Universität Siegen WiSe 12/13 Fachbereich Physik – Vorlesungsskript ar y Theoretische Teilchenphysik 2 Vorab-Version pr eli m in 27. März 2013 – Gelesen von Prof. Dr. Thorsten Feldmann – y ar in eli m pr – Dieses Skript wurde mit Hilfe von KOMA - Script und LATEX gesetzt. Kommentare und Fehlermeldungen bitte an [email protected]. Inhaltsverzeichnis – II II.1 II.2 II.3 II.4 II.4.1 II.4.2 II.4.2.1 II.4.2.2 II.4.2.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 7 9 12 16 17 21 25 27 29 33 36 36 42 45 49 52 54 58 – . . . . . . . . . . . . . . . . . . y ar in pr I.3.3 I.3.4 Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Radiative Korrekturen in der QED . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bremsstrahlung mit “weichen” Photonen . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung der Elektron-Vertexkorrektur . . . . . . . . . . . . . . Berechnung des Formfaktor B(q 2 ) bzw. F2 (q 2 ) . . . . . . . . . . . . Berechnung des Formfaktors A(q 2 ) bzw. F1 (q 2 ) . . . . . . . . . . . Aufsummation und Interpretation der IR-Divergenzen . . . . . . . 2-Punkt–Funktion des Elektrons in der QED-Störungstheorie . . . Renormierung der elektrischen Ladung . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung von Π(q 2 ) in der Störungstheorie . . . . . . . . . . . . Symmetrien im Pfadintegralformalismus . . . . . . . . . . . . . . . Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie . . Oberflächlicher Divergenzgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renormierte Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das MS–Renormierungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renormierungsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . RG-Verhalten von Green-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT . . . . . . . . . . . ABJ-Anomalie in der Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwedung 1: Anomaliefreiheit von Fermiondarstellungen in chiralen Eichtheorien Anwendung 2: Der Zerfall π 0 → 2γ . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurzzusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eli m I I.1 I.1.1 I.1.2 I.1.2.1 I.1.2.2 I.1.3 I.1.4 I.1.5 I.1.5.1 I.1.6 I.2 I.2.1 I.2.2 I.2.3 I.2.4 I.2.4.1 I.3 I.3.1 I.3.2 Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung 1-Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien . Laufende Kopplung in der QCD . . . . . . . . . . . . . Einschub: Laufende Kopplung und RG-Fixpunkte . . . Operatorproduktentwicklung in e+ e− → Hadronen . . Das Optische Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung auf e+ e− → Hadronen . . . . . . . . . . . Störungstheoretische Beschreibung . . . . . . . . . . . Operatordarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Problem mit zeitartigen Impulsüberträgen . . . . . (QCD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 . . . . 62 . . . . 65 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 67 72 75 76 76 78 79 79 81 3 Inhaltsverzeichnis in ar y – Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks . . . . . . . . . . . . . . . Strahlungskorrekturen zu schwachen Zerfällen . . . . . . . . . . . . . . . Z-Faktoren und anomale Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösung der RG-Gleichung für die Wilson-Koeffizienten . . . . . . . . . . Zur Notation L(eading)L(og) vs. N(ext-to)L(eading)L(og): . . . . . . . . Anwendung auf hadronischen Zerfall B̄ 0 → D+ π − . . . . . . . . . . . . . “Pinguin”-Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD . . . . . . . . . . . . . . . . . Partonbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operatordefinition der Partonverteilungsfunktionen . . . . . . . . . . . . Strahlungskorrekturen zum Partonbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Explizite Berechnung der Korrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beiträge von Gluon-PDFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skalenverletzung und DGLAP-Evolutionsgleichungen . . . . . . . . . . . DGLAP-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösung der DGLAP-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . “Polarisierte Partonverteilungen” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwandte Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . IR-Divergenzen und Jet-Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Event-Shapes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einige Features der Soft-collinear effective theory (SCET) . . . . . . . . Elektromagnetischer Strom für e+ e− → q q̄ in SCET . . . . . . . . . . . . Harter Matching-Koeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faktorisierungstheorem für Thrust-Verteilung nahe τ → 0 . . . . . . . . Die Jet-Funktion J(µ, p2 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die softe Funktion ST (µ, k) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick / Weiter Anwendungen der renormierten Störungstheorie und Faktorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – pr eli m II.5 II.5.1 II.5.1.1 II.5.1.2 II.5.1.3 II.5.2 II.5.3 II.6 II.6.1 II.6.2 II.6.3 II.6.3.1 II.6.3.2 II.6.4 II.6.4.1 II.6.4.2 II.6.4.3 II.6.4.4 II.7 II.7.1 II.7.2 II.7.3 II.7.3.1 II.7.3.2 II.7.4 II.7.4.1 II.7.4.2 II.7.4.3 II.8 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 85 89 90 92 93 97 99 102 104 107 110 116 118 119 120 123 125 126 126 132 136 139 141 142 144 149 150 . 152 – Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED ar y I Kapitel I Wiederholung: Zentrale Ergebnisse der QED aus TTP 1 in Wir fassen noch einmal kurz die Lagrangedichte der QED und die daraus resultierenden Feynman-Regeln zusammen: (a) Die Lagrangedichte der QED setzt sich zusammen aus mit eli m LQED = LFermion + LEichfeld + LEichfixierung (I.1) – fermionischer Anteil für Dirac-Fermionen mit Masse m (z.B. Elektron/Positron, oder auch Quark/Antiquark) LFermion = ψ̄ (iD / − m) ψ , (I.2) wobei die kovariante Ableitung durch iDµ = i∂µ − e Aµ (x) (I.3) pr gegeben ist. Wir benutzen dabei die Konvention von [1], bei der e = −|e|. (Für Quarks muss hier der entsprechende relative Ladungsfaktor eingefügt werden, Qu /Qe = −2/3 bzw. Qd /Qe = +1/3.) – Die kovariante Ableitung garantiert die Eichinvarianz der Lagrangedichte unter lokalen Phasentransformationen der Materiefelder und gleichzeitiger Transformation des Eichfeldes, ψ(x) → eiα(x) ψ(x) , 1 Aµ (x) → Aµ (x) − ∂µ α(x) . e Die Transformationen bilden eine unitäre (Eich-)gruppe U (1). (I.4) 5 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED – Die Dynamik der Eichfelder wird durch 1 LEichfeld = − Fµν F µν 4 (I.5) beschrieben, mit dem Feldstärketensor Fµν = ∂µ Aν − ∂ν Aµ . Zusammen mit LFermion ergeben die Euler-Lagrange–Gleichungen dann gerade die (inhomogenen) Maxwell-Gleichungen. – In der quantisierten Theorie müssen wir zusätzlich einen Eichfixierungsterm hinzunehmen. Für allgemeine kovariante Eichungen lautet dieser 1 (∂µ Aµ )2 . 2ξ – LEichfix. = − (I.6) ar y Damit lässt sich der Photonpropagator durch Invertieren des quadratischen Terms in den Eichfeldern ablesen. Physikalische Observable hängen nicht vom Eichparameter ξ ab. In der QED benutzen wir deshalb meistens die FeynmanEichung (ξ = 1). (b) Aus der QED-Lagrangedichte ergeben sich die Feynman-Regeln der QED (Impulsraum): – Photonpropagator (meistens Feynman-Eichung, ξ = 1): i kµ kν = 2 −g µν + (1 − ξ) 2 k + i k in DFµν (k) (I.7) eli m – Dirac-Propagator (Pfeilrichtung bezeichnet Ladungsfluss): [SF (p)]αβ i(p/ + m) = 2 p − m2 + i (I.8) αβ – QED-Vertex: (−ieγ µ )αβ (I.9) pr – externe Teilchen: externes Photon : (∗) µ (k, σ = ±1) , externes Fermion : (–) externes Antifermion : (–) u (p, s) , v (p, s) . (I.10) – weitere Regeln: – ∗ Multiplikation von Dirac-Matrizen entgegengesetzt zum Ladungsfluss ∗ Faktor (-1) für geschlossene Fermionlinien ∗ Impulserhaltung an jedem Vertex ∗ Integration 6 R d4 p über unbestimmte (Schleifen-)Impulse (2π)4 I.1 Radiative Korrekturen in der QED I.1 Radiative Korrekturen in der QED y – Wir betrachten als Beispiel die Streuung eines Elektrons an einem anderen geladenen Teilchen (z.B. einem Myon). Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass mµ me . Klassisch erwarten wir, dass die während der Streuung beschleunigten Ladungen elektromagnetische Strahlung aussenden, wobei die Strahlungskorrekturen von den schweren Teilchen kleiner sein sollten als jene von den leichten Teilchen. In führender Ordnung (entspricht Bornscher Näherung) hatten wir den Streuquerschnitt in TTP 1 aus dem Baumgraphen-Diagramm (“tree-level”) eli m in ar hergeleitet. Die 2 QED-Vertizes implizieren, dass die Streuamplitude von der Ordnung e2 = 4πα ist, wobei α = αem ' 1/137 die Feinstrukturkonstante bezeichnet. Für die Korrekturen höherer Ordnung in α betrachten wir alle Feynman-Diagramme mit 2 zusätzlichen Vertizes (wobei wir uns aufgrund der obigen Argumentation auf Vertizes mit Elektronen beschränken können). | {z } “Vertexkorrektur” | {z } “Korrektur zu ext. Linien” | {z } “Vakuum-Polarisation” pr Die Korrekturen zu den externen Linien stellen keine amputierten Diagramme dar (siehe Diskussion in TTP 1) und gehören deshalb nicht zur S-Matrix – wir kommen später aber noch auf deren Bedeutung zurück. Bevor wir die Diagramme explizit berechnen, wollen wir schon einen kurzen Ausblick auf die zu erwartenden neuen Phänomene geben: • Das Ergebnis für jedes individuelle Diagramm ist mathematisch nicht wohl-definiert! • Man unterscheidet 2 Arten von Effekten: – (i) Ultraviolett-Divergenzen in Schleifendiagrammen aus der Integration über die (unbestimmten) Schleifenimpulse, schematisch: Z d4 k (k 2 )m (2π)4 (k 2 − ∆2 + i)n (I.11) Für n − m ≤ 2 fällt der Integrand für große Impulse (|k| → ∞) nicht schnell genug ab. 7 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED (ii) Infrarot-Divergenzen können auftreten, wenn masselose Teilchen in den Schleifendiagrammen propagieren, und der Integrand für k → 0 wie 1/k 4 oder stärker ansteigt. • Der Ausweg aus dem anscheinenden Dilemma ergibt sich durch folgende physikalische Überlegungen: y – Für (i): Der Grenzwert k → ∞ entspricht einer Ortsauflösung von ∆x → 0, d.h. wir wenden unsere Theorie für (virtuelle) Teilchen mit beliebig hohem Impuls (bzw. unendlich hoher Ortsauflösung) an. [Ein ähnliches Problem erhalten wir bereits bei der klassischen Berechnung der Wechselwirkungsenergie des Elektrons mit seinem eigenen elektromagnetischen Feld.] Die physikalischen Messgrößen beziehen sich dagegen auf endliche Impulse/Ortsauflösung. Die UV-Divergenzen müssen deshalb in eine Redefinition (→ Renormierung) der ursprünglichen Parameter in der Lagrangedichte absorbiert werden. ar Die Grundidee der Renormierung ist dabei die Parameter der Theorie, so anzupassen, dass: Theoretische Ausdrücke zu gegebener Ordnung der Störungstheorie ! in ≡ Referenz-Experiment(e) bei endlicher Ortsauflösung (i.e. Referenz-Energie). eli m Sind die Parameter der Theorie durch endlich viele experimentelle Größen fixiert, so können für andere experimentelle Observablen und/oder andere Kinematik eindeutige theoretische Vorhersagen berechnet werden. pr Für (ii): Wir müssen auch “reelle” Strahlungskorrekturen berücksichtigen, welche dem Prozess e− µ− → e− µ− + γ(k) entsprechen und (zur relativen Ordnung α) durch folgende Diagramme beschrieben werden: | {z } – “initial-state radiation (ISR)” | {z } “final-state radiation (FSR)” (I.12) Betrachten wir hierbei jeweils den Nenner des intermediären Elektronpropagators, (p − k)2 − m2 + i = −2 p · k + i , 8 I.1 Radiative Korrekturen in der QED so verschwindet dieser für k → 0, was zusammen mit der Phasenraumintegration über den Photonimpuls Z d3 k (2π)3 2ωk (mit ωk = k 0 = |~k|) dσ(e− µ− → e− µ− ) + dσ(e− µ− → e− µ− + γ) betrachten. – wieder eine IR-Divergenz erzeugt (s.u.). Wir werden sehen, dass diese Divergenz gerade jene von den virtuellen Korrekturen aufhebt, wenn wir die Summe der Wirkungsquerschnitte y In der Tat können wir experimentell nur Photonen mit einer Minimalenergie Emin detektieren, d.h. prinzipiell messen wir dσ1 = dσ(e− µ− → e− µ− ) + dσ(e− µ− → e− µ− + γ(k))k0 <Emin | ar {z (I.13) } experimentell nicht unterscheidbar dσ2 = dσ(e− µ− → e− µ− + γ(k))k0 ≥Emin (I.14) in Die individuellen Wirkungsquerschnitte dσ1 und dσ2 sind dann (zur betrachten Ordnung in α) bezüglich des IR-Verhaltens mathematisch wohl definiert. eli m • In beiden Fällen müssen wir die mathematischen Ausdrücke für die individuellen Diagramme zunächst “regularisieren” (d.h. z.B. Einführung von oberen/unteren Schranken an interne Impulse bzw. Photonmassen). Am Ende der Rechnung muss die Abhängigkeit vom Regulator in physikalischen Observablen verschwinden. I.1.1 Bremsstrahlung mit “weichen” Photonen pr Wir betrachten zunächst die reelle Abstrahlung von weichen (d.h. niederenergetischen) Photonen vor bzw. nach der Wechselwirkung des Elektrons mit dem Photon. Bezeichnen wir die Streuamplitude für den Prozess ohne Bremsstrahlung mit ū(p0 ) iM0 (p0 , p) u(p) – (diese kann bereits alle berechneten virtuellen Korrekturen enthalten), dann ergeben sich die reellen Strahlungskorrekturen aus den Diagrammen 9 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED zu i(p/ − k/ + m) γ µ ∗µ (k) (p − k)2 − m2 + i i(p/0 + k/ + m) 0 M (p + k, p) u(p) , +γ µ ∗µ (k) 0 0 (p + k)2 − m2 + i 0 iM = −ie ū(p ) M0 (p0 , p − k) (I.15) – wobei k µ den Impuls des abgestrahlten Photons bezeichnet und ∗µ den zugehörigen Polarisationsvektor. Aufgrund der Vorbemerkungen interessieren wir uns insbesonder für den Fall weicher Photonen, |k µ | |pµ |, |p0µ | . Dann können wir nähern: sowie y M0 (p0 , p − k) ≈ M0 (p0 + k, p) ≈ M0 (p0 , p) p/0 + k/ ≈ p/0 , und ar p/ − k/ ≈ p/ während wir im Nenner k 6= 0 belassen müssen. Weiterhin können wir die Dirac-Struktur im Zähler durch Anwendung der Dirac-Gleichung vereinfachen, z.B. (p/ + m) / ∗ u(p) = (2p · ∗ + / ∗ (−p/ + m)) u(p) = 2 p · ∗ u(p) (I.16) in und analog für ū(p0 ). Damit ergibt sich ingesamt 0 0 ∗ p · 0 iM = ū(p ) M0 (p , p) u(p) × e p · ∗ − p0 · k p·k (I.17) eli m d.h. das Ergebnis faktorisiert in ursprüngliche Amplitude × einer universellen Funktion für Photonabstrahlung. Damit faktorisiert auch der differentielle Wirkungsquerschnitt (nach Quadrieren der Streuamplitude und Mittelung/Summierung über Spins/Helizitäten), 0 0 pr dσ(p → p + γsoft ) = dσ(p → p ) × soft Z d3 k 1 (2π)3 2ωk | {z X } λ=± 0 2p · e 0 p ·k p · 2 − p · k (I.18) Phasenraum für weiche Photonen 0 ≡ dσ(p → p ) × dσsoft Die Summe über die Photon-Helizitäten kann explizit ausgeführt werden X ∗ (λ) µ ν (λ) → −gµν (I.19) λ=± – (wobei die Terme mit kµ kν aufgrund der Eichinvarianz explizit herausfallen, kµ p0 µ p0 ·k − dσsoft = 10 pµ p·k Z = 0). Damit ergibt sich p0µ pµ f (−e2 ) dk − 0 p ·k p·k !2 = e2 2 p0 · p m2 m2 − − (p0 · k)(p · k) (p0 · k)2 (p · k)2 (I.20) ! Z f dk I.1 Radiative Korrekturen in der QED Wir zerlegen nun die externen Impulse in “Betrag” und Richtungsvektoren (in einem Bezugsystem, in dem E = E 0 ), k µ = k0 1, k̂ , pµ = E (1, ~v ) , p0µ = E 1, ~v 0 , so dass wir die Winkelintegration im Photonphasenraum separieren können, 2 f e dk 2(1 − ~v · ~v 0 ) k2 (1 − ~v · k̂)(1 − ~v 0 · k̂) Z Z Emin α dk dΩk = × × (· · · ) π | {z k} | 4π{z } (1 − ~v · k̂)2 − m2 /E 2 ! (1 − ~v 0 · k̂)2 (I.21) = I(~v , ~v 0 ) y IR-divergent − m2 /E 2 – dσsoft = soft Z k → Z Emin dk k µ Damit ergibt sich Emin . µ α Emin ln I(~v , ~v 0 ) . π µ eli m dσsoft = = ln in Z Emin dk ar Das Winkelintegral I(~v , ~v 0 ) ist elementar berechenbar (siehe Übung ). Das Integral über die Photonenergie ist IR-divergent und kann z.B. durch eine untere Schranke µ (“cutoff”) oder alternativ durch eine fiktive Photonmasse regularisiert werden, (I.22) Im relativistischen Limes, E 2 m2 , trägt im Winkelintegral nur der erste Term in runden Klammern bei, wobei das Resultat von den Nullstellen des Nenners, 1 − ~v · k̂ = 0 (1 − ~v 0 · k̂) = 0 oder pr dominiert wird. Man erhält dann das approximative Resultat I(~v , ~v 0 ) ' 2 ln −q 2 m2 mit q 2 = (p0 − p)2 < 0 (I.23) Damit erhalten wir für den relativistischen Grenzfall – 0 dσ(p → p + γsoft ) E 2 m2 = α dσ(p → p ) × ln π 0 2 Emin µ2 ! ln −q 2 m2 ! (I.24) Das Ergebnis ist in der Literatur als sog. “Sudakov-Doppel-Logarithmus” bekannt. Hierbei divergiert der erste Logarithmus für µ → 0 und der zweite Logarithmus für q 2 → ∞ bzw. m → 0. 11 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED I.1.2 Berechnung der Elektron-Vertexkorrektur – Diagramm – mit q 2 = (p0 − p)2 Bevor wir den Ausdruck für das Vertexdiagramm explizit berechnen, überlegen wir uns zunächst einige allgemeine Eigenschaften: • Die Streuamplitude unter Berücksichtigung aller Korrekturen zum Elektron-PhotonVertex kann allgemein geschrieben werden als q2 Jµmuon , wobei der erste Term die sog. Vertexfunktion (I.25) – 1 iM = ie2 ū(p0 ) Γµ (p0 , p) u(p) Γµ (p0 , p) = γ µ + O(α) y (I.26) ar einführt, während die restlichen Faktoren den Photonpropagator und den (klassisch angenommenen) Myon-Strom darstellen. • Die Vertexfunktion erfüllt alle Symmetrien: Lorentz-Symmetrie, Parität, Eichsymmetrie (Stromerhaltung) in • Die Lorentz-Symmetrie erlaubt die Entwicklung der Vertexfunktion in skalare Funktionen und elementare Lorentz-Vektoren: Γµ (p0 , p) := A(q 2 ) γ µ + B(q 2 ) (p0µ + pµ ) + C(q 2 ) (p0µ − pµ ) (I.27) eli m Hierbei bezeichnen A, B, C sog. Formfaktoren, welche nur von Lorentz-Invarianten q 2 (und implizit auch m2 ) abhängen. Anm.: Weitere Lorentzstrukturen, die auf der rechten Seite auftauchen könnten: – σ µν (p0ν + pν ) — trägt nicht bei nach Anwendung der Dirac-Gleichung. – σ µν (p0ν − pν ) — ist zwischen den Dirac-Spinoren ū(p0 )[..]u(p) linear abhängig von γ µ und (p0µ + pµ ) (siehe unten). – µνρσ γν p0ρ pσ oder γ µ γ5 haben die falsche (negative) Pariät. pr • Die Eichsymmetrie impliziert die Stromerhaltung ∂ µ jµ = 0. Auf Born-Level gilt demnach q µ ū(p0 )γµ u(p) = 0 , was sich auf die Vertexfunktion verallgemeinert q µ ū(p0 )Γµ (p0 , p)u(p) = 0 . (I.28) – Relationen dieser Art bezeichnet man allgemein als Ward-Identitäten (eine formale Diskussion folgt später). U.a. hat dies zur Folge, dass die Abhängigkeit vom Eichparameter in phys. Amplituden verschwindet, denn ū(p0 )Γµ (p0 , p)u(p) 12 i q2 −gµν + (1 − ξ) qµ qν q2 −i = ū(p0 )Γν (p0 , p)u(p) q2 . I.1 Radiative Korrekturen in der QED Für unsere allgemeine Parametrisierung heisst das ! ū(p0 ) A q/ + B q · (p0 + p) + C q 2 u(p) = 0 (I.29) – q/ = p/0 − p/ → m − m = 0 verschwindet zwischen on-shell Dirac-Spinoren. – q · (p0 + p) = (p0 )2 − p2 = m2 − m2 = 0 verschwindet ebenfalls. – Im letzten Term ist allerdings i.A. q 2 6= 0, d.h. wir müssen C(q 2 ) ≡ 0 – fordern. Wir verbleiben also mit genau 2 unabhängigen Formfaktoren A(q 2 ), B(q 2 ). • Meistens schreibt man mittels der sog. Gordon-Identiät, 0 ū(p )γ u(p) = ū(p ) µ 0µ p + pµ 2m iσ µν qν u(p) + 2m y 0 (I.30) ar den Term mit (p0µ + pµ ) um, und führt neue Formfaktoren F1,2 (q 2 ) ein, iσ µν qν F2 (q 2 ) . 2m Unser Ziel ist also, die Vertexkorrekturen zu den Formfaktoren in Γµ (p0 , p) = γ µ F1 (q 2 ) + F1 (q 2 ) = 1 + O(α) , zu berechnen. F2 (q 2 ) = O(α) (I.31) (I.32) eli m • Der Vergleich mit dem nicht-relativistischen Limes zeigt – F1 (0) ≡ 1 entspricht gerade der elektr. Ladung in Einheiten von e. – und F1 (0) + F2 (0) = g2 = 1 + O(α) ergibt gerade die Korrektur zum LandéFaktor, der das sog. anomale magnetische Moment des Elektrons bestimmt. pr • Anm.: Die Zerlegung der elektromagnetischen Vertexfunktion gilt allgemein, z.B. auch für komplexere Systeme wie das Proton, wo allerdings aufgrund der starken Wechselwirkung zwischen den Quarks die Formfaktoren F1 und F2 nicht in der Störungstheorie berechenbar sind. Aus dem Vertexdiagramm erhalten wir mit Hilfe der QED-Feynmanregeln die Korrektur zur Vertexfunktion (Γµ := γ µ + δΓµ ), 0 – ū(p )δΓ u(p) = µ Z d4 k −igνρ i(p/0 − k/ + m) 0 ν ū(p ) (−ieγ ) γµ (2π)4 k 2 + i (p0 − k)2 − m2 + i i(p/ − k/ + m) × (−ieγ ρ ) u(p) (p − k)2 − m2 + i (I.33) Um diesen Ausdruck zu vereinfachen und insbesondere die 4er-Impulsintegration durchführen zu können, betrachten wir am besten den Nenner, den Zähler der Feynmanpropagatoren, sowie die Impulsintegration separat. 13 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Nenner: Als Rechentrick zur Behandlung des Nenners (wir führen an dieser Stelle schon eine fiktive Photonmasse als IR-Regulator ein), h i−1 1 = (k 2 − µ2 + i)((p0 − k)2 − m2 + i)((p − k)2 − m2 + i) , (I.34) N führen wir die sog. Feynman-Parameter ein (→ Übung ). Allgemein können wir damit Produkte von Nennern folgendermaßen umformen, 1 = A1 A2 · · · An Z 1 0 dx1 · · · dxn δ(1 − n X xi ) i=1 (n − 1)! , [x1 A1 + . . . + xn An ]n (I.35) – so dass nur noch ein gemeinsamer Nenner auftritt, allerdings dafür jetzt zusätzliche Parameter-Integrale ausgeführt werden müssen. (Wir werden sehen, dass dadurch aber das 4er-Impulsintegral elementar wird.) (I.36) ar mit (q 2 = 2m2 − 2p · p0 ) y In unserem Fall erhalten wir Z 1 1 2 dxdydz δ(1 − x − y − z) 3 = N D 0 D = xk 2 − xµ2 + y(p0 − k)2 − ym2 + z(p − k)2 − zm2 + i = k 2 − 2yp0 · k − 2zp · k − xµ2 + i in = (k − yp0 − zp)2 − (yp0 + zp)2 − xµ2 + i = k̃ 2 − (y 2 + z 2 )m2 − 2yzp · p0 − xµ2 + i = k̃ 2 − (y + z)2 m2 + yzq 2 − xµ2 + i eli m ≡ k̃ 2 − ∆2 + i (I.37) mit also ∆2 = (1 − x)2 m2 − yzq 2 + xµ2 , k̃ = k − yp0 − zp . (I.38) pr Die zu erwartenden IR-Divergenzen hängen mit den Nullstellen von ∆2 (bei Abwesenheit der Regulatormasse µ) zusammen. Die IR-Divergenzen rühren also von bestimmten Regionen im Feynman-Parameter-Integral zusammen, in unserem Fall mit der Region x→1 und y, z → 0 . Zähler: Im Zähler führen wir ebenfalls die Variablensubstitution k → k̃ durch. Dann müssen wir die Lorentzstrukturen gemäß der Formfaktoren A, B, C identifizieren. Um die Kette von Dirac-Matrizen zwischen ū(p0 )[..]u(p) zu vereinfachen, benutzen wir die Relationen für Dirac-Matrizen:1 – γ ν γ µ γν = −2γ µ , γ ν γ µ a/γν = 4aµ , γ ν a/γ µ/b γν = −2b/γ µ a/ . 1 (I.39) Die angegebenen Relationen gelten für 4 Raumzeitdimensionen. Wir werden später die Methode der dimensionalen Regularisierung kennen lernen, wo diese Relationen verallgemeinert werden müssen. 14 I.1 Radiative Korrekturen in der QED Weiterhin können wir die Dirac-Gleichung verwenden, nachdem wir alle Terme p/ nach rechts und p/0 nach links (anti-)kommutieren (p/u(p) = mu(p), ū(p0 )p/0 = mū(p0 )). Bei der Integration verschwinden die Integrale mit ungeraden Potenzen von k̃ im Zähler, Z k̃ µ d4 k̃ =0 (2π)4 (k̃ 2 − ∆2 + i)n (wg. Antisymmetrie unter k̃ → −k̃) . (I.40) d4 k̃ k̃ µ k̃ ν = X g µν , (2π)4 (k̃ 2 − ∆2 + i)n mit: X = Z d4 k̃ k̃ 2 /4 . (2π)4 (k̃ 2 − ∆2 + i)n (I.41) y Z – Für Tensorintegrale mit k̃ µ k̃ ν im Zähler ergibt sich aufgrund der Lorentzsymmetrie: 0 ( 1 2 k̃ − (1 − 2x − x2 )m2 − (1 − y)(1 − z)q 2 γ µ 2 in Zähler = −i 8πα ū(p ) ar Nach einigen Rechenschritten (die nicht schwierig aber etwas aufwendig sind, und deshalb am besten mit Hilfe von Computer-Algebra-Programmen wie Mathematica durchgeführt/kontrolliert werden, siehe Übung ) ergibt sich + x(1 − x)m (p0µ + pµ ) ) eli m + (z − y)(1 + y + z)m q µ u(p) (I.42) An dieser Stelle lassen sich schon einige Eigenschaften der Beiträge zu den verschiedenen Formfaktoren ablesen: • Beim Beitrag zum FF A(q 2 ) gibt es aufgrund des Terms k̃ 2 im Zähler eine UV-Divergenz bei der k̃–Integration, d4 k̃ k̃ 2 (k̃ 2 − ∆2 + i)3 divergiert für k̃ → ∞ pr Weiterhin verschwindet der Zähler nicht im für potentielle IR-Divergenzen relevanten Bereich x → 1, y, z → 0, d.h. wir werden auch IR-Divergenzen im Formfaktor A(q 2 ) erhalten. – • Im Gegensatz dazu, erhält der Term vor (p0µ + pµ ), der dem Formfaktor B(q 2 ) entspricht, keine Terme mit k̃ 2 ; und außerdem verschwindet in diesem Fall der Zähler für x → 1. Wir erwarten also weder UV- noch IR-Divergenzen im O(α)–Beitrag zu B(q 2 ). • Schließlich ist der Zähler im Term vor q µ , der dem Formfaktor C(q 2 ) entspricht, antisymmetrisch unter Vertauschung von y ↔ z, während der Rest des Integrals (inklusive des Terms ∆2 ) symmetrisch ist, so dass C(q 2 ) = 0 nach Parameterintegration, im Einklang mit unseren allgemeinen Überlegungen. 15 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED d4 k̃–Integration: Wie bereits in TTP1 diskutiert, transformieren auf euklidische Impulse mittels der sog. Wick-Rotation: 4 k̃ 0 = ikE , ~k = ~kE , 4 mit kE ∈ (−∞, +∞) 2 < 0. Die i–Vorschrift sagt uns d.h. wir ersetzen d4 k̃ → id4 kE und k̃ 2 = −kE gerade, in welcher Richtung in der komplexen Ebene wir die Wick-Rotation der Integrationskontur durchführen müssen. Für ∆2 > 0 können wir danach den i Term im Nenner weglassen. – Weiterhin können wir 4-dimensionale Kugelkoordinaten benutzen, so dass (siehe Übung ) d4 kE = dΩ4 k 3 dk = 2π 2 k 3 dk y I.1.2.1 Berechnung des Formfaktor B(q 2 ) bzw. F2 (q 2 ) Kombination des Zählers, Nenners und Integrationsmaß ergibt 0 Z ∞ ar Z 1 2α B(q ) = − π 2 dx dy dz δ(1 − x − y − z) 0 k 3 dk m x(1 − x) (k 2 + ∆2 )3 (I.43) Die k-Integration ist nun elementar und führt auf Integrale der Form k3 (∆2 )2−n = 2 n +∆ ) 4 − 6n + 2n2 in Z ∞ dk 0 und damit α 2π Z 1 eli m B(q 2 ) = − 0 (k 2 dx dy dz δ(1 − x − y − z) (I.44) m x(1 − x) . ∆2 (I.45) Uns interessiert zunächst insbesondere der Term F2 (0) = −2mB(0) = Z 1 α π 0 dx dy dz δ(1 − x − y − z) m2 x(1 − x) . (1 − x)2 m2 + xµ2 (I.46) – pr Da keine IR-Divergenzen für x → 1 auftreten, können wir µ → 0 setzen und erhalten einfach α F2 (0) = π Z 1 0 x α dx dy θ(1 − x − y) = 1−x π Z 1 0 dx x = α 2π (I.47) Die IR-Endlichkeit des Resultats ist dabei zwingend, denn wir hatten ja durch die reelle Abstrahlung nur Korrekturen zu der Dirac-Struktur γ µ des führenden Diagramms erhalten (haben also keine IR-Divergenzen zum kompensieren). [Analog haben wir auch keinen Beitrag vom führenden Diagramm durch dessen Renormierung (s.u.) wir eine etwaige UV-Divergenz in F2 (0) ausgleichen könnten.] Insgesamt bekommen wir also eine eindeutige QED-Vorhersage für die führende Quantenkorrektur zum anomalen magnetischen Moment des Elektrons, ae = 16 α g−2 = ≈ 0.0011614 . 2 2π I.1 Radiative Korrekturen in der QED Für endliche Impulsüberträge q 2 lässt sich das Parameterintegral immer noch elementar berechnen und man erhält √ 4m2 τ 1−τ −1 α 2 √ (I.48) ln √ für τ = 2 < 0 . F2 (q ) = 2π 2 1 − τ q 1−τ +1 (Um das analytische Verhalten für 0 < τ < 1, d.h. oberhalb der Schwelle q 2 > 4m2 für 2Teilchen-Produktion, zu erhalten, muss man die i-Vorschrift in der Form m2 → m2 − i beibehalten.) – I.1.2.2 Berechnung des Formfaktors A(q 2 ) bzw. F1 (q 2 ) y Wie bereits oben erwähnt ergibt sich bei der Berechnung der Vertexkorrektur zum Formfaktor A(q 2 ) eine UV-Divergenz, die entsprechend regularisiert werden muss (die IRDivergenz haben wir bereits durch die fiktive Photonmasse µ regularisiert). Dazu gibt es verschiedene Methoden, von denen wir ein einige kurz diskutieren wollen: ar • Das einfachste Verfahren besteht im Einführen eines Energie-Impuls–Abschneideparameters (“cut-off”), so dass |k̃ µ | ≤ ΛUV . Die UV-Divergenzen treten dann in der Form ln ΛUV (log. Divergenz) , Λ2UV (quadrat. Divergenz) . . . ΛUV (lineare Divergenz) , in auf (für ΛUV → ∞). Diese Methode hat allerdings den Nachteil, dass sie nicht invariant bzgl. Variablensubstitution k̃ µ → k̃ µ + aµ ist. eli m • Ein für die QED häufig verwendetes Verfahren, welches wir im Folgenden auch benutzen wollen, besteht darin, vom UV-divergenten Diagramm einen analogen Ausdruck zu subtrahieren, bei dem das Photon eine fiktive große Masse M bekommt, so dass die führende Divergenz für |k̃| → ∞ wegfällt. Dies bezeichnet man als “Pauli-Villars”-Regularisierung. In unserem Fall ergibt sich d4 k̃ 2 k̃ (2π)4 − i 8πα Z α = π 5 dkE kE ! 1 − (µ → M ) 2 (k̃E + ∆2 )3 ! α ∆2 (µ → M ) α xM 2 ln ' ln . 2π ∆2 2π (1 − x)2 m2 − yzq 2 + xµ2 pr = Z 1 − (µ → M ) 2 (k̃ − ∆2 )3 (I.49) Das Problem dieser Methode ist, dass die Photonmasse die Eichinvarianz verletzt und damit gewisse Symmetrien des Problems nicht mehr (automatisch) manifest sind. – • Eine elegante (aber mathematisch subtilere) Methode ist die sog. “Dimensionale Regularisierung”, bei der nicht wie oben der Integrand, sondern das Integrationsmaß modifiziert wird, und zwar dD k d4 k → (2π)4 (2π)D mit D < 4 , (I.50) 17 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED d.h. wir betrachten alle Impulsintegrale in einer fiktiven Raumzeit mit weniger als 3 Raumdimensionen. Insbesondere können wir die erhaltenen Ergebnisse als Funktion von D auch zu nicht ganzzahligen Dimensionen D = 4 − 2 1 , 1 , ... 