Besteuerung im Bankensektor DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Adrian Oberlin von Wangen (Schwyz) Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Christian Keuschnigg und Prof. Dr. Jörg Baumberger Dissertation Nr. 3700 Adag Copy AG, Zürich 2009 Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 19. Oktober 2009 Der Rektor: Prof. Ernst Mohr, PhD Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Zielsetzungen 5 2.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zinsertragsbesteuerung bei Anlagen aus 2.3 5 Drittländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Der Bankensektor und die Intermediationsspanne . . . . . . . . 8 3 Überblick 11 3.1 Aufgaben von Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3.2 Der Bankensektor in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3.3 Das Bankgeheimnis und die Verrechnungssteuer . . . . . . . . . 27 3.4 Anwendungsprobleme bei der Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . 35 3.4.1 Optimale Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3.4.2 Mehrwertbesteuerung in der Schweiz . . . . . . . . . . . 39 3.4.3 Implementation der Mehrwertbesteuerung im Intermediationsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.4.4 3.5 Die aktuelle Mehrwertsteuerreform . . . . . . . . . . . . 67 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 4 Zinsertragsbesteuerung bei Anlagen aus Drittländern 75 4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.2 Das Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.2.1 Situation ohne Informationsaustausch: Quellenbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.2.2 Situation mit Informationsaustausch . . . . . . . . . . . 91 4.3 Kooperative Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.4 Optimaler Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.4.1 Verhandlungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4.4.2 Diskrete Wahl zwischen Quellenbesteuerung und vollständigem Datenaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4.5 Externe Anlagen reagieren auf Steuersätze . . . . . . . . . . . . 107 4.6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5 Der Bankensektor und die Intermediationsspanne 113 5.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5.2 Das Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5.3 Kooperative Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 5.4 Ausgewählte Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 5.4.1 Gewinnsteuer im Bankensektor . . . . . . . . . . . . . . 134 5.4.2 E!ziente Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5.5 5.6 5.4.3 Kompetitive Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5.4.4 Einführung von Reservevorschriften . . . . . . . . . . . 147 Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5.5.1 Kalibrierung der Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . 150 5.5.2 Vergleich verschiedener Szenarien . . . . . . . . . . . . . 154 5.5.3 Sensitivitätsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 6 Zusammenfassung 163 Zusammenfassung Der Schweizer Bankensektor besitzt einen auallend hohen Stellenwert für die inländische Volkswirtschaft. Hinter dieser Dominanz des Bankensektors stehen enorme Kapitalien aus dem In- und Ausland, wobei neben dem Bankgeheimnis auch die tiefe Zinsspanne die Attraktivität der Schweizer Banken stützt. Aufgrund der Finanzmarktkrise, der Verluste der Grossbanken und der Diskussionen zur Aufhebung des Bankgeheimnisses ist das Interesse am Bankensektor allgemein gestiegen. Die vorliegende Dissertation befasst sich deshalb mit ausgewählten Aspekten der Bankenbesteuerung in der Schweiz, darunter die Mehrwert-, die Gewinn- sowie die Verrechnungs- bzw. Quellensteuer. Unter anderem zeigt sich, dass die Mehrwertbesteuerung auch im Zinsdierenzgeschäft anzustreben wäre, aufgrund des Wegfalls der Schattensteuereinnahmen durch die jetzige unechte Befreiung sowie befürchtete Implementierungsprobleme aber nicht zu erwarten ist. In Bezug auf die Zinsertragsbesteuerung zeigt sich u.a., dass Anlagen aus Drittstaaten, welche nicht in Verhandlungen mit der EU einbezogen werden, die Verhandlungsposition der Schweiz bei der Entscheidung zwischen Informationsaustausch und Quellenbesteuerung massgeblich beeinflussen. Je höher diese Anlagen sind, desto stärker ist der Anreiz des davon profitierenden Landes, Informationsaustausch abzulehnen und Quellenbesteuerung zu fordern. Schliesslich wird anhand eines Modells, welches das Zinsdierenzgeschäft des Bankensektors explizit abbildet, der Einfluss verschiedener Determinanten analytisch und mittels Szenarienanalyse auch quantitativ untersucht. Unterschiede in der Unternehmensbesteuerung, im Wettbewerbsgrad oder in der E!zienz des Bankensektors sowie den Vorschriften zur Reservehaltung wirken sich deutlich auf die Höhe der Zinsspanne aus und tragen zur Erklärung der tiefen Schweizer Zinsmargin bei. 1 Einleitung Gerade in der Schweiz ist der Bankensektor immer wieder Gegenstand verschiedenster Diskussionen. Neben der breiten Debatte in Bezug auf die aktuelle Finanzmarktkrise und die Verluste vor allem der Grossbanken befindet sich im Zentrum des nationalen und internationalen Interesses momentan auch das sogenannte Bankgeheimnis der Schweizer Banken, das die Identität der Bankkunden gegenüber staatlichen Behörden weitgehend schützt und an dem sich das Ausland bereits seit etlichen Jahren stört. Betrachtet man die gesamtwirtschaftlichen Zahlen, so fällt auf, dass der inländische Bankensektor einen auallend hohen Stellenwert für die schweizerische Volkswirtschaft einnimmt — sowohl in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt als auch in Bezug auf die Beschäftigung. Auch die durch den Finanzsektor generierten Steuereinnahmen des Staates bestätigen dieses Bild des starken inländischen Bankensektors. Hinter dieser Dominanz der Schweizer Banken stehen enorme Kapitalien, die zu einem überwiegenden Teil von Ausländern in der Schweiz deponiert werden. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Zinsspanne in der Schweiz im internationalen Vergleich sehr tief ist, was entsprechend zur Attraktivität des Bankensektors beiträgt. Angesichts der auallend hohen Relevanz des Schweizer Bankensektors im In- und Ausland befasst sich diese Dissertation mit ausgewählten Aspekten der Bankenbesteuerung. In mehreren Kapiteln werden verschiedene Fragestellungen und die grundlegende Literatur dazu erarbeitet. Im Vordergrund stehen konkret zwei äusserst wichtige Elemente der Attraktivität des Schweizer Bankensektors: die tiefe Zinsspanne und das Schweizer Bankgeheimnis, welches in direktem Zusammenhang mit Fragen zur Verrechnungssteuer sowie zur aktuellen Diskussion rund um Informationsaustausch und Quellenbe1 steuerung steht. Es wird deshalb u.a. den beiden Fragen nachgegangen, wie das Bankgeheimnis respektive die aktuellen Verhandlungen und Diskussionen zum Informationsaustausch und zur Quellenbesteuerung durch die hohen ausländischen Anlagen beeinflusst werden, welche bei Schweizer Banken deponiert sind und — wie sich zeigen wird — zu einem beträchtlichen Teil aus sogenannten Drittstaaten stammen, und wie sich die von Banken gesetzte Zinsspanne zusammensetzt bzw. welche Gründe dazu führen, dass diese in der Schweiz so tief ist. Zunächst wird ein umfassender Überblick präsentiert. Im Zentrum des Interesses stehen die Aufgaben von Banken, die Eigenschaften des Schweizer Bankensektors inklusive des Bankgeheimnisses und der Verrechnungssteuer sowie die Problematik der Mehrwertbesteuerung gerade in Bezug auf das Zinsdierenzgeschäft — jeweils verbunden mit der entsprechenden Literatur. Im Anschluss beschäftigt sich diese Dissertation mit der Zinsertragsbesteuerung und verknüpft diese mit dem Bankgeheimnis respektive dem Informationsaustausch. Zentral herausgearbeitet wird hierbei der Einfluss von Anlagen aus Drittstaaten, die nicht in Vereinbarungen beispielsweise zwischen der Schweiz und der EU einbezogen werden bzw. werden können, auf die Gestaltung der Steuersysteme, und es wird sich zeigen, ob die Haltung der Schweiz im Rahmen der Diskussionen in Bezug auf den vom Ausland gewünschten Informationsaustausch anstelle der Quellenbesteuerung nachvollzogen werden kann. Schliesslich stehen die Intermediationsspanne und deren Determinanten im Vordergrund, wozu in geeigneter Weise ein Bankensektor modelliert wird. Von besonderem Interesse ist der Einfluss verschiedener Einflussfaktoren wie beispielsweise der Gewinnbesteuerung im Bankensektor, von Reservevorschrif2 ten oder des Wettbewerbsgrads von Banken. Der Einbezug des Bankensektors in ein theoretisches Modell macht es zudem möglich, empirische Resultate zu verschiedenen Determinanten der Zinsspanne auch analytisch zu belegen. Das nachfolgende Kapitel 2 erläutert nun zunächst etwas ausführlicher die unterschiedlichen Zielsetzungen dieser Arbeit. 3 2 Zielsetzungen 2.1 Überblick Kapitel 3 gibt einen breiten Überblick über das Bankenwesen und die vielfältige Literatur dazu. An den Anfang gestellt wird dabei eine Diskussion der Aufgaben und Funktionen, welche Banken üblicherweise innehaben. An erster Stelle wird diesbezüglich meist das Intermediationsgeschäft aufgeführt, d.h. die Vermittlung von Kapital von Kreditgebern an Kreditnehmer. Im Grunde wäre gerade die Vermittlung von Kapital eigentlich unnötig in einer idealen Wirtschaft. Tatsächlich wäre zu erwarten, dass Kreditgeber und -nehmer bei einem bestimmten Zinssatz ins Geschäft kommen. Dieser läge tiefer als derjenige, den Banken als Aktivzinssatz für Kreditnehmer festlegen und höher als derjenige, den Banken als Passivzinssatz für Kreditgeber bestimmen, da Banken bei jedem Kredit eine gewisse Zinsspanne zur Deckung der Intermediationskosten (Arbeits- und Kapitaleinsatz) verlangen. Oenbar ist die Vermittlung von Kapital über Finanzintermediäre mit Vorteilen verbunden. Diese sollen gezeigt werden, so dass die Existenz von Banken gerechtfertigt werden kann und der spätere Einbezug des Bankensektors in ein Modell nicht an der fehlenden Motivation des Bankensektors scheitert. Um das Bewusstsein für die Relevanz bankenbezogener Fragestellungen — v.a. in Bezug auf die Schweiz — zu schärfen, drängt sich eine Übersicht über den Schweizer Bankensektor auf. Die Analyse der Bankbilanzen und Statistiken erlaubt Aussagen über wichtige Fragestellungen wie die Höhe der in der Schweiz angelegten Kapitalien, die Abhängigkeit vom Ausland bzw. von ausländischen Investoren, die Zusammensetzung der Bankgewinne oder die Wichtigkeit des Bankensektors für den Staat und die gesamte Volkswirtschaft. 5 Damit im Inland ansässige Steuerpflichtige ihre Vermögen und Vermögenserträge korrekt deklarieren, erhebt der Bund bereits seit 1944 eine Verrechnungssteuer auf Kapitalerträge in Höhe von 35%. Diese Verrechnungssteuer steht in einem engen Zusammenhang zum sogenannten Bankgeheimnis, weshalb es sich lohnt, diese beiden Themen etwas näher zu beleuchten. Insbesondere soll der Frage nachgegangen werden, welche Implikationen das Bankgeheimnis mit sich bringt, wie es momentan um die Zukunft des Bankgeheimnisses steht und welche Bedeutung der Verrechnungssteuer zukommt. Die Mehrwertsteuer stellt die wichtigste Einnahmequelle des Bundes dar und spült höhere Steuererträge in die Staatskasse als die direkte Bundessteuer. Basierend auf den Erkenntnissen der Optimalsteuertheorie soll die Mehrwertbesteuerung in der Schweiz mit besonderem Fokus auf den Bankensektor analysiert werden. Es stellt sich die Frage, ob Finanzdienstleistungen — und dabei vor allem das Zinsdierenzgeschäft — grundsätzlich von einer idealen Konsumsteuer erfasst werden sollen und ob man diese überhaupt implementieren kann, wozu sich auch in der Literatur eine breite Diskussion ergeben hat. Ein Überblick über die aktuellen Bemühungen zur Revision des Mehrwertsteuergesetzes in der Schweiz mit besonderem Bezug zu den Finanzdienstleistungen rundet die Behandlung der Mehrwertbesteuerung schliesslich ab. 2.2 Zinsertragsbesteuerung bei Anlagen aus Drittländern In den letzten Jahrzehnten sind die Faktormobilitäten stark gestiegen. Investoren weichen zunehmend der Besteuerung im Heimatland aus. Bereits 1962 stellte die EU Defizite bei der Besteuerung von Zinseinkommen fest. Seither befinden sich zwei Instrumente im Mittelpunkt der Verhandlungen: Quellenbe6 steuerung und Informationsaustausch. Die Schweiz und mit ihr weitere EUund Nicht-EU-Staaten weigerten sich aufgrund ihres Bankgeheimnisses bis anhin stets gegen den systematischen Austausch von Daten, woran auch der aktuelle Druck auf das Bankgeheimnis nichts geändert hat. Seit dem 1.1.2005 erheben diverse Länder eine mit den Jahren stufenweise ansteigende Quellensteuer, wobei die daraus anfallenden Erträge den jeweiligen Wohnsitzstaaten zu drei Vierteln zurückerstattet werden. Es fällt auf, dass es sich bei diesen Staaten um Länder handelt, die eher klein sind und vergleichsweise über hohe Anlagen verfügen, die zu einem beträchtlichen Teil aus anderen Staaten bzw. Nicht-EU-Staaten stammen. Gerade in Bezug auf die Schweiz können die Dominanz des Bankensektors und die dahinter stehenden hohen Anlagen aus dem Ausland klar festgestellt werden. Während der Einfluss der Grösse eines Landes auf die Verhandlungen über die Besteuerung der Zinseinkommen bereits nachgewiesen werden konnte, arbeitet dieser Teil der Dissertation den Einfluss von externen Anlagen aus Drittstaaten heraus. Akzeptiert man Kapital- und Steuerflucht als reales Phänomen, so stellt sich die Frage, wie das Bankgeheimnis bzw. die Haltung eines Landes im Rahmen von Verhandlungen und Diskussionen zum Informationsaustausch und zur Quellenbesteuerung durch die hohen Anlagen aus Drittstaaten ausserhalb der EU beeinflusst werden, die definitionsgemäss nicht direkt in Abkommen innerhalb der EU bzw. zwischen der EU und einem anderen Land miteinbezogen werden können. Konkret ist von besonderem Interesse, ob und unter welchen Umständen die Schweiz sich für Quellenbesteuerung oder für Informationsaustausch entscheidet bzw. entscheiden sollte. 7 Um dies aufzuzeigen, wird in Kapitel 4 ein Zwei-Länder-Modell benutzt und weiterentwickelt, das hauptsächlich auf den Überlegungen von Keen/Ligthart (2006a, 2005) und Huizinga/Nielsen (2003) basiert. Das Modell umfasst zwei gleich grosse Länder, deren Haushalte ihre Kapitalien entweder im Inland oder von der inländischen Besteuerung flüchtend im Ausland anlegen können. Ihre Anlageentscheidung hängt dabei u.a. von der Distanz zur Grenze bzw. von den Transaktionskosten ab. Beide Leviathan-Staaten möchten mittels Zinsertragssteuer auf inländisches und ausländisches Kapital ihre Steuereinnahmen maximieren. Bekanntlich bestehen im Bereich der Zinsertragsbesteuerung zwei Regime-Möglichkeiten, nämlich die Quellenbesteuerung, also die Situation ohne Informationsaustausch, und der eigentliche Austausch von Informationen. Es ist grundsätzlich auch denkbar, dass der Informationsaustausch nur teilweise geschieht bzw. dass es eine gewisse Wahrscheinlichkeit bezüglich des Anteils der ausgetauschten Informationen gibt, was erstmals berücksichtigt und entsprechend im Modell implementiert wird. Darauf basierend soll untersucht werden, welchen Einfluss die Höhe der externen Anlagen auf den gewünschten Grad an Informationsaustausch besitzt und welche Verhandlungsergebnisse bei Existenz von Kapitalien aus Drittstaaten zu erwarten sind. Es wird sich schliesslich zeigen, ob die während den Diskussionen und Verhandlungen bezüglich der Zinseinkommensbesteuerung vertretene Haltung der Schweiz grundsätzlich nachvollzogen werden kann oder nicht. 2.3 Der Bankensektor und die Intermediationsspanne Für die Vermittlung von Kapital verlangen Finanzintermediäre eine gewisse Zinsspanne zwischen Aktiv- und Passivzinssatz. Diese Zinsspanne beeinflusst den Ertrag der Ersparnisse und der Investitionen. Insofern ist davon aus8 zugehen, dass die Art und Weise der Kapitalallokation bzw. die E!zienz im Bankenwesen einen signifikanten Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung eines Landes besitzt, und es liegt nahe, den Zinsspread als Indikator für die E!zienz eines Bankensektors bzw. eines Landes zu betrachten. Es ist jedoch auch davon auszugehen, dass die Höhe der Zinsspanne von weiteren Einflussfaktoren abhängt. Mit der Frage, wie die Höhe der Intermediationsspanne zustande kommt und wovon sie abhängt bzw. wie sie auf Änderungen verschiedener Grössen reagiert, haben sich zahlreiche Studien befasst, jedoch praktisch ausschliesslich auf empirischer Ebene. Trotz zahlreicher Bankenmodelle, die sich hauptsächlich mit Risiko-, Liquiditäts- und Informationsaspekten befassen, wurde bisher keine explizite Modellierung der Zinsspanne entwickelt, anhand derer der Einfluss der in den empirischen Studien identifizierten Einflussfaktoren auch theoretisch fundiert werden können. Um den Einfluss verschiedener Determinanten auf die Zinsspanne zu untersuchen und um die im internationalen Vergleich sehr tiefe Zinsspanne der Schweiz erklären zu können, soll in Kapitel 5 eine geeignete Implementierung des Intermediationsgeschäfts in ein theoretisches Modell erfolgen mit expliziter Berücksichtigung einer endogenen Zinsspanne. Basierend darauf können die Auswirkungen ausgewählter Einflussfaktoren wie die Gewinnbesteuerung im Bankensektor, der Wettbewerbsgrad bei Banken sowie — besonders aktuell — Reserverestriktionen auf die Zinsspanne und die gesamte Volkswirtschaft untersucht werden. Die Kalibrierung des Modells anhand realer Zahlen ermöglicht die Betrachtung und ungefähre Quantifizierung verschiedener Szenarien, wobei eine kurze Sensitivitätsanalyse die Robustheit des Modells prüfen soll. Es wird sich schliesslich zeigen, ob die Modellierung des Bankensektors die 9 analytische Grundlage für die empirischen Resultate liefern und inwiefern v.a. die tiefe Zinsspanne der Schweiz begründet und mit dem Schweizer Finanzplatz in Verbindung gebracht werden kann. 10 3 Überblick 3.1 Aufgaben von Banken Der Begri der Bank lässt sich passend anhand des schweizerischen Rechts definieren. Als Banken im Sinne des Gesetzes gelten „Unternehmen, die hauptsächlich im Finanzbereich tätig sind und insbesondere: a. gewerbsmässig Publikumseinlagen entgegennehmen oder sich öentlich dafür empfehlen, um damit (...) eine unbestimmte Zahl von Personen oder Unternehmen (...) auf irgendwelche Art zu finanzieren, oder b. sich in erheblichem Umfang bei mehreren (...) Banken refinanzieren, um damit (...) Personen oder Unternehmen (...) zu finanzieren.”1 Der Finanzierung mittels Krediten und der Entgegennahme von Einlagen kommt oenbar ein besonderes Gewicht zu.2 Gemäss Homan/Poddar/Whalley (1987) folgen erst an zweiter Stelle weitere Geschäfte wie der Handel mit Devisen, die Ausgabe von Checks, Tresorie und andere Finanzdienstleistungen.3 Im Grunde wäre gerade die Vermittlung von Kapital eigentlich unnötig in einer idealen (Arrow-Debreu-)Welt mit perfekten Märkten, in denen alle Wirtschaftssubjekte u.a. stets vollkommen informiert und rational sind und 1 Art. 2a BankV. u.a. Huizinga (2004), S. 555. Eine ebenfalls passende Formulierung findet sich 2 Siehe bei Mintz (2003), S. 3: „The basic role of financial intermediation is to provide an e!cient mechanism to match lenders with borrowers of funds. Those who consume less than their available resources wish to invest in assets (...). Those who have consumption expenditures in excess of resources wish to borrow funds (...).” Für einen umfassenden Überblick siehe Hellwig (2000), S. 4 . 3 Gerade in den letzten Jahren ist der Stellenwert des Zinsdierenzgeschäfts nicht nur in der Schweiz stark gesunken, siehe dazu Allen/Santomero (2001) sowie die Ausführungen in Kapitel 3.2. 11 in denen keine externen Eekte und keine öentlichen Güter existieren. Tatsächlich wäre in diesem Fall zu erwarten, dass Kreditgeber und Kreditnehmer bei einem bestimmten Zinssatz ins Geschäft kommen, der tiefer ist als derjenige, den Banken als Aktivzinssatz für Kreditnehmer festlegen, und höher als derjenige, den Banken als Passivzinssatz für Kreditgeber bestimmen, da Banken bei jedem Kredit eine gewisse Zinsspanne zur Deckung der Intermediationskosten (Arbeits- und Kapitaleinsatz) verlangen. Was rechtfertigt also die Existenz von Banken bzw. was bieten Banken den am Kreditgeschäft Beteiligten?4 In der Realität existieren Transaktionskosten, und Wirtschaftssubjekte sind nicht perfekt informiert. Finanzintermediäre sind deshalb grundsätzlich in der Lage, das Risiko über verschiedene Anlagen hinweg gesamtheitlich zu reduzieren, indem sie breit gefächert in unterschiedliche Anlageformen investieren. Für den Anleger besteht dadurch nur noch ein marginales Risiko, seine Einlage zu verlieren. Neben der Risikodiversifikation sind Banken — im Gegensatz zum einzelnen Investor — in der Lage, die Bonität und weitere (Risiko-)Faktoren der jeweiligen Schuldner laufend zu überprüfen, was das Informationsproblem weitgehend behebt.5 Zudem ermöglicht die Intermediation durch Banken die Einsparung von Transaktionskosten, indem die Bank die Suche nach geeigneten Anlagemöglichkeiten und Schuldnern übernimmt. Dasselbe gilt für Kreditnehmer, denen die Suche nach anlagewilligen Gläubigern abgenommen wird. Die Bank beseitigt das Risiko des Kreditnehmers, dass Gläubiger gesprochene Kredite nicht verlängern und der Schuldner dadurch unter Druck gerät.6 Es ist davon auszugehen, dass ohne Bankenvermitt4 Siehe 5 Siehe dazu auch Fama (1985) sowie James (1987). dazu bsp. Diamond (1984), der die notwendige Existenz von Banken aus einem Modell mit asymmetrischer Information herleitet. 6 Vgl. Baltensperger (1980), S. 2. 12 lung sowohl Anleger als auch Kreditnehmer keine gegenüberstehende Partei fänden, die gerade dieselbe Summe benötigt bzw. anlegen will. Selbst die Aufteilung auf verschiedene Schuldner bzw. Anleger erforderte einen stetigen und hohen Beobachtungsaufwand.7 Daneben gibt es in der Literatur noch einige weitere Argumente, welche den Bankensektor motivieren. Klein (1971) beispielsweise weist auf eine gesamtwirtschaftlich sehr wichtige Aufgabe der Banken hin, nämlich ihre Funktion als Administratoren des Zahlungssystems. Mintz (2003) unterscheidet verschiedene Aufgabenbereiche, darunter das Zahlungssystem (Bargeld, Checks, Devisen usw.), Risikomanagement (Diversifikation durch Portfolios) und die Verringerung von Informationskosten (Problem der adversen Selektion). Banken erbringen unbestrittenermassen eine Fülle an Dienstleistungen und haben wichtige gesamtwirtschaftliche Funktionen inne. Sie sind in vielen Märkten mit fast unzähligen Produkten tätig, wobei sich die ausgeführten Tätigkeiten stark voneinander unterscheiden können. Den meisten Banken gemeinsam ist aber ihre wohl wichtigste und klassischste Aufgabe, nämlich das Zinsdierenz- bzw. Intermediationsgeschäft, also die Vermittlung von Kapital von Anlagewilligen an Kreditsuchende. Das folgende Kapitel beschäftigt sich u.a. mit der Bedeutung dieses Zinsdierenzgeschäfts sowie mit den weiteren Charakteristiken des Bankensektors in der Schweiz. 7 Siehe hierzu Ramakrishnan/Thakor (1984), S. 416 und 421, die auch ausführen, dass Finanzintermediäre wichtig sind, um Ausfallwahrscheinlichkeiten und Bewertungen durchzuführen. Explizit betont wird, dass zentralisierte Informationsbeschaung stets günstiger ist, als wenn dies jeder Akteur selber tun würde. 13 3.2 Der Bankensektor in der Schweiz In der Schweiz findet man eine grosse Vielfalt in der Ausgestaltung des Bankensektors. Neben den Kantonalbanken in den einzelnen Kantonen und den Grossbanken gibt es regional tätige Sparkassen und Regionalbanken, die Raieisenbanken sowie im Folgenden unter übrige Banken zusammengefasste Handels-, Börsen-, Kleinkredit-, ausländische und andere Banken.8 Im Weiteren unterscheidet man Filialen ausländischer Banken und Privatbankiers. In der Schweiz gilt das Universalbankprinzip; Banken sind dazu berechtigt, aber nicht verpflichtet, sämtliche Bankgeschäfte zu tätigen. Dies gilt vor allem für Gross-, Kantonal-, Regional-, Raieisen- und Handelsbanken.9 in Mio. Fr. 1.00 Kantonalbanken 2.00 Grossbanken 3.00 Regionalbanken und Sparkassen 4.00 Raiffeisenbanken 5.00 Übrige Banken 5.11 Handelsbanken 5.12 Börsenbanken 5.13 Kleinkreditbanken 5.14 Andere Banken 5.20 Ausländisch beherrschte Banken 7.00 Filialen ausländischer Banken 8.00 Privatbankiers 1995 2000 2007 261'527 303'385 356'580 730'587 1'340'310 2'341'136 72'264 49'868 186'490 54'111 29'784 4'980 1'541 75'808 77'142 290'968 55'199 70'830 . 3'204 88'311 123'076 487'838 47'214 144'645 . 7'177 96'074 161'734 288'802 15'566 7'126 18'843 18'424 34'444 29'513 Alle Banken 1'323'427 2'124'880 3'457'897 Quelle: SNB (2008a), S. A2. Tab. 3-1: Bilanzsumme 8 Unter „Andere Banken” fallen sämtliche sonst nicht in die weiteren Gruppen einteilba- ren Banken, siehe SNB (2008a), S. 20 . 9 Hirszowicz (1996), S. 33; Meier/Marthinsen (1996), S. 56. 14 Wie Tab. 3-1 zeigt, besitzen Kantonalbanken und Grossbanken im Jahr 2007 mit 78% den grössten Anteil an der addierten Bilanzsumme aller Banken, wobei die Grossbanken mit 67% absolut dominierend sind und ihren Anteil seit 1995 steigern konnten.10 Tab. 3-2 zeigt eine detaillierte Aufspaltung der Aktiven der Bilanzen für das Jahr 2007. In der ersten Spalte sind auch die Anzahl Institute pro Bankengruppe aufgelistet. Bei den beiden Grossbanken handelt es sich um die UBS AG und die Credit Suisse Group AG. Die rechtlich eigentlich selbständigen Raieisenbanken werden in den Statistiken als eine Einheit betrachtet. Eine genauere Betrachtung der Aktiven zeigt, dass sich die Struktur der einzelnen Bankengruppen zum Teil stark unterscheidet. Während bei Kantonal- und Raieisenbanken, Regionalbanken und Sparkassen hauptsächlich das Hypothekargeschäft im Vordergrund steht (Anteile von 62%, 76% bzw. 79%), fallen bei Grossbanken Forderungen gegenüber Banken (33%) und Handelsbestände (20%) stärker ins Gewicht. Der Anteil des Hypothekargeschäfts beträgt hier nur knapp 10%. Insgesamt bestimmen die Forderungen gegenüber Banken und Kunden sowie die Hypotheken 70% der Bilanzsumme aller Banken. Über die Hälfte der Bilanzsumme lässt sich alleine auf Hypotheken und Forderungen gegenüber Banken und Kunden von Kantonal- und Grossbanken zurückführen. Die Bilanzsumme aller Banken betrug 2007 knapp 3.5 Billionen Franken und überstieg das nominale BIP der Schweiz etwa um das Siebenfache.11 1 0 Es handelt sich hierbei um die aktuellsten o!ziellen Daten, wobei bekanntlich die mo- mentane Finanzmarktkrise im Bankensektor zu einigen Veränderungen in den Statistiken der Folgejahre führen wird. 1 1 Das nominale BIP der Schweiz lag 2007 provisorisch etwa bei 508 Mia. Fr., siehe SNB (2008b), S. 112 f. 15 in Mio. Fr.; Angaben für das Jahr 2007 Flüssige M ittel Forderungen aus Geldmarktpa pieren 24 2 4'139 12'557 3'899 69'444 42'497 780'652 40'943 515'500 222'095 237'304 76 1 183 1'413 1'203 6'283 207 10 43'014 4'311 12'340 143'847 6'279 7'228 140'093 67'622 94'299 60'021 30 14 1'365 1'943 86 607 14'626 15'305 8'355 5'872 776 215 330 28'901 117'267 1'013'577 724'271 682'332 Anzahl Institute 1.00 Kantonalbanken 2.00 Grossbanken 3.00 Regionalbanken und Sparkassen 4.00 Raiffeisenbanken 5.00 Übrige Banken 7.00 Filialen ausländischer Banken 8.00 Privatbankiers Alle Banken Handelsbestände in Wertschriften u. FinanzEdelmetallen anlagen 1.00 Kantonalbanken 2.00 Grossbanken Beteiligungen Forderungen gegenüber Banken Sachanlagen 3'272 8'688 Forderungen gegenüber Kunden Weitere Aktiven 10'969 196'259 Hypothekarforderungen Bilanzsumme 13'590 471'287 13'841 9'915 1'335 39'530 356'580 2'341'136 Sparkassen 92 4'047 121 894 325 85'311 4.00 Raiffeisenbanken 690 2'204 406 1'791 2'905 123'076 18'605 42'305 3'594 6'472 23'604 487'838 3.00 Regionalbanken und 5.00 Übrige Banken 7.00 Filialen ausländischer Banken 7'745 392 0 34 1'065 34'444 8.00 Privatbankiers 1'106 1'675 219 649 1'922 29'513 513'115 74'379 45'209 21'799 237'047 3'457'897 Alle Banken Quelle: SNB (2008a), S. A12 ff. Tab. 3-2: Aktiven Betrachtet man die Forderungen und Einlagen inländischer Kunden in Tab. 3-3, so lässt sich wiederum erkennen, dass Kantonal- und Grossbanken den grössten Teil auf sich vereinen. Beide Bankengruppen weisen ungefähr denselben Anteil von einem Drittel auf. Bei den Wertschriften in Tab. 3-4 zeigt sich ein etwas anderes Bild. Die Grossbanken besitzen eine überragende Position im Bereich ausländischer Obligationen. Die bei Grossbanken gehaltenen ausländischen Obligationen entsprechen über 46% des gesamten wertmässigen Wertschriftenbestandes. 81% des Wertschriftenbestandes befinden 16 sich bei den Grossbanken. Diese scheinen somit das Vermögensverwaltungsgeschäft zu dominieren.12 Nur im Inland vertretene Banken, wie beispielsweise die Kantonal- oder Regionalbanken, müssen oftmals sogar ihre internationalen Geschäfte über Grossbanken tätigen. in Mio. Fr.; Angaben für das Jahr 2007 Forderungen 1.00 Kantonalbanken 256'252 2.00 Grossbanken 278'833 3.00 Regionalbanken und Sparkassen 73'547 4.00 Raiffeisenbanken 101'473 5.00 Übrige Banken 76'140 7.00 Filialen ausländischer Banken 3'065 8.00 Privatbankiers 1'217 Alle Banken in % 32.4% 35.3% Einlagen 245'801 233'711 in % 33.9% 32.3% 9.3% 12.8% 9.6% 70'444 99'366 68'482 9.7% 13.7% 9.5% 0.4% 0.2% 1'270 5'483 0.2% 0.8% 790'529 724'556 Quelle: SNB (2008a), S. A40 f. Tab. 3-3: Forderungen gegenueber und Einlagen von inlaendischen Kunden Tab. 3-5 splittet die Aktivposten der Bilanz nach Währungen auf. Der Schweizer Franken und der US-Dollar halten sich mit je etwa 34% die Waage. Der Vergleich zu früheren Werten zeigt klar, dass die Bedeutung des USDollars zulasten des Schweizer Frankens zugenommen hat.13 Hauptsächlich bei den Forderungen ist der US-Dollar relevant. Bei den Hypothekarforderungen erkennt man das bereits erwartete Bild: Mit fast 98% ist der Schweizer Markt der wichtigste bei Hypothekargeschäften. 1 2 Siehe dazu auch Blattner/Gratzl/Kaufmann (1996), S. 33 f., die festhalten, dass der geschätzte Anteil der Schweizer Banken am grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft mit Privatkunden international gesehen etwa 35% beträgt. 1 3 Siehe SNB (2008a), S. A94. 17 in Mio. Fr.; Angaben für das Jahr 2007 Obligationen Anteilscheine Gesamter u. Pfandbriefe Aktien Obligationen Aktien von WertschriftenSchweiz Schweiz Ausland Ausland Anlagefonds bestand 1.00 Kantonalbanken 11'183 4'307 9'240 856 1'229 26'816 2.00 Grossbanken 2'939 18'613 256'677 150'143 17'929 446'302 3.00 Regionalbanken und Sparkassen 2'987 145 848 15 81 4'077 4.00 Raiffeisenbanken 2'268 34 419 4 . 2'725 5.00 Übrige Banken 5'255 10'303 39'593 2'972 2'407 60'531 7.00 Filialen ausländischer Banken 547 4'379 3'209 . . 8'135 8.00 Privatbankiers . . . . . 2'417 Alle Banken . . . . . 551'003 Quelle: SNB (2008a), S. A46 ff. Tab. 3-4: Wertschriften in Mio. Fr.; Angaben für das Jahr 2007; alle Banken CHF USD Flüssige Mittel 19'019 166 Forderungen aus Geldmarktpapieren 7'466 23'726 Forderungen gegenüber Banken 115'238 494'285 Forderungen gegenüber Kunden 158'940 381'501 Hypothekarforderungen 668'150 2'774 Wertschriften und Edelmetalle 94'678 182'262 Beteiligungen 39'905 2'467 Sachanlagen 20'547 690 Weitere Aktiven 56'090 96'937 Bilanzsumme 1'180'033 1'184'808 EUR Weitere Total 2'053 7'663 28'901 29'132 56'943 117'267 202'635 201'419 1'013'577 92'892 90'938 724'271 5'713 5'695 682'332 140'589 169'965 587'494 798 2'039 45'209 40 522 21'799 37'554 46'466 237'047 511'406 581'650 3'457'897 Quelle: SNB (2008a), S. A94 ff. Tab. 3-5: Aktiven nach Waehrungen Tab. 3-6 zeigt die Wichtigkeit des Auslands für die inländischen Banken. Bei den Treuhandgeschäften spielt das Inland oensichtlich nur eine marginale Rolle. Anhand der Erfolgsrechnung in Tab. 3-7 lässt sich die Gewinnerzielung der Banken ermitteln. Die meisten Einnahmen stammten im Jahr 2007 aus dem Zinsdierenzgeschäft und dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft (59.7 Mia. Fr.), wobei auch hier die Grossbanken alleine 27.2 Mia. Fr. bzw. 18 45% beisteuerten. Insgesamt machen diese beiden Sparten 84% sämtlicher Einkünfte aus. Personal- und Sachaufwand stellen die grössten Ausgabenposten dar, wobei die Personalkosten etwa 70% der Gesamtkosten betragen. Über alle Banken hinweg gesehen, wurden 2007 etwa 14% des Bruttogewinns dem Staat abgeliefert, wobei hier die Anteile streuen. Während Kantonalbanken nur Steuerausgaben in Höhe von etwa 7% des Bruttogewinns aufweisen, beträgt dieser Anteil bei Grossbanken 11.2%.14 Bei Privatbankiers sind es sogar über 29%. Der Jahresgewinn entspricht insgesamt 23% der Bruttoeinnahmen (Zinsen-, Kommissions-, Dienstleistungs-, Handelsgeschäft und übriger ordentlicher Erfolg). in Mio. Fr.; Angaben für das Jahr 2007; alle Banken USD Treuhandguthaben CHF Inland 1'836 998 Ausland 32'092 225'907 Total EUR Weitere 427 222 158'369 63'095 Total 3'483 479'463 33'928 226'905 158'796 63'165 482'945 21'208 12'720 21'528 205'378 29'768 129'027 8'924 54'392 81'428 401'517 33'928 226'905 158'796 33'626 482'945 Treuhandverpflichtungen Inland Ausland Total Quelle: SNB (2008a), S. A129 ff. Tab. 3-6: Treuhandgeschaefte 1 4 Kantonalbanken sind hauptsächlich im unbesteuerten Hypothekargeschäft aktiv, wäh- rend Privatbankiers, Grossbanken und übrige Banken andere Aufgaben, beispielsweise die Vermögensverwaltung, wahrnehmen. Diese Tätigkeiten werden mit Gebühren und Provisionen abgegolten, welche der MwSt unterstehen. U.a. auch deshalb liefern Grossbanken und Privatbankiers im Vergleich zu Kantonalbanken dem Fiskus relativ hohe Steuerbeträge ab. 19 in tausend Fr.; Angaben für das Jahr 2007 und für 1996-2007 Zinsaufwand 1.00 2.00 3.00 4.00 5.00 7.00 8.00 Kantonalbanken Grossba nken Regionalbanken und Sparkassen Raiffeisenbanken Übrige Banken Filialen ausländischer Banken Privatbankiers 4.00 5.00 7.00 8.00 Kommissionsaufwand Erfolg Kommissions- u. DL-Geschäft Erfolg Handelsgeschäft Übriger ordentlicher Erfolg 5'704'036 98'976'233 5'069'863 8'340'512 237'863 3'853'690 1'996'735 18'927'333 703'842 1'684'729 426'220 3'592'757 1'222'969 1'790'014 12'670'262 1'376'283 1'881'383 5'863'069 37'540 107'805 2'024'545 328'783 243'390 12'230'643 83'644 111'807 2'437'462 54'282 60'450 1'213'590 933'842 259'235 171'437 245'799 48'633 470'372 671'740 2'363'131 255'390 348'299 26'099 39'243 Alle Banken 121'556'590 22'948'345 6'780'449 36'761'754 5'625'173 5'412'642 Alle Banken, M ittelwert 1996-2007 58'404'363 21'191'963 3'274'909 25'109'495 8'451'779 4'986'648 Sachaufwand Bruttogewinn Steuern Personalaufwand 1.00 2.00 3.00 Erfolg Zinsengeschäft Kantonalbanken Grossba nken Regionalbanken und Sparkassen Raiffeisenbanken Übrige Banken Filialen ausländischer Banken Privatbankiers Sonstige Posten Jahresgewinn 2'453'370 18'629'802 1'466'435 6'989'933 4'276'854 6'925'596 291'527 779'946 1'358'530 7'549'448 2'626'797 -1'403'798 508'210 880'246 7'973'579 419'472 452'280 4'170'097 915'312 964'504 9'601'084 159'727 138'014 1'616'697 249'334 125'162 1'518'055 506'251 701'328 6'466'332 348'714 1'476'269 248'833 511'641 527'118 1'008'563 93'022 296'189 42 248'404 434'054 463'970 Alle Banken 32'270'190 14'258'690 24'219'033 3'375'122 11'048'979 9'794'932 Alle Banken, M ittelwert 1996-2007 22'864'869 12'168'715 24'706'301 2'923'245 8'558'215 13'224'841 Quellen: SNB (2008a), S. A148 ff.; www.snb.ch. Tab. 3-7: Erfolgsrechnung Bekanntlich war bereits das Jahr 2007 für den Bankensektor relativ turbulent, wobei sich die Dynamik im Folgejahr noch verstärkte. Vergleicht man die Zahlen aus dem Jahr 2007 mit den Vorjahren, so fallen die massiven Abschreibungen und Wertberichtigungen v.a. bei den beiden Grossbanken auf. Die aktuellen Zahlen sind deshalb wenig repräsentativ. Gemäss SNB (2008a) betrugen die Abschreibungen und Wertberichtigungen 2007 insgesamt 15.4 Mia. Fr., während in den Jahren 2004, 2005 und 2006 nur knapp 5 Mia. 20 Fr. abgeschrieben und berichtigt werden mussten.15 Dies wirkt sich dementsprechend auf den Gewinn und die abgelieferten Steuern aus. Anstelle eines Jahresgewinns von 24.6 Mia. Fr. im Jahre 2005 bzw. 20.1 Mia. Fr. im Jahre 2006 konnte der Bankensektor 2007 nur Gewinne in Höhe von 9.8 Mia. Fr. erzielen. Der Staat seinerseits nahm in den Jahren 2005 und 2006 ca. 5 Mia. Fr. Steuern aus dem Bankensektor direkt ein, also etwa 1.7 Mia. Fr. mehr als 2007. Die unterste Zeile in Tab. 3-7 gibt den Mittelwert 1996-2007 für die einzelnen Sparten an. Der durchschnittliche Gewinn aller Banken liegt um ca. 3.5 Mia. Fr. höher als derjenige von 2007, wobei der Bruttogewinn in etwa gleich hoch ist. Den im Vergleich zum Durchschnitt höheren Erträgen aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft steht vor allem ein höherer Personalaufwand gegenüber. Betrachtet man die Gewinnentwicklung des Bankensektors (Bankengruppen 1 bis 5) in Abb. 3-1, so fallen vor allem die zunächst fast kontinuierliche Entwicklung bis 1995 und die danach folgenden starken jährlichen Schwankungen auf. Der Vergleich der Fünfjahres-Durchschnitte zeigt, dass sich die Nettogewinne von 1980 bis 1990 mehr als verdoppelt und von 1990 bis 2000 mehr als verdreifacht haben. Der Durchschnitt der Jahre 2003 bis 2007 liegt um das 3.6-Fache höher als derjenige der Jahre 1988 bis 1992, während das reale BIP in dieser Zeit nur etwa um 40% zunahm.16 1 5 SNB 1 6 Vgl. (2008a), S. A148 . Bundesamt für Statistik (2007), S. 111 . 