückgeht.
Jedes Jahr kreuzt die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne zwischen dem 10. und
14. August den dichtesten Teil der Wolke aus kosmischen Staub, die Swift-Tuttle
auf seiner Bahn um die Sonne hinterlassen hat. Die beste Beobachtungszeit liegt
zwischen 23 Uhr und 5 Uhr, weil dann der Punkt am Himmel, von dem die Perseiden scheinbar ausgehen, am höchsten über dem Horizont steht. Der Name
„Perseiden“ leitet sich vom scheinbaren Ursprungsort im Sternbild Perseus ab. RD
der Sternschnuppe fand man nach intensiver Suche am 14. Juli in der Nähe
des Schlosses Neuschwanstein ein erstes Bruchstück und im Mai und Juni
des folgenden Jahres zwei weitere.
Das Wissen darüber wo sie suchen
mussten, verdanken die Experten
einem Kameranetz, das permanent
den Himmel über Europa auf helle
Sternschnuppen überwacht. Gelingt
eine Aufnahme an verschiedenen Stationen, lassen sich daraus die wahrscheinlichen Fundorte der Bruchstücke berechnen. Aufgrund der Helligkeit, Flugbahn und Zusammensetzung
schätzen die Forscher das ursprüngliche Gewicht des NeuschwansteinMeteoriten auf rund 300 Kilogramm.
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AUGUST 2005
er süden weist auch
eines der eindrucksvollsten Zeugnisse für einen
Meteoriten-Einschlag in
Deutschland auf: das
Nördlinger Ries auf der SchwäbischFränkischen Alb. Vor 14,7 Millionen
Jahren hinterließ ein 500 bis 1000
Meter großer Steinbrocken den mehr
als 20 Kilometer großen Krater. Noch
in 300 Kilometer Entfernung entdeckten Wissenschaftler im vergangenen
Jahrhundert einzelne irdische Steine,
die aus dem Krater beim Einschlag
herausgeschleudert worden waren.
Dass ein relativ kleiner Steinbrocken
einen so großen Krater erzeugen kann,
liegt an der hohen Geschwindigkeit
des kosmischen Projektils.
Aber es geht noch viel größer: Vor
65 Millionen Jahren schlug ein zehn
Kilometer großer Felsbrocken mit der
fast hundertfachen Geschwindigkeit
eines Passagierflugzeugs in die mexi-
D
V O R S I C H T, S T E I N S C H L A G !
kanische Halbinsel Yucatán ein. Aus
einem Krater, in dem alles zwischen
Frankfurt und Stuttgart Platz gefunden hätte, wurden Milliarden Tonnen
Staub in die Atmosphäre geschleudert
und hüllten die ganze Erde ein.
Die Staubwolken tauchten unseren
Planeten in ein Dämmerlicht, und die
wärmenden Sonnenstrahlen konnten
die Erdoberfläche nicht mehr erreichen. Der Kohlendioxidanteil in der
Atmosphäre stieg, weil die Pflanzen
nicht mehr genügend Licht für die
Photosynthese bekamen. Viele Lebewesen, die nicht direkt beim Einschlag
gestorben waren, gingen im Lauf der
folgenden Wochen und Monate zugrunde, weil sich das weltweite Klima
schlagartig veränderte.
Auch die Dinosaurier konnten sich
den neuen Lebensbedingungen nicht
anpassen: Sie verschwanden zusammen mit zwei Dritteln der Tier- und
Pflanzenarten von der Erde.
STERNSCHNUPPEN, METEORITEN & CO.
Was unterscheidet Meteore, Sternschnuppen, Meteoriten und Kometen?
Meteor: Streng genommen steht dieser Begriff nur für die Lichterscheinung am Himmel, die entsteht, wenn
ein Körper aus dem All in die Erdatmosphäre eindringt.
Sternschnuppe: Als Sternschnuppe
bezeichnet man Meteore einer genau
definierten Helligkeit.
Meteoroid: So nennt die Wissenschaft einen kleinen Festkörper außer122
irdischen Ursprungs, der in die Erdatmosphäre stürzt. Ab einer Größe
von etwa einem Kilometer bezeichnet
man diese Körper als Asteroiden.
Meteorit: Unverglühter Rest eines
Meteoroiden, der tatsächlich auf der
Erde einschlägt.
Komet: Körper aus Staub, gefrorenem
Wasser und Gas, der um die Sonne
kreist und dabei einen Schweif aus
Staubteilchen hinter sich herschlepRD
pen kann.
Lange Zeit waren die kosmischen
Ursachen für die Entstehung des Nördlinger Rieses und das Dinosauriersterben umstritten. Aber inzwischen hat
man viele Indizien gesammelt, die diese Thesen stützen: die unnatürliche
Häufigkeit bestimmter chemischer Elemente in den geologischen Schichten
der Einschlaggebiete sowie irdisches
Gestein, dessen Struktur nur durch
eine starke, schnelle Erhitzung infolge
eines Einschlags zu erklären ist.
n den 90er-jahren des 20. Jahrhunderts setzte sich unter den
Astronomen die Erkenntnis
durch, dass uns jederzeit wieder
ein großer Asteroid treffen
könnte. Prompt griff Hollywood das
Thema auf und ließ in Armageddon
Filmstar Bruce Willis ins All fliegen,
um mithilfe einer Atombombe einen
Kleinplaneten auf Kollisionskurs zu
zerstören.
