Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie

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Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie
- der Präsident Prof. Dr. med. Karlheinz Voigt
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie, der Präsident
Institut für Normale und Pathologische Physiologie
der Universität Marburg
Deutschhausstr. 1-2
35037 Marburg
Tel.: 06421 286-6444
Fax: 06421 286-2306
e-mail: [email protected]
Versorgung endokrinologischer/diabetologischer Patienten
in Deutschland*
I.
Innere Medizin
Seite 2 - 8
II.
Pädiatrie
Seite 8 - 11
III.
Gynäkologie und Reproduktionsmedizin
Seite 11 - 15
*
Verfasst von der Berufspolitischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (Federführung Prof. Dr. Raue, Heidelberg) und der Arbeitsgemeinschaft für
Pädiatrische Endokrinologie (Prof. Dr. Grüters-Kieslich, Berlin)
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)2
I. Stellungnahme zur bedarfsgerechten Versorgung im Bereich Internistische
Endokrinologie und Diabetologie
Vorbemerkung
Aus Mangel an verlässlichen Daten zur Patientenversorgung werden hier überwiegend Stellungnahmen von Experten ihres Gebietes dargestellt und bei fehlenden
epidemiologischen Daten relevante Beispiele angegeben.
Versorgungsgrad
Die Endokrinologie ist als selbstständiger Schwerpunkt in der Inneren Medizin verankert und hat auch Schwerpunkte in der Gynäkologie und Pädiatrie.
Die ambulante Versorgung erfolgt durch endokrinologische Schwerpunktpraxen
(ca. 76), Hochschulambulanzen (siehe zur Lage der universitären Endokrinologie)
und ermächtigte Ärzte in Krankenhäusern (ca. 20). Damit ist ein Netz von Kompetenzzentren für Endokrinologie gegeben, das für eine flächendeckende Versorgung
nur in wenigen Ballungsgebieten ausreichend ist. Es muss in vielen Regionen deutlich verbessert werden, da für ländliche Gebiete manchmal eine Anreise der Patienten von über 100 km notwendig ist. Hier kommt es leider wegen der nicht ausreichenden Aus- und Weiterbildung von Nichtendokrinologen zu bedrohlich verzögerten
Überweisungen von Patienten z. B. mit Akromegalie, Phäochromoektom, Morbus
Addison, Morbus Cushing oder Hyperparathyreodismus.
Neben den häufigen Erkrankungen der Schilddrüse, des Diabetes mellitus, der Osteoporose und der Gonaden werden seltene Krankheitsbilder wie Störungen der Hypophyse und Nebenniere (ca. 80% der kausal therapierbaren Hochdruckformen sind
auf endokrine Störungen zurückzuführen) von Endokrinologen behandelt. Auf der
anderen Seite führt nicht selten eine von Nichtendokrinologen häufig vorgenommene
endokrine Diagnostik, z. B. Hochdruckabklärung, durch Nichteinhaltung der Standardbedingungen zu falsch positiven Ergebnissen mit der Konsequenz der sinnlosen
Überdiagnostik (z. B. CT/ MRT/ Szintigraphie der Nebenniere wegen falsch positivem Aldosteron- bzw. Katecholaminenwerte) oder falsch negativen Ergebnissen wegen insuffizienter Vorbereitung des Patienten mit übersehenem und falsch thera-
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pierten und ggf. zu spät diagnostizierten endokrinen Hypertonus mit Organschäden
(Fehlversorgung). Manche endokrinologische Praxen haben einen überregionalen
Schwerpunkt für bestimmte Teilaspekte entwickelt - gynäkologische oder pädiatrische Endokrinologie, osteologischer, thyreologischer oder diabetologischer Schwerpunkt.
Die stationäre Versorgung von endokrinologischen Patienten wird durch entsprechende Abteilungen an den meisten Universitätskliniken oder Fachabteilungen größerer Kliniken der Maximalversorgung (ca. 15) durchgeführt. Es werden Patienten
zur Diagnostik komplexer endokriner Erkrankungen (z. B. endokrinen Tumoren, Tagesprofile, usw.) oder Therapie bei endokrinen Krisen, endokrinologischer Begleiterkrankung einer schwerwiegenden internistischen Erkrankung oder Komplikationen
des Diabetes mellitus aufgenommen, sofern eine ambulante Versorgung nicht oder
nicht mehr möglich ist. Bei fehlender ambulanter Kompetenz erfolgt gelegentlich eine
Einweisung zur endokrinen Diagnostik in nicht spezialisierte Kliniken (Fehlbelegung).