21 30'000 25'000 20'000 15'000 10'000 5'000 0 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005 Quelle: SNB (2008a). Abb. 3-1: Bankengewinne 1978-2007 in Mio. Fr. Das klassische Geschäftsfeld des Finanzsektors, das Zinsdierenzgeschäft, hat im Jahr 2007 über alle Banken hinweg einen Erfolg von knapp 23 Mia. Fr. generiert. Mit dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft verdienten die Banken 36.7 Mia. Fr. Der Vergleich zum langfristigen Mittelwert in Tab. 3-7 zeigt, dass gerade das Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft über dem Durchschnittswert der letzten Jahre liegt, während das Zinsdierenzgeschäft etwa dem Mittelwert entspricht. Abb. 3-2 zeigt das Verhältnis des Zinsdierenzgeschäfts zum Kommissionsgeschäft von 1980 bis 2006. Oenbar stand in den 80-er Jahren vor allem das Zinsdierenzgeschäft im Vordergrund. Im Laufe der Jahre nahm der Anteil des Kommissionsgeschäfts jedoch gewaltig zu. Abb. 3-2 illustriert eindrücklich die Entwicklung des Finanzsektors weg vom traditionellen Zinsdierenzgeschäft hin zum kundenorientierten Dienstleistungs- und Kommissionsgeschäft. 22 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 Anteil Zinsgeschäft Quelle: Seco (2008). 2000 2002 2004 2006 Anteil Kommissionsgeschä ft Abb. 3-2: Anteile Zins- und Kommissionsgeschaeft Abb. 3-3 zeigt den Anteil der Wertschöpfung des Finanzsektors (Kreditund Versicherungsgewerbe) am BIP im internationalen Vergleich. Der Finanzsektor in der Schweiz hat — gemessen an Durchschnittswerten von 2000 bis 2005 — einen zwei bis drei Mal höheren Anteil am BIP als in den meisten anderen Ländern. Nur gerade Luxemburg vermag die Schweiz zu übertreen. Selbst in Japan ist der Anteil der im Finanzsektor erzielten Wertschöpfung am BIP weniger als halb so hoch wie in der Schweiz. Gemäss Seco (2006a) ist auch die Feststellung interessant, dass dieser Anteil in vielen europäischen Ländern praktisch identisch ist und bei rund 4% liegt. 23 20% 15% 10% 5% 0% Luxemburg Schweiz Japan Niederlande Österreich Italien Frankreich Deutschland Finnland Quelle: Seco (2006a). Abb. 3-3: Anteil der Wertschoepfung des Finanzsektors am BIP In Abb. 3-4 werden die Anteile des Kredit- und Versicherungsgewerbes an der gesamten Beschäftigung im internationalen Vergleich anhand von Durchschnittswerten 2000-2005 wiedergegeben. Auch hier zeigt sich, dass die Schweiz eine Sonderposition einnimmt: Etwa 6% aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind im Finanzsektor beschäftigt, während die Anteile in anderen Ländern nur ungefähr die Hälfte betragen, und dies ohne Berücksichtigung der indirekten Beschäftigungswirkungen auf die übrigen Sektoren. Gemäss Seco (2006a) verbergen sich hinter diesen Daten weitreichende Entwicklungen der letzten beiden Jahrzehnte. Während der Beitrag des Finanzsektors am BIP anfangs der 90-er Jahre noch etwa 7% ausmachte, erreichte er 2005 bereits knapp 14%. Der Anteil des Finanzsektors an der gesamten Beschäftigung ist in dieser Zeit aber stabil geblieben, woraus gefolgert werden kann, dass in diesem Sektor umfangreiche Produktivitätssteigerungen erzielt wurden. 24 7% 6% 5% 4% 3% 2% 1% 0% Schweiz Niederlande Österreich Frankreich Italien Norwegen Spanien Quelle: Seco (2006a). Abb. 3-4: Anteil des Finanzsektors an der Beschaeftigung Tab. 3-8 gibt einige weitere wichtige Kennzahlen des Schweizer Finanzsektors wieder. Etwa ein Drittel des Aussenhandelsüberschusses wird durch den Finanzsektor generiert. Auch der Anteil an der gesamten Börsenkapitalisierung und der Anteil an den im internationalen Vergleich sonst schon sehr hohen Direktinvestitionen im Ausland liegt etwa bei einem Drittel. Wie bereits in Tab. 3-7 ersichtlich wurde, profitiert auch der Staat von starken Banken. Gemäss EFD (2009e, 2008) betragen die Einkommen- und Unternehmenssteuern des Finanzsektors im Durchschnitt etwa 10 bis 13% des gesamten Steueraufkommens aller Staatsebenen, wobei steuerpflichtige Gewinnausschüttungen sowie Erträge aus der Verrechnungssteuer noch nicht berücksichtigt sind. Inklusive den Erträgen aus der Verrechnungssteuer dürfte der Anteil am Steueraufkommen gegen 20% betragen.17 Die letzte Zeile zeigt das durchschnittliche 1 7 2008 betrugen die Nettoeinnahmen aus der Verrechnungssteuer knapp 6.5 Mia. Fr., 2007 25 jährliche Wachstum des Finanzsektors zwischen 1991 und 2006 in Höhe von 3%, während das Wachstum in den übrigen Sektoren nur etwa 1% pro Jahr betrug. Dies hat, wie vorhin bereits erwähnt, zur Folge, dass in den letzten beiden Jahrzehnten der Anteil der Wertschöpfung des Finanzsektors an der gesamten Wertschöpfung substanziell zugenommen hat. Die oftmals diskutierte Wachstumsschwäche der Schweiz in den letzten Jahren mag zwar auf einen Teil der Wirtschaft zutreen — der Schweizer Finanzsektor konnte aber mühelos mit der Dynamik im Ausland mithalten. Anteil des Finanzsektors - am Aussenhandelsüberschuss 2001 und 2004: 37.3%, 28.8% - an der Börsenkapitalisierung 2001 und 2004: 35.3%, 31.1% - an den Direktinvestitionen 2001 und 2003: 37.9%, 33.0% - am gesamten Steueraufkommen 2000 und 2002: Durchschnittliches Wachstum des Finanzsektors: 13.0%, 8.6% 3% Quellen: EFD (2008a); Seco (2006a). Tab. 3-8: Weitere wichtige Kennzahlen des Finanzsektors Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die verschiedenen Statistiken den hohen Stellenwert, aber auch das Klumpenrisiko des Schweizer Finanzsektors für die gesamte Volkswirtschaft deutlich zeigen. Bei den Banken sind es vor allem die UBS AG und die Credit Suisse Group AG, welche hinsichtlich der Bilanzsumme bzw. der Wertschriftenbestände das Vermögensverwaltungsgeschäft dominieren. Insgesamt ist deshalb eher von einem konzentrierten Bankensektor auszugehen. Bei den anderen Banken steht hauptsächlich das inländische Hypothekargeschäft im Vordergrund. Die Bilanzsumme aller Banken beträgt rund das Siebenfache des Schweizer Bruttoinlandsprodukts. etwa 4.2 Mia. Fr., siehe EFV (2009a), S. 21 und die folgenden Ausführungen in Kapitel 3.3. 26 Die insgesamt hohen Wertschriftenbestände widerspiegeln oensichtlich die bedeutende Rolle des Schweizer Finanzsektors in der internationalen Vermögensverwaltung. Über die Jahre hinweg hat der Anteil der Erträge aus dem klassischen Zinsdierenzgeschäft jedoch fortlaufend abgenommen. Die dominante Stellung des Schweizer Finanzsektors wird durch weitere Statistiken wie beispielsweise die Anteile an der Beschäftigung, am Steueraufkommen oder an der gesamten Wertschöpfung unterstrichen. Die Abhängigkeit vom Finanzplatz Schweiz hat aber auch ihre Schattenseiten. Die aktuelle Finanzmarktkrise wirkt sich nicht nur auf die Gewinne im Finanzsektor negativ aus, sondern auch auf das Steueraufkommen und den Rest der Wirtschaft. Oensichtlich ist der Finanzsektor für die Schweiz von grosser Wichtigkeit. Eng mit diesem Finanzsektor verbunden sind das sogenannte Bankgeheimnis der Schweiz sowie die Verrechnungssteuer, weshalb sich das folgende Kapitel nun eingehend mit diesen beiden Themen befasst. 3.3 Das Bankgeheimnis und die Verrechnungssteuer Der Schutz der Privatsphäre, der auch das Bankgeheimnis umfasst, ist in der Schweiz tief im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger verankert.18 Das heutige Bankgeheimnis — in der Schweiz auch oftmals Bankkundengeheimnis genannt — ist in erster Linie eine strafrechtlich sanktionierte Schweigepflicht der im Bankgeschäft tätigen Personen und hat seinen Ursprung im Gesetz über die Banken und Sparkassen (BankG) vom 8.11.1934, das in Art. 47 Abs. 1, 2 und 4 festhält: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich: a. ein Geheimnis oenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Organ, Angestellter, Beauftragter oder Liquidator einer Bank, 1 8 EFD (2009b). 27 als Organ oder Angestellter einer Prüfgesellschaft anvertraut worden ist oder das er in dieser Eigenschaft wahrgenommen hat; b. zu einer solchen Verletzung des Berufsgeheimnisses zu verleiten sucht (Abs. 1). Wer fahrlässig handelt, wird mit Busse bis zu 250 000 Franken bestraft (Abs. 2). Die Verletzung des Berufsgeheimnisses ist auch nach Beendigung des amtlichen oder dienstlichen Verhältnisses oder der Berufsausübung strafbar (Abs. 4).” Das Bankgeheimnis stellt eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes in Art. 13 der Bundesverfassung dar,19 und auch das Zivilgesetzbuch hält als privatrechtliche Grundlage den Schutz der Persönlichkeit in Art. 27 . ZGB fest. Ein Verstoss gegen das Bankgeheimnis ist in der Schweiz ein O!zialdelikt und wird strafrechtlich geahndet. Der Geheimnispflicht unterstehen alle Mitarbeiter und Organe einer Bank, solange der Kunde sie nicht daraus entlässt. Die Geheimnispflicht bleibt auch nach der Auflösung der Geschäftsverbindung und nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses unbeschränkt bestehen. Bei fahrlässigem Verstoss gegen das Bankgeheimnis ist zur Zeit mit einer Busse von bis zu 250’000 Fr. zu rechnen; maximal ist sogar eine Geldstrafe von bis zu 1’080’000 Fr. möglich, wobei die unterschiedlichen Strafandrohungen gerade kürzlich im Rahmen des Finanzmarktaufsichtsgesetzes verschärft wurden.20 Interessieren sich ausländische Justizbehörden für Kundendaten bei Schweizer Banken, so können sie die Informationen mittels internationaler Rechtshilfe zu erlangen versuchen. Wenn der Vorwurf lautet, dass Kapitalien auf Schweizer Bankkonten krimineller Herkunft sind, dann wird die Rechtshilfe in 1 9 Art. 13 Abs. 1 BV: „Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Famili- enlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs”. Art. 13 Abs. 2 BV: „Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten.” 2 0 Siehe Art. 47 BankG i.V.m. Art. 34 StGB. Vergleiche allgemein auch EFD (2009a). 28 der Regel gewährt (bsp. bei Diebstahl oder Geldwäscherei). Art. 3 des Rechtshilfegesetzes (IRSG) regelt die nicht rechtshilfefähigen Delikte. Beispielsweise darf keine Rechtshilfe gewährt werden bei politischen oder militärischen Delikten. Auch bei Fiskaldelikten ist keine Rechtshilfe möglich, weshalb die Rechtshilfe auf Verfahren beschränkt ist, die sich auf Steuerbetrug beziehen. Zudem dürfen Informationen, die durch Rechtshilfe erlangt wurden, durch den erlangenden Staat nicht für Veranlagungszwecke verwendet werden.21 Der Kern des steuerlichen Bankgeheimnisses in der Schweiz ist diese Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug sowie der Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit. Gemäss dem sogenannten Neapel-Prinzip gehört es zu den Grundsätzen der schweizerischen Steuerpolitik, dem ausländischen Fiskus nicht mehr Informationen zu geben als dem Schweizer Fiskus. Während bei Steuerbetrug (die Verwendung gefälschter Urkunden) die Behörden gegen den Willen des Steuerzahlers Zugang zu Bankinformationen erhalten, ist dies bei blosser Steuerhinterziehung (Nichtdeklaration) nicht der Fall.22 In den verschiedenen Verhandlungsdossiers und auch bei den aktuellen Diskussionen bezüglich des Bankgeheimnisses beharrte die Schweiz gegenüber dem Ausland auf dem Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit. Das bedeutet, dass zur Vollziehung von Zwangsmassnahmen (bsp. zur Aufhebung des Bankgeheimnisses) in der Rechtshilfe ein Delikt sowohl im anderen Land als auch in der Schweiz strafbar sein muss. Während Steuerbetrug in der Schweiz eben ein solches Delikt darstellt, ist Steuerhinterziehung nicht rechtshilfefähig in Bezug auf das Ausland.23 Aus diesem Grunde waren in den insgesamt über 2 1 EFD 2 2 Vgl. (2009a). EFD (2009a). Wer in der Schweiz Steuern hinterzieht, wird vom Steueramt gebüsst, hat aber keine sonstigen Sanktionen zu befürchten. Nur Steuerbetrug hat auch strafrechtliche Sanktionen zur Folge. 2 3 Siehe bsp. EFD (2009c). 29 70 Doppelbesteuerungsabkommen mit ausländischen Staaten bisher auch keine sogenannten „grossen Amtshilfen” bei Verdacht auf Steuerhinterziehung vorgesehen.24 Anlässlich des Verfahrens gegen die UBS AG in den USA und des gestiegenen internationalen Drucks in Bezug auf den Informationsaustausch hat der Bundesrat am 25.2.2009 bekannt gegeben, dass die Weiterentwicklung des Schweizer Bankgeheimnisses vertieft diskutiert werden soll, wozu eine Expertengruppe und ein Bundesratsausschuss eingesetzt wurden.25 Konkret möchte die Schweiz die Zusammenarbeit mit anderen Staaten dahingehend ausbauen, dass sie den OECD-Standard bei der Amtshilfe in Steuersachen nach Artikel 26 des Musterabkommens mit der OECD vorbehaltlos übernimmt, wobei sich die Amtshilfe auf konkrete und begründete Einzelfälle auf Anfrage beschränken soll.26 Künftig wird also der Informationsaustausch auch bei Steuerhinterziehung grundsätzlich möglich sein; der automatische Informationsaustausch wird aber weiterhin explizit verweigert.27 Der Bundesrat hat am 8.4.2009 ebenfalls entschieden, dass das erste Doppelbesteuerungsabkommen mit den neuen Amtshilfebestimmungen dem fakultativen Referendum unterstellt werden soll, wobei dieser Entscheid wie bis anhin dem Parlament obliegt.28 Das erste neue Doppelbesteuerungsabkommen sollte voraussichtlich mit den USA ausgehandelt werden, jedoch gab das Eidgenössische Finanzdepartement am 26.5.2009 bekannt, dass das erste nach Art. 26 des OECD-Musterabkommens revidierte Doppelbesteuerungsabkommen mit Dänemark paraphiert worden sei.29 2 4 EFD (2009b). EFD (2009a,j). 2 6 EFD (2009i). 2 7 EFD (2009h). 2 8 EFD (2009f). 2 9 EFD (2009g,k). 2 5 Vgl. 30 Eng mit dem Bankgeheimnis verbunden ist die schweizerische Verrechnungssteuer. Das Bankgeheimnis setzt die Steuerehrlichkeit grundsätzlich einer gewissen Belastung aus, da von den Steuerpflichtigen mit der Selbstdeklaration eine aktive Handlung verlangt und das Vergessen dieser Handlung nur geringfügig bestraft wird. Der Bund erhebt deshalb bereits seit 1944 eine Verrechnungssteuer in Höhe von 35%, um im Inland ansässige Steuerpflichtige dazu zu veranlassen, ihre Vermögen und Vermögenserträge korrekt zu deklarieren.30 Die Verrechnungssteuer ist eine an der Quelle erhobene Steuer auf den Ertrag beweglichen Kapitalvermögens (Obligationen, Spareinlagen, Aktien usw.), auf Lotteriegewinne und auf Versicherungsleistungen zur Sicherung der Steueransprüche.31 Wer die Zinserträge in der Steuererklärung auührt, erhält die Verrechnungssteuern zurückerstattet, welche die Bank automatisch vom Bruttozinsertrag abzieht. Wer auf die Deklaration verzichtet, dem entgehen 35% der Bruttozinserträge. Die Verrechnungssteuer ist also ein direkter Ausfluss des Bankgeheimnisses, indem sie dafür sorgt, dass der Fiskus auch dann steuerlich auf das von der Verrechnungssteuer erfasste Kapitaleinkommen zugreifen kann, wenn dieses nicht deklariert wird. Im Rahmen des Zinsbesteuerungsabkommens mit der EU, das am 1.7.2005 in Kraft trat, hat sich die Schweiz dazu bereit erklärt, zunächst einen Steuerrückbehalt von 15%, ab dem 1.7.2008 von 20% und schliesslich ab dem 1.7.2011 einen Rückbehalt von 35% auf Zinseinkünfte von EU-Bürgern ein3 0 Gerade bei hohen Einkommensteuersätzen kann es sich unter Umständen für den Steu- erpflichtigen aber dennoch lohnen, Zinseinkommen nicht zu deklarieren, siehe auch Gärtner (2006). 3 1 Siehe Art. 1 des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer (VStG) sowie EFV (2009b), S. 230. 31 zuführen. Der Ertrag des Steuerrückbehalts fällt zu 75% an die EU bzw. ihre Mitgliedstaaten, die restlichen 25% behält die Schweiz als Gegenleistung für ihre Aufwendungen. Die ausländischen Zinsempfänger können freiwillig zwischen dem Steuerrückbehalt oder der Meldung an ihre Steuerbehörden wählen, wobei 2007 etwa 63’000 freiwillige Meldungen getätigt wurden.32 Die Banken überweisen die einbehaltenen Verrechnungssteuern vollumfänglich dem Bund. Betrachtet man die Fiskaleinnahmen des Bundes in Tab. 3-9 oder in Abb. 3-5, so zeigt sich deutlich der Stellenwert der Einnahmen aus der Verrechnungssteuer. in Mio. Fr. Fiskaleinnahmen davon Direkte Bundessteuer *) davon Mehrwertsteuer davon Verrechnungssteuer 1990 28'815 6'710 2000 46'492 10'685 2008 58'752 17'513 9'871 4'044 16'594 6'202 20'512 6'460 *) Vor 1995 Warenumsatzsteuer Quellen: EFV (2009a), S. 33; Bundesamt für Statistik (2007), S. 409. Tab. 3-9: Fiskaleinnahmen des Bundes Nach der Mehrwertsteuer (MwSt) und der direkten Bundessteuer stellen die Erträge aus der Verrechnungssteuer die wichtigste Einnahmequelle des Bundes dar. Neben den Einkommen- und Unternehmenssteuern des Finanzsektors fliessen zusätzlich hohe Erträge durch die Besteuerung von oensichtlich nicht deklarierten Zinseinkünften in die Staatskasse. Geht man — ganz grob geschätzt — von einem Bruttozins bzw. einer Bruttodividende von 3% aus, so stehen hinter den 6.46 Mia. Fr. Verrechnungssteuereinnahmen im Jahr 2008 etwa 18.45 Mia. Fr. nicht deklarierte Zinseinkünfte (6.46 Mia. Fr. / 0.35) und etwa 615 Mia. Fr. nicht deklarierte Anlagen (18.45 Mia. Fr. / 0.03). Wäh3 2 Vergleiche dazu EFD (2009d). 32 rend diese Kapitalien zwar nicht deklariert, aber dennoch versteuert werden (und zwar zu einem hohen Satz von meistens 35%), sei an dieser Stelle ebenfalls erwähnt, dass zahlreiche Kapitalerträge nicht oder nicht vollständig von der Verrechnungssteuer erfasst werden. Beispielsweise sind bei den verzinslichen Wertpapieren nur diejenigen der Verrechnungssteuer unterworfen, welche von in der Schweiz wohnhaften Emittenten herausgegeben wurden. Emissionen ausländischer Emittenten, welche beträchtlich sind, können dagegen von In- und Ausländern quellensteuerfrei gehandelt werden.33 Zudem wird eine Reihe von Kapitaleinkommen nicht von der EU-Richtlinie tangiert.34 Der Bruttoertrag aus dem Steuerrückbehalt auf Zinserträge von Steuerpflichtigen aus der EU belief sich 2007 auf 653.2 Mio. Fr., d.h. 489.9 Mio. Fr. wurden an die EU-Mitgliedstaaten überwiesen und 163.3 Mio. Fr. blieben der Schweiz für ihre Aufwendungen.35 Die Einnahmen in Bezug auf das Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU sind somit im Vergleich zu den totalen Einnahmen aus der Verrechnungssteuer eher vernachlässigbar. Betrachtet man die Zusammensetzung der Eingänge aus der Verrechnungssteuer, so zeigt sich, dass von den 29.98 Mia. Fr., welche die Banken dem Bund im Jahr 2008 ablieferten, 19.71 Mia. Fr. auf Aktiendividenden, 3.53 Mia. Fr. auf Zinszahlungen aus Obligationen und 3.1 Mia. Fr. auf Eingänge aus Kundenguthaben zurückzuführen sind. Dividendenzahlungen auf Aktienbestände stellen somit klar den grössten Anteil.36 3 3 Siehe Rehm (2003); Schweizerische Nationalbank (2008b). dazu Deutsche Bank (2005) sowie allgemein Huizinga/Nicodème (2004). 3 5 EFD (2009d). 3 6 EFV (2009b), S. 230; EFV (2009c), S. 12. 3 4 Siehe 33 Mehrwertsteuer 10.1% 8.2% Direkte Bundessteuer 4.7% 3.4% 6.1% 8.0% 27.4% Verrechnungssteuer Mineralölsteuer Stempelabgaben Tabaksteuer 32.1% Übrige Fiskaleinnahmen Nichtfiskalische Einnahmen Quelle: EFV (2009c). Abb. 3-5: Struktur der Einnahmen des Bundes 2008 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Bankgeheimnis in der Schweiz eine lange Tradition besitzt und tief verwurzelt ist. Der Schutz der Privatsphäre und der Persönlichkeit entspricht einem elementaren, verfassungsrechtlich und gesetzlich geschützten Recht jedes Einzelnen. In der Schweiz wird unterschieden zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Während bei Steuerbetrug das Bankgeheimnis aufgehoben werden kann, ist dies bei blosser Steuerhinterziehung, also bei der Nichtdeklaration von Kapitalien, nicht der Fall. Bei Rechtshilfegesuchen aus dem Ausland verlangt die Schweiz die beidseitige Strafbarkeit. Dies hat zur Folge, dass zur Vollziehung von Zwangsmassnahmen (bsp. zur Aufhebung des Bankgeheimnisses) in der Rechtshilfe ein Delikt sowohl im anderen Land als auch in der Schweiz strafbar sein muss, weshalb blosse Steuerhinterziehung nicht rechtshilfefähig ist. Angesichts des aktuellen internationalen Drucks hat sich der Bundesrat nun aber dazu bereit erklärt, bei konkreten und begründeten Einzelfällen auf Anfrage auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe zu leisten, wobei das erste 34 neue Doppelbesteuerungsabkommen voraussichtlich dem fakultativen Referendum unterstehen wird. Direkter Ausfluss des Bankgeheimnisses ist die in der Schweiz vom Bund erhobene Verrechnungssteuer, die dem Fiskus auch bei Nichtdeklaration von Vermögenswerten 35% der Kapitalerträge der von der Verrechnungssteuer erfassten Kapitalien beschat. Auch gegenüber der EU wurde ein Quellensteuersystem inklusive teilweiser Rückerstattung implementiert; die Erträge daraus sind für die Schweiz aber eher sekundärer Natur. Insgesamt stellen die Einnahmen aus der Verrechnungssteuer die drittwichtigste Einnahmequelle des Bundes dar, wobei hinter diesen Einnahmen hohe undeklarierte Kapitalwerte zu vermuten sind. Mit der starken Verankerung und Akzeptanz des Bankgeheimnisses in der Schweiz geht somit auch die Akzeptanz über die freie und strafrechtlich unsanktionierte Wahl zwischen Deklaration und Nichtdeklaration von Kapitalwerten einher. Insgesamt sind sowohl das Bankgeheimnis als auch die damit verbundene Verrechnungssteuer wichtige Eckpfeiler des Schweizer Bankensektors und der Schweizer Volkswirtschaft. 3.4 Anwendungsprobleme bei der Mehrwertsteuer Die bisherigen Ausführungen zeigten in mehrerer Hinsicht die Bedeutung des Schweizer Finanzplatzes. Gerade bei den durch den Bankensektor generierten Steuereinnahmen wurde auch das Klumpenrisiko für den Staat und die gesamte Volkswirtschaft ersichtlich. Neben der Gewinnbesteuerung fliessen aber auch hohe Einnahmen durch die MwSt in die Staatskassen. Es ist diese MwSt, gerade in Bezug auf den Finanzsektor, welche in den letzten Jahren sowohl in der Theorie als auch in der Praxis zu einer breiten Diskussion führte. Aus diesem Grunde befasst sich dieses Kapitel etwas näher mit der Besteuerung 35 des Mehrwerts v.a. in Bezug auf den Bankensektor. An den Anfang gestellt wird ein kurzer Abriss über die optimale Besteuerung und das Ideal der MwSt. Anschliessend soll in Kapitel 3.4.2 das aktuelle MwSt-System in der Schweiz betrachtet und ins Verhältnis zur idealen Besteuerung gesetzt werden. Von speziellem Interesse ist die Behandlung von Bankdienstleistungen — v.a. des Zinsdierenzgeschäfts — durch die MwSt, weshalb sich Kapitel 3.4.3 mit der Frage befasst, ob Finanzdienstleistungen überhaupt durch die MwSt erfasst werden sollen bzw. erfasst werden können. Ein Überblick über die aktuelle Revision des MwSt-Gesetzes rundet schliesslich die gewonnenen Erkenntnisse ab. 3.4.1 Optimale Besteuerung Basierend auf der Optimalsteuertheorie können Steuern aufgrund ihrer E!zienzwirkungen, d.h. der mit ihnen verbundenen Zusatzlast für die Volkswirtschaft, beurteilt werden.37 Jede Steuer, die zu Steueraufkommen führt, zieht einen Einkommenseekt mit sich. Dieser Einkommenseekt widerspiegelt den mit der Steuer bezweckten Kaufkraftstransfer vom Bürger zum Staat und stellt deshalb keine Verzerrung dar. Problematisch sind die Substitutionseffekte, welche praktisch mit jeder Steuer verbunden sind, die Marktergebnisse verzerren und zu einer Zusatzlast der Besteuerung führen. Die Zusatzlast ist umso höher, je stärker und besser die Individuen der Besteuerung ausweichen können. Ein Steuersystem, in dem nur Einkommenseekte auftreten, wird deshalb als erstbestes bzw. Firstbest-Steuersystem bezeichnet.38 Dazu gehören 3 7 Die Optimalsteuertheorie befasst sich mit der wohlfahrtstheoretischen Fundierung der Besteuerung. Siehe zur optimalen Einkommens- und Güterbesteuerung auch Keuschnigg (2005), Kapitel VI und VII. 3 8 Siehe zu dieser Thematik allgemein Daepp/Schaltegger (2004). 36 die nach individueller Leistungsfähigkeit persönlich dierenzierte Pauschalsteuer, welche ans Einkommen anknüpft, sowie die den Konsum erfassende allgemeine Verbrauchssteuer, d.h. eine Steuer auf den Wert aller physischen Konsumgüter und -prozesse inklusive Freizeit. In beiden Erstbest-Systemen wird der Zielkonflikt zwischen E!zienz und Gerechtigkeit ausgeschaltet, so dass jede beliebige Verteilung ohne Zusatzlast möglich ist und Umverteilung die Pareto-Optimalität nicht beeinträchtigt. In der Realität scheitert die Implementierung eines Firstbest-Steuersystems an der Nichtbeobachtbarkeit der Verbräuche bzw. der Anfangsausstattungen und Leistungsfähigkeiten. Es ist dieses grundsätzliche Informationsproblem, das maximal die Realisation eines zweitbesten Steuersystems zulässt. In einem Secondbest-System beschränkt man sich auf die Besteuerung beobachtbarer Transaktionen wie die Erzielung von Einkommen oder den Kauf von Gütern. Secondbest sind somit eine allgemeine Konsumsteuer auf alle Konsumtransaktionen oder eine allgemeine Einkommensteuer auf alle Wertschöpfungen der Produktionsfaktoren. Die Harmonie zwischen E!zienz und Gerechtigkeit fällt dahin, da die Besteuerung nun zu Ausweich- bzw. Substitutionseekten führt. Basierend auf dem Produktionse!zienztheorem von Diamond/Mirrlees (1971) dürfen in jedem zweitbesten Steuersystem nur Konsumentenentscheidungen verzerrt werden, jedoch keine Produzentenentscheidungen. Dahinter stehen die Erkenntnisse der Steuerinzidenzlehre, wonach auch Produzentensteuern letztendlich immer von Faktorinhabern und Konsumenten getragen werden.39 3 9 Der Verzicht auf Steuern, welche die Produzentenentscheidungen beeinflussen, bedeu- tet die Einhaltung mehrerer Neutralitätspostulate wie die Investitions- (Rangfolgen- und Vorzeichenneutralität), die Finanzierungs- (Kapitalstruktur- und Gewinnverwendungsneutralität) sowie die Rechtsformneutralität, siehe Daepp/Schaltegger (2004), S. 2 f. 37 Ausnahmen für das Produktionse!zienztheorem bestehen bei Markt- oder Staatsversagen. Die klassische Körperschaftssteuer wäre unter einem Zweitbest-System nicht zulässig, da diese den buchhalterischen Gewinn (und nicht den ökonomischen Gewinn unter Berücksichtigung der Opportunitäts-Eigenkapitalkosten) besteuert. Ebenfalls wäre bsp. die Privilegierung des Wohneigentums grundsätzlich nicht zulässig, könnte aber über die Internalisierung positiver externer Eekte aus dem Wohneigentum gerechtfertigt werden. Aus der Theorie der zweitbesten Besteuerung folgen das Einkommen und der Konsum als primäre Steuerbasen. In den meisten Ländern werden wie in der Schweiz sowohl das Einkommen (über die Einkommensteuer) als auch der Konsum (über die MwSt) steuerlich erfasst. Wie bereits Tab. 3-9 zeigte, stellte in der Schweiz die MwSt mit über 20 Mia. Fr. im Jahre 2008 die wichtigste Finanzquelle des Bundes dar. Die Einnahmen aus der Besteuerung des Mehrwerts besitzen mit 35% der Fiskaleinnahmen und 32% aller ordentlichen Einnahmen gemäss Abb. 3-5 den grössten Stellenwert und übersteigen diejenigen aus der direkten Bundessteuer. Daneben bestehen — wie bsp. auch Abb. 3-5 für den Bund zeigt — zahlreiche weitere Steuerarten wie die Vermögenssteuer, weitere indirekte Verbrauchssteuern (beispielsweise auf Bier, Tabak und Mineralöl), Motorfahrzeugsteuern usw., die sowohl auf Einkommens- als auch auf Konsumbestandteile zugreifen. Oensichtlich ist man in der Realität weit von den Anforderungen an eine zweitbeste Besteuerung entfernt. Davon ausgehend, dass diese Steuerarten aufrechterhalten bleiben, stellt sich in Bezug auf die MwSt die Frage, wie diese im idealen Fall ausgestaltet sein sollte, um wenigstens innerhalb der Konsumbesteuerung ein möglichst e!zientes System (und somit die Einhaltung einer allenfalls dritt- oder viert38 besten Besteuerung) zu gewährleisten. Eine ideale MwSt erfüllt fünf Kriterien:40 Sie ist als Netto-Allphasensteuer41 konzipiert, ist vom Konsumtyp, wird nach dem Bestimmungslandprinzip42 erhoben, kennt keine Ausnahmen und hat einen Einheitssatz. Die Einhaltung dieser fünf Kriterien würde die konsequente Besteuerung des Konsums gewährleisten. Das nachfolgende Kapitel stellt nun das aktuelle MwSt-System in der Schweiz vor und zeigt schliesslich, ob und inwieweit dieses die Erwartungen an die ideale MwSt zu erfüllen vermag. Auch Banken sind durch die verschiedenen Besteuerungsformen stets betroen. Um zu zeigen, wie der Finanzsektor bei einer konsumbasierten Besteuerung idealerweise besteuert werden sollte, wird der Fokus dabei insbesondere auf die Behandlung der Bankdienstleistungen durch die MwSt gelegt. 3.4.2 Mehrwertbesteuerung in der Schweiz Steuern auf den Umsatz von Gütern und Dienstleistungen werden in der Finanzwissenschaft als Verbrauchssteuern bezeichnet, da Steuersubjekt und Steuerträger aufgrund der Abwälzung der Steuerlast auf die Verbraucher zumeist nicht identisch sind. Bei der Besteuerung ist jeder wirtschaftliche Vorgang relevant, wobei für den einzelnen Akteur gemäss Netto-Allphasenprinzip 4 0 Vergleiche 4 1 Gemäss dazu bsp. ESTV (2005), S. 44 . Prinzip der Allphasensteuer wird jede Transaktion im Wirtschaftsverkehr, d.h. jeder Kauf und Verkauf, besteuert. Man spricht von Netto-Allphasensteuer, wenn man die Vorsteuern abziehen kann, so dass nur der Mehrwert einer Transaktion und insgesamt gerade der Gesamtwert besteuert wird. 4 2 Gemäss Bestimmungslandprinzip trägt der Letztverbraucher in dem Staat, in dem der Endverbrauch der Lieferung oder der Leistung erfolgt, die Umsatzsteuer. Exporte bleiben folglich steuerfrei, siehe dazu Keuschnigg (2005), S. 328 . 39 nur der von ihm hinzugefügte Mehrwert der Umsatzsteuer unterliegt.43 Die Brutto-Allphasensteuer, bei der bei jedem wirtschaftlichen Vorgang der gesamte Wert versteuert und deshalb die Steuerlast kumuliert wird, sei hier nicht näher betrachtet, da sie selten angewandt wird und (wie zuvor erwähnt) nicht den Anforderungen an eine e!ziente Besteuerung entspricht. Bei der Netto-Allphasensteuer — also der MwSt im eigentlichen Sinne — wird zwar die Steuer auf den ganzen Umsatz bezogen, die von der vorherigen Stufe überwälzte Steuer kann jedoch als Vorsteuer von der Steuerzahllast abgezogen werden. Steuerobjekt ist somit eigentlich der Umsatz und nicht der Mehrwert an sich. Mit der MwSt soll der Verbrauch besteuert werden. Zwar sind diejenigen Unternehmen steuerpflichtig, welche im Produktionsprozess Mehrwert schaffen, doch kommt ihnen im Prinzip nur die Funktion zu, die Steuer anstelle des Staates von den Steuerträgern, nämlich den Endkonsumenten, einzuziehen. In sämtlichen Ländern der EU sowie in zahlreichen weiteren Staaten wird die MwSt mit Vorsteuerabzug erhoben.44 Die Schweiz folgte 1995 mit der Umstellung der Einphasensteuer45 zur heutigen Mehrwertbesteuerung. Beispiel: Unternehmung A verkauft Güter im Wert von 1’000 an Unternehmung B und hat keine Inputkosten. Unternehmung B verarbei4 3 Vergleiche hierzu sowie allgemein zur rechtlichen Auseinandersetzung mit der MwSt Höhn/Waldburger (2001), S. 606 . sowie die entsprechenden Literaturverweise. Nicht näher eingegangen wird auf die sogenannten Saldo-Steuersätze. 4 4 Alle EU-Mitgliedstaaten müssen die 6. MwSt-Richtlinie einhalten. Diese schreibt in Art. 17 . den Vorsteuerabzug vor. 4 5 Die Einphasensteuer wurde früher Warenumsatzsteuer (Wust) genannt und zumeist nur bei der Lieferung vom Grossisten an Nichtgrossisten, d.h. innerhalb einer Stufe, erhoben. Zudem unterlagen Dienstleistungen nicht der Umsatzbesteuerung. 