2 – analytisch fortsetzen (dies ist nur ein mathematischer Trick und hat keine physikalische Bedeutung). Die UV-Divergenzen treten dann für → 0+ in der Form ar y auf. (Die Methode kann auch zur Regularisierung von IR-divergenten Integralen verwendet werden, wenn man → 0− betrachtet. In diesem Fall müssen auch die Phasenraumintegrale d3 k für die reellen Strahlungskorrekturen entsprechend modifiziert werden.) Um mathematisch konsistente Ergebnisse zu erhalten, müssen wir auch die Regeln für die Dirac-Matrizen entsprechend anpassen (siehe Übung ). Insbesondere gilt γ µ γµ = g µ µ = 4 −→ D − 2 . in Trotz dieser Subtilitäten überwiegen – insbesondere bei der Anwendung in der Quantenchromodynamik (QCD) für die starke Wechselwirkung – die Vorteile dieser Methode. So kann man die Modifikation direkt in der QFT-Wirkung als Z 4 (4) d xL (φ, ∂µ φ) −→ Z dD x L(D) (φ, ∂µ φ) (I.51) eli m einführen, ohne innere Symmetrien oder Lorentz-Symmetrie zu verletzen. Kehren wir zur identifizierten UV-Divergenz in (I.49) und deren Interpretation zurück. Fassen wir die (regularisierte) d4 k̃-Integration in A(q 2 ) zusammen (unter Verwendung der gleichen Methoden wie für den Formfaktor B(q 2 )), ergibt sich α A(q ) = 1 + 2π 2 Z 1 0 dx dy dz δ(1 − x − y − z) xM 2 (1 − 2x − x2 )m2 + (1 − y)(1 − z)q 2 × ln + ∆2 ∆2 pr ( ) (I.52) bzw. mit F1 (q 2 ) = 1 + δF1 (q 2 ) = A(q 2 ) + 2mB(q 2 ) F1 (q 2 ) = 1 + α 2π Z 1 0 dx dy dz δ(1 − x − y − z) xM 2 (1 − 4x + x2 )m2 + (1 − y)(1 − z)q 2 × ln + ∆2 ∆2 – ( ) . (I.53) Aus der experimentellen Messung der Ladung des Elektrons im statischen elektrischen ! Feld “wissen” wir, dass F1 (q 2 = 0) = 1 sein muss. Das offensichtlich “falsche” Resultat für 18 I.1 Radiative Korrekturen in der QED F1 (q 2 ) rührt daher, dass wir die externen 1-Teilchen–Zustände in der wechselwirkenden Theorie naiv durch die der freien Theorie ersetzt haben. Wir wissen, dass für Streuamplituden in der wechselwirkenden Theorie die externen Zustände durch entsprechende Z-Faktoren aus der Spektraldarstellung der entsprechenden 2-Punkt-Funktionen (vgl. TTP1 und siehe unten) korrigiert werden müssen, √ √ ū(p) → Z ū(p) , (I.54) u(p) → Z u(p) , ! – mit Z = 1+O(α) in der Störungstheorie. Damit ändert sich die Vorhersage auf BaumgraphenNiveau, und das Gesamtergebnis zur Ordnung α lautet Z ū(p)γ µ u(p) 1 + δF1 (q 2 ) = ū(p)γ µ u(p) 1 + δZ + δF1 (q 2 ) + O(α2 ) = ū(p)γ µ u(p) . (I.55) Z = 1 − δF1 (0) , {z ⇒ } F1 (q 2 )renorm. = 1 + δF1 (q 2 ) − δF1 (0) | {z } ar | y Daraus ergibt sich die Bedingung (die wir weiter unten testen werden) q 2 -unabhängig UV-endlich (I.56) eli m in Der so definierte “renormierte” Formfaktor ist nun UV-endlich, weil der divergente Anteil proportional zu ln M 2 in δF1 (q 2 ) unabhängig von q 2 ist und sich damit in der Differenz heraushebt. Der (unphysikalische, weil nicht beobachtbare) Renormierungsfaktor Z dagegen ist UV-divergent, aber unabhängig von q 2 . Der renormierte Formfaktor F1 (q 2 ) kann nun explizit berechnet werden (wir lassen das Label “renorm.” im Folgenden wieder weg): F1 (q 2 ) = 1 + ( × ln α 2π Z 1 0 dx dy θ(1 − x − y) m2 (1 − x)2 + xµ2 m2 (1 − x)2 + xµ2 − y(1 − x − y)q 2 m2 (1 − 4x + x2 ) + (1 − y)(x + y)q 2 + 2 − (q 2 → 0) m (1 − x)2 + xµ2 − y(1 − x − y)q 2 ) (I.57) . pr Wir bemerken, dass wir im logarithmischen Term in Klammern den IR-Regulator vernachlässigen können, da das Argument des Logarithmus für x → 1 und y → 0 regulär bleibt. Das lässt sich noch expliziter machen, wenn wir die Variablensubstitution y = (1 − x)ξ – durchführen, mit dem Resultat α F1 (q ) = 1 + 2π 2 Z 1 0 dx (1 − x) Z 1 0 ( dξ ln m2 m2 − ξ(1 − ξ)q 2 m2 (1 − 4x + x2 ) + (1 − ξ + xξ)(x + ξ − xξ)q 2 + − (q 2 → 0) m2 (1 − x)2 + xµ2 − (1 − x)2 ξ(1 − ξ)q 2 ) . (I.58) 19 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Im 2. Term haben wir den IR-Regulator µ beibehalten, da der Zähler im Limes x → 1 R dx nicht verschwindet und das Parameterintegral sonst wie 01 1−x divergieren würde. Zur Lösung der Parameterintegrale ist es nützlich, das Resultat in einen IR-divergenten und einen IR-endlichen Anteil aufzuteilen. In F1 |div. (q 2 ) setzen wir im Zähler, sowie im Vorfaktor bei µ2 den Parameter x = 1 und erhalten 2 F1 (q )|div. α = 2π Z 1 dx (1 − x) 0 Z 1 0 ( dξ −2m2 + q 2 − (q 2 → 0) m2 (1 − x)2 + µ2 − (1 − x)2 ξ(1 − ξ)q 2 (I.59) ) F1 (q )|div. Z 1 α = 4π 0 " dξ −2m2 + q 2 m2 − q 2 ξ(1 − ξ) m2 ln + 2 ln m2 − ξ(1 − ξ)q 2 µ2 µ2 # . ar 2 y – Im restlichen Anteil, F1 (q 2 )|reg. = F1 (q 2 ) − F1 |div. (q 2 ), kann dann µ = 0 gesetzt werden, so dass sich der Integrand etwas vereinfacht (das explizite Resultat geben wir nicht an; es kann aber ohne große Schwierigkeiten hergeleitet werden). Das x-Integral in (I.59) ist nun elementar (man setze einfach ω = (1 − x)2 ), und man erhält (I.60) Wir interessieren uns insbesondere für den µ-abhängigen Term (der sich ja mit der reellen IR-Divergenz kompensieren soll). Dieser lässt sich separieren durch Einführen einer Hilfsskala µ0 , F1 (q )|div. α = 4π Z 1 0 " dξ −2m2 + q 2 µ20 µ20 ln + 2 ln + (µ-unabhängige Terme) . m2 − ξ(1 − ξ)q 2 µ2 µ2 (I.61) # in 2 eli m Vergleich mit dem im Phasenraum der reellen Photonabstrahlung auftauchenden Winkelintegral I(v 0 , v) (siehe Übung ) ergibt dann F1 (q 2 ) = 1 − µ2 α ln 02 · I(v 0 , v) + (IR-endliche, µ-unabhängige Terme). 4π µ (I.62) Damit ergeben die virtuellen Korrekturen zum differentiellen Wirkungsquerschnitt dσ(p → p0 ) einen Faktor pr 2 2 2 α µ α µ2 ln 20 · I(v 0 , v) + . . . = 1 − ln 02 · I(v 0 , v) + . . . F1 (q 2 ) = 1 − 4π µ 2π µ (I.63) – während die reellen Korrekturen in dσ(p → p0 + γsoft ) den Beitrag α E2 ln min · I(v 0 , v) 2π µ2 (I.64) ergaben. In der Summe ergibt sich ein IR-endliches Resultat dσ(p → p0 , p → p0 + γsoft ) = dσ0 20 α E2 1+ ln min · I(v 0 , v) + endliche Terme f (m2 , q 2 , µ20 ) 2π µ20 ! (I.65) I.1 Radiative Korrekturen in der QED Für große Werte von q 2 (bzw. m2 → 0) wählen wir µ20 = −q 2 , so dass im endlichen Anteil f (m2 , q 2 , µ20 ) → f (−q 2 /µ20 ) = f (−1) keine logarithmischen Terme in q 2 mehr auftauchen. Dann ergibt sich im Hochenergielimes 0 0 dσ(p → p , p → p + γsoft ) |−q 2 |m2 = " dσ0 −q 2 −q 2 α 1 − ln 2 ln 2 + . . . π m Emin # (I.66) Anmerkungen: – • Wir haben schließlich einen endlichen Wirkungsquerschnitt erhalten, der (prinzipiell) mit dem Experiment verglichen werden kann. −q 2 α −q 2 ln 2 ln 2 ∼ O(1) . π m Emin y • Allerdings bricht die angenommene Störungsentwicklung in α/π offensichtlich zusammen, wenn der Impulsübertrag so groß wird, dass (I.67) ar Insbesondere lassen sich dann anscheinend sogar negative Wirkungsquerschnitte erzielen, was physikalisch unsinnig ist. in • Die Kompensierung von IR-Divergenzen haben wir nur zur führenden Ordnung in α gezeigt. Damit das obige Resultat zuverlässig ist, würden wir gerne sicher sein, dass die Cancellierung in beliebiger Ordnung der Störungstheorie tatsächlich funktioniert. eli m Im folgenden Abschnitt werden wir sehen, wie diese Probleme zu lösen sind. I.1.3 Aufsummation und Interpretation der IR-Divergenzen Den Wirkungsquerschnitt, den wir eigentlich messen, beinhaltet eine beliebige Anzahl von weichen Photonen mit k0 < Emin . In der Störungstheorie erwarten wir für n weiche Photonen ein Verhalten des WQ wie " (I.68) pr ∝ #n α E2 ln min I(v, v 0 ) π µ20 – Falls der Ausdruck in Klammern von der Ordnung 1 oder größer ist (d.h. die logarithmisch verstärkten Koeffizienten in der Störungstheorie die kleine Kopplungskonstante α kompensieren), dann konvergiert die Störungsreihe nicht und wir müssen alle diese Beiträge für n = 0, 1, . . . , ∞ aufsummieren, um ein physikalisch sinnvolles Resultat zu bekommen. Um zu verstehen, wie und warum diese Aufsummation funktioniert, stellen wir zunächst einige Vorüberlegungen an. Wir betrachten dazu die Abstrahlung von 2 Photonen von einer Fermionlinie im Endzustand (Impuls p0 ), die mit dem eigentlichen Wechselwirkungsvertex verbunden ist. – Diagramme – 21 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Im ersten Fall wird nach der Wechselwirkung erst ein hartes Photon (mit Impuls k1 ) und dann ein weiches Photon (k2 ) abgestrahlt. Im zweiten Fall umgekehrt. Betrachten wir die Virtualitäten der intermediären Fermionpropagatoren, finden wir: Fall 1: (p02 )2 − m2 = 2p0 · k2 → 0 , äußeres Elektron: p02 = p0 + k2 , inneres Elektron: p01 = p02 + k2 = p0 + k1 + k2 , – (p01 )2 − m2 = 2p0 · (k1 + k2 ) + (k1 + k2 )2 ≈ 2p0 · k1 6= 0 (I.69) ar y In diesem Fall bleibt der innere Propagator stets off-shell (d.h. produziert keine IR-Divergenz) und kann als “normale” perturbative Korrektur zum eigentlichen Wechselwirkungsprozess behandelt werden. Der äußere Propagator produziert eine IR-Divergenz, die aber unabhängig vom Impuls des harten Photons ist. Fall 2: (p02 )2 − m2 = 2p0 · k2 6= 0 , p02 = p0 + k2 , inneres Elektron: p01 = p0 + k1 + k2 , in äußeres Elektron: (p01 )2 − m2 ≈ 2p0 · k2 6= 0 (I.70) eli m In diesem Fall sind beide Propagatoren stets off-shell, d.h. die Abstrahlung von einem weichen Photon innerhalb des harten Sub-Prozess generiert keine neue IRDivergenz, und Diagramme dieser Art müssen für die Aufsummation nicht betrachtet werden (liefern natürlich aber trotzdem O(α) Korrekturen zum WQ). Damit haben wir eine wesentliche Vereinfachung geschaffen: Wir können uns für die Aufsummation auf die Abstrahlung von weichen Photonen von den externen Linien im Anfangs- und/oder Endzustand konzentrieren. Für n weiche Photonen aus FSR erhalten wir mit den Näherungen für die Fermionpropagatoren, die wir bereits im n = 1 Beispiel hergleitet hatten ep0µ1 ū(p ) p0 · k1 " pr 0 ! ep0µ2 ep0µn · · · p0 · (k1 + k2 ) p0 · (k1 + . . . kn ) ! ! # × (Rest des Diagramms) (I.71) – Da die Photonen ununterscheidbare Bosonen sind, müssen wir über alle Permutationen der zugeordneten Impulse (k1 ,. . . ,kn ) summieren. Das Ergebnis ist (Beweis durch Induktion → Übung ) 1 1 1 · ··· p · kπ(1) p · (kπ(1) + kπ(2) ) p · (kπ(1) + . . . + kπ(n) ) alle Permutationen π X = 22 1 1 1 · ··· p · k1 p · k2 p · kn (I.72) I.1 Radiative Korrekturen in der QED Damit vereinfacht sie das Ergebnis für n weiche Photonen aus FSR wie folgt ep0µ1 – Diagramm – = ū(p ) p0 · k1 " ! 0 ep0µn ··· p0 · kn !# (I.73) ··· und analog für ISR mit ki → (−ki ) und p0 → p. Fassen wir dann sämtliche Kombinationen von Photonen im Anfangs- und/oder Endzustand zusammen, ergibt sich für die Streuamplitude iM ' ū(p ) iMhart u(p) · n Y e i=1 p0µi pµi − p0 · ki p · ki (I.74) – 0 ar y d.h. die Streuamplitude “faktorisiert” in einen harten Anteil iM (welcher die kurzreichweitigen Strahlungskorrekturen beinhaltet) und einen Anteil, der die Effekte weicher Photonen berücksichtigt. (Dieses Konzept der Faktorisierung wird insbesondere bei der Berechnung von Prozessen der starken Wechselwirkung in der QCD eine wesentliche Rolle spielen.) Obige Formel lässt sich sowohl für reelle als auch für virtuelle weiche Photonen anwenden: e2 2 Z d4 k i 4 2 (2π) k + i p0 p − 0 p ·k p·k eli m Xv = in • Für virtuelle Photonen müssen wir jeweils 2 Photonen (i und j) identifizieren, mit Photonpropagator mit Impuls kj = −ki ≡ k multiplizieren und über alle 4erImpulse integrieren. Damit wir nicht doppelt zählen für i ↔ j, gibt es noch einen Faktor 1/2. Für jedes virtuelle weiche Photon erhalten wir dann einen Faktor 2 =− −q 2 α I(v, v 0 ) ln 2 , 4π µ (I.75) wie wir ihn bereits in der Vertexkorrektur berechnet hatten. Summieren wir dann über alle virtuellen Korrekturen dieser Art und berücksichtigen einen kombinatorischen Faktor 1/m! um Mehrfachzählung zu vermeiden, ergibt sich für die korrigierte Amplitude pr M(p → p0 ) = M0 (p → p0 ) · ∞ X 1 m! m=0 Xvm = M0 (p → p0 ) · exp [Xv ] . (I.76) In der Tat können wir also die Effekte von beliebig vielen weichen virtuellen Photonen (d.h. die Beiträge mit dem Sudakov-Doppel-Logarithmus) explizit in eine Exponentialreihe aufsummieren. – • Analog erhalten wir für jedes reelle Photon: – Kontraktion mit dem dazugehörigen Polarisationsvektor, – Polarisationssumme nach Quadrieren der Amplitude ausführen, – Phasenraum für jedes Photon integrieren. 23 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Damit ergibt sich für jedes reelle Photon ein Faktor XR = − Z Emin µ d3 k 1 2 p0 p e − 3 0 (2π) 2ωk p ·k p·k 2 = α E2 , I(v, v 0 ) ln min 2π µ2 (I.77) wie bereits für die reellen Korrekturen mit n = 1 berechnet wurde. Mit dem entsprechenden Symmetriefaktor für n identische Photonen im Endzustand, erhalten wir den aufsummierten Wirkungsquerschnitt n=0 dΩ (p → p0 + nγsoft ) = ∞ X dσ 1 n dσ (p → p0 ) Xr = (p → p0 ) exp [Xr ] (I.78) dΩ n! dΩ n=0 – ∞ X dσ Fassen wir nun also reelle und virtuelle Korrekturen zusammen, ergibt sich für den gemessenen Wirkungsquerschnitt • Das Ergebnis ist IR endlich. ar y dσ dσ0 dσ0 = (p → p0 ) · exp [Xr ] · |exp [Xv ]|2 = (p → p0 ) exp [Xr + 2Xv ] dΩ dΩ dΩ " #2 α dσ0 −q 2 0 0 (p → p ) exp − I(v, v ) ln 2 = dΩ 4π Emin (I.79) in • Der Korrekturfaktor nimmt nur physikalische Werte zwischen 0 und 1 an. • Die Entwicklung der Exponentialfunktion reproduziert (per Konstruktion) das Resultat in erster Ordnung in α ln2 [..]. 2 h i eli m α • Der Faktor S ≡ exp − 4π I(v, v 0 ) ln E−q heisst Sudakov-Formfaktor und stellt 2 min eine universelle Eigenschaft des jeweils betrachteten Wechselwirkungsvertex dar. Ein Corollar der obigen Rechnung ergibt die Wahrscheinlichkeit, dass gerade genau n weiche Photonen im (festen) Energieintervall Ea ≤ ωk ≤ Eb emittiert werden, nämlich Emin →Eb n 1 · Normierungsfaktor Xr n! µ→Ea " " #n pr E2 1 α = I(v, v 0 ) ln b2 n! 2π Ea α E2 exp − I(v, v 0 ) ln b2 2π Ea # (I.80) Das entspricht gerade einer Poisson-Verteilung P (n) = 1 n −λ λ e n! (I.81) – mit der mittleren Anzahl von emittierten Photonen (im vorgegebenen Energieintervall) λ ≡ hni = α Eb ln I(v, v 0 ) π Ea (I.82) Das gleiche Resultat für hni lässt sich auch durch eine semi-klassische Rechnung reproduzieren (siehe Diskussion in [1]). 24 I.1 Radiative Korrekturen in der QED I.1.4 2-Punkt–Funktion des Elektrons in der QED-Störungstheorie Für Dirac-Teilchen hatten wir in TTP1 die folgende Überlegung zur analytischen Struktur der 2-Punkt-Funktion gemacht: Z 4 ipx d xe i (p/ + m)αβ + hΩ|T ψα (x)ψ̄β (0)|Ωi = Z2 · 2 p − m2 + i Z∞ ∼m2 dM 2 i ραβ (M 2 ) 2π p2 − M 2 + i (I.83) Den Renormierungsfaktor für die 1-Teilchen-Fermionzustände bezeichnen wir in der QED als Z2 . Er ist definiert über p (I.84) Z2 u(p, s) – hΩ|ψ(0)|p, si = ar y und analog für Antiteilchen-Zustände mit v̄(p, s). Die Summation über alle Spin-Zustände für Teilchen und Antiteilchen ergibt dann wie im Falle des freien Propagators den Term (p/ + m) im Zähler des 1-Teilchen–Beitrags. m ist wieder die physikalische Masse (im Gegensatz zum Massenparameter m0 in der Dirac-Lagrangedichte). Die 2-Punkt–Funktion des Elektrons lässt sich als geometrische Reihe über 1-Teilchenirreduzible Diagramme (1PI) darstellen: – Diagramme – d4 x eip·x hΩ|T Ψ(x)Ψ̄(0)|Ωi in Z i(p/ + m0 ) i(p/ + m0 ) i(p/ + m0 ) + 2 (−iΣ) 2 + ... 2 2 − m0 + i p − m0 + i p − m20 + i i = p/ − m0 − Σ + i p2 eli m = (I.85) wobei wir die Elektron-Selbstenergie −iΣ(p/) = Summe über alle 1-Teilchen irreduziblen (amputierten) 2-Punkt–Diagramme als Matrix im Spinorraum eingeführt haben (als Funktion von p/, wobei p2 = p/p/). In führender Ordnung der Kopplung α erhalten wir somit pr – Diagramme – −iΣ(p/) = (−ie) 2 Z d4 k µ i(p/ − k/ + m0 ) −i γ γµ 2 (2π)4 k − µ2 + i (p − k)2 − m20 + i (I.86) – Das Integral lässt sich mit den bereits diskutierten Methoden ausführen. Die UV-Divergenz wird wieder mit Pauli-Villars (Subtraktionsmasse M ) regularisiert. Für die auftretenden IR-Divergenzen haben wir wieder eine Photonmasse µ als Regulator eingeführt. Nach kurzer Rechnung erhält man α Σ(p/) = 2π Z 1 0 dx (2m0 − xp/) ln xM 2 (1 − x)m20 + xµ2 − x(1 − x)p2 (I.87) Uns interessiert für die Bestimmung der Spektraldichte insbesondere das analytische Verhalten bzgl. p2 : 25 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED • Der Schnitt beginnt, wenn Argument des Logarithmus negativ, also bei ! (1 − x)m20 + xµ2 − x(1 − x)p2 = 0 Der minimale Wert von p2 , bei der die obige Gleichung Lösungen für x Lösungen im Integrationsgebiet [0, 1] besitzt, ist gerade p2min = (m0 + µ)2 – im Einklang mit der allgemeinen Diskussion, denn der leichteste 2-Teilchenzustand ist gerade |eγi mit m2eγ ≥ (m0 + µ)2 Man beachte, dass sich für µ → 0 Subtilitäten aufgrund der IR-Divergenzen mit masselosen Photonen ergeben. y • Wir erhalten keine Beiträge von Bindungszuständen, weil das Photon selbst elektrisch neutral ist. ar • Der (verschobene) 1-Teilchen-Pol ergibt sich für ! p/ − m0 − Σ(p/) /p=m =0 (I.88) in als implizite Gleichung für die physikalische Polmasse m. In erster Ordung Störungstheorie ergibt sich die Massenrenormierung zu m − m0 = Σ(p/ = m) ' Σ(p/ = m0 ) α m0 2π Z 1 0 dx (2 − x) ln eli m = xM 2 (1 − x)2 m20 + xµ2 M →∞ ← 3α M2 m0 ln 2(I.89) 4π m0 Man beachte, dass das Integral sowohl UV- als auch IR-divergent ist. pr • Die Normierung Z2 für das Elektron erhalten wir aus dem Residuum der 2-PunktFunktion am Pol. Entwicklung der Selbstenergiefunktion um p/ = m ergibt 1 1 = dΣ p/ − m0 − Σ(p/) p/ − m0 − Σ(m) − (p/ − m) + . . . dp / /p=m = 1 ! (p/ − m) 1 − dΣ dp / /p=m ⇔ Z2−1 = 1 − + ... = Z2 , p/ − m dΣ dp/ /p=m (I.90) – In erster Ordnung erhalten wir dΣ δZ2 = Z2 − 1 ' (m) dp/ α = 2π Z 1 0 xM 2 x(1 − x)m2 dx −x ln + 2(2 − x) (1 − x)2 m2 + xµ2 (1 − x)2 m2 + xµ2 " = · · · = −δF1 (0) 26 # (I.91) I.1 Radiative Korrekturen in der QED d.h. nach Vergleich der Parameterintegrale ergibt sich das gleiche Resultat wie aus der Vertexkorrektur, aber mit umgekehrten Vorzeichen, was unsere ad-hoc Vorgehensweise zur Renormierung des Formfaktors F1 (q 2 ) im Nachhinein rechtfertigt. Wir werden später noch systematischer untersuchen, in welchem Sinne das Produkt von kleiner Kopplungskonstante und (für M → ∞) unendlich großer UV-Divergenz in der Störungstheorie zu interpretieren ist. I.1.5 Renormierung der elektrischen Ladung – In unserer Betrachtung von e− µ− → e− µ− (+nγsoft ) fehlt noch ein Typ von Diagrammen – Diagramm — y bei denen der Photonpropagator eine Quantenkorrektur durch eine virtuelle ElektronPositron–Schleife erfährt. Das entsprechende Sub-Diagramm trägt zur sogenannten VakuumPolarisation bei (entspricht der Selbstenergie des Photonfelds). Die Korrekturen zur Vakuum-Polarisation ar • ändern die effektive Feldstärke des 4er-Potentials Aµ (x), • ändern die q 2 -Abhängigkeit des (effektiven) Photonpropagators. i Πµν (q) ≡ X in Wir definieren (analog zur Selbstenergiefunktion Σ(p/) bei Elektronen) den Vakuumpolarisationstensor – 1PI-Diagramme – = 1-Loop-Diagramm + O(α2 ) (I.92) eli m Wie im Falle der Vertexfunktion Γµ (p0 , p) übertragen sich die Eigenschaften des DiracStroms ψ̄γ µ ψ, an den das Photon koppelt, auf den Vakuumpolarisationstensor, qµ Πµν (q) = qν Πµν (q) = 0 (Ward-Identität) (I.93) Πµν (q) = (q 2 g µν − q µ q ν ) Π(q 2 ) ≡ q 2 PTµν Π(q 2 ) . (I.94) Deshalb können wir schreiben ein transversaler Projektor mit = 0 und (PT = PT , und Π(q 2 ) ist Hierbei ist eine skalare Vakuumpolarisationsfunktion, die nur vom Betrag des 4er-Impulsübertrags q 2 abhängt. Mit dieser Definition lässt sich die geometrische Reihe aus Produkten von 1PI-Diagrammen und freien Photonpropagatoren wieder explizit aufsummieren (hier in Feynman-Eichung) )2 qµ PTµν pr PTµν – Voller Propagator = freier Propagator + Produkt von 1PI Diagrammen i −ig σν −ig µν −ig µρ h 2 µν 2 Dtot (q) = + iq P Π(q ) + ... T ρσ q2 q2 q2 2 iPTµν iPTµν −ig µν 2 2 = − Π(q ) − Π(q ) + ... q2 q2 q2 µ ν −i −i q q + 2 = PTµν 2 2 q (1 − Π(q ) q q2 | {z transversaler Anteil } | {z } longitudinaler Anteil (I.95) 27 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Folgende Beobachtungen sind zu machen: • Der Pol des vollen Propagators ist immer noch bei q 2 = 0. Damit bleibt das Photon masselos in jeder Ordnung Störungstheorie, als Konsequenz der Eichsymmetrie (welche ja einen Massenterm m2γ Aµ Aµ verbietet) und der damit verbundenen Ward-Identität. • Der longitudinale Anteil bleibt unverändert. 1 ≡ Z3 . 1 − Π(0) – • Das Residuum des Pols bei q 2 = 0 definiert den Renormierungsfaktor für physikalische (d.h. transversale) Photonen (I.96) y In elektromagnetischen Prozessen wird somit effektiv im Photonpropagator2 ar −iZ3 e20 PTµν −ie20 PTµν → q 2 + i q 2 + i (I.97) d.h. effektiv verändert sich die gemessene Stärke der Elementarladung in d20 → Z3 e20 ≡ e2 , (I.98) eli m wobei e20 der Ladungsparameter in der Lagrangedichte und e2 die (messbare) physikalis√ che Ladung e = Z3 e0 = e0 (1+O(α)) darstellt. Man beachte, dass sich im Falle mehrerer (verschieden geladener) Fermionen die Vakuumpolarisation als Summe über Diagramme mit allen virtuellen Fermionen (gewichtet mit den entsprechenden Ladungsfaktoren qi2 ) ergibt, d.h. zur Ordnung α: Vakuumpolarisation = X qi2 (Schleifendiagramm mit Fermion i) (I.99) i pr d.h. alle geladenen Teilchen tragen zu Π(q 2 ) und damit zu Z3 bei, aber Z3 bleibt universell, d.h. die Verhältnisse von Ladungen bleiben unverändert. Weiterhin ergibt sich die modifizierte q 2 -Abhängigket des (transversalen Anteils) des effektiven Photon-Propagators aus −iPTµν −iPTµν e20 e20 = q 2 + i 1 − Π(q 2 ) q 2 + i 1 − Π(0) − (Π(q 2 ) − Π(0)) −iP µν e2 + ... ≈ 2 T q + i 1 − (Π(q 2 ) − Π(0)) – µν 2 e20 Deff (q )T = (I.100) Hierbei generiert der erste Faktor im nicht-relativistischen Limes das übliche CoulombPotential, welches durch die zusätzliche q 2 Abhängigkeit des zweiten Faktors modifiziert wird. 2 Das gilt zunächst für q 2 nahe bei Null. Die zusätzliche q 2 -Abhängigkeit wird im folgenden diskutiert. 28 I.1 Radiative Korrekturen in der QED I.1.5.1 Berechnung von Π(q 2 ) in der Störungstheorie Aus dem Feynmandiagramm zur Ordnung α erhalten wir (hier haben wir m0 ' m benutzt) iΠµν (q) = −(−ie0 )2 Z i(k/ + m) i(k/ + q/ + m) d4 k tr γ µ 2 γν (2π)4 k − m2 + i (k + q)2 − m2 + i (I.101) (Man beachte, dass zusätzliche Minuszeichen und die Dirac-Spur für die geschlossene Fermionschleife.) Die Auswertung der Dirac-Spur ist elementar, und es ergibt sich −4e20 Z d4 k k µ (k + q)ν + k ν (k + q)µ − g µν (k · (k + q) − m2 ) . (2π)4 (k 2 − m2 + i)((k + q)2 − m2 + i) (I.102) – iΠ (q) = µν (q · k)(k + q)ν + k ν (k + q) · q − q ν (k · (k + q) − m2 ) (k 2 − m2 + i)((k + q)2 − m2 + i) Z k ν (2q · k + q 2 ) − q ν (k 2 − m2 ) . = d4 k 2 (k − m2 + i)((k + q)2 − m2 + i) Z d4 k ar qµ Π (q) ∝ µν y Das verbleibende Integral kann mit unseren bereits erarbeiteten Standardmethoden berechnet werden. Ohne explizite Berechnung des Integrals lässt sich an dieser Stelle bereits die Bedinung qµ Πµν = 0 nachprüfen, (I.103) in Ein üblicher Trick an dieser Stelle besteht nun darin, die Terme im Zähler als Linearkombination von den Faktoren im Nenner zu schreiben. Für den Koeffizienten vor k ν ergibt sich eli m 2q · k + q 2 = ((k + q)2 − m2 ) − (k 2 − m2 ) ; (I.104) der Koeffizient vor q ν hat bereits die Form eines Propagatornenners. Damit ergibt sich nach Kürzen der Brüche qµ Πµν ∝ Z d4 k k ν 1 1 1 − kν − qν . 2 2 2 2 2 k − m + i (k + q) − m + i (k + q) − m2 + i (I.105) pr Falls wir im 2. und 3. Term (k + q) → k substituieren dürfen, ergibt sich in der Tat insgesamt Null. Aber das Integral ist wieder divergent! Damit dürfen wir die Variablensubstitution erst nach der Regularisierung erlaubt. • Für eine cut-off Regularisierung funktioniert dies offensichtlich nicht. – • Pauli-Villars–Regularisierung wäre wieder eine Option. Allerdings ist die Situation hier etwas komplizierter, weil die führende Divergenz bereits quadratisch ist, d.h. man braucht 2 PV-Subtraktionen. • Das Verfahren dimensionaler Regularisierung ist hier günstig, da wir in obiger Herleitung nur D = 4 → 4 − 2 ändern müssen und Variablensubstituionen weiterhin erlaubt sind, und damit qµ Πµν = 0 garantiert ist. (Man beachte, dass sich die Regeln für die Dirac-Spur in D 6= 4 Dimensionen nicht verändern.) 29 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Setzen wir die Berechnung von Π(q 2 ) fort: Nach Einführen von Feynman-Parametern ergibt sich (nach Wick-Rotation), iΠµν (q) = −4ie20 × Z 1 0 Z dx dD kE (2π)D 2 2 2 k + kE + m2 + x(1 − x)q 2 g µν − 2x(1 − x) q µ q ν D E − 2 : (kE + ∆2 )2 (I.106) ar y – mit ∆2 = m2 − x(1 − x)q 2 . Betrachten wir die einzelnen Terme in der geschweiften Klammer, so fällt auf, dass sich für den Term mit g µν aufgrund des expliziten Faktors 2 im Limes k → ∞ anscheinend eine quadratische Divergenz ergibt, während der Term kE E mit q µ q ν offensichtlich nur logarithmisch divergent ist. Wir werden gleich sehen, wie sich trotzdem die beiden Terme zu einem Ergebnis proportional zum transversalen Projektor PTµν kombinieren lassen. Weiterhin bemerken wir, dass sich keine IR-Divergenzen bei x → 0, 1 ergeben, was daran liegt, dass die Elektronen in der Schleife von vorneherein massiv sind. • Berechnen wir zunächst den (vermeintlich) quadratisch divergenten Beitrag (siehe Masterintegrale in der Übung ) 2 dD kE (−2/D + 1) kE 1 1 =− (1 − D/2) Γ[1 − D/2] 2 D 2 2 D/2 (2π) ∆2 (kE + ∆ ) (4π) in Z 1−D/2 . (I.107) eli m Die in dimensionaler Regularisierung auftauchenden Γ-Funktionen haben Pole bei ganzzahligen, nicht-positivem Argument Γ(z) hat Pole bei z = 0, −1, −2, . . . (I.108) d.h. die im obigen Integral auftretende Γ-Funktion divergiert für D = 2, 4, 6, . . . Im Vergleich dazu ergibt sich für ein logarithmisch divergentes Integral Z dD k 1 1 Γ(2 − D/2) = D 2 2 2 D/2 (2π) (k + ∆ ) Γ(2) (4π) 1 ∆2 2−D/2 (I.109) pr und die auftauchende Γ-Funktion divergiert nur für D = 4, 6, . . .. D.h. in dimensionaler Regularisierung signalisieren die Pole der Γ-Funktion den Grad der Divergenz. In unserem konkreten Beispiel wird Γ(z) aber explizit mit z multipliziert. Unter Verwendung von z Γ(z) = Γ(z + 1) (I.110) – wird damit aus dem vermeintlich quadratisch divergenten Beitrag tatsächlich ein logarithmisch divergenter Term mit Polen bei D = 4, 6, . . .. Z 30 2 1 1 dD kE (−2/D + 1) kE =− Γ[2 − D/2] 2 D 2 2 D/2 (2π) ∆2 (kE + ∆ ) (4π) 1−D/2 . (I.111) I.1 Radiative Korrekturen in der QED Die Entwicklung der Γ-Funktion für D = 4 − 2 ergibt dann3 1 − γE + O() Γ(2 − D/2) = Γ() = (I.112) so dass die logarithmische Divergenz durch einen Pol 1/ für → 0 repräsentiert wird. Hierbei ist die numerische Konstante γE = 0.5772 . . . die Euler-Mascheroni– Zahl. −4ie20 iΠ (q) = µν Z 1 0 1 dx Γ(2 − D/2) (4π)D/2 1 ∆2 2−D/2 – • Fassen wir die weiteren Beiträge zu Πµν (q) zusammen, lässt sich nun explizit der transversale Projektor identifizieren, × g (−∆2 ) + g µν (m2 + x(1 − x)q 2 ) − 2x(1 − x)q µ q ν −4ie20 = Z 1 0 dx 2x(1 − x) o y µν Γ() 2 µν µ ν 2 − . (I.113) q g − q q (∆ ) (4π)D/2 ar n in Damit lässt sich die Vakuumpolarisationsfunktion Π(q 2 ) in dimensionaler Regularisierung extrahieren, 1 −8e20 Γ() dx x(1 − x) 2 D/2 (∆ ) (4π) 0 Z 1 2α0 1 2 =− dx x(1 − x) − ln ∆ − γE + ln 4π π 0 Z eli m Π(q 2 ) = (I.114) Insbesondere erhalten wir für q 2 = 0 das Resultat 8e20 Π(0) = − (4π)D/2 Z 1 0 α0 Γ() dx x(1 − x) 2 = − m 3π 1 − ln m2 − γE + ln 4π (I.115) pr Das Resultat sieht nach der -Entwicklung etwas seltsam aus, da der Logarithmus einer dimensionsbehafteten Größe auftaucht. Der Grund hierfür liegt in der Modifikation der Massendimension des Feynman-Integrals d4 k → dD k. Um dies zu korrigieren, führen wir eine Referenzskala µ ein und schreiben – 8e2 µ−2 Π(0) = − 0 D/2 (4π) 3 Z 1 0 Γ() µ2 α0 µ−2 dx x(1 − x) = − m2 3π ( 1 µ2 + ln 2 − γE + ln 4π . m (I.116) ) Die Entwicklung der Γ-Funktion ergibt sich z.B. aus der Darstellung ∞ Y 1 = z e γE z (1 + z/n) e−z/n . Γ(z) n=1 31 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Wir werden später sehen, dass wir die Kombination α0 µ−2 = α(1 + Oα2 ) als dimene2 sionlosen nackten Kopplungsparameter auffassen müssen (im Gegensatz dazu is α0 = 4π0 selbst dimensionsbehaftet für D 6= 4). Während Π(0) den Z3 -Faktor bestimmt, 1 α Z3 = '1+ 1 − Π(0) 3π ( 1 µ2 + ln 2 − γE + ln 4π m ) (I.117) , ergibt sich für die physikalisch observable modifizierte q 2 -Abhängigkeit Z 1 2α π 0 dx x(1 − x) ln m2 + ... , m2 − x(1 − x)q 2 (I.118) – Π(q 2 ) − Π(0) = − welche UV-endlich ist und die richtige Massendimension besitzt. Für Hochenergiestreuexperimente nähern wir wieder, −q 2 m2 , Z 1 0 −q 2 dx x(1 − x) ln 2 + ln x(1 − x) + . . . m −q 2 5 ln 2 − + . . . m 3 ! . ar α = 3π y 2α Π(q ) − Π(0) ≈ π 2 ! (I.119) in Den effektiven Photonpropagator können wir in diesem Fall auch durch eine effektive q 2 -abhängige Feinstruktur“konstante” ausdrücken, α αeff (q 2 ) ' (k = exp(5/3)) (I.120) 2 , α 1 − 3π ln k−q 2 m – pr eli m Insbesondere steigt die effektive Wechselwirkung für grössere Impulsüberträge (d.h. feinere Ortsauflösung) an. Die Tatsache, dass das das elektromagnetische Potential in der Nähe der Ladungsquelle effektiv grösser ist als weiter entfernt davon, kann man auch semi-klassisch verstehen: Die Möglichkeit, in der relativistischen Theorie virtuelle e+ e− –Paare aus dem Vakuum zu erzeugen, führt auf eine effektive Abschirmung der (nackten) Elektronladung. Dieses Bild erklärt damit auch den Begriff “Vakuumpolarisation”. Als Fazit stellen wir fest, dass aufgrund der Quantenfluktuationen die elektromagnetische Kopplungsstärke davon abhängt, bei welchen Abständen/Impulsüberträgen wir messen! In Hochenergieexperimenten betrachten wir insbesondere αeff (q 2 ). Wenn man die Quantenfluktuationen aller Fermionen (Quarks, Myonen, Taus) mit berücksichtigt, ergibt sich z.B. für die relevante Kopplung bei LEP-Experimenten an der Z 0 -Masse: αeff (q 2 = MZ2 ) ' 1 128 (I.121) (im Vergleich zu 1/137 bei kleinen Energien). Wir können auch die Modifikation der elektromagnetischen Wechselwirkung im NR Limes betrachten. Das NR Potential ergibt sich aus der Fouriertransformation des Propagators für q 2 = −|~q|2 zu V (|~x|) = 32 Z d3 q i~q·~x −e2 e . (2π)3 |~q|2 [1 − Π(−|~q|2 ) + Π(0))] (I.122) I.1 Radiative Korrekturen in der QED Als grobe Näherung können wir den Integranden für |~q|2 m2 entwickeln und erhalten 2α Π(−|~q| ) − Π(0) ' − π 2 Z 1 0 |~q|2 dx x(1 − x) −x(1 − x) 2 m ! = α |~q|2 . 15π m2 (I.123) Damit ergibt sich für das Potential α α V (x) ' − − r 15π Z α d3 q i~q·~x e2 4 α2 (3) e = − δ (~x) + . . . − (2π)3 m2 r 15 m2 (I.124) 3 d x |ψ(x)| 2 4 α2 (3) − δ (~x) 15 m2 ! =− 4 α2 |ψ(0)|2 , 15 m2 y ∆E = Z – D.h. zusätzlich zum Coulomb-Potential haben wir eine Verstärkung des Potentials bei kleinen Abständen ~x → 0. Der Effekt gibt u.a. einen kleinen Zusatzbeitrag zur LambShift im H-Atom (siehe QMII) (I.125) δV (r) = − ar und trägt damit insbesondere für S-Wellen bei. Man kann die obige Näherung noch verbessern und erhält dann das sog. Uehling-Potential α α e−2mr √ . r 4 π (mr)3/2 (I.126) in An diesem Ausdruck erkennt man, dass die tatsächliche Reichweite des Potentials von der Grössenordnung der Compton-Wellenlänge des Elektrons, 1/m, ist. eli m I.1.6 Symmetrien im Pfadintegralformalismus Bei der Diskussion der Strahlungskorrekturen haben wir an mehreren Stellen von WardIdentitäten Gebrauch gemacht, welche von der Erhaltung des elektromagnetischen Stroms in der QED herrühren. In diesem Abschnitt wollen wir beispielhaft zeigen, wie sich solche Symmetrierelation für Korrelationsfunktionen direkt aus dem Pfadintegral der QED herleiten lassen. Wir betrachten dazu infinitesimale Variablensubstitutionen der Fermionfelder im Pfadintegral, pr ψ(x) → ψ 0 (x) = ψ(x) + ieα(x) ψ(x) , ψ̄(x) → ψ̄ 0 (x) = ψ̄(x) − ieα(x) ψ̄(x) , (I.127) welche gerade lokalen Phasentransformationen entsprechen. Das Eichfeld Aµ (x) im Pfadintegral lassen wir allerdings jetzt unverändert. Dann ändert sich die Lagrangedichte gemäß: (I.128) – L → L − e(∂µ α) ψ̄γ µ ψ = L − (∂µ α) j µ , wobei j µ der elektromagnetische Strom ist. Der Ausdruck für z.B. die 2-Punkt–Funktion im PI-Formalismus, 1 Z Z Dψ̄ Dψ DA ψ(x1 )ψ̄(x2 ) ei R d4 xL , (I.129) 33 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED muss unter Variablensubstitutionen invariant bleiben. Für die linearen Terme in α(x) ergibt das: Z Dψ̄ Dψ DA ψ(x1 )ψ̄(x2 ) e i Setzen wir wir ! 