Fazit: Anzahl und Dichte der endokrinologischen Kompetenzzentren müssen in vielen Gegenden deutlich erhöht werden (ggf. endokrinologischer Konsiliardienst
in nicht endokrinologischen Kliniken).
Schilddrüsenerkrankungen
Bei der Prophylaxe der Jodmangelstruma liegt trotz beachtlicher Erfolge des Arbeitskreises Jodmangel noch ein Defizit in der Aufklärung bezüglich der Jodversorgung
der Bevölkerung durch die Hausärzte, Kinderärzte und ggf. Gynäkologen (Schwangerschaft) vor. Während in den Ballungsgebieten die Versorgung der Strumapatienten durch Endokrinologen ggf. in Kooperation mit Nuklearmedizinern gewährleistet
ist, fehlt in ländlichen Gebieten die Kompetenz, häufig kann noch nicht einmal eine
Sonographie der Schilddrüse durchgeführt werden. Die diagnostische Richtlinie, die
Schilddrüsensonographie immer vor der Szintigraphie einzusetzen und nur bei gezielter Fragestellung ein Szintigramm durchzuführen, ist ebenfalls noch nicht überall
Standard. Der Kenntnisstand der Nicht-Endokrinologen zu Immunthyreopathien, insbesondere der endokrinen Orbitopathie, der Schilddrüsenmalignome, Thyreoiditis de
Quervain und familiärer Endokrinopathien ist unzureichend, die Indikationsstellung
zu den verschiedenen Therapieoptionen (Operation, Radiojodtherapie, externe Ra-
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diatio, Immunsuppression) unsicher. Die Überweisung zum Endokrinologen erfolgt
entweder gar nicht oder zu spät oder häufig nach umfangreicher überflüssiger Diagnostik.
Fazit: Bessere Jodversorgung der Bevölkerung durch hausärztliche Aufklärung, früh
zeitige Überweisung von Patienten mit komplexen Schilddrüsenerkrankungen
(s. o.) zum kompetenten Endokrinologen. Indikationsstellung zu differenzierten
Therapien (Operation oder Radiojodtherapie) und Langzeitbetreuung komplexer Krankheitsbilder durch den Endokrinologen (Definition der Schnittstelle).
Osteoporose und Calciumstoffwechsel
In Folge fehlender verbindlicher Diagnostik und Therapie (Leitlinien werden erarbeitet) wird das Krankheitsbild der Osteoporose von Orthopäden, Rheumatologen, Allgemein-Internisten, Gynäkologen, Radiologen und Hausärzten unterschiedlich behandelt. Das Ziel, die Fraktur bei Osteoporose zu verhindern bzw. die Frakturrate zu
senken, ist noch lange nicht erreicht. Der Endokrinologe kann eine effektive Diagnostik, z. B. Erfassung des Risikoprofils und Ausschluss sekundärer Ursachen, der
Osteoporose durchführen und eine medikamentöse Langzeittherapie indizieren und
überwachen. Die Osteodensitometrie kann jedoch seit dem 1.4.2000 nicht mehr zur
Risikoabschätzung bei Hypogonadismus, Hypercortisolismus (endogen oder exogen
Glucocorticoidtherapie) und dem primären Hyperparthyreoidismus eingesetzt werden, da sie nur noch bei manifester Osteoporose (Fraktur) Kassenleistung ist. Dagegen spielt die Osteosonographie (eine wenig evaluierte Methode ohne Qualitätskontrolle), im Selbstzahlerbereich eine zunehmende Rolle und verursacht durch ihre
Diagnostik im Kassenbereich eine teure, häufig nicht indizierte medikamentöse Therapie. Bei Feststellung von Hyper- und Hypocalciämie (DD Hyperparathyreoidismus,
Hyperparathyreoidismus) und seltenen Knochenerkrankungen (Osteomalazie, M.