40 tet die Güter (Vorleistungen) von Unternehmung A weiter und verkauft schliesslich die Güter an Endkonsumenten. Ohne Mehrwertbesteuerung beträgt der Endverkaufspreis 2’000 und die Einkaufskosten von B 1’000. Mit einer MwSt von 7.6% bezahlen die Endkonsumenten 2’152 und Unternehmung B 1’076. Unternehmung A liefert dann die MwSt-Einnahmen von 76, Unternehmung B (bei erlaubtem Vorsteuerabzug) ebenfalls 152 - 76 = 76 an den Staat ab. Die Steuereinnahmen in Höhe von 76 + 76 = 152 entsprechen der Besteuerung des insgesamt geschaenen Mehrwerts von 7.6% · 2’000. In Art. 17 des schweizerischen MwSt-Gesetzes wird festgelegt, dass bei Umsätzen, die im Gesetz von der MwSt ausgenommen sind, kein Vorsteuerabzug zulässig ist. Sofern es die Marktbedingungen erlauben, ist davon auszugehen, dass Unternehmen die bezahlten Vorsteuern trotzdem (verdeckt und intransparent) in den Verkaufspreis einberechnen, weshalb schliesslich eine Belastung der Endkonsumenten durch die MwSt resultiert, obwohl die Umsätze an sich von der Steuer befreit sind. Man spricht dabei auch von der sogenannten unechten Steuerbefreiung, der taxe occulte oder der Schattensteuer.46 Art. 18 des MwSt-Gesetzes listet diese von der Steuer ausgenommenen Umsätze auf. Neben Aktivitäten im Postverkehr, Gesundheitswesen, Sozialwesen, in der Kultur oder in der Ausbildung sind auch die meisten Bankentätigkeiten ausgenommen. Namentlich zu erwähnen sind die Gewährung, Vermittlung und Verwaltung von Krediten und Verbindlichkeiten, Umsätze im Einlagen- und Kontokorrentgeschäft, Checks, die Vermittlung von Zahlungsmitteln und Wertpapieren sowie die Verwaltung von Anlagefonds.47 Der 4 6 Siehe 4 7 Art. bsp. SwissVAT (2003), S. 12. 18 Zi. 19 MwSt-Gesetz. 41 Umsatzsteuer unterliegen somit lediglich das Vermögensverwaltungsgeschäft (Verwaltung von Wertpapieren, Abschluss von Treuhandanlagen, aber auch Liegenschaftsverwaltung), das Inkassogeschäft (Einziehen von Forderungen im Auftrag des Gläubigers), die Tresorie und die Numismatik.48 Beispiel: Wenn Unternehmung B unecht von der MwSt befreit ist, bezahlt es für die Vorleistungen, welche es von Unternehmung A bezieht, 1’076. Beim gleichen Verkaufspreis wie zuvor beträgt der Gewinn von B nur noch 2’000 - 1’076 = 924 anstatt wie zuvor 1’000. Möchte B denselben Gewinn realisieren, beträgt der (nicht MwSt-pflichtige) Endverkaufspreis 2’076. Der Staat streicht Steuereinnahmen in Höhe von 76 ein, obwohl die Umsätze von der MwSt befreit sind. Oenbar ist der Endverkaufspreis bei voller Mehrwertbesteuerung am höchsten (hier 2’152) und bei echter Befreiung (bzw. gänzlich ohne MwSt-System) am tiefsten (hier 2’000). Die unechte Befreiung liegt dazwischen, sofern Vorleistungen existieren. Es gilt zu beachten, dass die Umsätze aus Vermögensverwaltungsgeschäft, Inkassogeschäft und Numismatik nur dann steuerbar sind, wenn sie sich auf Tätigkeiten der Bank für Schweizer Kunden beziehen. Bei Transaktionen mit im Ausland wohnhaften Personen handelt es sich nicht um im Inland geleistete Dienstleistungen, sondern um Dienstleistungsexporte, welche gemäss Bestimmungslandprinzip allgemein nicht durch die Mehrwertbesteuerung erfasst werden sollten. Umsätze, welche im bzw. für das Ausland erbracht werden, sind deshalb generell von der MwSt ausgenommen.49 4 8 Für einen internationalen Überblick über die besteuerten und unbesteuerten Bankge- schäfte siehe OECD (1998). 4 9 Siehe Art. 14 Abs. 3 lit. c und h i.V.m. Art. 5 lit. b sowie Art. 19 MwSt-Gesetz. 42 Auch in der EU ist bei Banken der Vorsteuerabzug nicht zulässig.50 Dies führt zu einer unterschiedlichen Behandlung von Banken innerhalb der Europäischen Union. Während beispielsweise der MwSt-Satz in Dänemark und Schweden 25% beträgt, müssen Banken in Grossbritannien nur 17.5% MwSt auf ihre Vorleistungen bezahlen, siehe Tab. 3-10.51 Im Vergleich zu den USA steht auch die EU grundsätzlich schlechter da, wenn es um in der EU wohnhafte Kunden geht, da Banken in den USA keine MwSt auf ihre Vorleistungen bezahlen.52 Normalsatz in % 20.0 21.0 25.0 22.0 19.6 19.0 21.0 20.0 15.0 19.0 25.0 25.0 7.6 17.5 Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Irland Italien Luxemburg Niederlande Norwegen Schweden Schweiz Grossbritannien Quelle: IBFD (2008). Tab. 3-10: Mehrwertsteuersaetze 2008 Der Vorsteuerabzug wird in der Schweiz bei diesen ausgenommenen Umsätzen auch bei Exporten nicht gewährt. In der EU jedoch dürfen Banken und Versicherungen bei Dienstleistungsexporten einen Vorsteuerabzug geltend machen.53 Im Gegensatz zur Schweiz praktiziert die EU bei diesen Umsätzen somit eine echte Befreiung. Die Verweigerung des Abzugs bei Exporten versetzt 5 0 Huizinga (2004), S. 560; Huizinga (2002), S. 499. (2004), S. 560. 5 2 Huizinga (2002), S. 509. 5 3 Siehe Art. 17 Abs. 3 lit. c MwSt-Richtlinie; Poddar (2003). 5 1 Huizinga 43 Schweizer Banken und Versicherungen grundsätzlich in einen Wettbewerbsnachteil.54 Die unechte Steuerbefreiung verdient eine etwas nähere Betrachtung. Auf den ersten Blick macht es den Anschein, als wäre der oben erwähnte tiefere Verkaufspreis gegenüber der vollen Mehrwertbesteuerung doch noch ein Vorteil. Dies mag auf jeden Fall für private Abnehmer von Gütern und Dienstleistungen gelten, die keine Weiterverarbeitung verfolgen und die Güter konsumieren. Für Unternehmen jedoch, welche diese als Inputs für den weiteren Produktionsprozess verwenden, ist es dadurch nicht möglich, eine Vorsteuer geltend zu machen, da die Umsätze der Banken von der Umsatzsteuer befreit sind und keine explizite MwSt verrechnet wird. Daraus lässt sich leicht schliessen, dass die weiterverarbeitende Wirtschaft es vorzieht, c.p. diese Güter und Dienstleistungen von MwSt-pflichtigen Banken und Versicherungen zu erwerben, da die voll MwSt-pflichtigen Vorleistungen zwar brutto teurer, dank Abzug der Vorsteuern jedoch billiger sind.55 In Art. 19 des MwSt-Gesetzes werden Umsätze aufgezählt, die von der Umsatzsteuer befreit sind und bei welchen zugleich ein Vorsteuerabzug zulässig ist — darunter auch Exporte von Gütern und Dienstleistungen ins Ausland. Man spricht dabei von einer echten Steuerbefreiung, da für Konsumenten keine höheren Endpreise durch die MwSt entstehen. Wie oben anhand der beiden Beispiele gezeigt wurde, lässt sich zusammenfassen, dass die Endverkaufspreise bei echter Steuerbefreiung am tiefsten und bei voller Mehrwertbesteuerung am höchsten sind. Die unechte Steuerbefreiung liegt dazwischen. 5 4 Im Vergleich mit europäischen Staaten ist der Normalsatz der MwSt in der Schweiz gemäss Tab. 3-10 jedoch sehr tief, weshalb der Nachteil bei Exporten mindestens teilweise aufgehoben wird. 5 5 Siehe auch EFD (2008b), S. 7042. 44 Dem Vorsteuerabzug kommt eine zentrale Bedeutung zu. Er wird nur denjenigen Abnehmern gewährt, welche MwSt-pflichtig sind und über die Steuer abrechnen, sofern die eingebrachten Leistungen, auf welche sich die Vorsteuer bezieht, für Umsätze verwendet werden, die steuerbar oder echt von der Steuer befreit sind. Prinzipiell darf der Vorsteuerabzug nur bei geschäftlichen Einkäufen angewandt werden. Privaten und für private Ausgaben ist er grundsätzlich nicht erlaubt. Art. 36 des MwSt-Gesetzes regelt die Steuersätze. Das Schweizer MwStSystem kennt drei Steuersätze, nämlich einen ermässigten Satz von 2.4% für Güter des täglichen Bedarfs, einen Sondersatz von 3.6% für Beherbergungsleistungen und einen Normalsatz von 7.6% auf alle übrigen besteuerten Güter. Der Grund für die Verbilligung von Gütern des Grundbedarfs liegt in der bewusst angestrebten sozialen Ausgleichswirkung der MwSt, da man bei der Implementierung davon ausging, dass niedrige Einkommensschichten einen höheren Anteil ihres Einkommens für diese Güter ausgeben als Haushalte mit mittleren und hohen Einkommen.56 Tab. 3-10 zeigt, dass der Normalsatz der Schweiz im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten am tiefsten ist. Somit kann eine Zwischenbilanz gezogen werden. Im Vergleich zu den vorhin präsentierten Erwartungen an eine ideale MwSt zeigen sich schwerwiegende Mängel in der Ausgestaltung des aktuellen schweizerischen MwSt-Systems. Zwar ist dieses vollumfänglich als Netto-Allphasensteuer konzipiert, entspricht grundsätzlich dem Konsumtyp und setzt das Bestimmungslandprinzip um, die Existenz unterschiedlicher Steuersätze und die zahlreichen Ausnahmebestim5 6 Es sei aber auf die SwissVAT-Studie verwiesen, die gerade zeigt, dass diese soziale Ausgleichswirkung nicht erreicht wird, da höhere Einkommensklassen entsprechend mehr für ausgenommene Güter wie Ausbildung, Kultur, Hotelleistungen usw. ausgeben, siehe SwissVAT (2003), S. 8 f. 45 mungen führen jedoch zu einer nur unvollständigen Erfassung des Konsums sowie zu einer Belastung von Zwischenprodukten und Investitionen durch die MwSt. Zudem werden ausgewählte Branchen im Vergleich zu anderen einseitig bevorteilt. Das Produktionse!zienztheorem von Diamond/Mirrlees (1971), wonach nur Konsumentenentscheidungen verzerrt werden sollten, jedoch keine Produzentenentscheidungen, wird durch die unechte Befreiung schwerwiegend verletzt. Die zahlreichen Steuerausnahmen höhlen die innere Logik der MwSt aus. Berechnungen des Eidgenössischen Finanzdepartements zeigen denn auch, dass die verzerrenden Auswirkungen gravierend sind: Die MwSt belastet nur zu etwa 58% den Konsum, knapp 24% bleiben auf Investitionen hängen, knapp 18% auf Zwischenprodukten.57 Abb. 3-6: Auswirkungen der taxe occulte 5 7 EFD (2005). 46 Abb. 3-6 illustriert das Problem der taxe occulte graphisch.58 Banken beziehen Vorleistungen, auf welche sie MwSt entrichten, wodurch der Staat Schattensteueraufkommen generiert. Durch die Verweigerung des Vorsteuerabzugs verlangen Banken gegenüber Privat- und Geschäftskunden im In- und Ausland einen zu hohen Preis für ihre Dienstleistungen. Inländische Geschäftskunden überwälzen die taxe occulte sowohl bei Produkten, die der MwSt unterstehen, als auch bei MwSt-befreiten Gütern (bsp. Spitalleistungen und Exporten) auf private Abnehmer im In- und Ausland. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das heutige MwSt-System der Schweiz vom Ideal der Mehrwertbesteuerung weit entfernt ist. Vor allem die zahlreichen Ausnahmebestimmungen führen dazu, dass eine hohe Belastung auf Investitionen und Zwischenprodukten liegen bleibt. Auch Banken sind in Bezug auf das Zinsdierenzgeschäft unecht von der MwSt befreit und können keine Vorsteuern auf Vorleistungen abziehen. Es stellt sich deshalb die grundsätzliche Frage, ob die Einführung der Mehrwertbesteuerung im Zinsdierenzgeschäft überhaupt Sinn macht und ob die Implementierung in der Realität auch möglich ist. Kapitel 3.4.3 geht diesen beiden Fragen nach und beschäftigt sich mit der Einführung der Mehrwertbesteuerung im Intermediationsgeschäft. 3.4.3 Implementation der Mehrwertbesteuerung im Intermediationsgeschäft Es wurde gezeigt, dass Banken eine Vielzahl von Tätigkeiten ausüben, wozu sie dieselben Inputs wie andere Unternehmen benötigen, nämlich Arbeit und Kapital. Um die eigenen Kosten zu decken, verlangen Banken entweder 5 8 Die Abbildung ist EFD (2007), S. 7042 entnommen. 47 gewisse Gebühren59 oder eine Zinsspanne. Keine Probleme in Bezug auf die Mehrwertbesteuerung bestehen für diejenigen Dienstleistungen, für welche eine fixe und explizite Gebühr verlangt wird.60 Diese können somit ausgeblendet werden. Schwierigkeiten treten erst auf, falls die Bank bei der Verleihung von Geldern einen Zinsgewinn erwirtschaftet, der sich in tieferen Passiv- und höheren Aktivzinssätzen niederschlägt. Zunächst soll deshalb die Frage geklärt werden, ob dieser Zinsgewinn in einem optimalen MwSt-System überhaupt besteuert werden soll oder ob darauf zu verzichten ist.61 Soll das Intermediationsgeschäft der MwSt unterliegen? In der Literatur bestehen zu dieser Fragestellung unterschiedliche Ansichten. Whalley (1991) und Chia/Whalley (1999) argumentieren, dass Finanzdienstleistungen kein direkter Bestandteil der Nutzenfunktion der Konsumenten und deshalb nicht zu besteuern seien.62 Eine Besteuerung verursache in diesem Falle eine Verzerrung der relativen Preise, die schliesslich zu einer ine!zienten Allokation der Güter führe. Allfällige Steuern auf Finanzdienstleistungen erhöhten die relativen Preise, und die Nachfrage nach Finanzdienst5 9 Bsp. Tresorie, Zahlungsverkehr, Inkasso, Wertpapierankauf und -verkauf gegen Provi- sion, Numismatik, Verwaltung von Depots. 6 0 Vgl. beispielsweise Poddar/English (1997), S. 90 f. 6 1 Eng mit dieser Frage verbunden ist auch die allgemeine und internationale Problematik der Evaluierung der Wertschöpfung von Banken, beispielsweise in Bezug auf die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, siehe für die Schweiz bsp. Seco (2006b), S. 5. 6 2 Auch Grubert/Mackie (2000), S. 25 folgen der gleichen Argumentationslinie und gelangen zum selben Schluss. Beispielsweise erzeuge die Beratung bei Investitionen keinen Konsumentennutzen. Jedoch räumen sie ein, dass zumindest die Unterscheidung von Konsum und Nichtkonsum in der Realität problematisch sein könnte. Whalley (1991) tritt jedoch nicht für volle Steuerbefreiung, sondern für eine tiefere Besteuerung von Finanzdienstleistungen ein. Dem widersprechen Grubert/Mackie (2000), S. 38, explizit. 48 leistungen wäre suboptimal. Anders: Wirtschaftssubjekte, die Finanzdienstleistungen benutzen, wollen hauptsächlich Anlagen tätigen, um einen maximalen, ihrer individuellen Risikoneigung angepassten Kapitalgewinn zu erwirtschaften. Unter dem Regime einer Konsumbesteuerung sollten Kapitalerträge nicht besteuert werden, da ein Sparer durch die Investition in Anlagen heute zu versteuernden Konsum in die Zukunft verschiebt, um dafür Erträge für weiteren zukünftigen Konsum zu erhalten. Würde man nun die Kapitalgewinne besteuern, so handelte es sich aufgrund der nochmaligen Besteuerung beim Endkonsum um eine Doppelbesteuerung des zukünftigen Konsums. Dieser wäre stärker besteuert als der heutige Konsum, was zu einer suboptimalen Allokation führte. Da diese Kapitalgewinne nicht der Konsumsteuer unterliegen dürfen, sollten auch Finanzdienstleistungen von der Steuer ausgenommen sein. Gefordert wird, dass diese Dienstleistungen gänzlich unbesteuert bleiben, d.h. keine Mehrwertbesteuerung der Verkäufe und möglicher Abzug von Vorsteuern auf Vorleistungen, so dass Banken letztendlich keiner Mehrwertbesteuerung unterworfen wären. Jack (2000) kommt zur Erkenntnis, dass der Mehrwert bei Bankgeschäften mit Endkonsumenten nicht besteuert werden sollte, wenn er proportional ist zum nominalen Wert der zugrunde liegenden Anlage oder der zugrunde liegenden Transaktion. Ist der Mehrwert jedoch proportional zum realen Wert, so sollte er Gegenstand der Mehrwertbesteuerung sein. Nur mit einem solchen Steuersystem könne eine Verzerrung der Preise verhindert werden. Die Diskussionen in der (weiter unten aufgeführten) Literatur, die sich hauptsächlich mit den Problemen in der Durchführung der Besteuerung bei Zinsspannen beschäftigen, hätten sich somit erübrigt, da genau diese Zinsspannen, welche die Bank bei Kreditgeschäften einnimmt, gemäss Jack nicht mehr besteuert werden dürfen. Auch andere Varianten der Konsumbesteuerung beurteilt Jack 49 nach demselben Muster.63 Grubert/Mackie (2000) plädieren für Steuerbefreiung bei Dienstleistungen für Investitionen, Krediten und Versicherungen, da diese u.a. die Kosten für die Verteilung des Konsums über die Zeit darstellen. Sie erläutern, dass nur solche Dienstleistungen besteuert werden sollten, deren Enderzeugnis keiner Besteuerung unterliegt. Da bei den oben erwähnten Sparten der Endkonsum stets besteuert werde, müsse der darin geschaene Mehrwert steuerfrei bleiben. Allgemein sind sie der Ansicht, dass nur Endkonsumgüter der MwSt unterliegen sollten, um keine Verzerrungen zu verursachen. Sie argumentieren, dass Finanzdienstleistungen nur Zwischenprodukte sind, keinen direkten Nutzen stiften, und sie somit unbesteuert bleiben müssen. Auf der anderen Seite findet sich die Ansicht, dass Finanzdienstleistungen ein Gebrauchsgut wie jedes andere seien, das es zu besteuern gälte. Poddar/English (1997) fordern eine volle Besteuerung des Mehrwerts, um Verzerrungen zu vermindern und eine möglichst breite Steuerbasis zu erreichen. Einig ist man sich darin, dass das Kapital an sich, welches vom Anleger über die Bank zum Schuldner fliesst, ein Finanztransfer ist und deshalb nicht der Besteuerung unterliegen darf.64 Was die Besteuerung des Mehrwerts betrit, wird an die ökonomische E!zienz angeknüpft und argumentiert, dass der relative Preis der Dienstleistungen ohne Besteuerung im Vergleich zu besteuerten Gütern und Dienstleistungen zu tief sei und somit dazu führe, dass ein zu grosser Einkommensanteil für unbesteuerte Dienstleistungen aufgewendet werde. 6 3 Auf die von Jack (2000) getroene Unterscheidung von fixen und quasi-fixen Gebühren soll hier nicht eingegangen werden. 6 4 Vgl. Homan/Poddar/Whalley (1987), S. 547 f.; Poddar/English (1997), S. 91 sowie die folgenden Ausführungen zur Aufsplittung eines Finanztransfers. 50 Es ist relativ einfach zu zeigen, dass die Ansicht nicht korrekt sein kann, nur Güter zu besteuern, die direkte Bestandteile der Nutzenfunktion sind. Es gibt einige Güter, welche besteuert werden, obwohl sie nicht direkt in der Nutzenfunktion erscheinen. Boadway/Keen (2002) erwähnen beispielsweise Tiernahrung oder Besteck, das dazu dient, ein Tier glücklich zu machen oder Nahrung e!zient in den Mund zu bekommen. Niemand würde verlangen, dass der Kauf von Tiernahrung oder Besteck von der MwSt ausgenommen werden sollte. Dasselbe gilt auch für Finanzdienstleistungen, die nicht direkt einen Nutzen stiften, aber indirekt, indem der Wert der Anlagen erhöht, das Risiko gestreut oder ein gewisser Ablauf vereinfacht wird. Dies anerkennt auch Jack (2000): „(...) the observation that financial services do not provide direct consumption benefits, while useful, is not su!cient to yield the prescription of exemption (...)”.65 Mintz (2003) führt zwei Gründe auf, welche die Argumente der Gegner der Mehrwertbesteuerung entkräften sollen. Erstens verlangen Banken Gebühren und Zinsspannen, um den Aufwand zu entschädigen, der benötigt wird, um Transaktionen und weitere Bankgeschäfte zu erleichtern. Benötigt ein Bankkunde solche Transaktionen oder Finanzdienstleistungen, um Güter zu kaufen, so leitet er durch die Einsparung an Zeit und Mühe Konsum her.66 Zweitens borgen sich Kreditnehmer Kredite, um Autos oder Häuser zu kaufen. Würde der Kreditnehmer anstelle eines Kredits einen Leasingvertrag für das Auto abschliessen, so wären die Zahlungen an das Leasingunternehmen MwSt-pflichtig, da die Zahlungen Kosten wie Verwaltung, Büroaufwand, Versand usw. beinhalten. Wären sämtliche Finanzdienstleistungen unbesteuert, fehlte ein wichtiger Kostenanteil zur Produktion eines Gutes bei der Besteue6 5 Jack (2000), S. 842. (2003), S. 19. Siehe hierzu auch Auerbach/Gordon (2002). 6 6 Mintz 51 rungsgrundlage. Dies hätte zur Folge, dass Unternehmen ihre Belastung durch die MwSt reduzieren bzw. umgehen könnten, indem sie den Produktionsprozess so gestalten, dass Finanzdienstleistungen einen möglichst grossen Anteil einnehmen. Schmidt (1999) begründet, dass es für den Funktionsmechanismus keine Rolle spielt, ob Finanzdienstleistungen im eigentlichen Sinne konsumiert werden. Massgeblich sei einzig die positive Wertschöpfung, beispielsweise dadurch, dass die Kreditaufnahme einen früheren Konsum gestattet oder eine Verlagerung von Konsum in die Zukunft für Anleger Vorteile bringt. In einem stark beachteten Artikel zeigen Auerbach/Gordon (2002) schliesslich, dass die Mehrwertbesteuerung einer proportionalen Besteuerung der Arbeitseinkommen und der existierenden Anlagen entspricht, falls auch Finanzdienstleistungen der MwSt unterliegen. Sie argumentieren, dass alle in den Produktionsprozess einwirkenden Faktoren besteuert werden sollten, wie dies auch in anderen Sektoren der Fall ist. Zudem sei zu berücksichtigen, dass in der Produktion von Finanzdienstleistungen reale Inputs benutzt werden, weshalb der Mehrwert proportional zum realen Wert sei. Damit entkräften sie direkt die Argumente von Grubert/Mackie (2000), Jack (2000) und auch Chia/Whalley (1999).67 Aus diesen Ausführungen kann somit gefolgert werden, dass sich grundsätzlich die Ansicht durchgesetzt hat, dass Finanzintermediation idealerweise der gleichen Mehrwertbesteuerung wie der Rest der Wirtschaft unterliegen sollte. Tatsächlich sind die Argumente der Befürworter überzeugender. Die Inanspruchnahme von Bankdienstleistungen stellt Konsum dar, den es zu be6 7 Jedoch stimmen die Autoren mit Jack (2000) und Chia/Whalley (1999) darin überein, dass man nur reale Ressourcen der MwSt unterwerfen sollte. 52 steuern gilt. Bankkunden verfolgen — wie dies auch in Kapitel 3.1 gezeigt wurde — im Intermediationsgeschäft stets eine bestimmte Zielsetzung, sei es bei der Anlage von Geldern oder der Beschaung von Kapital. Beide Geschäfte wären auch direkt und zu einem vorteilhafteren Zinssatz ohne Bankenintermediation möglich. Die Inanspruchnahme der Bankenintermediation bringt oenbar einen entsprechenden Mehrwert, beispielsweise durch die Risikodiversifikation oder die Linderung des Informationsproblems. Diesen Mehrwert nun nicht zu besteuern, würde in einem sonst vollständigen MwSt-System zu Verzerrungen und Ine!zienzen führen. Kann das Intermediationsgeschäft von der MwSt erfasst werden? Wird wie vorliegend die Besteuerung des Zinsdierenzgeschäfts durch die MwSt bejaht, so stellt sich in der Folge die Frage, ob es in der Realität überhaupt möglich ist, Finanzdienstleistungen steuerlich korrekt zu erfassen. Obwohl die MwSt beispielsweise bereits etwa 40 Jahre in Frankreich und 25 Jahre in den meisten anderen europäischen Ländern angewandt wird, blieb das Problem der Besteuerung des Mehrwerts bei Banken bis heute ungelöst. Unproblematisch sind, wie oben ausgeführt, Dienstleistungen, für die eine fixe und explizite Gebühr verlangt wird. Schwierigkeiten treten erst bei allfälligen Zinsgewinnen auf, die sich in tieferen Passiv- und höheren Aktivzinssätzen niederschlagen. Um den Mehrwert aus dem Zinsdierenzgeschäft zu berechnen, braucht es zwingend explizite Preise. Das grundsätzliche Problem ist erstens die Berechnung des Mehrwerts und zweitens die Aufteilung des Mehrwerts auf Kreditnehmer und Kreditgeber sowie schliesslich drittens das Herunterbrechen auf die individuelle Ebene. Die Identifikation der eigentlichen Steuerbasis, also des expliziten Preises einer einzelnen Transaktion für Kreditnehmer 53 und Kreditgeber, ist insgesamt die grösste Schwierigkeit.68 Hauptsächlich fehlt es an der für Steuersysteme nötigen Sicherheit bei der Feststellung dieser individuellen Steuerbasis.69 Bestünde die Wirtschaft nur aus MwSt-pflichtigen Unternehmen, wäre die Besteuerung des Mehrwerts kein Problem. Der Staat würde Steuern auf die Aktivzinsen erheben, während Banken die Steuern auf Passivzinsen abziehen könnten. Da jedoch auch Private (und Ausländer) zu den Endabnehmern zählen, versagt dieses Prinzip.70 Homan/Poddar/Whalley (1987) unterscheiden zwei Tätigkeitsfelder, deren Vermischung zum Hauptproblem führt. Zunächst beinhalten die Kapitaltransfers zwei Komponenten, nämlich das Kapital an sich, das vom Gläubiger zum Schuldner fliesst, sowie die Bezahlung der Zinsen vom Schuldner an den Gläubiger zum wahren Zinssatz.71 Dann aber beinhalten diese Kapitaltransfers auch die Kosten für die Finanzdienstleistung an sich.72 Während das Kapital sowie die Zinszahlungen zum wahren Zinssatz unbesteuert bleiben sollten, wären die Kosten für Finanzdienstleistungen MwSt-pflichtig. Das Problem besteht in der Koppelung dieser beiden Komponenten bei jedem Transfer. Anleger erhalten Passivzinsen, die geringer sind als der wahre Zinssatz, da ihnen implizit Kosten der Bankintermediation auferlegt werden. Analog sind Kreditnehmer mit höheren Aktivzinssätzen konfrontiert. Um eine Steuer auf Finanzdienstleistungen korrekt zu implementieren, müssten die beiden Ströme getrennt werden. Ähnlich, aber etwas dierenzierter unterscheiden Poddar/English (1997) die Finanzströme in die ursprüngliche Einlage des An6 8 Siehe hierzu beispielsweise Jack (2000), S. 841; Poddar/English (1997), S. 89. (1997), S. 92. 7 0 Homan/Poddar/Whalley (1987), S. 548. 7 1 Der wahre Zinssatz entspricht demjenigen Zinssatz, bei dem sich Kreditnehmer und 6 9 Poddar/English -geber ohne Bankenintermediation treen würden. Wie sich zeigen wird, dient dieser wahre Zinssatz dazu, den Mehrwert auf die beiden Parteien aufzuteilen. 7 2 Siehe Homan/Poddar/Whalley (1987), S. 548. 54 legers, Zinszahlungen, Risikoprämien und die Kompensation für Kosten der Bank für Dienstleistungen inklusive Gewinn.73 Die ursprüngliche Einlage des Anlegers ist ein nicht steuerbarer Transfer und repräsentiert den Kapitalwert einer Transaktion. Zinszahlungen sind diejenige Komponente der Zahlungsströme, welche die nicht steuerbare Preisrelation zwischen Zukunfts- und Gegenwartskonsum abbildet. Die Risikoprämie ist ebenfalls nicht steuerbar, da diese ein Entgelt des Intermediärs für das mit der Transaktion verbundene Risiko darstellt. Die Abgeltung für die Finanzintermediation ist schliesslich die Restgrösse der Zahlungsströme und stellt die eigentliche Wertschöpfung der Bankintermediation dar, welche es durch die MwSt zu erfassen gilt. In diesem Zusammenhang sei ein kurzes Beispiel zur Illustration erwähnt.74 Eine Bank nimmt zinstragende Einlagen entgegen und bezahlt dafür 3% jährlich. Diese Einlagen vergibt sie an Kreditnehmer zu einem Zinssatz von 8%. Der Mehrwert der Bank beträgt somit 5% der Einlagen abzüglich allfällige Inputkosten wie Lohn- und Kapitalkosten, wobei die Annahme getroen wird, dass kein Risiko bestehe. Dieser Mehrwert soll nun besteuert werden. Ist der Kreditnehmer oder der Kreditgeber eine MwSt-pflichtige Unternehmung, so stellt sich die Frage, wieviel diese jeweils als Vorleistung von der MwSt abziehen darf. Konkret geht es um den jeweiligen Anteil am gesamten Mehrwert. An dieser Stelle wird der „wahre” Zinssatz hinzugezogen, zu welchem der Kreditnehmer ohne Bankintermediation den Kredit erhalten und der Kreditgeber den Kredit gesprochen hätte. Angenommen, dieser Zinssatz sei gerade 5%, so fallen dem Kreditgeber zwei Prozentpunkte und dem Kreditnehmer 7 3 Poddar/English (1997), S. 91; genau gleich Schmidt (1999), S. 222. In ESTV (2005) wird ebenfalls — in Anlehnung an Poddar (2003) — unterschieden in Kapitalbeträge, den reinen Zeitwert des Geldes, die Risikoprämie und die Abgeltung für die eigentliche Finanzintermediation. 7 4 Ähnlich bei Boadway/Keen (2002). 55 drei Prozentpunkte des Mehrwerts zu. Bei einer Kredithöhe von 1’000 und einem MwSt-Satz von 7.6% müssen beide zusammen 1’000 · 0.05 · 0.076 = 3.80 an MwSt bezahlen, sofern es sich um private (d.h. End-)Konsumenten handelt. Ist mindestens einer der beiden eine MwSt-pflichtige Unternehmung, so wird ein Vorsteuerabzug geltend gemacht, und der Steuerertrag vermindert sich entsprechend. Um den Mehrwert zu berechnen, wurden in der Literatur verschiedene Konzepte eingehend diskutiert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Additionsund Subtraktionsmethode, die Cashflow-Besteuerung und die TCA- und Truncated Cashflow-Methode mit TCA, welche nachfolgend kurz dargestellt werden.75 Additions- und Subtraktionsmethode76 Eine Bank besitze folgende Erfolgsrechnung: Löhne Ausstattungskosten Vorleistungen Passivzinsen Gewinn 20 Einnahmen aus Gebühren 10 Aktivzinsen 30 30 40 50 80 Tab. 3-11: Beispiel zur Additions- und Subtraktionsmethode Die Bank habe Einlagen in Höhe von 1’000 erhalten, die sie zu 3% verzinst (Ausgaben für Passivzinsen) und zu 8% weiterverleiht. Mit Ausstattungskosten sind Abschreibungen auf Einrichtungen, Leasing von Einrichtungen usw. 7 5 Für einen internationalen Überblick über die verschiedenen Systeme siehe auch Schenk/Zee (2004). 7 6 Siehe zu diesen beiden Methoden sowie zu einer etwas ausführlicheren Diskussion der Vor- und Nachteile Mintz (2003), S. 6 f.; Homan/Poddar/Whalley (1987), S. 551 f.; Schmidt (1999), S. 230 . 56 gemeint. Neben den Einnahmen von 80 aus dem Zinsdierenzgeschäft hat die Bank Gebühren für andere Dienstleistungen in Höhe von 50 erwirtschaftet. Insgesamt beträgt der Gewinn 40. Nach der Additionsmethode entspricht der geschaene Mehrwert der Summe aus Lohnkosten und Gewinn. Nach der Subtraktionsmethode ermittelt man den Mehrwert, indem man von der Summe der Einnahmen alle Ausgaben ausser den Löhnen subtrahiert. Beide Methoden gelangen zum selben Resultat. Im Beispiel wäre der geschaene Mehrwert in beiden Fällen 60. Es spielt keine Rolle, ob die Vorleistungen inklusive oder exklusive Mehrwert verstanden werden, da in beiden Fällen allfällige MwSt auf Vorleistungen abzugsfähig wären. Beide Methoden erfassen die MwStpflichtige Basis somit korrekt. Keines der beiden Systeme ermöglicht es jedoch, den geschaenen Mehrwert auf einzelne Transaktionen herunterzubrechen. Zudem können Exporte nicht steuerfrei gehalten werden, weshalb eine Einbindung in ein bestehendes MwSt-System nicht möglich ist. Cashflow-Besteuerung77 Die Cashflow-Methode geht ursprünglich auf den Meade-Report (1978) zurück, jedoch bezogen auf die Besteuerung des Unternehmensgewinns, und hat in der Folge in der Literatur als Möglichkeit zur Erfassung der MwSt-Basis Beachtung gefunden. Anstatt wie zuvor auf die Zinszahlungen abzustellen, berücksichtigt die volle Cashflow-Besteuerung alle Zahlungsströme. Poddar/English (1997) betrachten sämtliche Kapitaltransaktionen als relevant für die Besteuerung. Alle Einkünfte — seien es Einlagen, Schuldzinszahlungen oder auch Kreditrückzahlungen — werden voll besteuert; sämtliche 7 7 Siehe bsp. Poddar (2003), S. 21 .; Boadway/Keen (2002); Schmid (1999), S. 233 .; Poddar/English (1997), S. 98. 57 Abflüsse von Kapital, d.h. gesprochene Kredite, Abhebungen oder Passivzinsen an Anleger, sind abziehbar. Ausgenommen sind Transaktionen mit Ausländern, die weder besteuert werden noch abziehbar sind. Ein Beispiel soll den Ablauf zeigen. Ein Anleger zahlt 1’076 auf sein Konto ein, die jährlich mit 3% verzinst werden. Die Bank verleiht diese Einlage an einen Kreditnehmer zu 8% pro Jahr weiter. Nach einem Jahr werden die jeweiligen Zinszahlungen fällig, der Kredit wird zurückbezahlt, und der Anleger hebt sein Geld vom Konto ab. Vorgang Einlage Kredit Passivzins Aktivzins Kreditrückzahlung Kontoschliessung Total Cashflow + 1000 - 1000 - 30 + 80 + 1000 - 1000 50 MwSt + 76 - 76 - 2.28 + 6.08 + 76 - 76 3.80 Tab. 3-12: Beispiel zur Cashflow-Besteuerung Angenommen, Kreditnehmer und Kreditgeber seien private Haushalte. Bei der Einzahlung des Geldes muss der Anleger implizit Steuern von 76 auf die Einlage entrichten, womit die Bank eine Steuerschuld gegenüber dem Staat von 76 aufweist. Gleichzeitig spricht die Bank einen Kredit, wobei sie auf diesen Kredit MwSt von 76 an den Kreditnehmer zahlt. Diese kann sie als Vorsteuer sofort abziehen, womit die Bank keine Steuerschuld mehr aufweist. Ein Jahr später bezahlt der Kreditnehmer den Kredit zurück und leistet gerade die Zinszahlung an die Bank. Auf beides hat der Schuldner MwSt von insgesamt 76 + 6.08 = 82.08 an die Bank zu entrichten. Diese muss auf der anderen Seite dem Kreditgeber Steuern auf den Betrag und den Passivzins zahlen, insgesamt 76 + 2.28 = 78.28. Diesen Betrag kann die Bank als Vorsteuer geltend machen, weshalb für sie netto eine Steuerschuld von 82.08 58 78.28 = 3.80 anfällt. Es resultiert somit derselbe Steuerertrag wie oben, falls Kreditnehmer und Kreditgeber Endkonsumenten sind. Nun soll der Fall betrachtet werden, in dem der Kreditnehmer eine MwStpflichtige Unternehmung ist, während der Anleger weiterhin ein privater Haushalt sein soll. Für die Bank ändert sich nichts. Sie hat weiterhin 3.80 an Steuern abzuliefern. Der anfangs gesprochene Kredit für die Unternehmung ist bekanntlich für die Bank MwSt-pflichtig. Die Unternehmung schuldet deshalb dem Staat den Betrag von 76. Falls keine anderen Vorleistungen vorliegen, muss diese Steuerschuld gleich bezahlt werden. Bei der Rückzahlung des Kredits entrichtet die Unternehmung MwSt in Höhe von 82.08, die sie sofort als Vorsteuer abziehen kann. Wurde nun die Unternehmung netto mit MwSt belastet? Für den Kreditnehmer ist der Aktivzins der relevante Kalkulationszinsfuss. Der Vorsteuerabzug ist abgezinst vor einem Jahr genau 82.08 / 1.08 = 76 wert und entspricht somit gerade der Steuerschuld. Folglich wird die Unternehmung netto nicht mit der Mehrwertbesteuerung belastet. Die Situation für den Staat stellt sich wie folgt dar: Der Staat legt die anfangs von der Unternehmung erhaltenen MwSt-Einnahmen zum wahren Zinssatz von 5% an, was nach einem Jahr einen Betrag von 79.80 bringt. Hinzu kommen die von der Bank abgelieferten Steuern von 3.80. Die Vorsteuer der Unternehmung von 82.08 fliesst jedoch ab, was schliesslich Steuereinnahmen von 79.80 + 3.80 - 82.08 = 1.52 ergibt. Die Steuereinnahmen entsprechen also gerade dem Anteil des Haushalts an der Zinsspanne, weshalb festgehalten werden kann, dass die Besteuerungsgrundlage, also der geschaene Mehrwert, korrekt ermittelt und besteuert wird.78 7 8 Für die Konstellation Unternehmen als Anleger und Haushalt als Kreditnehmer folgt dasselbe korrekte Ergebnis, und auch im Umgang mit ausländischen Kunden erfolgt eine korrekte Erfassung und Verteilung des geschaenen Mehrwerts. 59 Die bisherigen Erkenntnisse lassen sich formal folgendermassen ausdrücken: Sei die Kredithöhe O, der Aktivzinssatz uD , der Passivzinssatz uS > der Steuersatz und die Dummys D und S gleich 1, falls Anleger bzw. Kreditnehmer MwSt-pflichtige Unternehmen sind, und 0, falls es sich um private Konsumenten handelt. Betrachtet werden zwei Zeitpunkte (P1 und P2), zwischen denen ein Jahr liegt. In P1 gleichen sich die Cashflow-Ströme der Bank gerade aus. Der Kreditnehmer schuldet D O, der Anleger erhält eine Gutschrift in Form eines Vorsteuerabzugs in Höhe von S O. In der zweiten Periode hat die Bank Steuern in Höhe von (uD uS )O abzuliefern. Der Kreditnehmer erhält eine Gutschrift von D (1 + uD )O, der Anleger bezahlt S (1 + uS )O. Wenn der Staat einen Ertrag u auf die Gelder aus der ersten Periode erwirtschaftet, so verfügt er in der zweiten Periode über (1 + u )( D O S O) = (1 + u )(D S ) O. Die Einnahmen des Staates betragen insgesamt Bank P2 Gutschrift P2 z }| { z }| { W = (1 + u )(D S ) O + (uD uS )O D (1 + uD )O Steuer Anleger P2 z }| { + S (1 + uS )O = O [(1 D )uD + (D S )u (1 S )uS ] = O [(1 D )(uD u ) + (1 S )(u uS )] = Die Umformung zur letzten Gleichung zeigt, dass der Staat nur Steuereinnahmen erhält, wenn mindestens eine der beiden Parteien nicht MwStpflichtig ist. Falls nur der Kreditnehmer über die MwSt abrechnet, wird ausschliesslich der dem Anleger zuzurechnende Anteil u uS besteuert et vice versa. Damit diese Form der Cashflow-Besteuerung funktioniert, braucht es aber zwingend einen wahren Zinssatz, da die Verteilung des Mehrwerts nur dann korrekt ist, wenn u gerade diesen wahren Zinssatz darstellt. 