Klinik für Fortpflanzungsmedizin Universität Zürich Departement für Nutztiere Winterthurerstrasse 260 CH-8057 Zürich Telefon +41 44 635 82 41 Telefax +41 44 635 89 40 www.fortpflanzung.uzh.ch UZH, Departement für Nutztiere Winterthurerstrasse 260, CH-8057 Zürich PD Dr. med. vet. Iris Margaret Reichler Abteilungsleiterin Kleintierfortpflanzung med. vet. Reto Fritsche Assistenztierarzt Tel. +41 44 635 90 68 [email protected] med. vet. Ann-Kristin Besold Assistenztierärztin Tel. +41 44 635 82 89 [email protected] Zürich, 23. Mai 2011 Information zum Projekt „Ektopischer Harnleiter beim Entlebucher Sennenhund“ Seit 2008 beschäftigen wir uns an der Klinik für Fortpflanzungsmedizin in Zürich mit ektopischen Ureteren (EU) beim Hund. Bei ektopischen Ureteren handelt es sich um eine angeborene Erkrankung, bei der einer oder beide Harnleiter (welche den Urin von den Nieren zur Blase führen) an einer falschen Stelle, z.B. zu nahe am Blasenausgang (Blasenhals), direkt in die Harnröhre oder sonst an einer abnormalen Stelle (wie die Scheide) münden. Man hat festgestellt, dass diese angeborene Erkrankung beim Entlebucher Sennenhund unverhältnismässig häufig auftritt, weshalb ein Projekt bei dieser Rasse mit der Unterstützung der Zuchtverbände und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Universitätskliniken Europas in Angriff genommen wurde. In einem ersten Schritt untersuchte Frau Fabienne Bitterli im Rahmen ihrer Doktorarbeit 468 Entlebucher und 71 Appenzeller Sennenhunde auf ektopische Ureteren. Es wurde der Phänotyp, d.h. der Mündungsort der Harnleiter sowie die klinische Bedeutung für die betroffenen Hunde erhoben. Die Untersuchung selbst erfolgt am sedierten Hund, und die Mündungsstellen der Harnleiter werden mittels Ultraschall dargestellt. In seltenen Fällen, wenn die Mündungen nicht lokalisiert werden können, wird nachträglich eine CT-Untersuchung oder Endoskopie empfohlen. Zu den Ergebnissen: Es zeigten lediglich 34% der Entlebucher Sennenhunde Harnleitermündungen am normalen Ort. Als Vergleich wurden auch Appenzeller Sennenhunde untersucht, bei diesen zeigten 85% beidseitig normale Mündungen. Die meisten der Entlebucher Sennenhunden (48%) zeigten eine leichte Form der ureteralen Ektopie, das heisst sie hatten mindestens eine Mündung im Blasenhals. 13% der Entlebucher Sennenhunde zeigten Mündungen im Bereich der Harnröhre. Bei 21 Hunden konnte mittels Ultraschall keine Diagnose gestellt werden. Der Anteil der Entlebucher mit Inkontinenz (aufgrund ektopischer Ureteren) lag bei 6%. Inkontinenz trat vor allem bei Hunden mit Mündungen in der Harnröhre auf, zum Zeitpunkt der Untersuchungen waren 35% dieser Hunde inkontinent. Nur wenige Hunde (2%) mit Mündungen im Blasenhals zeigten klinische Symptome. Seite 1/2 Klinik für Fortpflanzungsmedizin Inkontinenz ist nicht nur für den Besitzer sondern auch für den betroffenen Hund sehr unangenehm. Darüber hinaus begünstigt Inkontinenz auch die Entstehung von Folgeerkrankungen, wie aufsteigende bakterielle Entzündungen der Blase und in schweren Fällen auch der Nieren. Bei der Untersuchung wurde ganz vereinzelt auch bei äusserlich gesunden Hunden Wassernieren (Hydronephrose) festgestellt. Eine Wasserniere entsteht infolge eines Rückstaus, welcher auf einen nicht korrekt mündenden Harnleiter zurückzuführen ist. Dieser Rückstau kann zu Nierenversagen und damit zum Tod des Hundes führen. Betroffene Hunde entwickeln meist erst dann Symptome, wenn 70% der Nieren nicht mehr arbeiten. In diesem Stadium ist eine Therapie meist nicht mehr möglich. Ein Rückstau in Harnleiter oder Nierenbecken war zwar selten (9 Hunde), sie traten jedoch sowohl bei Entlebuchern mit Mündungen in der Harnröhre (7 Hunde) als auch bei solchen mit Mündungen im Blasenhals auf (2 Hunde). Diese Untersuchungen bestätigen, dass beim Entlebucher Sennenhund ektopische Ureteren deutlich gehäuft auftreten. Verschiedene Berichte aus der Literatur dokumentieren eine familiäre Häufung von Fällen, sowie ein höheres Auftreten bei bestimmten Rassen wie Briard oder Labrador Retriever. Beides lässt eine erbliche Ursache vermuten. Fallbeschreibungen existieren jedoch auch für verschiedenste andere Rassen, so u.a. Siberian Husky, Neufundländer, Bulldogge, West Highland White Terrier, Foxterrier, Mini- u. Toy Pudel, Golden Retriever, Skye Terrier, Beauceron, und Sheltie. Mittels Segregationsanalyse konnten wir äussere Einflüsse auf die Entstehung der Erkrankung beim Entlebucher Sennenhund ausschliessen, so dass eine genetische Ursache beim Entlebucher Sennenhund angenommen werden muss. In Zusammenarbeit mit den Zuchtverbänden der Entlebucher Sennenhunde versuchen wir nun den Erbgang der Krankheit zu identifizieren und/oder die für die Erkrankung verantwortliche Genregion zu lokalisieren, mit dem Ziel später einen Gentest entwickeln zu können. Erste sehr vielversprechende Ergebnisse liegen bereits für die Lokalisation der verantwortlichen Genregion beim Entlebucher Sennenhund vor. Der erste Vergleich der DNA gesunder Hunde mit jener von betroffenen Hunden (Genom-weite Assoziationsstudie) zeigt bei einer Chromosomenlokalisation einen tendenziellen Unterschied. Dieses Ergebnis stimmt uns optimistisch, zur weiteren Eingrenzung der für die Erkrankung verantwortlichen Genregion benötigen wir jedoch noch mehr Untersuchungsbefunde. Inwieweit es sich beim Sheltie um dasselbe genetische Problem handelt ist unklar. In unserer Klinik wurden bisher 8 Shelties mit ektopischen Ureteren diagnostiziert. Für die Rasse ist es wichtig, dass alle betroffenen Hunde dem Zuchtverband gemeldet werden, um festzustellen, ob auch der Sheltie gehäuft von diesem Problem betroffen ist. Freundliche Grüsse PD Dr. med. vet. Iris Reichler Seite 2/2 med. vet. Ann-Kristin Besold med. vet. Reto Fritsche