KLINIK FÜR PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE, PSYCHOSOMATIK UND NEUROLOGIE ZENTRUM FÜR NERVENHEILKUNDE MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR PSYCHIATRIE DEUTSCHE FORSCHUNGSANSTALT FÜR PSYCHIATRIE Workshop Schematherapie und Zwang Zwangsstörung und verwandte Störungen Diagnostik, Neurobiologie und Psychotherapie, 20. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. , 7. und 8. Oktober 2016 in München Dr. Samy Egli, Leitender Psychologe Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, [email protected] Ziel des Workshops (Werkstatt) Einige Werkzeuge der Schematherapie kennen lernen und gemeinsam erarbeiten wie sie zur Behandlung von Zwangsstörungen am besten eingesetzt werden können. Der Workshopleiter liefert im Schwerpunkt Struktur und Erfahrung aus der Schematherapie, die Workshopteilnehmer im Austausch ihre Erfahrungen mit Zwangsstörungen, Ideen und Fragen. 2 Was ist Schematherapie? Weiterentwicklung aus der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und primär chronischen dysfunktionalen Mustern (Schemata), transdiagnostisch einsetzbar. Integrativer Ansatz mit kognitiven und verhaltensbasierten Techniken, aber auch emotionszentrierten und erfahrungsbasierten Elementen sowie einem Fokus auf der therapeutischen Beziehungsgestaltung. Zur KVT abgrenzende/erweiternde Schwerpunkte bei den therapeutischen Instrumenten/Techniken sind die bedürfnisorientierte begrenzte Nachbeelterung, imaginatives Überschreiben und Stuhldialoge. Evidenzbasierung aktuell primär für ambulante Programme (50+ Sitzungen) v.a. für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, siehe z.B. Bamelis LL, Evers SM, Spinhoven P, Arntz A. Results of a multicenter randomized controlled trial of the clinical effectiveness of schema therapy for personality disorders. Am J Psychiatry. 2014 Mar;171(3):305-22. 3 Schematherapeutische Werkzeuge Kognitive Werkzeuge • Modus-Modell (KVT vgl. individuelles Entstehungsmodell) • Arbeit mit Schemata (KVT vgl. dysfunktionale Überzeugungen) • Schema-/Modus-Memo (KVT vgl. Mikro-Analyse/SORKC-Analyse) Verhaltensbasierte Werkzeuge • Übungen außerhalb der Therapie und Hausaufgaben • Rollenspiele • Exposition und Verhaltensexperimente Erfahrungsbasierte Werkzeuge • Stuhldialoge • Imaginationstechniken • Beziehungsarbeit mit begrenzter Nachbeelterung 4 Was ist wichtig bei Zwangsstörungen? (Reinecker) „Die Problematik besteht aus zwei Komponenten: zum einen aus einem aufdringlichen Gedanken, der zu einer Erhöhung von Angst und Unruhe führt, zum anderen aus einem Ritual (Handlung oder Gedanke) der zu einer kurzfristigen Reduktion der Angst und Unruhe führt Wichtig für die Behandlung: Der Angst erhöhende Gedanke bedarf der Konfrontation, während das Angst reduzierende Ritual der Reaktionsverhinderung bedarf. Im Zentrum der Problematik stehen Angst und Unsicherheit.“ AWMF-S3-Leitlinie: Bei einer Zwangsstörung soll eine KVT einschließlich Exposition und Reaktionsmanagement als Psychotherapie der ersten Wahl angeboten werden. 5 Prinzipien der KVT-Behandlung von Zwangsstörungen (Reinecker) 1. Konfrontation und Reaktionsverhinderung (und allgemeine Prinzipien) a) b) Beziehungsaufbau und Modell Aufbau der Veränderungsmotivation und Akzeptanz der Behandlung c) Erarbeiten von Zielen für das Leben nach der Therapie Zentral während K und RV ist emotional processing und Veränderung der Erwartungen durch konkretes Erleben 2. Kognitive Therapie a) Vermittlung eines plausiblen Modells b) Erfassung der Gedanken c) Nicht der Gedanke ist das Problem, sondern die Bewertung 3. Aufbau von Alternativen a) b) Kommunikationsfertigkeiten