0= 1 Z Z δL δ∂µ α(x) R d4 xL ( ) δL +i (∂µ α)(x) + ieα(x1 ) − ieα(x2 ) . δ∂µ α(x) (I.130) = −jµ (x) ein und bilden die Funktionalableitung δ/δα(y), erhalten Dψ̄ Dψ DA ψ(x1 )ψ̄(x2 ) ei R d4 xL {+i∂µ j µ (y) + ieδ(y − x1 ) − ieδ(y − x2 )} . – 1 0= Z ! (I.131) y Für jeden der 3 Summanden in der geschweiften Klammer lässt sich das Ergebnis wieder als 3- bzw 2-Punkt–Funktion interpretieren, und wir erhalten ar i∂yµ h0|T j µ (y)ψ(x1 )ψ̄(x2 )|0i = −ieδ(y − x1 ) h0|T ψ(x1 )ψ̄(x2 )|0i + ieδ(y − x2 ) h0|T ψ(x1 )ψ̄(x2 )|0i . (I.132) in Die Herleitung lässt sich offensichtlich für beliebige n-Punkt–Funktionen verallgemeinern. Beziehungen dieser Art (Divergenz ein (n + 1)-Punkt–Funktion mit dem NoetherStrom als Differenz(en) von n-Punkt–Funktionen) bezeichnet man allgemein als WardTakahashi–Identitäten. Sie stellen das Pendant zur klassischen Stromerhaltung eli m ∂µ j µ (x) = 0 auf dem Niveau der Korrelationsfunktionen dar. Wir können die Identität noch in eine etwas intuitivere Form bringen, indem wir in den Impulraum transformieren mittels Z d4 y e−iqy Z d4 x1 eip x1 0 Z d4 x2 e−ipx2 mit q = p0 − p. Dies führt auf d4 yd4 x1 d4 x2 eip (x1 −y) eip(x−x2 ) h0|T j µ (y)ψ(x1 )ψ̄(x2 )|0i = ie Stot (p0 ) − Stot (p) 0 pr −qµ Z (I.133) – wobei Stot (p) den vollen Propagator (inklusive Strahlungskorrekturen) bezeichnet. Die linke Seite der Gleichung enthält gerade unserer Definition der Vertexfunktion, was man direkt einsieht, wenn man sich die Störungsreihe für das Matrixelement anschaut, − qµ Z d4 yd4 x1 d4 x2 eip (x1 −y) eip(x−x2 ) h0|T ψ(x1 ) ψ̄(y)eγ µ ψ(y) ψ̄(x2 )|0i 0 = SF (p0 )eγ µ SF (p) + Strahlungskorrekturen = Stot (p0 ) eΓµ (p0 , p) Stot (p) 34 (I.134) I.1 Radiative Korrekturen in der QED Nach Multiplizieren mit den inversen Propagatoren erhalten wir so −1 0 −1 −qµ Γµ (p0 , p) = −iStot (p ) + iStot (p) (I.135) (Hierbei ist zu beachten, dass wir bisher nicht spezifiziert haben, ob p und p0 die Energie-Impuls-Beziehung erfüllen sollen, d.h. die obige Gleichung gilt auch für “offshell”–Vertexfunktionen.) Weitere Diskussion: – • Auf Baumgraphen-Niveau ergibt sich mit iS −1 (p) = p/ − m und Γµ (p0 , p) = γ µ die triviale Identität: √ −qµ γ µ = (−p/0 + m) + (p/ − m) = −q/ (I.136) y • Fassen wir die Strahlungskorrekturen zum Fermionpropagator wieder durch die −1 Selbstenergiematrix Σ(p) zusammen, haben wir allgemein iStot (p) = p/ − m − Σ(p). Daraus ergibt sich ar qµ Γµ (p0 , p) = q/ − Σ(p/0 ) − Σ(p/) (I.137) In dieser Form verknüpft die WT-Identität also die Vertexfunktion mit der Differenz der Selbstenergiefunktionen. in • Werten wir die Vertexfunktion jetzt speziell zwischen externen on-shell–Spinoren aus, so ergibt sich gerade die Ward-Identität: qµ ū(p0 ) Γµ (p0 , p) u(p) = ū(p0 ) q/ − Σ(p/0 ) + Σ(p/) u(p) eli m = ū(p0 ) (m − m − Σ(m) + Σ(m)) u(p) = 0 √ (I.138) • Wir können uns auch die Entwicklung der WT-Identität um q µ = 0 anschauen (und dann wieder p2 = m2 setzen), qµ Γµ (p, p) p2 =m2 = q/ − ∂Σ q/ = q/ Z2−1 . ∂p/ p2 =m2 (I.139) pr Hier taucht also genau der Renormierungsfaktor Z2 für die externen Elektronlinien auf. Wir definieren nun analog einen Renormierungsfaktor für die Vertexfunktion bei q = 0, Γµ (p, p) ≡ Z1−1 γ µ , (I.140) so dass obige Relation äquivalent ist zu (I.141) Z1 ≡ Z2 . – Vergleichen wir mit dem (renormierten) Formfaktor F1 (q 2 = 0), erhalten wir W.I F1 (0)γ µ ≡ Z2 Γµ (p, p) = Z2 Z1−1 γ µ = γ µ , (I.142) d.h. die Relation F1 (0) = 1 gilt zu allen Ordnungen Störungstheorie und ist eine Konsequenz der Ladungserhaltung in der QED, die sich in den WT-Identitäten für Korrelationsfunktionen manifestiert. 35 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Die Diskussion funktioniert analog für beliebige Amplituden mit externen Photonlinien: Schreiben wir die Amplitude für solche Prozesse als µ (k) Mµ (k; p1 , · · · , pn ) , wobei µ (k) der Polarisationsvektor des externen Photons mit Impuls k µ ist, und p1 · · · pn weitere externe (on-shell) Impulse sind, dann gilt aufgrund der Ward-Identität stets k µ Mµ (k; p1 , · · · , pn )p2 =m2 = 0 . (I.143) i – i I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie ar y In den vorherigen Abschnitten hatten wir UV-divergente Schleifendiagramme zur Ordnung α (1-Schleifen-Diagramme) betrachtet, und die daraus resultierenden Strahlungskorrekturen zu den klassischen Größen durch Z-Renormierungsfaktoren beschrieben: • Die Korrekturen zur Vertexfunktion Γµ (p0 , p) beinhalten einen divergenten Beitrag zu Z1 = 1 + δZ1 . in • Die Korrekturen zur Elektronselbstenergie Σ(p/) beinhalten einen divergenten Beitrag zur Normierung der Elektronzustände Z2 = 1 + δZ2 und zur Masse m = m0 + δm. eli m • Die Korrekturen zur Vakuumpolarisation des Photons Π(q 2 ) involvieren Z3 = 1 + δZ3 . D.h. wir haben 3 UV-divergente Diagramme (für 3 Arten von Korrelationsfunktionen) und 4 logarithmisch UV-divergente Renormierungskoeffizienten. Wir wollen uns nun die Frage stellen, wie und ob sich diese Beobachtungen auch für höhere Ordnungen der Störungstheorie verallgmeinern lassen. • Dazu werden wir allgemeine Diagramme hinsichtlich ihres UV-Verhaltens klassifizieren. pr • Daraus werden wir allgemeine Kriterien zur Charakterisierung von Theorien bzgl. der Anzahl zu renormierender Parameter ableiten. I.2.1 Oberflächlicher Divergenzgrad Allgemein können wir ein Diagramm charakterisieren durch – • die Anzahl externer Linien: Ee und Eγ , • die Anzahl interner Propagatoren: Pe und Pγ , • die Anzahl der QED-Vertizes: V , • die Anzahl der Schleifen: L. 36 I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie Zählen wir nun den Beitrag von Potenzen von Schleifenimpulsen ki im Zähler (positive Potenz) und Nenner (negative Potenz), erhalten wir Schleife: d4 ki gibt 4 positive Potenzen pro Schleife ⇒ 4L; Elektronpropagator: (k/i + . . .)−1 gibt 1 negative Potenz ⇒ −Pe ; Photonpropagator: (ki2 + . . .)−1 gibt 2 negative Potenzen ⇒ −2Pγ . Damit ergibt sich der sog. “oberflächliche Divergenzgrad” (I.144) – d = 4L − Pe − 2Pγ , ar y so dass für große Schleifenimpulse ki oberflächlich logarithmisch (d = 0), linear (d = 1), quadratisch (d = 2), divergente Diagramme (etc.) von konvergenten (d < 0) Diagrammen unterschieden werden können. (Anmerkung: in D 6= 4 Dimensionen gilt d = D L − Pe − 2Pγ ). Die Größe d sagt allerdings noch nichts über den tatsächlichen Divergenzgrad aus. Dies liegt daran, dass in • Diagramme ohne Schleifen (L = 0) stets konvergent sind. Z.B. ergibt das einfache Vertexdiagramm auf Baumgraphenniveau d = 0, ist aber natürlich nicht logarithmisch divergent. eli m • Diagramme mit hinreichend vielen Propagatoren können d < 0 erzeugen, obwohl einige Sub-diagramme für sich genommen UV-divergent sind. Z.B. ergibt das 1Schleifen–Vakuumpolarisationsdiagramm, eingesetzt in das Diagramm für e+ e− → µ+ µ− formal d = 4 · 1 − 2 − 2 · 2 = −2 , obwohl das Vakuumpolarisations-Subdiagramm selbst logarithmisch divergent ist. • Schließlich können zusätzliche Symmetrien den Divergenzgrad verringern, z.B. würde sich für die Vakuumpolarisation d=4·1−2=2 pr ergeben, aber das Endresultat für Πµν (q) war nur logarithmisch divergent. Konzentrieren wir uns im Folgenden also auf die potentiell divergenten Subdiagramme. Wir formen d nun so um, dass nur noch externe Linien auftauchen. Dazu benutzen wir die folgenden Identitäten: – • Die Anzahl von Schleifen in einem Diagramm ergibt sich zu L = Pe + Pγ − V + 1 , (I.145) denn: – jeder Propagator führt einen neuen Integrationsimpuls ein 37 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED – jeder Vertex kompensiert eine Impulsintegration aufgrund der ImpulserhalP tung δ( pi ) an jedem Vertex. – eine der Impuls-δ–Funktionen ist trivial erfüllt (bzw. bezieht sich nur auf externe Impulse) und darf nicht mitgezählt werden. • Die Anzahl der Vertizes ergibt sich aus V = 2Pγ + Eγ , und 2V = 2Pe + Ee , – denn: (I.146) – jeder Vertex involviert 2 interne oder externe Elektronlinie und 1 interne oder externe Photonlinie, y – jede externe Linie berührt genau 1 Vertex, und jede interne Linie berührt genau 2 Vertizes. ar (Man kann sich die Gültigkeit der Formeln leicht an einfachen Mehrschleifendiagrammen klar machen.) Setzen wir diese Ergebnisse in die Definition des oberflächlichen Divergenzgrad ein, erhalten wir d = 4 (Pe + Pγ − V + 1) − Pe − 2Pγ in = 4 (V − Ee /2 + V /2 − Eγ /2 − V + 1) − (V − Ee /2) − (V − Eγ ) 3 = 4 − Eγ − Ee (D = 4) . 2 (I.147) eli m Für D = 4 − 2 ergibt sich entsprechend 3 d = D − V − (1 − ) Eγ − ( − ) Ee . 2 (I.148) pr Die Faktoren vor den einzelnen Termen ergeben sich tatsächlich aus der Massendimension der entsprechenden Felder und Kopplungsparameter in der Lagrangedichte. Dies liegt daran, dass die Massendimension der n-Punktfunktionen durch die Massendimension der Feldoperatoren und der Kopplungskonstanten in der Störungstheorie gegeben ist.4 Für die QED-Lagrangedichte mit D 6= 4 erhalten wir insbesondere S= 4 Z dD x L(D) = Z dD x ψ̄(x) (iD / − m0 ) ψ(x) − 1 Fµν F µν 4 (I.149) Betrachten wir z.B. den elementaren QED-Vertex e0 ψ̄Aµ ψ, wobei e0 die Massendimension dim[e0 ] = D − Ee dim[ψ] − Eγ dim[A] – hat. Die dazugehörige Vertexfunktion ergibt sich durch Amputieren der entsprechenden Diagramme und hat demnach die gleiche Massendimension. Andererseits ergibt sich im UV-Limes (ki ∝ Λ → ∞) die gesamte Massendimension des Diagramms aus der Anzahl V der (dimensionsbehafteten) Kopplungskonstanten und dem oberflächlichen Divergenzgrad, d.h. dim[e0 ] = dim eV0 · Λd = dim[e0 ] V + d . Gleichsetzen der beiden Ausdrücke ergibt (I.150). 38 I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie • Die Wirkung ist dimensionslos, dD x hat Massendimension −D. Daraus folgt, dass die Lagragedichte die Massendimension D hat. • i∂/ hat Massendimension 1, damit haben e0 Aµ und m0 auch Massendimension 1. • Damit haben ψ und ψ̄ Massendimension (D − 1)/2 = 3 2 − . • Und Fµν hat Massendimension D/2 = 2 − , d.h. Aµ hat Massendimension D/2 − 1 = 1 − . Der oberflächliche Divergenzgrad kann also geschrieben werden als d = D − dim[e0 ] V − dim[A] Eγ − dim[ψ] Ee . – • Damit hat die (nackte) Kopplung e0 die Massendimension (4 − D)/2 = . (I.150) ar y Da alle Felder positive Massendimension tragen, heisst das, dass der oberflächliche Divergenzgrad mit zunehmender Anzahl an externen Linien abnimmt. Ab einer bestimmten Anzahl von externen Linien ist also d < 0 und damit gibt es nur endlich viele Arten von n-Punkt-Subdiagrammen, die potentiell UV-divergent sind. Diese können wir der Reihe nach (für D = 4) identifizieren: eli m in • Für die 0-Punkt–Funktion (Eγ = Ee = 0) ergibt sich d = 4. Damit werden alle Vakuum-Subdiagramme beschrieben, deren Beitrag zur Vakuumenergie also offensichtlich (oberflächlich) quartisch divergent ist. Bei der Berechnung von Streuamplituden trägt die Vakuumenergie allerdings nicht bei (siehe Diskussion in TTP1), und deshalb sind diese Diagramme in der weiteren Diskussion nicht relevant. • Die 1-Punkt-Funktion mit einem externen Photon (Eγ = 1, Ee = 0) verschwindet aufgrund von Symmetrieüberlegungen. Sie beschreibt gerade das Vakuum-Matrixlement des elmg. Stroms hΩ|jµ (x)|Ωi . pr Dieses verschwindet zum Einen aufgrund der Lorentz-Symmetrie (denn im Vakuum ist keine Richtung eµ ausgezeichnet); zum Anderen transformiert der elektrische Strom under Ladungskonjugation wie jµ (x) → −jµ (x), während das Vakuum elektrisch neutral, also invariant ist. • Für Eγ = 2, Ee = 0 erhalten wir als 2-Punkt-Funktion die Vakuumpolarisation, für die sich d = 2 ergibt. – • Für Eγ = 0, Ee = 2 ergibt sich entsprechend die Elektronselbstenergie, welche auf d = 1 führt. • Die 3-Punkt–Funktion mit 3 Photonen (Eγ = 3, Ee = 0) verschwindet aus den gleichen Gründen wie die 1-Punkt-Funktion. Allgemein gilt, dass Diagramme mit ungerader Anzahl von externen Photonen verschwinden (“Furry’s Theorem”). • Für Ee = 2 und Eγ = 1 ergibt sich gerade die Vertexfunktion mit d = 0. 39 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED • Ebenfalls d = 0 erhält man für die 4-Punkt–Funktion, welche die Streuung von 2 Photonen beschreibt (Eγ = 4, Ee = 0). Amplitude für Photon-Photon-Streuung ∝ – Alle weiteren n-Punkt–Funktionen haben d < 0, und die entsprechenden Subdiagramme sind somit UV-konvergent. Abgesehen von den Vakuumenergiediagrammen und den bereits bekannten Vakuumpolarisation-, Selbstenergie- und Vertexdiagrammen bleibt also eine Klasse von potentiell UV-divergenten Diagrammen für Photon-Photon–Streuung übrig. Wie im Falle der Vakuumpolarisation reduziert sich hier allerdings wieder der tatsächliche Divergenzgrad, da die Amplitude transversal bzgl. der äußeren Impulse ki sein muss, O(ki4 ) µνρσ F (ki · kj ) ar y Jede externe Photonlinie reduziert den Divergenzgrad somit um 1, so dass die verbleibende Funktion F (ki · kj ) UV-endlich ist. Damit ergeben sich in der Tat auch im allgemeinen Fall genau die 3 Klassen von UVdivergenten Diagrammen, die wir bereits zur Ordnung α identifiziert hatten. Für diese bleibt zu untersuchen, welches der tatsächliche Divergenzgrad ist, und wieviele divergente Renormierungskoeffizienten wir allgemein einführen müssen: in 1. Für die Selbstenergiediagramme (mit d = 1) betrachten wir die Taylor-Entwicklung in p/, Σ(p/) = A0 + A1 p/ + A2 p2 + . . . (I.151) 1 d mit Koeffizienten An = n! / wird über die Feynmandp /n Σ|/p=0 . Die Abhängigkeit von p Propagatoren induziert, also eli m n d 1 1 , =− / p =0 dp/ k/ + p/ − m (k/ − m)2 (I.152) d.h. jede Ableitung nach p/ verringert den Divergenzgrad um 1. Somit gilt für die Koeffizienten in der Taylorentwicklung: • A0 ist potentiell linear divergent; • A1 ist potentiell logarithmisch divergent; pr • An>1 ist endlich. Im Falle von A0 wird der Divergenzgrad weiterhin um 1 verringert, da die DiracLagrangedichte für m → 0 eine sog. chirale Symmetrie besitzt, d.h. mit ψ = 1−γ5 1+γ5 2 ψ + 2 ψ ≡ ψR + ψL gilt – L = ψ̄(iD / − m)ψ = ψ̄R iD / ψR + ψ̄L iD / ψL − m ψ̄L ψR + ψ̄R ψL (I.153) und für m = 0 entkoppeln die links- und rechtshändigen Projektionen ψL und ψR . Diese Eigenschaft bleiben in der Störungstheorie erhalten – somit muss δm = 0 wenn 40 m = 0, bzw. A0 = m a0 (I.154) I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie gelten, und somit kann die verbleibende Funktion a0 nur noch logarithmisch divergent sein (aus Dimensionsgründen, bzw. aufgrund der Tatsache, dass mindestens ein Fermionpropagator in der Form (p+k)m2 −m2 eingehen muss). Die Selbstenergiediagramme induzieren also genau die 2 logarithmisch Divergenten Koeffizienten δm und Z2 , die wir bereits zur Ordnung α berechnet hatten. 2. Mit dem gleichen Argument wie vorher entwickeln wir die Vertexfunktion in den externen Impulsen und erhalten Γµ (p0 , p) = b0 γ µ + . . . – (I.155) y mit genau einem logarithmisch divergenten Koeffizienten b0 , den wir mit dem Renormierungskoeffizienten Z1 beschreiben. ar 3. Für die Vakuumpolarisation ergibt sich – wie bereits diskutiert – mit der WardIdentität Πµν (q) = g µν q 2 − q µ q ν Π(q 2 ) (I.156) in d.h. in der Taylorentwicklung von Πµν (q) sind der potentiell quadratisch und linear divergente Term jeweils exakt Null, und die verbleibende Entwicklung der Vakuumpolarisationsfunktion (I.157) eli m Π(q 2 ) = Π(0) + Π0 (0) q 2 + . . . enthält nur einen logarithmisch divergenten Koeffizienten Π(0), welcher durch die Renormierungskonstante Z3 berücksichtigt wird. Es bleibt also in allgemeiner Ordnung Störungstheorie bei genau 4 logarithmisch divergenten Koeffizienten Z1,2,3 und δm. Diese Art von Überlegungen lassen sich für beliebige Theorien wiederholen (siehe Übung ). Wir unterscheiden i.A. folgende Fälle: pr Super-renormierbare Theorien: besitzen nur eine endliche Anzahl von divergenten FeynmanDiagrammen. Renormierbare Theorien: besitzen eine endliche Anzahl von Renormierungskoeffizienten (d.h. es gibt nur eine endliche Anzahl von divergenten (1PI) n-Punkt–Funktionen. – Nicht-renormierbare Theorien: Hier haben ab einer genügend hohen Ordnung der Störungstheorie alle n-Punktfunktionen divergente Beiträge, und dementsprechend benötigt man unendlich viele Renormierungskoeffizienten. Ausgehend von (I.150) hängt die obige Klassifizierung direkt mit dem Vorzeichen von dim[e0 ], also der Massendimension der Kopplungskonstanten zusammen. Z.B. 41 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED • QED mit D = 3 Dimensionen (und somit dim[e0 ] = 1/2) ist super-renormierbar, weil für festes Eγ und Ee ab einer gewissen Ordnung Störungstheorie (also für V > V0 ) immer ein negativer Divergenzgrad d < 0 erreicht werden kann. (Allgemein, Theorien mit Kopplungsparametern positiver Massendimension). • QED mit D = 4 ist renormierbar, mit 4 Renormierungskoeffizienten. (Allgemein, Theorien mit dimensionslosen Kopplungsparametern). y – • QED mit D > 4 und dim[e0 ] < 0 (allgemein Theorien mit Kopplungskonstanten negativer Massendimension) ist nicht-renormierbar, weil immer d > 0 erreicht werden kann. (Ein anderes bekanntes Beispiel für nicht-renormierbare Theorien ist das Fermi-Modell für den Myonzerfall, bei der die effektive Wechselwirkung durch eine Kopplungskonstante GF mit Massendimension −2 beschrieben wird. Gleiches gilt für die Gravitationswechselwirkung.) I.2.2 Renormierte Störungstheorie in ar Unser Ziel ist es im Folgenden, die Störungstheorie so umzuformulieren, dass sich UVDivergenzen zwischen den einzelnen Diagrammen einer gegebenen Ordnung in α systematisch kompensieren. Dazu werden die Felder und Parameter in der Lagrangedichte geeignet umdefiniert und auf diese Weise Korrekturterme (“counter terms”) in der Lagrangedichte erzeugt. Z.B. können wird die Renormierungskonstante Z2 in der Relation hΩ|ψ(0)|λp,s i = p Z2 u(p, s) eli m benutzen, um renormierte Feldoperatoren für Fermionen ψr (s) via ψ(x) ≡ Z2 ψr (x) (I.158) p einzuführen, so dass die Matrixelement mit den renormierten Feldern wieder wie die freien Felder normiert sind, hΩ|ψr (0)|λp,s i = u(p, s) . (I.159) pr Ebenso behandeln wir das Eichfeld und definieren Aµ (x) ≡ p Z3 Arµ (x) . (I.160) – Ausgedrückt durch die neuen Felder lautet die QED-Lagrangedichte dann 1 L = − F µν Fµν + ψ̄(i∂/ − m0 )ψ − e0 ψ̄γ µ ψ Aµ 4 1 1/2 r = − Z3 Frµν Fµν + Z2 ψ̄r (i∂/ − m0 ) ψr − e0 Z2 Z3 ψ̄r γ µ ψr Arµ . 4 (I.161) Weiterhin führen wir den Renormierungsfaktor Z1 durch die Bedingung Γµ (q = 0) 42 renorm. ≡ γµ ⇔ 1/2 e 0 Z2 Z3 = eZ1 (I.162) I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie ein. Aufgrund der QED–Ward-Identität vereinfacht sich dies – wie bereits oben diskutiert – zu e0 p Z3 = e . (I.163) Wenn wir jetzt die Lagrangedichte durch renormierte Felder und die renormierte Kopplung e ausdrücken, ergibt sich 1 r L = − Z3 Frµν Fµν + Z2 ψ̄r (i∂/ − m0 ) ψr − e Z1 ψ̄r γ µ ψr Arµ . 4 Dies schreiben wir jetzt noch um, indem wir die Z-Faktoren als – (I.164) Zi = 1 + (Zi − 1) ≡ 1 + δZi schreiben, erhalten wir die QED-Lagrangedichte in der Form ar y 1 r L = − Frµν Fµν + ψ̄r (i∂/ − m) ψr − e ψ̄r γ µ ψr Arµ 4 1 r − δZ3 Frµν Fµν + ψ̄r (δZ2 i∂/ − δm) ψr − e δZ1 ψ̄r γ µ ψr Arµ , 4 wobei wir jetzt noch den Massen–counter-term δm ≡ Z2 m0 − m (I.165) (I.166) in definiert haben5 . In dieser Form setzt sich die Lagrangedichte also aus 2 Teilen zusammen, L(ψ, ψ̄, Aµ ; e0 , m0 ) = L(ψr , ψ̄r , Arµ ; e, m) + Lc.t. , (I.167) eli m wobei der erste Term die gleiche funktionale Form wie die ursprüngliche Lagrangedichte hat, während der zweite Term die counter-terme enthält, die wir nun aber als zusätzlichen Beitrag zur Wechselwirkungs-Lagrangedichte Lint auffassen wollen. Daraus ergeben sich dann entsprechend neue Feynmanregeln für die renormierte Störungstheorie: Counter-term–Einsetzung in Photonlinie : −i (g µν − q µ q ν ) δZ3 , (I.168) Counter-term-Einsetzung in Fermionlinie : i (p/ δZ2 − δm) , (I.169) Counter-term-Einsetzung in Vertex : −ieγ δZ1 . µ (I.170) – pr Hierbei müssen die Werte der Counterterm-Parameter δZi und δm gerade so gewählt werden, dass die entsprechenden Renormierungsbedingungen Ordnung für Ordnung erfüllt sind. Unser bisher diskutiertes Vorgehen entspricht gerade den Renormierungsbedingungen: 5 Σr (p/ = m) = 0 d r Σ (m) = 0 dp/ Πr (q 2 = 0) = 0 −ieΓµr (p0 = p) = −ieγ (bestimmt δm , (bestimmt δZ2 ) , (bestimmt δZ3 ) , µ (bestimmt δZ1 ) . (I.171) Achtung: Diese Definition entspricht nicht der weiter oben diskutierten Massenänderung δm. 43 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED ar y – Entsprechend unserer Klassifizierung als renormierbare Theorie, erwarten wir, dass die 4 Counterterme ausreichend sind, damit jede n-Punkt-Funktion in gegebener Ordnung der renormierten Störungstheorie UV-konvergent ist. Hierbei ist hervorzuheben, dass die Counterterme lokalen Operatoren in der Lagrangedichte (also Produkten von Feldoperatoren am gleichen Raumzeitpunkt xµ ) entsprechen. Dies entspricht der Tatsache, dass die UV-Divergenzen von Feldkonfigurationen mit unendlich hohen Impulsen herrühren. Für 1-Schleifen-Diagramme ist dies sofort einsichtig; bei Mehrschleifendiagrammen müssen wir aber gewährleisten, dass Konfigurationen, bei denen nur einige der Schleifenimpulse gross werden, keine UV-Divergenzen erzeugen, die nicht bereits durch die Renormierungsbedingungen der vorgehenden Ordnung kompensiert werden. Dazu betrachten wir als Beispiel ein 2-Schleifendiagramm, dass zur Vakuumpolarisation Π(q 2 ) des Photons zur Ordnung α2 beiträgt. in Hierbei wird über 2 interne Impulse d4 p (Fermionimpuls im linken oberen Fermionpropagator) und d4 k (interner Photonimpuls) integriert, während der externe Impuls q endlich ist. eli m Fall 1: Der interne Photonimpuls k sei groß; der interne Fermionimpuls p sei endlich. • Der rechte Teil des Diagramms lässt sich in p, q entwickeln. • Die d4 k Integration erzeugt dann die gleichen UV-Divergenzen wie in einem Vertexdiagramm mit den externen Fermionimpulsen p und p − q. • Diese UV-Divergenz wird dann automatisch kompensiert durch das entsprechende Counterterm-Diagramm mit der Einsetzung von δZ1 am rechten Vertex. pr Fall 2: Der interne Fermionimpuls p sei groß; aber (p + k) und q klein. Hier erfolgt die Argumentation analog zu Fall 1, nun für den linken Vertex. Fall 3: Der Photonimpuls k sei klein; und p sei groß. – • Der Integrand skaliert wie 1/(p/ + · · · )4 . • Die Ward-Identität für die Photon-Vakuumpolarisation verringert den oberflächlichen Divergenzgrad wieder um 2 Einheiten. • Damit ergibt die d4 p Integration einen UV-endlichen Beitrag. Fall 4: Sämtliche internen Impulse p, p + k und k seien groß. • Wir können wieder im kleinen Impuls q entwickeln. 44 I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie • Damit erhalten wir gemäß unserer allgemeinen Diskussion einen UV-divergenten Beitrag zu Π(0) der Ordnung α2 , welcher einem lokalen Counterterm entspricht. Mit der entsprechenden Renormierungsbedingung definiert dieser den Beitrag der Ordnung α2 zu δZ2 . Im obigen Beispiel haben die im 2-Schleifen–Integral auftretenden UV-Divergenzen also entweder die Form • eines Produkts: (1-loop–Integral) × (1-loop UV-Divergenz); – wobei das erste Integral noch eine allgemeine Funktion von den externen Impulsen sein kann, und deshalb einem nicht-lokalen Term in der Lagrangedichte entsprechen würde. Dieser Beitrag wird aber gerade durch die Einsetzung des (1loop)–Counterterm kompensiert. y • einer genuinen (2-loop–Divergenz), die durch einen lokalen (2-loop)–Counterterm kompensiert werden kann. in ar Wir kommen also tatsächlich mit den identifizierten lokalen Countertermen in der Lagrangedichte der renormierten Störungstheorie aus. Der Beweis, das dies für jede Ordnung der Störungstheorie tatsächlich immer funktioniert, ist kompliziert und wurde von Bogoliubov, Parasiuk, Hepp, Zimmermann erbracht. Das sogenannte BHPZ-Theorem liefert somit die theoretische Grundlage für die Renormierbarkeit der QED. I.2.3 Das MS–Renormierungsschema eli m Die Renormierungsbedingungen für die Counterterme δZi und δm, die wir oben diskutiert haben, sind zu einem gewissen Grade willkürlich, in dem Sinne, dass wir beliebige endliche Terme hinzu addieren können, ohne die Kompensation der UV-divergenten Terme in der Störungstheorie zu beeinflussen: • Physikalische Observable sollten dabei invariant unter solchen endlichen Renormierungen der theoretischen Parameter sein. • Aber der Zusammenhang zwischen physikalischen Messgrößen und den Parametern in der Lagrangedichte ändert sich. pr • Dies impliziert, dass sich i.A. auch der störungstheoretische Zusammenhang zwischen zwei verschiedenen Observablen über die Abhängigkeit von den theoretischen Parametern verändert. (Der Unterschied darf dabei allerdings höchstens von der Ordnung αn+1 sein, wenn die Störungsrechnung zur Ordnung αn explizit durchgeführt wurde). – Im Zusammenhang mit der dimensionalen Regularisierung benutzen wir insbesondere häufig das sogenannte MS-Schema (sprich “MS-bar”, für “minimal subtraction”). Ausgangspunkt ist dabei die Beobachtung, dass die Pole in den Impulsintegralen in der Form 1 Koeffizient × − γE + ln 4π + endliche Terme 45 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED auftauchen. • Im M S-Schema: δZi und δm enthalten gerade nur die 1/ Terme. • Im MS-Schema: δZi und δm enthalten gerade nur die 1 ˆ ≡ ( 1 − γE + ln 4π) Terme. Zum Beispiel lautet die renormierte Vakuumpolarisation in dimensionaler Regularisierung6 zur Ordnung α mit ∆2 = m2 − x(1 − x)q 2 8e2 µ2 (q ) = − (4π)D/2 Z 1 2 0 dx x(1 − x) Γ() − δZ3 ∆2 (I.175) – Π ren • Im bisher betrachteten (sogenannten “on-shell”-) Schema haben wir Πren (q 2 = ! 0) = 0 gefordert, woraus sich Z 1 0 dx x(1 − x) Γ() m2 (I.176) ar on−shell 8e2 µ2 =− (4π)D/2 y δZ3 ergibt. modifiziert =− 8e2 µ2 (4π)D/2 eli m δZ3 in • Allgemein hätten wir die Vakuumpolarisation auch um einen beliebigen Punkt ! q 2 = −q02 entwickeln und Πren (q 2 = −q02 ) = 0 fordern können. Entsprechend ergäbe sich Z 1 0 dx x(1 − x) (m2 Γ() + x(1 − x)q02 ) (I.177) • Im M S-Schema ergibt sich dagegen ein sehr einfacher Ausdruck für Z3 , nämlich δZ3 MS =− 8e2 µ2 (4π)D/2 Z 1 0 dx x(1 − x) Γ() α 1 =− 2 ∆ 1/ 3π (I.178) • Entsprechend erhält man für das MS-Schema pr δZ3 – 6 MS =− α α 1 =− 3π ˆ 3π 1 − γE + ln 4π (I.179) Hierbei müssen wir beachten, dass in der renormierten Störungstheorie, die Dimensionen der renormierten Felder und Parameter in der Lagrangedichte durch Einführen einer willkürlichen Hilfsskala µ (“Renormierungskala”) korrigiert werden müssen. Entsprechend lautet der Zusammenhang zwischen den ursprünglichen (“nackten”) und renormierten Größen nun √ (I.172) ψ(x) ≡ Z2 µ− ψr (x) , √ − r Aµ (x) ≡ Z3 µ Aµ (x) , (I.173) und e0 √ Z3 µ− ≡ e , und die Impulsintegrale von der Fouriertransformationen ergeben sich aus dD k µ2 . 46 (I.174) I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie In der Praxis ist es somit meist einfacher, den divergenten Anteil zu berechnen, da sich die Feynman-Parameter–Integrale vereinfachen. Für die Berechnung der renormierten Vakuumpolarisation selbst ändert sich hinsichtlich des Rechenaufwands zunächst nichts. Um Rechnungen in dem einen oder anderen Schema zu vergleichen, können wir also schreiben Πren (q 2 )|MS = Πren (q 2 )|on−shell + δZ3 |on−shell − δZ3 |MS , (I.180) wobei die Differenz – δZ3 |on−shell − δZ3 |MS e0 ar y einen endlichen Renormierungskoeffizienten darstellt. Wie im obigen Beispiel mit dem modifizierten on-shell Schema, lässt sich innerhalb eines bestimmten Schemas i.A. eine Referenzskala µ frei wählen. Im MS-Schema ergibt sich die Skalenabhängigkeit dabei insbesondere aus dem Zusammenhang der nackten Kopplung e0 und der renormierten Kopplungskonstante e in der renormierten Störungstheorie, Z3 µ− ≡ e . p (I.181) Z3 |MS (α) = 1 + in Hierbei ist die Massendimension der nackten Kopplung dim[e0 ] = , während die renormierte Kopplung dimensionslos ist. Schreiben wir für den Renormierungskoeffizienten α 1 (1) δz + O(α2 ) , 4π ˆ mit δz (1) = −4/3 (I.182) eli m ergibt sich für die renormierte Feinstrukturkonstante α = α0 Z3 µ−2 = α0 Z3 (α(µ)) µ−2 ≡ α(µ) , (I.183) pr wobei – wie angedeutet – die Skalenabhängigkeit der effektiven Kopplung zum einen implizit durch die Abhängigkeit von Z3 (α(µ)), sowie explizit durch den Faktor µ−2 −2 2 induziert wird. Wegen µ = exp − ln µ ist die Abhängigkeit α(µ) logarithmisch, dα dα ≡ µ2 2 6= 0 2 d ln µ dµ (I.184) – Die explizite Berechnung in der Störungstheorie ergibt dα d 2 = α Z (α(µ)) exp − ln µ 0 3 d ln µ2 d ln µ2 dα dZ3 −2 = − α(µ) + α0 µ d ln µ2 dα 1 ' − α(µ) + α0 (−α(µ) + . . .) µ−2 δz (1) 4πˆ α2 − ' − α(µ) + δz (1) + O(α3 ) 4π ˆ (I.185) 47 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Für → 0 ergibt sich somit7 α2 α2 dα (1) | = (−δz ) + . . . = + O(α3 ) →0 d ln µ2 4π 3π (I.186) Allgemein definieren wir die sog. Betafunktion als8 dα |→0 ≡ β(α) = β0 α2 + . . . d ln µ2 (I.187) ⇔ 1 1 µ2 + = β0 ln 2 α(µ) α(µ0 ) µ0 α(µ0 ) α(µ) = 2 . 1 − α(µ0 ) β0 ln µµ2 − ar dα ' β0 d ln µ2 α2 y – so dass β0 |QED = 1/3π. Die Betafunktion beschreibt also das Skalenverhalten der effektiven Kopplung in der Lagrangedichte für die renormierte Störungstheorie. Im MSSchema können wir die Skalenabhängigkeit der theoretischen Parameter in der Störungstheorie dann stets auf α(µ) zurückführen. In gegebener Ordnung lässt sich die Differentialgleichung, welche die Betafunktion definiert, explizit integrieren, in ⇒ (I.188) 0 Vergleichen wir dies mit der weiter oben aus Π(q 2 ) − Π(0) konstruierten effektiven Kopplung für Hochenergie–Elektron-Myon-Streuung, eli m αeff (q 2 ) ' α 1− α 3π 2 −q ln e5/3 m2 , ergibt sich Übereinstimmung von α(µ) und αeff (q 2 ), wenn wir q 2 → −µ2 , µ20 → e5/3 m2 und α(µ0 ) → α identifizieren. pr Die Skalenabhängigkeit von theoretischen Parametern spiegelt also anscheinend die Impulsabhängigkeit von physikalischen Observablen wider! – Analog können wir auch den Massenparameter m = m(µ)|MS im MS-bar–Schema behandeln, dm 2 ≡ γ (α) m = m γ α + γ α + . . . , m 1 2 d ln µ2 (I.189) wobei die Funktion γ(α) als anomale Massendimension bezeichnet wird. Im Gegensatz zur vorher definierten Polmasse mpol ist die MS-bar–Masse also auch skalenabhängig. 7 8 Für 6= 0 definieren wir entsprechend die Funktion β (α). Die Normierungskonventionen sind hierbei in der Literatur nicht eindeutig: Manchmal werden Faktoren 2 oder 4π in die Betafunktion absorbiert. 48 I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie Diese kann in der Störungstheorie wieder explizit berechnet werden (siehe Übung ). In führender nicht-trivialer Ordnung erhält man m(µ) = α(µ) α(µ0 ) γ1 /β0 m(µ0 ) (I.190) I.2.4 Renormierungsgruppe – Wir wollen nun den Zusammenhang zwischen der Skalenabhängigkeit der theoretischen Parametern und der Impulsabhängigkeit von Streuamplituden oder allgemein von Greenschen Funktionen von einem etwas formaleren Standpunkt aus beleuchten. Dazu betrachten wir eine beliebige n-Punkt–Funktion in der renormierten Störungstheorie, Γren (· · · ) = Z Γ0 (· · · ) (I.191) ar y wobei Γ0 die nackte Greensfunktion bezeichnet, und Z der dazugehörige Renormierungsfaktor ist. Die Abhängigkeit von externen Raumzeitpunkten (oder Impulsen) haben wir hier nur durch Punkte angedeutet. In jedem Renormierungsschema R (mit jeweils beliebiger Renormierungsskala µ) ergibt sich jeweils ein anderer Z-Faktor und somit auch ein anderes Resultat für Γren ≡ ΓR , ΓR (· · · ) = Z(R) Γ0 (· · · ) , in ΓR0 (· · · ) = Z(R0 ) Γ0 (· · · ) . (I.192) D.h. beim Wechsel zwischen 2 Renormierungsvorschriften R und R0 ergibt sich i.A. ein Zusammenhang Z(R) ΓR (· · · ) ≡ Z(R0 , R) ΓR (· · · ) , Z(R0 ) eli m ΓR0 (· · · ) = (I.193) wobei die (endliche) Funktion Z(R0 , R) vom einen in das andere Renormierungsschema (bzw -skala) transformiert. Die Menge {Z(R0 , R)} aller möglichen solcher Transformationen hat gruppoide Eigenschaften: • Komposition: Z(R00 , R) = Z(R00 , R0 ) Z(R0 , R) • inverses Element: Z −1 (R0 , R) = Z(R, R0 ) pr • neutrales Element: Z(R, R) = 1. • Assoziativgesetz. – I.A. (d.h. für beliebige Schemen) gibt es nicht immer eine Verknüpfungsvorschrift für beliebige Elemente, Z(Ri , Rj )·Z(Rk , Rl ) mit j 6= k, die wieder als Z(Rm , Rn ) geschrieben werden kann. Beschränken wir uns allerdings auf z.B. das MS-Schema, unterscheiden sich die Elemente Ri nur durch die Wahl der Renormierungsskala µ, so dass Z(Ri , Rj ) = Z(µi , µj ) = Z(µi /µj ) (I.194) und die Elemente {Z(µi , µj )} bilden tatsächlich eine Gruppe, die sog. Renormierungsgruppe (RG). 