Lineare Algebra Kapitel 9. Vektorräume • Der Körper der reellen Zahlen • Der Vektorraumbegriff, Beispiele • Rechnen in Vektorräumen • Linearkombinationen und Erzeugendensysteme • Lineare Abhängigkeit und Unabhängigkeit • Basisbegriff • Standardbasis des Rn • Dimension eines Vektorraums • Unterräume; Summe und Durchschnitt • Lineare Hülle Vektorräume und Lineare Abbildungen Die angesprochene Thematik macht den Kern dieser Veranstaltung aus. Lineare Techniken sind zentral für weite Bereiche mathematischen Argumentierens. Durch in der Analysis thematisierte Lineare Approximation reduzieren wir komplizierte Probleme auf lineare Probleme. Die linearen Probleme, hinwiederum, reduzieren sich typischerweise auf das Lösen Linearer Gleichungssysteme, deren Lösungstechnik in dieser Vorlesung einen entsprechend großen Stellenwert hat. Zunächst behandeln wir den Körper der reellen Zahlen. Dann führen wir den Begriff des Vektorraums ein und untersuchen eine Fülle von Beispielen. 1 Der Körper der reellen Zahlen In diesem Abschnitt beschreiben wir die algebraischen Eigenschaften der Menge R aller reellen Zahlen, d.h. wir befassen uns mit den Eigenschaften der Addition und Multiplikation. Wir haben also eine Menge mit zwei Abbildungen ( Verknüpfungen ) gegeben: +:R×R→R (x, y) 7→ x + y genannt Addition ·:R×R→R (x, y) 7→ x · y genannt Multiplikation Diese genügen den folgenden Anforderungen: 2 Axiome der Addition (A1) Assoziativität: (x + y) + z = x + (y + z) (A2) Kommutativität: x + y = y + x (A3) Existenz der Null: Es gibt 0 ∈ R mit x + 0 = x für alle x ∈ R (A4) Existenz eines additiv Inversen: Zu jedem x ∈ R gibt es y ∈ R mit x + y = 0 . 3 Axiome der Multiplikation (M1) Assoziativität: (xy)z = x(yz) (M2) Kommutativität: xy = yx (M3) Existenz einer Eins: Es gibt 1 ∈ R mit x · 1 = x für alle x ∈ R. (M4) Existenz eines multiplikativ Inversen: Zu jedem x ∈ R, x 6= 0, gibt es ein y ∈ R mit x · y = 1 . 4 Distributivgesetz Addition und Multiplikation sind verkoppelt durch die (D) Distributivität: (x + y)z = xz + yz für alle x, y, z ∈ R. Bemerkung: Aus der Kommutativität folgt natürlich die Distributivität auch auf der anderen Seite. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Inversenbildung. 5 Der Vektorraumbegriff Wir greifen die beim Rechnen mit Q, R und C isolierten “Gesetzmäßigkeiten” (A1)–(A4), (M1)–(M4) erneut auf und definieren — in allerdings verändertem Kontext — den Begriff eines (abstrakten) Vektorraums durch axiomatische Forderung dieser Bedingungen: Definition Eine Menge V versehen mit zwei Operationen + : V × V −→ V, · : R × V −→ V, (v, w) 7→ v + w (a, v) 7→ av heißt Vektorraum, genauer reeller Vektorraum oder R-Vektorraum, wenn gilt: 6 (A 1) v + w = w + v für alle v, w ∈ V . (A 2) u + (v + w) = (u + v) + w für alle u, v, w ∈ V . (A 3) Es gibt 0 ∈ V mit v + 0 = v = 0 + v für alle v ∈ V . (A 4) Zu jedem v ∈ V gibt es w ∈ V mit v + w = 0 = w + v. (M 1) a(v + w) = av + aw für alle a ∈ R, v, w ∈ V . (M 2) (a + b)v = av + bv für alle a, b ∈ R, v ∈ V . (M 3) (a · b)v = a(bv) für alle a, b ∈ R, v ∈ V . (M 4) 1v = v für alle v ∈ V . Elemente aus V heißen Vektoren, die aus R Skalare. 