60 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Cashflow-Ansatz die Probleme der Additions- und Subtraktionsmethode behebt und grundsätzlich eine nahtlose Eingliederung der Mehrwertbesteuerung von Finanzdienstleistungen ermöglicht. Die Haushalte werden korrekt mit Steuern belastet, während sich für MwSt-pflichtige Unternehmen die Situation darstellt, als gäbe es keine Steuern auf Finanzdienstleistungen. Auch treten im Zusammenhang mit ausländischen Kunden keine Probleme auf, so dass inländische Banken gegenüber der ausländischen Konkurrenz nicht mehr benachteiligt wären. Neben der Anwendung des wahren Zinssatzes gibt es jedoch eine Reihe weiterer Nachteile der Cashflow-Besteuerung. Zunächst einmal sei auf das Problem wechselnder Steuersätze hingewiesen. Damit die Methode funktioniert, müssen die Steuersätze bei der Erhebung der Steuer und beim Abzug von Steuern auf Vorleistungen identisch sein. Ein weiterer Einwand bezieht sich auf den erhöhten Kapitalbedarf, der durch die Besteuerung der Kredithöhe bei der Aufnahme für die MwSt-pflichtige Unternehmung entsteht. Unternehmen wären nämlich unter Umständen dazu gezwungen, zur vorübergehenden Bezahlung der Steuern einen höheren Kredit aufzunehmen. Dies hätte zur Folge, dass Banken, verursacht durch die Besteuerung, zu eigentlich ungerechtfertigten Mehreinnahmen gelangen würden, indem sie mehr Kapital vermitteln können. Auch der administrative Aufwand v.a. für kleinere und mittlere Unternehmen sowie für die Banken ist ein naheliegender Nachteil der Cashflow-Methode.79 7 9 Zu diesem Resultat gelangte auch die Europäische Kommission in einem Projekt mit sechs Banken und weiteren Beteiligten, bei dem sich zeigte, dass mit dem Cashflow-System signifikante Kosten verbunden wären, hauptsächlich aufgrund der hohen Volumina bei Transaktionen, siehe Huizinga (2002), S. 522 f. 61 TCA- und Truncated Cashflow-Methode mit TCA80 Um die Nachteile der Cashflow-Besteuerung auszubessern, wurden zwei Vorschläge entworfen: die Tax Calculation Account- (TCA) und die Truncated Cashflow-Methode mit TCA. Bei der TCA-Methode werden geschuldete Steuern oder Gutschriften bei Vorsteuern in die Zukunft verschoben und zwar solange, bis das Kapital vom Kreditnehmer zum Anleger zurückfliesst. Dazu wird ein separates Steuerkonto benutzt, das dazu dient, fällige Steuern und Gutschriften zu verbuchen, ohne dass tatsächliche Beträge fliessen müssen. Damit das System trotzdem funktioniert, sind die verschobenen Zahlungen und Gutschriften zum wahren Zinssatz zu verzinsen. Dies hat den Vorteil, dass der Staat nicht Anlagen suchen muss, die den wahren Zinssatz abwerfen, sondern stattdessen die Beträge auf dem Papier verzinsen kann. Tab. 3-13 zeigt die Äquivalenz in den Ergebnissen im Vergleich zur einfachen CashflowMethode. Wiederum lässt sich der Steuerbetrag anhand des jeweiligen Mehrwerts auf Anleger und Kreditnehmer aufteilen. Einlage TCA-Zinsbelastung der Einlage Passivzins Kontoschliessung Steuerbetrag Cashflow + 1'000 - 30 - 1'000 TCA + 76.00 + 3.80 - 2.28 - 76.00 + 1.52 - 1'000 + 80 + 1'000 - 76.00 - 3.80 + 6.08 + 76.00 + 2.28 Kredit TCA-Zinsbelastung des Kredits Aktivzins Kreditrückzahlung Steuerbetrag Tab. 3-13: Beispiel zur TCA-Methode Bei MwSt-pflichtigen Unternehmen zeigt sich das umgekehrte Bild. Der kreditnehmenden Unternehmung werden anfangs 76 belastet. Hinzu kommt 8 0 Poddar/English (1997); Merrill/Edwards (1996). 62 (nach einem Jahr) die TCA-Zinsbelastung von 3.80. Die Schuldzinszahlungen ermöglichen eine Gutschrift von 6.08, die Kreditrückzahlungen eine Gutschrift von 76. Somit resultiert ein negativer Betrag in Höhe von 2.28. Dies ist gerade der zulässige Vorsteuerabzug und entspricht der Besteuerung des Mehrwerts, welcher der Unternehmung zufällt. Da Steuern somit erst am Ende der Transaktion anfallen, besteht für Unternehmen kein Anreiz mehr, die Höhe des angelegten oder ausgeliehenen Kapitals aufgrund der Besteuerung zu ändern. Jedoch trägt der Staat nun ein höheres Risiko, da die Steuereinnahmen nicht mehr zu Beginn der Transaktion anfallen.81 Der grosse Vorteil der TCA-Methode liegt darin, dass nachträgliche Steuersatzänderungen unproblematisch implementiert werden können, indem man bereits verbuchte Gutschriften und Belastungen anpasst.82 Der wahre Zinssatz besitzt bei der TCA-Methode wiederum einen hohen Stellenwert, indem er den geschaenen Mehrwert und somit die jeweiligen Steuerbelastungen (v.a. für die weiterverarbeitende Wirtschaft) aufteilt.83 8 1 Die Steuerbehörde muss nicht bis zur Rückzahlung des Kredits bzw. Abhebung der Einlage warten. Es besteht die Möglichkeit, alljährlich Steuern einzufordern. Dazu ist es notwendig, den fiktiven Wert des Kredits bzw. der Einlage zu berechnen, was relativ einfach ist, da dieser dem ursprünglichen Wert entspricht, siehe auch Poddar/English (1997), S. 101. 8 2 Siehe zu diesen und weiteren Vorteilen auch Merrill/Edwards (1996), S. 496. 8 3 An dieser Stelle können zur Anknüpfung des wahren an einen bereits bestehenden Zinssatz nur Ratschläge erteilt werden. Zunächst müsste man die Möglichkeit in Betracht ziehen, mehrere Zinssätze in die Berechnung einfliessen zu lassen, um sowohl kurze als auch lange Fristigkeiten zu berücksichtigen. Da der Geldmarkt bekanntlich die Eigenschaft besitzt, dass die kurzfristigen Zinssätze v.a. längerfristig betrachtet relativ volatil sind, macht es Sinn, bei langfristigen Krediten jährliche Anpassungen vorzunehmen, während bei kurzfristigen Krediten wie bsp. dem Kontokorrentkredit tägliche Aktualisierungen des Zinssatzes angebracht sind. Merrill/Edwards (1996) kritisieren, dass bei einem wahren Zinssatz, der nicht zwischen Aktiv- und Passivzinssatz liegt, das TCA-System ungeeignet sei. Poddar/English (1997) jedoch entkräften dieses Argument und zeigen das Gegenteil. 63 Eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes ist die Truncated Cashflow-Methode mit TCA, die entwickelt wurde, um den erhebungstechnischen Aufwand v.a. für kleine und mittlere Unternehmen zu senken. Oben wurde bereits erwähnt, dass die Situation von Banken und weiterverarbeitender Wirtschaft spiegelbildlich ist. Um den administrativen Aufwand zu erleichtern, könnte die Bank sämtliche Cashflow-Berechnungen vornehmen, wobei in diesem Zusammenhang die Definition der zur Abwicklung berechtigten Finanzintermediäre wichtig wäre.84 Mit der von Huizinga (2002) vorgeschlagenen möglichst breiten Definition würde garantiert, dass alle signifikanten Anbieter von Finanzdienstleistungen erfasst werden.85 In der Realität vermochten sich die genannten Vorschläge nicht durchzusetzen. Weder die Schweiz noch irgend ein anderes Land besitzt ein MwStSystem, das die Besteuerung des Zinsdierenzgeschäfts vorsieht.86 Als Kompensation für die entfallenen Steuererträge wird üblicherweise der Vorsteuerabzug verweigert. Neben den bereits erwähnten Auswirkungen gibt es dadurch weitere Probleme.87 Beispielsweise sind in der EU Banken dazu gezwungen, In- und Ausländer voneinander zu unterscheiden, da die Dienstleistungen für Ausländer aufgrund des in der EU zulässigen Vorsteuerabzugs auf diese Geschäfte günstiger sind. Die Zurechnung der Vorsteuern auf Exporte erfordert einen nicht zu unterschätzenden administrativen Aufwand. Huizinga (2002) erwähnt, dass deshalb mit Inputkrediten relativ grosszügig umgegangen werde und die Steuereinnahmen aus dem Bankensektor eher gering seien.88 Schliesslich nähere sich die Realität deshalb ein wenig einem System an, in dem Ban8 4 Zur Definition von Finanzintermediären siehe auch OECD (1998), S. 5. (2002), S. 512. 8 6 EFD (2008b), S. 7045. 8 7 Siehe dazu auch Mintz (2003), S. 2 und 20. 8 8 Huizinga (2002), S. 522. 8 5 Huizinga 64 ken gänzlich unbesteuert blieben. Das von den Steuerbehörden verfolgte Ziel, trotz der Steuerbefreiung Einnahmen zu generieren, werde somit tendenziell verfehlt. Gewisse verzerrende Anreizwirkungen bleiben jedoch, sei es die Auslagerung von Dienstleistungen an Tochterunternehmen oder die Suche nach internen Lösungen, um den Vorsteuerabzug zu erhalten oder keine Vorsteuern zahlen zu müssen.89 Die Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen wäre eine konsequente Besteuerung des von den Banken geschaenen Mehrwerts und zwar zu den gleichen Bedingungen wie der Rest der Wirtschaft. Dieser Wechsel von der heutigen zu einer korrekten und vollständigen Mehrwertbesteuerung garantiert jedoch nicht zwingend einen Anstieg der Steuereinnahmen. Dies ist ein wichtiger Punkt. Bei einer vollständigen Mehrwertbesteuerung wäre nämlich nur noch der Konsum der Endkonsumenten steuerbar, während das aktuelle System wenigstens die eingebrachten Inputs versteuert. Huizinga (2002) andererseits sieht in der Umstellung einen Anstieg der Einnahmen aus der Besteuerung der Finanzdienstleistungen, wobei er kurzfristig tiefere Bankgewinne und somit den Widerstand der Banken prognostiziert. Ob das Steueraufkommen steigt oder sinkt, ist in der Realität aber wesentlich davon abhängig, wie hoch die bisherigen Einnahmen durch die unechte Befreiung sind und wie hoch der Anteil des Auslands und der Anteil der steuerpflichtigen Unternehmen ist, da in beiden Fällen keine MwSt-Erträge generiert werden.90 Da in der Schweiz sowohl ausländische Dienstleistungsempfänger als auch steuerpflichtige Schweizer Unternehmen die taxe occulte zahlen, ist zudem damit zu rechnen, dass die Implementierung eines vollständigen MwSt-System den 8 9 Poddar (2003), S. 352 . Unternehmen wären zum Vorsteuerabzug berechtigt, und das Ausland 9 0 Steuerpflichtige ist — dem Bestimmungslandprinzip folgend — generell von der MwSt befreit. 65 inländischen Konsum, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, stärker belasten würde. Zwischenbilanz Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, dass Bankdienstleistungen und v.a. das Zinsdierenzgeschäft in einem idealen MwSt-System besteuert werden sollten, um eine korrekte und umfassende Konsumbesteuerung zu ermöglichen. Die Inanspruchnahme von Bankdienstleistungen stellt Konsum dar, da diese für die Kunden mit einem Mehrwert verbunden sind, den sie bei einer direkten Transaktion ohne Banken nicht hätten (Risikodiversifikation, Linderung des Informationsproblems usw.). Diesen Mehrwert nicht zu besteuern, würde in einem sonst vollständigen MwSt-System zu Verzerrungen und Wohlfahrtsverlusten führen. Geht es um die konkrete Erfassung des im Intermediationsgeschäft geschaenen Mehrwerts, so versprechen v.a. die TCA- und die Truncated Cashflow-Methode mit TCA die meisten Vorteile. Dennoch hat bisher kein Land eine korrekte Besteuerung des Mehrwerts aus dem Intermediationsgeschäft implementiert. Während bei einer korrekten und vollständigen Erfassung des Intermediationsgeschäfts nur noch Umsätze an Private im Inland steuerbar wären, führt die unechte Befreiung wenigstens zu Schattensteuereinnahmen durch die versteckte Besteuerung des Auslands und der inländischen steuerpflichtigen Unternehmen. Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die aktuelle MwSt-Reform in der Schweiz, welche sich ebenfalls mit dieser Problematik auseinandersetzt. 66 3.4.4 Die aktuelle Mehrwertsteuerreform Der allgemeine Überblick über die MwSt in der Schweiz in Kapitel 3.4.2 zeigte, dass die momentane Besteuerung des Mehrwerts kompliziert, verzerrend und stark vom Ideal der MwSt abweichend ist. Am häufigsten werden die unterschiedlichen Steuersätze und die vielen Ausnahmebestände kritisiert, welche durch die Verweigerung des Vorsteuerabzugs zu Schattensteuereinnahmen führen.91 Bereits im Bericht „10 Jahre Mehrwertsteuer” von Anfang 2005 hat der Bundesrat Vereinfachungen und Steuerentlastungen innerhalb des heutigen MwSt-Systems vorgeschlagen.92 Gleichzeitig zu verschiedenen Praxis- und Verordnungsänderungen wurden Arbeiten zur Revision des MwSt-Gesetzes eingeleitet. Als Beauftragter für die MwSt-Reform schloss Peter Spori im Mai 2006 seinen Schlussbericht93 ab, welcher der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) als Grundlage für die Ausarbeitung der Vorlage zur MwStReform diente, die anfangs 2007 in die Vernehmlassung gegeben wurde. Mitte 2008 verabschiedete der Bundesrat eine Botschaft zur Vereinfachung der MwSt mit zwei voneinander unabhängigen Teilen. Teil A beinhaltet ein vollständig überarbeitetes MwSt-Gesetz mit einer einfacheren Systematik und inhaltlichen Revisionen in über 50 Punkten. Teil B befasst sich mit der Einführung eines Einheitssteuersatzes von 6.1% und der Abschaung der meisten Steuerausnahmen. Mitte Oktober 2008 trat die nationalrätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben einstimmig auf Teil A der Botschaft ein. Dabei wurde beschlossen, Teil B erst dann zu behandeln, wenn beide Räte die Beratungen über Teil A abgeschlossen haben werden. Da die entsprechende 9 1 Siehe auch EFD (2008b), S. 6904. ESTV (2005). 9 3 EFD (2006b). 9 2 Siehe 67 Kommission des Ständerats anfangs April 2009 teilweise vom Nationalrat abweichende Entscheide bezüglich Teil A getroen hatte, steht die bereinigte Fassung des Parlaments noch aus.94 In allen Berichten und Vorlagen wurden auch die zuvor angesprochenen Fragen bezüglich der (korrekten) Erfassung der Bankdienstleistungen und Bankgeschäfte behandelt. Im Bericht „10 Jahre Mehrwertsteuer” wird festgehalten, dass auch Finanzdienstleistungen grundsätzlich der MwSt unterliegen sollten, dass aber das Problem die korrekte Erfassung der Bemessungsgrundlage der zu besteuernden Finanzdienstleistung sei.95 Ebenfalls führt der Bericht aus, dass bisher in keinem Land Finanzdienstleistungen auf Basis einer MwSt mit Vorsteuerabzug besteuert wurden; stattdessen habe sich international und auch in der Schweiz die unechte Befreiung etabliert. Der Bericht kommt zum Schluss, dass Finanzdienstleistungen stärker als bis anhin der MwSt unterstellt werden sollten, da die Verzerrungen durch den verweigerten Vorsteuerabzug an verschiedensten Orten innerhalb der Wertschöpfungskette ansetzen, sich kumulieren und schliesslich zu hohen Verzerrungen und Schattensteuereffekten führen. Als bester und ambitioniertester Ansatz wird die Besteuerung der Zahlungsströme im Rahmen der TCA-Cashflow-Besteuerung betrachtet, welche jedoch nur international koordiniert implementiert werden könne. Der Bericht hält aber ebenfalls fest, dass dies mit erheblichen Steuerausfällen verbunden wäre, da der Finanzplatz Schweiz im Bereich der Bankdienstleistungen in beträchtlichem Ausmasse Umsätze mit Kunden im Ausland tätigt (wofür eine echte Befreiung gewährt werden müsste). Die Änderungsvorschläge des Schlussberichts von Peter Spori gehen allgemein wesentlich über diejenigen im Bericht „10 Jahre Mehrwertsteuer” hin9 4 Für einen Überblick zum Ablauf in Bezug auf die Reform der MwSt siehe EFD (2008c). ESTV (2005), S. 50 f. und 112. 9 5 Siehe 68 aus. In Bezug auf die taxe occulte wird festgehalten, dass die MwSt in der Realität nur etwa zu zwei Dritteln eine eigentliche Output-Steuer sei, weshalb man es im Grunde mit einer Unternehmens- und nicht mit einer Konsumsteuer zu tun habe.96 Sofern es die Marktbedingungen erlauben, werden diese Zusatzbelastungen des Unternehmenssektors verdeckt (und somit intransparent) überwälzt. Der Bericht führt ebenfalls aus, dass eine Aufhebung bisheriger Ausnahmen nicht mit hohen Mehreinnahmen verbunden ist, da diese nur gerade so viel betragen, als das neue Output-Steueraufkommen die bisherige Input-Belastung übersteigt. Tatsächlich könnte eine Aufhebung bei Branchen, welche ihre Leistungen zu einem grossen Teil im Ausland oder an steuerpflichtige Unternehmen in der Schweiz erbringen, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, sogar zu Mindereinnahmen führen, wobei explizit die Finanzdienstleistungsbranche als Hauptbeispiel erwähnt wird.97 Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Tatsache, dass eine Umstellung von der bisherigen teilweisen Input- zu einer vollständigen Outputbesteuerung den inländischen Konsum stärker belasten würde. Der Grund liegt darin, dass momentan auch ausländische Dienstleistungsempfänger die taxe occulte tragen, während eine reine Outputsteuer nur inländische Abnehmer beträfe, welche nicht in den Genuss des Vorsteuerabzugs kommen.98 Schliesslich gelangt der Bericht zur Erkenntnis, dass es die „ideale” MwSt nicht geben kann, da diese ohnehin nur in der Theorie existiere. Eine umfassende Besteuerung des Endverbrauchs stosse bereits technisch an ihre Grenzen, da es gerade im Bereich der Un9 6 Siehe EFD (2006b), S. 11 sowie die Ausführungen in Kapitel 3.4.2 in Anlehnung an EFD (2005). Konkret würde dies bedeuten, dass sich die geschätzten Schattensteuereinnahmen aus der unechten Befreiung im Jahr 2008 auf knapp 7 Mia. Fr. belaufen hätten (1/3 · 20.5 Mia. Fr. gemäss Tab. 3-9). 9 7 EFD (2006b), S. 11. 9 8 EFD (2006b), S. 12. 69 terstellung der Bankleistungen weltweit kein umsetzbares Konzept gäbe. Die Schattenbesteuerung sei unter diesen Umständen wenigstens als zweitbeste Lösung zur Erzeugung von Einnahmen zu betrachten, wenn die Leistungen an private Endkonsumenten nicht besteuert werden können.99 Auch der Bundesrat hat sich in seiner Botschaft dieser Haltung angeschlossen. Umsätze durch Finanzdienstleistungen, die im Rahmen einer Vermittlung mit Preisen in Form einer Marge erbracht werden, betrachtet er als systembedingte Ausnahmen, die nicht aufgehoben werden können. Mit „systembedingt” meint der Bundesrat, dass diese Umsätze theoretisch zwar besteuert werden könnten, der Aufwand aber sehr hoch und in keinem Verhältnis zum Ertrag wäre.100 In Anlehnung an EFD (2006b) hält der Bundesrat fest, dass momentan weniger als zehn Prozent aller Bankdienstleistungen an inländische Endverbraucher der MwSt unterstellt sind, und dass das Aufkommen aus der taxe occulte der Finanzbranche so gross ist, dass sich mit einer umfassenden Unterstellung der Finanzdienstleistungen nach einem Cashflow-System kaum Mehrerträge ergäben. Konkrete Berechnungen der ESTV rechnen mit Mehreinnahmen von 89 Mio. Fr., wobei zusätzlich ein Ausfall bei der Umsatzabgabe zu berücksichtigen wäre.101 Die Botschaft gelangt schliesslich zur Erkenntnis, dass der Status quo weitergeführt werden soll, • weil die theoretischen Modelle zur umfassenden Besteuerung der Wertschöpfung von Banken mit einem Cashflow-System ausserhalb eines MwSt-System stehen, nicht ausgereift und nirgends umgesetzt sind; • weil hohe Steuerausfälle zu befürchten wären; 9 9 EFD (2006b), S. 15 . Dass die Schattenbesteuerung nicht „zweitbest” im eigentlichen Sinne sein kann, wurde in Kapitel 3.4.1 gezeigt. 1 0 0 Siehe EFD (2008b), S. 7045. 1 0 1 EFD (2008b), S. 7046. 70 • und weil das Kreditgeschäft der Banken ausserhalb des Anwendungsbereichs einer Konsumsteuer liegt, da diese Leistungen nicht zu einem privaten Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen führen, sondern diesen nur vorbereiten.102 Die Feststellung, wonach das Kreditgeschäft der Banken nicht von einer Konsumsteuer erfasst werden soll, ist in Anbetracht der Ausführungen in Kapitel 3.4.3 falsch und widerspricht ebenfalls dem Bericht „10 Jahre Mehrwertsteuer”, der grundsätzlich die Besteuerung des Zinsdierenzgeschäfts fordert, um Verzerrungen zu vermeiden.103 Um die Anforderungen an ein ideales MwSt-System zu erfüllen, ist die konsequente Erfassung des Intermediationsgeschäfts unerlässlich. Auch der Bericht Spori hält fest, dass in Anlehnung an das Produktionse!zienztheorem keine Produzentenentscheidungen verzerrt werden sollten, was für die echte Befreiung anstelle der unechten spräche.104 Jedoch wird ebenfalls angefügt, dass das Produktionse!zienztheorem nur gilt, wenn alle Güter besteuert werden können. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt (was oensichtlich der Fall ist), so könne die indirekte Belastung dieser Güter durch die Besteuerung der zu ihrer Erzeugung erforderlichen Inputs möglicherweise eine Wohlfahrtsverbesserung ergeben. Die befürchteten Steuerausfälle und die konkreten Berechnungen der ESTV decken sich mit der auch in Kapitel 3.4.3 gemachten Feststellung, dass die Aufhebung der unechten Befreiung nicht zwingend mit höheren Steuereinnahmen verbunden sein muss, da diese massgeblich von den Anteilen des Auslands und der steuerpflichtigen Unternehmen in der Schweiz abhängen.105 Eben1 0 2 EFD (2008b), S. 7045 f. (2005), S. 50 f. 1 0 4 Siehe EFD (2008b), S. 7045. 1 0 5 Insofern trit im Falle der Schweiz der von Huizinga (2002) vermutete Anstieg der 1 0 3 ESTV 71 falls werden vom Bundesrat die theoretischen Modelle angesprochen, welche die vollständige Erfassung der Wertschöpfung von Banken ermöglichen sollen. Es ist korrekt, dass diese Modelle bisher in keinem Land umgesetzt wurden. In Analogie zu Kapitel 3.4.3 hält jedoch auch der Bericht „10 Jahre Mehrwertsteuer” fest, dass die TCA-Methode grundsätzlich der geeignetste Ansatz, eine internationale Koordination zur Implementierung jedoch unerlässlich wäre.106 Insofern kann dem Bundesrat in diesem Punkt nur teilweise zugestimmt werden. Zusammenfassend zeigt sich, dass die ideale Besteuerung des Konsums auch die Erfassung der Bankdienstleistungen und v.a. des Intermediationsgeschäfts durch die MwSt erfordert. Obwohl Methoden entwickelt wurden, welche zur korrekten Erfassung der von Banken generierten Wertschöpfung in Frage kommen, hat bis anhin kein Land in Bezug auf die Bankdienstleistungen eine korrekte Mehrwertbesteuerung implementiert. In der Schweiz beschäftigt man sich momentan zwar gerade mit einer Revision der MwSt, es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass sich im Bereich der Besteuerung des Intermediationsgeschäfts etwas ändern wird. Der Grund dafür liegt hauptsächlich in den zu befürchtenden Steuerausfällen durch den Wegfall der Schattensteuereinnahmen und in Implementierungsproblemen. 3.5 Fazit Die Inanspruchnahme von Finanzdienstleistungen ist für Bankkunden mit zahlreichen Vorteilen verbunden. Finanzintermediäre sind in der Lage, Risiko Steuereinnahmen durch die korrekte Erfassung der Bankdienstleistungen nicht zu. Ebenfalls wird in der Schweiz das von ihm genannte Ziel der Steuerbehörden, trotz der (unechten) Steuerbefreiung Einnahmen zu generieren, oenbar nicht verfehlt. 1 0 6 ESTV (2005), S. 51. 72 über verschiedene Anlagen hinweg zu diversifizieren, die Bonität von Schuldnern laufend zu überprüfen und damit das Informationsproblem grösstenteils zu beheben. Die Intermediation über Banken erspart zudem Transaktionskosten, indem diese die Suche nach geeigneten Anlagemöglichkeiten und Schuldnern übernehmen. Insgesamt betrachtet erbringen Banken eine Fülle an Dienstleistungen, ihre wichtigste Aufgabe ist jedoch — auch volkswirtschaftlich betrachtet — das Zinsdierenz- bzw. Intermediationsgeschäft. Ein Blick in die Schweizer Bankenlandschaft zeigt aber, dass der Stellenwert des klassischen Zinsdierenzgeschäfts in den letzten 25 Jahren kontinuierlich zulasten des Kommissions- und Dienstleistungsgeschäfts abgenommen hat. In Bezug auf die Bilanzsumme und die Wertschriftenbestände sind es v.a. die Grossbanken, welche das Vermögensverwaltungsgeschäft dominieren. Die insgesamt sehr hohen Wertschriftenbestände aus dem In- und v.a. auch aus dem Ausland widerspiegeln den oensichtlich herausragenden internationalen Stellenwert des Schweizer Bankensektors. Auch im Inland besitzt dieser in Bezug auf den Anteil der Beschäftigung, der Wertschöpfung und der durch den Bankensektor generierten Steuereinnahmen eine dominante Position und stellt deshalb ein nicht zu unterschätzendes Klumpenrisiko dar. Ein Grund für die Beliebtheit des Schweizer Bankenplatzes dürfte das schweizerische Bankgeheimnis sein. Da die Schweiz zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug unterscheidet und auf dem Prinzip der beidseitigen Strafbarkeit besteht, war die blosse Steuerhinterziehung bis anhin im internationalen Kontext nicht rechtshilfefähig. Damit der Schweizer Fiskus auch bei Nichtdeklaration von Kapitalerträgen von Inländern Steuereinnahmen generiert, erhebt er eine Verrechnungssteuer auf Zinsen, Dividenden usw. Die daraus resultierenden Steuereinnahmen sind beträchtlich und widerspiegeln hohe undeklarierte Anlagen. Neben diesen Einnahmen partizipiert der Staat auch über die Mehrwertbesteuerung 73 am Bankensektor. Zwar dürfte eine optimale MwSt die Produzenten nicht belasten, die Realität zeigt jedoch, dass das bestehende MwSt-System der meisten Länder und auch der Schweiz u.a. durch zahlreiche Ausnahmebestimmungen dazu führt, dass auch auf Investitionen und Zwischenprodukten eine hohe Belastung liegen bleibt. Obwohl Bankdienstleistungen und speziell das Intermediationsgeschäft durch eine ideale MwSt erfasst werden sollten und grundsätzlich gangbare Ansätze bestehen würden, hat dies bisher kein Land umgesetzt. Auch in der Schweiz sieht die aktuelle Revision der MwSt keine Änderungen im Bereich der Besteuerung des Intermediationsgeschäfts vor. Die bisherigen Ausführungen haben eindrücklich die Relevanz des Schweizer Bankgeheimnisses gezeigt, das oenbar einen gewichtigen Grund für die Beliebtheit des Schweizer Finanzplatzes darstellt. Gerade in den letzten Jahren geriet die Schweiz bei den Verhandlungen zur Zinsertragsbesteuerung wegen des Bankgeheimnisses immer wieder unter starken internationalen politischen Druck. Das folgende Kapitel befasst sich deshalb eingehender mit der spannenden Thematik rund um Informationsaustausch, Bankgeheimnis und Zinsertragsbesteuerung mit Bezug auf sogenannte Drittstaatenanlagen. 74 4 Zinsertragsbesteuerung bei Anlagen aus Drittländern 4.1 Einleitung Aufgrund der Globalisierung der Wirtschaft sind die Faktormobilitäten in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Arbeit und vor allem Kapital suchen sich jeweils die besten Beschäftigungs- und Anlagealternativen. Während es für Unternehmen seit Längerem selbstverständlich ist, Kapitalbedarf und -anlagen global zu planen, ist dies auch für Privatpersonen vermehrt zum Standard geworden. Diese Entwicklung wird auch zukünftig anhalten, bedenkt man beispielsweise die fortschreitende Standardisierung von Finanzprodukten oder die Möglichkeiten des Internets, Wertpapiere und Derivate rund um die Uhr weltweit zu handeln. Da Kapitalerträge gemäss Wohnsitzprinzip besteuert werden, ermöglicht die Zunahme der Kapitalmobilität den Investoren, der Besteuerung im Heimatland zunehmend auszuweichen.107 Kapitalflucht schränkt die nationalen Besteuerungsmöglichkeiten empfindlich ein. Besonders in Hochsteuerländern haben die Anleger einen starken Anreiz, Vermögenserträge im Ausland an1 0 7 Ein wichtiges Ziel der Besteuerung internationaler Kapitalerträge ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung, indem sich die Länder auf eine einheitliche Anwendung eines Besteuerungsprinzips einigen, siehe Keuschnigg (2005), S. 303 . Es kann dabei grundsätzlich unterschieden werden zwischen dem Wohnsitzprinzip und dem Quellenlandprinzip der Zinsertragsbesteuerung. Gemäss Wohnsitzprinzip erhebt jeder Staat einen einheitlichen Steuersatz auf das weltweite Kapitaleinkommen seiner Bürger und verzichtet auf die Besteuerung der Zinserträge der Ausländer im Inland. Gemäss Quellenlandprinzip besteuern die Staaten die im Inland anfallenden Zinserträge der In- und Ausländer zum gleichen Satz und verzichten auf die Besteuerung der im Ausland erzielten Kapitalerträge der Inländer. 75 fallen zu lassen, um diese der inländischen Besteuerung zu entziehen. Bereits im Jahre 1962 stellte der sogenannte Neumark-Bericht Defizite bei der Besteuerung von Zinseinkommen fest.108 Um der latenten Steuerhinterziehung entgegenzuwirken, schlug der Bericht die gemeinschaftsweite Einführung einer einheitlichen anrechenbaren Quellensteuer sowie eines Informationsdienstes zur wirksamen Steuerkontrolle vor. Basierend auf dem Grundproblem, dass den inländischen Steuerbehörden in den meisten Fällen keine Informationen über die ausländischen Kapitalerträge der Inländer zur Verfügung stehen, sind es diese beiden Instrumente, welche die Diskussion um Beseitigung von Steuerflucht seither prägen. Im Zuge der Verhandlungen innerhalb Europas stellte sich heraus, dass vor allem die Schweiz zwar dazu bereit ist, eine Quellensteuer auf ausländische Anlagen zu erheben, eine Abschaung des in der Schweizer Verfassung verankerten Bankgeheimnisses durch (teilweisen) Austausch von Daten über die Konten- und Anlageninhaber kam jedoch für die Schweiz bis vor Kurzem nicht in Frage.109 Auch Österreich, Belgien und Luxemburg stimmten im Schlepptau der Schweiz dem Informationsaustausch nicht zu, den die übrigen EU-Staaten untereinander automatisch vollziehen. Diese drei Länder erheben deshalb seit dem 1.1.2005 eine mit den Jahren stufenweise ansteigende Quellensteuer (15% bis 2008, 20% von 2008 bis 2011 und 35% ab 2011). Die daraus anfallenden Erträge werden den jeweiligen Wohnsitzstaaten zu 75% zurückerstattet.110 1 0 8 Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1962). dazu und ebenfalls zu den folgenden Ausführungen Kapitel 3.3. 1 1 0 Siehe EFD (2009d) sowie EU (2003); einen guten Überblick bietet auch Deutsche Bank 1 0 9 Siehe (2005). 76 In der Schweiz erhebt der Bund bereits seit 1944 eine Verrechnungssteuer auf Kapitalerträge in Höhe von 35%, um im Inland ansässige Steuerpflichtige dazu zu veranlassen, ihre Vermögen und Vermögenserträge korrekt zu deklarieren. Im Verlaufe der Verhandlungen mit der EU stimmte die Schweiz unter massivem Druck einer Quellenbesteuerung mit derselben zeitlichen Staffelung wie in Österreich, Belgien und Luxemburg auf sämtliche Zinserträge zu. Wie die anderen quellenbesteuernden Staaten behält auch die Schweiz nur einen Viertel der Erträge aus nicht deklarierten Kapitaleinkommen für sich und überweist den Rest ohne Nennung von Daten und Angaben an die betreenden EU-Länder. Zudem stimmte die Schweiz zu, auf Anfrage Amtshilfe bei Steuerbetrug (Verwendung gefälschter Urkunden), nicht aber bei blosser Steuerhinterziehung (Nichtdeklaration) zu leisten.111 Im Zuge dieser Bemühungen, die Möglichkeiten der Steuerflucht aus der EU einzuengen, fällt vor allem auf, dass hauptsächlich eher kleine Staaten wie die Schweiz, Liechtenstein oder Luxemburg die Quellenbesteuerung ohne konkrete Nennung von Steuerdaten dem Informationsaustausch vorziehen. Darüber hinaus handelt es sich fast ausnahmslos um Staaten, in denen der Bankensektor einen im internationalen Vergleich hohen Anteil am BIP generiert und über hohe Einlagen verfügt, welche bei einem Informationsmodell in andere Staaten auszuweichen drohten.112 Ende 2007 verwalteten die Ban1 1 1 Die Schweiz beharrte in den verschiedenen Verhandlungsdossiers und auch bei den aktuellen Diskussionen bezüglich des Bankgeheimnisses auf dem Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit, siehe Kapitel 3.3. Auch mit zahlreichen weiteren Staaten hat die Schweiz entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, die momentan noch Gültigkeit haben und den Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit garantieren, darunter auch mit den USA, vergleiche EFD (2009a, 2003a,b). 1 1 2 Für einen Überblick über den europäischen Bankensektor siehe Huizinga (2004) sowie Kapitel 3.2. 77 ken in der Schweiz 2’163 Mia. Fr. an inländischen Wertschriftenbeständen und 3’072 Mia. Fr. an ausländischen Wertschriftenbeständen.113 Obwohl diese Daten nicht nach Herkunftsländern getrennt vorliegen, kann der Anteil der EU anhand anderer Statistiken auf etwa 60% geschätzt werden; wenn man die quellenbesteuernden Länder Österreich, Belgien und Luxemburg abzieht, beträgt der Anteil der EU noch etwa 40%.114 Neben dem guten Ruf und dem Know-How der Schweizer Banken sowie der tiefen Zinsmargin ist das Bankgeheimnis wohl einer der Hauptgründe zur Erklärung dieser hohen ausländischen Wertschriftenbestände. Zudem lässt sich feststellen, dass die Verrechnungssteuer die Kapitalerträge nicht vollständig erfasst, während sich Informationsaustausch wohl auf sämtliche Wertschriftenbestände auswirken würde. Dies ist ein wichtiger Punkt. Beispielsweise sind bei den verzinslichen Wertpapieren nur diejenigen der Verrechnungssteuer unterworfen, welche von in der Schweiz wohnhaften Emittenten herausgegeben wurden. Emissionen ausländischer Emittenten, welche einen Anteil von knapp 75% ausmachen, können dagegen von In- und Ausländern quellensteuerfrei gehandelt werden.115 Es ist daher grundsätzlich zu vermuten, dass ein Zugeständnis der Schweiz, mit anderen Staaten Informationen über die Person des Investors auszutauschen, die Höhe sämtlicher Anlagen langfristig beträchtlich senken könnte, zumal sich dieser Informationsaustausch auf alle Anlagemög1 1 3 SNB (2008b), S. 42. (2006) und eigene Berechnungen. 1 1 5 Siehe Rehm (2003); Schweizerische Nationalbank (2008b). Es gilt zudem zu erwähnen, 1 1 4 IMF dass eine Reihe von Kapitaleinkommen nicht von der EU-Richtlinie tangiert wird (Dividenden, Wertzuwächse, sogenannte „Grandfathered“-Schuldverschreibungen, Ausschüttungen von Fonds, die weniger als 15% der Vermögenswerte in Schuldverschreibungen angelegt haben usw.), siehe dazu Deutsche Bank (2005) sowie Kapitel 3.3 und allgemein Huizinga/Nicodème (2004). 78 lichkeiten auswirken könnte. Tatsächlich käme dieser Datenaustausch dann wohl einer Aufhebung des Bankgeheimnisses gleich.116 Auch in der Literatur wurde diese Problematik rund um Steuerausweichung und Informationsaustausch erkannt und behandelt. In ihrer grundlegenden Arbeit beschäftigen sich Allingham/Sandmo (1972) zum ersten Mal mit der Frage, wann es sich für einen Steuerzahler lohnt, weniger als sein tatsächliches Einkommen zu deklarieren. Sie gehen dabei davon aus, dass bei Nichtdeklaration gewisser Einkommen der persönliche Nutzen grösser ist, sofern die Steuerbehörde nichts bemerkt, und aufgrund von Strafen kleiner, falls die Steuerbehörden durch Prüfung der Unterlagen den Schwindel entdecken. Grundsätzlich neu war dabei die Einsicht, dass Steuerhinterziehung lohnenswert sein kann und von gewissen Faktoren abhängt wie Bestrafung und Bussen, dem Einkommen oder der Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden. In nachfolgenden Studien wurde klar, dass die Nichtdeklaration von Einkommen ein wesentliches Problem für viele Länder darstellt. Zumeist geht man von ca. 10-20% der Einkommen aus, die nicht ordnungsgemäss deklariert werden.117 In der Folge beschäftigten sich einige Autoren mit Erweiterungen des Grundmodells von Allingham/Sandmo (1972) und den möglichen Einflussgrössen auf die Steuerhinterziehung.118 Als eine der wichtigsten Grössen iden1 1 6 Bereits das jetzt mit der EU vereinbarte System der Besteuerung von Zinseinkünften erhöht gemäss EFD (2009d) das Risiko der Abwanderung von Kapitalien, weshalb man in der Schweiz immer wieder beharrlich darauf hinweist, dass das Bankgeheimnis auch mit der in Aussicht gestellten Rechtshilfe bei Steuerhinterziehung aufrechterhalten bleibe, vgl. Kapitel 3.3. 