49 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED • Auf den Parametern der Lagrangedichte sind die RG-Transformationen dann dargestellt als α(µ) → α(µ0 ), m(µ) → m(µ0 ) etc. • Physikalische Observable sind dagegen RG-invariant (triviale Darstellung). • Das RG-Verhalten von n-Punkt–Funktionen werden wir weiter unten studieren. – Betrachten wir zunächst die Berechnung einer Observablen O als Funktion von externen Impulsen p, Massenparametern m(µ), der laufenden Kopplung α(µ) und der expliziten µ-Abhängigkeit im MSbar-Schema, O = O(p, m(µ), α(µ); µ) . y Invarianz gegenüber RG-Trafos heisst dO ∂ dα ∂ µ dm ∂ O = µ +µ + m d ln µ ∂µ dµ ∂α m dµ ∂m ∂ ∂ ∂ ! + 2β(µ) + 2γm (µ) m O = 0, = µ ∂µ ∂α ∂m ar (I.195) eli m in wobei wieder die Betafunktion der laufenden Kopplung, sowie die anomale Massendimension γm auftauchen. Was kann man mit dieser Gleichung anfangen? – Betrachten wir dazu zunächst ein einfaches Beispiel: Sei O eine dimensionslose Observable (z.B. das Verhältnis zweier Streuquerschnitte), die von einer Impulsvariablen q 2 abhängt. Im Hochenergielimes q 2 m2 (µ) erhalten wir dann q2 O → O(q , α(µ); µ) ≡ F , α(µ) , µ2 " 2 # (I.196) wobei die Funktion F aus Dimensionsgründen nur von dem Verhältnis der beiden dimensionsbehafteten Größen q 2 und µ2 abhängen kann. Wir nehmen weiter an, dass F im Limes α → 0 einen konstanten Wert F0 ergibt (klassisches Resultat). Dann können wir die Störungstheorie für F allgemein schreiben q2 q2 q2 F , α(µ) = F 1 + c α(µ) + c α2 (µ) + . . . 0 1 2 µ2 µ2 µ2 # pr " – Die Koeffizientenfunktionen ci h q2 µ2 " i # " # ! (I.197) ergeben sich dann durch die konkrete Rechnung, z.B. im MS-Schema. Allerdings bestehen aufgrund der RG-Invarianz von O (und damit von F ) bereits Einschränkungen. Aus dF/d ln µ = 0 folgt nämlich 2q 2 q2 q2 − 2 c01 2 α + 2c1 2 µ µ µ " # " # 2q 2 q2 q2 β(α) − 2 c02 2 α2 + 4c2 2 µ µ µ " # " # β(α) α + O(α3 ) = 0 . (I.198) 50 I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie Wenn wir verwenden, dass β(α) = β0 α2 + . . ., und die Koeffizienten vor α und α2 vergleichen, ergeben sich die Bedingungen (x = q 2 /µ2 ) c01 [x] = 0 β0 c1 [x] = x c02 [x] ⇒ c1 = const. ≡ C1 , ⇒ c2 [x] = Z x dx0 x0 x0 (I.199) C1 β0 = C1 β0 ln q2 µ2 + C2 , (I.200) q2 q2 F , α(µ) = F 1 + C α(µ) + C β ln + C2 α2 (µ) + . . . 0 1 1 0 µ2 µ2 # ! ! (I.201) y " – d.h. die q 2 -Abhängigkeit der Koeffizientenfunktion zum O(α2 )-Beitrag c2 (x) ist bereits durch den Koeffizienten der vorherigen Ordnung C1 festgelegt, während die Integrationskonstante C2 durch die konkrete Rechnung bestimmt werden muss. Dimensionsanalyse und RG-Invarianz schränken die Observable also auf die Form ar ein, wobei die Wahl der Renormierungsskala µ zunächst willkürlich ist. Wir können uns nun aber fragen, unter welchen Bedingungen die Störungsreihe am besten konvergiert: Für q 2 µ2 : ist der Koeffizient zur Ordnung α2 logarithmisch vergrössert. Für q 2 µ2 : ebenso. in Für q 2 ∼ µ2 : ergibt sich “normale” Zahlenkoeffizienten9 C1,2,... ∼ O(1). eli m Für Observablen mit einer (dominanten) Impulsskala ist es also sinnvoll, die Renormierungsskala von der Ordnung der externen Impulsskala zu wählen, speziell für µ2 ≡ q 2 erhält man dann F = F (1, α(q)) = F0 1 + C1 α(q) + C2 α2 (q) + . . . (I.202) und α(q) ist der maßgebliche Wert der laufenden (effektiven) Kopplungskonstante. Anders betrachtet resummiert die geometrische Reihe α(q) = α(µ0 ) 2 1 − β0 ln µq 2 α(µ0 ) = α(µ0 ) + β0 ln (I.203) pr 0 q2 2 α (µ0 ) + . . . µ20 – gerade die (führenden) großen Logarithmen, die bei der Verwendung einer anderen Referenzskala µ0 in der Störungsreihe für F entstanden wären. Die laufende Kopplung repräsentiert also das einfachste Beispiel für die Resummation von großen Logarithmen in der Störungsreihe (vgl. die Diskussion zum Sudakov-Formfaktor). Aus der resummierten (d.h. RG-verbesserten) Störungstheorie können wir dann präzise Aussagen über die Abhängigkeit der Observablen von externen Massen- oder Impulsskalen machen. Im obigen Beispiel erwarten wir naiv (d.h. klassisch) 9 q 2 →∞ O = O(m2 /q 2 ) −→ F0 = const. Allerdings können die Zahlen faktoriell mit der Ordnung n in der Störungsreihe anwachsen. 51 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Quantenkorrekturen induzieren eine nicht-triviale q 2 -Abhängigkeit aufgrund der Skalenabhängigkeit der laufenden Kopplung, mit q 2 O → O(α(q)) dO 2 C β α (q) + . . . , = F 1 0 0 dq 2 (I.204) wobei es offensichtlich für die Bestimmung der dominanten q 2 -Abhängigkeit ausreichend ist, – • den Koeffizienten C1 aus der 1-Schleifen-Rechnung der Observablen, • den Koeffizienten β0 aus der 1-Schleifen-Rechung für Π(0) bzw. Z3 ar y zu bestimmen. Man beachte, dass in fester Ordnung Störungstheorie, O(αn ), die Observable nicht exakt µ-unabhängig ist, dF = F0 O(αn+1 (q)) . d ln µ in Durch Variation von µ (typischerweise im Bereich eines Faktor 2 bis 4 um µ = q) kann man die Größe der rechten Seite numerisch bestimmen und erhält daraus eine grobe Abschätzung für den theoretischen Fehler, der durch die Vernachlässigung der höheren Ordnungen entsteht. I.2.4.1 RG-Verhalten von Green-Funktionen eli m Wenden wir uns nun dem RG-Verhalten von Green-Funktionen zu. Betrachten wir zunächst die nackten Ortsraum–Green-Funktionen G(0) n = h0|T φ0 (x1 ) · · · φ0 (xn )|0i = Zφ n/2 Gn (α(µ), m(µ), µ) (I.205) – pr wobei wir auf der rechten Seite die renormierte Green-Funktion als Funktion der laufenden Parameter geschrieben haben, so dass sich aufgrund des Zusammenhanges zwischen nackten und renormierten Feldern die entsprechende Potenz der Feldrenormierungsfak(0) toren Zφ ergibt. Da Gn nicht von µ abhängt, gilt wieder µ dGn d n d −n/2 −n/2 (0) =µ (Z ) G(0) µ ln Zφ Zφ Gn n =− dµ dµ φ 2 dµ | {z } | {z } n ≡ − γφ (α) Gn , 2 (I.206) wobei wir die anomale Dimension der Felder γφ (α) eingeführt haben, welche wieder störungstheoretisch aus den Zφ berechnet werden kann. Andererseits gilt erneut dGn ∂ ∂ ∂ µ = µ + 2β + 2γm m Gn , dµ ∂µ ∂α ∂m 52 (I.207) I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie also insgesamt ∂ ∂ n ∂ + 2β + 2γm m + γ φ Gn = 0 . ∂µ ∂α ∂m 2 µ (I.208) Die RG-Gleichung hat die formale Lösung (siehe Übung ) Z µ dµ0 µ0 µ0 0 γφ (α(µ )) Gn (α(µ0 ), m(µ0 ), µ0 ) d.h. der RG-Faktor n exp − 2 Z µ0 dµ0 µ " n γφ (α(µ )) = exp − 0 µ 2 0 Z α(µ) α(µ0 ) # dα0 γφ (α0 ) 2β(α0 ) y (I.209) – n Gn (α(µ), m(µ), µ) = exp − 2 ar bestimmt das Verhalten der Green-Funktion unter RG-Trafos, zusätzlich zu der “naiven” Erwartung bzgl. der Änderung von µ → µ0 im Argument von Gn . Wenn wir nun entsprechend Green-Funktionen im Impulsraum (nach Fourier-Transformation), G̃n (pi , α(µ), m(µ), µ) in betrachten, können wir wieder das Skalierungsverhalten hinsichtlich der externen Impulse pi studieren, d.h. was passiert für pi → λpi ? eli m • Wie oben beginnen wir mit einer Dimensionsanalyse. G̃n selbst habe die Massendimension dG . Damit gilt m(µ) µ pi6=1 G̃n (λpi , α(µ), m(µ), µ) ≡ (λp1 ) F α(µ), , , λp1 λp1 p1 m(µ)/λ µ/λ pi6=1 = λdG pd1G F α(µ), , , p1 p1 p1 m(µ) µ = λdG G̃n pi , α(µ), , , λ λ dG (I.210) pr wobei wir willkürlich einen Impuls p1 benutzt haben, um die Massendimension von G̃n zu gewährleisten, so dass die verbleibende Funktion F dimensionslos ist und damit wieder nur von Verhältnissen von dimensionsbehafteten Größen abhängen kann. Damit können wir ausrechnen ∂ ∂ ∂ G̃n (λpi , α(µ), m(µ), µ) = dG − m(µ) −µ , G̃n (λpi , α(µ), m(µ), µ) . ∂λ ∂m ∂µ (I.211) – λ ∂ • Andererseits können wir die Ableitung µ ∂µ wieder aus der RG-Gleichung durch die Betafunktion und die anomalen Dimensionen ausdrücken. In obige Gleichung 53 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED eingesetzt ergibt das ∂ G̃n (λpi , α(µ), m(µ), µ) ∂λ ∂ ∂ ∂ n = dG − m(µ) + 2β + 2γm m + γφ G̃n (λpi , α(µ), m(µ), µ) . ∂m ∂α ∂m 2 (I.212) λ Zusammengefasst ergibt sich die sog. Callan-Symanzik–Gleichung – ∂ ∂ n ∂ ! − 2β + (1 − 2γm ) m − (dG + γφ ) G̃n (λpi , α(µ), m(µ), µ) = 0 . (I.213) ∂λ ∂α ∂m 2 λ ∂ ∂ G̃n = dG G̃n − m G̃n ∂λ ∂m ar λ y Im Vergleich zum naiven (klassischen) Skalierungsverhalten aufgrund der “normalen” Massendimension der Felder und Massenparameter, erhalten wir also Quantenkorrekturen aufgrund ∂ ∂α in • der laufenden Kopplung: 2β ∂ • der anomalen Massendimension: γm m ∂m • der anomalen Dimension der Felder: n 2 γφ eli m Dies erklärt insbesondere den Begriff “anomale Dimension”. Die Lösung der Gleichung lässt sich wieder formal konstruieren mit dem Ergebnis (siehe Übung ) " G̃n (λpi , α, m, µ) = λ dG n exp 2 Z λ dλ0 1 λ0 # 0 γφ (α(µλ )) · G̃n (pi , m(α(µλ)) , α(µλ), µ) . λ (I.214) pr Eine analoge Diskussion lässt sich auch für amputierte Green-Funktionen führen. – I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT Wir hatten im vorherigen Abschnitt gesehen, wie Quantenkorrekturen in der QFT unsere “naive” (klassische) Erwartung für die Skalenabhängigkeit von Observablen modifizieren. In der renormierten Störungstheorie tauchen solche “Skalenverletzungen” in der Form ln q 2 /µ2 auf und lassen sich durch das Skalenverhalten der laufenden Kopplungskonstanten ausdrücken. Ein weiterer nicht-trivialer Effekt, der mit dem UV-Verhalten von QFTs zusammenhängt, bezieht sich auf bestimmte Symmetrien der klassischen Lagrangedichte. Allgemein bezeichnen wir folgenden Sachverhalt als “Anomalie”: 54 I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT “Symmetrien der klassischen Lagrangedichte sind nicht notwendigerweise Symmetrien der wechselwirkenden Quantenfeldtheorie.” Betrachten wir als Beispiel die Lagrangedichte der QED mit masselosen Fermionen, / = ψ̄L iD / ψL + ψ̄R iD / ψR . Lfermion = ψ̄ iDψ (I.215) – In diesem Fall entkoppeln die Beiträge der links- und rechtshändigen Felder, so dass wir 2 unabhängige Noetherströme identifizieren können, j µ = ψ̄γ µ ψ = ψ̄R γ µ ψR + ψ̄L γ µ ψL , j µ5 = ψ̄γ µ γ5 ψ = ψ̄R γ µ ψR − ψ̄L γ µ ψL , y mit klassischen Kontinunitätsgleichungen, ar ∂µ j µ = ∂µ j µ5 = 0 , und erhaltenen Ladungen, 3 0 d x j = QR + QL , Q5 = Z d3 x j 05 = QR − QL . (I.217) (I.218) in Q= Z (I.216) eli m Wir hatten bei der Durchführung des Renormierungsprogramms bereits gesehen, dass die QFT bei kleinen Abständen (großen Impulsen) regularisiert werden muss, d.h. Objekte wie ψ̄(x) . . . ψ(x) in der QFT sind potentiell “gefährlich”, da Feldoperatoren am exakt gleichen Ort korreliert werden. Für den Vektorstrom j µ (x) hatten wir explizit gesehen, dass die Regularisierung (z.B. durch dim-reg.) die Ward-Identität respektiert und die dazugehörige elektrische Ladung Q̂ auch nach Berücksichtigung von Quantenkorrekturen eine Erhaltungsgröße bleibt. Für den Axialvektorstrom j µ5 (x) untersuchen wir die Kontinuitätsgleichung explizit, sind aber zunächst vorsichtig und definieren den Strom als Grenzwert, j (x) := lim ψ̄(x + ) γ µ γ5 UP (x + , x − ) ψ(x − ) →0 2 2 2 2 µ5 . (I.219) pr Hierbei haben wir einen sog. “gauge-link” UP eingefügt, der dafür sorgt, dass die Definition auch für µ 6= 0 eichinvariant bleibt. Den gauge-link kann man durch eine sog. “Wilson-Linie” darstellen, – UP (z, y) = exp −ie Z z y dxµ A (x) , µ (I.220) welche unter Eichtransformationen gerade so transformiert, UP (z, y) → e−iα(z) UP (z, y) eiα(y) , (I.221) dass das Transformationsverhalten der Fermionfelder kompensiert wird (→ Übung). 55 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Neben der Eichinvarianz wollen wir auch den Grenzübergang µ → 0 so durchführen, dass Lorentzinvarianz manifest bleibt, d.h. es soll (im Sinne einer Mittelung über alle möglichen Pfade µ → 0) gelten µ ν g µν µ = 0 , lim = etc. →0 2 →0 2 4 Damit können wir den Grenzwert von ∂µ j µ5 explizit ausrechnen, (I.222) lim ∂µ j = lim ∂µ ψ̄(x + ) γ µ γ5 UP (x + , x − ) ψ(x − ) →0 2 2 2 2 µ +ψ̄(x + ) γ γ5 UP (x + , x − ) ∂µ ψ(x − ) 2 2 2 2 µ +ψ̄(x + ) γ γ5 ∂µ UP (x + , x − ) ψ(x − ) (I.223) 2 2 2 2 Die Ableitungen auf die Fermionfelder lassen sich mittels der Dirac-Gleichung durch das Eichfeld ausdrücken. Die Ableitung auf den gauge-link ergibt zur O() ∂µ exp −ie x+ Z 2 ar y – µ5 dzν Aν (z) ' ∂µ exp [−ieν Aν (x)] ' −ieν ∂µ Aν (x) . x−/2 (I.224) Setzen wir das oben ein, erhalten wir →0 in / + /2) − ieA(x / − /2) − ieν ∂µ Aν (x) γ5 ψ(x − /2) ∂µ j µ5 ' lim ψ̄(x + /2) ieA(x ' lim ψ̄(x + /2) (−ieγ µ ν (∂µ Aν (x) − ∂ν Aµ (x)) γ5 ψ(x − /2) →0 = −ie lim ψ̄(x + /2)γ µ ν Fµν (x) γ5 ψ(x − /2) . eli m →0 (I.225) pr Wir sehen insbesondere, dass sich die Terme aus den partiellen Ableitungen der DiracFelder und des gauge-links gerade zum eichinvarianten Feldstärketensor kombinieren. Auf den ersten Blick verschwindet (I.225) linear mit ν → 0. Aber, wie oben diskutiert, kann der Grenzwert von ψ̄(x + /2)ψ(x − /2) für → 0 divergieren. Das einfachste Beispiel ergibt sich, wenn wir den Beitrag von den Wick-kontrahierten Felder betrachten, dann ergibt sich als Fourier-Transformation des masselosen Dirac-Propagators SF (y − z) gerade Z d4 k −ik(y−z) ik/ i 1 e = −∂/ 4 2 2 (2π) k 4π (y − z)2 =− i γ α (y − z)α , 2π 2 (y − z)4 (I.226) – was für y → z singulär wird.10 Dieser Term trägt allerdings nicht zu ∂µ j µ5 bei, da die Dirac-Struktur, eingesetzt in obigen Ausdruck, verschwindet, tr [γ µ ν γ α α γ5 ] = 0 . 10 In der masselosen Theorie folgt der Divergenzgrad für → 0 einfach aus der Betrachtung der Massendimension: Das Produkt von 2 Fermionfeldern hat Massendimension 3, d.h. der Ausdruck auf der rechten Seite muss wie (y − z)−3 divergieren. – Die Dirac- und Lorentz-Struktur ist dabei durch das Transformationsverhalten des Propagators festgelegt. – Der Vorfaktor folgt aus der Berechnung des Winkelintegrals. 56 I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT Wir brauchen also einen komplizierteren Beitrag zu ψ̄(z)ψ(y) (mit 2 zusätzlichen DiracMatrizen). Dazu definieren wir die systematische Entwicklung von ψ̄(z)ψ(y) um den Punkt y = z als sog. “Operator-Produkt-Entwicklung” (OPE), φ̂(x + /2) φ̂(x − /2) → X Ci () Ôi (x) , i ψ̄(x + /2)β ψ(x − /2)α = − i (/)αβ 1-Operator + . . . 2π 2 4 – d.h. wir erhalten auf der rechten Seite lokale Operatoren Ôi , multipliziert mit Koeffizienten Ci (), die für → 0 das UV-Verhalten des Operatorprodukts beinhalten. Im obigen Beispiel mit dem Propagator wäre also (I.227) d4 k d4 p i(k+p)y ikz i(k/ + p ik/ /) /̃ e e (−ieA(p)) . 4 4 2 (2π) (2π) (k + p) k2 (I.228) in Z ar y Die weiteren Terme entsprechen nicht-trivialen Operatoren mit weiteren Fermion- oder Eichfeldern. Da jedes weitere Feld eine positive Massendimension zum Operator Ôi beiträgt, haben die entsprechenden Koeffizienten Ci einen kleineren Divergenzgrad für → 0. Der nächst-führende Term ergibt sich damit für ein zusätzliches Eichfeld. Den Koeffizienten erhalten wir durch Vergleich eines entsprechenden Feynman-Diagramms mit einem zusätzlichen externen Photon, das an die Fermionlinie koppelt, mit dem Ergebnis, bzw. unter Berücksichtigung der Anti-Vertauschungsrelationen der fermionischen Feldoperatoren eli m hψ̄(x + /2)γ µ γ5 ψ(x − /2) = Z i(k/ + p d4 k d4 p −ik −ip(x−/2) ik/ /) /̃ e e tr −γ µ γ5 (−ieA(p)) 4 4 2 (2π) (2π) (k + p) k2 = Z d4 k d4 p −ik −ip(x−/2) µαβγ pα Ãβ kγ e e 4e 2 . (2π)4 (2π)4 k (k + p)2 " # (I.229) pr Wir interessieren uns für das Verhalten bei → 0, was in obigem Fourier-Integral dem Limes k → ∞ entspricht, d.h. es reicht das UV-Verhalten des d4 k-Integrals zu betrachten, |p| |k| ∼ 1/. Dann faktorisiert das Ergebnis, hψ̄(x + /2)γ µ γ5 ψ(x − /2) d4 p −ipx d4 k −ik kγ ' 4e e p à (p) e α β (2π)4 (2π)4 k4 ∂ i 1 = 4e µαβγ (∂α Aβ (x)) − ln 2 2 ∂γ 16π γ i = 2e αβµγ Fαβ (x) − 2 ln 2 . 8π – µαβγ Z Z (I.230) Wir sehen, dass die Eichinvarianz wieder einen Ausdruck proportional zum Feldstärketensor erfordert. Entsprechend ist die Massendimension des Operators gleich 2, und 57 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED die verbleibende Divergenz des Koeffizienten O(1/). Somit erhalten wir tatsächlich einen endlichen Beitrag zur Divergenz des Axialvektorstroms, ∂µ j µ5 = lim →0 e2 αβµγ e αβµγ ν F (−ie F ) = − Fαβ Fµν 6= 0 . µν αβ 4π 2 16π 2 (I.231) Die entsprechende Ladung Q̂5 = Q̂R −Q̂L ist also nicht erhalten. Dieses spezielle Beispiel bezeichnet man auch als “Adler-Bell-Jackiw”–Anomalie. Fassen wir noch einmal die Gründe für dieses zunächst unerwartete Ergebnis zusammen: – • Wir brauchen einen UV-Regulator, um das Produkt von ψ̄(x)ψ(x) zu definieren. • Wir wollen durch den Regulator die Eichinvarianz nicht verletzen. • Wir wollen durch den Regulator die Lorentz-Invarianz nicht verletzen. y Anscheinend erfüllt dann der Regulator nicht mir die Axiavektorstrom-Erhaltung.11 ar I.3.1 ABJ-Anomalie in der Störungstheorie d4 x e−iqx hγ(p)γ(k)|j µ5 (x)|0i ≡ (2π)4 δ (4) (p + k − q) ε∗ν (p)ε∗λ (k) Mµνλ (p, k) , (I.232) eli m Z in Wir hatten im Falle des Vektorstroms gesehen, dass die dimensionale Regularisierung gerade ein Verfahren liefert, welches die Ward-Identität für die QED-Vektorstromerhaltung manifest respektiert. Es stellt sich deshalb die Frage, warum dieses Verfahren für den Axialvektorstrom nicht ein äquivalentes Ergebnis liefert. Dazu betrachten wir eine einfache Übergangsamplitude, ausgedrückt durch das Matrixelement was gerade der Produktion von 2 Photonen durch Anwendung des AxialvektorstromOperators auf das Vakuum entspricht. Die führenden Ausdrücke in der Störungstheorie entsprechen einer Fermionschleife, mit 3 Vertizes (Axialvektorstrom + 2 QED-Vertizes), was zwei “Dreiecks-Diagrammen” entspricht - mit jeweils vertauschten Rollen der beiden Photonen. Übersetzt mit Feynman-Regeln ergibt das pr Mµνλ = (−1) (−ie)2 Z d4 l i(/l − k/) λ i/l ν i(/l + p /) µ tr γ γ γ 2γ + (p ↔ k, ν ↔ λ) . 5 4 2 (2π) (l − k) l (l + p)2 (I.233) " # – Naiv würden wir qµ Mµνλ = 0 erwarten, analog zur entsprechenden Diskussion für den Vektorstrom. Die explizite Rechnung ergibt unter Verwedung von /qγ5 = (p / + /l)γ5 + γ5 (/l − k/) und Kürzen der entsprechenden Fermion-Propagatoren h iqµ Mµνλ = e2 11 Z i h i λ ν tr γ5 γ λ /lγ ν (/l + p /) d4 ` tr γ5 (/l − k/)γ /lγ + + crossed (2π)4 (l − k)2 l2 l2 (l + p)2 (I.234) µ Da weiterhin ∂µ j µ = 0 gilt, sind die Divergenzen der chiralen Ströme separat nicht-erhalten, ∂µ jL = µ −∂µ jR 6= 0. – Deshalb auch “chirale Anomalie”. 58 I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT γ5 ≡ iγ 0 γ 1 γ 2 γ 3 – Falls wir im ersten Term l → l + k substituieren könnten, wären die ersten beiden Terme anti-symmetrisch bezüglich der Vertauschung der Photonen und würden sich somit mit dem gekreuzten Diagram aufheben. Allerdings müssen wir wieder beachten, dass die d4 l-Integration UV-divergent ist, und somit müssen wir den obigen Ausdruck zunächst konsistent regularisieren. Hierbei tritt in dimensionaler Regularisierung das in der Übung diskutierte Problem auf, dass die naive Fortsetzung einer mit allen anderen Dirac-Matrizen vertauschenden Matrix γ5 keinen kontiuierlichen Limes → 0 hat. Als Ausweg benutzen wir ein Verfahren nach ’t Hooft und Veltman, bei dem die Matrix γ5 nur mittels der 4-dim. Dirac-Matrizen definiert wird, für alle D , (I.235) für µ = 0 . . . 3 , [γ5 , γ ] = 0 für µ 6= 0 . . . 3 . µ ar {γ5 , γ µ } = 0 y so dass (I.236) in Entsprechend müssen alle internen Schleifenimpulse lµ in Komponenten lkµ (für µ = µ 0 . . . 3) und l⊥ (für µ 6= 0 . . . 3) zerlegt werden, wobei externe Impulse und Polarisationsvektoren keine ⊥ Komponenten haben. In obiger Herleitung ändert sich somit /qγ5 = (p / + k/ + /l − /lk − /l⊥ )γ5 = (p / + /l)γ5 + γ5 (/lk − /l⊥ − k/) eli m = (p / + /l)γ5 + γ5 (/l − k/) − 2γ5 /l⊥ , (I.237) wobei der letzte Term wegen [γ5 , /l⊥ ] = 0 auftritt und – per Konstruktion – für D → 4 verschwindet. Die ersten beiden Terme verschwinden in der Summe der beiden Diagramme in den nun dimensional regularisierten Integralen, während der Extra-Term von der dimensionalen Fortsetzung von γ5 auf h i λ ν /) dD ` 2 tr −2γ5 /l⊥ (/l − k/)γ /lγ (/l + p µ + crossed D 2 2 2 (2π) (l − k) l (l + p) (I.238) pr iqµ Mµνλ = e2 Z führt. Dieses Integral kann mit unseren Standardmethoden berechnet werden, wobei wir wieder nur das UV-Verhalten benötigen. Als Zwischenschritt brauchen wir Integrale mit l⊥ der Form – Z Z /l⊥ /l⊥ dD l D−4 dD l l2 i →0 = −→ − , D 2 2 3 D 2 2 3 (2π) (l − ∆ ) D (2π) (l − ∆ ) 32π 2 (I.239) was sofort einsichtig ist, wenn man die Skalarprodukte in kartesischen Koordinaten schreibt. Der Vorfaktor des Integrals verschwindet dabei linear für D → 4, während das Integral selbst wieder wie 1/ divergiert, so dass das Endergebnis endlich ist, wie angegeben. 59 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Die Integrale mit 4 Potenzen von l⊥ tragen nicht bei, da dann die Dirac-Spur tr[γ5 γ λ γ ν ] = 0 ergibt. Somit verbleibt ein Ausdruck proportional zur Spur mit γ5 γ λ γ ν p /k/, was gerade den einfachen Ausdruck e2 αλβν kα pβ + crossed 4π 2 iqµ Mµνλ = (I.240) ergibt, was bereits manifest symmetrisch unter Photonvertauschung ist. Vergleich mit hγ(p)γ(k)|Fαν Fβλ |0i liefert e2 ανβλ hγ(p)γ(k)|Fαν Fβλ |0i , 16π 2 – hγ(p)γ(k)|∂µ j µ5 |0i = − (I.241) ar y im Einklang mit der vorherigen Herleitung der ABJ-Anomalie. Damit haben wir bestätigt, dass die dimensionale Regularisierung die gleichen (postulierten) Eigenschaften hat: Eich- und Lorentz-Invarianz manifest, aber ∂µ j µ5 6= 0. Ein weiteres Verfahren, um den Anomalieterm herzuleiten und eine wiederum unabhängige Regularisierungsmethode einzuführen ergibt sich aus der Pfadintegraldarstellung der QED, analog zur Herleitung der Ward-Identität für den QED-Vektorstrom. Wir betrachten nun Transformationen der Fermionfelder im Pfadintegral gemäß ψR (x) → (1 + iα(x)) ψR (x) . in ψL (x) → (1 − iα(x)) ψL (x) , (I.242) Während das Transformationsverhalten der Lagrangedichte wieder trivial ist, ergibt sich bei der Berechnung der Jakobi-Funktionaldeterminante wieder die Notwendigkeit der Regularisierung mit dem nicht-trivialen Ergebnis, dass eli m " J = exp −i Z e2 µνλσ d x α(x) Fµν Fλσ . 32π 2 4 # (I.243) Funktionalableitung nach δα(x) ergibt dann gerade die rechte Seite der Anomalie-Gleichung. Die genaue Herleitung kann man in [1], S. 664ff. finden. I.3.2 Anwedung 1: Anomaliefreiheit von Fermiondarstellungen in chiralen Eichtheorien – pr Wir hatten gesehen, dass Symmetrien und die damit verbundenen Ward-Identitäten für die Renormierbarkeit (d.h. für eine konsistente Beschreibung des Hochenergieverhaltens) von QFTs sind. In der QED hatten wir die Kontinuitätsgleichung des elektromagnetischen Stroms (und damit die Erhaltung der elektrischen Ladung) explizit auf 1-SchleifenNiveau nachgeprüft. Die chirale Anomalie hebt sich dabei zwischen den rechts- und linkshändigen Fermionkomponenten auf. Andererseits koppelt die schwache Wechselwirkung unterschiedlich an links- und rechtshändige Fermionen. Damit ergeben sich potentiell anomale Beiträge zur Kontinuitätsgleichung der links- und rechtshändigen Eichströme. Eine Möglichkeit, dies zu umgehen, resultiert aus der Bedingung, dass sich bei der Summation über alle Fermionspezies im SM-Spektrum wieder die individuellen Beiträge zur Anomalie aufheben. Gemäß unserer 60 I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT allgemeinen Diskussion reicht es, die einzelnen Fermionen in der Dreiecksdiagrammen mit dem zu überprüfenden Eichstrom und zwei beliebigen externen Eichfeldern zu untersuchen, wobei der Beitrag der rechtshändigen Fermionen von denen der linkshändigen abzuziehen ist. Betrachten wir als Beispiel das Dreiecksdiagramm mit dem U (1)Y -Eichstrom jYµ = ψ̄γµ Y ψ n oi =Y δ AB . 2 y h ∝ tr Y T A , T B – und 2 externen SU (2)L -Eichbosonen W A und W B . Die Summe der beiden gekreuzten A W B ist, mit Dreiecksdiagramme gibt dann einen Beitrag, der proportional zu µναβ Wµν αβ einem Vorfaktor, der sich aus den Gruppenfaktoren an den Vertizes ergibt, UL DL – 3-fache Farbentartung – 3 Generationen mit Y = 1/6: in • Für linkshändige Quarks QL = ! ar Hierbei tragen nur linkshändige Quarks und Leptonen bei, gewichtet mit ihrer jeweiligen Hyperladung und dem Entartungsgrad, also ergibt eli m – 2 Komponenten im SU (2)L -Dublett (bereits durch die Spur berücksichtigt) X Y QL δ AB 1 δ AB 3 =3·3· = δ AB 2 6 2 4 • Für linkshändige Leptonen LL = νL EL ! mit Y = −1/2: – keine Farbentartung pr – 3 Generationen – 2 Komponenten im SU (2)L -Dublett (bereits durch die Spur berücksichtigt) ergibt X LL Y −1 δ AB 3 δ AB =3· = − δ AB 2 2 2 4 – Somit kompensieren sich im SM in der Tat die Beiträge von Leptonen und Quarks für dieses Beispiel (weitere potentielle Beiträge zu ∂µ jYµ und zu den anderen Eichströmen werden in der Übung untersucht). Wir schließen also, dass die Quantenzahlen der Fermionmultipletts in der SM-Eichgruppe nicht willkürlich sind! Insbesondere 61 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED • benötigen wir vollständige Lepton- und Quarkgenerationen12 (so wurde z.B. die Existenz des Top-Quarks als Partner vom Bottom-Quark bzw. von der dritten Leptongeneration bereits lange vor seiner experimentellen Entdeckung vorhergesagt); • hängt die 1/3-zahlige (Hyper-)Ladung der Quarks mit den 3 Farben in der QCDEichgruppe zusammen, was letztendlich dafür sorgt, dass Protonen (aus 3 Quarks) und Elektronen entgegengesetzt gleiche elektrische Ladungen haben und somit die uns vertraute Bio-Chemie ermöglichen. SU (3) × SU (2) × U (1) ⊂ SU (5) . – Es stellt sich unmittelbar die Frage, ob es einen tieferen Grund für diesen Sachverhalt gibt. Ein theoretischer Ansatzpunkt ergibt sich aus der Einbettung der SM-Eichgruppe in sog. “Grand Unified Theories”. Ein einfaches Beispiel ist die Einbettung ar y Die Generatoren der SU (5) werden durch spurlose, hermitesche 5×5-Matrizen beschrieben, wobei man die Generatoren der SU (3) in den linken oberen 3 × 3-Block schreiben kann, die Generatoren der SU (2) in den rechten unteren 2 × 2-Block, und die Hyperladung als Diagonalmatrix T Y = diag (Yq , Yq , Yq , Y` , Y` ) in mit den Generatoren von SU (3) und SU (2) vertauscht und als Generator von SU (5) spurlos sein muss, so dass gerade 3Yq = −2Y` und somit der gewünschte Zusammenhang zwischen Quark und Leptonladungen erzwungen wird (Details werden in der Übung diskutiert).13 eli m I.3.3 Anwendung 2: Der Zerfall π 0 → 2γ pr Um den Zusammenhang des Zerfalls des neutralen Pions und der ABJ-Anomalie zu verstehen, müssen wir zunächst einige wichtige und besondere Eigenschaften der Pionen verstehen. Dazu betrachten wir die QCD-Lagrangedichte für die leichten Quarks im Limes mu,d → 0. Die Lagrangedichte hat dann offensichtlich eine (globale) chirale Symmetrie im IsospinRaum, SU (2)L × SU (2)R . Im hadronischen Spektrum werden allerdings keine Symmetriemultipletts, die dieser (approximativen) Symmetrie entsprächen, beobachtet (z.B. hat das Vektormeson ρ eine deutlich andere Masse als das entsprechende Axialvektormeson a1 ). Die Symmetrie, die im hadronischen Spektrum realisiert wird, ist vielmehr die Isospin-Symmetrie, die der diagonalen Untergruppe (L = R) entspricht (z.B. ist die Masse der geladenen und ungeladenen Pionen gleich, was einem SU (2)I -Triplett 12 – 13 Die Anzahl der Generationen ist dabei willkürlich. Ein weiterer Aspekt der Einbettung des SM in SU (5) ergibt sich aus der Tatsache, dass es in der SU (5) nur noch eine universelle Kopplungskonstante g5 gibt. Dabei muss T Y kanonisch normiert werden, so dass tr[T Y T Y ] = 1/2 gilt. Die so normierten Kopplungen g1 , g2 , g3 sollten sich dann bei einer gemeinsamen Skala treffen und in die Kopplung g5 übergehen. In der Tat treffen sich die laufenden Kopplungen des SM annähernd in der Nähe von 1014−15 GeV. – Bei dieser Skala sollten dann auch die Massen der Eichbosonen anzusiedeln sein, die den off-diagonalen 2 × 3 und 3 × 2 Blöcken in der Eichbosonmatrix entsprechen (sog. Leptoquarks). 62 I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT entspricht). Wir folgern also, dass die chirale Symmetrie der QCD-Lagrangedichte durch den Grundzustand der QCD spontan gebrochen ist, SU (2)L × SU (2)R QCD Vakuum −→ SU (2)I . σa ψ(x) 2 mit ψ = (u, d)T y j µ5,a (x) = ψ̄(x) γ µ γ5 – Gemäß des Goldstone-Theorems gehören zu den spontan gebrochenen Generatoren einer globalen Symmetrie masselose Goldstone-Bosonen mit den entsprechenden Quantenzahlen. Tatsächlich stellt das Triplett von geladenen und ungeladenen Pionen gerade diese Goldstone-Bosonen dar, mit Massen, die im Limes verschwindender Quarkmassen auch gegen Null gehen. Um dies einzusehen, betrachten wir den Axialvektorstrom im Isospin-Raum, ar und definieren das Übergangsmatrixelement h0|j µ5,a (x)|π b (q)i ≡ −iq µ δ ab e−iqx fπ , (I.244) eli m in was aus Lorentz- und Isospin-Symmetrie-Gründen durch eine einzige hadronische Unbekannte fπ beschrieben wird. Letztere kann als sog. Pion-Zerfallskonstante im Zerfall π − → µ− ν̄µ gemessen werden, fπ ' 93 MeV. Bezüglich der QCD-Wechselwirkungen gilt nun aber für die Divergenz des Axialvektorstroms (im Limes masseloser Quarks) ∂µ j µ5,a g2 = tr[τ ] − s 2 αβµν Gαβ Gµν 16π a ! = 0, (I.245) weil die Spur über eine der Pauli-Matrizen gerade Null ergibt. Mit obiger Definition ist das aber äquivalent zu h0|∂µ j µ5,a (0)|π b (q)i ≡ −q 2 δ ab fπ = −m2π fπ δ ab = 0 , (I.246) pr woraus in der Tat m2π = 0 (für fπ 6= 0) folgt (→ Manifestation des Goldstone-Theorems für mu,d → 0 – die Pionzerfallskonstante spielt dabei eine ähnliche Rolle wie der HiggsVakuumerwartungswert bei der elektroschwachen Symmetriebrechung).14 Für den Isosingulett-Strom j µ,0 = ψ̄γ µ γ5 ψ verschwindet der Anomalie-Beitrag gerade nicht, so dass der entsprechende Isosingulett-Partner des Pions, das η-Meson durch eine Masse – 14 maη fη ∝ h0| gs2 GG̃|ηi = 6 0 16π 2 charakterisiert wird. Das nicht-verschwindende Matrixelement auf der rechten Seite ist dabei selbst ein Maß für nicht-triviale Gluonkonfigurationen im QCD-Vakuum. Aus dieser Überlegung ergibt sich somit ein Argument für die experimentelle Tatsache, dass m2η m2π , obwohl beide Teilchen ansonsten gleiche Quantenzahlen und Quark-Konstituenten haben. 