Paget) sollte frühzeitig ein kompetenter Endokrinologe hinzugezogen werden, um
Überdiagnostik, zu späte Diagnostik und Fehltherapie zu vermeiden.
Fazit: Der Endokrinologe sollte die Diagnostik und Langzeitbetreuung der Osteoporosepatienten sowie der Patienten mit Calciumstoffwechselstörungen und
seltenen Knochenerkrankungen übernehmen.
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)5
Diabetes mellitus
Die Diabetesversorgung hat sich durch Einführung der unterschiedlichen Diabetesverträge in den einzelnen Ländern nur unzureichend verbessert, die Vorschläge
werden nur zögerlich umgesetzt, viele Patienten werden nicht oder zu spät in eine
entsprechend kompetente Praxis überwiesen. Die Einführung des Diabetologen
DDG ist ein Schritt in die richtige Richtung und wird von der zukünftigen Weiterbildungsordnung des Schwerpunktes Endokrinologie aufgenommen (Diabetologe als
Zusatzbezeichnung und Umbenennung des Schwerpunktes in Endokrinologie / Diabetologie).
Einige Endokrinologen haben jetzt schon eine diabetologische Schwerpunktpraxis,
die im Rahmen von Strukturverträgen mit den anderen Leistungserbringern die Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus gewährleistet. Hier wäre eine weitere
Förderung der endokrinologischen Praxen als Kompetenzzentren für die ambulante
Patientenversorgung wünschenswert. Die im Rahmen der Weiterbildung zum Endokrinologen besonders erworbenen Kenntnisse bezüglich des metabolischen Syndroms mit allen Facetten (Adipositas, Hyperlipidämie, Hypertonie) und deren Langzeitfolgen wie Arteriosklerose sollten insbesondere für die Prophylaxe kardiovaskulärer Erkrankungen eingesetzt werden. Entsprechende Präventionsprogramme sind zu
evaluieren.
Fazit: Die endokrinologische Praxis sollte nach entsprechenden Voraussetzungen
als diabetologische metabolische Schwerpunktpraxis geführt werden und sich
um die Prophylaxe der kardiovaskulären Erkrankungen kümmern.
Endokrinologisches Labor
Der größte Teil der teuren Hormonanalytik wird von Nicht-Endokrinologen angeordnet und von Laboratoriumsmedizinern durchgeführt. Dies mag für einzelne Screening-Parameter sinnvoll sein (z. B. TSH), um Patienten mit entsprechenden Störun-
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gen herauszufiltern. Die überwiegende Zahl der unter nicht definierten Umständen
(Zyklus, Biorhythmus, Medikamenteneinnahme usw.) entnommenen und nicht immer
unter Standardbedingungen ins Labor transportierten Proben produzieren eine große
Zahl von teuren und sinnlosen Untersuchungen. Im großen Umfang wird von NichtEndokrinologen der TRH-Test neben der T3 und T4 Bestimmung bei allen Schilddrüsen-Patienten durchgeführt, obwohl seit Jahren von der Fachgesellschaft der
TRH-Test zur Schilddrüsendiagnostik als obsolet bezeichnet wird. Die Empfehlung
einer Stufendiagnostik (Ausschluss-, Nachweisdiagnostik) wird nicht beachtet, so z.
B. als erster Schritt in der Diagnostik eine einfache TSH-Bestimmung zum Ausschluss von Funktionsstörungen der Schilddrüse. Häufig wird automatisch im ersten
Ansatz eine komplette Labor-Diagnostik durchgeführt (T3,T4,TBG oder fT3, fT4 sowie Schilddrüsenantikörper-Bestimmungen). Die weiterführende Hormon-Diagnostik
von endokrinologischen Erkrankungen sollte nur von einem Endokrinologen durchgeführt werden.
Fazit: Liste von Hormonanalytik, die nur vom Endokrinologen angeordnet werden
darf. Qualitätsmanagement für Hormonanalytik einführen.