1 1 7 Siehe bsp. Internal Revenue Service (1996) für die USA oder Feld/Frey (2006) für die Schweiz. In der Schweiz führte eine generelle Steueramnestie 1969 zu 1.15 Mia. Fr. zusätzlich deklariertem Einkommen, was 6% zusätzliche Steuereinnahmen erzeugte, siehe Pommerehne/Zweifel (1991); Feld (2003). 1 1 8 Beispielsweise wurden die Einkommen endogenisiert, indem das Arbeitsangebot mit- 79 tifizierte Clotfelter (1983) die marginalen Einkommensteuersätze, welche neben den bereits erwähnten Variablen einen signifikant positiven Eekt auf die Höhe der nicht deklarierten Einkommen besitzen.119 Stiglitz (1985) weist u.a. darauf hin, dass es vor allem an den in der Realität existierenden Transaktionskosten liegt, die einen vollständigen Abfluss des Kapitals ins anonyme Ausland verhindern. Tatsächlich lässt sich feststellen, dass im Vergleich zu den bestehenden Modellen eigentlich zu viel Einkommen deklariert wird. Die Steuerzahler sind grundsätzlich zu gesetzestreu und zu pflichtbewusst. Alm/McClelland/Schulze (1992) sowie Sandmo (2005) liefern als Erklärungsansatz, dass die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, subjektiv zu hoch eingeschätzt wird. Feld/Frey (2006) sind der Ansicht, dass die Steuerzahler im Falle der Schweiz deshalb grundsätzlich ehrlicher als anderswo sind, weil neben der freundlichen und respektvollen Behandlung durch die Steuerbehörden auch die direktdemokratische Ausgestaltung, also der föderale Staatsaufbau der Schweiz mit seiner inhärenten lokalen Steuerautonomie, eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.120 Obwohl mehrere Publikationen den Einfluss von Informationsaustausch auf die Höhe der nicht deklarierten Einkommen erwähnen,121 betrachten erstmals Bacchetta/Espinosa (1995) in ihrer grundlegenden Arbeit den Austausch von Informationen zwischen zwei Ländern als strategische Variable. Da Steueinbezogen wurde, siehe Pencavel (1979); Cowell (1981) oder Sandmo (1981). Für einen allgemeinen Überblick siehe Andreoni/Erard/Feinstein (1998); Slemrod/Yitzhaki (2002); Alm (1999); Slemrod (2007). 1 1 9 Obwohl dies auch durch experimentelle Studien gestützt wird (Alm/Jackson/McKee, 1992; Baldry, 1987), postuliert Feinstein (1991) einen negativen Zusammenhang. Die Uneinigkeit über den Einfluss der Grenzsteuersätze lässt sich wohl darauf zurückführen, dass sowohl der Steuersatz als auch das Einkommen abhängige Variablen sind. 1 2 0 Für weitere empirische Ergebnisse für die Schweiz siehe Pommerehne/Frey (1992). 1 2 1 Siehe Clotfelter (1983); Long/Swingden (1990); Andreoni/Erard/Feinstein (1998). 80 erflucht als reale Tatsache akzeptiert werden muss, geht es den Autoren um das Verhältnis zweier Länder, welche der Kapitalflucht ausgesetzt sind. Sie zeigen, dass ein freiwilliger Informationsfluss zwischen den Staaten zustande kommen kann. Begründen lässt sich dies damit, dass sich zwei Eekte gegenüberstehen: Zum Einen führt Informationsaustausch dazu, dass aufgrund der abnehmenden Kapitalflucht sowohl das Ausland als auch das Inland die Steuern erhöhen kann (strategischer Eekt). Zum Andern investieren aber auch ausländische Anleger weniger im Inland (direkter Eekt).122 Im Zuge der in Europa auftauchenden Diskussion rund um Quellenbesteuerung und Informationsaustausch beschäftigen sich Keen/Ligthart (2006a,2005) mit der Frage, ob die Teilung der Erträge aus der Quellenbesteuerung und aus dem Informationsaustausch Einfluss auf die Wohlfahrt zweier Länder hat.123 Im Falle unterschiedlicher Steuersätze für In- und Ausländer (d.h. bei möglicher Unterscheidung der Herkunft der Anleger) hat der Transfer von Einnahmen aus der Quellensteuer an die Wohnsitzstaaten keinen Einfluss auf die gewählten Steuersätze. Der Transfer verschiebt lediglich Einnahmen von einem Land zum anderen und kommt einem Pauschaltransfer (lump sum) gleich. Hingegen besitzt der Transfer von Einnahmen aus dem Informationsaustausch einen strategischen Eekt auf die gemeinsame Wohlfahrt. Diese Möglichkeit wurde bisher jedoch weder von der EU noch von der OECD in Betracht gezogen. Ebenfalls untersuchen Keen/Ligthart (2006a) den Einfluss 1 2 2 Ebenfalls spieltheoretisch argumentieren Janeba/Peters (1999), indem sie zeigen, dass es dem internationalen Kapital im Zwei-Länder-Fall bei Nichtkooperation erfolgreich gelingt, der Besteuerung auszuweichen. 1 2 3 Dabei werden erstmals diese beiden Alternativen — Quellenbesteuerung und Datenaustausch — einander explizit gegenübergestellt. Die Quellenbesteuerung war bereits bei der Diskussion um Steuerhinterziehung ein Thema, siehe Yaniv (1988) und Marrelli (1984). Jedoch bezogen sich diese auf das Lohneinkommen. 81 der relativen Grösse der beteiligten Länder und stellen fest, dass es für kleine Länder optimal ist, die Quellensteuer zu wählen, während grosse Länder den Informationsaustausch bevorzugen, um ihre Steuereinnahmen zu maximieren. Können die Staaten jedoch nicht zwischen in- und ausländischen Anlagen unterscheiden, so besitzt die Grösse der Staaten keinen Einfluss, da unabhängig davon der Informationsaustausch zur Anwendung kommt.124 Insofern gelingt es den Autoren zu zeigen, weshalb kleine Länder tendenziell die Quellenbesteuerung dem Informationsaustausch vorziehen.125 Huizinga/Nielsen (2003) benutzen denselben Modellrahmen, um eine explizite Modellierung von Banken und Bankgewinnen einzufügen. Sie knüpfen dabei an ihre frühere Arbeit an, in welcher ein Drei-Länder-Modell benutzt wurde, um die Auswirkungen einer minimalen Quellensteuer in der EU zu untersuchen.126 Während sich dabei zwei Länder innerhalb der EU befinden, handelt es sich beim dritten Land um einen aussenstehenden Drittstaat, der tiefe Steuern aufweist und als Steuerzufluchtsort dient.127 Die Wichtigkeit und der Einfluss der Banken zeigen sich sowohl bei Huizinga/Nielsen (2003, 2000) als auch bei Keen/Ligthart (2004). Während der Einfluss der Grösse eines Landes auf die Entscheidung zwischen Datenaustausch und Quellenbesteuerung von Keen/Ligthart (2006a) hinlänglich aufgezeigt wurde, ist der Einfluss des Bankensektors an sich aber weiterhin unklar. Am Beispiel der Schweiz fällt auf, dass gerade ausländische Anlagen eine auf1 2 4 Keen/Ligthart (2005). einen Überblick siehe Keen/Ligthart (2006b, 2004). 1 2 6 Huizinga/Nielsen (2000). 1 2 7 Auch zu den sogenannten „parasitären” Steuerparadiesen und den „tax havens” gibt 1 2 5 Für es eine Reihe von Literatur, siehe bsp. Slemrod/Wilson (2006); Rose/Spiegel (2005); Gros (1990) oder Dharmapala (2008), welche — in Anlehnung an Dharmapala/Hines (2006) — neben Irland, Liechtenstein und Luxemburg auch die Schweiz als „tax haven” einstuft. 82 fallende Wichtigkeit besitzen, wobei — wie zuvor bereits erwähnt — nur ein Teil davon aus EU-Staaten stammt. Mit den Determinanten der internationalen Kapitalien befassten sich bereits verschiedene Autoren. Grilli (1989) stellt einen Bezug dieser Anlagen u.a. zur Zinsbesteuerung und zum Bankgeheimnis her. Auch Alworth/Andresen (1992) identifizieren das Bankgeheimnis und die Quellenbesteuerung als wichtige Einflussgrössen auf die Höhe der internationalen Anlagen in einem Land. Zu denselben Ergebnissen gelangen Huizinga/Nicodème (2004), wobei auch sie darauf hinweisen, dass beispielsweise die Quellensteuer oftmals nur einen Teil aller internationalen Anlagen abdeckt, was den Eekt stark abschwächt.128 Akzeptiert man Kapital- bzw. Steuerflucht als reales Phänomen, so stellt sich somit die Frage, wie das Bankgeheimnis bzw. die Haltung und die Verhandlungen eines Landes in Bezug auf die Besteuerung von Kapitalerträgen durch Anlagen aus Drittstaaten ausserhalb der EU beeinflusst werden, welche definitionsgemäss nicht direkt in Abkommen innerhalb der EU bzw. zwischen der EU und einem anderen Land miteinbezogen werden können. Konkret ist natürlich von besonderem Interesse, ob und unter welchen Bedingungen sich die Schweiz, in der hohe solche Kapitalien angelegt sind, für Quellenbesteuerung oder für Informationsaustausch entscheidet bzw. entscheiden sollte. Um die Auswirkungen dieser externen Anlagen aufzuzeigen, stellt das folgende Kapitel 4.2 zunächst das zugrunde liegende Modell zweier LeviathanStaaten bei Quellenbesteuerung und bei Informationsaustausch vor, wobei beide Ansätze gerade elegant miteinander verbunden werden. Kapitel 4.3 befasst sich mit der kooperativen Lösung. Überlegungen zum optimalen Daten1 2 8 Würde man dies nicht berücksichtigen, käme man zu einem stärkeren Zusammenhang, siehe Brevik/Gärtner (2006). 83 austausch finden sich in Kapitel 4.4. In Kapitel 4.5 wird das Modell etwas näher an die Wirklichkeit gebracht, indem die externen Anlagen aus Drittstaaten auch auf die Steuersätze reagieren und somit realistischer modelliert werden. Kapitel 4.6 fasst schliesslich die verschiedenen Ergebnisse zusammen. 4.2 Das Modell Im Mittelpunkt steht die Interaktion zwischen zwei gleich grossen Ländern, deren Kürzel jeweils l = {K> I } ist (für Home und Foreign). Um den alleinigen Einfluss von Anlagen aus Drittländern herauszuarbeiten, sei angenommen, dass beide Länder die gleiche Grösse aufweisen und somit gleich viele Haushalte umfassen. Jeder Haushalt verfügt genau über eine Einheit Geld, die er entweder in K oder in I anlegen kann. Wie in Gros (1990) sollen auch hier die Haushalte gemäss ihrer Entfernung zur Grenze indexiert werden.129 Dazu sei angenommen, dass die Entfernung der Haushalte zur Grenze gleichverteilt sei zwischen 0 und 1, vl = [0> 1].130 Die Anlage im jeweiligen Heimatland verursacht keine Kosten. Entscheidet sich der Haushalt jedoch dazu, seine Kapitaleinheit im anderen Land anzulegen, so entstehen je nach Distanz Transaktionskosten vl , wobei diese offensichtlich mit wachsender Entfernung vl von der Landesgrenze ansteigen.131 1 2 9 Eine andere — hier jedoch nicht verwendete — Möglichkeit wäre, die Bevölkerung wie in Janeba/Peters (1999) in zwei Gruppen aufzuteilen, wobei die erste nie im Ausland investiert, weil sie zu hohe Transaktionskosten hat, unvollständig informiert oder risikoavers ist, und die zweite Gruppe aufgrund vollkommener Mobilität stets am günstigsten Ort ihr Kapital anlegt. 1 3 0 Das Modell baut hauptsächlich auf den Überlegungen von Keen/Ligthart (2006a, 2005) sowie Huizinga/Nielsen (2003) auf und entwickelt diese weiter. Vgl. auch Keuschnigg (2005), Kapitel 12 für einen Überblick. 1 3 1 Bestünden keine Transaktionskosten, so würde sich Steuerflucht für alle Haushalte loh- 84 Wie bei Bacchetta/Espinosa (1995) sind beide Länder somit der Kapitalflucht ausgesetzt. In beiden Ländern gilt der internationale Weltmarktbruttozinssatz 0, so dass die Entscheidung darüber, wo man seine Kapitaleinheit investieren soll, nur von den Transaktionskosten und der Besteuerung abhängt. Entscheidet sich ein Haushalt für eine Anlage im Ausland, so sei angenommen, dass dies dem inländischen Staat nicht gemeldet werde und dieser auch sonst keine Angaben über die Anlagen der Inländer im Ausland habe. Dem Staat, in welchem die Investition anfällt, ist das Wohnsitzland der Investoren zwar stets bekannt, von sich aus erstattet er jedoch dem anderen Land keine Meldung, solange dies nicht gegenseitig vereinbart ist. Sowohl K als auch I wenden denselben fixen Quellensteuersatz A 0 auf die Anlagen der jeweiligen Inländer im Inland an. Während die Kapitalien der I -Haushalte in K dem Steuersatz wK 0 unterliegen, werden die Haushalte aus K, die nach I ausweichen, mit einem Satz von wI 0 besteuert.132 Wie in Huizinga/Nielsen (2003) sowie Keen/Ligthart (2006a, 2005) werden eigennützige Regierungen unterstellt. K und I sind also Leviathan-Staaten, welche ihr jeweiliges Steueraufkommen über wl maximieren. nen, was oensichtlich nicht der Realität entspricht (vgl. dazu auch Stiglitz, 1985). Anstatt die Haushalte nach ihrer Distanz zur Grenze zu ordnen, könnte man sich auch unterschiedliche Kosten der Informationsbeschaung über die Kapitalanlage im Ausland vorstellen. Demnach verfügen gut informierte Haushalte über vergleichsweise geringe Transaktionskosten et vice versa. 1 3 2 Das vorliegende Zwei-Länder-Modell befasst sich nur mit Kapitaleinkommen und blendet Arbeitsmarkt und Arbeitseinkommen aus. Die Besteuerung der Anlagen über die Quellensteuer entspricht folglich der Besteuerung der Kapitalerträge. Eine Verrechnungssteuer von 35% der Zinseinkommen, wie sie die Schweiz kennt, entspräche in diesem Modell bei einem Bruttozinssatz von 5% somit einem Steuersatz von 1.75% auf den Wert der Anlage. 85 Nun wird unterstellt, dass — anlehnend an Huizinga/Nielsen (2000) — Drittländer existieren, die nicht in Verhandlungen und Abkommen zwischen den beiden Ländern einbezogen werden können, und dass diese über Anlagen in Höhe von D̄ 0 verfügen, die sie in K deponieren möchten.133 Wie u.a. Gril- li (1989), Alworth/Andresen (1992) und Huizinga/Nicodème (2004) zeigen, stehen die internationalen Kapitalien in engem Bezug zu verschiedenen Determinanten wie dem Bankgeheimnis bzw. dem Informationsaustausch und der Quellenbesteuerung. Die tatsächlich in K angelegten Gelder D sollen deshalb abhängen vom Anteil der ausgetauschten Informationen zwischen K und I einerseits und vom Steuersatz wK andererseits, D = i (wK > > D̄). Erklärt sich ein Land dazu bereit, Daten und Angaben zur Person des Anlegers aufzubereiten und auszutauschen, so ist davon auszugehen, dass dies direkt oder wenigstens indirekt einen Einfluss auf die Reputation des betreffenden Bankensektors und die Höhe der in diesem Land angelegten Kapitalien hat. Auch wenn Drittländer naturgemäss nicht in Vereinbarungen zwischen K und I einbezogen werden können (ansonsten würde es sich nicht um Drittländer im eigentlichen Sinne handeln) und nicht direkt vom Informationsaustausch betroen sind, so hat alleine die Tatsache, dass sämtliche Daten grundsätzlich aufbereitet und übermittelbar sind, einen negativen Einfluss auf das Ansehen des Bankgeheimnisses, das bei alleiniger Quellenbesteuerung noch gewahrt bliebe. Die (teilweise) Aufhebung des Bankgeheimnisses kann von 1 3 3 Um die Auswirkungen externer Anlagen zu zeigen, soll vereinfachend davon ausgegan- gen werden, dass nur das eine Land (hier K) davon profitiert und dass die Haushalte in K und I im Drittstaat keine Anlagen tätigen können. In der Realität ist freilich davon auszugehen, dass beispielsweise auch I zu einem gewissen Teil Anlagen aus Drittländern erhält, wobei zuvor eindrücklich gezeigt wurde, dass gerade die Schweiz einen überproportional starken Bankensektor aufweist und auch verhältnismässig hohe Anlagen nicht nur aus EU-Staaten, sondern auch aus Nicht-EU-Staaten verwaltet. 86 den betreenden Kontoinhabern aus den Drittländern unter Umständen auch als Zeichen dafür gedeutet werden, dass die Übermittlung und Oenlegung ihrer Daten in naher Zukunft ebenfalls möglich wäre und allenfalls tatsächlich zu erwarten ist. Erschwerend hinzu kommt, dass die Wahrscheinlichkeit, bei Steuerhinterziehung erwischt zu werden, grundsätzlich subjektiv als zu hoch eingeschätzt wird.134 Auch in der Realität ist mit dem Zugeständnis der Schweiz, mit anderen Staaten Informationen über die Person des Anlegers auszutauschen, die Erwartung bzw. die Befürchtung verknüpft, dass sich die Höhe der getätigten Anlagen langfristig beträchtlich senken wird, zumal sich der Informationsaustausch auf alle Anlagemöglichkeiten auswirken würde und faktisch einer Aufhebung des Bankgeheimnisses gleich käme. Würde sich die Schweiz auf vollständigen Informationsaustausch mit der EU einlassen, müsste sie folglich eine Abnahme der in der Schweiz deponierten ausländischen Kapitalien in Kauf nehmen — und zwar sowohl aus EU-Staaten als auch aus Nicht-EU-Staaten. Im Modell wird deshalb davon ausgegangen, dass eine Abweichung von der Quellenbesteuerung einen negativen Eekt auf die schliesslich in K angelegten Gelder besitzt. Der Einfluss von wK auf die Höhe der Drittstaatenanlagen liegt ebenso nahe. Je höher der Steuersatz gewählt wird, desto eher weichen die betreenden Investoren auf andere Anlagemöglichkeiten aus, welche jedoch in Anbetracht des im Vordergrund stehenden Zwei-Länder-Modells nicht näher spezifiziert werden. Zur Vereinfachung und zur grundsätzlichen Aufbereitung des Modells sei zunächst aber noch angenommen, dass die Anlagen aus Drittstaaten unabhängig vom Steuersatz wK sind, D = i (> D̄). Kapitel 4.5 befasst sich dann in einem zweiten Schritt mit dieser Erweiterung. 1 3 4 Siehe Sandmo (2005); Alm/McClelland/Schulze (1992). 87 4.2.1 Situation ohne Informationsaustausch: Quellenbesteuerung Die Entscheidung, ob ein Haushalt im Inland oder im Ausland anlegen soll, hängt wie oben bereits erwähnt von den Transaktionskosten und der Besteuerung ab. Ein Haushalt aus K investiert somit im Ausland, wenn wI vK > d.h., wenn die Bruttorendite abzüglich im Ausland zu bezahlende Steuer wI und abzüglich Transaktionskosten vK grösser ist als die Rendite nach Steuern im Inland. Analog folgt für den I -Haushalt die Bedingung wK vI . Für einen Teil der Haushalte lohnt es sich also jeweils, im Ausland zu investieren. Die entsprechenden Anteile sind wI > wK = vbI = vbK = (4-1) Zur Vereinfachung sei angenommen, dass zwischen den beiden Ländern kein Austausch der Einnahmen aus der Quellenbesteuerung wl stattfinde. Die Steuereinnahmen lassen sich somit auühren als UK = (1 vbK ) + wK vbI + wK D̄> UI = (1 vbI ) + wI vbK = (4-2) Die Staatseinnahmen setzen sich jeweils zusammen aus der Besteuerung der inländischen Haushalte, deren Anlagen im Inland verbleiben, weil sich das Ausweichen ins Ausland nicht lohnt (erster Term), und der Quellenbesteuerung der ausländischen Haushalte im Inland (zweiter Term), wobei in K zusätzliche Einnahmen wK D̄ aus der Besteuerung der Anlagen aus Drittländern anfallen. Da die Quellenbesteuerung keinen Informationsaustausch vorsieht und die externen Anlagen vorerst annahmegemäss nicht auf wK reagieren, betragen die in K angelegten und somit der Steuer unterliegenden Gelder aus Drittstaaten unvermindert D = D̄. 88 Betrachtet man (4-1) und (4-2), so werden die beiden typischen LaerEekte hinsichtlich des Steueraufkommens ersichtlich, die sich jeweils gegenüberstehen. Ein tiefer Steuersatz auf ausländische Kapitalien lockt diese zwar an, generiert aber insgesamt aufgrund des tiefen Steuersatzes nur geringe Einnahmen, während ein hoher Steuersatz eine einzelne Kapitaleinheit zwar stark besteuert, aber aufgrund seiner abschreckenden Wirkung zu Ausweichverhalten und somit ebenfalls zu eher geringen Steuereinnahmen führt. Eigennützige Regierungen maximieren somit über wl ihr jeweiliges Steueraufkommen. Einsetzen von (4-1) in (4-2) und Ableiten nach wl führt zu den beiden optimalen Steuersätzen im Nash-Gleichgewicht, welche das jeweilige Ul gerade maximieren, + D̄ > 2 (4-3) wI = = 2 Falls die Anlagen aus Drittländern gerade Null betragen, sind die beiden SteuwK = ersätze identisch, wl = 2. Um ausländisches Kapital anzulocken, setzen in diesem Fall beide Länder einen Steuersatz auf ausländische Anlagen, der halb so hoch ist wie derjenige für inländische Anleger.135 Für D̄ A 0 kann Land K einen höheren Steuersatz auf sämtliche ausländische Anlagen erheben, da es dadurch zu zusätzlichen Steuererträgen aus den externen Anlagen gelangt. Die Möglichkeiten für K sind jedoch beschränkt: Je höher der Steuersatz auf ausländische Anlagen gewählt wird, desto weniger I -Anleger finden sich in K ein. 1 3 5 Dies deckt sich mit der Steuergesetzgebung der meisten europäischen Staaten. Eine Statistik des Bundesministeriums der Finanzen (2005), S. 31 . zeigt, dass eine Reihe von Staaten — wie beispielsweise Deutschland und Frankreich — ausländische Anleger gegenüber inländischen bevorzugt behandelt. 89 Proposition (4-1): Externe Anlagen aus Drittstaaten erhöhen im davon profitierenden Land die Steuersätze auf ausländische Anlagen. Die Ungleichbehandlung von inländischen und ausländischen Anlagen wird dadurch grundsätzlich verringert. Aus den Gleichungen (4-1)-(4-3) folgen die ins Ausland ausweichenden Anteile der Haushalte, vbK = =+ UK D̄(2 + D̄) 4 2 2 bzw. vbI = bzw. UI =+ D̄ 2 , sowie die Steuereinnahmen 2 .136 Ohne externe Anlagen 2 D̄ 4 würden die Steuererträge in beiden Ländern 2 4 betragen. Die höheren Steuersätze bei D̄ A 0 in K führen dazu, dass es sich für einige I -Haushalte nicht mehr lohnt, ins Ausland auszuweichen. Bei den Steuereinnahmen zeigt sich, dass die externen Anlagen für beide Länder von Vorteil sind. Während K direkt von den zusätzlichen Steuereinnahmen profitiert, sind es in I die eben angesprochenen Haushalte, für welche es sich nicht mehr lohnt, ins Ausland auszuweichen, und welche dadurch zu höheren Steuereinnahmen im eigenen Land führen. Ähnlich wie in Bacchetta/Espinosa (1995) werden somit die beiden sich gegenüberstehenden Eekte ersichtlich: Externe Anlagen führen zwar dazu, dass das Inland die Steuern erhöhen kann (strategischer Eekt), jedoch investieren aufgrund der sinkenden Kapitalflucht auch weniger ausländische Anleger im Inland (direkter Eekt). Proposition (4-2): Die externen Anlagen aus Drittstaaten erhöhen im Zwei-Länder-Modell die Steuereinnahmen beider Länder. Die grenzüberschreitenden Kapitalanlagen zwischen den beiden Ländern nehmen insgesamt ab. 1 3 6 Da vI = [0> 1], folgt für alle D̄ D zwingend veI = 0. 90 4.2.2 Situation mit Informationsaustausch Es sei nun der Fall betrachtet, in dem sich K und I in gegenseitigen Verhandlungen über den Austausch von Informationen bezüglich ausländischer Anlagen befinden. Der Anteil der eektiv ausgetauschten Angaben wird mit notiert, wobei dieses in beiden Ländern gerade gleich hoch ist. Für = 1 werden somit sämtliche Informationen ausgetauscht und versteckte Kapitalexporte zwischen den beiden Ländern verunmöglicht. = 0 entspricht der zuvor besprochenen Quellenbesteuerung, in der kein Informationsaustausch stattfindet. Falls 0 ? ? 1, so kommt ein anteilsmässiger Informationsaustausch zur Anwendung, bei dem von allen im Inland investierten ausländischen Anlagen ein zufälliger Teil dem Wohnsitzland bekanntgemacht wird. Vernachlässigt man Übermittlungsfehler, ungenügende Informationen usw., so kann man als Wahrscheinlichkeit betrachten, mit welcher der heimische Staat von im benachbarten Ausland investierten Geldern erfährt. Während die bisherigen Überlegungen und Arbeiten zur Zinsertragsbesteuerung jeweils nur von den beiden „Extremvarianten” Quellenbesteuerung und vollkommener Informationsaustausch ausgingen, wird hier erstmals explizit auch ein möglicher anteilsmässiger Datenaustausch implementiert.137 Dies hat mehrere Gründe. Einerseits macht es durchaus Sinn, eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu unterstellen, bei Kapitalflucht erwischt zu werden, wie dies auch in anderen Zusammenhängen gemacht wird. Die ebenfalls stetig modellierten Haushalte machen ihre Entscheidung bezüglich des Anlageorts ihrer Einheitsanlage dadurch u.a. vom entsprechenden Erwartungswert abhängig. 1 3 7 Im Endeekt sehen zwar auch Huizinga/Nielsen (2003) einen anteilsmässigen Informa- tionsaustausch vor, der aber exogen bestimmt und mit einer Busse verbunden ist und somit keine strategische Variable darstellt. 91 Andererseits ermöglicht die stetige Modellierung die Eruierung des eigentlich gewünschten optimalen Grads an Informationsaustausch — abhängig vor allem von der Höhe der vorliegend im Zentrum stehenden externen Anlagen. Der Austausch von Informationen wird dadurch wie in der grundlegenden Arbeit von Bacchetta/Espinosa (1995) zu einer strategischen Variablen zweier Staaten. Die übermittelten Daten führen dazu, dass der Wohnsitzstaat die Dierenz wl zwischen inländischem Steuersatz und im Ausland geschuldetem Steuersatz einfordert. Somit unterliegen die betroenen Haushalte auch in diesem Fall nicht einer Doppelbesteuerung, sondern werden steuerlich gleich behandelt, wie wenn sie im Inland investiert hätten.138 Dennoch ist der ins Ausland ausgewichene Steuerzahler in diesem Falle schlechter gestellt, da er im Vergleich zu einem im Inland verbliebenen Investor Transaktionskosten auf sich nehmen musste. Für einen K-Haushalt lohnt sich eine Anlage in I nur noch, wenn wI ( wI )vK . Die Belastung durch die im Ausland bezahlte Steuern wI , den Erwartungswert der im Inland nachzuzahlenden Steuern ( wI ) und die Transaktionskosten darf somit nicht übersteigen, das bei normaler Anlage im Inland geschuldet wäre. Da für den I -Haushalt analog argumentiert werden kann, folgen schliesslich die Anteile der Haushalte, für welche es sich trotz Informationsaustausch noch lohnt, ins Ausland ausweichen, (1 )( wI ) > (1 )( wK ) vbI = = vbK = 1 3 8 Zur (4-4) Vereinfachung soll auf die Berücksichtigung einer Strafe bei Steuerausweichung wie beispielsweise bei Allingham/Sandmo (1972) oder Huizinga/Nielsen (2003) verzichtet werden. 92 In Anlehnung an Keen/Ligthart (2006a) soll vorläufig auch der Austausch des Ertrags aus der Informationsübermittlung miteinbezogen werden. Momentan ist in der EU kein solcher Austausch vorgesehen, was bedeutet, dass beispielsweise Frankreich nichts von in Italien anfallenden Steuereinnahmen erhält, wenn es italienische Steuerflüchtlinge meldet, die in Frankreich ihr Geld anlegen. Wenn q der Anteil der nicht transferierten Steuereinnahmen ist, kann diese Situation mit q = 1 wiedergegeben werden. Im gegenteiligen Falle erhält das Quellenland sämtliche im Wohnsitzland durch die Meldung zusätzlich generierten Steuereinnahmen, wobei selbstverständlich auch Varianten dazwischen möglich sind. Die externen Anlagen D sind vorläufig weiterhin unabhängig von wK , jedoch nicht vom Informationsaustausch . Konkret sei unterstellt, dass Anlagen aus Drittländern gerade D = (1 )D̄ betragen. Der zuvor erwähnte und von mehreren Autoren bestätigte Zusammenhang zwischen den Anlagen und dem Bankgeheimnis resp. dem Informationsaustausch wird also in mög- lichst einfacher Form implementiert. Bei vollständigem Informationsaustausch = 1 verzichten Drittstaaten folglich darauf, in K ihre Anlagen zu platzieren, da sie den totalen Austausch von Informationen mit einer Aufhebung des Bankgeheimnisses gleichsetzen, vergleiche Abb. 4-1 zur Illustration. 93 A A A = (1 − λ ) A 1 0 λ Abb. 4-1: Informationsaustausch mindert externe Anlagen Somit lassen sich nun die jeweiligen Steuereinnahmen notieren: vK + (1 q)( wK )b vI UK = (1 vbK ) + wK vbI + q( wI )b + wK (1 )D̄> (4-5) UI = (1 vbI ) + wI vbK + q( wK )b vI + (1 q)( wI )b vK = Der jeweils erste Term bezeichnet die Steuereinnahmen der nicht ins Ausland Ausgewichenen, der zweite diejenigen von ausländischen Steuerflüchtlingen (ohne Drittstaaten). Im dritten Term widerspiegeln sich die Einnahmen aus der Besteuerung heimischer Haushalte, die ins Ausland ausgewichen sind und aufgrund des Informationsaustausches erwischt werden. Das jeweilige Land behält von diesen Einnahmen einen Anteil q und überweist dem anderen Land den anderen Teil. Der vierte Term zeigt gerade diese Steuereinnahmen, welche das Quellenland bei Informationsübermittlung vom Wohnsitzland als Transfer erhält. Zusätzlich generiert K noch Einnahmen aus der Besteuerung der Anlagen aus Drittländern. 94 Analog zum Fall der Quellenbesteuerung folgen auch hier aus (4-4) und (4-5) die optimalen Steuersätze der beiden Regierungen, welche das jeweilige Steueraufkommen im Nash-Gleichgewicht maximieren, (1 2(1 q)) + D̄ > 2(1 (1 q)) (1 2(1 q)) wI = = 2(1 (1 q)) wK = (4-6) Mit = 0 erhält man die Situation der Quellenbesteuerung, wie sie in Kapitel 4.2.1 besprochen wurde, wK = +D̄ 2 und wI = 2 wie in (4-3). Das hier entwickelte und erweiterte Modell mit möglichem teilweisem Informationsaustausch zweier Länder beinhaltet somit gerade auch dasjenige der Quellenbesteuerung ohne Informationsaustausch und verbindet elegant die beiden Ansätze. Anhand von (4-6) lässt sich feststellen, dass die Wahl des Informationsaustausches einen Einfluss auf die optimalen Steuersätze besitzt, sofern q ? 1. Die Anlagen aus Drittstaaten fliessen wie zuvor ebenfalls in den optimalen Steuersatz in Land K ein. Anhand der ersten Ableitung Cw I C (1q) = 2(1(1q)) 2 0 wird ersichtlich, dass ein höherer Informationsaustausch generell zu tieferen Steuersätzen in I führt. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass steigender Datenaustausch die Anteile der Haushalte, welche ins Ausland ausweichen, stetig verringert. Um für Investoren aus K trotzdem einigermassen attraktiv zu bleiben, muss die entsprechende Steuerbelastung in I fallen, vergleiche dazu den zweiten und den vierten Term in (4-5). Dies gilt ansatzweise auch für Land K, wenn in diesem nur bescheidene Drittstaatenanlagen investiert werden. Sobald jedoch D̄ genügend gross ist, überwiegen die zusätzlichen Einnahmen aus der Besteuerung der externen Anlagen. Land K besitzt dann keinen Anreiz mehr, für Investoren aus I attraktiv zu sein. Aus der ersten Ableitung Cw K C = (1q)( D̄ ) 2(1(1q))2 erhält man die kritische Grenze D̄ = 95 , ab welcher zusätzlicher Datenaustausch einen durchwegs positiven Einfluss auf den Steuersatz hat. Proposition (4-3): Falls die Einnahmen aus der Informationsübermittlung geteilt werden, beeinflusst der Grad des Informationsaustauschs die optimalen Steuersätze. Während steigender Informationsaustausch in I stets zu sinkenden Steuersätzen auf ausländische Anlagen führt, hängt im Land K der Eekt von der Höhe der externen Anlagen ab. Für kleine Werte von D̄ überwiegt auch in K der Anreizeekt des Steuersatzes auf die Anlagen des angrenzenden Landes. Sobald D̄ jedoch eine kritische Schwelle erreicht, bei der sich bei steigenden Steuersätzen die Mehreinnahmen aus der Besteuerung der externen Anlagen und die Mindereinnahmen aus der Besteuerung der I Anlagen ausgleichen, kippt der Eekt, und K erhöht auch bei steigendem Informationsaustausch die Steuern. Die bisherigen Überlegungen haben die Auswirkungen der externen Anlagen und des Informationsaustausches auf die optimalen Steuersätze beleuchtet. Jedoch müssen sich die beiden Länder in ihren Verhandlungen nicht primär auf die Steuersätze einigen, sondern auf den gegenseitigen Informationsaustausch. Die Auswahl des optimalen Datenaustauschs ist Gegenstand des Kapitels 4.4. Zuvor soll jedoch kurz die kooperative Situation aufgezeigt werden, damit diese mit den bisherigen Ergebnissen verglichen werden kann. 4.3 Kooperative Lösung Bei vollständiger Kooperation der beiden Staaten würden diese die Summe der Steuereinnahmen maximieren. Zur Vereinfachung sei von nun an angenommen, dass die Steuereinnahmen aus der Informationsübermittlung nicht 96 ausgetauscht werden, d.h. q = 1. Gleichung (4-5) lässt sich somit schreiben als UK = (1 vbK ) + wK vbI + ( wI )b vK + wK (1 )D̄> UI = (1 vbI ) + wI vbK + ( wK )b vI = (4-7) Aus (4-7) folgen UK + UI = 2 (1 )(b vI ( wK ) + vbK ( wI ) wK D̄) (4-8) und schliesslich mit (4-4) die beiden optimalen Steuersätze, welche diese Summe maximieren, wK = + wI = = D̄ > 2(1 ) (4-9) Im gemeinsamen Optimum wählt I gerade einen Steuersatz auf ausländische Anlagen, der demjenigen auf inländischen entspricht. K setzt entsprechend sogar einen um D̄ 2(1) höheren Satz, wobei aufgrund von (4-9) die Einschrän- kung ? 1 getroen werden muss. Je höher der Informationsaustausch ist, desto höher ist auch der Steuersatz in K, wobei für D̄ = 0 selbstverständlich beide Steuersätze gerade betragen würden. Aus (4-4) wird ersichtlich, dass bei diesen hohen Sätzen kein Ausweichen von inländischen Haushalten ins Ausland mehr stattfindet, vbl = 0. Basierend auf (4-7) und (4-9) lassen sich die Steuererträge somit schreiben als UK = + (1 ) D̄ + D̄2 2 > (4-10) UI = > UK + UI = 2 + (1 ) D̄ + D̄2 2 = Die Summe der Steuererträge ist folglich für = 0 maximal, sofern D̄ A 0. Informationsaustausch verringert insgesamt betrachtet die Höhe der externen Anlagen, weshalb darauf verzichtet wird. I profitiert ohne Pauschaltransfers 97 nicht von den externen Anlagen und ist gleich gestellt wie bei vollständigem Informationsaustausch, der gemäss (4-4) ebenfalls die grenzüberschreitenden Anlagen vollständig verhindern würde. In Kapitel 4.2.1 wurden in (4-3) die Steuersätze berechnet, welche die beiden Länder ohne Kooperation wählen, um die eigenen Steuereinnahmen zu maximieren. Für beide Staaten besteht im vorliegenden Fall somit ein Anreiz, von den Steuersätzen der gemeinsamen Optimierung abzuweichen. Wenn sich K — ausgehend von = 0 — an den in (4-10) vereinbarten Steuersatz hält, kann I mit wI = 2 die Steuereinnahmen von auf + 2 4 erhöhen, indem es durch den geringeren Steuersatz für Anleger aus K attraktiver wird. Da in K weiterhin hohe Sätze angewandt werden, verbleiben alle I -Haushalte im Inland, vbI = 0. Auch K könnte, sofern I sich an die Abmachung hält, mit dem tieferen Satz wK = +D̄ 2 2 ) die Steuererträge auf + (D̄+ erhöhen. Diese 4 Überlegungen zeigen, dass die kooperative Lösung bei der Existenz externer Anlagen ohne Sanktionsmöglichkeiten instabil ist. Beide Länder haben einen Anreiz, von den ursprünglich vereinbarten Steuersätzen abzuweichen, weshalb schliesslich das Nash-Gleichgewicht in (4-3) resultiert. Ohne externe Anlagen würde das Steueraufkommen beider Länder Ul = betragen. Bei Quellenbesteuerung, = 0, bestünden für beide Staaten Abweichungsanreize, um Kapitalien aus dem anderen Land anzulocken. Bei einer bindenden Verpflichtung zu vollständigem Informationsaustausch, die vbl = 0 garantiert, wäre die kooperative Lösung jedoch stabil. Proposition (4-4): Externe Anlagen verändern die kooperative Optimierung beider Staaten. Während für D̄ = 0 der vollkommene Informationsaustausch optimal ist und die Abweichung zum Nash-Gleichgewicht hin verhindert wird, resultiert für D̄ A 0 die Quellenbesteuerung. Ohne Sanktionsmöglichkei98 ten ist diese Lösung instabil, und jeder Staat hat Anreize, von den gemeinsam vereinbarten hohen Steuersätzen auf ausländisches Kapital abzuweichen. 