63 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED Wir betrachten nun entsprechend die Divergenz des Axialvektorstroms in Anwesenheit des elektromagnetischen Feldes. Da die elektromagnetische WW zwischen up- und downQuarks unterscheidet, verschwindet die Spur von σ 3 und Q2 nicht, und wir erhalten einen Beitrag von der Anomalie gemäß ∂µ j µ5,3 = − e2 αβµν Fαβ Fµν tr[τ3 Q2 ] Nc . 16π 2 (I.247) – Mit Q = diag(2/3, −1/3) ergeben die letzten beiden Term zusammen gerade einen Faktor 1/2. Wenn wir jetzt wie oben für das Matrixelement definieren hγ(p)γ(k)|j µ5,3 (0)|0i = ∗ν (p)∗λ (k) M µνλ (p, k) , hatten wir bereits berechnet, dass e2 νλαβ pα kβ 4π 2 y iqµ M µνλ (p, k) = − (I.248) (I.249) in ar aufgrund der Anomalie gilt. Andererseits können wir die Amplitude aber auch wieder ganz allgemein parametrisieren aufgrund von Lorentz-Symmetrie, Parität und Vektorstromerhaltung in der QCD (analog z.B. zum elektromagnetischen Formfaktor) M µνλ (p, k) ≡ q µ νλαβ pα kβ M1 (q 2 ) + µναβ k λ − µλαβ pν kα pβ M2 (q 2 ) h µναβ pλ − µλαβ k ν kα pβ − µνλσ (p − k)σ p · k M3 (q 2 ) , (I.250) eli m + i wobei aufgrund der Bose-Symmetrie der Photonen pν M µνλ = kλ M µνλ = 0 gelten muss. Für diese Parametrisierung folgt (mit q 2 = 2 p · k) iqµ M µνλ = iq 2 νλαβ pα kβ M1 (q 2 ) − iµνλσ qµ (p − k)σ p · k M3 (q 2 ) = iq 2 νλαβ pα kβ M1 (q 2 ) + M3 (q 2 ) (I.251) – pr Damit das im Limes q 2 → 0 ungleich Null wird (wie aufgrund der Anomalie festgelegt), müssen die Formfaktoren M1 +M3 wie 1/q 2 divergieren. Das entspricht aber dem Beitrag eines masselosen Propagators für einen Zwischenzustand mit den Quantenzahlen des betrachteten Axialvektorstroms j µ5,3 . Nach unseren Vorüberlegungen ist dies gerade das Goldstone-Boson, was dem π 0 entspricht. Demnach können wir für q 2 → 0 das Matrixelement faktorisieren q 2 →0 hγ(p)γ(k)|j µ5,3 (0)|0i −→ hγ(p)γ(k)|π 0 (q)i = (iA νλαβ pα kβ ) 64 i hπ 0 (q)|j µ5,3 (0)|0i q2 i (iq µ fπ ) q2 (I.252) I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT Dabei parametrisiert das erste Matrixelement auf der rechten Seite gerade die Übergangsamplitude A für den π 0 → 2γ Zerfall und das zweite Matrixelement die bereits eingeführte Pionzerfallskonstante. Vergleich mit dem allgemeinen Ausdruck für Mµνλ liefert dann A(π 0 → 2γ) = e2 1 , 4π 2 fπ (I.253) Γ[π 0 → 2γ] = α2 m3π 2 1 + O(m ) . π 64π 3 fπ2 – bzw. zusammen mit dem Phasenraumfaktor (bei dem wir die endliche Pionmasse beibehalten müssen, da ansonsten der Zerfall natürlich kinematisch nicht möglich wäre), (I.254) ar y Wir erhalten also mit Hilfe der ABJ-Anomalie und der Goldstone-Natur des PionIsospin-Tripletts einen direkten Zusammenhang zwischen dem schwachen Zerfall der geladenen Pionen π ± → µ± ν (proportional zu fπ ) und dem anomalen Zerfall der neutralen Pionen π 0 → 2γ in der QED (proportional zu 1/fπ ). Die theoretisch vorhergesagte Rate stimmt dabei sehr gut mit der experimentell gemessenen Rate überein. in I.3.4 Kurzzusammenfassung • Strahlungskorrekturen in der QED in der Störungstheorie führen zunächst auf divergente Impulsintegrale. eli m • Infrarotdivergenzen heben sich zwischen virtuellen Korrekturen und reeller Photonabstrahlung auf. Die Effekte weicher Photonen lassen sich in sog. SudakovFormfaktoren resummieren. • Ultraviolettdivergenzen lassen sich durch Renormierung der Störungstheorie systematisch berüchsichtigen, indem eine laufende (skalen-abhängige) Kopplungskonstante definiert wird. Als Konsequenz führen Strahlungskorrekturen zu nicht-trivialem Skalierungsverhalten von Observablen mit den externen Impulsen. pr • Zum Überprüfen der Renormierbarkeit von Quantenfeldtheorien wie der QED haben wir den Zusammenhang zwischen oberflächlichem Divergenzgrad von Schleifendiagrammen und der Massendimension der Operatoren in der Lagrangedichte untersucht (Operatoren mit dim> 4 sind zunächst nicht renormierbar). Für die Renormierbarkeit der QED spielen weiterhin die Ward-Identitäten eine entscheidende Rolle. – • Die Freiheit in der Wahl der Renormierungsskala (insbesondere für das MSbarSchema) lässt sich durch eine Renormierungsgruppe beschreiben. Das Skalenverhalten von Observablen und Korrelationsfunktionen wird durch Differentialgleichungen bestimmt, deren Lösung einer Aufsummation von großen Logarithmen in den Koeffizienten der Störungstheorie entspricht. 65 I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED – pr eli m in ar y – • Das UV-Verhalten von QFTs kann dazu führen, dass klassische Symmetrien nicht mehr erhalten sind (→ Anomalien). Als Beispiel hatten wir die Adler-Bell-Jackiw Anomalie für den Axialvektorstrom in der QED disktutiert. Zum Einen stellt dies Anforderungen an die Konsistenz von Eichtheorien, wie z.B. an das Spektrum von chiralen Fermionen. Zum Anderen erklären Anomalien physikalische Effekte wie den π 0 → 2γ Zerfall oder die Massenhierarchie zwischen dem η-Meson und den Pionen. 66 – Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) ar y II Kapitel II II.1 1-Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien N 2 −1 in Wir gehen im Folgenden kurz auf die Berechnung von Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien, wie z.B. der QCD, im Vergleich zur QED ein. Dabei können wir einige Techniken und Ergebnisse aus der QED direkt verallgemeinern, wobei wir zusätzliche Faktoren (CF , CA ) aus der nichtabelschen Symmetriealgebra erwarten (CA = pr eli m C NC = 3 und CF = 2N = 4/3 in der QCD). Einige Rechnungen werden aber subtilC er und komplexer aufgrund der zusätzlichen Diagramme mit Eichboson-Selbstwechselwirkungen und Geistfeldern. Es ist dabei häufig zweckmäßig, eine allgemeine kovariante Eichung zu wählen, bei dem der Eichparameter ξ variabel gelassen wird. Da ξ in physikalischen Amplituden herausfallen muss, hat man so eine zusätzliche nicht-triviale Kontrolle für die Richtigkeit der Rechnung. Für das Renormierungsprogramm ist die dimensionale Regularisierung zu favorisieren. Wir stellen nun einige 1-Schleifen–Resultate zusammen (Kopplungskonstante gs mit αs = gs2 /4π): – • Die Vakuumpolarisation (besser: Eichboson-Selbstenergie) wird analog zur Vakuum-Polarisation des Photons in der QED diskutiert. Zusätzlich zum Diagramm mit einem Fermion-Antifermion–Paar in der Schleife, gibt es zur Ordnung gs2 drei zusätzliche 1PI–Diagramme mit virtuellen Eichbosonen oder Geistern: 67 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Aufsummation der geometrischen Reihe von 1PI–Diagrammen ergibt wie in der QED einen transversalen Selbstenergie–Tensor: Πµν (q 2 ) = i q 2 gµν − qµ qν Π(q 2 ) δ ab . (II.1) – Die Transversalität ist wieder eine Folge der Eichsymmetrie, wobei die BRSTInvarianz (siehe TTP-1) dafür sorgt, dass die longitudinalen Beiträge durch die Berücksichtigung des Geist-Diagramms kompensiert werden. Der zusätzliche Faktor δ ab drückt lediglich die Tatsache aus, dass der Propagator diagonal bezüglich der Eichfeld-Komponenten in der adjungierten Darstellung bleibt. – Betrachten wir zunächst den Beitrag der Fermionschleife: Im Vergleich zur QED-Rechnung ergibt sich ein zusätzlicher Symmetriefaktor aus den beiden Matrizen ta,b am Fermionvertex, also 1 ab δ × (wie QED-Resultat) 2 y tr[ta tb ] × (wie QED-Resultat) = ar Im allgemeinen haben wir nf verschiedene Fermionen (z.B. 6 Quarksorten in der QCD), die in der nichtabelschen Theorie jeweils den gleichen Beitrag liefern, also 1 (wie QED-Resultat)α→αs ,m→mf 2 1 αs 4 = nf − Γ() + . . . . 2 4π 3 = nf in Π(q 2 ) Fermionen (II.2) eli m Analog können wir daraus den führenden Beitrag der Fermionen zur β– Funktion ablesen, β(αs ) Fermionen = nf 1 (wie QED-Resultat)α→αs . 2 (II.3) pr – Aufgrund der nichtabelschen Natur ergeben sich zusätzliche Diagramme mit Selbstwechselwirkungen der Eichbosonen und mit Geistfeldern. Für den Beitrag der Eichbosonschleife (zweites Diagramm oben) müssen wir zusätzlich zu den Feynman-Regeln für den 3-Eichbosonen–Vertex noch beachten, dass aufgrund der Ununterscheidbarkeit der Eichbosonen in der Schleife ein topologischer Symmetriefaktor 1/2 zu beachten ist (analog zu den Symmetriefaktoren in der φ4 –Theorie). Wir erhalten somit ein Feynmanintegral der Form – 1 2 Z dD p −i −i g 2 f acd f bdc × (Lorentz-Struktur) , D 2 (2π) p + i (p + q)2 + i s (II.4) wobei wir die Lorentz-Struktur, die sich aus Propagatorzählern und Vertexfaktoren ergibt, nicht explizit angegeben haben. Die konkrete Rechnung zeigt, dass i.A. der entsprechende Beitrag zur Eichbosonselbstenergie nicht transversal ist; allerdings gilt dies wieder für die Summe aller Diagramme (aufgrund 68 II.1 1-Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien der BRST-Invarianz). Das Produkt der Strukturkonstanten der nichtabelschen Theorie vereinfacht sich hier zu X h i f acd f bdc ≡ tr taA tbA = CA δ ab . (II.5) cd Die Berechnung der Diagramme ist aufwändiger als in der QED, aber z.B. wieder mittels Feynman-Parametern elementar lösbar. Obiges Diagramm liefert dabei zunächst auch quadratisch divergente Beiträge (d.h. Pole bei D = 2, 4, . . . in dim-reg.). Z dD p −igρσ cd δ (−igs2 ) (2π)D p2 + i y 1 2 – – Für das Schleifendiagramm, welches die 4-Eichbosonen–Kopplung involviert, erhält man entsprechend (in Feynman-Eichung) h i . ar × f abe f cde (g µρ g νσ − g µσ g νρ ) + 2× zyklisch (II.6) Der 1. Term in eckigen Klammern verschwindet hierbei wegen δ cd f cde = 0. Der 2. und 3. Term ergeben jeweils den gleichen Beitrag, δ cd f dae f bce = −CA δ ab , in gρσ (g σν g µρ − g σρ g µν ) = g µν (1 − D) . (II.7) Damit ergibt sich für das Feynman-Integral: Z dD p 1 g µν (D − 1) . D 2 (2π) p − µ2IR + i eli m −gs2 CA δ ab (II.8) Dabei wird gerade der quadratisch divergente Beitrag des vorherigen Diagramms kompensiert. – Beim Diagramm mit der Geist-Schleife müssen wir schließlich beachten, dass sich aufgrund der Antikommutativität der Geistfelder ein zusätzliches Minuszeichen ergibt, pr ∝(−1) · tr[taA tbA ] gs2 Z dD p i i (p + q)µ pν = . . . D 2 (2π) p + i (p + q)2 + i (II.9) wobei sich wieder der gleiche Farbfaktor CA ergibt. – – Zusammengefasst ergeben die 3 Diagramme, die die nichtabelschen Kopplungen enthalten, einen UV-divergenten Beitrag der Form Π(q ) 2 13 ξ αs =− − + CA Γ() + . . . 4π 6 2 nichtabelsch (II.10) wobei wir das Resultat für einen beliebigen Eichparameter ξ (in kovarianten Eichungen) angegeben haben (in Feynman-Eichung, ξ = 1, ergibt sich für den Ausdruck in Klammern −5/3). 69 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) • D.h. die Selbstenergie in nichtabelschen Eichtheorien ist eich-abhängig! Das ist kein Widerspruch, denn Π(q 2 ) ist keine physikalische Observable, d.h. die ξ-Abhängigkeit muss sich erst kompensieren, wenn die Selbstenergie in eine physikalische Streuamplitude eingesetzt wird. • Zusammengefasst erhalten wir für den Z3 –Counterterm in der nichtabelschen Theorie mit nf Fermionen in der fundamentalen Darstellung also ξ=1 = gs2 1 (4π)2 ˆ 5 2 CA − n f 3 3 + (endliche Terme) , (II.11) – δZ3 wobei die genaue Form der endlichen Terme – wie in der QED – vom gewählten Renormierungsschema abhängt. ar y • Betrachten wir nun die Selbstenergie der Fermionen: Hier ist die Situation völlig analog zur QED, bis auf den Symmetriefaktor ta ta = CF . Wir erhalten also für den Z2 –Counterterm der Fermionfelder δZ2 = − gs2 1 CF , (4π)2 ˆ (II.12) in und analog einen Faktor CF für den Massen-Counterterm. eli m • Im Falle der Korrektur zum Fermion-Eichboson–Vertex gibt es ein Diagramm, bei dem – analog zur QED – ein nichtabelsches Eichboson zwischen den Fermionen vor und nach der Wechselwirkung ausgetauscht wird. Zusätzlich kann das Fermion mit 2 Eichbosonen wechselwirken, welche sich dann über den 3-Eichbosonvertex mit dem externen Gluon wechselwirken. – Für das erste Diagramm müssen wir wieder nur den zusätzlichen nichtabelschen Symmetriefaktor berechnen, welcher sich aus tb ta tb = tb tb ta + tb [ta , tb ] = CF ta + itb f abc tc i 1 = CF ta + f abc [tb , tc ] + {tb , tc } = CF ta − CA ta 2 2 (II.13) pr ergibt. – – Der Beitrag zur Vertexkorrektur vom 3-Eichbosonvertex erhält dagegen einen Symmetriefaktor i f abc tb tc = CA ta . 2 (II.14) Zusammengefasst erhält man für den Z1 –Counterterm des Fermionvertex δZ1 = − 70 gs2 1 (CF + CA ) + (endliche Terme) 6= δZ2 . (4π)2 ˆ (II.15) II.1 1-Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien Im Gegensatz zur QED sind in der nichtabelschen Theorie also die Renormierungsfaktoren für die Fermionfelder und die Fermionvertizes nicht gleich! — Das ist allerdings kein Widerspruch zur Eichsymmetrie, da der Eichstrom jµa = ψ̄γµ ta ψ der QCD selbst kein Eichsingulett ist, sondern selbst als Oktett (adjungierte Darstellung) transformiert. Dementsprechend gibt es keine erhaltene additive Farbladung, und der Formfaktor des QCD-Stroms hat keine natürliche Normierung. Andererseits werden wir gleich sehen, dass die nichtabelsche Eichsymmetrie erzwingt, dass die effektive (laufende) Kopplungskonstante für alle Vertizes in der nichtabelschen Theorie universell bleibt. – Fassen wir die der QED entsprechenden Counterterme explizit zusammen, erhalten wir analoge Ausdrücke wie in der QED: y • C.T. für Gluonpropagator: −i(k 2 g µν − k µ k ν )δ ab δZ3 • C.T. für Quarkpropagator: ip / δZ2 − i δmf ar • C.T. für Quark-Gluon-Vertex: igs ta γ µ δZ1 Wegen δZ1 6= δZ2 ergibt sich in der QCD für die laufende Kopplung gs0 = Zg µ gs Zg−1 = p Z3 Z2 Z1−1 . (II.16) in mit eli m Wie oben bereits angedeutet, müssen wir aber sicher stellen, dass die so definierte laufende Kopplung gs identisch ist mit der effektiven Kopplung, die für die anderen QCD-Vertizes auftritt. Dazu müssen noch folgende Renormierungsfaktoren und CounterTerme berechnet werden: • Korrekturen zum 3-Gluon-Vertex −→ Z13g • Korrekturen zum 4-Gluon-Vertex −→ Z14g • Korrekturen zum Geist-Gluon-Vertex −→ Z1c • Korrekturen zum Geist-Propagator −→ Z2c pr Daraus ergeben sich folgende Bedingungen (die für ein eich-invariantes Renormierungsschema erfüllt sein müssen): • Aus dem 3-Gluon Vertex erhält man 3/2 Zg−1 = Z3 ! (Z13g )−1 = p Z3 Z2 (Z1 )−1 . (II.17) – In führender Ordnung kann man in δZi entwickeln und erhält ! δZ3 − δZ13g ' δZ2 − δZ1 . (II.18) Hierdurch werden also die divergenten Beiträge von diversen verschiedenen 1Schleifendiagramme durch die Eichsymmetrie miteinander verknüpft. 71 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) • Entsprechend für den 4-Gluon–Vertex (wobe wir beachten müssen, dass dieser 2 Potenzen der Kopplungskonstanten trägt): ! Zg−2 = Z32 (Z14g )−1 = Z3 (Z2 )2 (Z1 )−2 ! ⇔ δZ3 − δZ14g ' 2 (δZ2 − δZ1 ) . (II.19) • und schließlich für den Geist-Gluon–Vertex: p Z3 Z2c (Z1c )−1 – Zg−1 = ! ⇔ δZ2c − δZ1c ' δZ2 − δZ1 . (II.20) δZ1c , δZ13g , δZ14g , δZ2c , ar δZ1 , δZ2 , , δm , δZ3 , y Insgesamt haben wir dann also 8 Counter-Terme, in mit 3 Relationen aufgrund der Eichsymmetrie. Somit bleiben 5 unabhängige Renormierungsfaktoren, was genau der Anzahl von frei normierbaren Größen (3 Sorten von Feldern [Gluon, Quark, Geist], 1 Kopplung, 1 Massenparameter [pro Quark]) in der QCDLagrangedichte entspricht.1 II.2 Laufende Kopplung in der QCD eli m Aus dem Zusammenhang zwischen gs und gs0 können wir wieder die QCD β-Funktion bestimmen, wobei wir wieder nur die divergenten Beiträge der Z-Faktoren in Zg benötigen. Für → 0 finden wir analog zur Rechnung in der QED pr β(αs ) = µ2 dαs αs2 = − dµ2 4π α2 =− s 4π α2 =− s 4π (1) (1) (1) δz3 + 2δz2 − 2δz1 + O(αs3 ) 5 2 CA − nf + 2(−CF ) − 2(−CF − CA ) + . . . 3 3 11 2 CA − n f + . . . (II.21) 3 3 – Hierbei ist zu bemerken, dass sich der Beitrag proportional zu CF zwischen Z1−1 und Z2 aufhebt, die β-Funktion ist also unabhängig von der Darstellung der Fermionen bgzl. 2 der Eichgruppe. Vergleich mit der QED (wo β(α) = α4π 43 nf + . . . > 0) zeigt, dass die β-Funktion in der nicht-abelschen Theorie auch negatives Vorzeichen haben kann, wenn nf < 1 11 CA , 2 Genau genommen, müssen wir für beliebige Eichungen auch einen Counterterm δZξ einführen, der den Eichfixierungsterm renormiert. 72 II.2 Laufende Kopplung in der QCD was insbesondere für die QCD mit nf = 6 und CA = 3 erfüllt ist. Wir schreiben deshalb in der QCD β(αs ) = αs2 (−b0 ) + O(αs3 ) 4π mit b0 = 11 − 2 nf > 0 3 (II.22) und lösen die DGL für αs (µ) analog zur QCD, so dass gs2 (µ) ' 4π 1+ αs (µ0 ) b0 4π (II.23) 2 αs (µ0 ) ln µµ2 – αs (µ) = 0 Diskussion/Interpretation: ar y • Für µ → ∞ geht αs (µ) → 0. Dies bezeichnen wir als “asymptotische Freiheit” der QCD, d.h. bei großen Impulsübeträgen bzw. kleinen Abständen ist die “starke” Wechselwirkung zwischen Quarks und Gluonen tatsächlich eher schwach! Das heisst: → In diesem Bereich ist QCD-Störungstheorie anwendbar. in → Die QCD lässt sich am einfachsten in Hochenergieexperimenten testen/erforschen. → Die Erkenntnis rechtfertigt einen Nobelpreis (Politzer/Gross/Wilczek 2004). eli m Erfolgreiche Tests der QCD wurden insbesondere in tief-inelastischer e− -Proton– Streuung (z.B. bei HERA@DESY) und in e+ e− → Jets (z.B. bei den LEP-Experimenten am CERN) durchgeführt. Eine übliche Referenzskala für αs (µ0 ) ist dabei die Masse des Z-Bosons (siehe Übung). • Im Gegensatz zur QED wird die Abschirmung der QCD-“Ladung” durch virtuelle q q̄–Paare offensichtlich überkompensiert durch die nicht-abelschen Beiträge von gluonischen Fluktuationen (5/3CA von Z3g , und 2CA von 2(δZ2 −δZ1 )). Bei großen Abständen haben wir also einen “Anti-Screening”–Effekt für Farbladungen. pr Damit gibt es einen bestimmten Wert µ ≡ ΛQCD < µ0 , bei dem αs (µ) (in der Störungstheorie) formal divergiert, 1/αs (ΛQCD ) → 0. In führender Ordnung ist das gerade für 1+ Λ2QCD b0 αs (µ0 ) ln =0 4π µ20 (II.24) – der Fall. Durch Auflösen nach αs (µ0 ) erhalten wir eine alternative Darstellung der 1-Schleifen-Näherung, αs (µ0 ) ' 1 4π 2 b0 ln µ0 /Λ2QCD (II.25) 73 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Der Wert von ΛQCD hängt dabei von der betrachteten Ordnung in der Störungstheorie ab (siehe Übung). • Obwohl wir mit einer dimensionlosen Kopplung gs in der Lagrangedichte gestartet sind, enthält die Theorie anscheinend Information über eine intrinsische Referenzskla ΛQCD , welche unabhängig von den Massenparametern der Fermionen ist. Diesen Effekt nennt man auch “dimensionale Transmutation”. Durch experimentelle Bestimmung von αs (q 2 ) bei hohen Energien findet man, dass – ΛQCD ∼ 200 − 300 MeV ' 1/3 · Protonmasse In der Tat wird die Protonmasse größtenteils durch QCD-Effekte erzeugt (und nicht durch den elektroschwachen Higgs-Mechanismus!). ar y • Die Effekte, die mit der (nicht-trivialen) QCD-Vakuumstruktur zusammenhängen, sind selbst nicht-störungstheoretischer Natur. Die typischen Korrelationslängen dieser Strukturen (die man z.B. auf Gitter-QCD-Simulationen studieren kann) sind dann gerade von der Ordnung 1/ΛQCD . in Das Ziel der Theorie der starken Wechselwirkung ist deshalb die Trennung der verschiedenen dynamischen Effekte, so dass die kurzreichweitigen Fluktuationen (in der Praxis µ & 1 − 2 GeV) störungstheoretisch beschrieben werden können, während lang-reichweitige Korrelationen mittels möglichst universeller hadronischer Größen zu parametrisieren sind. Beispiele für solche Parameter sind • Eigenschaften des Vakuums, z.B. h0|q̄q|0i, eli m • Zerfallskonstanten von Mesonen, wie z.B. fπ , µ • hadronische Formfaktoren (z.B. hp0 |jelm |pi) • Partonverteilungsfunktionen des Protons (s.u.) • ... – pr Ein Beispiel, bei dem in erster Näherung keine hadronischen Parameter eingehen, ist der totale Wirkungsquerschnitt für e+ e− → Hadronen (siehe TTP-1), σ(s) = σ0 3 X f Q2f αs (µ) 1+ + O(αs2 ) π , (II.26) wobei sich die angegebene αs -Korrektur durch die Berechnung der reellen und virtuellen Strahlungskorrekturen zum Prozess e+ e− → q q̄(g) ergibt. Gemäß unserer allgemeinen Diskussion können wir potentiell große Logarithmen ln s/µ2 wieder effektiv aufsum√ mieren, indem wir die Störungsreihe durch αs ( s) entwickeln. Damit erwarten wir kleine √ Abweichungen vom klassischen Skalenverhalten bei s > 1 − 2 GeV (abgesehen vom Bereich in dem hadronische Vektorresonanzen auftreten, siehe Dikussion in TTP-1). √ Daraus lässt sich im Prinzip die Funktion αs ( s) aus dem Experiment bestimmen und mit der theoretischen Erwartung vergleichen. 74 II.3 Einschub: Laufende Kopplung und RG-Fixpunkte II.3 Einschub: Laufende Kopplung und RG-Fixpunkte Wir fügen an dieser Stelle eine kleine allgemeine Diskussion zum möglichen Verhalten von laufenden Kopplungen in der QFT ein. Definieren wir allgemein β(g) = µ ∂g ∂µ für g = g(µ) , (II.27) gibt es offensichtlich für kleine Werte von g drei Möglichkeiten: – (a) β(g) > 0 (wie z.B. in der QED) (b) β(g) ≡ 0 (braucht “mehr” Symmetrien, z.B. erweiterte “Supersymmetrien”) (c) β(g) < 0 (wie z.B. in der QCD) in ar y Im Fall (a) können wir in die Störungstheorie für hinreichend kleine Skalen µ2 Λ2UV anwenden; bei großem µ ∼ ΛUV divergiert die störungstheoretische Kopplung (→ “LandauPol”) Im Fall (b) erhalten wir eine “endliche QFT”, die aber für die Teilchenphysik bisher keine Relevanz hat. Im Fall (c) erhalten wir Störungstheorie für µ2 Λ2IR (asymptotische Freiheit) und einen Landau-Pol bei kleinen Skalen µ ∼ ΛIR . Was passiert nun für große Kopplungen g 1 mit der β-Funktion (d.h. ohne störungstheoretische Näherung) ? — Wir betrachten dazu die β-Funktion als Funktion der Kopplungskonstante. Im Fall (a) können wir uns zwei Szenarien vorstellen (a1) Die β-Funktion bleibt positiv für alle Werte von g: β(g) mit β(g = 0) = 0 eli m Skizze: und β(g) > 0 für alle g (a2) Die β-Funktion nimmt für große Werte von g wieder ab und wird negativ für g > g∗: Skizze: β(g) mit β(g = 0) = 0 und β(g) > 0(< 0) für g < g ∗ (g > g ∗ ) D.h. zusätzlich zur trivialen Nullstelle β(g = 0) = 0 gibt es ein g ∗ 6= 0 mit β(g ∗ ) = 0. In diesem Fall können wir die β-Funktion um g = g ∗ entwickeln, pr dg = β(g) ' −B (g − g ∗ ) d ln µ mit B > 0 , (II.28) so dass die approximative Lösung für die laufende Kopplung in der Nähe von g ∗ als ∗ – g(µ) = g + C µ µ0 −B (II.29) geschrieben werden kann (mit c = g(µ0 ) − g ∗ ). Dann strebt g(µ) → g ∗ für µ → ∞: “Die Theorie besitzt dann einen (nicht-trivialen) UV-Fixpunkt, welcher durch den Wert von g ∗ und die Steigung −B klassifiziert ist.” 75 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Aus der Lösung für g(µ) in der Nähe des UV-Fixpunktes können wir wieder analytische Aussagen über das Skalierungsverhalten von Greenschen Funktionen machen (allgemein ist das für große Kopplungen nicht möglich). Betrachten wir dazu z.B. den RG-Faktor " n exp 2 Z λ dλ0 λ0 1 # 0 γφ (α(µλ )) , (g ∗ )2 , 4π y α(µλ0 ) ' α∗ = denn nach Variablensubstitution haben wir β(g̃ = g(µ̃)) dg(µλ0 ) µ̃ dg(µ̃) = = 0 0 dλ λ dµ̃ µ̃=µλ0 λ0 ⇔ ar – mit der anomalen Dimension der Felder als Funktion der laufenden Kopplung mit einem Skalierungsparamter λ (siehe allgemeine Diskussion oben). Für große Werte von λ ist das Integral gerade dominiert von Werten von λ0 , bei denen dλ0 dg̃ = . 0 λ β(g̃) (II.30) Somit vereinfacht sich der RG-Faktor zu " Z λ dλ0 λ0 # ∗ n ∗ γφ (α ) = λ 2 γ , in n exp 2 1 eli m d.h. die anomale Dimension am RG-Fixpunkt bestimmt das Skalenverhalten für große Werte von λ. Analoge Betrachtungen können wir für den Fall (c) machen. In diesem Fall erhalten wir einen nicht-trivialen IR-Fixpunkt, wenn β(g) < 0(> 0) für g < g ∗ (g > g ∗ ) mit µ g(µ) ' g + c µ0 ∗ B (B > 0) (II.31) und g(µ → 0) = g ∗ . In diesem Fall bestimmt γφ (g ∗ ) das Skalierungsverhalten für kleine Werte von λ. pr Anmerkungen: Die genaue Form von β(g) und der Wert von g ∗ hängen vom Renormierungsschema ab. Allerdings sind β0 , die Existenz von g ∗ , die Steigung B bei g ∗ und der Wert von γφ∗ unabhängig von der Renormierungskonvention. – II.4 Operatorproduktentwicklung in e+ e− → Hadronen II.4.1 Das Optische Theorem Ausgangspunkt ist der Streuoperator Ŝ, den wir bereits in TTP-1 kennen gelernt hatten und als Ŝ = 1̂ + iT̂ 76 (II.32) II.4 Operatorproduktentwicklung in e+ e− → Hadronen geschrieben hatten, wobei der Operator T̂ gerade die Übergangsamplituden der Form hp1 p2 . . . |iT̂ |kA kB i = (2π)4 δ (4) (kA + kB − X pi ) iM(kA kB → p1 p2 . . .) (II.33) beschreibt. Die Unitarität des Operators Ŝ impliziert Ŝ Ŝ † = 1̂ ⇔ −i(T̂ − T̂ † ) = T̂ † T̂ . (II.34) hp1 p2 |T̂ T̂ |k1 k2 i = X = X Πni=1 Z n Πni=1 Z d3 qi 1 (2π)3 2Ei ! hp1 p2 |T̂ † |{qi }ih{qi }|T̂ |k1 k2 i d3 q̃i M∗ (p1 p2 → {qi }) M(k1 k2 → {qi }) y † – Wenn wir dies z.B. zwischen 2-Teilchen-Zuständen auswerten, erhalten wir durch Einfügen eines kompletten Satzes von Zwischenzuständen auf der rechten Seite der Gleichung n X Entsprechend für die linke Seite direkt qi ) (2π)4 δ (4) (k1 + k2 − X qi ) . ar (2π)4 δ (4) (p1 + p2 − (II.35) −ihp1 p2 |(T̂ − T̂ † )|k1 k2 i = −i (M(k1 k2 → p1 p2 ) − M∗ (p1 p2 → k1 k2 )) in (2π)4 δ (4) (k1 + k2 − p1 − p2 ) . (II.36) Gleichsetzen der beiden Ausdrücke und Ausklammern eines gemeinsamen Faktors eli m (2π)4 δ (4) (k1 + k2 − p1 − p2 ) liefert dann eine Beziehung zwischen den Streuamplituden. Die Herleitung gilt so für beliebige Matrixelemente. Wir können insbesondere den Grenzfall p1 p2 → k1 k2 betrachten2 Dann erhalten wir 2 ImM(k1 k2 → k1 k2 ) = X Πni=1 Z Z d3 q̃i |M(k1 k2 → {qi })|2 (2π)4 δ (4) (k1 + k2 − n X qi ) . (II.37) pr Die linke Seite entspricht dabei der “Vorwärts-Streuamplitude” für den Prozess k1 k2 → k1 k2 , und die rechte Seite gibt bis auf den Flussfaktor den Ausdruck für den totalen Wirkungsquerschnitt k1 k2 → X, ImM(k1 k2 → k1 k2 ) = 2Ecm |~ p|cm σtot (k1 k2 → X) . (II.38) – Dies ist das sog. “Optische Theorem” (ausgewertet für Streuamplituden zwischen Impulseigenzuständen). 2 — graphische Illustration — Unter der Annahme, dass die Amplituden in diesem Limes stetige Funktionen der Impulse sind. 77 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) – Wir können also den totalen Wirkungsquerschnitt (Summe und Phasenraumintegration über alle Endzustände) alternativ auch über die Berechnung des Imaginärteils der Vorwärtsstreuamplitude herleiten. In der Störungstheorie resultiert der Imaginärteil aus der i-Vorschrift der Feynman-Propgatoren für die Teilchen in den virtuellen Zwischenzuständen (inlusive Schleifenintegrationen). Für die physikalischen Zwischenzustände in der wechselwirkenden Theorie erhalten wir auch Beiträge von Bindungszuständen (Pole in der komplexen Ebene gemäss Masse und Breite von Resonanzen etc.). Das optische Theorem gilt dabei allgemein, unabhängig von der Berechnungsmethode, und kann somit als Grundlage für systematische Berücksichtigung von störungstheoretischen und nicht-störungstheoretischen Korrekturen benutzt werden. II.4.2 Anwendung auf e+ e− → Hadronen ar y √ Für den Prozess e+ e− → Hadronen bei großen Energien ( s me , mq ) lautet das opt. Theorem 1 σ(e+ e− → hadrons) = ImM(e+ e− → e+ e− )viahadrons (II.39) 2s Die rechte Seite entspricht dabei gerade dem hadronischen Beitrag zur QED-Vakuumpolarisation, mit (s = q 2 ) −i −i (iΠµν had(q)) v̄(k2 )γν u(k1 ) . (II.40) s s Aufgrund der QED-Ward-Identitäten ist der hadronische Beitrag zum Polarisationstensor wieder transversal, so dass in iM = (−ie)2 ū(k1 )γµ v(k2 ) eli m Πµν had(q) = (q 2 g µν − q µ q ν ) Πhad (s) . (II.41) Wir mitteln wieder über die Spineinstellungen im Anfangszustand, so dass sich aus den Fermionspinoren Lµν := 1 1X ū(k1 )γ µ v(k2 ) v̄(k2 )γ ν u(k1 ) = tr[k/1 γ µ k/2 γ ν ] = k1µ k2ν + k2µ k1ν − (k1 · k2 ) g µν 4 spin 4 (II.42) pr ergibt. Da das wieder transversal bzgl. qµ ist, brauchen wir nur die Kontraktion des obigen Ausdrucks mit gµν und erhalten gµν Lµν = −2 k1 · k2 = −s , so dass sich insgesamt – σ(e+ e− → hadrons) = − 4πα ImΠhad (s) s (II.43) ergibt. Wie oben erläutert enthält der Imaginärteil von Πhad (s) die Information über sämtliche hadronische Zwischenzustände. Für große Werte von s erwarten wir, dass sich die Zwischenzustände durch asymptotisch freie Quarks und Gluonen in der QCDStörungstheorie abbilden lassen (“Dualität” zwischen Hadronen und Quarks/Gluonen). 78 II.4 Operatorproduktentwicklung in e+ e− → Hadronen II.4.2.1 Störungstheoretische Beschreibung Für die störungstheoretische Beschreibung können wir direkt das Resultat für den 1Schleifenbeitrag zur Vakuumpolarisation in der QED verwenden, mit me → mq und einem entsprechenden Farb- und Ladungsfaktor für Quarks statt Elektronen, so dass Πhad (s) = −Nc X Q2q 8e2 Γ()µ2 (4π)D/2 Z 1 0 dx x(1 − x) (∆2 )− , (II.44) – wobei ∆2 = m2q − x(1 − x)s − i0+ ' −x(1 − x) − i0+ , wobei wir den kleinen Imaginärteil explizit gemacht haben, der daher resultiert, dass die Massen in den Feynmanprogatoren in der Form p2 − m2 + i0+ auftreten. Wir berechnen zunächst den Imaginärteil von (∆2 )− aus (für mq → 0) (∆2 )− = exp − ln ∆2 = exp − ln |∆2 | − iπ θ(s) h i y ⇔ Im(∆2 )− = exp − ln |∆2 | sin(π) θ(s) ' π θ(s) . ar (II.45) Somit ergibt sich nach Multiplikation mit Γ() ein endliches Resultat für den Imaginärteil, X Q2q 8e2 (4π)2 Z 1 dx x(1 − x) θ(s) = −Nc in ImΠhad (s)|mq →0 = −π Nc 0 X Q2q α 3 (II.46) eli m und somit für den totalen Wirkungsquerschnitt das bereits in TTP-1 berechnete Ergebnis, σtot (e+ e− → hadrons) = X 4πα2 Nc Q2q = σ(e+ e− → µ+ µ− ) R0 . 3s √ (II.47) Die Berechnung über das optische Theorem liefert nicht nur eine alternative Rechenmethode, sondern erlaubt auch, systematisch Korrekturen zur störungstheoretischen Beschreibung zu definieren. II.4.2.2 Operatordarstellung – pr Um systematisch Korrekturen zum Limes q 2 → ∞ zu berücksichtigen, betrachten wir die Operatordarstellung des hadronischen Beitrags zur Vakuumpolarisation, welcher sich aus dem zeitgeordneten Produkt zweier elektromagnetischer Ströme mit Quarks schreiben lässt, iΠµν had (q) = −e 2 Z d4 x ei q·x h0|T J µ (x)J ν (0)|0i (II.48) mit µ J µ (x) = Jhad (x) = X Qf q̄f (x)γ µ qf (x) . (II.49) f =u,d,s,... 79 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Die Operatordarstellung erlaubt es uns nun, um den Hochenergielimes zu entwickeln. Im obigen Fourierintegral entspricht dies gerade der Entwicklung um kleine Abstände x, die wir bereits im Zusammenhang mit den Anomalien als Operatorproduktentwicklung kennen gelernt hatten. Die OPE für das Produkt der beiden elektromagnetischen Ströme lautet demnach [1] [q̄q] [G ] Jµ (x)Jν (0) = Cµν (x) 1̂ + Cµν (x) q̄(0)q(0) + Cµν (x) G2 (0) + . . . 