7 Beispiele: Anschauungsraum und R3 (i) Die Vektoren des Anschauungsraumes bilden mit den Operationen Vektoraddition und Multiplikation mit Skalaren einen R-Vektorraum. x1 R3 = x2 | x1 , x 2 , x 3 ∈ x 3 (ii) Die Menge bildet mit den Operationen x1 y1 x1 + y 1 x2 + y 2 = x2 + y 2 , y3 x3 + y 3 x3 x1 ax1 a x2 = ax2 ax3 x3 einen R-Vektorraum. 8 R Lösungsmenge einer linearen Gleichung (iii) Wir fixieren vier reelle Zahlen a1, a2, a3, b. Dann ist die Menge x1 V = x2 | x1 , x 2 , x 3 ∈ x 3 R , a 1 x1 + a 2 x2 + a 3 x3 = b bzgl. der Operationen von (ii) genau dann ein R-Vektorraum, wenn b = 0. 9 Unser Standardbeispiel: Rn Satz. Für jedes n ≥ 0 bildet die Menge n R = x1 ... | x1 , . . . , x n ∈ R xn mit den Operationen x1 .. . + xn y1 x1 + y 1 ... = ... , yn xn + y n x1 ax1 .. .. a . = . xn axn einen R-Vektorraum. Beweis. Koordinatenweises Rechnen in R zeigt die Gültigkeit von (A1)–(A4), (M1)–(M4). 10 Ein Beispiel aus einer anderen Ecke Das folgende Beispiel zeigt die vereinheitlichende Kraft und Denkökonomie des abstrakten Vektorraumbegriffs: Beispiel Sei [0, 1] := {x ∈ R | 0 ≤ x ≤ 1} und V = {f | f : [0, 1] → R} die Menge aller reellwertigen Funktionen, welche auf dem reellen Einheitsintervall [0, 1] = {x | x ∈ R, 0 ≤ x ≤ 1} definiert sind. Wir erklären f + g und a.f (a ∈ R, f , g ∈ V ) durch (f + g)(x) = f (x) + g(x), (a.f )(x) = a · f (x). Es ist leicht zu sehen, dass V bzgl. dieser Operationen ein reeller Vektorraum ist. Offensichtliche Variationen:“Polynomfunktionen auf [0, 1]”, “differenzierbare Funktionen auf [0, 1]”. 11 Wichtige Bemerkung In die Vektorraum-Definition — und die nachfolgende Behandlung — gehen nur diejenigen Eigenschaften der Addition und Multiplikation der reellen Zahlen ein, die wir zu den Körperaxiomen (A1)–(A4), (M1)–(M4) und (D) zusammengefasst haben. Wir können daher allgemein Vektorräume über einem Körper K betrachten, also von Vektorräumen über Q, R oder C sprechen. Zum Beispiel ist Cn ein Vektorraum über C. Wir werden hierauf später zurückkommen; gleichwohl momentan bei Vektorräumen über R bleiben. 12 Beispiele von Körpern (i) Q, R und C sind Körper bzgl. der gewöhnlichen Addition und Multiplikation. Q ist ein Teilkörper von R, und R ist ein Teilkörper von C. √ o √ (ii) Q( 2) := a + b 2 | a, b ∈ Q ist ein Teilkörper von R. n (iii) Q(i) := {a + b i | a, b ∈ Q}, i = √ −1, ist ein Teilkörper von C. (iv) Es gibt auch endliche Körper. “Derjenige” mit zwei Elementen ist für Informatiker besonders interessant. (v) N und Z sind bzgl. der gewöhnlichen Addition und Multiplikation keine Körper. Grund? 13 Das Rechnen in Vektorräumen I (1) Das Nullelement 0 ∈ V ist eindeutig bestimmt. Beweis. Seien 0 und 00 Nullelemente von V , dann gilt 0 = 0+00 = 00. (2) Das additive Inverse zu x ist eindeutig bestimmt. Beweis. Seien x + y = 0 und x + y 0 = 0. Dann folgt y = y + 0 = y + (x + y 0) = (y + x) + y 0 = (x + y) + y 0 = 0 + y 0 = y 0 Schreibweise: y = −x . 14 Das Rechnen in Vektorräumen II Die nächste Eigenschaft werden wir wieder und wieder benötigen: (3) a.x = 0 ⇐⇒ (a = 0 oder x = 0) Beweis. “⇐”: Es ist a.0 = a.(0 + 0) = a.0 + a.0 und Addition mit −(a.0) liefert 0 = a.0. Entsprechend ist 0.x = (0 + 0).x = 0.x + 0.x, hier liefert Addition mit −(0.x) das gewünschte Resultat 0 = 0.x. “⇒” a.x = 0 und a 6= 0 impliziert 1 1 1 x = 1.x = ( · a).x = .