Verbesserung der Strukturqualität
Ein wichtiges Strukturelement in der Patientenversorgung ist die Definition der
Schnittstelle: Was kann der Hausarzt durchführen (Screeninguntersuchungen, Mitbetreuung), wann muss er an den Endokrinologen überweisen (differenzierte Diagnostik und Therapie). Dies müsste ähnlich wie beim Diabetes mellitus für die wichtigsten endokrinologischen Erkrankungen definiert werden und im Rahmen strukturierter Fortbildung umgesetzt werden.
Der Aufbau eines Kompetenznetzwerkes der Endokrinologen für bestimmte Funktionsbereiche (z. B. Molekulare Diagnostik von endokrinologischen Erkrankungen)
und Erkrankungen (endokrine Orbitopathie, MEN 1, MEN 2) getrennt zugänglich für
Kollegen und Patienten (Internet) wäre wünschenswert.
Zur Lage der universitären Endokrinologie
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)7
Die Endokrinologie stellt eine Kerndisziplin der Inneren Medizin dar, ihre Bedeutung
für Forschung und Lehre ist zentral, dazu diametral werden die Ressourcen der Universitäten, welche der endokrinologischen Patientenversorgung zukommen, stets
geringer, endokrinologische Hochschulambulanzen müssen geschlossen werden.
Die Endokrinologie als ambulantes Fach leidet besonders unter der unangemessenen Vergütung der Hochschulambulanzen (Poliklinikverträge, wenige Ermächtigungen). Ihre wichtige Aufgabe an der Schnittstelle verschiedener Versorgungsebenen
zwischen stationärer und ambulanter Versorgung kann sie nur unzureichend wahrnehmen, da starre Vergütungs- und Versorgungsstrukturen dem entgegenstehen.
Hier sollen "Endokrinologische Modellambulanzen", als Kernstück der endokrinologischen und diabetologischen Versorgung innerhalb eines räumlich begrenzten Versorgungsnetzes nach modernen Wirtschaftlichkeits- und Versorgungsqualitätsmaßstäben eingerichtet werden. Ausgehend vom Versorgungsbedarf soll ein Netzwerk
mit wohl definierten Schnittstellen für Hausärzte, Fachärzte und Fachambulanz und
Universitätskrankenhaus konzipiert werden, das ein höchst mögliches Maß an Kostentransparenz und leitliniengesteuerter Qualitätssicherung zulässt.
Nur so kann auch der steigende Bedarf an Weiterbildungsstellen für qualifizierte Endokrinologen realisiert werden, da im stationären Bereich die Anzahl der Weiterbildungsstellen wegen schrumpfender Abteilungsgröße oder Nichtbesetzung von ehemaligen Lehrstühlen der Endokrinologie rückläufig ist. Das gleiche gilt für Forschung
und Lehre.
Fazit: Nur durch Neustrukturierung der Hochschulambulanzen (z. B. "Endokrinologische Modellambulanzen") in ein integriertes Netzwerk mit Definition der
Schnittstellen und transparenter Kostenstruktur lassen sich die für die Versorgung von endokrinologischen Patienten notwendige Kompetenz auf hohem
Niveau, die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und die Forschungsressourcen halten und weiterentwickeln.