2 (II.50) wobei aus der Dimensionsanalyse wieder das Verhalten für x → 0 folgt, [q̄q] Cµν (x) ∼ mq x−2 , [G ] Cµν (x) ∼ x−2 , 2 – [1] Cµν (x) ∼ x−6 , (II.51) − e2 Z d4 x eiq·x J µ (x)J ν (0) ar y wobei wir wieder verwendet haben, dass der Koeffizient vor dem Operator q̄q = q̄L qR + q̄R qL aufgrund der chiralen Symmetrie der QCD mit der Quarkmasse mq gegen Null gehen muss. Analog können wir die Fouriertransformierten der Koeffizienten betrachten und erhalten unter Verwendung von qµ Πµν = 0, dass = −ie2 (q 2 g µν − q µ q ν ) c̃[1] (q 2 ) 1̂ + c[q̄q] (q 2 ) mq q̄q + c[G ] (q 2 ) G2 + . . . . (II.52) n 2 o in Der Koeffizient des führenden Terms (proportional zum Eins-Operator) entspricht dabei gerade unsere störungstheoretischen Rechnung (Schleifendiagramme ohne externe Quarkoder Gluonfelder). Für große q 2 also gerade eli m −q 2 + i c[1] (q 2 ) = −(NC + O(αs ) , µ2 X α Imc[1] (q 2 ) = −(NC Q2f ) θ[q 2 ] + O(αs ) . 3 X α Q2f ) 3π ! (II.53) – pr Wenn wir die Massendimensionen vergleichen, ergibt sich für den Koeffizienten c[1] (q 2 ) gerade ein dimensionsloser Wert. Dagegen entsprechen die höheren Terme in der OPE Koeffizienten, die mit zunehmenden Potenzen von 1/q 2 unterdrückt sind. Die Koeffizienten lassen sich wieder störungstheoretisch berechnen, wenn man Feynman-Diagramme mit zusätzlichen externen Quark- und Gluonfeldern, die den lokalen Operatoren in der OPE entsprechen vergleicht, c[q̄q] (q 2 ) ∼ c[G ] (q 2 ) ∼ 2 80 1 (q 2 )2 1 (q 2 )2 aus aus II.4 Operatorproduktentwicklung in e+ e− → Hadronen Während die Beiträge dieser sogenannten “Quark- und Gluon-Kondensate” für hinreichend große Impulsüberträge unterdrückt sind, lassen sicher andererseits deren Werte – im Prinzip – aus Daten bei mittleren Werten von q 2 extrahieren. Gemäß unserer Überlegungen über die typischen Korrelationslängen im nicht-störungstheoretischen QCDVakuum erwarten wir dabei hq̄qi ∼ Λ3QCD , hG2 i ∼ Λ4QCD . (II.54) – Die OPE liefert als in unserem (einfachen) Beispiel die gewünschte Trennung von kurzund langreichweitiger Dynamik (“Faktorisierung”). • Die kurzreichweitige Physik steckt dabei in den Koeffizienten (“Wilson-Koeffizienten”) C i (q 2 ) = C i (q 2 , µ) , y welche für µ ΛQCD störungstheoretisch berechenbar sind. ar • Die langreichweitige Physik steckt in den Erwartungswerten der (lokalen) Operatoren hOi i = hOi i(µ) , in in unserem Fall charakterisiert durch die nicht-trivialen Korrelationen zwischen Quark- und Gluonfeldern im QCD-Vakuum. eli m Insbesondere können wir wieder das RG-Verhalten unter Änderung der RG-Skala µ bestimmen: Damit lassen sich wieder potentiell große Logarithmen ln q 2 /µ2 in C i oder hOi i absorbieren (während die Observable σtot natürlich nicht von µ abhängt). Wir bezeichnen die Skala µ in der OPE deswegen in diesem Zusammenhang auch als “Faktorisierungsskala”, da sie aussagt, welche Effekte bei der Faktorisierung in den WilsonKoeffizienten oder in den Operatoren berücksichtigt sind (wie genau die Skalenabhängigkeit zu berechnen ist, werden wir noch an einem anderen Beispiel im Detail diskutieren). II.4.2.3 Das Problem mit zeitartigen Impulsüberträgen – pr Wir hatten bisher die Dualität zwischen perturbativer Rechnung (Quarks und Gluonen in Zwischenzuständen zur Berechnung von ImΠ(q 2 )) und hadronischen Observablen (physikalische Endzustände in σtot ) angenommen. Dabei hatten wir argumentiert, dass wegen |q 2 | Λ2QCD die Quarks und Gluonen asymptotisch frei sind und deshalb die QCD-Störungstheorie (mit den (1/q 2 )n -Korrekturen aus der OPE) Sinn ergibt. Allerdings haben wir hierbei einen logischen Denkfehler eingebaut, denn für zeitartige Impulsüberträge, q 2 > 0, gibt es Möglichkeiten: (i) Produktion weniger Quarks und Gluonen mit (in der Tat) dann großen Relativimpulsen (d.h. kurzreichweitige Korrelationen); (ii) Produktion vieler Quarks und Gluonen mit dann kleinen Relativimpulsen (d.h. langreichweitigen Korrelationen). Der zweite Fall entspricht gerade der physikalischen Situation in den hadronischen Bindungszuständen (relativistisches Vielteilchenproblem) und die Störungstheorie ist in dieser Form nicht direkt anwendbar. Tatsächlich hatten wir ja gesehen, dass das R-ratio für e+ e− →hadrons (lokal) nicht gut durch die 81 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Disc Πhad (q 2 ) = 2i Im Πhad (q 2 ) , – Störungstheorie beschrieben wird, da das physikalische Spektrum vielmehr hadronische Resonanzen zeigt, als Oszillationen auf einem “perturbativen Kontinuum”. Dieses Problem würde nicht auftauchen, wenn wir es mit raumartigen Impulsüberträgen q 2 0 zu tun hätten, da in diesem Fall keine reellen hadronischen Zwischenzustände möglich sind. Die Frage ist also, ob es eine Möglichkeit gibt, den Bereich physikalischer Endzustände (Π(q 2 > 0)) mit dem störungstheoretisch zugänglichen (unphysikalischen) Bereich (Π(q 2 < 0)) in Beziehung zu setzen. Dazu fassen wir Πhad (q 2 ) als analytische Funktion in der komplexen q 2 -Ebene auf, mit Polen und Schnitten gemäß der hadronischen 1- und Mehrteilchenzustände entlang der reellen Achse für q 2 > 0 (genauer: für q 2 & 4m2π ). An der reellen positiven Achse hat Πhad (q 2 ) demnach eine Diskontinuität, die durch den entsprechenden Imaginärteil gegeben ist, dq 2 1 Πhad (q 2 ) 2 2πi (q + Q20 )n+1 in In = −4πα I ar y und somit direkt mit dem totalen hadronischen Wirkungsquerschnitt verknüpft ist. Die analytischen Eigenschaften von Πhad (q 2 ) erlauben es uns, Aussagen über das Verhalten bei zeitartigen Impulsen aus theoretischer Information bei q 2 0 zu rekonstruieren. Gemäß obiger Diskussion funktioniert das aber nicht mehr lokal (für einzelne Werte von q 2 > 0), sondern nur auf dem Niveau von integrierten Größen. Dazu betrachten wir die Contour-Integrale der Form C (II.55) mit einer Contour C, die den Punkt eli m q 2 = −Q20 < 0 mit Q20 Λ2QCD einschließt. Die Integration lässt sich auf 2 Arten durchführen: • Nach dem Satz von Cauchy ergibt sich einfach In = −4πα 1 n! d dq 2 n Πhad q 2 =−Q20 , (II.56) wobei wir nur Information über Πhad in der Nähe von Q20 brauchen, wo nach Voraussetzung Störungstheorie und die OPE anwendbar sind. pr • Andererseits können wir die Contour ins Unendliche deformieren, wobei ein Integral unterhalb und oberhalb der reellen Achse übrig bleibt, wenn wir für n ≥ 1 den Beitrag im Unendlichen vernachlässigen können. Die Differenz der beiden Integrale ergibt aber gerade die Diskontinuität des hadronischen Tensors entlang der reellen Achse, und somit – 82 Z ∞ 2 dq 1 Disc Πhad (q 2 ) 2 + Q2 )n+1 2πi (q 0 0 Z ∞ 1 Im Πhad (q 2 ) dq 2 2 = −4α (q + Q20 )n+1 0 Z 1 ∞ s = σtot (s) . ds π 0 (s + Q20 )n+1 In = −4πα (II.57) II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks Dieses Integral ist aus dem gemessenen Wirkungsquerschnitt zu bestimmen. Wir erhalten somit einen Satz von Integralbeziehungen (“Dispersionsrelationen”) zwischen theoretischen Rechnungen in der OPE und hadronischen Observablen im Experiment (→ “QCD-Summenregeln” [Novikov, Shifman, Voloshin, Vainshtein, Zakharov 1978]). Wir überprüfen die Summenregel wieder am einfachsten Beispiel, d.h. wenn wir in der theoretischen Rechnung nur den führenden Beitrag zu c[1] (q 2 ) in der OPE mitnehmen. Dann ergibt sich aus den Ableitungen von ln(−q 2 ) 0 ds s 4πα2 X 2 ! σ(s) ' Q (s + Q20 )n+1 n (Q20 )n f f (II.58) – Z ∞ eli m in ar y Diese Beziehungen werden gerade für alle n erfüllt, wenn wir für σ(s) den asymptotischen Werte σ0 (s) ∝ 1/s einsetzen. Insofern reproduzieren die Summenregeln also das asymptotische Resultat für sehr große Werte von s. Die Korrekturen zur OPE (von αs (Q20 ) und Λ2QCD /Q20 ) bei endlichen Werten von Q20 tragen aber zu den verschiedenen In unterschiedlich bei, so dass die entsprechenden Korrekturen zu σ(s) nicht direkt abzulesen sind. D.h. um σ(s) lokal zu rekonstruieren benötigt man genaue Informationen über alle In . Da diese aber mit höherem n aufgrund der zunehmenden Potenzen des Ableitungsoperators immer sensitiver auf die höheren Terme in der OPE werden, hieße das unendliche Genauigkeit in der störungstheoretischen OPE.3 Für hinreichend globale (d.h. über endliche Intervalle von s gemittelte Größen) sollte dagegen die OPE für hinreichend große Werte von s eine vernünftige Beschreibung liefern. II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks pr Im Folgenden diskutieren wir die Effekte von QCD-Strahlungskorrekturen in der quantitativen Beschreibung von elektroschwachen Übergängen zwischen Quarks. Als Referenzprozess benutzen wir wieder einen leptonischen Referenzprozess: den Myon-Zerfall µ− → νµ e− ν̄e . Auf Baumgraphenniveau4 wird der Zerfall durch den Austausch eines geladenen W-Bosons zwischen zwei (elektrisch geladenen, linkshändigen) leptonischen Strömen vermittelt, so dass sich die Zerfallsamplitude durch ig √ 2 2 q2 −i J (µ) J (e)α − m2W α mit – Jα(µ) = ūνµ γα 1 − γ5 uµ , 2 J (e)α = ūe γ α 1 − γ5 vνe 2 (II.59) Insbesondere kann die OPE bei “euklidischem” q 2 0 in endlicher Ordnung nicht das oszillierende Verhalten von σ(s) im physikalischen Bereich reproduzieren. 4 Wir konzentrieren uns in diesem Kapitel auf Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung, welche den Myonzerfall nicht betreffen. Zur akkuraten Beschreibung des Zerfalls müssen aber auch elektromagnetische Korrekturen zum Myonzerfall in der QED berücksichtigt werden. 3 83 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) beschreiben lässt, wobei g die Kopplungskonstante (in gegebener Normierung) der schwachen Eichgruppe SU (2)L sei. Da die Myon-Masse klein ist gegenüber mW , gilt auch für den Impulsübertrag q 2 , q 2 < m2µ m2W und somit können wir obigen Ausdruck nähern als GF −i √ ūνµ γα (1 − γ5 ) uµ (ūe γ α (1 − γ5 ) vνe ) 2 – wobei wir die Fermi-Konstante GF g2 √ ≡ 8m2W 2 (II.60) (II.61) ar y als effektive Kopplungskonstante eingeführt haben. GF = 1.166 · 10−5 GeV−2 quantifiziert die Stärke der schwachen Wechselwirkung bei kleinen Energieüberträgen. Wir können die Näherung für die Zerfallsamplitude als Resultat einer effektiven Wechselwirkung, vermittelt durch einen Operator (II.62) in GF Oeff = √ ψ̄e γα (1 − γ5 )ψνe ψ̄νµ γ α (1 − γ5 )ψµ 2 eli m in einer effektiven Hamiltondichte ∆Hint auffassen. Die kanonische Massendimension solch eines 4-Fermion-Operators ist 6. Der Operator entspricht gerade dem führenden Term in einer OPE für das zeitgeordnete Produkt der beiden leptonischen Ströme Z d4 x eiqx T Jα(µ) (x)Jα(e) (0) h i (II.63) pr in der schwachen Wechselwirkung, wobei sich der Wilson-Koeffizient aus obiger MatchingRechnung gerade durch die Fermi-Konstante ausdrücken lässt. Effektiv reduziert sich der W-Boson–Austausch somit auf eine punkt-förmige (d.h. kurz-reichweitige) Wechselwirkung.5 Für Quarks6 können wir das entsprechend verallgemeinern. Dabei können wir zunächst zwei Fälle unterscheiden: – • semi-leptonische Zerfälle, z.B. b → ceν̄e mit GF O = √ ψ̄e γα (1 − γ5 )ψνe ψ̄c γ α (1 − γ5 )ψb Vcb , 2 (II.64) wobei wir lediglich zu berüchsichtigen haben, dass zusätzlich das CKM-Element Vcb für den b → c Übergang auftritt; 5 6 Dies erklärt die Eigenschaften der schwachen Kernkraft. Genauer gesagt, für q = b, c, s, u, d mit m2q m2W – Zerfälle des Top-Quarks sind separat zu betrachten. 84 II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks • (geladene) nicht-leptonische Zerfälle, z.B. b → cūd mit GF ∗ , O = √ ψ̄d γα (1 − γ5 )ψu ψ̄c γ α (1 − γ5 )ψb Vcb Vud 2 (II.65) mit entsprechenden CKM-Faktoren für beide Quark-Ströme. – Im Folgende wollen wir anhand des Beispiels b → cūd im Detail die Frage klären, wie man eine Theorie mit effektiven Wechselwirkungsoperatoren höherer Dimension (dim> 4) renormiert, obwohl ja – gemäß unserer allgemeinen Diskussion – der oberflächliche Divergenzgrad der Feynman-Diagramme dann in solch einer Theorie mit steigender Ordnung in der Störungstheorie ansteigt. Verknüpft damit ist die Frage, welche relevante Skala für die laufende starke Kopplung αs (µ) zu wählen ist, wenn wir es mit mehreren, hierarchisch geordneten externen Skalen zu tun haben, y mW mb > mc ΛQCD mu ∼ md . ar Wir werden sehen, dass die Renormierungsgruppe es uns gerade ermöglicht, die Effekte der verschiedenen Skalen systematisch voneinander zu trennen (→ Faktorisierung in der effektiven Theorie). in II.5.1 Strahlungskorrekturen zu schwachen Zerfällen Zur Beschreibung der schwachen Zerfälle von Quarks mit mq mW haben wir zunächst zwei alternative Zugänge: eli m • Zum Einen können wir SM-Feynmandiagramme in der renormierten Störungstheorie für die SM-Eichgruppe SU (3)C × SU (2)L × U (1)Y analysieren. • Zun Anderen können wir Diagramme in der Niederenergie-Approximation basierend auf der renormierten Störungstheorie für die Eichgruppe SU (3)C × U (1)Q mit den zusätzlichen lokalen Wechselwirkungsoperatoren in ∆Hint betrachten. Dabei sind zwei Situationen zu unterscheiden: (a) Effekte virtuellen Teilchen, die große Impulse tragen, |q µ | ∼ mW pr (b) Effekte virtueller Teilchen, die kleine Impulse tragen, |q µ | mW – Die SM-Sichtweise beinhaltet offensichtlich sowohl (a) als auch (b), während die effektive Theorie nur den Fall (b) diagrammatisch reproduziert. Die Beiträge der hoch-virtuellen Quantenfluktuationen (a) sind im Rahmen des Renormierungsprogramms als Korrekturterme für die Wilson-Koeffizienten der Operatoren in der effektiven Theorie (bzw. OPE) zu berücksichtigen. (i) Im Sinne der obigen Unterscheidung “triviale” Korrekturen kommen von Schleifendiagrammen,7 bei denen der W-Boson-Propagator selbst nicht von einem Schleifenimpuls abhängt, das sind gerade die Selbstenergiediagramme und Vertexkorrekturen zu 7 Ähnliches gilt für reelle Abstrahlung von den externen Fermionlinien 85 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) ar y – den einzelnen schwachen Strömen, die bereits in der renormierten Störungstheorie für die SM-Eichgruppe durch entsprechende Z-Faktoren berüchsichtigt werden. Der Impuls, der vom W-Boson übertragen wird, ist dabei wieder allein durch die externe Kinematik bestimmt, und kann somit wieder direkt durch die effektive punktförmige Wechselwirkung ersetzt werden. Die Renormierung dieser Beiträge führt dann lediglich auf die bereits bekannte Verwendung von laufenden Kopplungen g(µ) etc. Insbesondere für semi-leptonische Zerfälle gibt es nur diese Klasse von Korrekturen, wenn wir uns auf QCD-Korrekturen beschränken, da die hadronischen und leptonischen Ströme dann nicht untereinander wechselwirken und unabhängig voneinander renormiert werden. (ii) Die nicht-trivalen Korrekturen kommen von Diagrammen wie dem Folgenden, eli m in bei denen der W-Boson–Propagator Teil der Schleife ist. Für Schleifenimpulse |q µ | mW kann man den W-Boson-Propagator wieder durch −1/m2W nähern, und erhält das entsprechende Schleifendiagramm in der effektiven Theorie. Für große Schleifenimpulse gilt die Näherung nicht, und der entsprechende Beitrag wird zunächst nicht in der effektiven Theorie reproduziert.8 Da dies per Konstruktion aber gerade kurzreichweitigen Quantenfluktuationen entspricht, können wir diese Effekte explizit in der Störungstheorie berechnen und die effektive Theorie entsprechend korrigieren. Das Ergebnis dieser Korrektur können wir wieder durch einen lokalen Operator beschreiben, der folgende Form hat (siehe Übung) (c̄L T a γµ bL )(d¯L T a γ µ uL ) αs [SM-Integral − ET-Integral] 4π (II.67) • Aufgrund der QCD-Wechselwirkung zwischen verschiedenen Quarkströmen hat sich nun eine neue Farbstruktur ergeben (Oktett×Oktett). Der Unterschied ergibt sich aus der Tatsache, dass schematisch für die entsprechende Schleifenintegrale gilt, dass pr 8 Z −1 1 d q 2 f (q) 6= 2 q − m2W mW D Z D d q q2 1 + 2 + . . . f (q) . mW (II.66) – wobei die Funktion f (q) alle Terme außer des W-Propagators zusammenfasst. Die linke Seite (SM) generiert dabei i.A. eine nicht-analytische Abhängigkeit von mW , z.B. in der Form ln m2W /m2b . Die rechte Seite dagegen hat in beliebiger (endlicher) Ordnung der 1/m2W -Entwicklung nur analytische Abhängigkeiten von mW in der Form von inversen Potenzen. Andererseits haben beide Ausdrücke für das Integral die gleichen nicht-analytischen Abhängigkeiten von den IR-Parametern (externe Massen und Impulse). Die in den Matching-Koeffizienten absorbierte Differenz der beiden Ausdrücke ergibt sich somit i.A. als Funktion von ln µ2 /m2W und αs (µ), mit einer Matchingskala µ, die durch ein geeignetes Regularisierungsverfahren definiert werden muss, s.u. 86 II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks • Die Quarkfelder im Korrekturterm bleiben linkshändig, da die Differenz von SM und ET, wie oben erläutert, nur von hoch-energetischen Gluonen herrührt, für die |q µ | & mW mq . D.h. die Quarkmassen können hier vernächlässigt werden und somit bleibt die Chiralität der Quarks (aus der ursprünglichen linkshändigen schwachen Wechselwirkung im SM) erhalten. Somit müssen wir für den Fall von nicht-leptonischen Zerfällen wie b → cdū die Operatorbasis erweitern. Eine übliche Konvention, die historisch begründet ist, definiert die Operatoren9 – 4GF ∗ (c̄iL γµ bjL ) (d¯jL γ µ uiL ) , O1 = √ Vcb Vud 2 4GF ∗ O2 = √ Vcb Vud (c̄iL γµ biL ) (d¯jL γ µ ujL ) , 2 y (II.68) ar wobei wir die Fierz-Identitäten für die SU (3)-Farbmatrizen ausgenutzt haben (siehe Übung). Die kurzreichweitigen Korrekturterme absorbieren wir wieder in Wilson-Koeffizienten für diese Operatoren, so dass C1 = 0 + O(αs ) , C2 = 1 + O(αs ) . (II.69) = IR-Region (MW → ∞) eli m volle Theorie (SM) in Das Prinzip dieser “Matching”-Rechnung ist in folgendem Diagramm noch einmal illustriert: mb mc Mw , mb ) hOiloop (αs ; ' mb mc µ , mb ) pr l • UV-divergent → Regulator µ (mb,c → 0) + C 0 (αs ; µ mW ) × hO0 itree l 1-Schleifen Matrixelement des Operators O in Eff. Th. • unabhängig von (bis auf GF ) UV-Region + ' I(αs ; + MW 1-Schleifenkoeffizient für neuen Operator O0 in ET • unabhängig von mb,c • IR-divergent → Regulator µ – Die Trennung der IR- und UV-Beiträge im SM-Integral kann dabei besonders einfach realisiert werden, wenn man dimensionale Regularisierung verwendet und dann – wie angegeben – den Integranden entsprechend entwickelt (mq , pq → 0 für die MatchingKoeffizienten; mW → ∞ für die Diagramme in der ET), vergleiche mit Übung. Die 9 Wir werden später die Faktoren 4GF √ 2 ∗ Vcb Vud explizit in die Definition von ∆Hint absorbieren. 87 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) ar y – Matching-Koeffizienten ergeben sich dabei aus der Differenz der Diagramme im SM und in der effektiven Theorie im Grenzfall, dass alle externen Quarkmassen und Impulse vernachlässigt (bzw. zur führenden Ordnung Taylor-entwickelt) werden. Das FeynmanIntegral für die Diagramme der effektiven Theorie ist in diesem Limes aber skalenlos (da die W -Masse nur als globaler Faktor GF auftaucht) und verschwindet somit (genauer gesagt ist das Integral proportional zu 1/UV − 1/IR ). Damit müssen wir in der Tat nur den Limes mq , pq → 0 der SM-Diagramme betrachten. Damit hängen die Matching-Koeffizienten nur noch von den UV-Parametern der Theorie (hier mW ) und der Matchingskala µ ab und sind somit Funktionen von αs (µ) und ln m2W /µ2 (und damit einfacher zu berechnen, als die Diagramme der vollen SM-Theorie). Die Abhängigkeit von der Matchingskala kommt dann gerade daher, dass die Vernachlässigung der externen Massen und Impulse zu neuen IR-Divergenzen führt, die in D = 4 − 2 Dimensionen für < 0 regularisiert werden.10 Die UV-Divergenzen in dem SM-Diagrammen werden dagegen bereits durch die renormierte Störungstheorie der vollen Theorie berücksichtigt. Für unser konkretes Beispiel erhält man so aus der Summe der relevanten FeynmanDiagramme nach MS-Renormierung folgende Ausdrücke: αs (µ) m2 11 C2 (µ) = 1 + ln W − 2 4π µ 6 ! in αs (µ) m2 11 C1 (µ) = 0 − 3 ln W − 2 4π µ 6 + O(αs2 ) , ! + O(αs2 ) , (II.70) – pr eli m wobei sich der relative Faktor (−3) aus der Fierz-Identität für die Farbalgebra ergibt. Die Störungsreihe für die Matchingrechnung konvergiert demnach gut, wenn wir die Matchingskala von der Ordnung mW wählen, so dass keine großen Logarithmen auftreten und αs (mW ) 1. Umgekehrt erhalten die Diagramme in der ET (jetzt mit endlichen IR-Parametern ausgerechnet) zusätzliche UV-Divergenzen, da ja der genäherte W -Propagator 1/(q 2 − m2W ) → −1/m2W große Werte von |q µ | nicht mehr unterdrückt und somit den oberflächlichen Divergenzgrad der Diagramme im Vergleich zum SM erhöht.11 Somit müssen wir gemäß unserer allgemeinen Diskussion neue Z-Faktoren für die Operatoren in ∆Hint einführen, die die UV-Divergenzen in den Matrixlementen hOi i kompensieren. Da die Operatoren O1 und O2 unter Strahlungskorrekturen mischen, ergeben sich die Z-Faktoren dann als Matrix, so dass hOi iren (µ) = Zij hOj i mit Zij = δij + δZij . (II.71) Die UV-Divergenzen von hOi i sind dabei mit den IR-Divergenzen der Ci korreliert, und entsprechend müssen sich die µ-Abhängigkeiten zwischen den renormierten WilsonKoeffizienten und den renormierten Operatoren in physikalischen Amplituden gerade Diese IR-Divergenzen kompensieren gerade den 1/IR Anteil der skalenlosen Integrale in der ET. Dort bleibt dann eine UV-Divergenz übrig, die wir als neuen Z-Faktor für den entsprechenden Operator in der ET interpretieren werden. 11 Dies entspricht gerade dem 1/UV -Anteil der oben diskutierten skalenlosen Integrale - vgl. Übung. 10 88 II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks aufheben,12 so dass hSMi ' C1 (µ) hO1 i(µ) + C2 (µ) hO2 i(µ) = µ-unabhängig (II.73) II.5.1.1 Z-Faktoren und anomale Dimensionen Aus der obigen Diskussion folgt, dass wir für die Berechnung der Z-Faktoren der Operatoren O1 und O2 im MS-Schema lediglich die UV-divergenten Terme der entsprechenden Schleifendiagramme in der effektiven Theorie benötigen, so dass (0) (0) (II.74) – (0) O2 |ren. = O2 + δZ21 O1 + δZ22 O2 δZ11 = δZ22 und δZ12 = δZ21 ar Wir suchen die Matrix der anomalen Dimensionen gemäß y und entsprechend für O1 . Aufgrund der Symmetrie des Problems gilt dabei d hOi i(µ) ≡ −γij hOj i(µ) , d ln µ (II.75) (II.76) in wobei γij wieder als Störungsreihe in αs (µ) zu entwickeln ist. In 1-Schleifen-Näherung gilt dabei (analog zu z.B. der Berechnung des führenden Term in der β-Funktion) d −δZ ij . d ln µ γ ij ' (II.77) pr eli m Insbesondere benötigen wir also zur Berechnung von γij nur das UV-Verhalten der effektiven Theorie. D.h. die γij sind unabhängig von den IR-Beiträgen zu den Operatormatrixelementen, die z.B. sensitiv auf nicht-perturbative Hadronisierungseffekte sind. Zum anderen ist γij aber auch unabhängig von der exakten Form der zugrunde liegenden Hochenergietheorie (in unserem Fall dem SM). Letzteres heisst insbesondere, dass das Verfahren der effektiven Theorie auch funktioniert, wenn wir die “volle Theorie” nicht kennen (“bottom-up”-Zugang, z.B. für neue Physik jenseits des SM). Wir gehen dann i.A. so vor, dass wir die für die Niederenergietheorie relevanten Teilchenfreiheitsgrade identifizieren (hier: leichte Quarks, Gluonen, Leptonen, Photonen) und alle Operatoren 12 Eine triviale Illustration liefert folgendes Integral in einer “vollen Theorie” mit hierarchischen Skalen p2 M 2 Z M2 p2 – | dk2 k2 {z } ln M2 p2 “großer Log” = Z M2 µ2 | = dk2 k2 {z ln + µ2 p2 } M2 µ2 Z dk2 k2 | {z } + Beitrag zu C(µ) Matching + IR-Regulator µ2 p2 Beitrag zu hOi(µ) ln ET + UV-Regulator (II.72) 89 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) zu einer gegebenen Massendimension (hier: 6), die aufgrund von empirischen oder postulierten Symmetrien erlaubt sind (hier z.B. Linkshändigkeit der Ströme) aufschreiben. Wir erhalten dann einen effektiven Wechselwirkungs-Hamiltonian der Form Heff = XX (n) Ci (µ) n i 1 (n) O . Λn i (II.78) – 2 Die dimensionsbehaftete Skala Λ (hier: Λ2 ∼ G−1 F ∼ mW ) bestimmt hierbei den Gültigkeitsbereich der effektiven Theorie. Letzteres kann man einsehen, wenn wir Diagramme mit mehrerern Einsetzungen der Operatoren Oi betrachten: • Die Koeffizienten liefern jeweils einen Faktor 1/Λn1 · 1/Λn2 · · · y • Die Matrixelemente können aber nur mit den Massen und Impulsen der leichten Freiheitsgrade skalieren. ar • D.h. so lange mi , pi Λ können wir Terme mit höheren Potenzen von 1/Λ vernachlässigen und brauchen nur eine endliche Anzahl von Z-Faktoren für eine endliche Anzahl von Operatoren zu einer gegebenen Massendimension. in In diesem Sinne sind effektive Theorien mit höher-dimensionalen Operatoren weiterhin renormierbar (obwohl der oberflächliche Divergenzgrad der Diagramme ansteigt, aber eben nur für solche Diagramme, die in der Niederenergietheorie unterdrückt sind). II.5.1.2 Lösung der RG-Gleichung für die Wilson-Koeffizienten eli m Wegen d X ! Ci (µ) hOi i(µ) = 0 d ln µ i (II.79) folgt mit unserer Konvention d Cj (µ) = Ci (µ) γij (αs (µ)) d ln µ ~ ~ oder C(µ) = γ̂ T (αs (µ)) C(µ) . (II.80) – pr Für gegebene Matrix γ̂ kann man das RG-Verhalten der Wilson-Koeffizienten dann wieder durch Lösen der DGL bestimmen. Mit der üblichen Variablensubstitution schreiben wir d ~ γ̂ T (αs ) ~ C= C. dαs 2β(αs ) (II.81) Um die Gleichung formal zu lösen, müssen wir beachten, dass bei der Störungsentwicklung von Matrizen γ̂ = γ̂0 90 αs αs + γ̂1 4π 4π 2 + ... (II.82) II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks die Koeffizientenmatrizen i.A. nicht kommutieren. Gleiches gilt somit auch für Matrizen bei unterschiedlichem Argument αs , [γ̂(α1 ), γ̂(α2 )] 6= 0 . (II.83) Formal lässt sich das analog zum Problem des Zeitentwicklungsoperators lösen, wobei jetzt αs die Rolle der Zeit in der Operator- bzw. Matrizen-DGL übernimmt. Wenn wir also einen Ordnungsoperator bzgl. αs definieren, gemäß, fˆ(α1 ) · fˆ(αk ) für α1 > . . . > αk ansonsten entsprechend permutiert Ergibt sich "Z αs (µ) αs (µ0 ) γ̂ T (αs0 ) ~ C(µ0 ) 2β(αs0 ) # dαs0 y ~ C(µ) = Tαs exp (II.84) – Tαs fˆ(α1 ) · fˆ(αk ) = ( (II.85) T αs (mb ) αs (mW ) −γ̂0 2β0 ~ W), C(m in ~ b) ' C(m ar In der Praxis lösen wir die DGL iterativ (siehe Übung). Zur führenden Ordnung stellt sich das Problem der Matrixordnung nicht, und wir erhalten das Ergebnis für die LeadingLog-Approximation in der üblichen Form (für z.B. µ = mb und µ0 = mW ) (II.86) eli m wobei das Exponential einer Matrix wie üblich in deren Eigenbasis definiert ist. Was haben wir gewonnen? • Die Koeffizieten Ci (mW ) lassen sich als Störungsreihe in αs (mW ) aus der MatchingRechnung bestimmen. • Die mit obiger Formel berechneten Koeffizienten Ci (mb ) berücksichtigen die aufsummierte Reihe der führenden Logarithmen ln mb /mW . • An der neuen Skala µ ∼ mb hängen die Operatormatrixelemente nur noch von der Dynamik bei Skalen unterhalb von mb ab. – pr Somit enthält das so bestimmte Ergebnis die dominanten nicht-analytischen Effekte in der W-Boson-Masse. In unserem Beispiel mit O1 und O2 für b → cdū ergibt sich (vgl. mit µ-Abhängigkeit von Ci aus Matching-Rechnung) αs γ̂ ' 4π −2 6 6 −2 ! (II.87) Als Eigenwerte/-vektoren ergibt sich einfach 1 C± = √ (C1 ± C2 ) , 2 γ± = +4, −8 , (II.88) 91 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) so dass C+ (mb ) ' αs (mb ) αs (mW ) −4 C− (mb ) ' αs (mb ) αs (mW ) 8 2β0 C+ (mW ) , 2β0 C+ (mW ) . (II.89) Numerisch ergibt sich C2 (mb ) ' 1.026 (LL) – C1 (mb ) ' −0.514 (LL) ' −0.303 (NLL) . (II.90) y Insbesondere sehen wir, dass die Strahlungskorrekturen und die Resummation essentiell für die genaue Bestimmung des Wilson-Koeffizienten C1 (mb ) sind (naiv war ja C1 Null). ar II.5.1.3 Zur Notation L(eading)L(og) vs. N(ext-to)L(eading)L(og): in Die störungstheoretische Konstruktion der Wilson-Koeffizienten beinhaltet zwei Faktoren, den Wilson-Koeffizienten aus der Matching-Rechnung C(mW ) und den RG-Faktor U (mb , mW ) aus der Lösung der DGL, C(mb ) = U (mb , mW ) C(mW ) , mit der allgemeinen Form X an αsn (mW ) lnn eli m U (mb , mW ) = 1 + n=1 (II.91) X mb mb + bn αsn+1 (mW ) lnn + ... mW n=0 mW (II.92) und C(mW ) = c0 + c1 αs (mW ) + c2 αs (mW )2 + . . . (II.93) Die LL-Approximation summiert alle Terme der Form αsn lnn auf, d.h. pr c0 1 + X n=1 an αsn (mW ) mb ln mW ! n – Die NLL-Approximation summiert (zusätzlich) alle Terme der Form αsn+1 lnn auf, d.h. c0 X bn αsn+1 (mW ) lnn n=0 und c1 αs mb mW mb 1+ an αsn (mW ) lnn mW n=1 X ! . D.h. die endlichen Terme α4πs 11 6 in der Matching-Rechnung für die Ci (mW ) zählen erst zur NLL-Approximation mit. 92 II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks II.5.2 Anwendung auf hadronischen Zerfall B̄ 0 → D+ π − ar y – Der Quark-Übergang b → cdū induziert entsprechende hadronische Zerfälle. Als Beispiel betrachten wir hier den nicht-leptonischen 2-Körper-Zerfall eines B-Mesons im Kanal B̄ 0 → D+ π − . Wir veranschaulichen den Zerfall durch Illustration der sog. “FlavourTopologien”, welchen den Fluss der entsprechenden Flavour-Quantenzahlen angeben (dies sind zunächst keine Feynman-Diagramme im Sinne der QFT). hD+ π − |Heff |B̄ 0 i ∼ in Der hadronische Zerfall wird dann durch die Amplitude X eli m i=1,2 Ci (mb ) hD+ π − |Oi |B̄ 0 iµ=mb | {z (II.94) } beschrieben, wobei die hadronischen Übergangsmatrixelement der effektiven Operatoren noch beliebige Quark- und Gluonfluktuationen mit Virtualitäten . m2b (bzw. auf Abständen & 1/mb ) beinhalten. – pr Ein Teil dieser Fluktuationen “faktorisiert” in dem Sinne, dass Gluonen jeweils nur zwischen den Konstituenten im Pion oder zwischen den Konstituenten im B̄ 0 → D+ – Übergang ausgetauscht werden, aber nicht überkreuz. 93 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Beschränken wir uns auf solche Beiträge können wir die benötigten Operatormatrixelemente vereinfachen (→ “naive Faktorisierung”), z.B. für O2 (vgl. Übung) hD+ π − |(c̄L γµ bL )(d¯L γ µ uL )|B̄ 0 i ' hD+ |(c̄L γµ bL )|B̄ 0 i | {z hπ − |(d¯L γ µ uL )|0i × | } hadr. Übergangsformfaktor × {z } Zerfallskonstante (II.95) y – Hierbei sind die beiden Faktoren, in die sich das Matrixelement zerlegen lässt, universell: Der Übergangsformfaktor F B→D (q 2 ) bestimmt auch den semi-leptonischen Zerfall B → D`ν. Die Pion-Zerfallskonstante fπ hatten wir bereits in den Zerfällen π + → µ+ νµ und π 0 → γγ als relevanten hadronischen Parameter identifiziert. Zusätzlich gibt es aber auch nicht-faktorisierende Beiträge, die von Gluonaustausch zwischen den Konstituenten im Pion und im B → D–Übergang herrühren. eli m in ar (i) Ein Beispiel ist in folgendem Diagramm illustriert . . . etc. – pr ¯ Hierbei fungiert das d-Antiquark als “Spektator” und nimmt nicht an der (explizit betrachteten) Wechselwirkung teil. Diese Beiträge beinhalten also gerade den Niederenergie-Anteil jener Feynman-Diagramme, deren Hochenergie-Anteil in den Wilson-Koeffizienten absorbiert wurde. Entsprechend erwarten wir, dass die µ-Abhängigkeit der Wilson-Koeffizienten von der µ-Abhängigkeit der nicht-faktorisierend en Beiträge zu hDπ|Oi |Bi kompensiert wird (während in naiver Faktorisierung die hadronischen Größen F B→D und fπ ja skalen-unabhängige Observable sind). (ii) Eine zweite Klasse von Diagrammen betrachtet Korrelationen durch Gluonaustausch zwischen dem Spektator-Quark im B → D–Übergang und den Konstituenten im Pion. • In beiden Fällen sind implizit zusätzlich lang-reichweitige Wechselwirkungen angenommen, die nicht durch perturbativen Gluon-Austausch approximiert werden können und u.a. für die hadronische Bindung verantwortlich sind. 94 II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks Es stellt sich die Frage, was wir qualitativ oder quantitativ über die Größe der nichtfaktorisierenden Beiträge aussagen können. Dazu stellen wir fest, dass für die in dem betrachteten Zerfall beteiligten Massen, mB ≈ 5.3 GeV , mD ≈ 1.9 GeV , mπ ≈ 0 , die Energie des Pions (im Ruhesystem des zerfallenden B-Mesons) deutlich größer als die QCD-Skala ist, m2B − m2D ΛQCD . 