4.4 Optimaler Informationsaustausch Die Endogenisierung des Informationsaustauschs ermöglicht die Berechnung des eigentlich optimalen Grads an Datenübermittlung für beide Länder. Durch Einsetzen von (4-4) und (4-3) in (4-7) erhält man die Steuereinnahmen der beiden Länder in Abhängigkeit vom Informationsaustausch ,139 (1 ) D̄(2 + D̄) (1 )2 2 > 4 (1 ) D̄((1 )2 + D̄) (1 )2 2 = UI = + 4 UK = + (4-11) Sofern beide Länder die Steuereinnahmen maximieren möchten, leiten Sie aus (4-11) den jeweils optimalen Anteil ausgetauschter Informationen ab, CUl C = 0. Land K gelangt durch Optimierung seiner Steuereinnahmen zu K = 1 D̄(2 + D̄) = 2 2 (4-12) Wenn K den optimalen Grad an Datenaustausch durchsetzen kann, so fol gen aus (4-12) und (4-11) im Optimum Steuereinnahmen in Höhe von UK = + D̄2 (2 +D̄)2 . 16 2 Aus (4-12) lässt sich folgern, dass K den vollständigen In- formationsaustausch nur dann bevorzugt, wenn es über keine Anlagen aus Drittländern verfügt. Sobald D̄ A 0 ist, möchte K einen teilweisen oder — für D̄ s ( 31) — sogar gar keinen Austausch von Daten. Proposition (4-5): Sobald ein Land über Anlagen aus Drittstaaten verfügt, ist es für dieses optimal, höchstens einen teilweisen Informationsaus1 3 9 Durch die Substituierung von veK und veI kann unter Umständen die Einschränkung vl = [0> 1] verloren gehen. Dies gilt es bei späteren Überlegungen zu beachten. 99 tausch bei Verhandlungen durchzusetzen. Übersteigen die Anlagen eine kritische Grenze bzw. ein bestimmtes Verhältnis zur Summe der Anlagen der Inländer, so zieht der davon profitierende Staat die Quellenbesteuerung ohne Austausch von Daten dem Informationsaustausch vor — und zwar nicht, um Anleger aus dem anderen Land anzuziehen, sondern um für Drittstaaten weiterhin attraktiv zu bleiben. Bereits bei kleinen Werten für D̄ bevorzugt K den teilweisen Informationsaustausch anstelle des vollständigen. Die Übermittlung sämtlicher Daten führt dazu, dass die Drittstaaten keine Anlagen in K tätigen und dass daraus deshalb auch keine Steuererträge anfallen. Durch eine geringfügige Anpassung des Informationsaustausches gegen unten können bereits Steuererträge generiert werden, welche die Mindereinnahmen übersteigen, die durch die angestiegene Abwanderung der inländischen Haushalte entstehen. Für D̄ s ( 31) , wenn also die Drittstaatenanlagen im Vergleich zur Summe der Anlagen der K-Haushalte genügend hoch sind, lohnt es sich für K, ganz auf Informationsaustausch zu verzichten, da die Steuereinnahmen durch die externen Anlagen nun vollständig überwiegen. Abb. 4-2 veranschaulicht die Situation beispielhaft für Land K. Für den Fall D̄ = 0 bietet sich der vollständige Datenaustausch = 1 als optimale Lösung an. Sobald 0 ? D̄ ? s ( 31) , wird K eine teilweise Informationsübermittlung wie in (4-12) anstreben, um die Steuereinnahmen zu maximieren. Erreichen die externen Anlagen jedoch eine gewisse Höhe, D̄ s ( 31) , so kommt für K nur noch die Quellenbesteuerung = 0 in Frage. 100 RH A≥ ( 3 − 1)τ δ τ 0< A< ( 3 − 1)τ δ A=0 1 λH* λ Abb. 4-2: Optimierung der Steuereinnahmen Land I erhält zwar keine Anlagen von Drittstaaten, dessen Entscheidung über den optimalen Informationsaustausch wird indirekt über den Steuersatz wK (und somit auch über vbI ) jedoch trotzdem von diesen Anlagen beeinflusst, wie die aus (4-11) gewonnene Optimalitätsbedingung (4-13) zeigt: I = 1 2 D̄2 = 2( D̄ )2 (4-13) Wenn I dieses optimale I durchsetzen kann, so folgen aus (4-13) und (411) im Optimum Steuereinnahmen in Höhe von UI = + 3 D̄4 . 16( D̄)2 Auch I möchte alle Daten über die Konteninhaber austauschen, wenn D̄ = 0 ist. Insofern ist in diesem Fall eine Einigung möglich. Für D̄ A 0 bevorzugt jedoch auch I einen teilweisen oder gar keinen Austausch der Daten. Proposition (4-6): Auch der nicht direkt von den externen Anlagen profitierende Staat weicht im symmetrischen Zwei-Länder-Fall für D̄ A 0 vom vollständigen Informationsaustausch ab, um seine Steuereinnahmen zu maximieren. 101 Bekanntlich findet für D̄ = 0 und somit = 1 keine Steuerflucht mehr statt. Falls nun bereits geringe Beträge aus Drittstaaten ins Land K fliessen, reagiert dieses gemäss (4-3) mit einer Erhöhung der Steuer auf alle aus dem Ausland stammenden Anlagen, was dazu führt, dass K für Investoren aus I tendenziell unattraktiver wird. Der Anteil der Steuerflüchtlinge vbI in (4-4) sinkt, wodurch die Steuereinnahmen UI in (4-7) steigen. Dies wird auch schnell aus der umgeformten Gleichung in (4-11) ersichtlich: Die Steuereinnahmen beider Länder reagieren positiv auf zusätzliche externe Anlagen, CUK C D̄ = (1)( + D̄) 2 0 bzw. CUI C D̄ fekt im Anlageland K stärker ist, (4-3) und (4-4) für D̄ (1)( (1)+ D̄) 0, 2 CUK CUI C D̄ . Tatsächlich C D̄ = wobei der Effindet gemäss bereits keine Steuerflucht aus I mehr statt, da dann vbI = 0 ist. Da die Steuerflucht aus I bei Existenz von Drittlandan- lagen somit abnimmt, kann es sich die Regierung erlauben, einen geringeren Informationsaustausch einzugehen, um für Anleger aus K attraktiver zu werden. Es ist deshalb zu vermuten, dass für hohe D̄ das Land I die Quellenbesteuerung bevorzugen sollte, da man dadurch die maximale Attraktivität für ausländische Anleger erreicht und die Steuerflucht aus dem eigenen Land sowieso nicht mehr lohnenswert ist aufgrund der hohen Steuern in K. Tatsächlich erhält man aus (4-13) als kritischen Wert, ab welchem auch I keinen Datenaustausch mehr vornehmen möchte, D̄ 4.4.1 s (2 2) . Verhandlungsergebnisse Während I die Quellenbesteuerung also für D̄ kritische Grenze für K erst bei D̄ s ( 31) . s (2 2) bevorzugt, liegt die Ab diesem Wert werden sich die beiden Staaten somit auf Quellenbesteuerung einigen können. 102 Proposition (4-7): Sind die externen Anlagen genügend hoch, so einigen sich beide Länder auf Quellenbesteuerung. Liegt die Höhe der Drittstaatenanlagen jedoch darunter, so kann eine Einigung auf teilweise Datenübermittlung, die für beide Länder gerade optimal ist, jedoch nur für einen bestimmten Wert von D̄ erzielt werden. In allen anderen Fällen (mit Ausnahme von D̄ = 0) gibt es im Optimum keinen gemeinsamen teilweisen Informationsaustausch 0 ? ? 1. λH* , λF* 1 λH* λ * F 0 ( 2 − 2 )τ ( ) 3 −1 τ A δ δ Abb. 4-3: in Abhaengigkeit von D̄ Abb. 4-3 veranschaulicht den Verlauf von K und I gemäss (4-12) und (4-13) in Abhängigkeit der externen Anlagen. Dabei wird ersichtlich, dass zwischen dem gemeinsamen Optimum = 1 für D̄ = 0 und = 0 für D̄ s ( 31) nur bei einem bestimmten D̄-Wert ein teilweiser Datenaustausch möglich ist, der beiden Ländern gerade optimal erscheint. Durch Gleichsetzen von (4-12) ³ ³ ³ s ´´´ und (4-13) erhält man den Wert D̄ = s43 · cos 13 + arccos 3 8 3 r 0=23347·4 s .140 3 1 4 0 Die beiden weiteren Lösungen D̄2 = 4 I 3 · cos 103 1 3 I arccos 3 3 8 3 und D̄3 = 3 I4 · 3 4.4.2 Diskrete Wahl zwischen Quellenbesteuerung und vollständigem Datenaustausch Hätte K nur die diskrete Wahl zwischen = 1 und = 0, würde man also keinen teilweisen Datenaustausch zulassen oder durchsetzen können, so wägt K die beiden Alternativen gegeneinander ab. Bei Quellenbesteuerung 2 D̄) betragen die Steuereinnahmen von K bekanntlich + D̄(2 + , für = 1 4 erhält man , da es weder externe Anlagen noch Steuerflucht ins Ausland mehr gibt und somit sämtliche inländischen Haushalte mit ihren Einheitsanlagen zum Satz besteuert werden. Die Quellenbesteuerung führt konkret dann zu höheren Steuereinnahmen, wenn D̄ A s ( 21) . Die durchgehend gezeichnete Kurve in Abb. 4-2 muss somit nicht zwingend unterhalb der -Linie an der vertikalen Achse beginnen. Der eingezeichnete Fall bezieht sich auf ein 0 ? D̄ ? s ( 21) . Für D̄ A s ( 21) müsste sie die Achse bei einem Wert oberhalb von verlassen. Analog folgen für I die Steuereinnahmen für beide Extremvarianten, + 2 D̄ 2 4 und . Die Quellenbesteuerung wird bei diskreter Wahl bevorzugt, wenn D̄ 2 . Der Schwellenwert für I liegt leicht über demjenigen von K; insofern einigen sich beide Länder diskussionslos auf Quellenbesteuerung für D̄ 2 . Abb. 4-4 veranschaulicht dies. I cos 13 3 arccos 3 3 8 3 führen zu einem negativen Informationsaustausch oder zu einem negativen Wert für die externen Anlagen. 104 λH* , λF* 1 λF* λ * H 0 ( ) τ 2 −1 τ δ 2δ A Abb. 4-4: Verhandlungsergebnis ohne Transfer Für s ( 21) ? D̄ ? 2 kann das Verhandlungsergebnis im diskreten Fall nicht auf den ersten Blick bestimmt werden. Es stellt sich zunächst die Frage, um wieviel höher die Steuereinnahmen UK sind für = 0 im Vergleich zu = 1. Durch entsprechendes Einsetzen in (4-11) erhält man UK |=0 UK |=1 = UK |=0 = 2 2 D̄ . 4 2 D̄2 +2 D̄ 2 . 4 Umgekehrt folgt für das Land I UI |=1 Kann nun I beispielsweise Land K für seinen Verlust ent- schädigen, der durch Beibehaltung von Informationsaustausch über die Grenze von D̄ = s ( 21) hinaus entsteht? Als kritische Grenze, bei welcher eine lump-sum Entschädigung von I an K gerade noch möglich wäre, erhält man mittels 2 2 D̄ 4 2 D̄2 +2 D̄ 2 4 = 2 2 2 D̄2 4 D̄ 4 = 0 den Wert D̄ = s ( 62) , der zwischen den beiden vorhin berechneten Grenzen liegt, siehe Abb. 4-5. Für höhere Werte von D̄ profitiert K stärker von der Quellenbesteuerung, so dass dieses das benachteiligte I mit einem Pauschaltransfer auf seine Seite ziehen kann. 105 λ* 1 0 ( ) 6 −2 τ A δ Abb. 4-5: Verhandlungsergebnis mit Transfer Proposition (4-8): Besteht ausschliesslich eine diskrete Wahl zwischen (vollständigem) Informationsaustausch und Quellenbesteuerung, so ist eine Einigung der beiden Länder auf eine der beiden Varianten mit, meistens aber ohne Pauschaltransfers grundsätzlich immer möglich, unabhängig von der Höhe der externen Anlagen. Diese Erkenntnis stimmt mit der Aussage von Bacchetta/Espinosa (1995) überein, wonach ein freiwilliger Informationsaustausch zustande kommen kann. Der Grund liegt in den beiden bereits angesprochenen Eekten, die sich gegenüberstehen. Zum Einen führt Informationsaustausch dazu, dass aufgrund der abnehmenden Kapitalflucht grundsätzlich höhere Steuern erhoben werden können (strategischer Eekt). Zum Andern investieren dadurch aber ausländische Anleger weniger im Inland (direkter Eekt), was insbesondere auch die Höhe der Anlagen aus Drittstaaten tangiert. 106 4.5 Externe Anlagen reagieren auf Steuersätze Die bisher getroene Annahme der Unabhängigkeit der externen Anlagen vom Steuersatz hält der Realität nicht stand. Es ist unvorstellbar, dass Drittstaaten auch bei einer Besteuerung von 100% nur aufgrund der Quellenbesteuerung und anderer begünstigender Faktoren wie Kundenzufriedenheit oder KnowHow immer noch sämtliche Anlagen in ein Land investieren. Deshalb soll nun angenommen werden, dass die eektiv in K vorhandenen Drittstaatenanlagen auch von der Höhe des Steuersatzes wK abhängen, wobei der Zusammenhang der Einfachheit halber gerade linear sein soll. Die in K investierten Gelder aus Drittländern betragen somit D = (1wK )(1)D̄. Die geringfügige Anpassung in (4-7) führt zu vK + wK (1 wK )(1 )D̄> UK = (1 vbK ) + wK vbI + ( wI )b UI = (1 vbI ) + wI vbK + ( wK )b vI (4-14) und somit zu den optimalen Steuersätzen + D̄ > 2(1 + D̄) wI = = 2 wK = (4-15) Der Eekt der externen Anlagen auf wK ist nicht mehr so stark wie ohne die Berücksichtigung des Einflusses der Steuersätze, aber immer noch durchwegs positiv, CwK C D̄ = (1 ) 2(1+ D̄)2 A 0, d.h. Land K kann zwar immer noch etwas höhere Steuersätze als I wählen, die negative Wirkung auf D veranlasst K jedoch dazu, dies nur noch in begrenztem Masse zu tun. Wiederum lassen sich die Steuererträge in Abhängigkeit des Informationsaustausches schreiben als UK = + UI = + (1) D̄( (2(2) )+ D̄)(1)2 2 > 4(1+D̄) (1)D̄((23 ) + D̄(12 )2 )(1)2 ( 2 +2 D̄(2 1)) = 4(1+D̄) 107 (4-16) Um die Steuererträge zu maximieren, wählt K den Informationsaustausch K = 1 D̄(2 2 + D̄) . 2(1 + D̄) 2 (4-17) Im Vergleich zu (4-12) ist dieser stets höher oder (für D̄ = 0) gerade gleich hoch. Für D̄ A 0 besteht weiterhin der Anreiz, vom vollständigen Informationsaustausch abzuweichen. Könnte K diesen Anteil an Datenaustausch durchsetzen, so erhielte man maximale Steuereinnahmen in Höhe von + D̄2 ((2 ) + D̄)2 , 16 2 (1+D̄)2 die kleiner sind als im vorherigen Fall. Die Quellenbesteue- rung bevorzugt K, wenn D̄ s s (3 2+ 3· 44 +3 2 ) 2 s s (3 2+ 3· 44 +3 2 ) . 2 Aufgrund von s ( 31) lässt sich feststellen, dass die kritische Schwelle für D̄, ab der Land K die Quellenbesteuerung durchsetzen möchte, höher liegt als zuvor. Analog folgt aus (4-16) der optimale Datenaustausch I = 1 2 D̄2 (1 )2 2( D̄ (1 + 2 D̄))2 (4-18) 3 D̄4 (1 )4 2 2 16(1+D̄) s s ( D̄(12 )) (2+ 2(4+ 2) ) . (16 +7 2 ) für I , der zu maximalen Steuereinnahmen von + führt. I wünscht sich Quellenbesteuerung für D̄ Bei diskreter Wahl entscheidet sich K für die Quellenbesteuerung, wenn D̄ s ( 22 + 2 + 1) , und I , wenn D̄ (23 ) . In beiden Fällen liegen die kritischen Grenzen (für ? 2@3) höher als zuvor. Eine Einigung wie zuvor ist analog möglich. Proposition (4-9): Die Annahme, dass externe Anlagen auch auf die Steuersätze reagieren, führt zu keinen von den bisherigen Ergebnissen abweichenden Resultaten. Der Spielraum von K wird tendenziell aber eingeschränkt, weshalb die Steuersätze dieses Landes etwas tiefer sind als zuvor. Informationsaustausch seitens K wird beliebter. 108 4.6 Fazit Die Ausgangslage der hier behandelten Thematik ist denkbar einfach: Zwei gleich grosse Länder müssen sich über die Zinsertragsbesteuerung einigen, wobei sowohl Quellenbesteuerung als auch Informationsaustausch zur Auswahl stehen. Dass die relative Grösse der Staaten einen Einfluss auf diese Entscheidung hat, zeigten bereits Keen/Ligthart (2006). Ebenfalls folgt aus ihren Überlegungen, dass der vollständige Informationsaustausch optimal ist, um Steuerflucht ins Ausland zu vermeiden und die jeweiligen Steuereinnahmen zu maximieren, falls die beiden Länder gleich gross und identisch sind. Im Vordergrund des hier entwickelten Modells steht nun der Bankensektor eines Landes, der über höhere Anlagen aus dem Ausland verfügt und somit einen höheren relativen Stellenwert einnimmt. Wenn eines der beiden Länder über externe Anlagen aus Drittstaaten verfügt, so zeigt sich, dass diese Anlagen tatsächlich einen massgeblichen Einfluss auf das Verhandlungsergebnis bezüglich Zinsertragsbesteuerung besitzen. Unabhängig von der Systemwahl erhöhen externe Anlagen im davon profitierenden Land die Steuersätze auf ausländische Anlagen, was die grundsätzliche Ungleichbehandlung zwischen inländischen und ausländischen Anlagen verkleinert. Als Folge daraus nehmen die grenzüberschreitenden Kapitalflüsse zwischen den beiden Ländern ab. In Form von höheren Steuereinnahmen profitieren schliesslich beide Länder von den externen Anlagen. Lässt man teilweisen Informationsaustausch zu, so stellt sich heraus, dass beide Länder einen teilweisen Datenaustausch dem vollständigen vorziehen, wenn ein Land über eher tiefe Werte für die Drittstaatenanlagen verfügt. Je höher dieser externe Betrag ist, desto tiefer liegt der optimale Anteil an 109 übermittelten Daten. Ab einer kritischen Grenze für die externen Anlagen ist schliesslich auch der teilweise Austausch nicht mehr interessant, und beide Staaten präferieren die Quellenbesteuerung. Falls nur die diskrete Wahl zwischen Quellensteuer und vollständigem Datenaustausch besteht, so zeigt sich, dass mit, meistens aber ohne Pauschaltransfers stets eine Übereinkunft der beiden Länder möglich ist. Wiederum gilt: Wenn die externen Anlagen relativ gering sind, so resultiert Informationsaustausch, weil die zusätzlichen Steuererträge aus der Vermeidung inländischer Steuerflucht den Verlust an Steuersubstrat durch die ausländischen Anlagen übersteigen. Sobald die Drittstaaten jedoch relativ hohe Anlagen tätigen, lässt sich der Wegfall dieser Anlagen, verursacht durch die Aufhebung des Bankgeheimnisses, nicht mehr kompensieren, und die optimale Entscheidung fällt zugunsten der vollständigen Informationsverweigerung aus. Auch anhand der gemeinsamen Kooperationslösung wird ersichtlich, dass externe Anlagen einen massgeblichen Einfluss besitzen. Während ohne diese Kapitalien der vollständige Datenaustausch optimal und die Kooperationslösung stabil ist, führt die Existenz bereits geringster Drittstaatenanlagen dazu, dass Quellenbesteuerung resultiert, wodurch die Kooperationslösung instabil wird. Zusammenfassend lässt sich deshalb festhalten, dass die Auswirkungen von Drittstaatenanlagen auf die Verhandlungen und die Systemwahl zur Zinsertragsbesteuerung beachtlich sind. Unabhängig von der Grösse eines Landes hat dieses einen starken Anreiz, das Bankgeheimnis zu verteidigen und sich für die Quellenbesteuerung einzusetzen, falls in diesem Land hohe Drittstaatenanlagen angelegt sind. Betrachtet man das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU, so lässt sich feststellen, dass es nicht zwingend die von EU-Bürgern 110 getätigten Anlagen sind, welche der Schweiz einen starken Anreiz geben, das Bankgeheimnis und die Quellenbesteuerung zu wahren, sondern die hohen Anlagen aus Nicht-EU-Staaten, wobei im symmetrischen Fall beide — wenn auch ungleich — davon profitieren und sich einigen könnten. Diese Symmetrie existiert jedoch nicht. Eine kooperative Lösung mit beidseitigen Vorteilen ist deshalb nicht möglich, und die Haltung der Schweiz während den Verhandlungen bezüglich der Zinseinkommensbesteuerung kann nachvollzogen werden. Basierend auf dem in diesem Kapitel verwendeten Grundmodell beschäftigt sich Kapitel 5 nun näher mit der bisher ausgeblendeten Zinsspanne, welche in der Schweiz tief ist und nebst dem Bankgeheimnis einen weiteren wichtigen Bestandteil der internationalen Attraktivität des Schweizer Bankensektors darstellt. 111 112 5 Der Bankensektor und die Intermediationsspanne 5.1 Einleitung Zur Deckung der eigenen Kosten, der Risikoprämie und für Gewinnzwecke erheben Finanzintermediäre bekanntlich eine Zinsspanne zwischen Aktiv- und Passivzinssatz. Eine mögliche Definition dieser Zinsspanne findet sich in Demirgüç-Kunt/Laeven/Levine (2003): „Net interest margin equals interest income minus interest expense divided by interest-bearing assets”.141 Durch das Intermediationsgeschäft zeigen sich Banken zu einem grossen Teil für die Allokation des Kapitals in der Wirtschaft verantwortlich. Die von Finanzintermediären gesetzte Zinsspanne beeinflusst über die Zinssätze den Ertrag der Ersparnisse und der Investitionen. Es ist insofern anzunehmen, dass die Art und Weise der Allokation bzw. die E!zienz im Bankenwesen einen signifikanten Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung eines Landes besitzt, und es liegt nahe, die Dierenz von Aktiv- und Passivzinssatz, also den Zinsspread, als Indikator für die E!zienz eines Bankensektors respektive eines Landes zu interpretieren.142 Es ist jedoch auch davon auszugehen, dass die Höhe der Zinsspanne von weiteren Einflussfaktoren abhängt. Mit der Frage, wie die Höhe der Zinsspanne überhaupt zustande kommt und wovon sie abhängt bzw. wie sie auf Änderungen verschiedener Grössen 1 4 1 Demirgüç-Kunt/Laeven/Levine (2003), S. 7; siehe dazu auch Blattner/Gratzl/Kauf- mann (1996), S. 277 f. Es sind jedoch auch andere Definitionen denkbar, vgl. Bernanke (1983); Brock/Rojas-Suarez (2000); Brock/Franken (2002). 1 4 2 Für einen Überblick dazu siehe Levine (1997) und Pagano (1993) sowie ergänzend Jayaratne/Strahan (1996); Rajan/Zingales (1998); Beck/Levine/Loayza (2000). 113 wie Marktkonzentration, Besteuerung oder Reservevorschriften reagiert, haben sich zahlreiche Autoren befasst, jedoch praktisch ausschliesslich auf empirischer Ebene. Umstritten ist der Einfluss der Marktkonzentration im Bankensektor auf die Intermediationsspanne. Am verbreitetsten ist die Argumentation, wonach eine hohe Konzentration ein Hinweis für ine!ziente Strukturen sei.143 Genau gegensätzlich betrachten jedoch einige Autoren konzentrierte Marktverhältnisse als Indiz für e!zient arbeitende Banken, die durch ihre überdurchschnittliche E!zienz über die Jahre hinweg zu höheren Marktanteilen gelangten.144 Andere wiederum führen den mangelnden Wettbewerb unter Banken auf den Wunsch vieler Staaten zurück, über einen mächtigen und international stark auftretenden Bankensektor zu verfügen.145 Oensichtlich können in Bezug auf den Einfluss monopolähnlicher Strukturen auf die Zinsspanne keine klaren Aussagen gemacht werden. Daneben existiert jedoch eine Reihe weiterer Einflussfaktoren. Demirgüç-Kunt/Huizinga (1999) zeigen überzeugend, dass Unterschiede in Zinsspannen u.a. mit unterschiedlicher Besteuerung zusammenhängen. Auch Caminal (2002) sieht u.a. niedrige Besteuerung als Ursache für tendenziell tiefe Zinsspannen. DemirgüçKunt/Huizinga (1999) stellen fest, dass die Unternehmenssteuerbelastung mindestens teilweise auf die Bankkunden überwälzt wird. Nicht zu unterschätzen 1 4 3 Siehe beispielsweise Berger/Hannan (1998, 1989); Hannan/Berger (1991); Neu- mark/Sharpe (1992). Vergleiche zur Diskussion um die verschiedenen Ansichten auch Demirgüç-Kunt/Laeven/Levine (2003). 1 4 4 Siehe bsp. Demsetz (1973) oder Peltzman (1977). Auch Graddy/Kyle (1979) und Smirlock (1985) kommen zum Schluss, dass Zinsspannen bei konzentrierten Marktverhältnissen kleiner sind. Auf der anderen Seite erhalten andere Autoren wie bsp. Keeley/Zimmerman (1985) diesbezüglich gemischte Ergebnisse, siehe ergänzend auch Goldberg/Rai (1996) oder Lloyd-Williams/Moyneux/Thornton (1994). Ein weiterer Grund für eine hohe Konzentration im Bankensektor kann auch die Existenz eines natürlichen Monopols sein (Skaleneekte). 1 4 5 Siehe bsp. Engerman/Sokolo (1997) und Acemoglu/Johnson/Robinson (2001). 114 sind zudem die Auswirkungen von Reservevorschriften, welche oftmals als eigentliche Besteuerungsform verstanden werden. Banken sind durch Reserverestriktionen gezwungen, Einlagen zu verzinsen, die sie nicht als Kredite bzw. Darlehen an potenzielle Schuldner weiterverleihen dürfen. Insofern entgehen Finanzintermediären die entsprechenden Zinseinnahmen, während auf der anderen Seite die Einlagen trotzdem zum Passivzinssatz den Gläubigern verzinst werden müssen. Caminal (1997) erläutert, dass in vielen Ländern die Reservevorschriften die wichtigste Steuer im Bankensektor sei. Bereits Fama (1985, 1980) sowie James (1987) untersuchten den Einfluss von Reservevorschriften auf Bankeinlagen und gelangten zum Schluss, dass sich diese Restriktionen auf die Zinssätze auswirken. Ein weiterer Einflussfaktor dürften Restriktionen bezüglich des Markteintritts sein. Länder wie Deutschland, die Schweiz oder die USA verfügen typischerweise über geringe Marktzutrittsbarrieren im Bankensektor, sofern die notwendigen Auflagen (welche grundsätzlich ebenfalls Marktzutrittsbarrieren im eigentlichen Sinne sind) eingehalten werden. In Staaten wie Bangladesch, Kenia oder Thailand ist es jedoch praktisch unmöglich, in den Bankensektor einzusteigen.146 Gemäss Demirgüç-Kunt/Laeven/Levine (2003) spielt es jedoch keine Rolle, ob Banken von Inländern oder von Ausländern gehalten werden.147 Hingegen ist zu vermuten, dass Bankensysteme eher ine!zient und gegen aussen abgeschottet sind, je höher der Anteil des sich in staatlichem Besitz befindlichen Anteils ist.148 Auch Barth/Caprio/Levine (2004, 2001a,b) argumentieren, dass Bestimmungen zur Einschränkung der Bankaktivitäten einen erheblichen Einfluss auf die E!zienz von Banken haben können, indem 1 4 6 Demirgüç-Kunt/Laeven/Levine (2003), S. 13. allgemein Levine (2003) zum Einfluss ausländischer Banken. 1 4 8 Vgl. La Porta/Lopez-de-Silanes/Shleifer (2002). 1 4 7 Siehe 115 der Wettbewerb und die Economies of Scope reduziert werden. Ein Grossteil der Literatur erachtet eine hohe institutionelle Qualität eines Landes als wichtigen Faktor für hohe Wettbewerbsintensität und tiefe Zinsspannen.149 Auf der anderen Seite halten Bianco/Jappelli/Pagano (2001) diesen Eekt für unklar. Während zwar beispielsweise bessere Eigentumsrechte oder eine höhere Gerichtsbarkeit die Durchsetzbarkeit von Bankdarlehen verbessern und somit die Kosten der Finanzintermediation verringern, kann dadurch auch der Kreditmarkt für eher schlechte Schuldner geönet werden, was die Zinsmargin wieder steigen lässt. Demirgüç-Kunt/Huizinga (1999) weisen darauf hin, dass ausländische Banken in Entwicklungsländern höhere Margins und höhere Profite haben als einheimische Banken, während in Industriestaaten gerade das Gegenteil der Fall ist. Banken in Osteuropa (beispielsweise in Ungarn oder Russland) sowie teilweise in Lateinamerika (Argentinien, Brasilien, Peru) und Afrika (Nigeria, Sambia) legen grossen Wert auf gebührenbasierte Geschäfte. Unter anderem lässt sich ebenfalls erwähnen, dass die Nettogewinne von Banken, gemessen in Prozenten der gesamten Anlagen, in Entwicklungsländern tendenziell höher sind als in Industriestaaten. Wenn ausländische Banken in Entwicklungsländern höhere Margins, in Industriestaaten aber tiefere Margins setzen, so kann dies gemäss Demirgüç-Kunt/Huizinga (1999) unter Umständen dadurch erklärt werden, dass ausländische Banken einerseits technische Vorteile in Entwicklungsländern geniessen, andererseits aber allgemein Informationsdefizite im Vergleich zu inländischen Banken haben.150 Die Feststellung, dass aus1 4 9 Vgl. beispielsweise Acemoglu/Johnson/Robinson (2001); Easterly/Levine (2003); En- german/Sokolo (1997). 1 5 0 Siehe Claessens/Demirgüç-Kunt/Huizinga (2001) für eine ausführlichere Betrachtung der Unterschiede von in- und ausländischen Banken bezüglich der Zinsspanne. Die Autoren 116 ländische Banken weniger Steuern bezahlen als inländische, kann womöglich mit Unterschieden in der Besteuerung sowie mit der Möglichkeit der internationalen Verschiebung von Gewinnen erklärt werden. Bei ausländischen Banken wird ebenfalls ein relativ geringer Teil der Zinsspanne auf Provisionen bei Kreditausfällen verteilt, was mit der Ansicht konsistent ist, wonach sich ausländische Finanzintermediäre eher wenig mit dem Privatkundengeschäft befassen. Einige Autoren wie Levine (1996) und Walter/Gray (1983) betonen die Vorteile, welche der Eintritt ausländischer Banken für das Inland bringen kann (bessere Allokation der Ressourcen, höhere E!zienz usw.). Levine (1996) ist zudem der Ansicht, dass ausländische Banken unter Umständen die Qualität und Verfügbarkeit von Finanzdienstleistungen durch stärkeren Wettbewerb verbessern, moderneres Wissen, Fähigkeiten und Technologie bringen und den Zugang eines Landes zu internationalem Kapital fördern können. Ein weiterer Einflussfaktor ist die Inflation. Demirgüç-Kunt/Laeven/Levine (2003) zeigen, dass die Inflation die Intermediationsspanne erhöht. Boyd/ Levine/Smith (2001) argumentieren, dass Länder mit hoher Inflation ein unterentwickeltes Finanzsystem und einen ebensolchen Bankensektor aufweisen. Der Bankensektor wurde nicht nur in der empirischen Literatur eingehend behandelt. In seiner grundlegenden Arbeit „A Theory of the Banking Firm” entwickelt Klein (1971) ein Bankenmodell. Unter anderem hält er fest, dass jedes Bankenmodell aufgrund der Komplexität relativ abstrakt sein müsse, dass Banken hauptsächlich Einlagen von Wirtschaftssubjekten entgegennehmen, die Überschüsse erzielen, und diese an solche weiterverleihen, welche Defizite schreiben, dass Banken die Administratoren der Zahlungen eines Landes sind und deshalb den Preis festlegen, der nötig ist, um diesen Service zu erbrinbefassen sich ausserdem mit der Frage, wie Zinsspannen und inländische Banken durch den Markteintritt ausländischer Banken beeinflusst werden. 117 gen, und dass deshalb eine ökonomische Bankentheorie den Prozess erklären müsse, der zur Festlegung dieses Preises führe. Insgesamt stellt Kleins Modell stark auf die Verknüpfung mit dem Einlagen- und Kreditmarkt ab, wobei die Produktion der Bankdienstleistungen von den Inputfaktoren Arbeit und Kapital abhängt und konkret eine Cobb-Douglas-Produktionsfunktion unterstellt wird. Monti (1972) entwickelte das Modell geringfügig weiter, und Miller (1975) fügte später Reservevorschriften in Kleins Modell ein. Basierend auf der allmählich wachsenden Erkenntnis, dass Banken eine Vielzahl von Aufgaben wahrnehmen, wie dies auch in Kapitel 3.1 gezeigt wurde, haben sich in der Folge unterschiedliche Ansätze der Bankenmodellierung ergeben. Baltensperger (1980) und Santomero (1984) stellen einen nach den verschiedenen Aspekten des Bankensektors geordneten Überblick über verschiedene Ansätze der Bankenmodellierung dar.151 Ein erster Modelltyp beschäftigt sich schwergewichtig mit Risiko- und Informationsüberlegungen und betrachtet Banken als Unternehmen, die unteilbare und risikobehaftete Anlagen transformieren in solche mit geringer Höhe und tiefem bzw. keinem Risiko. Dabei wird oftmals die Annahme getroen, dass Banken als monopolistische Preissetzer im Anlagen und Kreditmarkt tätig sein können, wobei gemäss Baltensperger (1980) das von Klein (1971) und in der Folge von Monti (1972) entwickelte Modell zusammenbreche, wenn es sich bei der Bank nicht um einen Monopolisten, sondern um einen im Wettbewerb agierenden Preisnehmer handle. Ein zweiter Modelltyp modelliert explizit Unternehmen und Investoren. Diamond (1984) zeigt beispielsweise in einem Modell mit asymmetrischer Information, dass Banken ihre Schuldner e!zienter überwachen und dadurch zu tieferen Kosten als Einzelne ein Anlagenportfolio bereitstel1 5 1 Siehe auch Bhattacharya/Thakor (1993); Eichberger/Harper (1997), S. 221 f. sowie allgemein Freixas/Rochet (1997). 118 len können, was allgemein als „delegated monitoring” bezeichnet wird. Ein dritter Modelltyp bezieht sich auf Liquiditätsaspekte von Bankeinlagen. Diamond/Dybvig (1983) befassen sich mit einem Bankenmodell mit illiquiden Anlagen und einem unsicheren zeitlichen Anfall von Konsum- bzw. Liquiditätswünschen. Bankeinlagen werden dabei typischerweise als Versicherungsinstrumente gegenüber Unsicherheiten des Konsums betrachtet.152 Einige erwähnenswerte Überlegungen zur Modellierung von Banken macht Caminal (2002). Die Höhe der Anlagen ist exogen gewählt, auf Risikodiversifizierung wird verzichtet. Caminal behandelt unterschiedliche Marktzustände, indem er zunächst den Fall vollständigen Wettbewerbs unterstellt, in dem keine Gewinne bestehen, und in einem zweiten Schritt den Fall betrachtet, in dem Banken sich in einem nichtkompetitiven Umfeld mit Marktmacht befinden. Caminal folgert, dass die Zinsspanne dann eher klein ist, wenn die Intermediationskosten tief, die Besteuerung des Bankensektors tief und die Monopolmacht gering sind, wobei er keine explizite Zinsspanne modelliert. Die bestehenden Ansätze zur Modellierung von Banken und Bankensektoren sind vielfältig und verfolgen teilweise stark unterschiedliche Zielsetzungen. Im Vordergrund stehen praktisch ausschliesslich Risiko-, Liquiditäts- und Informationsaspekte. Während sich in der empirischen Literatur eine breite Diskussion zu den Determinanten der Intermediationsspanne ergeben hat, ist gerade die explizite und geeignete Modellierung der Intermediation bzw. der Intermediationsspanne, an der sich die empirischen Resultate allenfalls 1 5 2 Neben den erwähnten Risiko-, Informations-, Transformations-, Monitoring- und Liqui- ditätsaspekten sei auch auf weitere wie die Kreditrationierung (Stiglitz/Weiss, 1981), die Bankregulation (Dewatripont/Tirole, 1999), das Relationship Banking (Petersen/Rajan, 1995) sowie auf den zu Beginn angesprochenen Zusammenhang mit dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum (Levine, 1997; Pagano, 1993) hingewiesen. 