II. Stellungnahme zur bedarfsgerechten Versorgung im Bereich Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie in der Bundesrepublik Deutschland
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Die Inhalte der Pädiatrischen Endokrinologie umfassen zum einen seltene Krankheitsbilder, wie Störungen der Geschlechtsdifferenzierung, das angeborene Andrenogenitale Syndrom, den Morbus Cushing etc. mit Häufigkeiten zwischen 1:8 bis
1:50.000; zum anderen aber auch sehr häufige Erkrankungen wie Wachstumsstörungen, Übergewicht und Schilddrüsenerkrankungen sowie den Diabetes mellitus
im Kindes- und Jugendalter. Nach Einschätzung der internationalen Fachgesellschaften (ESPE - Europäische Gesellschaft für Pädiatrische Endokrinologie, Lawson-Wilkin Society of Pediatric Endocrinology der Vereinigten Staaten), wären für
eine bedarfsgerechte Versorgung auf diesem Fachgebiet 2-3 in diesem Fachgebiet
spezialisiert Ärzte pro 1 Mill. Einwohner erforderlich. Die Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie hat zwar 200 Mitglieder. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass ungefähr 1/3 der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft noch in
der Weiterbildung zum Facharzt ist und darüber hinaus noch ca. 10% der Mitglieder
ihre berufliche Tätigkeit bereits eingestellt haben. Somit ist rein zahlenmäßig der Bedarf im Fachgebiet für pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie spezialisierter
Ärzte nicht gedeckt. Als Grund hierfür ist im wesentlichen anzuführen, dass es trotz
erheblicher Bemühungen von Seiten der Fachgesellschaft bislang nicht gelungen ist,
eine qualifizierte Weiterbildung in diesem Fachgebiet zu implementieren und eine
Zusatzqualifikation im Sinne einer fakultativen Weiterbildung, oder Schwerpunkt im
Fachgebiet Pädiatrie, bislang nicht durchzusetzen war. Dies hat dazu geführt, dass
das Interesse an diesem Fachgebiet sich auf die Universitätskliniken beschränkt hat,
da außerhalb der Universitäten ohne eine Schwerpunktsbezeichnung bzw. führbaren
Titel im Sinne einer fakultativen Weiterbildung keine beruflichen Perspektiven gegeben waren. Da es sich jedoch bei den diagnostischen und auch therapeutischen
Verfahren im Bereich der pädiatrischen Endokrinologie um sehr kostenintensive
Maßnahmen handelt, bei denen sehr leicht jährliche Kosten von 50.000,- DM pro
Behandlungsfall entstehen, hält es die Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie auch hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Gesundheitswesens für dringend erforderlich, eine qualifizierte Weiterbildung, wie sie in vielen
europäischen
Staaten
bereits
eingeführt
ist,
zu
implementieren.
Daher wird dem Ärztetag 2001 der Antrag auf Bildung eines Schwerpunktes in pädiatrischer Endokrinologie und Diabetologie im Fach Kinderheilkunde vorgelegt.
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)9
In der Anlage findet sich das hierzu ausgearbeitete Curriculum, das mit dem Weiterbildungs-Curriculum der Europäischen Gesellschaft für Pädiatrische Endokrinologie
abgestimmt ist. Die qualifizierte Weiterbildung und damit die Möglichkeit des Nachweises der Expertise wird dazu führen, dass eine größere Flächendeckung im Bereich der pädiatrischen Endokrinologie und Diabetologie erreicht wird und außerdem
die anhand vieler Einzelfälle bekannt gewordenen, unnötigen diagnostischen und
therapeutischen Verfahren durch nicht spezialisierte Ärzte verringert werden. Andererseits können dann Patienten mit seltenen Erkrankungen Experten zugewiesen
werden.
Die derzeitige Situation, die eine Anwendung der kostenintensiven diagnostischen
und therapeutischen Verfahren durch nicht qualifizierte Mediziner zulässt, hat in der
Bundesrepublik sowohl zur Unter- als auch zur Fehlversorgung geführt. Die Situation
ist in den letzten Jahren dadurch dramatisch verschlimmert worden, dass die Universitäts-Polikliniken in ihren Möglichkeiten eingeschränkt wurden und in pädiatrischendokrinologischen Abteilungen derzeit Wartezeiten von bis zu 6 Monaten bekannt
sind. Hierbei ist in den nächsten Jahren mit einer deutlichen Verschlechterung der
Situation zu rechnen, zumal der Nachstrom an jungen Medizinern, die eine Ausbildung im Bereich der pädiatrischen Endokrinologie und Diabetologie anstreben, in
den letzten Jahren stark zurückgegangen ist und auch im Bereich der Universitäten
keine Perspektiven mehr geboten werden können, da die pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie im Gegensatz zu Fächern der Akutmedizin wie Neonatologie,
Onkologie und pädiatrische Intensivmedizin ein nahezu rein ambulantes Fach darstellt.