2mB (II.96) – Eπ ' ar y Physikalisch heisst das, dass Gluonen, die vom b → c–Übergang abgestrahlt werden, die Konstituenten des Pions effektiv als kleinen Farbdipol sehen, mit ∆x ∼ 1/Eπ . Das entspricht Gluonen mit entsprechend kurzen Wellenlängen, deren Wechselwirkung somit durch αs (Eπ ) störungstheoretisch beschreibbar sein sollte (mit diesen Überlegungen macht unsere diagrammatische Illustration oben dann auch Sinn). Wir können dann die Propagatoren in dem partonischen Sub-Diagramm explizit ausrechnen, wenn wir die Impulse der beteiligten Quarks entsprechend der kinematischen Überlegungen approximieren. Dazu schreiben wir mit v 2 = 1 , pµD ≡ mD v 0µ mit mit v 02 = 1 , p2π = m2π ' 0 , eli m Eπ ' |~ pπ | in pµB ≡ mB v µ (II.97) und berücksichtigen, dass die Schwerpunktsbewegung eines schweren B- oder D-Mesons in erster Näherung durch das beteiligte schwere Quark gegeben ist und sich die Konstituenten in einem geboosteten Pion weitgehend parallel zum Pion bewegen und sich den Impuls entsprechend aufteilen. Somit pµb ' mb v µ , pr pµd ' x pµπ , pµc ' mc v 0µ , pµū ' (1 − x) pµπ mit 0 ≤ x ≤ 1. (II.98) Bezeichnet man in obigem Diagramm den Gluon-Impuls mit `µ , so lauten die beiden beteiligten Propagatornenner ((1 − x)pπ + l)2 und (mc v 0 + `)2 . – • Die zur Klasse (i) von nicht-faktorisierenden Diagrammen gehörenden Schleifenintegrale sind somit allgemein Funktionen der kinematischen Variablen m2c , m2b , v · pπ , v 0 · pπ ΛQCD und somit in der Tat durch Skalen der Größenordnung Eπ dominiert. 95 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Somit lässt sich die naive Faktorisierungsformel verbessern13 0 hD π |Oi |B̄ i ' F B→D (q = Z 1 0 m2π ) Z 1 0 dx ti (x, mc , mb ; µ) · fπ φπ (x; µ) | dx φπ (x; µ) ≡ 1 . {z } | {z } (II.99) ar mit 2 y + − – • Als neues Feature erhalten wir jetzt aber auch eine Abhängigkeit vom angenommenen Impulsbruchteil x der Quark-Konstituenten im Pion. D.h. zusätzlich zu unserem perturbativen Resultat bei gegebenem x benötigen wir die entsprechende Wahrscheinlichkeitsamplitude φπ (x) einen Quark-Antiquark–Zustand mit Impulsaufteilung x im Pion zu finden. Die Funktion φπ (x) wird offensichtlich durch nicht-perturbative Physik bestimmt, die die hadronische Bindung der Quarks im Pion beschreibt. Als solches repräsentiert φπ (x) aber wieder eine universelle Eigenschaft des Pions (in gleichem Sinne wie fπ ), die auch in anderen Prozessen mit schnellen Pionen relevant ist. in • Hierbei bezeichnet ti den kurzreichweitigen Anteil, der sich aus der perturbativen Amplitude des partonischen Diagramms mit dem entsprechenden Operator O1,2 ergibt. Wir können dies als Verallgemeinerung von Wilson-Koeffizienten auffassen, wobei wir es jetzt mit perturbativen Koeffizientenfunktionen ti (x) zu tun haben. eli m • Entsprechend lässt sich φπ (x) als Matrixelemente eines kontinuierlichen Satzes von Niederenergie-Operatoren (bei gegebenem x) interpretieren. Anstelle der Summe über diskrete Operatoren mit Koeffizienten erhält man dann wie angegeben ein (Konvolutions-)Integral über x. Die Operatoren haben i.A. wieder anomale Dimensionen, die die µ-Abhängigkeit der Funktion φπ (x; µ) bestimmen. • Auf tree-level, sind die Koeffizientenfunktionen ti unabhängig von x, und mit der angegebenen Normierungsvorschrift für φπ (x) reproduziert man die naive Faktorisierungsformel. pr • Zusammen mit den Wilson-Koeffizienten C1,2 (µ) aus Heff erhält man dann ein Resultat für die physikalische hadronische Amplitude, was (in der gegebenen Ordnung Störungstheorie) nicht mehr von µ abhängt. Auf diese Weise haben wir die relevanten physikalischen Skalen voneinander getrennt: – • Die Effekte von der kurzreichweitigen Dynamik mit der relevanten elektroschwachen Skala mW sind in den Wilson-Koeffizienten Ci . • Die Effekte von intermediären Skalen Eπ ∼ mb ∼ mc sind in den Koeffizientenfunktionen ti . 13 96 gemäß [Beneke/Buchalla/Neubert/Sachrajda 1999/2000] II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks • Die langreichweitigen hadronischen Effekte sind in den (universellen) Formfaktoren, Zerfallskonstanten und Distributionsamplituden φπ (x) parametrisiert. • Die Trennung der dynamischen Skalen wird durch die RG-Gleichungen für die einzelnen Faktoren störungstheoretisch kontrolliert. ar y – Obige Faktorisierungsformel (für (exklusive) hadronische Zerfallskanäle) erhält aber noch weitere Korrekturen von den oben erwähnten Diagrammen der Klasse (ii), bei denen das Spektatorquark involviert ist, sowie einer weiteren Flavour-Topologie (“Annihilation”), eli m in Da in diesen Fällen (mindestens) alle 6 Konstituenten beteiligt sind (im Gegensatz zu den 4 Konstituenten im Fall (i)), sind die Beiträge dieser Diagramme tatsächlich mit 1/Eπ unterdrückt. Die quantitative theoretische Abschätzung dieser Beiträge (sog. “power corrections”) ist aber extrem schwierig. Aus der detaillierten Analyse der experimentellen Messungen für verschiedene B → Dπ Zerfälle ergibt sich, dass die power corrections in exklusiven B-Zerfällen typischerweise von der Größenordnung 30-35% sein können. II.5.3 “Pinguin”-Operatoren Der bisher betrachtete Flavour-Übergang b → cdū war speziell, in der Hinsicht, dass alle beteiligten Quarkflavours unterschiedlich gewählt waren. Komplexere Situationen sind möglich, wenn ein q q̄-Paar mit gleichem Flavour beteiligt ist. Als Beispiele betrachten wir im Folgenden b → suū und b → scc̄ . pr (Analog kann man b → dq q̄ diskutieren.) Aus den schwachen SM-Strömen erhalten wir wieder effektive Operatoren mit der Struktur 4GF (u) ∗ √ Vub Vus (ūL γµ bL )(s̄L γ µ uL ) −→ λu O2 , 2 4GF √ Vcb Vcs∗ (c̄L γµ bL )(s̄L γ µ cL ) −→ λc O2(c) , 2 (II.100) – ∗ eingeführt haben. QCD-Korrekturen erzeugen wobei wir die Abkürzung λx = Vxb Vxs (u,c) auch wieder entsprechende Operatoren O1 mit entgegengesetzter Farbstruktur. Da die starke Wechselwirkung aber nicht zwischen ¯ s̄s, c̄s, b̄b q̄q = ūu, dd, 97 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) oder zwischen ¯ A d, s̄T A s, c̄T A s, b̄T A b und q̄T A q = ūT A u, dT GA µν ar y – unterscheiden kann, müssen wir alle Operatoren mit den gleichen Quantenzahlen wie b → sq q̄ und b → sg simultan betrachten. Unter Berücksichtigung von QCD-Wechselwirkungen können solche Prozesse aber nicht nur durch W -Bosonaustausch zwischen elementaren (u,c) schwachen Strömen wie in O2 induziert werden, sondern auch durch sog. “PinguinDiagramme” pr eli m in wobei virtuelle u, c, t-Quarks in einer Schleife mit dem W-Boson laufen und ein virtuelles Gluon abstrahlen, welches demokratisch in q q̄ zerfallen kann. Die Matching-Rechnung für den entsprechenden effektiven Hamiltonian liefert dann 2 Klassen von neuen Operatoren: “strong penguins” O3−6 “chromomagnetic penguin” O8g – Die Operatorstruktur der Pinguin-Operatoren kann folgendermaßen gewählt werden: O3,5 ∝ (s̄L γµ bL ) X q=u,d,s,c,b O4,6 ∝ (s̄iL γµ bjL ) X q=u,d,s,c,b (q̄γ µ 1 ∓ γ5 q) , 2 (q̄ j γ µ 1 ∓ γ5 i q ), 2 (II.101) wobei die entsprechenden Wilson-Koeffizienten C3,5 gegenüber C1,2 mit αs (und einem typischen Schleifenfaktor von 1/(4π)2 ) unterdrückt sind, und C4,6 wieder erst durch zusätzlichen gluonischen Farbaustausch entstehen. 98 II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD ∗ Vqb Vqs I(xq ) = λt I(xt ) + (λu + λc ) I(0) = λt (I(xt ) − I(0)) , q=u,c,t (II.103) ar X y – Die Form des chromomagnetischen Operators ist durch Eich- und Lorentz-Invarianz festgelegt, gs mb O8g ∝ (s̄L σ µν T A bR ) GA (II.102) µν . 4π 2 Hierbei fällt auf, dass aufgrund der notwendigen Lorentz-Struktur ein rechtsändiges bQuark-Feld auftaucht, weswegen ein zusätzlicher Faktor mb berücksichtigt werden muss, welcher den Chiralitäts-Flip des b-Quarks reflektiert (ein entsprechender Operator mit rechtshändigen s-Quark ist dann mit ms /mb 1 unterdrückt und wird üblicherweise vernachlässigt). Zusammen mit der Massendimension der 2 Fermionfelder und dem gluonischen Feldstärketensor ergibt sich dann wieder ein effektiver dim-6 Operator, mit der gleichen Dimension wie die 4-Quark-Operatoren. Der CKM-Faktor für die Pinguin-Operatoren ergibt sich aus folgender Überlegung. Das Schleifenintegral mit q = u, c, t-Quarks in den Pinguin-Diagrammen ist eine Funktion I(xq = mq /mW ). Die Summe über die 3 Beiträge ergibt mit mu,c ≡ 0 in der MatchingRechnung, wobei wir λu + λc + λt = 0 aus der Unitarität der CKM-Matrix benutzt haben. in • Der gesuchte CKM-Faktor ist also λt . eli m • Die Wilson-Koeffizienten, die durch die Integrale I(xt ) − I(0) definiert werden, sind direkt sensitiv auf die Top-Quark–Masse (oder, im Falle von neuer Physik im elektroschwachen Sektor, auf Massen von hypothetischen neuen Teilchen). Insbesondere, konnte man durch das Studium von solchen Top-Quark-induzierten hadronischen Übergängen bereits Abschätzungen von mt vor dessen direkter Entdeckung am Tevatron gewinnen. Zusammengefasst ergibt sich dann für den relevanten effektiven Hamiltonian als Summe über alle beitragenden Operatoren mit dim-6 der Ausdruck pr 2 4GF X (u) (c) Heff (b → sq q̄, b → sg) = √ Ci (µ) λu Oi + λc Oi 2 i=1 6 X 4GF − √ λt Ci (µ, xt ) Oi + C8 (µ, xt ) O8g 2 i=3 ! . (II.104) – Unter Renormierung können die Operatoren wieder mischen, und die Lösung der RGGleichung beinhaltet eine entsprechend große Matrix von anomalen Dimensionen. II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD Als weiteres wichtiges Anwendungsgebiet der störungstheoretischen Behandlung von kurzreichweitiger QCD-Dynamik in Hochenergieprozessen betrachten wir die sog. tief- 99 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) y – inelastische Streuung von hochenergetischen Elektronen an Protonen, wobei ein beliebiger (d.h. “inklusiver”) hadronischer Endzustand |Xi 6= |pi erzeugt wird. Wir beschränken uns zunächst auf Streuung durch Austausch eines virtuellen Photons (der Zugang ist direkt verallgemeinerbar auf den Austausch elektroschwacher Eichbosonen, der bei Energien & mW,Z relevant wird). Für die Beschreibung der Kinematik ist folgende Notation üblich: kµ bzw. k 0µ , mit k 2 = k 02 ' 0 , ar Elektron: Photon: q µ = k µ − k 0µ , Proton: pµ , mit mit Q2 = −q 2 > 0 , p2 = m2 Q2 . (II.105) in Weiterhin definieren wir die Abkürzungen ν ≡ p · q → m (E − E 0 ) , , (Energieübertrag im Ruhesystem des Protons) eli m x≡ Q2 y≡ 2p · q “Bjorken-Variable” Bjorken limit: Q2 , p · q → ∞ , x = const. E0 p·q →1− . p·k E (II.106) Mit dieser Notation können wir allgemein die Streuamplitude angeben: pr iM(ep → eX) = −ie ū(k 0 )γ α u(k) · −i ie hX|jα |pi q2 (II.107) – mit dem hadronischen Anteil des elektromagnetischen Stroms, jα = X eq q̄γα q . (II.108) q Daraus erhalten wir wie üblich den differentiellen Wirkungsquerschnitt (Amplitudenquadrat gemittelt über die Spineinstellungen, Flussfaktor, Phasenraum) dσ = 100 1 2 0 α β 4πe2 g0 e tr k/ γ k/γ Wαβ (p, q) dk 4s Q4 (II.109) II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD wobei wir die hadronischen Anteile in den sog. “hadronischen Tensor” Wαβ ≡ Z 1 X (2π)4 δ (4) (p + q − pX ) hp|jβ† |XihX|jα |pi 4π (II.110) definiert haben, welcher die Phasenraumintegration für die (beliebigen) Endzustände |Xi enthält, und bei dem im hadronischen Matrixelement implizit über die Spineinstellungen des Protons zu mitteln ist. Den Flussfaktor s = (p + k)2 = Q2 /xy und die Spur für den leptonischen Tensor, Lαβ = e2 tr k/0 γ α k/γ β = 4e2 k α k 0β + k β k 0α − k · k 0 g αβ , (II.111) – ar y können wir explizit ausrechnen. Die Form des hadronischen Tensors, welcher die zunächst unbekannte Information über die Hadronisierung der “Bruchteile” des Protons zum Endzustand enthält, kónnen wir analog zu z.B. den elektromagnetischen Formfaktoren wieder durch Symmetriebetrachtungen einschränken (Lorentz-Invarianz, Symmetrie bzg. α ↔ β, Stromerhaltung qα W αβ = 0, Paritätserhaltung in der QED). Daraus ergibt sich folgende Zerlegung,14 qα qβ Wαβ (p, q) = −gαβ + 2 F1 (x, Q2 ) q p·q p·q 1 + pα − 2 qα pβ − 2 qβ F2 (x, Q2 ) . q q p·q in (II.112) eli m Sämtliche hadronische Information steckt somit in 2 unabhängigen “Proton-Strukturfunktionen” F1,2 (x, Q2 ) , die wir als Verallgemeinerung des Konzepts von Formfaktoren auffassen können, wobei allerdings jetzt • F1,2 von zwei kinematischen Variablen, x, Q2 , abhängen. pr • Die Strukturfunktionen nun den Streuquerschnitt (Wahrscheinlichkeit) parametrisieren, und nicht die Streuamplitude (Wahrscheinlichkeitsamplitude) wie im Falle der Formfaktoren. Mit diesen Konventionen lässt sich das allgemeine Resultat für den differentiellen Streuquerschnitt als Funktion von x, Q2 relativ einfach notieren, dσ 1−y 4πα2 2 = 1 + (1 − y) F + (F − xF ) , 1 2 1 dx dQ2 Q4 x (II.113) – wobei der letzte Term in eckigen Klammern gerade dem longitudinalen Anteil des PhotonPropagators entspricht (siehe Übung). Aus der experimentellen Messung von dσ (z.B. am SLAC (Stanford) oder bei HERA@DESY (Hamburg)) lassen sich somit die Strukturfunktionen als Observable ausmessen. 14 Im Falle der schwachen WW ergibt sich eine weitere Struktur, siehe Übung. 101 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) II.6.1 Partonbild Wαβ (p, q) ' XZ 1 q 0 dξ fq (ξ) – Für die theoretische Interpretation können wir die Tatsache benutzen, dass das Elektron für große Streuenergien ein Lorentz-kontrahiertes Proton “sieht” und somit quasi einen “Schnappschuss” der Quarkverteilung im Proton. Während der kurzen Wechselwirkungszeit des Elektrons mit dem Proton erwarten wir deshalb, dass wir den Streuprozess durch elementare Photon-Wechselwirkungen mit einem der asymptotisch quasifreien Quarks (allg. → “Partonen”) approximieren können, wobei die Wahrscheinlichkeit, ein Quark mit einem bestimmten Impuls(bruchteil) im Proton zu finden, zunächst unbekannt ist. Wir schreiben deshalb in erster Näherung 1 part. W (ξp, q) , ξ αβ (II.114) 1 = 4π Z f0 (2π)4 δ (4) (ξp + q − p0 ) e2 dp q i 1 Xh 0 β ū(p )γ u(ξp) ū(ξp)γ α u(p0 ) 2Nc (II.115) eli m part Wαβ in ar y wobei fq (ξ) dξ die Wahrscheinlichkeit bezeichnet, ein Quark mit (longitudinalem) Impulsbruchteil ξ im Proton zu finden, mit 0 ≤ ξ ≤ 1. Der Faktor 1/ξ berücksichtigt den Unterschied des Flussfaktors für ep und eq-Streuung, wegen ŝ = (ξp + k)2 ' ξ s. Den verbleibenden partonischen Tensor für eq-Streuung können wir versuchen, perturbativ zu berechnen. Das führende Diagramm für Elektron-Quark-Streuung (mit einlaufendem Quarkimpuls ξp und auslaufendem Impuls p0 = ξp + q, sowie dem Ladungsanteil eq ) ergibt dann f0 für das auslaufende Quark, ergibt Betrachten wir die On-shell–Bedingung δ(p02 ) in dp sich insbesondere, dass δ(p2 ) = δ((ξp + q)2 ) = δ(2ξ p · q − Q2 ) = 1 δ(ξ − x) , 2p · q (II.116) – pr d.h. in führender Ordnung der Störungstheorie entspricht der Impulsanteil ξ des Quarks im (theoretischen) Partonbild gerade der (experimentellen) kinematischen Variablen x ! Die restlichen Faktoren lassen sich explizit zusammen fassen, und wir erhalten als Näherung für den differentiellen Wirkungsquerschnitt dσ 4πα2 X 2 1 2 1 + (1 − y) . ' e f (ξ = x) q dx dQ2 Q4 q q 2 (II.117) Vergleich mit der allgemeinen Formel liefert dann die Näherung für die Strukturfunktionen im Partonbild F2 (x, Q2 ) ' 2xF1 (x, Q2 ) ' X q 102 e2q x fq (x) . (II.118) II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD Diskussion: • Die Strukturfunktionen sind (approx.) unabhängig von Q2 . Dies rührt zum einen daher, dass wir m2 /Q2 → 0 approximiert haben, zum anderen, dass wir die Streuung an punktförmigen, strukturlosen freien Quarks betrachtet haben. Somit steht (klassisch) keine Referenzskala für die dimensionslosen Strukturfunktionen zur Verfügung. Diesen Sachverhalt bezeichnet man als “Bjorken-Scaling” – • F1 und F2 sind (approximativ) linear abhängig “Callan-Gross–Relation” y Die Relation besagt gerade, dass die longitudinalen Photon-Polarisationen in eqStreuung nicht beitragen, was eine Konsequenz der Streuung an masselosen Spin1/2 Fermionen ist. Die experimentelle Überprüfung der Callan-Gross-Relation liefert also einen Hinweis auf den Spin von Quarks im Proton. ar • Die Strukturfunktion F2 (x) liefert ein direktes Maß für die Impulsverteilung x fq (x) der Quarks im Proton. F1,2 (x) → F1,2 (x, αs (Q2 )) in • Die Näherung für F1,2 (x) ist experimentell über viele Größenordnungen von Q2 im Rahmen der erwarteten Genauigkeit erfüllt. Abweichungen werden allerdings beobachtet. In der perturbative QCD erwarten wir Abweichungen, die wieder über das logarithmische Laufen der starken Kopplung αs (Q2 ) ins Spiel kommen, eli m • Ein detailliertes Bild der einzelnen Quarkflavours im Proton kann über Kombination mit Daten für tief-inelastische Streuung mit W/Z-Bosonen, an Neutronen (in Kernen) oder mit polarisierten Teilchen gewonnen werden. Die Ergebnisse numerischer Fits an die Daten findet man u.a. unter http://durpdg.dur.ac.uk/HEPDATA/PDF pr Man beachte, dass in der relativistischen Beschreibung des Protons die Teilchenzahl nicht erhalten ist. Somit können die (hier zunächst heuristisch eingeführten) Partonverteilungsfunktionen (“parton distribution functions”, PDFs) im Rahmen der QCD unabhängig für Quarks, Antiquarks (für jeweils verschiedene Flavours, q = u, d, s, . . .) und auch Gluonen im Proton definiert werden. Diese erfüllen jedoch gewisse “Summenregeln”, welche z.T. das naive (nicht-relativistische) Konstituentenbild des Protons widerspiegeln. – • Die (Gesamt)-Ladung des Protons ist Eins. Deshalb gilt Z dξ X i=q,q 0 ei fi (ξ) = Z dξ X q eq (fq (ξ) − fq̄ (ξ)) = 1 | {z (II.119) } wobei wir die Kombination von (fq (ξ) − fq̄ (ξ)) als “Valenzquarkverteilung” bezeichnen. 103 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) • Die Integrale über die Valenzverteilungen der einzelnen Flavours ergeben gerade die Zahl der Valenzquarks im naiven Konstituentenmodell, Z dξ (fq (ξ) − fq̄ (ξ)) = 2 für q = u 1 für q = d für q = s, c, . . . 0 (II.120) und deren Summe ergibt entsprechend 3 (entspricht der Erhaltung der Baryonzahl). 1= Z dξ ξ – • Den (normierten) Gesamtimpuls des Protons erhalten wir aus X fi (ξ) + fg (ξ) (II.121) i=q,q̄ ar y Vergleich mit dem Experiment zeigt, dass tatsächlich ca. 50% des Protonimpuls in tief-inelastischen Streuprozessen von Gluonen beigetragen werden ! II.6.2 Operatordefinition der Partonverteilungsfunktionen Z 4 i(q+p−pX )·z d ze Z X hp|jβ† (0)|XihX|jα (0)|pi spin−avg. X eli m 1 Wαβ (p, q) = 4π in Für die formale Diskussion der PDFs benötigen wir eine Operatordefinition, die wir im Folgenden aus der Definition des hadronischen Tensors ableiten werden, indem wir die physikalischen Approximationen, die zum Partonbild geführt hatten, in feldtheoretische Aussagen übersetzen. Ausgangspunkt ist die Definition (II.122) wobei wir die δ-Funktion für die Impulserhaltung als Fourierintegral dargestellt haben. Durch Ausnutzen der Translationsinvarianz der hadronischen Matrixelemente können wir die Wirkung von ei(p−pX ) z als Translation in z für z.B. das ersten Matrixelement interpretieren, und somit 1 Wαβ (p, q) = 4π Z 4 i q·z d ze Z X hp|jβ† (z)|XihX|jα (0)|pi X spin−avg. (II.123) – pr Wenn wir jetzt berüchsichtigen, dass |X > ja einem vollständigen Satz von (möglichen) Endzuständen darstellt, ergibt sich eine Form, die ähnlich aussieht, wie wir es bereits bei der Diskussion für die OPE mittels des optischen Theorems für das R-ratio gesehen hatten, 1 Wαβ (p, q) = 4π Z d4 z ei q·z hp|jβ† (z)jα (0)|pi spin−avg. (II.124) Die Streuung am Quark im Partonbild, entspricht dann gerade dem Imaginärteil von folgendem sogenannten “Handbag”-Diagramm15 15 Um das optische Theorem zu erfüllen, müssten wir formal das zeitgeordnete Produkt der beiden Ströme betrachten. Da wir uns an dieser Stelle aber sowieso auf eine Zeitordnung für Quarkpropagation von 0 nach z beschränken, macht das keinen Unterschied. 104 II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD p2 = 0 , pµ = p (1, 0, 0, 1) , 1 nµ ≡ (1, 0, 0, −1) , 2p n2 = 0 , (II.125) y so dass – Für p die Berechnung des Diagramms vernachlässigen wir wieder die Protonmasse gegenüber Q2 und führen sog. Lichtkegelvektoren ein gemäß ar n · p = 1. Wir betrachten dann ein Bezugsystem, in dem n · q ≡ 0, so dass wir den Impulsübertrag schreiben können als 2 q 2 = q⊥ <0 in µ , q µ ≡ p · q nµ + q⊥ mit eli m a⊥ · n = a⊥ · p = 0 , (II.126) (II.127) so dass a⊥ einen 2-dimensionalen, raumartigen Vektor beschreibt. Die Streuung am freien Quark entspricht dann gerade der folgenden Faktorisierung des hadronischen Tensors Wαβ , W αβ 1 → 4π Z d4 z ei q·z (II.128) h0|q(z)al q̄kb (0)|0i . {z | pr e2q hp|q̄(z)ai q(0)bj |pispin q α β γkj γil × X } Der letzte Term repräsentiert gerade den Imaginärteil des Quarkpropagators im HandbagDiagramm, mit dem bekannten Ergebnis h0|q(z)al q̄kb (0)|0i = Z 0 0 f0 e−ip ·z δ ab (p dp / )lk . (II.129) – Für die weitere Diskussion ist es nützlich, auch den anderen Faktor als Fourierintegral zu schreiben, hp|q̄(z)ai q(0)bj |pispin ≡ Z d4 k ikz ab e Bji (p, k) (2π)4 (für jedes Quark q) (II.130) 105 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Damit können wir die z-Integration explizit ausführen und erhalten W αβ 1 (p, q) = 4π i X d4 k h α β 2 aa / γ ( k + q )γ (2π) δ((q + k) ) e2q Bji (p, k) . / ij (2π)4 q Z (II.131) Wir können auf den Beitrag zur Strukturfunktion F2 projizieren, indem wir F2 (x, Q2 ) = (p · q) nµ nν W µν (p, q) (II.132) – benutzen (siehe Übung). Weiterhin zerlegen wir den Fourierimpuls k µ in Lichtkegelkomponenten, 2| k 2 + |k⊥ µ k µ ≡ ξ pµ + nµ + k⊥ 2ξ ar y Hierbei ist der erste Term groß, weil |pµ | groß und ξ endlich. Die beiden anderen Terme sind klein, so lange die transversalen Impulskomponenten sowie die Virtualität k 2 beschränkt sind, was durch die Funktionen B(p, k) gewährleistet sein muss (und unserem Bild von kollinearen Partonen im schnellen Proton entspricht). Somit können wir das Argument der on-shell δ-Funktion wieder approximieren, 1 δ(ξ − x) 2p · q mit ξ = n · k (II.133) in δ((q + k)2 ) ≈ δ(2ξ p · q − Q2 ) = Damit vereinfacht sich auch der Ausdrück für die Strukturfunktion weiter, 2 = X e2q 1 4 Z 1 4 Z h i d4 k aa / δ(n · k − x) n ( k + q ) n Bji (p, k) / / / ij (2π)4 eli m F2 (x, Q ) = X q e2q q d4 k δ(n · k − x)2 n · k tr [/ n B aa (p, k)] (2π)4 ! X 2 eq x fq (x) = (II.134) q – pr Durch Vergleich finden wir so den gewünschten Zusammenhang zwischen der Partonverteilungsfunktion und dem Operatormatrixelement B(p, k), 1 d4 k fq (x) = δ(x − n · k) tr[/ n B aa (p, k)] 2 (2π)4 Z 1 d4 k 4 −ikz = d ze δ(x − n · k) hp|q̄(z) n / q(0)|pispin 2 (2π)4 Z dλ −iλx e hp|q̄(z) n = / q(0)|pispin , 4π Z (II.135) dλ −iλ(x−nk) wobei wir im letzten Schritt δ(x − nk) = 2π e verwendet haben und die dann verbleibenden trivialen Integrationen explizit ausgeführt haben. Interpretation: R 106 II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD • fq (x) ergibt sich also als Fourier-Transformierte des Protonmatrixelements eines nicht-lokalen Operators. Genauer gesagt sind die beiden Quarkfelder entlang des Lichtkegels separiert, der durch unseren Lichtkegelvektor nµ definiert wird. Wir können dies als eine Erweiterung des OPE-Konzepts ansehen, wobei wir jetzt also das Produkt der elektromagnetischen Ströme auf dem Lichtkegel entwickeln, j † (z)j(0) −→ Oi (λn) (Lichtkegel-OPE) – Begründung für die Anwendbarkeit der Lichtkegel-OPE war dabei, dass die transversalen Impulse und die Virtualitäten der Partonen im Proton klein gegenüber Q2 sind, die Impulskomponente n · k = ξ aber von der Ordnung 1 ist. fq (ξ) → f (ξ, µ2 ) y • Wie im Fall der lokalen OPE erwarten wir wieder, dass die nicht-triviale Renormierung der Lichtkegel-Operatoren eine Skalen-Abhängigkeit induziert, so dass mit µ2 ∼ Q2 ar Für hinreichend große Werte von Q2 sollte die Skalenabhängigkeit perturbativ berechenbar sein. in • Abgesehen davon sind die so definierten Partonverteilungsfunktionen universelle hadronische Funktionen, die die Struktur des Protons (in einem gegebenen Renormierungsschema) charakterisieren. eli m Wir können insbesondere die Wahrscheinlichkeitsinterpretation der so definierten Funktion fq (ξ) nachprüfen. Es gilt mit der Def. von nµ q̄(λn) n / q(0) = i i 1 h 1 h 0 3 0 q̄(λn)γ q(0) + q̄(λn)γ q(0) = q̄(λn)γ q(0) , 2p0 p0 (II.136) wobei aufgrund der Dirac-Gleichung, 0 = p / q = p0 (γ 0 − γ 3 ) q, so dass die Ausdrücke mit 0 3 γ und γ gleich beitragen. Damit erhalten wir dξ fq (ξ) = 1 1 1 hp|q̄(0)γ0 q(0)|pi = 0 hp|q̄ † (0)q(0)|pi 2 p0 2p √ (II.137) pr Z welches gerade den Anzahloperator für (freie) Quarks enthält, sowie die korrekte relativistische Normierung des Protonmatrixelements mit 1/2p0 . II.6.3 Strahlungskorrekturen zum Partonbild – In der Herleitung des Partonbilds für die tief-inelastische Streuung hatten wir implizit eine Faktorisierung der Dynamik in einen partonischen Subprozess (“harte Streuung” des Partons am Elektron, eq → eq) und eine (nicht-perturbative) Partonverteilung im Proton (“weiche” Dynamik) angenommen. Wenn wir den WQ als Imaginärteil der Vorwärtsstreuamplitude betrachten, entspricht das gerade dem oberen bzw. unteren Teil des Handbag-Diagramms, 107 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) ↑ harte (partonische) Streuung ↓ (nicht-perturbative) verteilungsfunktion Parton- in ar y – Wenn wir jetzt zusätzliche (reelle und virtuelle) Gluonabstrahlung berücksichtigen, stellt sich offensichtlich wieder die Frage, ob wir die dadurch beschriebenen Quantenfluktuationen dem partonischen Streuprozess oder den Partonverteilungen zuordnen. Qualtitative Diskussion: Betrachten wir z.B. das folgende Diagramm für reelle Gluonabstrahlung vom einlaufenden Quark, pr eli m Dies kann zum Einen als Teil des partonischen Subprozess eq → eq+g aufgefasst werden, siehe Fall (a) in nachfolgender Abbildung (in der Abb. entspricht x → ξ und xB → x). Andererseits kann es als Modifikation der ursprünglichen Quarkverteilung aufgefasst werden (Fall (b)). – Offensichtlich brauchen wir als Kriterium wieder eine Referenzskala, die festlegt, ob die Virtualität der intermediären Propagatoren (hier l2 = (ξp − p2 )2 ) als groß (hart) oder klein (weich) aufgefasst werden soll. • Für (ξp − p2 )2 > µ2 absorbieren wir die Korrektur dann in Koeffizientenfunktionen für die harte Streuung. Da das zusätzliche reelle Gluon einen positiven Impulsbruchteil trägt, gilt für diese Beiträge nicht mehr ξ = x, sondern vielmehr die Ungleichung 0 ≤ x ≤ ξ ≤ 1. 108 II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD • Für (ξp − p2 )2 < µ2 berücksichtigen wir die Korrektur durch die Renormierung der Operatormatrixelemente auf dem Lichtkegel hp|q̄(λn)/ nq(0)|pi. Für die Struktur der korrigierten Faktorisierungsformel, die den Zusammenhang zwischen der Strukturfunktion und den Partonverteilungsfunktionen (für ein gegebenes Quark mit Flavour q) beschreibt, erwarten wir deshalb die folgende Form. Ausgehend von der LO-Formel (naives Partonbild) F2 (x, Q ) = x e2q fq(0) (x) = x e2q Z 1 dξ = x e2q Z 1 0 dξ δ(ξ − x) fq(0) (ξ) x fq (ξ) , δ 1− ξ ξ 0 (II.138) – LO: 2 LO erhalten wir zur Ordnung αs = + ( αs 2π Z 1 dξ x ξ Z αs 1 dξ 2π x δC x Q2 , ξ µ2 (1) ! y F2 (x, Q ) x e2q fq(0) (ξ) x µ δ 1− δfq(1) ξ, ξ ξ ΛQCD !) ar NLO: 2 LO (II.139) eli m in Bei der perturbativen Berechnung der Korrektur zu den Koeffizientenfunktionen δC (1) (für die angenommene Lichtkegelkinematik) sollten wieder IR-Divergenzen auftreten, die gerade mit den UV-Divergenzen bei der Renormierung des Lichtkegeloperators (aus der Korrektur zur PDF, δfq ) korrespondieren, so dass die induzierte µ-Abhängigkeit in der Summe der beiden Beiträge herausfällt. Wenn wir das allgemein zusammenfassen, lautet die verbesserte Faktorisierungsformel also 2 F2 (x, Q ) = x X e2q q Z 1 dξ x ξ C x Q2 , ξ µ2 ! fq ξ, µ ΛQCD ! + ... (II.140) Hierbei ist zu betonen, dass pr • die Strukturfunktion nicht von µ abhängt; • die Koeffizientenfunktionen nur von den dimensionslosen Verhältnissen x/ξ und Q2 /µ2 (und implizit von αs (µ)) abhängen; • die Partonverteilungsfunktionen nicht von Q2 (aber implizit von ΛQCD ) abhängen. – Man beachte, dass in führender Ordnung C x Q2 , ξ µ2 ! = δ(1 − x/ξ) + O(αs ) (II.141) bereits eine mathematische Distribution darstellt. Wir erwarten deshalb auch für die Korrekturterme mathematische Distributionen in der Variablen z = x/ξ. 109 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Wir erwarten weiterhin, dass die Störungsreihe für die Koeffizientenfunktionen mit der 2 ). Wie im Falle der Wahl µ ∼ Q gut konvergiert (keine großen Logarithmen ln Q µ2 lokalen OPE erlaubt uns die Faktorisierungsformel somit wieder, eine RG-Gleichung 2 aufzustellen, die große Logarithmen der Form ln Q resummiert, so dass wir die theoQ2 0 retischen Vorhersagen für F2 (x, Q2 ) bei verschiedenen Impulsüberträgen vergleichen können. Damit sollten sich logarithmische Korrekturen zum Bjorken-Scaling ergeben, die störungstheoretisch berechenbar sind. – II.6.3.1 Explizite Berechnung der Korrekturen ! n µ Aµ = 0 , y Zur Berechnung der gluonischen Korrekturen ist es günstig, ein ganz bestimmte physikalische Eichung für die Gluonfelder zu wählen. Wir definieren eine axiale Eichung bzgl. des Lichtkegelvektors nµ , so dass (II.142) X ar und die Polarisationssumme im Gluonpropagator lautet dann entsprechend ∗µ (k, λ)ν (k, λ) = −gµν + λ kµ nν + kν nµ . n·k (II.143) eli m in Die spezielle Rolle dieser Eichung wird klar, wenn wir uns noch einmal den Operator betrachten, der die Quark-PDF in LO definiert: Da der Ausdruck q̄(λn)/ nq(0) nicht-lokal ist, ist er auch nicht eichinvariant unter lokalen Phasentransformationen der Quarkfelder in der SU (3)C . Eine eichinvariante Definition erhält man, wenn man (siehe Übung) eine Wilsonlinie UP einfügt, die die Punkte (λ, n) und 0 verbindet, q̄(λn)/ nq(0) −→ q̄(λn)/ n W (λn, 0) q(0) " mit W (nλ, 0) = P exp igs Z λ 0 # ds n · A(sn) , (II.144) – pr wobei P die Farbmatrizen A(sn) = AA (s, n)T A im Integranden entlang des Pfades ds ordnet (“Pfadordnung” analog zur Zeitordnung im Zeitentwicklungsoperator). In der obigen Eichung ergibt die Wilsonlinie gerade Eins, und die Interpretation (sowie die Rechnung) der gluonischen Korrekturen wird relativ einfach. Die Diagramme zur Ordnung αs lassen sich in 4 Klassen einteilen. Dafür betrachten wir die Korrekturen zur Vorwärtstreuamplitude ep → ep: (1) Reelle Gluonabstrahlung vom einlaufenden Quark. Imaginärteil entspricht Beitrag zu eq → eq + g. (2) Vertexkorrektur am Quark-Photon-Vertex. Imaginärteil entspricht zwei verschiedenen Möglichkeiten, das Diagramm in reelle Zwischenzustände zu “schneiden”: (a) Beitrag zu eq → eq + g von der Interferenz der Gluonabstrahlung vom Quark im Anfangs- bzw. Endzustand; (b) virtuelle Korrektur zu eq → eq. 110 II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD (3) Selbstenergiekorrektur zur internen Quarklinie. Hier gibt es drei Möglichkeiten, das Diagramm zu schneiden: (a) Beitrag zu eq → eq + g von Gluonabstrahlung im Endzustand; (b,c) virtuelle Selbstenergiekorrektur zum Quark im Endzustand. (4) Selbstenergiekorrektur zum Quark im Anfangszustand. Wir beginnen mit dem Diagramm (1) und betrachten den Beitrag zur Strukturfunktion F2 = p · q nµ nν Wµν i γ ρ T A u(ξp) · ρ (k, λ) , ξp / − k/ (II.145) y igs eq ū(q + ξp − k)γ µ – Aus den elementaren Feynman-Regeln für das oben bereits skizzierte Diagramm für die Gluonabstrahlung vom einlaufenden Quark erhalten wir für die partonische Amplitude |M |2 1 1 2 2 e g tr[T A T A ] = 2NC q s (ξp − k)2 µν h ar wobei wir den Impuls des Gluons k µ und den dazugehörigen Polarisationsvektor ρ (k, λ) eingeführt haben. Quadrieren der Amplitude und Mittelung/Summation über die Spinund Farbfreiheitsgrade ergibt 2 kρ nσ + kσ nρ −gρσ + n·k i in µ ρ σ × tr γ ν (/q + ξ p / − k)γ (ξ p / − k/)γ ξ p / γ (ξ p / − k/) . (II.146) Wir zerlegen den Gluonimpuls wieder in Lichtkegelkoordinaten und schreiben 2| |k⊥ µ nµ + k⊥ 0 2ξ(1 − ξ ) eli m k µ ≡ ξ(1 − ξ 0 ) pµ + 2 < 0, k 2 = 0 und 0 ≤ ξ 0 ≤ 1. mit k⊥ (II.147) Entsprechend gilt dann für den Quarkimpuls nach der Gluonabstrahlung (ξp − k)µ ≡ ξξ 0 pµ − 2| |k⊥ µ nµ − k⊥ . 