Seither laufen – vor allem in den
USA – mehrere Überwachungsprogramme, um die gefährlichen Brocken
im Weltraum zu finden und ihre Bahnen zu bestimmen. „Dabei geht es zunächst um eine Inventur“, sagt der Astronom Dr. Gerhard Hahn, der beim
Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt in Berlin über Kleinplaneten forscht und an solchen Suchprojekten mitwirkt.
Bei den Kleinplaneten mit mehr als
einem Kilometer Durchmesser, die der
Erde prinzipiell recht nahe kommen
können, ist man inzwischen schon
recht weit gediehen: ungefähr zwei
Drittel dieser etwa 1000 bis 1200 Ob-
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jekte sind bekannt. Grundlage dieser
Schätzung ist das heutige Wissen über
ihre Verteilung und Häufigkeit. Bis
zum Jahr 2008, so das Ziel der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA,
will man 90 Prozent kennen. Bislang
befindet sich keiner der bekannten
Kleinplaneten auf Kollisionskurs.
Aber auch kleinere Brocken stellen noch eine ernsthafte Gefahr für
die Erde dar: einerseits, weil ein 100
Meter großes Objekt wegen seiner
hohen Geschwindigkeit noch immer
mehr Zerstörungskraft hat als die
größte nukleare Bombe, die je gezündet wurde; andererseits, weil es sehr
viel mehr kleinere Objekte gibt – und
damit die Wahrscheinlichkeit eines
Treffers steigt. „Man schätzt, dass es
100 000 Objekte zwischen 100 und
1000 Meter Durchmesser gibt“, sagt
Hahn. Zwischen 2006 und 2008 soll
deshalb auf Hawaii ein neues Netz aus
vier Teleskopen in Betrieb gehen, das
die Überwachung auf solche kosmischen Körper ausdehnt.
Doch es genügt nicht, die Kleinplaneten zu finden, denn ihre Bahnen verändern sich durch die Anziehungskraft der Erde und anderer Planeten
im Lauf der Zeit. „Daher kann man oft
nur einige Jahrzehnte im Voraus sagen,
ob ein Objekt eine Gefahr darstellt
oder nicht“, sagt Hahn. Eine regelmäßige Überwachung tut also Not.
Was man gegen einen Asteroiden
unternehmen kann, der sich auf Kollisionskurs mit der Erde befindet,
hängt davon ab, wie viel Zeit bleibt.
„Zwischen zwei und zehn Jahren sind
erforderlich, um einen Satelliten zu
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Am 9. Oktober 1992 beobachten Bewohner
mehrerer Bundesstaaten der USA ein faszinierendes Schauspiel: Ein Feuerball rast über den
Abendhimmel. Einer Reihe von Hobbyfilmern
gelingen Videoaufnahmen des Ereignisses.
Die Studentin Michelle Knapp sitzt im Haus
ihrer Eltern in Peekskill, rund 60 Kilometer
nördlich von New York, als ein 12,4 Kilogramm schwerer Meteorit in den Kofferraum
ihres in der Auffahrt geparkten Wagens einschlägt. Verletzt wird niemand. Heute verleiht
der neue Besitzer des Autos (links) das FahrRD
zeug an Ausstellungen in aller Welt.
entwickeln, der ein solches Objekt aufhalten könnte“, schätzt der Bonner
Raumfahrtingenieur Dr. Christian
Gritzner. „Dazu käme noch sein Flug
zum Asteroiden.“ Dort könnte der Satellit dann beispielsweise verankert
werden und mit einem Raketenmotor
die Bahn des Kleinplaneten ändern.
„Allerdings funktioniert das nur bei
kleineren Meteoren, weil man mit den
heutigen Raketen nur wenig Treibstoff
ins All transportieren kann“, erklärt
Gritzner. Man könnte vom Satelliten
auch ein Geschoss auf den Kleinplaneten abfeuern, um ihn auf eine andere
Bahn zu schubsen. Oder ihn mit einem
Sonnenspiegel so stark erhitzen, dass
sein Gestein verdampft. Auch dadurch
würde sich seine Bahn ändern.
Die Zerstörung durch nukleare
Sprengsätze – die von Hollywood be-
vorzugte Option – gilt dagegen als
problematisch. Durch die Explosion
könnte der Körper zwar zerbrechen,
die Erde könnte aber von Bruchstücken getroffen werden. Zudem ähneln
viele Asteroiden wahrscheinlich eher
einem Geröllhaufen als einem festen
Körper. Und so, wie ein Sandsack in
einem Schießstand eine Kugel auffängt, ohne dass er dabei kaputtgeht,
würde sich auch ein kosmischer Geröllhaufen beim Beschuss verhalten:
„Die Explosionsenergie des nuklearen
Sprengsatzes verpufft dann größtenteils wirkungslos“, sagt Gritzner.
Fest steht, dass noch sehr viel Forschungsarbeit notwendig ist, bis wir
sicher sein können, dass uns nicht
irgendwann ein großer Asteroid dasselbe Schicksal bereitet wie vor Millionen Jahren den Dinosauriern.
Schild über einer Kneipentheke: „Wenn Sie trinken wollen, um zu vergessen, bitten wir Sie um Vorkasse.“
ANN LANDERS, USA
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FOTO: © R.A. LANGHEINRICH METEORITES
GROSSES GLÜCK GEHABT
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