Als zweiter Punkt ist die Unterversorgung in der Verfügbarkeit spezialisierter Labore,
die sich auf die Labordiagnostik im Bereich der pädiatrischen Endokrinologie und
Diabetologie spezialisiert haben, zu nennen. Mit zunehmender Zentralisierung der
labormedizinischen Möglichkeiten, insbesondere auch im Bereich der Universitätsmedizin, ist es zu einer dramatischen Reduktion der Labore, die sich auf die Bestimmung von Hormonen im Kindesalter spezialisieren konnten, gekommen und es
gibt nach Kenntnis der Fachgesellschaft derzeit nur noch an unter 10 Universitätskliniken Laboratorien, die über spezialisierte Hormonbestimmungen im Kindesalter
verfügen. Auch hier ist es bereits zu erheblichen Engpässen gekommen, da nicht
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)10
alle Labore über das Gesamtspektrum der Diagnostik verfügen, sodass sich zwar
bereits ein Netzwerk der verbliebenen Laboratorien mit unterschiedlicher Schwerpunktbildung herausgearbeitet hat, dieses Netzwerk kann jedoch nicht den Gesamtbedarf pädiatrisch-endokrinologischer Spezialdiagnostik in der Bundesrepublik decken. Ohne eine gesicherte Ausbildung im Fach pädiatrische Endokrinologie und
Diabetologie ist die Aufrechterhaltung dieser Speziallaboratorien an den Universitätskliniken in Zukunft nicht mehr möglich.
Als dritte wesentliche Säule in der Versorgung auf dem Gebiet der pädiatrischen Endokrinologie und Diabetologie ist die Ausbildung von anderen Subdisziplinen in diesem Bereich zu benennen, insbesondere die Ausbildung von qualifiziertem Pflegepersonal für die Funktionsdiagnostik und Schulung der Therapien. Eine qualifizierte
Ausbildung in diesem Bereich kann zu einer deutlich verbesserten Wirtschaftlichkeit
in der Versorgung in diesem Fachbereich führen. Wesentliche Inhalte müssen bislang von Medizinern wahrgenommen werden, da entsprechend qualifiziertes Pflegepersonal auch an Universitätskliniken nicht vorhanden ist.
In vielen Bereichen der pädiatrischen Endokrinologie und Diabetologie ist eine qualifizierte, auch psychologische bzw. psychotherapeutische Beratung und Therapie erforderlich, z. B. bei den Störungen der Geschlechtsdifferenzierung, dem Adrenogenitalen Syndrom, schweren Wachstumsstörungen und dem Diabetes mellitus. Auch
hier gibt es keine Zentren gibt es eine Teamversorgung der o. g. Patientengruppen
durch spezialisierte Ärzte und Therapeuten. Eine bedarfsgerechte Versorgung auch
in diesem Teil des Fachgebietes würde wiederum sicher dazu beitragen, dass eine
effizientere und wirtschaftlichere Versorgung möglich wäre, da auch hier durch flankierende psychologische oder psychotherapeutische Hilfen unnötige und unwirtschaftliche diagnostische und therapeutische Maßnahmen eingespart werden könnten.
Berlin, den 28. August 2000
Prof. Dr. A. Grüters-Kieslich
Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische
Endokrinologie/der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin/Sektion der Päd.
Endokrinologie der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
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III. Stellungnahme zur bedarfsgerechten Versorgung im Bereich der gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin
Die Frauenheilkunde befasst sich mit den geschlechtsspezifischen Organen
und Funktionen der Frau und deren Erkrankungen.
Seit Mitte der sechziger Jahre ist für die Frauenheilkunde erkennbar, dass aufgrund
methodischer Entwicklungen, insbesondere der Immunoassays und bestimmter
Formen der Hormontherapie, die Reproduktionsmedizin und Endokrinologie
Schwerpunkttätigkeit im ambulanten Bereich der Frauenheilkunde sein wird. Bis zu
diesem Zeitpunkt (ca. 1965 bis 1970) war die Reproduktionsendokrinologie innerhalb
der Frauenheilkunde ausschließlich eine Domäne einiger weniger Arbeitsgruppen in
Deutschland.
In der Zeit von 1965 bis 1973 sind an ca. 10 bis 12 deutschen Universitätskliniken
selbständige Abteilungen für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin innerhalb
der Frauenheilkunde eingerichtet und meistens mit C3- und wenigen C4-Positionen
besetzt worden.