und Selbstsicherheit Ressourcenorientierung und Genussfähigkeit 6 Kognitives Modell der Zwangsstörung nach Salkovskis Ideen, Gedanken, kognitive Prozesse Aufdringlicher Gedanke Bewertung des Gedankens Emotionale/ physiologische Unruhe Neutralisieren/ Ritual 7 Schematherapie - Modusmodell Erwachsene Modi kümmernd entmachtend Kindmodi glücklich Dysfunktionale Modi impulsiv verletzbar Antreiber wütend Bestrafer Bewältigungsmodi kämpfen überkompensieren erdulden aushalten vermeiden flüchten Quelle Bilder: Peter Graaf, Schematherapie Kartenset, Beltz 8 Schemata, Domänen und Grundbedürfnisse Schema Domäne Grundbedürfnis Abgetrenntheit und Ablehnung Bindung Beeinträchtigung von Autonomie und Leistung Kontrolle nach Außen/Autonomie Beeinträchtigung im Umgang mit Begrenzungen Selbstkontrolle Fremdbezogenheit Selbstwert Übertriebene Wachsamkeit und Gehemmtheit Lust/Unlustvermeidung 1. Emotionale Vernachlässigung 2. Verlassenheit/Instabilität 3. Misstrauen/Missbrauch 4. Isolation 5. Unzulänglichkeit/Scham 6. Erfolglosigkeit/Versagen 7. Abhängigkeit/Inkompetenz 8. Verletzbarkeit 9. Verstrickung/unterentwickeltes Selbst 10. Anspruchshaltung 11. Unzureichende Selbstkontrolle 12. Unterwerfung/Unterordnung 13. Aufopferung 14. Streben nach Anerkennung 15. Emotionale Gehemmtheit 16. Unerbittliche Ansprüche 17. Negatives hervorheben 18. Bestrafungsneigung 9 Therapeutisches Vorgehen bei einer Zwangsstörung bei KVT und ST KVT ST Problem- & Funktionsanalyse (Mikro- & Makroanalyse) Problemverständnis und Erhebung der Lebensgeschichte Rolle der therapeutischen Beziehung, individuelles Genese- und Veränderungsmodell Erhebung relevanter Schemata und des individuellen Modusmodells Aufbau von Veränderungsmotivation und Ziele nach der Behandlung Emotionale und motivationale Klärung und Veränderung mit Stuhldialogen, Imaginationsübungen und begrenzter Nachbeelterung Konfrontation & Reaktionsverhinderung mit emotional processing Pattern-Breaking und einüben adaptiver Bewältigungsstrategien (erwachsener Verhaltensweisen) Aufbau von Alternativen, Selbstmanagement und Rückfallprophylaxe Kompetenzransfer und Rückfallprophylaxe 10 Kognitives Werkzeug Modusmodell Erstellung eines individuellen Entstehungsmodells bessere Akzeptanz der Therapie Flexible, integrierende Modi abc Kindmod i Dysfunkt ionale Modi abc abc Bewältig ungsmo di abc Distanzierung vom Zwang als Bewältigungsmodus (“Ich muss“ „Du musst“) Verbesserung der Motivation für die Exposition • (vgl. auch Thiel et al., Schema therapy augmented exposure and response prevention in patients with obsessive-compulsive disorder: Feasability and efficacy of a pilot study. J. Behav. Ther. & Exp. Psychiat. 52 (2016) 59-67.) • Reinecker: 20% lehnen Behandlung ab, wenn sie wissen was auf sie zukommt Zuordnung zum dysfunktionalen Modus und Schemaarbeit Veränderung der Grundannahmen (Reusch und Valente, 2015) Thiel et al. 2014: Schemata Versagen und emotionale Gehemmtheit sind assoziiert mit schlechterem Behandlungserfolg, insbesondere emotionsaktivierende Techniken der ST können deshalb hilfreich sein. Quelle Bilder: Peter Graaf, Schematherapie Kartenset, Beltz 11 Schematherapie - Modusmodell Erwachsene Modi kümmernd entmachtend Kindmodi glücklich Dysfunktionale Modi impulsiv verletzbar Antreiber wütend Bestrafer Bewältigungsmodi kämpfen überkompensieren erdulden aushalten vermeiden flüchten Quelle Bilder: Peter Graaf, Schematherapie Kartenset, Beltz 12 Kognitives Werkzeug Modusmodell Erstellung eines individuellen Entstehungsmodells bessere Akzeptanz der Therapie Flexible, integrierende Modi abc Kindmod i Dysfunkt ionale Modi abc abc Bewältig ungsmo di abc Distanzierung vom Zwang als Bewältigungsmodus (“Ich muss“ „Du musst“) Verbesserung der Motivation für die Exposition • (vgl. auch Thiel et al., Schema therapy augmented exposure and response prevention in patients with obsessive-compulsive disorder: Feasability and efficacy of a pilot study. J. Behav. Ther. & Exp. Psychiat. 