119 auch theoretisch fundieren liessen, bisher nicht erfolgt. Zwar sehen Huizinga/Nielsen (2003), basierend auf dem in Kapitel 4 verwendeten Grundmodell, die explizite Modellierung eines Bankensektors inklusive Berücksichtigung einer Zinsspanne vor, die Zinsspanne wird aber weder separat betrachtet noch endogenisiert, da der Fokus wie in Kapitel 4 auf Fragen zur Quellenbesteuerung und zum Informationsaustausch liegt. Österreich Deutschland Japan Grossbritannien USA Schweiz Zinsspanne 2.16 2.66 2.07 2.98 4.34 1.75 Bankkonzentration 0.44 0.32 0.27 0.47 0.20 0.77 Daten für Zinsspannen und Marktanteile gemäss Durchschnitt der Jahre 1995-1999. Daten für Bankkonzentration stammen aus dem Jahre 1999. Quelle: Demirgüç-Kunt/Laeven/Levine (2003), S. 34 ff. Tab. 5-1: Zinsspanne und Bankkonzentration im internationalen Vergleich Tab. 5-1 zeigt einen internationalen Vergleich der Zinsspannen und Marktkonzentrationen im Bankensektor. Oenbar trit die in Kapitel 3.2 gemachte Schlussfolgerung zu, wonach in der Schweiz aufgrund der Dominanz der beiden Grossbanken von einem eher konzentrierten Bankensektor auszugehen sei. Diese Konzentration des Schweizer Bankensektors, welche international einen Spitzenwert erreicht, ist gemäss Tab. 5-1 gepaart mit der insgesamt tiefsten Zinsspanne im Ländervergleich. Um den Einfluss verschiedener Determinanten auf die Zinsspanne zu untersuchen, soll nachfolgend eine geeignete Implementierung des Intermediationsgeschäfts mit expliziter Berücksichtigung einer endogenen Zinsspanne in ein theoretisches Modell erfolgen. Da der Fokus auf der bisher in der Literatur ausgeblendeten Zinsspanne und dem Interme120 diationsgeschäft liegt, können die oben erwähnten Risiko-, Informations- und Liquiditätsüberlegungen grundsätzlich ausgeblendet werden. Als Basis für die Modellierung bietet sich deshalb das in Kapitel 4 verwendete Zwei-LänderModell an. Damit können zahlreiche interessante Fragestellungen verfolgt werden. Zum Einen ist zu vermuten, dass der hohe Stellenwert des Schweizer Bankensektors auch mit der tiefen Zinsspanne zusammenhängt, was ein geeignetes Modell abbilden können sollte. Zum Andern stellt sich allgemein die Frage, welche Gründe für die tiefe Zinsspanne des Schweizer Bankensektors aufgeführt werden können und wie sich die in der empirischen Literatur besprochenen Determinanten auf die Zinsspanne auswirken. Zu diesem Zwecke führt Kapitel 5.2 zunächst den Bankensektor und die Zinsspanne ins bekannte Zwei-Länder-Modell aus Kapitel 4 ein. Nach der Betrachtung der kooperativen Lösung in Kapitel 5.3 werden in Kapitel 5.4 verschiedene ausgewählte Einflussfaktoren betrachtet, darunter die Auswirkungen von Gewinnsteuern und — besonders aktuell — von Reserverestriktionen sowie der Einfluss der Marktkonzentration auf die Intermediationsspanne und die gesamte Volkswirtschaft. Kapitel 5.5 kalibriert das Modell anhand realer Zahlen, um die konkreten Auswirkungen verschiedener Szenarien zu quantifizieren, wobei sich eine kurze Sensitivitätsanalyse mit der Robustheit der Modellierung beschäftigt. Ein kurzes Fazit rundet schliesslich die Erkenntnisse ab. 5.2 Das Modell Das in Kapitel 4.2 präsentierte Modell dient als Grundlage für die Implementierung der Zinsspanne und des Bankensektors. Die beiden gleich grossen Länder, welche dieselbe Anzahl Haushalte aufweisen, seien wiederum mit den 121 Kürzeln l = {K> I } wiedergegeben. Jeder Haushalt verfügt genau über eine Einheit Geld, die er in einem der beiden Länder anlegen kann, wobei die Haushalte wieder wie in Gros (1990) gemäss ihrer Entfernung zur Grenze indexiert seien. Die Entfernung zur Grenze ist gleichverteilt zwischen 0 und 1, d.h. vl = [0> 1]. Während die Anlage von Geldern im eigenen Land keine (Transaktions-)Kosten verursacht, entstehen solche bei einer Investition im Ausland. Die Kosten vl steigen proportional mit der Entfernung vl zur Landesgrenze an. Ausländische Anlagen werden dem Heimatstaat des Anlegers nicht gemeldet. Der von ausländischen Anlegern profitierende Staat kennt das Wohnsitzland sämtlicher Investoren und kann ausländisches und inländisches Kapital unterscheiden bzw. separat besteuern. Der Steuersatz A 0 wird sowohl von K als auch von I auf die Erträge der Anlagen der Inländer im Inland angewandt, während Ausländer mit dem Quellensteuersatz wl 0 belastet werden. Bei beiden Ländern handelt es sich um Leviathan-Staaten, die über wl ihr jeweiliges Steueraufkommen maxi- mieren und sich die Kapitalflucht zunutze machen wollen. Arbeitseinkommen werden zur Vereinfachung weiterhin ausgeblendet. Die bisher benutzte Bruttorendite auf alle Anlagen wird nun aufgeteilt in den Weltmarktzinssatz l und die Zinsmargin fl des jeweiligen Landes, = l fl . Da nicht Liquiditäts- und Risikoüberlegungen im Vordergrund stehen, sondern die Zinsspanne, kann auf eine explizite Modellierung eines Anlage- und Kreditmarkts verzichtet werden. Haushalte in K und I verfügen über eine Einheitsanlage, die sie über Banken entweder im In- oder im Ausland anlegen können. Die Anlage dieser Kapitalien ist mit Intermediationskosten fl verbunden, welche der jeweilige Bankensektor von seinen Anlegern 122 verlangt.153 In Anlehnung an Klein (1971) sind Banken somit die Administratoren des Zahlungssystems eines Landes und legen den Preis fest, der nötig ist, um diesen Service zu erbringen. Ob ein Haushalt im Inland oder im Ausland investiert, hängt von den Kosten der Anlage und der Besteuerung ab. Ein K-Haushalt investiert im Ausland, wenn l fI wI vK l fK , d.h., wenn die Nettorendite im Inland (Zinssatz abzüglich inländische Margin und abzüglich Steuern) kleiner ist als im Ausland (Zinssatz abzüglich ausländische Margin, Quellensteuern und Kosten der Kapitalflucht). Analog entscheidet sich ein I -Haushalt nur dann, in K sein Kapital anzulegen, wenn l fK wK vI l fI . Für einen Teil der Haushalte lohnt sich die Kapitalflucht oensichtlich, wI + fK fI > wK + fI fK = vbI = vbK = (5-1) Beide Leviathan-Staaten sind somit um die Maximierung ihrer Steuereinnahmen UK = (1 vbK ) + wK vbI > (5-2) UI = (1 vbI ) + wI vbK bemüht. Die beiden Steueraufkommen setzen sich jeweils zusammen aus der Besteuerung der inländischen Haushalte, deren Anlagen im Inland verbleiben (erster Term), und den Einnahmen aus der Quellenbesteuerung der ausländischen Haushalte im Inland (zweiter Term). Mit (5-1) und 1 5 3 Die CUl Cwl = 0 folgen Annahme eines Weltmarktzinssatzes l hat zur Folge, dass Anleger die Interme- diationskosten vollständig tragen. In der Realität ist davon auszugehen, dass sich Anleger und Schuldner die Zinsspanne teilen, so dass der „wahre” Zinssatz weder dem Aktiv- noch dem Passivzinssatz entspricht, sondern — in Abhängigkeit von den jeweiligen Elastizitäten der Kreditnachfrage und des Kreditangebots — irgendwo zwischen diesen beiden zu liegen kommt. 123 schliesslich die optimalen Steuersätze für beide Länder, + fI fK > 2 + f f K I wI = > 2 wK = (5-3) und die ins Ausland ausweichenden Haushalte betragen gemäss (5-1) und (53) + fK fI > 2 (5-4) f + f I K vbI = = 2 Aus Gleichung (5-4) lässt sich schliessen, dass der Anteil der ins Ausland vbK = ausweichenden Haushalte steigt, wenn Banken im Inland höhere Zinsmargins verlangen als das Ausland und umgekehrt. Gleichung (5-3) zeigt in umgekehrter Weise, dass das Inland gerade dann höhere Steuern auf die Anlagen von Ausländern verlangen kann, wenn die inländischen Bankdienstleistungen günstiger sind als diejenigen im Ausland et vice versa. Besteht in einem Land also aus irgendwelchen Gründen ein Standortvorteil aufgrund günstigerer Bankdienstleistungen, hat dieses einen grösseren Spielraum in der Festsetzung des Steuersatzes auf ausländisches Kapital. Proposition (5-1): Ist es dem Bankensektor eines Landes möglich, die Intermediation von Anlagen günstiger anzubieten bzw. eine kleinere Zinsspanne zu verlangen als Banken anderer Länder, so verfügt der entsprechende Staat nach oben über einen grösseren Gestaltungsfreiraum bei der Festsetzung des Quellensteuersatzes auf ausländisches Kapital. Oensichtlich besitzen landesspezifische Bankeigenheiten einen relativ hohen Einfluss auf die Allokation der Einlagen zwischen K und I . Je günstiger der inländische Bankensektor seine Dienstleistungen, also die Entgegennahme 124 und Weiterverleihung von Einlagen, anbieten kann, desto attraktiver ist dieser für ausländische Anleger. Nun soll der Bankensektor etwas näher betrachtet werden. Ohne Belastung durch die später implementierte Gewinnbesteuerung können die Gewinne der Banken dargestellt werden als EK = (1 vbK + vbI )(fK )> EI = (1 vbI + vbK )(fI )= (5-5) repräsentiere die internen (Grenz-)Kosten der Banken, eine Einheit Kapital entgegenzunehmen und auf dem Weltmarkt anzulegen, und lässt sich folglich interpretieren als Inputkosten der Kapitalvermittlung.154 Banken nehmen sowohl die im Inland verbleibenden Anlagen als auch die vom Ausland ins Inland fliessenden Kapitalien entgegen, legen diese zum Weltmarktzinssatz l an und verlangen für diese Intermediation bei den Haushalten den Zinsspread fl .155 Die Dierenz aus Zinsspread und internen Kosten, multipliziert mit den totalen Anlagen, ergibt somit den Gewinn El des jeweiligen Bankensektors. Analog zu den Staaten sind auch Banken um die Maximierung ihrer Gewinne bemüht, wobei gerade ein monopolistischer Bankensektor unterstellt wird.156 Setzt man (5-4) in (5-5) ein, so erhält man beispielsweise für K den Bankge1 5 4 Auf die Berücksichtigung von Fixkosten wird verzichtet. In einem ersten Schritt sollen die Inputkosten in beiden Ländern gleich und unveränderlich sein. Es wird sich zeigen, dass die Berücksichtigung unterschiedlicher Inputkosten zweier Länder in Kapitel 5.4.2 sowie die Szenarienanalyse interessante Schlussfolgerungen zulassen. 1 5 5 Hinter dieser Aussage steht die Tatsache, dass die Höhe der gesamten Anlagen beider Länder insgesamt fix ist, und damit verbunden die implizite Annahme, dass Banken sämtliche Anlagen zur Weitervermittlung entgegennehmen, welche ihnen angeboten werden, wobei sie ihre eigene Attraktivität über den Preis fl der Intermediation steuern können. Siehe dazu auch Caminal (2002) oder Baltensperger (1980). 1 5 6 Vgl. Caminal (2002); Baltensperger (1980). Auch Abb. 5-1 und die Ausführungen in Kapitel 3.2 zeigten, dass besonders in der Schweiz von einer eher monopolistischen Struktur 125 K winn EK = (1 + fI f )(fK ).157 Die Erhöhung der Zinsmargin fK steigert zwar den Gewinn fK pro Kapitaleinheit (Einkommenseekt), verringert K aber die insgesamt in K angelegten Kapitalien 1+ fI f (Substitutionseekt). Abb. 5-1 illustriert dieses Maximierungsproblem für Land K. Die Maximierung in (5-5), CEl Cfl = 0, unter Berücksichtigung von (5-4), führt schliesslich zu den beiden in Abb. 5-2 abgebildeten Reaktionsfunktionen fK = fI ++ 2 und fI = fK ++ , 2 welche die jeweils optimale Reaktion des einen Zinsspreads auf die Höhe des andern zeigen. Der Schnittpunkt beider Reaktionsfunktionen widerspiegelt in bekannter Weise das stabile NashGleichgewicht fl = + = (5-6) Um seinen Gewinn zu maximieren, wählt der Bankensektor eine Zinsspanne, die um über den Grenzkosten liegt. Die Bankengewinne betragen nun konkret in beiden Ländern El = = (5-7) Oenbar profitiert der Bankensektor direkt von den für private Haushalte bestehenden Transaktionskosten. Je höher diese sind, desto weniger Haushalte weichen ins Ausland aus und desto grösser sind die Bankgewinne. auszugehen ist. Die Monopolstellung bezieht sich vorliegend aufgrund des fixen Weltmarktzinssatzes jedoch nur auf das Kreditangebot. 1 5 7 Die Abfolge des Modells ist somit zweistufig. Zunächst werden die optimalen Quellensteuersätze der beiden Staaten in Abhängigkeit der Zinsspannen bestimmt, und in der Folge setzen die beiden Bankensektoren ihre Intermediationsspannen fest. 126 BH 0 µ δ +µ cH Abb. 5-1: Maximierung monopolistischer Bankgewinne Da die Zinsmargins beider Bankensektoren identisch sind, erhält man aus (5-4) den Anteil der jeweils ausweichenden Haushaltsanlagen vbl = > 2 (5-8) 2 (5-9) aus (5-3) die optimalen Steuersätze wl = und aus (5-2), (5-8) und (5-9) die maximalen Steuereinnahmen Ul = 2 = 4 (5-10) Um für ausländische Anleger attraktiv zu sein, wählen beide Länder einen Steuersatz auf ausländisches Kapital, der bedeutend unter demjenigen für einheimische Anlagen liegt. 127 cH cF (c H ) cH ( cF ) δ +µ δ +µ 2 δ +µ δ+µ cF 2 Abb. 5-2: Reaktionsfunktionen im Bankensektor Während in Kapitel 4 Überlegungen zur Quellenbesteuerung und zum Informationsaustausch anhand der Maximierung der jeweiligen Steuereinnahmen im Vordergrund standen, soll die Betrachtungsweise nun auf die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt ausgeweitet werden. Durch den expliziten Einbezug des Bankensektors können dessen Gewinne berechnet werden, welche neben den Staatseinnahmen einen weiteren Teil zur gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt beisteuern. Hinzu kommt die Wohlfahrt der Haushalte, die sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt: b v2K > 2 b v2I vI = KI = l ( + fI )(1 vbI ) (wK + fK )b 2 KK = l ( + fK )(1 vbK ) (wI + fI )b vK (5-11) In Abwesenheit von Arbeitseinkommen und Arbeitsmärkten besteht die Wohlfahrt der Haushalte ausschliesslich aus den Kapitaleinkommen l abzüglich Intermediations- und Transaktionskosten. Der zweite Term in (5-11) wider128 spiegelt die Anlagekosten der im Inland verbliebenen Haushalte 1b vl , die sich zusammensetzen aus der Besteuerung und der Zinsmargin. Der dritte Term zeigt umgekehrt die Anlagekosten der ins Ausland ausweichenden Haushalte, welche der Quellensteuer wl unterliegen. Der letzte Term gibt die Summe der v e Rl Transaktionskosten der ins Ausland ausweichenden Haushalte wieder, vl 0 gvl = e v2l 2 , vergleiche Abb. 5-3. δ si 0 sˆi 1 si Abb. 5-3: Transaktionskosten der Haushalte Der Bankensektor benutzt bekanntlich Inputfaktoren zur „Produktion” bzw. zur Gewährleistung der Kapitalvermittlung. Obwohl in der Realität Kosten der Intermediation bestehen, könnte das Modell grundsätzlich auch auf die Berücksichtigung von verzichten. Es wird sich aber zeigen, dass v.a. die nachfolgende Betrachtung unterschiedlicher Inputkosten zweier Länder in Kapitel 5.4.2 sowie die entsprechende Szenarienanalyse in Kapitel 5.5 interessante Erkenntnisse zulässt, die ohne diese Inputkosten nicht möglich wären. Betrachtet man die bankinternen Kosten der Intermediation als solche In129 puts bzw. als Vorleistungen158 , so dürfen die Inputkosten des Bankensektors nicht negativ in die Berechnungen zur gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt einfliessen, da diesen Kosten auch entsprechende Einnahmen des Vorleistungssektors gegenüberstehen. Um das Ganze nicht unnötig zu erschweren, wird nachfolgend deshalb davon ausgegangen, dass die Inputs in einem sogenannten Vorleistungssektor aus dem eigenen Land beschat werden, der seinerseits keine Vorleistungen bezieht. Den Inputkosten stehen dann gemäss (5-5) die entsprechenden Einnahmen YK = (1 vbK + vbI ) bzw. YI = (1 vbI + vbK ) aus dem Inputsektor gegenüber, welche ebenfalls in die Wohlfahrtsanalyse einfliessen. Zusammengefasst setzt sich die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt eines Landes somit wie folgt zusammen: Zl = Ul + El + Kl + Yl = (5-12) Aus (5-6), (5-8), (5-9) und (5-11) folgt die Wohlfahrt der Haushalte, Kl = l + 2 > 8 (5-13) und schliesslich mit (5-7), (5-10), (5-13) sowie den Erträgen Yl = des Vorleistungssektors die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt Zl = l 2 = 8 (5-14) Würde man gemäss Steuerinzidenzlehre159 davon ausgehen, dass Bankgewinne, Staatseinnahmen und Erträge aus dem Vorleistungssektor letzten Endes immer nur den privaten Haushalten zukommen, so kann die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt in (5-14) als Resultat dieser Steuerinzidenzlehre interpretiert 1 5 8 Büromaterial, Gebäudekosten usw., siehe die Ausführungen zu den Vorleistungen in Kapitel 3.4. 1 5 9 Vgl. auch die Ausführungen in Kapitel 3.4.1. 130 werden. Die Haushaltswohlfahrt in (5-13) zeigt denn auch deutlich, dass den Bankgewinnen El = , den Einnahmen Yl = des Vorleistungssektors sowie dem Steueraufkommen in (5-10) entsprechende Kosten der Haushalte gegenüberstehen. Schliesslich sind es ausschliesslich die durch die Besteuerung verursachten Kosten der Kapitalflucht ins Ausland, e v2l 2 = 2 8 gemäss (5-8) und (5-11), welche die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt mindern. Die Monopolstellung des Bankensektors verringert über hohe Intermediationskosten zwar die direkte Haushaltswohlfahrt in (5-11) bzw. (5-13), auf die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt vermag sie sich jedoch nicht auszuwirken. 5.3 Kooperative Lösung Setzen sich die Regierungen beider Staaten zusammen, um die gemeinsamen Steuereinnahmen UK + UI zu maximieren, so folgen aus UK + UI = (2 vbK vbI ) + wK vbI + wI vbK gemäss (5-2) unter Berücksichtigung von (5-1) die optimalen Steuersätze fI fK > 2 (5-15) f f K I wI = + > 2 welche im Vergleich zu denjenigen in (5-3) in beiden Ländern höher liegen wK = + und bei identischen Zinsspreads gerade doppelt so hoch sind, wl = . Die ins Ausland ausweichenden Anteile betragen folglich fK fI > 2 fI fK vbI = = 2 vbK = (5-16) Bei gleichen Zinsmargins, fK = fI , weichen keine Haushalte mehr ins Ausland aus, vbl = 0, weil die Steuersätze in beiden Ländern gerade so hoch gesetzt sind, dass sich Kapitalflucht nicht mehr lohnt. 131 Nunmehr lassen sich auch die Gewinne der Finanzintermediäre berechnen. Aus (5-5) und (5-16) erhält man wie zuvor die beiden Reaktionsfunktionen fK = fl fI ++ 2 und fI = fK ++ 2 sowie schliesslich die Optimalitätsbedingung = + in (5-6). Es findet somit — wie aufgrund der Symmetrie des Modells vermutet — keine Kapitalflucht ins Ausland mehr statt, so dass der jeweilige Bankensektor sämtliche Anlagen der Inländer entgegennimmt und wie zuvor in (5-7) Bankgewinne in Höhe von El = erwirtschaftet. Während ohne Absprache der beiden Länder die Steuereinnahmen nach 2 Gleichung (5-10) nur Ul = 4 betragen würden, ermöglicht die koordinier- te Besteuerung gemäss (5-2) nun höhere Steuereinnahmen, Ul = . Berücksichtigt man ebenfalls die unveränderten Erträge aus dem Vorleistungssektor, Yl = , sowie die Wohlfahrt der Haushalte, Kl = l gemäss (511), welche im Vergleich zu (5-13) um 2 8 tiefer als zuvor ist, erhält man die maximale gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt Zl = l= (5-17) Die Steuer auf ausländische Anlagen ist doppelt so hoch wie zuvor und hat den Charakter einer „Abwehrsteuer”, indem sie Steuerflucht gerade unrentabel macht und vollständig verhindert. Die Besteuerung ausländischer Anlagen zum Steuersatz wl = führt darüber hinaus dazu, dass sämtliche Kapitalien in gleicher Weise und mit demselben Steuersatz belastet werden, was die steuerliche Bevorzugung ausländischer Anlagen und die analoge Diskriminierung inländischer Kapitalien aufhebt. Der Bankensektor ist davon nicht betroen und setzt dieselben Zinsspreads wie ohne Koordination der beiden Staaten. Die Wohlfahrt der Haushalte sinkt zugunsten des Staates, da die zuvor v.a. für Haushalte mit tiefen Transaktionskosten lukrative Besteuerung von Kapitalien im Ausland dahinfällt. 132 Wie üblich handelt es sich bei dieser kooperativen Lösung mit abschreckend hohen Steuersätzen um kein stabiles Gleichgewicht. Ohne bindende Restriktionen, welche beide Länder dazu zwingen würden, sich an die vereinbarten Steuersätze wl = zu halten, besteht für beide Länder ein starker Anreiz, den eigenen Quellensteuersatz zu senken, um ausländisches Kapital anzuwerben. Hält sich K an den vereinbarten Steuersatz wK = , so setzt I aufgrund der Maximierung seiner Steuereinnahmen in (5-2) gemäss (53) den Steuersatz wI = vbK = +fK fI 2 +fK fI 2 . Während dadurch in Land K der Anteil der Haushalte ins steuergünstigere Ausland ausweicht, be- K trägt dieser Anteil in I nur noch gerade vbI = fI f . Damit lassen sich mit ¡ 2 3fK +3fI ¢ (5-5) auch die Bankgewinne berechnen, EK = (fK ) sowie 2 ¡ 2+ 3fI +3fK ¢ EI = (fI ), welche in I erwartungsgemäss höher sind, da 2 in diesem Land aufgrund der niedrigeren Besteuerung mehr Kapitalien angeCEl Cfl = 0 2+ +3fK +3 6 2 +3fI +3 6 legt werden. Aus folgen die Reaktionsfunktionen fK = sowie fI = und schliesslich die Optimalwerte fK = + 6 9 bzw. fI = + 6+ 9 . Die ungleiche Behandlung ausländischer Kapitalien in K und I führt somit dazu, dass Bankdienstleistungen in K günstiger angeboten werden (müssen) als in I , fK ? fI . Der Bankensektor in K wirkt der Kapitalflucht mit einer tieferen Zinsmargin entgegen. Umgekehrt können es sich Banken in I aufgrund des Steuervorteils erlauben, höhere Zinsspreads zu ver langen. Die Bankgewinne betragen EK = Anteile ausweichender Haushalte vbK = ( 6)2 54 7 18 und EI = bzw. vbI = 4 18 . ( +6)2 54 und die Die günstigeren Bankdienstleistungen in K machen es für einen geringen Teil der I -Haushalte somit noch rentabel, trotz der höheren Besteuerung ins Ausland auszuweichen. Der Steuersatz in I reagiert auf die höheren Kosten der Kapitalvermittlung im eigenen Land und beträgt nur noch wI = 7 18 . Schliesslich lassen sich die Steuereinnahmen der beiden Länder gemäss (5-2) berechnen, UK = 133 2 6 und UI = 23 2 324 . Sowohl die Gewinne der Banken wie auch die Steuer- einnahmen sind in I höher. Dasselbe gilt auch für die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt, ZI = l + ZI ZK = 11 3 + 2 9 6 + + 9 29 2 648 2 36 im Vergleich zu ZK = l 6 9 47 2 648 , A 0. Es ist zu erwarten, dass K auf die tieferen Steuern in I reagiert und gemäss (5-3) versucht, die eigenen Steuereinnahmen zu maximieren. Nach Abschluss aller Anpassungsvorgänge werden sich die beiden Staaten im langfristigen Nash-Gleichgewicht mit tieferen Quellensteuersätzen, geringeren Steuereinnahmen und insgesamt tieferer Wohlfahrt einfinden, wie dies Abb. 5-2 illustriert. 5.4 Ausgewählte Erweiterungen Das eben entwickelte Modell soll nun um vier ausgewählte Einflussfaktoren ergänzt werden. Zunächst stehen die Auswirkungen der Einführung einer Gewinnsteuer im Bankensektor auf die Zinsintermediation und die gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrten im Vordergrund. In der Folge werden E!zienzunterschiede in den Bankensektoren zweier Länder sowie die Auswirkungen unterschiedlicher Wettbewerbsgrade bei Banken betrachtet. Den Abschluss bildet die Implementierung von Reserverestriktionen, mit welcher in der Realität und besonders angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise oftmals eine höhere institutionelle Sicherheit angestrebt wird. 5.4.1 Gewinnsteuer im Bankensektor Sowohl die Banken in Land K als auch diejenigen in I erwirtschaften Gewinne, wie Gleichung (5-7) zeigt. Wenn beide Staaten mit einer Unternehmensge134 winnsteuer 0 E 1 auf die Gewinne im Bankensektor zugreifen möchten, lassen sich die Steuereinnahmen — basierend auf (5-2) und (5-5) — schreiben als UK = (1 vbK ) + wK vbI + E (1 vbK + vbI )(fK )> UI = (1 vbI ) + wI vbK + E (1 vbI + vbK )(fI )> (5-18) wobei der letzte Term die Besteuerung der Bankgewinne wiedergibt. Der Gewinnsteuersatz E sei in beiden Staaten derselbe und exogen. Die Maximierung der Steuereinnahmen über die Steuersätze auf ausländische Kapitalien, CUl Cwl = 0, führt unter Berücksichtigung von (5-1) zu den optimalen Quellen- steuersätzen fI fK E (fK ) + > 2 2 (5-19) f f (f ) K I E I wI = + = 2 2 Anhand von Gleichung (5-19) wird ersichtlich, dass sich die Gewinnsteuer wK = auf die optimalen Steuersätze auf Erträge ausländischer Kapitalien auswirkt, indem sie diese tendenziell verringert. Die ins Ausland ausweichenden Anteile der Haushalte betragen + fK fI + E (fI ) > 2 + fI fK + E (fK ) vbI = 2 vbK = (5-20) und sind höher als ohne Gewinnbesteuerung. Der Bankensektor wird neu mit einer Gewinnsteuer belastet, weshalb (55) geringfügig angepasst werden muss, um die Bankgewinne nach Steuern korrekt wiederzugeben: EK = (1 E )(1 vbK + vbI )(fK )> EI = (1 E )(1 vbI + vbK )(fI )= (5-21) Aus (5-20) und (5-21) lassen sich wiederum die beiden Reaktionsfunktionen fK = fI + 2 + 2 E und fI = fK + 2 + 135 2 E und schliesslich die optimalen Zinsspreads fl = + 2 2 E (5-22) berechnen. Ohne Gewinnbesteuerung, E = 0, wären (5-22) und (5-6) identisch. Die Einführung der Gewinnsteuer im Bankensektor veranlasst Banken dazu, höhere Intermediationsspannen zu verlangen, Cf l C E = 2 (2 E )2 A 0. Die Bankengewinne betragen nun El = 2(1 E ) = 2 E (5-23) Der Einfluss der Gewinnbesteuerung auf die Gewinne der Banken ist negativ, CEl C E 2 = (2 2 ? 0, d.h. die Besteuerung der Gewinne schmälert die E) Nettogewinne (nach Steuern) trotz der Reaktion der Banken mittels höherer Zinsmargen. Nun lassen sich auch die übrigen Grössen berechnen. Der Anteil der ins Ausland ausweichenden Haushalte beträgt vbl = E > + 2 2 E (5-24) und die Steuersätze lassen sich schreiben als wl = Aus (5-24) folgt Ce v l C E = 2 (2 E )2 E = 2 2 E (5-25) A 0. Die Gewinnbesteuerung führt also dazu, dass der Anteil ins Ausland ausweichender Haushalte ansteigt. Proposition (5-2): Die Einführung bzw. Erhöhung der Gewinnsteuer veranlasst den Bankensektor dazu, höhere Zinsspreads zu verlangen. Der Einfluss der Gewinnsteuer auf die Bankengewinne bleibt jedoch trotz dieser Anpassung negativ. Die Steuerbelastung wird somit mindestens teilweise auf die Bankkunden überwälzt. Durch die tieferen Quellensteuersätze steigt der Anteil der ins 136 Ausland ausweichenden Anlagen. Gewinnbesteuerung im Bankensektor fördert folglich die Kapitalflucht. Der Grund für die Kapitalflucht liegt in den tieferen Steuersätzen wl auf Kapitalien aus dem Ausland, Cw l C E 2 = (2 2 ? 0. Da der Staat an den GeE) winnen der Banken partizipiert, hat er ein Interesse daran, die inländischen Bankgewinne zu sichern. Indem der Staat ausländische Anleger steuerlich begünstigt, kann er diese Anlagen aus dem Ausland abwerben. Proposition (5-3): Sobald ein Staat mittels Unternehmenssteuer auf die Gewinne im Bankensektor zugreift, hat er ein Interesse daran, eben diese Bankengewinne zu sichern. Je höher der Gewinnsteuersatz ist, desto tiefer muss der Staat den Steuersatz auf ausländisches Kapital setzen, um für ausländische Anleger attraktiv zu bleiben. Betrachtet man das Steueraufkommen Ul = + ((4 3 E ) (2 E )) E 2 > (2 E )2 4 (5-26) so erkennt man die beiden sich gegenüberstehenden Auswirkungen der Gewinnsteuer. Einerseits generiert sie direkt zusätzliche Einnahmen durch die Besteuerung der Bankgewinne, andererseits fördert die Gewinnsteuer die Kapitalflucht und senkt die Steuern auf ausländisches Kapital, was die Steuereinnahmen verringert. Die Gewinnbesteuerung eignet sich grundsätzlich dazu, die Steuereinnahmen eines Landes zu erhöhen. Gerade geringe Sätze vermögen im Vergleich zur Situation steuerbefreiter Gewinne die Staatseinnahmen zu steigern, so dass der Einkommenseekt zunächst noch den Substitutionseekt dominiert, siehe Abb. 5-4.160 Die volkswirtschaftlichen Kosten der Besteue 1 6 0 Aus CUl C E = 0 folgt WE = 2(23 ) 43 (für 2 $ bzw. WE D 0) und UlW | = . 137 E rung liegen in den starken Ausweichreaktionen des Kapitals und den erhöhten Kosten der Bankintermediation. Ri δ 0 1 2(2δ − τ ) 4δ − τ τB Abb. 5-4: Einkommens- und Substitutionseekt der Gewinnsteuer Mit (5-23), (5-26), der Haushaltswohlfahrt ((5-22), (5-24) und (5-25) in (511)) sowie Yl = erhält man schliesslich die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt Zl = l ( (2 E ) + E ) E 2 > 2 2(2 E ) 8 (5-27) aus der ersichtlich wird, dass der Eekt der Gewinnbesteuerung im Bankensektor für 0 E 1 strikt negativ für die gesamte Wohlfahrt beider Staaten ist, CZl C E = 2 E (2 E ) (2 E )3 ? 0. Die Gewinnbesteuerung ist ine!zient und entspricht angesichts der Besteuerung der Kapitalgewinne einer eigentlichen Doppelbesteuerung. Die tiefere gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt und die teilweise Abwälzung der Gewinnsteuerbelastung auf die Bankkunden stimmen 138 mit den eingangs angesprochenen Erkenntnissen der empirischen Literatur überein.161 5.4.2 E!ziente Banken Die bisherigen Ausführungen haben sich mit einer Situation beschäftigt, in welcher sowohl der Bankensektor in K als auch derjenige in I die gleichen Grenzkosten der Intermediation aufweisen. Der Einfluss der Grenzkosten blieb dabei auf die Intermediationsspanne fl beschränkt, welche Änderungen in den zugrunde liegenden Grenzkosten von Banken direkt übernimmt (beispielsweise fl = + 2 2 E bzw. Cf l C = 1 gemäss (5-22)), weshalb diese Kosten nicht in die Berechnung der Bankengewinne sowie der übrigen Grössen einfliessen. Unabhängig von der Existenz des Bankgeheimnisses wird der Standortvorteil der Schweiz gelegentlich aber auch damit erklärt, die Schweiz verfüge über einen überdurchschnittlich e!zienten Bankensektor, der ausländische Anleger anziehe und diese dazu bewege, ihre Anlagen in der Schweiz bzw. bei Schweizer Banken zu tätigen. In Kapitel 3.2 konnte gerade für die Schweiz gezeigt werden, dass Produktivität und E!zienz im Bankensektor in den letzten Jahren stark und überproportional zugenommen haben. Es sei deshalb angenommen, Land K verfüge über einen Bankensektor, der zu geringeren Grenzkosten Kapitalien vermitteln kann als Banken in I , d.h. K ? I . Auf die zuvor betrachtete Gewinnbesteuerung wird verzichtet. Die Maximierung der Steuereinnahmen erfolgt wie in Kapitel 5.2; (5-2)-(5-4) geben die entsprechenden Gleichungen wieder. (5-5) lässt sich nun geringfügig 1 6 1 Demirgüç-Kunt/Huizinga (1999); Caminal (2002). 139 angepasst schreiben als EK = (1 vbK + vbI )(fK K )> EI = (1 vbI + vbK )(fI I )= (5-28) Die Maximierung dieser Gewinne führt zu den beiden Reaktionsfunktionen fK = fI ++K 2 bzw. fI = spreads fK ++I 2 und schliesslich zu den optimalen Zins- I + 2K > 3 (5-29) + 2I fI = + K = 3 und fI in (5-29) zeigt klar, dass für K ? I auch fK = + Der Vergleich von fK fK ? fI gilt, d.h. die tieferen Intermediationskosten des K-Bankensektors übertragen sich auch in tiefere Zinsspannen. Oenbar ist es für Banken in K optimal, auch die Bankkunden an den tieferen Kosten teilhaben zu lassen, um die Attraktivität gegenüber dem Ausland zu erhöhen. Erwartungsgemäss unterscheiden sich auch die jeweiligen Gewinne der Banken: (I K + 3)2 > 9 (5-30) 2 ( I + 3) = EI = K 9 folgt gemäss (5-30) EK A EI , d.h. die günstigere Intermedia EK = Für K ? I tion von Kapital wirkt sich auch positiv auf den Nettogewinn der Banken in K aus. Proposition (5-4): Weist der Bankensektor eines Landes Kostenvorteile in der Produktion von Bankdienstleistungen auf, so gibt er diese in Form tieferer Zinsspannen an die Anleger weiter, wodurch sich die Attraktivität gegenüber dem Ausland erhöht. 140 Die Anteile der Haushalte, die ihre Anlagen im Ausland tätigen, lassen sich nun notieren als I + K > 2 6 (5-31) I K vbI = + = 2 6 Falls K tiefere Intermediationskosten aufweist, folgt aus (5-31), dass wenivbK = ger Haushalte als in I ins Ausland ausweichen, vbK ? vbI . Ein Anstieg der Grenzkosten der Intermediation im eigenen Land erhöht die Ausweichreaktio- nen der eigenen Haushalte, während umgekehrt ein Anstieg der Grenzkosten im anderen Land zu geringerem Ausweichverhalten im eigenen Land führt, Ce v K CK = 1 6 A 0> Ce v K CI 1 = 6 ? 0 und analog für Land I . Die in K deponierten Anlagen sind nun höher, 1 vbK + vbI = 1 + I K . 3 Die Steuersätze betragen K + I > 2 6 (5-32) I wI = + K > 2 6 und die Steuereinnahmen der beiden Länder lassen sich schreiben als wK = (I K )(12 + I K ) 2 > 36 4 (5-33) (K I )(12 + K I ) 2 = UI = + 36 4 Der Vergleich der beiden Steuererträge zeigt, dass das Land K höhere Steuer UK =+ einnahmen generieren kann. Konkret lässt sich im vorliegenden Fall für I A K gemäss (5-33) UK UI = 2 (I K ) 3 A 0 berechnen. Dasselbe lässt sich in gewohnter Weise auch für die Wohlfahrt der Haushalte, KK KI = ³ ´ (I K )(2 ) I K , die Einnahmen des Vorleistungssektors, Y = 1 + · K 6 3 ³ ´ K respektive YI = 1 I 3 K I , und schliesslich die gesamte Wohlfahrt (I K )(11I + 13K + 24 + 18 ) 2 > 72 8 ( K )(13I + 11K + 24 + 18 ) 2 ZI = l I = 72 8 ZK =l+ 141 (5-34) zeigen, ZK ZI = (I K )(2I +2K +4+3 ) . 6 E!zienzvorteile wirken sich somit auf alle Bereiche der Volkswirtschaft positiv aus und tragen zweifelsohne zu Unterschieden in der Wertschöpfung verschiedener Länder bei. Proposition (5-5): Von e!zienten inländischen Banken profitiert die gesamte inländische Volkswirtschaft. 5.4.3 Kompetitive Banken Die einleitenden Ausführungen in Kapitel 5.1 zeigten, dass der Einfluss und die Auswirkungen der Marktkonzentration im Bankensektor umstritten sind, jedoch ein hoher Wettbewerbsgrad üblicherweise als e!zienter betrachtet wird. Bisher wurden ausschliesslich Bankensektoren betrachtet, welche die Zinsspanne fl monopolistisch wählen, weshalb nun zunächst von einem kompetitiven Bankensektor in beiden Staaten und in der Folge von unterschiedlichen Wettbewerbsgraden ausgegangen werden soll, um den Einfluss der Marktmacht im Bankensektor zu eruieren. Wenn Banken ihr Intermediationsgeschäft zur Nullgewinnbedingung El = 0 (5-35) anbieten, so entspricht die Zinsmargin gemäss (5-5) gerade den Grenzkosten der Kapitalvermittlung, (5-36) fl = = Die übliche Maximierung der Steuereinnahmen durch den Staat führt zu den gleichen Quellensteuersätzen wie bei Marktmacht im Bankensektor, wl = 2 2 wie in (5-9), und zum unveränderten Steueraufkommen Ul = 4 . Berück2 sichtigt man ebenfalls die Wohlfahrt der Haushalte, Kl = l + 8 , sowie 142 die Wertschöpfung Yl = im Vorleistungssektor, so resultiert die gleiche gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt wie in (5-14), Zl = l 2 162 8 . Ausgehend von einem konstanten und vom (Netto-)Zinssatz unabhängigen Kapitalangebot, vermag sich die tiefere Zinsspanne durch einen kompetitiveren Bankensektor also nicht auf die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt auszuwirken. Dieses Resultat war bereits bei der Betrachtung der Zusammensetzung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt Zl = Ul + El + Kl + Yl in (5-12) zu vermuten, da den Gewinnen im Bankensektor Kosten der Haushalte in gleicher Höhe gegenüberstanden.163 Von Interesse ist deshalb nun die Frage, wie sich unterschiedliche Marktkonzentrationen auswirken. Es sei 1d der Anteil des Markups , auf welchen der Bankensektor in K aus kompetitiven Gründen verzichtet, 0 d 1. d kann somit als Herfindahl-Index betrachtet werden, der bei vollkommenem Wettbewerb (Preis entspricht den Grenzkosten, fK = ) 0 beträgt und im vollständigen Monopolmarkt 1.164 Die beiden Zinsspannen lassen sich schreiben als fK = d + > (5-37) fI = + > wenn man zunächst einmal unterstellt, dass der Bankensektor in I (aufgrund 1 6 2 Im Gegensatz zum Modell von Klein (1971), welches gemäss Baltensperger (1980) zu- sammenbricht, wenn es sich bei der Bank nicht um einen Monopolisten handelt, ist die Annahme eines wettbewerblichen Bankensektors vorliegend unproblematisch. 1 6 3 Anders präsentierten sich die Ergebnisse, wenn das Kapitalangebot bzw. die Höhe der zu vermittelnden Haushaltsanlagen in der langen Frist nicht exogen mittels der bisher unterstellten Einheitsanlage von Haushalten modelliert würde, sondern endogen in Abhängigkeit des Zinssatzes oder der Zinsspanne. 1 6 4 In einem reinen Monopolmarkt beträgt der Lerner-Index somit allgemein p = d , d+ konkret 0 im vollkommenen Wettbewerb und 143 + im Monopolfall. s3JN s = der eigentlich dahinter stehenden Reaktionsfunktion) nicht auf den allenfalls kompetitiveren Sektor in K reagiert und fI = + aufrechterhält. In Abhängigkeit von d lassen sich die Steuersätze (1 d) + > 2 2 (d 1) wI = + 2 2 wK = (5-38) notieren. Je kompetitiver die Banken in K sind, desto höher kann Land K den Quellensteuersatz auf ausländisches Kapital wählen bzw. desto tiefer muss die Regierung in I den Steuersatz wI setzen. Der Grund dafür liegt in der höheren Attraktivität der Anlage von Kapitalien in K durch die tiefere Zinsmargin und die daraus resultierende Kapitalflucht nach K, (d 1) + > 2 (1 d) + > vbI = 2 vbK = (5-39) welche zu erheblich höheren Anlagen in K führt, 1 vbK + vbI = 2 d. Um- gekehrt würde im Extremfall d $ 0 die Existenz der Banken in I in Frage gestellt. Aus diesem Grunde hängen auch die Bankgewinne stark vom Wettbewerbsgrad ab, EK = (2 d)d> EI = d= (5-40) Die Steuereinnahmen betragen (1 d)2 2 UK = (2 d) + > 4 2 4 2 (1 d) = UI = d + 4 4 (5-41) Der Wettbewerbsgrad beeinflusst das Steueraufkommen in doppelter Weise. Einerseits wirkt sich ein kompetitiverer inländischer Bankensektor positiv auf die Steuereinnahmen durch die Besteuerung der Inländer in K aus, da diese 144 vermehrt im eigenen Land Anlagen tätigen, andererseits profitiert der Staat durch die (höhere) Besteuerung der angewachsenen Kapitalien aus dem Ausland. In I präsentiert sich die Situation anders, da sich die Kapitalflucht negativ auf die Einnahmen des Staats auswirkt. Je höher der Grad des Wettbewerbs in K ist, desto stärker unterscheiden sich die Steuereinnahmen der beiden Länder, UK UI = 2(1 d) . Die gesamte Wohlfahrt setzt sich bekanntlich zusammen aus den Steuereinnahmen des Staats, den Bankgewinnen, den Erträgen des Vorleistungssektors, YK = (2 d) respektive YI = d, und der Wohlfahrt der Haushalte gemäss (5-37)-(5-39) in (5-11), KK =l+ KI = l + (72d+d2 )(6+2d) 8 + 2 8 . (110d+d2 )(102d) 8 + 2 8 bzw. Die Wohlfahrt der Haushalte in K KI = 12 (1 d)(2 ). ist höher, wenn K kompetitivere Banken hat, KK Insgesamt betragen die Wohlfahrten der beiden Staaten somit (3 + 2d 5d2 ) + (1 d)6 2 > 8 8 2 (5-42) (5 + 2d + 3d2 ) (1 d)6 = ZI = l (1 d) + 8 8 Ein kompetitiverer Bankensektor in K führt zu einer höheren gesamtwirt ZK = l + (1 d) + ZI = 12 (1 d)(4 + schaftlichen Wohlfahrt im Vergleich zu Land I , ZK 2(1 + d) + 3 ), und im Vergleich zur Situation ohne Wettbewerbsvorteil, bei- spielsweise bei vollständigem Wettbewerb ZK |d=0 ZK |d=1 = + 38 + 34 . Aus der Summe der beiden Wohlfahrten, ZK + ZI = 2l (1d)2 4 2 4 , lässt sich folgern, dass insgesamt die Wohlfahrt über beide Staaten hinweg negativ von der unterschiedlichen Wettbewerbsintensität abhängt, d.h. die Wohlfahrtsgewinne in K durch den kompetitiveren Bankensektor vermögen die Wohlfahrtsverluste in I nicht auszugleichen, CZK Cd CZI Cd für d 1. Proposition (5-6): Ein Land profitiert von einem eigenen kompetitiveren Bankensektor. Die Wohlfahrt steigt in allen Bereichen beträchtlich an. 145 Es ist davon auszugehen, dass die Banken in I auf den Wettbewerbsvorteil in K reagieren. Unter Berücksichtigung der in Kapitel 5.2 berechneten Reaktionsfunktion fI (fK ) = fK ++ 2 fI = erhält man mit fK = d + (1 + d) + = 2 (5-43) Um wettbewerbsfähig zu bleiben und um die eigenen Bankgewinne zu maximieren, passt sich auch der ausländische Bankensektor wenigstens teilweise an die tiefere Margin in K an. Erwartungsgemäss sind die Unterschiede nicht mehr ganz so frappant wie zuvor; die Steuersätze auf ausländisches Kapital sind wK = (1d)+2 4 (d1)+2 , und 4 (d1)+2 vbK = 4 bzw. wI = weichender Haushalte beträgt der Anteil ins Ausland ausrespektive vbI = (1d)+2 . 