In Deutschland gibt es ungefähr 14.000 beruflich aktive Gynäkologinnen und Gynäkologen, davon 9.000 im niedergelassenen (ambulanten) Bereich; somit sind ca.
zwei Drittel aller aktiv tätigen Frauenärztinnen und Frauenärzte ambulant tätig.
Endokrinologische und reproduktionsmedizinische Fragestellungen machen innerhalb der ambulanten Frauenheilkunde ca. 40% der Tätigkeit des Arztes aus. Ein
weiteres großes Teilgebiet innerhalb der ambulanten Frauenheilkunde ist die spezifisch gynäkologische Infektiologie. Beide Gebiete haben gemeinsam, dass Gynäkologen während ihrer Facharztweiterbildung diese Gebiete nicht ausreichend erlernen.
Somit ist festzustellen, dass Gynäkologen für ca. zwei Drittel ihrer ambulanten Tätigkeit nicht oder rudimentär ausgebildet sind.
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)12
Heutige Teilgebiete der Endokrinologie und Reproduktionsmedizin innerhalb
der Frauenheilkunde
Adoleszentenendokrinologie
3.
4.
5.
6.
Entwicklungsstörungen geschlechtsspezifischer Organe und Funktionen
Zyklusstörungen
psychogene und Essstörungen (z. B. Anorexie, Bulimie)
Kontrazeption im Jugendalter
Störungen im Androgenhaushalt
- Hirsutismus, Akne, Seborrhoe, Alopezie inklusive genetisch bedingte Störungen im Androgenhaushalt
Essstörungen
7. Übergewicht, Untergewicht, Fehlernährung und ihre endokrinen, metabolen
und onkologischen Folgen
Schwangerschaftsendokrinologie
8.
-
Frühdiagnostik
endokrine Störungen in der Schwangerschaft
chromosomale Defekte der Frucht
habitueller Abort
andere interdisziplinäre Fragen
Interdisziplinäre Fragestellungen in der Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, insbesondere im Hinblick auf Hormonsubstitution, Kontrazeption und
Schwangerschaft wie z. B.
- Autoimmunerkrankungen
- Tumorerkrankungen
- Thromboembolieneigungen etc.
Individualisierte Kontrazeption
9. Indikationen und Kontraindikationen
10. erwünsche und unerwünschte Nebenwirkungen
11. Interaktionen von Kontrazeptiva mit anderen Medikamenten
Endokrine Pharmakologie
12. Pharmakologie von Östrogenen, Gestagenen und Androgenen
13. Pharmakologie von Antihormonen (Antiöstrogenen, Antiandrogenen, Antikestagenen)
14. Pharmakologie von Prolaktinhemmern
- Pharmakologie von Phytöstrogenen und anderen SERMS
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- tumorrelevante Substanzen, insbesondere im Hinblick auf hormonaktive oder
hormonabhängige Tumoren
Altersendokrinologie (Peri- und Postmenopause, Senium)
- Prävention altersbedingter Mangelfolgen durch Hormone oder hormonartige
Substanzen
Hormonsubstitution, Kontrazeption und Schwangerschaften bei und nach malignen Tumoren, insbesondere hormonaktive und hormonabhängige Tumore
Infertilität und Sterilität
3. Ovulationsauslösung in der konventionellen Hormon- und Sterilitätssprechstunde
- in vitro-Fertilisation und ähnliche in vitro-Techniken
3. pränatale Endokrinologie
Andere präventive Aspekte vom Intrauterinleben bis zum Senium
4. Zyklusstörungen und ihre Abklärungen
- Differentialdiagnostik und Therapie des Climacterium praecox
Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktinsmedizin sind nur mangelhaft
vertreten an deutschen Universitäts-Kliniken und im niedergelassenen Bereich
Von den 36 deutschen Universitäts-Frauenkliniken haben ungefähr 10 eine Abteilung
für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Nicht mehr als fünf bis sechs sind
geeignet und in der Lage, das volle Spektrum den Kandidaten zur fakultativen Weiterbildung für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin anzubieten. Eine nennenswerte, internationale wettbewerbsfähige Grundlagenforschung auf dem Gebiet der
Gynäkologischen Endokrinologie und der Reproduktionsmedizin ist lediglich in zwei
bis drei Abteilungen erkennbar.