52 (2016) 59-67.) • Reinecker: 20% lehnen Behandlung ab, wenn sie wissen was auf sie zukommt Zuordnung zum dysfunktionalen Modus und Schemaarbeit Veränderung der Grundannahmen (Reusch und Valente, 2015) Thiel et al. 2014: Schemata Versagen und emotionale Gehemmtheit sind assoziiert mit schlechterem Behandlungserfolg, insbesondere emotionsaktivierende Techniken der ST können deshalb hilfreich sein. Quelle Bilder: Peter Graaf, Schematherapie Kartenset, Beltz 13 Schemata, Domänen und Grundbedürfnisse Schema Domäne Grundbedürfnis Abgetrenntheit und Ablehnung Bindung Beeinträchtigung von Autonomie und Leistung Kontrolle nach Außen/Autonomie Beeinträchtigung im Umgang mit Begrenzungen Selbstkontrolle Fremdbezogenheit Selbstwert Übertriebene Wachsamkeit und Gehemmtheit Lust/Unlustvermeidung 1. Emotionale Vernachlässigung 2. Verlassenheit/Instabilität 3. Misstrauen/Missbrauch 4. Isolation 5. Unzulänglichkeit/Scham 6. Erfolglosigkeit/Versagen 7. Abhängigkeit/Inkompetenz 8. Verletzbarkeit 9. Verstrickung/unterentwickeltes Selbst 10. Anspruchshaltung 11. Unzureichende Selbstkontrolle 12. Unterwerfung/Unterordnung 13. Aufopferung 14. Streben nach Anerkennung 15. Emotionale Gehemmtheit 16. Unerbittliche Ansprüche 17. Negatives hervorheben 18. Bestrafungsneigung 14 Erfahrungsbasiertes Werkzeug Stuhldialog Interview und Dialog mit dem Zwang als Bewältigungsmodus Funktionalität, Vor-/Nachteilsanalyse inkl. entsprechender Emotions-/Erfahrungsbasierung (z.b. als distanzierter Beschützer bei Traurigkeit, Minderwertigkeit, Scham für Sicherheit und Kontrolle im Fallbsp. Michaela von Reusch und Valente 2015). Zugang zu Kindmodus und damit zu Emotionen und Grundbedürfnissen herstellen. Erfahrungsbasierte Verbesserung des Umgangs mit Emotionen • • • Reusch & Valente: Zwang als BM zur Emotionsregulation im Rahmen der PS und damit ST zur Behandlung der komorbiden PS (Lakatos & Reinecker 2008 bis 50% komorbide PS, vor allem Cluster-C) Reinecker: „Im Zentrum der Problematik stehen Angst und Unsicherheit.“ Distanzierung und Bekämpfung des Dysfunktionalen Modus Quelle Bilder: Peter Graaf, Schematherapie Kartenset, Beltz 15 Schematherapie - Modusmodell Erwachsene Modi kümmernd entmachtend Kindmodi glücklich Dysfunktionale Modi impulsiv verletzbar Antreiber wütend Bestrafer Bewältigungsmodi kämpfen überkompensieren erdulden aushalten vermeiden flüchten Quelle Bilder: Peter Graaf, Schematherapie Kartenset, Beltz 16 Schematherapie - Modusmodell Flexible, integrierende Modi abc Kindmodi abc Dysfunktionale Modi abc Bewältigungsmodi abc 17 OCD – DSM-5 Diagnostic Criterion A 18 OCD – DSM-5 Diagnostic Criteria B-D 19 Unterschiede DSM-IV und DSM-5 • Kriterium A enthält neben Zwangsgedanken oder -handlungen im DSM-5 die Möglichkeit des gemeinsamen Vorliegens dieser Phänomene. • Der Ausschluss übertriebener realer Sorgen und die Vorgabe, dass Personen Gedanken als Produkt des eigenen Geistes erkennen, entfallen. • Spezifikationsmerkmale beziehen sich auf unterschiedliche Grade der Einsicht (gute Einsicht bis Fehlen von Einsicht / wahnhafte Überzeugungen) und das Vorliegen einer gegenwärtigen oder früheren Ticstörung. Ehret, A.M. & Berking, M. DSM-IV und DSM-5: Was hat sich tatsächlich verändert? Verhaltenstherapie 2013;23:258-266 20 Literatur 21