(a.x) = .0 = 0. a a a 15 Subtraktion in Vektorräumen Verabredung: x − y := x + (−y) Rechenregeln: −(−x) = x (1) −(x + y) = (−x) + (−y) (2) −(x − y) = y−x (3) (4) Die Gleichung x + b = c (b, c ∈ V gegeben) ist eindeutig lösbar mit Lösung x = c − b . (5) (−a).x = −(a.x) = a.(−x). 16 Linearkombinationen und Erzeugendensysteme V sei ein Vektorraum. Ein Element v ∈ V der Form v = a1.v1 + · · · + an.vn, heißt Linearkombination der Elemente v1, v2, . . . , vn ∈ V mit den Koeffizienten a1, a2, . . . , an ∈ R. (a) (v1, v2, . . . , vn) heißt Erzeugendensystem von V , wenn sich jedes v ∈ V als Linearkombination v = a1.v1 + · · · + an.vn, mit geeigneten Skalaren a1, . . . , an schreiben lässt. 17 Lineare Abhängigkeit und Unabhängigkeit (b) Ein System (v1, v2, . . . , vn) von Vektoren aus V heißt linear abhängig , wenn es Skalare (a1, a2, . . . , an) 6= (0, . . . , 0)∗ gibt mit a1.v1 + a2.v2 + · · · + an.vn = 0. Andernfalls heißt (v1, v2, . . . , vn) linear unabhängig †. ∗ Dies bedeutet: mindestens ein ai ist ungleich 0. † Wir werden — üblichem Sprachgebrauch folgend — davon sprechen, dass die Vektoren v1 , v2 , . . . , vn linear abhängig (bzw. linear unabhängig) sind, obwohl dies missverständlich ist: Sind sämtliche vi 6= 0, so ist v1 , v2 , . . . , vn ein System von Vektoren, die einzeln jeweils linear unabhängig sind, aber als Folge v1 , v2 , . . . , vn durchaus linear abhängig sein können. 18 Der Basisbegriff Ein System (b1, b2, . . . , bn) von n Vektoren aus V heißt eine Basis von V , falls b1, b2, . . . , bn zugleich in V linear unabhängig und ein Erzeugendensystem von V ist. Wenn wir eine Basis von V besitzen, kennen wir V vollständig: Es ist dann nämlich V die Menge aller Linearkombination der Basiselemente. Im allgemeinen wird ein Vektorraum mehrere, zumeist sogar unendlich viele Basen haben. Es macht daher keinen Sinn, von der Basis von V zu sprechen. (Häufiger Fehler, der offenbart, dass Wesentliches nicht verstanden wurde!) 19 Die Standardbasis des Rn Im Rn ist das System e1 = 1 0 0 ... 0 , e2 = 0 1 0 ... 0 , . . . , en = 0 0 ... 0 1 ein Erzeugendensystem, denn a1 a2 ... an−1 an = a1 0 ... 0 0 + 0 a2 ... 0 0 +· · ·+ 0 0 ... 0 an = a1 1 0 ... 0 0 +a2 0 1 ... 0 0 +· · ·+an 0 0 ... 0 1 . Aus der obigen Formel folgt zugleich die lineare Unabhängigkeit von e1, e2, . . . , en. (Weshalb?) 20 Nochmals: Standardbasis Folglich ist (e1, e2, . . . , en) eine Basis von Rn, welche wir die Standardbasis ∗ des Rn nennen. Neben der Standardbasis (e1, e2, . . . , en) gibt es viele weitere Basen, z.B. ist für jede Wahl von 0 6= a ∈ R auch (e1 + a.e2, e2, e3, . . . , en) ebenfalls eine Basis von Rn. Wir erhalten mit dieser Konstruktion somit unendlich viele Basen des Rn. ∗ Wie diskutiert, gibt es die Basis eines R-Vektorraums V 6= 0 nicht, somit auch nicht die Basis des Vektorraums Rn, n ≥ 1, da es in jedem dieser Fälle mehrere (sogar unendlich viele) Basen gibt. Der bestimmte Artikel für die Bezeichnung der Standardbasis des Rn macht dagegen Sinn! 21 Die Funktion einer Basis Satz Ist (v1, v2, . . . , vn) eine Basis von V , so besitzt jeder Vektor v ∈ V eine eindeutige Darstellung v = a1 v1 + a2 v2 + · · · + an vn als Linearkombination von v1, v2, . . . , vn mit skalaren Koeffizienten a1 , a 2 , . . . , a n . Beweis. (1) Die Existenz einer solchen Linearkombination v = a1 v1 + a2 v2 + · · · + an vn folgt, weil v1, v2, . . . , vn ein Erzeugendensystem von V ist. Wir müssen uns daher noch von der Eindeutigkeit einer solchen Darstellung überzeugen. 