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es etwas mehr als 90 Schwerpunktpraxen,
die sich auf Reproduktionsendokrinologie spezialisiert haben. Größtenteils ist der
Schwerpunkt dieser Praxen an mehr als einem Arzt ausgerichtet, ebenso die in vitro-
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Fertilisation und verwandte Techniken. Weniger als 10 dieser Schwerpunktpraxen
haben eine „klassische“ gynäkologisch- endokrinologische Ausrichtung auf breiter
Basis.
Fazit: Gerade derjenige Anteil der Frauenheilkunde, der für die breite Versorgung
der Bevölkerung und über die 9.000 niedergelassenen Gynäkologen hinaus essentiell ist, ist weder an den Universitätskliniken noch in den Schwerpunktpraxen adäquat vertreten mit gravierenden Nachteilen für die ärztliche Versorgung und einer
nur geringen internationalen wissenschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit.
Fort- und Weiterbildung in Gynäkologischer Endokrinologie und Reproduktionsmedizin sind vollkommen unzureichend
Deutsche Universitätskliniken, Ärztekammern und wissenschaftliche Fachgesellschaften haben es in den nunmehr 35 Jahren der Existenz einer gynäkologischen
Endokrinologie und Reproduktionsmedizin trotz potentiellen Wachstums der Methodenkenntnisse und Anwendungsmöglichkeiten im reproduktions-endokrinologischen
Bereich nicht vermocht, ein obligates und abgeprüftes Fort- und Weiterbildungsprogramm für ambulante tätige Gynäkologen zu entwickeln und zu etablieren.
Der größere Teil der Facharztkandidaten und Assistenten für die fachärztliche Weiterbildung wird in Stadt-, Kreis- und anderen Krankenhäusern mit voller Ermächtigung zur Facharztweiterbildung ausgebildet. Dort gibt es nahezu keine Möglichkeiten, sich die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten für die Endokrinologie und
Reproduktionsmedizin anzueignen.
Fortbildungskurse auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin und Endokrinologie
bleiben der lokalen zufälligen Verfügbarkeit und ihr Besuch ausschließlich der Eigeninitiative der Teilnehmer überlassen.
Ein Qualitätskontrollsystem und bundesweit einheitlich geltende Qualitätsrichtlinien
gibt es nicht oder noch nicht.
Fazit: Nahezu alle ambulant tätigen Gynäkologen sind auf dem Gebiet der Endokrinologie und Reproduktionsmedizin innerhalb der Frauenheilkunde ”Autodidakten“,
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also etwa für 40% ihrer ambulanten Tätigkeit. Feste Weiterbildungscurricula und angemessene Prüfungen in diesen Bereichen fehlen.
Diese Missstände haben auch dazu geführt, dass entsprechend der unzureichenden
Etablierung der Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an deutschen Universitäten und anderen Schwerpunkteinrichtungen auch das Problembewusstsein für diesen Teil der ambulanten gynäkologischen Tätigkeiten bei den Krankenkassen, den
Kassenärztlichen Vereinigungen und den Ärztekammern unterentwickelt ist.
Für eine Verbesserung der nahezu desolaten ärztlichen Betreuung im Bereich der
Gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin
sind folgende Ver-
änderungen dringend angezeigt:
3. Mittel- und langfristige Etablierung von eigenständigen Abteilungen an allen Universitäts-Frauenkliniken:
-
Operative Gynäkologie und Onkologie
Geburtsmedizin
Endokrinologie und Reproduktionsmedizin
Diese Einsicht scheint sich auch bei den verantwortungsgewussten Persönlichkeiten der deutschen Gynäkologen durchzusetzen und hat vielleicht auf dem langen Weg der mühsam arbeitenden akademischen Gepflogenheiten eine Chance.
4.
Einrichtung der beim letzten Ärztetag in Köln vorgestellten Schwerpunktbezeichnung "Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin".
3. Einrichtung von in Deutschland flächendeckenden Möglichkeiten zur Fort- und
Weiterbildung auf dem Gebiet der Gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, vorläufig mit Zertifizierungen durch die wissenschaftlichen Gesellschaften, so lange keine verbindlichen Qualitätskriterien der eigentlich dafür
zuständigen Gremien bestehen.
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