Der Ginkgo – ein Exot mit Vergangenheit

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Der Ginkgo – ein Exot mit Vergangenheit
Nicht zuletzt die Dichtkunst Johann Wolfgang von Goethes verhalf dem Ginkgo in Europa zu einem weit
reichenden Bekanntheitsgrad: Der Dichterfürst nahm in seinem Gedicht „Ginkgo biloba“, das er seiner
Geliebten Maria von Willemer widmete, die charakteristische Form des Ginkgo-Blattes allegorisch auf
(siehe links Originalbrief aus dem Goethe-Museum Düsseldorf). Überhaupt war sein Interesse an diesem erst 1730 in Europa mit Erfolg eingeführten ostasiatischen Baum sehr ausgeprägt: noch heute
kann man Ginkgos bewundern, die Goethe seinerzeit pflanzen ließ, so z.B. ein Exemplar im Botanischen Garten in Jena (= ehemaliger Garten Goethes) oder den mächtigen Goethe-Ginkgo in Weimar.
Und in der Tat, der Ginkgo ist eine in vieler Hinsicht bemerkenswerte Pflanze:
Sein Name: Eigentlich müsste der Ginkgo (deutsch: „Silberaprikose“) ja Ginkyo heißen. Offensichtlich hat der Arzt und Botaniker Engelbert Kämpfer, der im Jahre 1712 den Ginkgo erstmals
wissenschaftlich beschrieb, bei der Transkription aus dem Sinojapanischen einen Fehler gemacht, den Linné 1771 übernahm, als er den heute allein gültigen wissenschaftlichen Namen
vergab.
Ginkgo biloba –J.W.v.Goethe: Original-Handschrift (Goethe-Museum Düsseldorf)
Seine Stammesgeschichte: Seine Verwandtschaftsgruppe gibt
es mit Sicherheit schon seit ca. 280 Millionen Jahren (Unteres
Perm). Die größte Formenfülle und Ausbreitung erreichten die
Ginkgo-Gewächse schließlich von der Trias bis zur Kreide
(vor ca. 220 - 135 Millionen Jahren; Abb.2), also zur ‚Blütezeit’
der Dinosaurier (!). Überlebt hat nur eine Art, nämlich unser
Ginkgo biloba, den es vermutlich seit ca. 50 Millionen Jahren
gibt (Tertiär; Abb. 1) und der seinerzeit auch in Europa in artenreichen Laubmischwäldern verbreitet war. Das folgende Eiszeitalter überdauerte unser Ginkgo als letzter Überlebender einer einst artenreichen Gattung an wenigen Standorten im ostasiatischen Raum. Mit Fug und Recht kann man ihn folglich als
lebendes Fossil bezeichnen.
Seine Herkunft: Seine Wildstandorte beschränken sich auf die
Bergwälder von Anhwei und Chekiang im Südosten Chinas
(Punkte in Abb. 3). Dort fand man offenbar auch Exemplare, die
mehrere tausend Jahre alt sein sollen. Seit langem wird der
Ginkgo im ostasiatischen Raum u.a. als Tempelbaum angepflanzt und genießt dort bis heute einen ausgeprägten Kultstatus. Von China fand er auch seinen Weg nach Europa, wo er
seit 1730 mit Erfolg eingeführt ist.
Abb. 1: Ginkgo biloba aus dem Tertiär
Abb. 2: Ehemalige natürliche Verbreitung der Ginkgos (Linie) und heutiges Wildvorkommen von G. biloba
(Punkte)
Seine Widerstandskraft: Den Atombombenabwurf über Hiroshima am 6. August 1945 überlebten mehrere Ginkgobäume,
von denen ein Exemplar nur ungefähr 1 km von der Abwurfstelle der Bombe entfernt neben einer Tempelanlage stand. Der
Tempel selbst wurde völlig zerstört, während der Baum sich
wieder erholte und neu austrieb. Er existiert noch heute (Abb.
3). Wegen seiner hohen Widerstandskraft gegen Schädlinge,
Krankheiten und Immissionen wird der Ginkgo heutzutage auch
gerne als Straßenbaum in den Innenstädten angepflanzt.
Einer der weiblichen Ginkgo-biloba-Bäume im Pforzheimer Stadtgarten
Ginkgo-Baumreihe am Landratsamt in der Pforzheimer
Güterstraße, in der noch zahlreiche weitere Ginkgos
gepflanzt sind
Seine Biologie: Der Ginkgo ist eingeschlechtig, d. h., es treten
entweder rein männliche oder rein weibliche Blüten auf. Diese
sind in der Regel auf verschiedene Bäume verteilt, so dass es
folglich männliche und weibliche Bäume gibt. Sehr selten finden sich an älteren männlichen Bäumen weibliche Blüten. Beispiele hierfür sind ein etwa 180 Jahre altes, männliches Exemplar im Botanischen Garten Jena und ein mehrere Jahrhunderte
alter, ebenfalls männlicher Baum in Sendai (Japan). Die fleischige Ginkgo-‚Frucht’ (= Same mit fleischig entwickelter Samenschale) stinkt ranzig nach Butter- und Valeriansäure, so
dass für Alleenpflanzungen in der Regel nur männliche Bäume
verwendet werden. Leider kann man erst nach 30 bis 40 Jahren
sicher feststellen, ob es sich bei den gepflanzten Exemplaren
um männliche oder weibliche Pflanzen handelt. So berichtet
DAHL (1997) von einer (weiblichen) Ginkgo-Allee in Mönchengladbach-Rheydt, die alljährlich im Spätherbst Ursache wütender Leserbriefe in der Lokalpresse ist.
Abb. 3: Hiroshima-Ginkgo in
Hosen-ij
Abb. 4: Jugenstil-Brosche mit GinkgoBlättern aus Pforzheimer Produktion
(Schmuckmuseum Pforzheim).
In Pforzheim sind in der Zwischenzeit viele Ginkgos sowohl in Privatgärten wie auch im öffentlichen
Grün gepflanzt worden. So finden sich zum Beispiel im Stadtgarten mehrere Ginkgos unterschiedlichen Alters - im Übrigen auch weibliche Exemplare, die im Herbst schöne goldgelbe „Früchte“ tragen
und dann auch den typischen Geruch nicht missen lassen. Entlang der Güterstraße sind in den letzten
Jahren gleichfalls viele Ginkgos gepflanzt worden, so z.B. auf Höhe des Landratsamtes. Wer sich für
das Thema Ginkgo interessiert, sollte auch dem Schmuckmuseum Pforzheim einen Besuch abstatten: dort finden sich Exponate, in denen das Ginkgoblatt künstlerisch verarbeitet ist (z.B. Abb.4).
Die Schönheit des fächerförmigen Blattes, die erstaunliche Stammesgeschichte der Art, seine hohe
Widerstandskraft und Vitalität, die ihn befähigt, Bakterien- und Pilzbefall wie auch stärkste radioaktive
Strahlung und Feuerstürme zu überdauern, die herausragende Bedeutung des Ginkgos in sehr unterschiedlichen Kulturkreisen sowie auch seine breite medizinische Anwendungspalette unterstreichen die
Sonderstellung, die dieser Baum sowohl in Wissenschaft als auch in Kunst, Kultur und im Gartenbau
einnimmt.
Text: Hilligardt Fotos: Mandy Conti (Hiroshima-Ginkgo), fossilmuseum.net (Versteinerungen), Hilligardt (sonstige)
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