22 (2) Zum Nachweis der Eindeutigkeit einer solchen Darstellung nehmen wir an, dass v = a1.v1 + a2.v2 + · · · + an.vn v = b1.v1 + b2.v2 + · · · + bn.vn zwei Darstellungen von v als Linearkombination von v1, v2, . . . , vn sind. Bilden der Differenz führt zur Gleichung 0 = (a1 − b1).v1 + (a2 − b2).v2 + · · · + (an − bn).vn, woraus — die lineare Unabhängigkeit von v1, v2, . . . , vn berücksichtigend — das Verschwinden aller Koeffizienten, also a1 − b1 = 0, a2 − b2 = 0,. . . , an − bn = 0 folgt. Wir haben damit a1 = b1, a2 = b2,. . . , an = bn und folglich die Eindeutigkeit der Darstellung gezeigt. 23 Wichtige Kommentare Kommentar 1. Ist v1, v2, . . . , vn eine Basis von V , so ist die Abbildung ϕ : Rn −→ V, x1 n X .. xi.vi . 7→ i=1 xn bijektiv, d.h. zu jedem v ∈ V gibt es genau ein x ∈ Rn mit ϕ(x) = v. Wir haben daher—bei fixierter Basis—eine ein-eindeutige Entsprechung zwischen den Vektoren v aus V einerseits und Mitgliedern des Rn andererseits. Die letzteren können wir—relativ zur fixierten Basis—als Koordinaten von v auffassen. 24 Kommentar 2. (a) Die Vektoren einer Basis (b1, b2, . . . , bn) sind immer paarweise verschieden. Ferner kommt es für die Basiseigenschaft nicht auf die Reihenfolge an, in der die Vektoren einer Basis aufgezählt werden. Immer, wenn es daher bequem ist, werden wir anstelle von (b1, b2, . . . , bn) von der Basis B = {b1, b2, . . . , bn} sprechen. (b) In R ist jedes x 6= 0 eine Basis. (c) Im R2 bilden a1 a2 ! , b1 b2 ! genau dann eine Basis, wenn a1b2 − a2b1 6= 0 gilt. 25 Die Dimension eines Vektorraums Ist (b1, b2, . . . , bn) eine Basis des Vektorraums V , so heißt n die Dimension von V . Die Möglichkeit dieser Definition beruht auf dem folgenden — nichttrivialen — Satz. Je zwei Basen (b1, b2, . . . , bn) und (c1, c2, . . . , cm) ein und desselben Vektorraums V haben dieselbe Mitgliederzahl, es gilt also m = n. Wie wir später untersuchen, ist durch Kenntnis seiner Dimension n ein Vektorraum V weitgehend bestimmt. Schreibweise: dimR V = n. 26 Vorschau Unterräume Die in der Praxis mit weitem Abstand wichtigsten Vektorräume sind die Unterräume ‘des‘ Rn. Unterräume eines Vektorraums sind ihrerseits wieder Vektorräume. Zu den Unterräumen des Rn zählt insbesondere ‘der‘ Vektorraum Rn selbst (n = 0, 1, 2, . . .), aber viele weitere. Wir untersuchen anschließend den Unterraumbegriff und beschäftigen uns mit Verfahren, Unterräume zu konstruieren. 27 Definition von Unterräumen Vektorräume treten häufig als Unterräume eines gegebenen Vektorraums, in der Praxis vor allem als Unterräume eines Rn auf. Aus gegebenen Vektorräumen entstehen durch Bilden von Unterräumen somit weitere Vektorräume. Eine Teilmenge U eines R-Vektorraums V heißt Unterraum von V , wenn gilt: (U 1) 0 ∈ U . (U 2) U + U ⊆ U , d.h. x, y ∈ U =⇒ x + y ∈ U . (U 3) R.U ⊆ U , d.h. x ∈ U, a ∈ R =⇒ a.x ∈ U . 