4 Sowohl wl als auch vbl sind in beiden Ländern höher als zuvor, da im Vergleich die Attraktivität von K durch die Anpassung der I -Banken geringer ist. Die Bankgewinne EK = 12 (3 d)d und EI = 14 (1 + d)2 zeigen, dass — ganz im Gegensatz zu vorhin — die Existenz der Banken in I nun nicht mehr gefährdet ist. Schliesslich lässt sich wiederum die gesamte Wohlfahrt berechnen: (1 d) (3 + 10d 13d2 ) + (1 d)12 2 + > 2 32 82 (1 d) (5 6d + 11d2 ) (1 d)12 + = ZI = l 2 32 8 ZK =l+ (5-44) ZI = Der Unterschied der beiden Wohlfahrtsmasse ist nun geringer, ZK 1 4 (1 d)(4 + (1 + 3d) + 3 ), und auch die übrigen Vergleiche fallen etwas ge- dämpfter aus. An den grundsätzlichen Schlussfolgerungen ändert sich jedoch nichts: Unterschiedliche Wettbewerbsgrade im Bankensektor wirken sich sowohl auf die Zinsmargin als auch auf die gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrten aus. Das vorliegende Bankenmodell widerspiegelt somit die in Kapitel 5.1 präsentierte vorherrschende Meinung, wonach eine hohe Marktkonzentration auf 146 ine!ziente Strukturen hinweise. Die Ergebnisse sind ebenfalls konsistent mit der Schlussfolgerung von Smith (1998), wonach ein höherer Wettbewerbsgrad im Bankensektor die Einkommen erhöht.165 5.4.4 Einführung von Reservevorschriften Die aktuelle Krise auf den Finanzmärkten hat die Forderungen nach einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte verstärkt. Oftmals wird die Einführung bzw. Verstärkung der Reservevorschriften von Finanzintermediären gefordert. Reserverestriktionen wurden auch in der Literatur eingehend behandelt. Bereits früh mit dieser Thematik beschäftigte sich Miller (1975), der Reservevorschriften ins Modell von Klein (1971) einfügte. Fama (1985, 1980) und James (1987) untersuchten in der Folge den Einfluss von Reservevorschriften auf Bankeinlagen und gelangten zum Schluss, dass sich diese Restriktionen auf die Zinssätze auswirken. Caminal (1997) erläutert, dass in vielen Ländern Reservevorschriften die wichtigste Steuer für Finanzintermediäre seien. Die Auswirkungen von Reserverestriktionen sind tatsächlich nicht zu unterschätzen. Banken werden durch diese gezwungen, Einlagen zu verzinsen, die sie nicht als Kredite weiterverleihen dürfen, weshalb sich intuitiv folgern lässt, dass die Zinsspannen bei Reservevorschriften tendenziell höher liegen. Angenommen, die Banken beider Länder seien gesetzlich dazu verpflichtet, einen Anteil y der Anlagen als Reserve zurückzuhalten.166 Für den Bankensek1 6 5 Nicht abgebildet werden freilich allfällige Nachteile des Wettbewerbs, wie bsp. der stete Wettbewerbsdruck, der Anreize setzt, ständig neue Anlagemöglichkeiten und Finanzierungsformen zu entwickeln, was zwar mit Innovation, aber auch mit Risiko verbunden ist. 1 6 6 In der Realität können Liquiditätsrestriktionen (Aktivseite der Bankbilanz) von Eigenkapitalvorschriften (Passivseite) unterschieden werden. Wenn im Modell verlangt wird, dass Banken einen fixen prozentualen Anteil y der gesamten bei ihnen getätigten Anlagen 147 tor in K stellt sich dann die Situation wie folgt dar: Die Einlagen 1 vbK + vbI der Haushalte werden entgegengenommen, wofür die Banken den Haushalten (1 vbK + vbI )(l fK ) an Zins bezahlen. Für die Entgegennahme und Vermitt- lung (bzw. Reservehaltung) dieser Anlagen fallen den Banken Kosten in Höhe von (1 vbK + vbI ) an. Einnahmen generieren die Banken durch die Anla- ge auf den Weltmärkten zum Weltmarktzinssatz, jedoch wird nur ein Anteil 1 y weiterverliehen, weshalb die Einnahmen schliesslich (1 y)(1 vbK + vbI )l betragen. Die Bankengewinne lassen sich somit schreiben als EK = (1 vbK + vbI )(fK yl)> (5-45) EI = (1 vbI + vbK )(fI yl)> wobei (1 vbK + vbI )yl bzw. (1 vbI + vbK )yl die Kosten der Reservehaltung widerspiegeln, also diejenigen Kosten, welche durch die Verzinsung von nicht weiterverliehenen Kapitalien resultieren. In gewohnter Weise folgen mit (5-4) und (5-45) die beiden Reaktionsfunktionen für die Zinsspannen, fK = fI +++yl 2 sowie fI = fK +++yl , 2 und schliesslich die optimale Zinsmargin fl = + + yl. (5-46) Wie zuvor erwartet wurde, erhöhen sich die Zinsspreads. Die Banken halten sich schadlos; die Gewinne betragen gemäss (5-45) unverändert El = , d.h. die Finanzintermediäre wälzen den Ausfall der Einnahmen durch die Reservevorschriften vollständig auf die Bankkunden ab, wodurch sich die Wohlfahrt der Haushalte um yl verringert, Kl = (1 y)l + 2 8 , während die Wohlfahrten des Staats und des Vorleistungssektors unverändert bleiben. zurückbehalten, dann wäre dies im Übrigen grundsätzlich identisch mit der Annahme, dass ein Teil der Anlagen durch Eigenverschleiss im Intermediationsgeschäft verschwindet. 148 Somit sinkt auch die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt um denselben Betrag, Zl = (1 y)l 2 = 8 (5-47) Proposition (5-7): Eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte mittels Reservevorschriften erhöht die Kosten der Kapitalvermittlung durch Finanzintermediäre und somit die Intermediationsspanne, was c.p. zu einer geringeren Wohlfahrt der privaten Haushalte und schliesslich der gesamten Volkswirtschaft führt. Ebenfalls kurz erwähnt seien die Auswirkungen, wenn beispielsweise nur Land K Reservevorschriften einführt, d.h. EK = (1 vbK + vbI )(fK yl) und EI = (1 vbI + vbK )(fI ). Die Zinsspannen betragen dann fK = (yl3)2 9 und EI = , die Steuersätze auf ausländisches Kapital wK = 3 yl 6 und wI = und die Anteile der ausweichenden Haushalte vbK = 3 +yl 6 und vbK = + + 2 (yl+3) 9 3 +yl 6 3 yl 6 . 2yl 3 und fI = + + yl 3, die Bankgewinne EK = Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Land I in allen relevanten Grössen bessergestellt ist: EI EK = YI YK = (4+10+3 )yl . 6 2yl 3 , KI KK = (2 )yl 6 4yl 3 , UI UK = 2 yl 3 , und letztlich auch ZI ZK = Proposition (5-8): Gelten in einem Land restriktivere Reservevorschriften als in einem anderen Land, so ist dieses sowohl in Bezug auf die Zinsmarge als auch auf die Steuereinnahmen bzw. Wohlfahrt des Staats, der Haushalte und der gesamten Volkswirtschaft im Nachteil. Das vorliegende Bankenmodell bildet die oben angesprochenen Auswirkungen von Reservevorschriften zutreend ab. Nicht abgebildet werden jedoch die 149 positiven Auswirkungen, welche üblicherweise von solchen Restriktionen erwartet werden, bsp. die Reduzierung von Systemrisiken oder die Vermeidung von Illiquidität bei einem sogenannten „bank run”, also einem Ansturm auf die Bank zwecks Abhebung der angelegten Gelder. 5.5 Szenarien Um die verschiedenen Auswirkungen der bisher betrachteten Einflussfaktoren auf den Bankensektor auch quantitativ vergleichen zu können, soll nun das Grundmodell anhand realer Werte kalibriert werden, um danach verschiedene Szenarien zu betrachten. Da es sich um ein Zwei-Länder-Modell mit teilweise — grundsätzlich jeder Modellierung inhärenten — starken Restriktionen handelt, sind die Ergebnisse nur bedingt aussagekräftig, geben aber trotzdem wenigstens annäherungsweise die Grössenordnungen der Auswirkungen verschiedener Szenarien wieder. 5.5.1 Kalibrierung der Ausgangslage Das Zwei-Länder-Modell soll anhand schweizerischer Werte kalibriert werden.167 Ende 2004 betrug der Stand der Bevölkerung in der Schweiz 7.41 Mio., der durchschnittliche Haushalt umfasste 2.264 Personen.168 Daraus lässt sich folgern, dass 2004 etwa 3.27 Mio. Haushalte existierten. Analysiert man die in Kapitel 3.2 aufgeführten Zahlen zum schweizerischen Bankensektor, so zeigt sich, dass der durchschnittliche Zinsaufwand der Jahre 1 6 7 Als Konterpart für die Schweiz könnte bsp. Österreich betrachtet werden, das sowohl in Bezug auf die Grösse als auch die weiteren volkswirtschaftlichen Werte in einem symmetrischen Zwei-Länder-Modell am ehesten mit der Schweiz vergleichbar ist. 1 6 8 Bundesamt für Statistik (2007), S. 23 . 150 1996-2007 total 58.4 Mia. Fr. betrug, siehe Tab. 3-7. Bekanntlich verwalten Schweizer Finanzintermediäre aber auch sehr hohe ausländische Vermögensbestände. Ausgehend von einem durchschnittlichen (Libor-)Zinssatz von 3%,169 entspräche ein Zinsaufwand von 58.4 Mia. Fr. einem unrealistisch hohen Vermögen pro inländischem Haushalt. Für das Jahr 2007 wären die Werte noch extremer. Um das Modell sinnvoll zu kalibrieren, müssen die ausländischen Vermögen deshalb ausgeblendet werden. Welcher Anteil des Zinsdierenzgeschäfts tatsächlich nur auf Inländer zurückgeführt werden kann, ist jedoch relativ schwierig festzustellen. Einen guten Anhaltspunkt liefert SNB (2008a), wonach Ende 2007 etwa 310.7 Mia. Fr. von inländischen Kunden in Spar- und Anlageform auf Schweizer Franken lautend in der Schweiz angelegt waren.170 Dies würde einem realistischen Vermögen von etwa 95’000 Fr. pro Haushalt entsprechen, das in verzinslicher Form angelegt ist. Grob geschätzt folgen aus Tab. 5-1 Zinsspannen in der Schweiz (und in Österreich) von ungefähr 2%, fl = 0=02. Der Weltmarktzinssatz beträgt somit 5%, l = 0=03 + 0=02 = 0=05. Betrachtet man die Aufwandseite in Tab. 3-7, so lässt sich der langjährige Anteil der Personal- und Sachkosten am Bruttoertrag mit etwa 58% berechnen.171 Bei einer Intermediationsspanne von fl = 0=02 folgen somit Kosten von = 0=58 · 0=02 = 0=0116, d.h. pro Einheit Kapital, die von Banken entgegengenommen wird, fallen Kosten für Personal und Sachgüter in Höhe von = 0=0116 an.172 Davon ausgehend, dass in der Ausgangslage die Optimalitätsbedingung fl = + gemäss (5-6) eingehalten 1 6 9 Statistisches Jahrbuch der Schweiz (2007), S. 265. (2008a), A205 . 1 7 1 (Personalaufwand 22.86 Mia. Fr. + Sachaufwand 12.17 Mia. Fr.) / Gesamtertrag 59.74 1 7 0 SNB Mia. Fr. Welcher Anteil des Aufwands dem Intermediationsgeschäft und welcher dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft zugerechnet werden muss, ist aus den Statistiken nicht eruierbar. 1 7 2 Dies sind die in Kapitel 5.2 erläuterten „Vorleistungskosten”. In der Realität besteht 151 wird, müssen die Ausweichkosten folglich = 0=0084 betragen. Noch ausstehend sind die Werte für die Steuersätze. Es ist realistisch, von einem durchschnittlichen Steuersatz auf das Einkommen natürlicher Personen von etwa 10% auszugehen.173 Ein Kapital von 100 Fr., das zu 3% verzinst wird, wirft einen Ertrag von 3 Fr. ab, der zum Einkommensteuersatz von 10% versteuert werden muss. Ohne Vermögenssteuer würde der Nettosteuersatz auf den Kapitalwert somit 0.3% betragen.174 Die Vermögenssteuer ist bekanntlich eine Substanzsteuer und wird in der Schweiz nur von den Kantonen erhoben. Diese wenden unterschiedliche Sätze von etwa 0.2 bis 3 Promille an, welche schliesslich mit dem jeweiligen Gemeindesteuerfuss (ca. 100% e.E bis 400% e.E.) multipliziert werden. Insgesamt ist wohl ein Vermögenssteuersatz von etwa 0.7% realistisch. Somit folgt insgesamt eine Belastung inländischer Haushaltsanlagen in Höhe von = 0=003 + 0=007 = 0=01. Der Steuersatz auf ausländische Anlagen beträgt in der Ausgangssituation gemäss (5-9) wl = 2 = 0=005. Wie in Kapitel 4.1 erläutert wurde, verlangt auch Österreich analog zur Schweiz eine stufenweise ansteigende Quellensteuer auf ausländische Kapitalanlagen, welche von 2008 bis 2011 20% und ab 2011 35% beträgt. Wird ein Vermögen von 100 Fr., das im Ausland angelegt ist, nicht deklariert, so beträgt der relevante Steuersatz bei einem Nettozinssatz von 3% und einem Quellensteuersatz von momentan 20% gerade 100·0=03·0=2 100 = 0=006 und entspricht fast der im Grundmodell postulierten Optimalbedingung. Mit (5-8) lässt sich nun der Anteil der Haushalte berechnen, für die sich die Kaein grosser Teil dieser Kosten aus Personalausgaben. Da der Arbeitsmarkt im Modell nicht explizit berücksichtigt wird, werden die Personalkosten der Einfachheit halber dem Sachaufwand zugerechnet. 1 7 3 Vergleiche OECD (2008), S. 93 . 1 7 4 0.1 x 3 Fr. / 100 Fr. 152 pitalflucht lohnt, vbl = 2 = 0=5952.175 Da das Grundmodell eine Einheitsanlage unterstellt und die Haushalte auf 1 normiert, müssen die vorliegend berechneten Werte um den Faktor 950 000 · 30 2700 000 = 310=7 Mia. korrigiert werden. Tab. 5-2 fasst die Kalibrierung des Grundmodells anhand der Gleichungen (5-1)-(5-14) übersichtlich zusammen: Anzahl Haushalte: Vermögen/Haushalt: 3'270'000 95'000 in Mia. Fr. δ = 0.0084 sˆ*i = 0.5952 Ri* = 0.0070 2.1823 µ = 0.0116 ti* = 0.005 Bi* = 0.0084 2.6099 i = 0.05 τ = 0.01 * i H = 0.0215 6.6764 ci = 0.02 * i * i V = 0.0116 3.6041 W = 0.0485 15.0726 Tab. 5-2: Kalibrierung des Grundmodells Abb. 5-5 veranschaulicht die Aufteilung des Zinsgewinns von 5% bzw. die Aufteilung der gesamten Kapitaleinkommen von 0=05 · 310=7 = 15=535. Mit knapp 43% geht der grösste Teil an die Haushalte. Der Staat nimmt etwa 14% der Kapitalerträge über die Besteuerung ein. Die Bankgewinne machen knapp 17% aus, und an den Vorleistungssektor gehen 23%. Der Wohlfahrtsverlust (DWL) beträgt im Vergleich zu einer koordinierten Besteuerung mit = wl wie in Kapitel 5.3 rund 3%. 1 7 5 In Kapitel 4.1 wurde ausgeführt, dass Steuerzahler im Vergleich zu den bestehenden theoretischen Modellen in der Realität allgemein zu gesetzestreu und pflichtbewusst sind. Auch dieses Modell bzw. diese Kalibrierung führt zu einem eher hohen Wert für den Anteil der Haushalte, für die sich die anonyme Anlage im Ausland lohnt. 153 2.98% 14.05% 23.20% 16.80% R B H V 42.98% DWL Abb. 5-5: Aufteilung der Kapitalgewinne in der Ausgangssituation 5.5.2 Vergleich verschiedener Szenarien In Szenario 1 steht zunächst die Frage im Vordergrund, wie sich ein Gewinnsteuersatz in beiden Bankensektoren in Höhe von E = 20% auf die Volkswirtschaft auswirkt. Die Gewinnsteuer erhöht gemäss (5-22) die Zinsmargin, vorliegend um etwa 4.7%, siehe Tab. 5-3. Der Finanzsektor wälzt also die höhere Belastung durch die Gewinnsteuer zu einem Teil auf die Bankkunden ab, indem er höhere Preise für die Intermediation verlangt. Die Besteuerung der Bankgewinne schmälert deren Nettogewinne nach Steuern trotz höherer Zinsspannen um über 11%. Auallend ist die starke Zunahme der Kapitalflucht in beiden Ländern um über 18%. Der Grund für die Kapitalflucht liegt in den um fast 19% tieferen Steuersätzen auf ausländische Anlagen. Da der Staat an den Gewinnen der Banken stark partizipiert, hat er ein Interesse daran, die inländischen Bankgewinne zu sichern, weshalb er ausländische Anlagen 154 stärker begünstigt. Erwartungsgemäss reagiert das Steueraufkommen positiv auf die Gewinnbesteuerung (+9.3%). Die höhere Zinsspanne verringert das Kapitaleinkommen der Haushalte, weshalb deren Wohlfahrt um 1.5% sinkt. Insgesamt verringert sich die Wohlfahrt um 1.25%, was etwa 0.2 Mia. entspricht. Die Gewinnsteuer erhöht den Anteil des Wohlfahrtsverlusts auf neu 4.2%, was einer Zunahme von über 40% entspricht. Szenario 2 unterstellt nun, dass das Inland über einen Standortvorteil mit e!zienteren Banken verfüge, welche zu geringeren Grenzkosten die Intermediation von Kapital vornehmen können, K ? I . Während also im Ausland weiterhin I = = 0=0116 gilt, soll dieser Wert im Inland um 10% tiefer liegen, K = 0=01044. Der E!zienzvorteil des Inlands wirkt sich positiv auf die Zinsspannen beider Länder aus, jedoch in unterschiedlichem Masse: Im Inland sinkt die Margin um knapp 4%, im Ausland verringert sie sich nur um knapp 2%, vergleiche Tab. 5-3. Die tiefere Zinsspanne im Inland wirkt anziehend auf ausländische Kapitalien. Während die Kapitalflucht im Ausland um knapp 4% zunimmt, sinkt diese im Inland um denselben Wert. Dies wirkt sich auch auf die Bankgewinne aus. Höhere Anlagen im Inland erhöhen die Bankgewinne trotz tieferer Zinsmarge (+9.4%), wobei im Ausland gerade das Gegenteil zutrit (-9%). Sowohl der inländische Staat als auch die Haushalte partizipieren am Erfolg der Banken; die Steuereinnahmen liegen um 6.6% höher (während im Ausland das Steueraufkommen um 6.5% sinkt), und die Wohlfahrt der Haushalte steigt um über 3%. Die tiefere Margin fK wirkt sich über die Kapitalflucht und die ebenfalls tiefere Margin fI ebenfalls positiv auf die Wohlfahrt der Haushalte im Ausland aus (+2.3%), was aber die Abnahme der ausländischen Wohlfahrt nicht zu verhindern mag. Insgesamt nimmt die Wohlfahrt im Inland um 2.5% zu, während sich der Anteil des Wohlfahrtsverlusts im Ausland von 3% auf knapp 5.5% relativ stark erhöht. 155 Tab. 5-1 listet sowohl die Zinsspanne als auch die Marktkonzentration im Bankensektor im internationalen Vergleich auf. Sie zeigt, dass beispielsweise zwischen Österreich und der Schweiz ein erheblicher Unterschied in Bezug auf die Kompetitivität im Finanzsektor besteht. Während in der Schweiz eine sehr hohe Konzentration festzustellen ist (Herfindahl-Index 0.77), bewegt sich Österreich im Mittelfeld (0.44). Es stellt sich deshalb in Szenario 3 die Frage, wie sich ein Vorteil im Wettbewerbsgrad des Bankensektors c.p. auswirkt. Davon ausgehend, dass der ausländische Bankensektor einen Herfindahl-Index von 0.8 aufweise, während inländische Banken weiterhin monopolistisch agieren, d.h. einen Indexwert von 1 besitzen, erhält man die in Tab. 5-3 aufgeführten Resultate. Zwar fallen in beiden Ländern die Zinsspannen, die Reaktion im Ausland ist mit 8.4% jedoch doppelt so stark. Die geringere Monopolmacht im Ausland wirkt sich erwartungsgemäss negativ auf die Bankgewinne aus, die um 12% sinken. Noch gravierender sind die Auswirkungen aber auf den inländischen Bankensektor, dessen Gewinne sogar um 19% schrumpfen. Der Grund dafür liegt einerseits in der tieferen Intermediationsspanne, andererseits steigt die Attraktivität des Auslands, weshalb der Anteil der ausweichenden Haushalte um über 8% ansteigt, während dieser Anteil im Ausland sinkt. Insgesamt findet deshalb eine Verschiebung von Kapital ins Ausland statt, was auch der inländische Fiskus über geringere Steuereinnahmen (-13.9%) zu spüren bekommt. Durch den Kapitalzufluss und den höheren optimalen Steuersatz auf grenzüberschreitendes Kapital steigt das Steueraufkommen im Ausland um 14.5%. Auch die Haushalte profitieren von den tieferen Margins, wobei der Eekt im Inland aufgrund des höheren Steuersatzes auf nicht deklarierte Anlagen kleiner ist. Da nun Banken im Inland weniger Kapital entgegennehmen und vermitteln müssen, sinkt auch die Wohlfahrt des Vorleistungssektors. Insgesamt steigt die gesamte Wohlfahrt in der ausländischen Volkswirtschaft um 156 5.4%, während diejenige im Inland sinkt. Der Anteil des Wohlfahrtsverlust an den gesamten inländischen Kapitalgewinnen steigt von ursprünglich 3% auf über 8%. Unterschiede in Bezug auf den Wettbewerbsgrad im Bankensektor besitzen oenbar einen nicht zu unterschätzenden quantitativen Einfluss auf die Wohlfahrt eines Landes. Basis c*H = c*F = sˆ*H = sˆ*F = tH* = tF* = Szen. 1: τ B = 0.2 0.02 +4.67% 0.5952 +18.67% -18.67% 0.005 Szen. 2: µH < µF Szen. 3: a = 0.8 -3.87% -4.20% -1.93% -8.40% -3.87% +8.40% +3.87% -8.40% +3.87% -8.40% -3.87% +8.40% Szen. 4: v = 0.1 25.00% 0.00% 0.00% in Mia. RH* = R*F = BH* = B *F = H H* = * F H = VH* = VF* = WH* = WF* = DWL Inland DWL Ausland 0.007 2.1823 +9.28% 0.0084 2.6099 -11.11% 0.0215 6.6764 -1.52% 0.0116 3.6041 0.00% 0.0485 15.0726 -1.25% 2.98% 4.19% +6.62% -13.94% -6.49% +14.54% +9.42% -19.00% -8.99% -12.00% +3.07% +5.12% +2.35% +6.70% -5.86% -10.00% -4.60% +10.00% +2.55% -5.43% -2.56% +5.39% 0.50% 8.25% 5.46% - 0.00% 0.00% -23.27% 0.00% -10.31% 12.98% Tab. 5-3: Ergebnisse der Szenarien Das letzte Szenario führt Reservevorschriften in Höhe von 10% der totalen Assets ein, y = 0=1. Die Zinsspanne erhöht sich um insgesamt 25%. Der Finanzsektor überwälzt die höheren Kosten der Reservehaltung vollständig auf 157 die Anleger, weshalb die Bankgewinne konstant bleiben. Mit Ausnahme der Haushaltswohlfahrt, welche durch die höheren Intermediationskosten um über 23% sinkt, ändern sich die übrigen Werte nicht. Insgesamt schrumpft die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt um über 10%, und der Anteil des Deadweight Loss am Kapitalgewinn wächst um zehn Prozentpunkte auf knapp 13%. Die Kosten der Reservehaltung betragen jeweils 1.55 Mia. (yl · 310=7). Die Aussage von Caminal (1997), wonach Reservevorschriften in vielen Ländern die wichtigste Steuer sei, scheint sich somit auch quantitativ zu bestätigen. Bereits eine geringe Reservehaltung hat massive Wohlfahrtseinbussen zur Folge, wenn diese Reservehaltung nicht mit anderen, hier nicht einbezogenen Vorteilen wie bsp. der Verhinderung von Krisen oder bank runs verbunden ist. 5.5.3 Sensitivitätsanalyse Bekanntlich liegt der Vorteil von rechenbaren Gleichgewichtsmodellen in den quantitativ berechenbaren Auswirkungen verschiedener (Politik-)Szenarien, anstatt diese nur in analytischer Form zu präsentieren. Naturgemäss sind diese quantitativen Ergebnisse jedoch sensitiv, unabhängig davon, ob die zugrunde gelegten Parameter geschätzt oder kalibriert sind. Aus diesem Grunde soll nachfolgend eine kurze Sensitivitätsanalyse anhand von Szenario 3 gemacht werden. Szenario 3 eignet sich gerade deshalb, weil es alle relevanten Mechanismen enthält und entsprechende Wohlfahrtswirkungen generiert. Tab. 5-4 fasst die Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse zusammen. Die erste Spalte „Basis” gibt die Ausgangssituation von Szenario 3 wieder. Die Werte für Ul > El > Kl > Yl und Zl sind zum Skalierungsfaktor in Milliarden aufgerechnet. In der zweiten Spalte sind die neu berechneten Werte für einen um 10% höher liegenden Steuersatz auf inländische Kapitalien aufgeführt, 158 = 0=011. Die Steuereinnahmen sind aufgrund des höheren Steuersatzes erwartungsgemäss höher, während die Bankgewinne unverändert bleiben. Die höhere Steuerbelastung geht zulasten der privaten Haushalte, deren Wohlfahrt geringer ist. Insgesamt ändern sich die Ergebnisse in Bezug auf die gesamte Wohlfahrt jedoch nur marginal, obwohl die Erhöhung des Steuersatzes um 10% eher hoch gewählt wurde. τ= δ = µ= i= Basis τ ×1.1 µ ×1.1 0.01 0.011 0.01 0.01 0.0084 0.0084 0.00724 0.0084 0.0116 0.0116 0.01276 0.0116 i = 0.06 0.05 0.05 0.05 0.06 cH* = 0.0192 0.0192 0.0193 0.0192 cF* = 0.0183 0.0183 0.0186 0.0183 R = 1.8781 1.9635 1.7290 1.8781 R *F = 2.4995 2.6471 2.3505 2.4995 B*H = 2.1140 2.1140 1.8220 2.1140 * F B = 2.2967 2.2967 1.9795 2.2967 H H* = 7.0183 6.8124 7.0558 10.1253 H *F = 7.1239 6.9025 7.1254 10.2309 * H V = 3.2437 3.2437 3.5681 3.2437 * F * H V = 3.9645 3.9645 4.3610 3.9645 W = 14.2541 14.1337 14.1751 17.3611 WF* = 15.8847 15.8108 15.8164 18.9917 * H Tab. 5-4: Sensitivitaetsanalyse zu Szenario 3 Die dritte Spalte erhöht bei einer gegebenen Zinsspanne von 2% den Anteil der Kosten um 10%. Auch diese Parameterveränderung wirkt sich insgesamt nur geringfügig auf die Ergebnisse aus. Die Verringerung der Zinsspanne fällt etwas kleiner aus, die Steueraufkommen sind aufgrund der tieferen Bankgewinne ebenfalls geringer, was aber durch die gestiegene Wohlfahrt im 159 Haushalts- und im Vorleistungssektor kompensiert wird, so dass die gesamte Wohlfahrt nur minim kleiner ist als in der Referenzversion „Basis”. In der letzten Spalte ist schliesslich der Weltmarktzins um einen Prozentpunkt erhöht worden, was sich aber nur auf die Wohlfahrt der Haushalte und dadurch auf die gesamte Wohlfahrt auswirkt. Da es sich um ein Modell handelt, in dem nur Kapitaleinkommen existieren, wirkt sich der höhere Weltmarktzins stark auf diese beiden Sektoren aus. Die übrigen Sektoren sind nicht betroen, da die Banken unverändert eine Zinsmargin von 2% verlangen. Insgesamt zeigt diese kurze Sensitivitätsanalyse, dass die Ergebnisse relativ robust gegenüber Änderungen der Parameter sind. 5.6 Fazit Das hier entwickelte Bankenmodell erlaubt Aussagen über verschiedene, v.a. von der empirischen Literatur identifizierte Determinanten der Zinsspanne, und erklärt den Prozess, der zur Festlegung des Intermediationspreises führt. Ausgehend von einem monopolistisch agierenden Bankensektor zeigt sich, dass dieser über tiefe Intermediationskosten versucht, sowohl für das Inland als auch für das Ausland attraktiv zu sein. Die Einführung bzw. Erhöhung der Steuer auf Bankgewinne führt zu höheren Zinsspannen und einem Anstieg der Kapitalflucht. Banken wälzen die Gewinnsteuer zwar teilweise über die Zinsmargin auf die Anleger ab, ein Teil bleibt jedoch dennoch bei ihnen hängen. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen der empirischen Literatur, wonach Unterschiede in Zinsspannen mit unterschiedlicher Besteuerung zusammenhängen und die Unternehmenssteuerbelastung mindestens teilweise auf Bankkunden überwälzt wird. Sobald der Staat mittels einer Gewinnsteuer auf die Gewinne des Bankensektors zugreift, besitzt er zudem ein Interesse 160 daran, eben diese Bankgewinne zu sichern, weshalb er einen Anreiz hat, die Steuersätze auf ausländische Kapitalien zu senken. Insgesamt verringert die Gewinnbesteuerung die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt. Der Standortvorteil der Schweiz wird oftmals damit erklärt, die Schweiz verfüge über einen überdurchschnittlich e!zienten Finanzplatz, der ausländische Anleger anziehe und diese dazu bewege, ihre Anlagen bei Schweizer Banken zu tätigen. Auch Kapitel 3.2 illustrierte, dass Produktivität und E!zienz im Schweizer Bankensektor stark und überproportional zugenommen haben. Es zeigt sich, dass der Bankensektor allfällige Kostenvorteile in der Intermediation von Kapitalien tatsächlich in Form tieferer Zinsspannen weitergibt und dadurch die Attraktivität gegenüber dem Ausland steigert. E!zienzvorteile wirken sich positiv auf alle Bereiche der Volkswirtschaft aus und tragen oensichtlich zu Unterschieden in der Wertschöpfung verschiedener Länder bei. In Bezug auf den Wettbewerbsgrad im Bankensektor schliessen sich die Ergebnisse ebenfalls an die verbreitete Meinung in der empirischen Literatur an, wonach eine hohe Marktkonzentration grundsätzlich ein Zeichen für Ine!zienz sei. Ohne Berücksichtigung allfälliger Nachteile durch die Verschärfung des Wettbewerbs im Bankensektor setzen kompetitive Banken tiefere Zinsspannen und erhöhen dadurch die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt des betreenden Landes, weshalb der Staat ein Interesse daran hat, über kompetitive bzw. kompetitivere Banken als das Ausland zu verfügen. Auch Reservevorschriften wirken sich auf die Zinsspanne aus, indem Kapitalien nicht weiterverliehen werden dürfen, auf welche Banken Passivzinsen zahlen müssen. Eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte ist deshalb c.p. mit einer geringeren Wohlfahrt sowohl für die Haushalte wie auch die gesamte 161 Volkswirtschaft verbunden. Die Kalibrierung des Modells anhand realer Schweizer Werte erlaubt Aussagen über die quantitativen Auswirkungen verschiedener Szenarien. Es zeigt sich, dass Reserverestriktionen die weitreichendsten Eekte generieren. Bereits eine geringe Reservehaltung hat grosse Wohlfahrtseinbussen zur Folge, wenn damit nicht Vorteile wie bsp. die Verhinderung von bank runs verbunden sind. Neben den Reserverestriktionen verursachen aber auch Unterschiede im Wettbewerbsgrad der Bankensektoren und Unterschiede in der E!zienz der Intermediationstätigkeit beachtliche quantitative Auswirkungen und Unterschiede in den Zinsspannen, wobei das Modell gemäss Sensitivitätsanalyse relativ robust ist gegenüber Parameteränderungen. Insgesamt konnte das hier entwickelte Bankenmodell erfolgreich auf einige interessante Fragestellungen angewendet werden. Die tiefe Zinsspanne der Schweiz steht in einem direkten Zusammenhang mit der Attraktivität des Schweizer Finanzplatzes, wobei verschiedene Determinanten auf die Zinsspanne einwirken. Eine tiefe Besteuerung der Bankgewinne, tiefe Reservevorschriften und E!zienzvorteile begünstigen eine tiefe Intermediationsspanne, was sich mit den empirischen Erkenntnissen deckt. In Bezug auf die Schweiz überwiegen die begünstigenden Eekte oenbar die negative Wirkung des eher als monopolistisch einzustufenden Bankensektors. 162 6 Zusammenfassung Die vorliegende Dissertation hat sich mit verschiedenen Aspekten des Schweizer Bankensektors und der Besteuerung von Banken befasst. Als wichtigste Aufgabe von Banken konnte das klassische Intermediationsgeschäft identifiziert werden, also die Vermittlung von Kapital von Anlagewilligen an Kreditsuchende. Insgesamt zeichnet sich der Schweizer Bankensektor für hohe Anteile an gesamtwirtschaftlichen Werten wie der Wertschöpfung, der Beschäftigung oder dem Steueraufkommen verantwortlich, was sowohl die dominante Stellung des Schweizer Finanzsektors als auch deren Klumpenrisiko für die Volkswirtschaft widerspiegelt. Die drei wichtigsten Steuern im Bankensektor sind die Verrechnungs- bzw. Quellensteuer, die Mehrwert- und die Gewinnsteuer. Insgesamt stellt die Verrechnungssteuer die drittwichtigste Einnahmequelle des Bundes dar und generiert auch bei Nichtdeklaration von Vermögenswerten Steuererträge. Sie steht somit in direktem Zusammenhang mit dem Schweizer Bankgeheimnis, das auf der Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug sowie auf der beidseitigen Strafbarkeit basiert, welche die Schweiz bei internationaler Rechtshilfe verlangt. Angesichts des aktuellen Drucks hat sich die Schweiz zwar dazu bereit erklärt, auch bei Steuerhinterziehung Rechtshilfe zu leisten, die Auskunft beschränkt sich aber auf konkrete und begründete Einzelfälle auf Anfrage, so dass der automatische Informationsaustausch weiterhin kategorisch abgelehnt wird. Tatsächlich konnte gezeigt werden, dass ein Eingeständnis der Schweiz zu automatischem Informationsaustausch gegenüber der EU mit gravierenden Nachteilen verbunden wäre. Ein wesentlicher Grund liegt nicht in den von EUBürgern in der Schweiz getätigten Anlagen, sondern in den hohen Kapitalien 163 aus Drittstaaten, welche nicht direkt in Abkommen zwischen der EU und der Schweiz einbezogen werden können. Je höher diese externen Anlagen sind (und die Schweiz verfügt über beträchtliche Anlagen aus Drittstaaten), desto stärker ist der Anreiz des davon profitierenden Landes, Informationsaustausch abzulehnen und stattdessen Quellenbesteuerung zu fordern. Da Banken nur die Aufgabe zukommt, die einbehaltenen Verrechnungssteuern dem Fiskus abzuliefern, sind sie von dieser nicht direkt tangiert. Neben der Gewinnsteuer ist es vor allem die Mehrwertbesteuerung, welche Banken belastet. Eine ideale Konsumsteuer müsste auch den von Banken im Intermediationsgeschäft geschaenen Mehrwert erfassen. Zwar bestehen Ansätze, wie die Mehrwertsteuer auf das Zinsdierenzgeschäft angewendet werden könnte, in der Realität beschränken sich die meisten Staaten — darunter auch die Schweiz — jedoch auf die unechte Befreiung, welche zu Ine!zienzen und Verzerrungen führt. Der Vorteil der unechten Befreiung liegt in den Einnahmen durch die taxe occulte. Während bei einer korrekten und vollständigen Erfassung des Intermediationsgeschäfts nur noch Umsätze an Private im Inland steuerbar wären, führt die unechte Befreiung wenigstens zu Schattensteuereinnahmen durch die versteckte Besteuerung des Auslands und der inländischen Unternehmen. Dass auch die aktuelle Reform der Mehrwertsteuer in der Schweiz keine korrekte Besteuerung im Bankensektor einführen will, ist ebenfalls auf diesen Umstand sowie auf befürchtete Implementierungsprobleme zurückzuführen. Neben dem Bankgeheimnis stellt die tiefe Zinsspanne der Schweiz einen weiteren Grund für die Attraktivität des Schweizer Finanzplatzes dar. In dieser Dissertation wurde erstmals in geeigneter Weise ein Bankensektor mit einer expliziten und endogenen Zinsspanne modelliert, um die Auswirkungen 164 verschiedener Determinanten herauszuarbeiten und die empirischen Resultate auch in einem theoretischen Modell zu fundieren. Unterschiede in der Unternehmensbesteuerung, in der E!zienz, mit welcher die Kapitalintermediation getätigt werden kann, im Wettbewerbsgrad des Bankensektors oder in den Vorschriften zur Reservehaltung wirken sich deutlich auf die Höhe der Zinsspanne aus, und es ist davon auszugehen, dass auch die tiefe Zinsspanne der Schweiz in direktem Zusammenhang mit diesen Determinanten steht. Abschliessend lässt sich festhalten, dass die Attraktivität des Schweizer Finanzplatzes sowie die gesamte volkswirtschaftliche Entwicklung massgeblich verknüpft sind mit dem Bankgeheimnis, das durch die Verweigerung des Informationsaustauschs gesichert wird. Hinzu kommen die tiefe Intermediationsspanne bzw. die tiefen Intermediationskosten, welche die vorteilhaften bzw. im internationalen Vergleich vorteilhafteren institutionellen Bedingungen in der Schweiz widerspiegeln. Der heutige Wohlstand der Schweiz basiert insgesamt zu einem wesentlichen Teil auf der Stärke des Schweizer Finanzplatzes und seiner internationalen Bedeutung. 165 Literaturverzeichnis Acemoglu, Daron, Simon Johnson und James A. Robinson (2001), The Colonial Origins of Comparative Development: An Empirical Investigation, American Economic Review 91, S. 1369-1401. Allen, Franklin und Anthony M. Santomero (2001), What Do Financial Intermediaries Do?, Journal of Banking and Finance 25 No. 2, S. 271-294. Allingham, Michael G. und Agnar Sandmo (1972), Income Tax Evasion: A Theoretical Analysis, Journal of Public Economics 1, S. 323-338. Alm, James (1999), Tax Compliance and Administration, in: Hildreth/ Richardson (Hrsg.), Handbook of Taxation, S. 741-768. Alm, James, Gary H. 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