28 Unterräume sind ihrerseits Vektorräume Der Name Unterraum ist gerechtfertigt, denn ein Unterraum U von V ist bzgl. der Verknüpfungen + : U × U −→ U, . : R × U −→ U, (u, v) 7→ u + v (a, u) 7→ a.u wieder ein Vektorraum. Beweis. Wegen (U2) und (U3) machen beide Verknüpfungen Sinn (sind wohldefiniert, wie man sagt). Ferner sind (A1), (A2) offensichtlich erfüllt, (A3) ist wegen (U1) erfüllt. Wegen (U3) ist insbesondere −U ⊆ U , d.h. x ∈ U =⇒ −x ∈ U . Somit gilt auch (A4). Der Nachweis von (M1)–(M4) ist schließlich Routine. 29 Beispiele von Unterräumen (a) Für jeden Vektorraum V sind stets V selbst und {0} Unterräume von V . (b) Ist V ein Vektorraum und v ∈ V so ist R.v := {a.v | a ∈ R} ein Unterraum von V . (c) V sei der Anschauungsraum. Die nur aus 0 bestehende Teilmenge {0}, eine Gerade G durch 0 oder eine Ebene E durch 0 sind Beispiele für Unterräume von V . Im Zusammenhang mit der Diskussion des Dimensionsbegriffs werden wir später sehen, dass jeder Unterraum U des Anschauungsraumes (gleichbedeutend des R3) einer der in (c) genannten Fälle ist. 30 Systematische Konstruktion von Unterräumen: Die Lineare Hülle Unterräume eines R-Vektorraums V können wir uns nach folgendem Muster verschaffen: Satz Sind v1, v2, . . . , vt ∈ V , so bildet die Menge aller Linearkombinationen hv1, v2, . . . , vti := {a1.v1 + · · · + at.vt | a1, a2, . . . , at ∈ R} einen Unterraum von V , welchen wir die lineare Hülle von v1, v2, . . . , vt oder {v1, v2, . . . , vt} nennen. Es ist auch die Bezeichnung von v1, v2, . . . , vt aufgespannter Unterraum üblich. 31 Die Lineare Hülle ist ein Unterraum Beweis. Sei H = hv1, v2, . . . , vti. Es ist klar, dass 0 = 0.v1 + 0.v2 + · · · + 0.vt in H liegt und daher (U1) erfüllt ist. Ferner ist H wegen (a1 .v1 + · · · + at.vt) + (b1 .v1 + · · · + bt.vt) = (a1 + b1 ).v1 + · · · + (at + bt).vt a. (a1 .v1 + · · · + at.vt) = (aa1 ).v1 + · · · + aat).vt gegen die Bildung Summen und von Produkten mit Skalaren abgeschlossen, es gelten somit auch (U2) und (U3). Folglich ist H = hv1, v2, . . . , vti ein Unterraum von V . 32 Erzeugendensystem und Lineare Hülle Satz. V sei ein Vektorraum und v1, v2, . . . , vt sei ein System von Vektoren aus V . Dann gilt: (v1, v2, . . . , vt) ist genau dann ein Erzeugendensystem von V , wenn V gleich der linearen Hülle hv1, v2, . . . , vti ist. Beweis. (a) Falls (v1, v2, . . . , vt) ein EZS von V ist, so ist jeder Vektor von V eine Linearkombination von v1, v2, . . . , vt, somit V = hv1, v2, . . . , vti. (b) Falls V = hv1, v2, . . . , vti, so ist jeder Vektor aus V in hv1, v2, . . . , vti gelegen, daher eine Linearkombination von v1, v2, . . . , vt. 33 Beispiele von Unterräumen I 0 1 1 (1) Sei V = R3 und v1 = 0 , v2 = 1 , v3 = 1 , so ist 0 0 0 x1 H := hv1, v2, v3i = x2 | x1, x2 ∈ 0 R = R2 × {0} ein Unterraum des R3. Es bilden v1 und v2 eine Basis (v1, v2) von H. Grund? Folglich hat H die Dimension 2 . 34 Beispiele von Unterräumen II Wir fixieren a1, a2, a3 ∈ R und setzen voraus, dass a1 6= 0 gilt. x1 U := x2 ∈ x 3 R 3 | a 1 x1 + a 2 x2 + a 3 x3 = 0 ist dann ein 2-dimensionaler Unterraum des R3. a3 a2 −a −a 1 1 Behauptung: Es bilden v1 = 1 und v2 = 0 eine Basis 0 von U . Folglich hat U die Dimension 2 . 1 35 Wie kommt man auf diese Basis von U ? x1 Jedes v = x2 ∈ U genügt der Beziehung a1 x1 +a2 x2 +a3 x3 = 0, x3 die wir wegen a1 6= 0 nach x1 auflösen können: a2 a3 x1 = − x2 − x3 . a1 a1 Es folgt somit für jedes v ∈ U x1 v = x2 x3 − aa2 x2 − aa3 x3 − aa2 − aa3 1 1 1 1 = = x2 1 + x3 0 , x2 x3 0 1 somit U = hv1, v2i. Die lineare Unabhängigkeit von v1, v2 ist klar. 36 Die Funktion der linearen Hülle Satz Die lineare Hülle H := hv1, v2, . . . , vti ist der bezüglich Inklusion “⊆” kleinste Unterraum von V , welcher v1, v2, . . . , vt enthält. Beweis. Wir wissen schon, dass H = hv1, v2, . . . , vti ein Unterraum ist, welcher v1, v2, . . . , vt umfasst. Ist nun U irgendein Unterraum von V , welcher v1, v2, . . . , vt enthält, so liegen alle Linearkombinationen a1.v1 + · · · + at.vt ebenfalls in U , woraus H ⊆ U folgt. In diesem Sinn ist H der kleinste v1, v2, . . . , vt umfassende Unterraum. 37 Summe und Durchschnitt von Unterräumen Aus gegebenen Unterräumen U1 und U2 ergeben sich durch Summen und Durchschnittsbildung weitere: Satz. Sind U1 und U2 Unterräume von V , so auch Durchschnitt und Summe U1 ∩ U2 = {x ∈ V | x ∈ U1 und x ∈ U2} U1 + U2 = {x1 + x2 | x1 ∈ U1 und x2 ∈ U2}. Beweis. durch direktes Nachrechnen. Achtung: Die Vereinigung U1 ∪ U2 ist im allgemeinen nicht wieder ein Unterraum. 38 Nachweis für Summe; Warnung für Vereinigung Nachweis Die Summe U1 + U2 zweier Unterräume von V ist ein Unterraum. Wir haben die Unterraumeigenschaften (U1)–(U3) zu zeigen. Wegen 0 = 0 + 0 ∈ U1 + U2 ist (U1) erfüllt. Sind x = x1 + x2 und y = y1 + y2 mit xi, yi ∈ U , so folgt dass x + y = (x1 + x2) + (y1 + y2) = (x1 + y1) + (x2 + y2) in U1 + U2 liegt, was (U2) zeigt. Schließlich ist — mit obigen Bezeichnungen — a.x = a(x1 + x2) = a.x1 + a.x2 in U1 + U2 gelegen, womit (U3) bewiesen ist. Warnung: Es sind U1 = R × {0} und U2 = {0} × R Unterräume von R × R, aber U1 ∪ U2 ist kein Unterraum von R × R. Es liegt nämlich (1, 1) = (1, 0) + (0, 1) nicht in U1 ∪ U2. 39 Anwendung des Durchschnitts: System linearer Gleichungen Es seien reelle Zahlen a1, a2, a3, b1, b2, b3 gegeben. Die Menge aller x1 Lösungen x2 ∈ R3 des Gleichungssystems x3 a 1 x1 + a 2 x2 + a 3 x3 = 0 b1 x1 + b2 x2 + b3 x3 = 0 bildet einen Unterraum des R3. Beweis. Jede der beiden Gleichungen hat als Lösungsmenge einen Unterraum U1 bzw. U2. Die Lösungsmenge insgesamt ist gerade U1 ∩ U2, damit wieder ein Unterraum. 40 Wichtige Bemerkung zu linearen Gleichungen Wir werden später lineare Gleichungssysteme und ihr Lösungsverhalten systematisch studieren. Um ihr Lösungsverhalten gut zu verstehen, ist es entscheidend, auf die Begriffe Basis, Dimension, Unterraum und Erzeugendensystem eines Vektorraums zurückgreifen zu können. Beim gerade diskutierten Beispiel von zwei (homogenen) linearen Gleichungen in drei Unbekannten, kann je nach Vorgabe von a1, a2, a3 und b1, b2, b3 der Lösungsraum die Dimension 1, 2 oder 3 haben. Es ist wichtig, entscheiden zu können, wann welcher Fall vorliegt. Wir kennen diesen Lösungsraum, sobald wir eine Basis desselben kennen. 41