2ξ(1 − ξ 0 ) (II.148) pr Nach Ausführen der Spuren nimmt die für F2 relevante Projektion dann eine relative einfache Form an, nµ nν |M |2 µν = e2q gs2 CF 8ξ 0 (1 + ξ 02 ) 2 ξ . |k⊥ |2 (II.149) – Wir sehen an dieser Stelle schon, dass der Ausdruck für kleine Transversalimpulse des 2 → 0, divergiert, was unserer Erwartung gemäß der obigen allgemeinen Gluons, k⊥ Diskussion entspricht. Für die Berechnung des partonischen Wirkungsquerschnitts benötigen wir weiterhin den Phasenraum für den q + g Endzustand, f0 dk f (2π)4 δ (4) (ξp + q − k − p0 ) = dk f 2π θ(k 0 − ξp0 − q 0 ) δ((q + ξp − k)2 ) . dp (II.150) 111 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Das Integrationsmaß für den Gluonimpuls schreiben wir auf die Lichtkegelkomponenten ξ 0 und k⊥ um, f= 2π dk dξ 0 1 |k⊥ |d|k⊥ | dθ 8π 2 1 − ξ 0 (II.151) Das Argument der delta-Funktion für die Impulserhaltung ergibt zunächst einen relativ komplizierten Ausdruck, (q + ξp − k)2 = −Q2 + 2ξ p · q − 2 k · q − 2ξ p · k ξξ 0 x 2| |k⊥ 1 − ξ0 + 2 |k⊥ |Q cos θ − – = −Q2 1 − 2| 2|k⊥ | cos θ x |k⊥ − =Q ξ − 1+ 0 2 x ξ (1 − ξ )Q Q 2ξ !! . (II.152) y 0 d|k⊥ |2 dξ 0 dθ 8ξ 0 (1 + ξ 02 ) 32π 2 32π 2 0 !! 2| x |k⊥ 2|k⊥ | cos θ × δ ξ0 − 1+ − . ξ (1 − ξ 0 )Q2 Q = e2q αs CF Z 1 Z dξ fq(0) (ξ) in F2diag1 (x, Q2 ) ar Wenn wir die Terme zusammenfassen und entsprechend der LO-Rechnung wieder den partonischen Flussfaktor mit 1/ξ korrigieren, erhalten wir somit einen Beitrag zur Strukturfunktion F2 , (II.153) eli m Gemäß unserer allgemeinen Diskussion sollten wir das k⊥ -Integral in 2 Regionen unterteilen: (1) • |k⊥ |2 < µ2F −→ Beitrag zu fq , • |k⊥ |2 > µ2F −→ Beitrag zu δC (1) . pr 2 | ≤ µ2 und wählen µ Q2 . Dann Konzentrieren wir uns zunächst auf den Bereich |k⊥ F F vereinfacht sich das Argument der δ-Funktion, x δ(. . .) → δ ξ − ξ 0 , und wir erhalten – F2diag1 (x, Q2 ) |k⊥ |2 ≤µ2F = e2q α s CF 2π Z 1 0 dξ fq(0) (ξ) Z 1 0 dξ 0 δ ξ 0 − x ξ Z µ2 2 F d|k⊥ | ξ 0 (1 + ξ 02 ) 1 − ξ0 , |k⊥ |2 (II.154) (1) welches abzubilden ist auf den fq -Term in unserem allgemeinen Faktorisierungsansatz, so dass wir als perturbatives Resultat erhalten, fq(1,diag1) (x, µ2F ) 112 = fq(0) (x) αs CF + 2π Z 1 dξ x ξ fq(0) (ξ) F (x/ξ) Z µ2 2 F d|k⊥ | |k⊥ |2 , (II.155) II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD wobei wir eine Funktion F (z) ≡ CF 1 + z2 1−z (II.156) ar y – definiert haben, die die Abhängigkeit von z = x/ξ beschreibt. Hierbei ergibt sich der Zähler im Wesentlichen aus der Dirac-Spur (ist also typisch für QCD mit Spin-1/2Quarks und Vektorgluonen), und der Term 1 − z im Nenner kommt aus dem gluonischen Phasenraum (das vermeintlich divergente Verhalten bei z → 1 werden wir noch genauer untersuchen). Der gesamte Ausdruck ist proportional zu dem IR-divergenten Integral R µ2 d|k⊥ |2 F und somit sensitiv auf die durch ΛQCD charakterisierte nicht-perturbative |k⊥ |2 Dynamik im Proton. Aus diesem Grunde macht es also Sinn, diesen (nicht explizit berechenbaren) Beitrag in die Quark-PDF zu absorbieren. Um die Beiträge der an(1) deren Diagramme zu fq zu bestimmen, reicht es demnach aus, in den Diagrammen 2 ⊥| divergieren. Dies entspricht ger2-4 die Beiträge zu suchen, die ebenfalls wie d|k |k⊥ |2 ade den “kollinearen Divergenzen”, die wir bereits bei der Diskussion des SudakovFormfaktors in der QED kennengelernt hatten. • Betrachten wir dazu die Diagrammklasse (2) mit der Vertexkorrektur am Photonvertex. Die beiden k-abhängigen Quarkpropagatoren verhalten sich wie in 1 1 1 ∼ 2 2, 2 2 (ξp − k) (ξp − k + q) k⊥ Q eli m können also potentiell wieder eine kollineare Divergenz erzeugen, wenn k k p. Allerdings zeigt sich, dass die zu berechnende Dirac-Spur mit den Propagatorzählern ebenfalls für k⊥ → 0 verschwindet, denn in X h n(ξp − k/)/∗ ξ p tr n / (ξ p / + /q)/(/q + ξp − k/)/ / i (II.157) λ gilt für k k p, dass · p ∝ · k = 0, und damit ist ∗ (ξ p / − k/)/ ξ p / → 0. 2 pr ⊥| Damit liefern die Diagramme (2a,b) keine Beiträge der Form d|k , sondern höch|k⊥ |2 2 2 stens Terme, die für kleine k⊥ wie k⊥ /Q unterdrückt sind, oder die für große k⊥ zu δC (1) gehören (und explizit in der Störungstheorie berechnet werden können). • In der Diagrammklasse (3) ist die Situation noch einfacher, denn für kleine Werte von k⊥ verhalten sich die Propagatornenner selbst schon wie (1/Q2 )2 . – • Es bleibt das Diagramm (4) mit der Selbstenergiekorrektur in der einlaufenden Quarklinie. Hier erwarten wir in der Tat, dass sich eine “softe” IR-Divergenz ergibt, die zusammen mit der reellen Gluonabstrahlung aus Diagramm (1) ein endliches Resultat im Limes k µ → 0 ergibt. Da in diesen virtuellen Diagrammen der Impulsbruchteil des Quarks nicht geändert wird, muss der Beitrag proportional zu δ(1 − x/ξ) sein und gleichzeitig die Divergenz von Diagramm (1) im Limes ξ → x kompensieren. 113 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) (1) Das Nettoergebnis für fq fq(1) (x, µ2F ) hat dann die Form fq(0) (x) α s CF + 2π F (z) → (0) Pqq (z) = Z 1 dξ (0) fq(0) (ξ) Pqq (x/ξ) ξ x Z µ2 2 F d|k⊥ | |k⊥ |2 (II.158) , mit " = CF 1 + z2 + const. δ(1 − z) 1−z # (II.159) 2 F2 (x, Q ) = x X e2q ar y – Die Funktion Pqq (z) bezeichnen wir als (Quark-)Splitting-Funktion. Sie beinhaltet die (universelle) Information über die kollinearen Divergenzen in der Aufspaltung eines Quarks, q → qg. Die Konstante werden wir weiter unten mittels einer physikalischen Überlegung bestimmen. Die restlichen (nicht kollinear divergenten) Beiträge können explizit als Funktion von Q2 und µ2F berechnet werden. Aufgrund der willkürlichen Wahl von µF , muss das Ergebnis für F2 dann folgende Form haben αs + 2π fq(0) (x) q Z 1 dξ (0) n fq (x) x ξ Z µ2 2 F d|k⊥ | |k⊥ |2 in (0) Pqq (x/ξ) (0) Pqq (x/ξ) eli m + Λ2IR Z k2 ∝Q2 max d|k⊥ |2 µ2F |k⊥ |2 ! o + C̃(x/ξ) + O(αs2 ) (II.160) wobei der Koeffizient C̃(z) die endlichen Beiträge zusammenfasst, die nicht explizit von 2 Q2 /µ2F abhängen. Die obere Grenze kmax ergibt sich aus der expliziten Auswertung der Nullstellen der δ-Funktion unter Berücksichtigung von 0 ≤ ξ 0 ≤ 1 (vgl. Übung). Wir können die Rechnung auch wieder in dimensionaler Regularisierung durchführen. Dann wird die kollineare Divergenz im k⊥ -Integral entsprechend regularisiert, was der Ersetzung pr (0) Pqq (z) Z µ2 2 F d|k⊥ | Λ2IR – (0) →Pqq (z) µ2 F |k⊥ |2 Z k2 max + ! Z k2 max d|k |2 ⊥ µ2F |k⊥ |2 2 d|k⊥ |2 1 kmax (0) (0) = P (z) − + P (z) ln qq qq (|k⊥ |2 )1+ ˆ µ2F | {z } | {z (II.161) } (1) Im MS-Schema absorbieren wir den ersten (IR-divergenten) Term in die PDF fq . Der (−1/)-Term wird dann gerade kompensiert durch die 1/ UV-Divergenz, die aus der Renormierung des nicht-lokalen Operator herrührt. Den zweiten (endlichen) Term definieren wir dann als Beitrag zu C (1) im MS-Schema. In dieser Weise können wir also die Splitting-Funktion als Faktor vor dem 1/-Term, der der kollinearen Divergenz (1) entspricht, ablesen. Im Folgenden verstehen wir deshalb die Ausdrücke für fq und C (1) 114 II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD immer im MS-Schema (obwohl man manchmal in der Literatur auch andere Definitionen findet). Es bleibt noch die Aufgabe, die Konstante in Pqq (z) zu bestimmen. Dazu betrachten wir die Korrektur zur Valenzverteilung der Quarks, fval = fq − fq̄ . Aufgrund der Erhaltung der (Netto-)Quarkzahl, hatten wir bereits begründet, dass Z 1 0 dξ fval (ξ) = const (II.162) Z 1 dξ 0 Z 1 0 dξ ξ ξ0 – Da sich Quarks und Antiquarks gleich unter Splitting verhalten, folgt daraus, dass (0) (0) fval (ξ 0 ) Pqq (ξ/ξ 0 ) = 0 (II.163) 0= Z 1 0 dξ 0 ξ0 (0) fval (ξ 0 ) Z ξ0 (0) dξ Pqq (ξ/ξ 0 ) = 0 Z 1 0 ar y gelten muss. In obiger Gleichung können wir die Reihenfolge der Integration umstellen, indem wir die untere Grenze als θ(ξ 0 − ξ) berücksichtigen und die Variablensubstitution ξ → z = ξ/ξ 0 durchführen, (0) dξ 0 fval (ξ 0 ) Z 1 0 (0) dz Pqq (z) . | {z (II.164) } eli m in Da der erste Faktor verschwindet, muss das Integral über die Quark-Splittingfunktion also gerade Null werden. Hierbei müssen wir allerdings beachten, dass das Integral bei z → 1 nicht konvergiert, was gerade der soften Divergenz (Gluonenergie → 0) entspricht. Wir hatten schon argumentiert, dass wir die Splitting-Funktion als mathematische Distribution in z = x/ξ auffassen müssen. Dementsprechend ist der Ausdruck 1/(1 − z) für z → 1 zu modifizieren (im Sinne eines Grenzwerts, bzw. über das entsprechende Resultat nach Integration mit einer Testfunktion). Wir suchen also eine Distribution, die für z 6= 1 der normalen Funktion 1/(1 − z) entspricht und deren Integral über bei z = 1 reguläre Testfunktionen existiert. Die Lösung sind sogenannte “Plus-Distributionen”, die über Z 1 dz 0 1 f (z) ≡ [1 − z]+ Z 1 0 dz f (z) − f (1) 1−z (II.165) pr definiert sind. Offensichtlich existiert das Integral, und für Testfunktionen, die bei z = 1 verschwinden, ergibt sich das Integral über die “normale” Funktion. Mit dem Ansatz (0) Pqq (z) " := CF 1 + z2 + c δ(1 − z) [1 − z]+ # (II.166) – ergibt sich dann Z 1 0 (0) dz Pqq (z) = CF "Z 0 1 (1 + z 2 ) − 2 ! dz + c = CF (−3/2 + c) = 0 1−z # (II.167) so dass unser endgültiges Ergebnis für die Quark-Splittingfunktion 115 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) (0) (z) Pqq " = CF 3 1 + z2 + δ(1 − z) [1 − z]+ 2 # (II.168) αs = δ(1 − z) + 2π " +CF 2 ( (0) Pqq (z) ln Q2 µ2 ar (1) C2 (z, Q2 /µ2 ) y – lautet. In dimensionaler Regularisierung kann man die Plus-Distribution explizit als Grenzwert einer Schar von Funktionen für → 0− identifizieren, siehe Übung. Die Form der Splitting-Funktion ist universell und wird allgemein für die Faktorisierung von inkulsiven Prozessen mit hoch-energetischen (kollinearen) Quarks in der QCD benötigt. Die Berechnung der endlichen Beiträge zur Koeffizientenfunktion C (1) (z, Q2 /µ2F ) ist aufwendiger und beinhaltet Beiträge von sämtlichen 4 Diagrammklassen. Wir geben hier nur das Endergebnis für die Faktorisierung der Strukturfunktion F2 (x, Q2 ) an (im M S(1) Schema; wir schreiben C2 um den Koeffizienten von den entsprechend unabhängigen Koeffizienten für F1 (x, Q2 ) oder FL (x, Q2 ) zu kennzeichnen), ln(1 − z) 1−z − + z2 3 1 − (1 + z) ln(1 − z) 2 [1 − z]+ in 1+ − ln z + 3 + 2z − 1−z π2 9 + δ(1 − z) 3 2 ! #) (II.169) eli m (siehe z.B. [6]). Analog erhalten wir für die longitudinale Kombination von Strukturµ ν funktionen FL = F2 − 2xF1 = 4x2 pp·qp Wµν ein endliches Resultat zur Ordnung αs , was sich durch die Faktorisierungsformel 2 FL (x, Q ) = x X q e2q Z 1 dξ x ξ fq (ξ, µF ) CL x Q2 , ξ µ2F ! mit CL (z) ' α s CF 2z (II.170) 2π widerspiegelt. Die Callan-Gross–Relation erhält also berechenbare endliche αs -Korrekturen. II.6.3.2 Beiträge von Gluon-PDFs – pr Bisher waren wir bei der Berechnung von αs -Korrekturen von einer ursprünglichen Verteilung von Quarks (und Antiquarks) im Proton ausgegangen. Wenn wir allgemein Quantenkorrekturen zulassen, müssen wir aber auch Prozesse folgender Art berücksichti(0) gen, bei der als Ausgangspunkt eine Gluonverteilung fq (ξ) steht, das Gluon in ein q q̄Paar fluktuiert und das Elektron dann elektromagnetisch an einem der Quarks streut. (II.171) 116 II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD Dementsprechend lässt sich das Diagramm wieder in 2 Beiträge faktorisieren: • Wenn das gestreute Quark einen großen Transversalimpuls hat, betrachten wir das Diagramm als Beitrag zur harten Amplitude eg → qq, die wir durch eine (1)g (0) Koeffizientenfunktion C2 (x/ξ) beschreiben, die mit der Gluonverteilung fg (ξ) gefaltet wird. – • Wenn das gestreute Quark einen kleinen Transversalimpuls hat, betrachten wir das (0) (1) Diagramm als Beitrag der ursprünglichen Gluon PDF fg (ξ) zur Korrektur fq (ξ) des entsprechenden Quarks, welche wie vorher mit der LO Koeffizientenfunktion (0)q C2 (x/ξ) gefaltet wird. F2 (x, Q ) = x X e2q (Z 1 x q Z 1 dξ x ξ ! fg (ξ, µF ) C2g x Q2 , ξ µ2F !) (II.172) in + x Q2 , ξ µ2F dξ fq (ξ, µF ) C2q ξ ar 2 y Die entsprechend komplettierte Faktorisierungsformel (mit entsprechend angepasster Notation) für die Strukturfunktion F2 (x, Q2 ) lautet dann Hierbei definiert die kollineare Divergenz für das Gluon-Splitting g → q q̄ wieder gerade (1) den gluonischen Beitrag zu fq (ξ, µF ), so dass im MS-Schema eli m fq(1) (ξ, µF ) = fq(0) (ξ) αs 1 + − ˆ 2π + Z 1 0 n o dξ (0) 0 (0) 0 (0) 0 (0) 0 P (ξ/ξ ) f (ξ ) + P (ξ/ξ ) f (ξ ) qq q qg g 0 ξ ξ O(αs2 ) (II.173) pr Die Splitting-Funktion für Gluonen in Quarks (oder Antiquarks) lässt sich dabei wieder aus der kollinearen Divergenz des obigen Diagramms ablesen und ergibt sich zu (0) Pqg (z) = i 1h 2 z + (1 − z)2 2 (II.174) – (Die Symmetrie bzgl. z → (1 − z) spiegelt die Äquivalenz von Quarks und Antiquarks in g → q q̄ wider.) Für eine gegebene wechselwirkende Theorie können wir also offensichtlich ganz allgemein alle möglichen, sog. “Altarelli-Parisi”-Splittingfunktionen definieren und berechnen. Dabei beschreibt Pij (z) jeweils die Wahrscheinlichkeit, durch kollineares Splitting ein Parton i mit Impulsbruchteil z vom ursprünglichen Parton j zu generieren. Für die QCD erhalten wir dann neben den bereits diskutierten Splitting-Funktionen Pqq (z) und Pqg (z) auch noch 117 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) 11CA − 2nf 1−z z + + z(1 − z) + δ(1 − z) = 2CA [1 − z]+ z 6 1 + (1 − z)2 (0) Pgq (z) = CF z (0) Pgg (z) aus g → gg aus q → gq (II.175) y – Die Tatsache, dass die Splitting-Funktionen in Gluonen wie 1/z divergieren hat die phänomenologisch wichtige Konsequenz, dass die Gluon-PDFs bei kleinen Werten von ξ stärker als 1/ξ anwachsen (siehe Diskussion weiter unten). Man beachte, dass der zweite Term in Pgg gerade dem führenden Koeffizienten der QCD β-Funktion entspricht, und dass der Ausdruck für Pqg aus Pqq folgt, wenn man z → (1 − z) ersetzt und den Selbstenergiebeitrag proportinal zu δ(1 − z) weglässt. II.6.4 Skalenverletzung und DGLAP-Evolutionsgleichungen ar Auf der Basis der kompletten Faktorisierungsformel können wir nun die Verletzung des Bjorken-Scaling in der Strukturfunktion F2 (x, Q2 ) quantitativ beschreiben. Betrachten wir nämlich die (logarithmische) Q2 -Abhängigkeit von F2 , so erhalten wir =x in (Z 1 dξ X ∂ ∂ 2 2 Q F (x, Q ) = x e fq (ξ, µF ) Cq 2 q 2 2 ∂Q2 ξ ∂ ln Q ξ q 2 X e2q (Z ξ ! x Q2 , ξ µF ! dξ −∂ fq (ξ, µF ) Cq ξ ∂ ln µ2F 2 eli m q 1 x Q2 , ξ µF ) + gluonisch ) + gluonisch (II.176) Hierbei haben wir benutzt, dass die PDFs in der Faktorisierungsformel nur von µF (aber nicht von Q) abhängen und dass die Koeffizientenfunktionen nur vom dimensionslosen Verhältnis Q2 /µ2F abhängen können. Weiterhin erfüllt F2 (x, Q2 ) aber die RG-Gleichung, 0= ∂ F2 (x, Q2 ) ∂ ln µ2F pr =x X q e2q ( Z 1 dξ x ξ ∂ fq ∂ ln µ2F ! C2q + fq ∂ Cq ∂ ln µ2F ! ) + gluonisch (II.177) Durch Kombination der beiden Gleichung erhalten wir also (Z 1 dξ X ∂ 2 2 F (x, Q ) = x e Q 2 q ∂Q2 ξ ξ q – 2 ! ∂ fq (ξ, µF ) C2q ∂ ln µ2F x Q2 , ξ µF ! ) + gluonisch (II.178) so dass die Q2 -Abhängigkeit der Strukturfunktionen gerade durch die µ-Abhängigkeit der PDFs beschrieben wird. Letztere wiederum folgt aus den Splitting-Funktionen, die die kollinear divergenten Beiträge zu den Koeffizientenfunktionen beschreiben. 118 II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD II.6.4.1 DGLAP-Gleichungen Die Evolutionsgleichungen für die Partonverteilungsfunktionen (nach Dokshitzer, GribovLipatov, Altarelli-Parisi als DGLAP-Gleichungen benannt) folgen aus der Zerlegung der störungstheoretischen Entwicklung der Quark und Gluon-PDFs nach Absorption ∂fi der entsprechenden kollinearen Divergenzen. Bei der Berechnung von ∂ ln setzen wir µ2 F die Renormierungsskala für αs = αs (µR ) und die Faktorisierungsskala µF gleich und schreiben µ = µR = µF . Dann gilt = lim (−αs ) − →0 1 ˆ = αs (µ) , (II.179) – ∂αs (µ) 1 − 2 →0 ∂ ln µ ˆ lim so dass fq (ξ, µ) fg (ξ, µ) ! αs (µ) = 2π (0) Z 1 0 dξ ξ (0) Pqq (ξ/ξ 0 ) Pqg (ξ/ξ 0 ) P (0) (0) 0 0 q,q̄ Pgq (ξ/ξ ) Pgg (ξ/ξ ) ! fq (ξ 0 , µ) fg (ξ 0 , µ) ! y ∂ ∂ ln µ2 ξ0 ar + O(αs2 ) (II.180) in Hierbei ist zu beachten, dass der Beitrag zur Gluonverteilung die Summe über alle Quarks (und Antiquarks) enthält. Für die folgende Diskussion ist es günstig, die Quark und Antiquarkverteilungen in sog. Singulett– und Nicht-Singulett–(Valenz–)Beiträge zu unterteilen Nicht-Singulett: fqval = fq − fq̄ (oder auch fu − fd , fu + fd − 2fs etc.) eli m Singulett: fΣ = X (fq + fq̄ ) (II.181) (II.182) q In den Nicht-Singulett-Kombinationen kürzt sich der gluonische Beitrag gerade heraus, so dass sich die DGLAP-Gleichungen vereinfachen zu pr ∂ αs (µ) fqval (ξ, µ) ' 2 ∂ ln µ 2π Z 1 0 dξ ξ P (0) ξ 0 qq ξ ξ0 fqval (ξ 0 , µ) (II.183) Die Singulett-Kombination, welche den “See” von q q̄-Paaren beschreibt, mischt dagegen mit der Gluon-PDF gemäß fΣ (ξ, µ) fg (ξ, µ) ! αs (µ) ' 2π Z 1 0 dξ ξ ξ0 (0) (0) Pqq (ξ/ξ 0 ) 2nf Pqg (ξ/ξ 0 ) (0) (0) Pgq (ξ/ξ 0 ) Pgg (ξ/ξ 0 ) ! fΣ (ξ 0 , µ) fg (ξ 0 , µ) ! (II.184) – ∂ ∂ ln µ2 Bemerkungen: (0) • Die Pij in den DGLAP-Gleichungen sind unabhängig vom Ren.Schema. 119 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) • Die exakte Definition der PDFs fi (ξ, µ) ist aber Ren.Schemen-abhängig. • Die Splitting-Funktionen selbst erhalten (berechenbare) Korrekturen höherer Ord(0) (1) nung Pij (z) = Pij (z) + α2πs Pij (z) + . . . Für die phänomenologische Anwendung der DGLAP-Gleichungen, müssen wir also folgende Prozedur lösen: – 1. Finde einen (sinnvollen) Ansatz für die PDFs fi (ξ, µ0 ) bei einer Referenzskala µ0 (z.B. µ0 = 4 GeV) 2. Evolviere die PDFs zu µ ∼ Q2 . Damit werden große Logarithmen αsn lnn die PDFs resummiert (vergleiche Diskussion für Sudakov-Formfaktor). p Q2 µ20 in y 3. Einsetzen der so gewonnen PDFs in die Faktorisierungsformel für F2 (x, Q2 ). ar 4. Vergleich mit experimentellen Daten → Fit der Parameter im Ansatz (Schritt 1). in Dazu benötigen wir offensichtlich (numerische oder analytische) Lösungen der DGLAPGleichungen. II.6.4.2 Lösung der DGLAP-Gleichungen eli m Prinzipiell (und auch häufig in der Praxis) kann man die DGLAP-Gleichungen numerisch lösen. Analytische Aussagen lassen sich insbesondere durch die Betrachtung von sog. “Mellin-Momenten” der Partonverteilungen gewinnen. Dazu definieren wir z.B. Fval (N, µ) ≡ Z 1 0 dξ ξ N −1 fval (ξ, µ) (II.185) Für die so definierten Mellin-Momente folgt dann eine einfache RG-Gleichung gemäß – pr 1 dξ 0 ∂ αs 1 N −1 F (N, µ) = dξ ξ θ(ξ 0 − ξ) Pqq (ξ/ξ 0 ) fval (ξ 0 , µ) val 0 ∂ ln µ2 2π 0 0 ξ Z Z 1 αs 1 0 0 N −1 0 = dξ (ξ ) fval (ξ , µ) · dz z N −1 Pqq (z) 2π 0 0 Z Z | {z } Fval (N, µ) | · {z γqq (N ) } (II.186) D.h. im Mellin-Raum nimmt die DGL wieder die aus der lokalen OPE bekannte Form an, wobei sich die anomalen Dimensionen als Mellin-Momente der Splitting-Funktionen ergeben. Die Lösung in der Leading-Log-Approximation lautet dann einfach wieder, Fval (N, µ) = 120 αs (µ) αs (µ0 ) −γqq (N )/|β0 | Fval (N, µ0 ) . (II.187) II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD Wir können die Mellin-Transformation auch direkt auf die Struktur-Funktionen anwenden (was natürlich verlangt, dass wir diese bei gegebenem Q2 über den gesamten xBereich vermessen haben), F̃2 (N, Q2 ) ≡ = Z 1 0 Z 1 0 dx xN −1 F2 (x, Q2 ) dx xN X q e2q (Z 1 0 dξ θ(ξ − x) fq (ξ, µ) C2q ξ x Q2 , ξ µ2 ! ) + gluonisch – (II.188) 2 F̃2 (N, Q ) = X e2q Fq (N + 1, µ) q Z 1 0 dz z N ar y Mit den gleichen Umformungen wie vorher faktorisieren die Mellin-Momente der Strukturfunktion wieder in Mellin-Momente der PDFs und (berechenbare) Mellin-Momente der Koeffizientenfunktionen, C2q (z, Q2 /µ2 ) + gluonisch (II.189) eli m Beispiel: N = 1 in In der Praxis kann man so eine Handvoll Momente, für die die experimentellen Daten ausreichend genaue Messungen ergeben, an die entsprechenden Mellin-Momente der PDFs fitten. • Für die Valenzquarks ergibt sich γqq (N = 1) ≡ 0 , pr was wir ja bereits als physikalische Bedingung (Ladungserhaltung) bei der Bestimmung von Pqq (z) verwendet hatten. D.h. insbesondere, dass die Valenzverteilungen normierbar sind und somit bei ξ → 0 schwächer als 1/ξ divergieren. – • In den entsprechenden Momenten für die See-Quarks und die Gluonen ergibt sich, dass γgq (N = 1) und γgg (N = 1) divergieren, aufgrund der 1/z-Terme in den entsprechenden Splittingfunktionen (s.o.). Die entsprechenden PDFs wachsen deshalb bei kleinen Impulsanteilen ξ stark an. In der Praxis zeichnet man meistens das Produkt x fi (x). Qualitativ ergibt sich damit folgendes Verhalten: 121 y – II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Beispiel: N = 2 ar • Für die Valenzverteilung ergibt sich (siehe auch Übung) γqq (N = 2) = Z 1 0 4 (0) dz z Pqq (z) = − CF < 0 . 3 (II.190) in Das Vorzeichen von γqq (2) impliziert, dass Fval (N = 2, µ) < Fval (N = 2, µ0 < µ) , weil αs (µ)/αs (µ0 ) < 1. eli m D.h. dass die Valenzquarks im Mittel kleinere Impulsanteile ξ haben, wenn die Faktorisierungsskala größer wird, was intuitiv klar ist, denn dann steht mehr Energie für Seequarks und Gluonen zur Verfügung. – pr Somit erwarten wir folgendes Verhalten, wenn wir die Valenz-PDFs von Up- und Down-Quarks bei verschiedenen Werten von µ2 = Q2 vergleichen: 122 II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD d.h. die Verteilung verschiebt sich (leicht) zu kleineren Werten von x. • Für das gekoppelte System aus Seequarks und Gluonen sind die anomalen Dimensionen der Mellin-Momente für N ≥ 2 endlich, und speziell für N = 2 lautet die DGL (siehe Übung) ! FΣ (2, µ) Fg (2, µ) ∂ ∂ ln µ2 αs = 2π − 43 CF 4 3 CF 1 3 nf 1 − 3 nf ! FΣ (2, µ) Fg (2, µ) ! (II.191) Die Eigenvektoren lauten – FΣ − nf 4CF – – FΣ + Fg mit Eigenwert Null. Fg mit Eigenwert −( 43 CF + 31 nf ) < 0 – Die Summe von FΣ (2) + Fg (2) ist RG-invariant, y Das heisst, dass ar FΣ (2, µ) + Fg (2, µ) = FΣ (2, µ0 ) + Fg (2, µ0 ) , was gerade der Erhaltung des Gesamtimpulses entspricht. n lim nf 3nf FΣ (2, µ) = = = O(1) Fg (2, µ) 4CF 16 (II.192) eli m µ→∞ in – Die Kombination FΣ − 4CfF Fg geht für große Skalen µ → ∞ asymptotisch gegen Null, d.h. das Verhältnis der beiden Momente strebt gegen eine Konstante, Das ist konsistent mit der empirischen Beobachtung, dass die Quarks und Gluonen in etwa jeweils 50% des Protonimpulses tragen. II.6.4.3 “Polarisierte Partonverteilungen” – pr Bisher hatten wir bei der Betrachtung der Wirkungsquerschnitte für die tief-inelastische Elektron-Proton-Streuung über die Spinfreiheitsgrade der Protonen und Elektronen gemittelt. Experimentell lässt sich aber auch separat der Wirkungsquerschnitt für verschieden relativ zueinander polarisierte Elektronen und Protonen messen. Über das Partonbild kann man daraus Rückschlüsse über die Spin-Korrelationen der Quarks im Proton erhalten (manchmal wird das etwas ungenau als “spin content of the nucleon” tituliert). Wir stellen hier kurz die wesentlichen Ergebnisse zusammen. Als Messgröße definieren wir also eine Spin-Asymmetrie A(x, Q2 ) ≡ dσ ↑↓ − dσ ↑↑ dσ ↑↓ + dσ ↑↑ (II.193) wobei dσ ↑↓ = dσ ↓↑ den differentiellen Wirkungsquerschnitt für entgegengesetzt polarisierte Protonen und Elektronen, und dσ ↑↑ = dσ ↓↓ den differentiellen Wirkungsquerschnitt für gleich polarisierte Protonen und Elektronen bezeichnet. Die Summe der bei- 123 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) den Fälle ergibt gerade den bisherigen (unpolarisierten) Fall. Die Differenz der Wirkungsquerschnitte können wir wieder durch Strukturfunktionen ausdrücken, mxy 2 d2 σ ↑↓ − d2 σ ↑↑ 8πα2 mE 4m 2 2 (2y − y − = ) 2x g1 (x, Q2 ) − x y g2 (x, Q2 ) , 4 dx dy Q E E (II.194) " # A(x, Q2 ) ' g1 (x, Q2 ) F1 (x, Q2 ) – was für m/E → 0 durch die Strukturfunktion g1 (x, Q2 ) dominiert ist. Im Wesentlichen misst die Spin-Asymmetrie dann gerade das Verhältnis zweier Strukturfunktionen (II.195) y Im Partonbild lässt sich die Asymmetrie auf die Streuung an polarisierten Quarks zurückführen. Dazu müssen wir die Partonverteilung entsprechend spezifizieren für Quarks die parallel oder anti-parallel zum Proton polarisiert sind, ar • fq↑ (ξ): Wahrscheinlichkeit für Quark mit Impulsbruchteil ξ und Spin parallel zum Proton. • fq↓ (ξ): Wahrscheinlichkeit für Quark mit Impulsbruchteil ξ und Spin anti-parallel zum Proton. fq = fq↑ + fq↓ in Entsprechend definieren wir (unpolarisierte PDFs)∆fq = fq↑ − fq↓ (polarisierte PDFs) (II.196) eli m Dann ergibt sich für die Strukturfunktionen in LO (naives Partonbild) gerade F1 (x) ' 1 X 2 e [fq (x) + fq̄ (x)] , 2 q q g1 (x) ' 1 X 2 e [∆fq (x) + ∆fq̄ (x)] , 2 q q (II.197) – pr Die Operatordefinition der polarisierten PDFs ergibt sich analog zum unpolarisierten Fall, mit dem einzigen Unterschied, dass nun anstelle des Vektorstroms der (mit nµ projizierte) Axialvektorstrom auftaucht, so dass Quarks mit verschiedener Chiralität mit unterschiedlichem Vorzeichen gezählt werden, dλ −iλx e hp|q̄(λn) n (II.198) / γ5 q(0)|pispin−avg . 4π Die ersten Momente der polarisierten PDFs entsprechen dann wieder Matrixelementen von lokalen Operatoren hp|q̄/ nγ5 q|pi, welche unter Verwendung der SU (3)-Flavoursymmetrie für das leichteste Baryon-Oktett mit den Axialvektor-Kopplungskonstanten in HyperonZerfällen in Beziehung gesetzt werden können. Aus der Kombination dieser Daten mit den Ergebnissen der polarisierten Elektron-Proton–Streuung ergibt sich, dass der Beitrag der Quarks in ∆fq zum Gesamtspin des Protons relativ klein ist. Demnach muss ein erheblicher Anteil des Spins wieder von Gluonen und/oder vom Bahndrehimpuls der Quarks (d.h. der Bewegung senkrecht zur Impulsrichtung des Protons) herrühren. 124 ∆fq (x) = Z II.6 Tief-inelastische e− p–Streuung in der QCD II.6.4.4 Verwandte Größen Der spezielle und wesentliche Aspekt der tief-inelastischen Streuung war die Identifikation der Lichtkegel-Kinematik für Prozesse mit kollinearen Partonen in Hadronen. Daraus resultierte die Faktorisierung von kurz- und langreichtweitiger Physik mittels der Lichtkegel-OPE, so dass die relevante hadronische Information durch nicht-lokalen Operatoren z.B. der Form O = q̄(λn) n / Γ [Wilson-Linie] q(0) PDF = F.T. hp|O|pi . – oder Operatoren mit anderen/mehr Feldern und/oder mehr Ableitungen repräsentiert wird. Die Partonverteilungsfunktion ergaben sich dabei als Fourier-Transformierte des Matrixelements des Lichtkegeloperators zwischen zwei (identischen) Protonzuständen, (II.199) ar y Die gleiche Lichtkegelkinematik und die gleiche Art von Operatoren tritt aber z.B. auch in hadronischen Zerfällen von schweren B-Meson in leichte Hadronen, z.B. ππ, auf. Wie wir im entsprechenden Kapitel diskutiert hatten, beinhalten die entsprechenden Faktorisierungstheoreme Informationen über die Impulsverteilung von q q̄-Paaren im Pion. Diese können als sog. “Lichtkegeldistributionsamplituden” (light-cone distribution amplitudes – LCDAs) als Operatormatrixelemente, in Pion-LCDA = F.T. hπ|O|0i , (II.200) eli m definiert werden, d.h. der Anfangs- und Endzustand im Operatormatrixelement sind nun verschieden, und die Interpretation im Partonbild ist ebenfalls unterschiedlich. Wir können das noch weiter verallgemeinern für beliebige Anfangs- und Endzustände, GPD = F.T. hp0 |O|pi , (II.201) was sog. “verallgemeinerten Partonverteilungen” (generalized parton distributions – GPDs) entspricht. Oder auch GDA = F.T. hππ|O|0i , (II.202) pr für hadronische Zustände mit mehr als einem Teilchen (→ generalized distribution amplitudes – GDAs). In all diesen Fällen kann die Evolution der entsprechenden Matrixelemente aus der Renormierung des Operators O abgeleitet werden. Hierbei sind aber die unterschiedlichen kinematischen Fälle zu unterscheiden: – • Beschreibt der Operator der Übergang eines Quarks mit Impuls ξp in ein Quark mit ξ 0 p0 , so ergibt sich eine Struktur ähnlich wie in der tief-inelastischen Streuung (DGLAP-Region). • Beschreibt der Operator die Vernichtung eines Quark-Antiquark-Paars mit Impulsen ξp und (1 − ξ)p, so ergibt sich die Evolutionsgleichung für LCDAs, die z.B. in B → ππ relevant ist (ERBL-Region, nach Efremov-Radyushkin-BrodskyLepage). 125 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) II.7.1 IR-Divergenzen und Jet-Definition – Wir hatten bereits die Vernichtung von e+ e− –Paaren in hadronische Endzustände diskutiert und den totalen Wirkungsquerschnitt bestimmt. Bezüglich der Quantenkorrekturen durch die starke Wechselwirkung hatten wir argumentiert, dass – so lange wir uns nicht auf spezifische Eigenschaften des Endzustands konzentrieren – die Details der Hadronisierung des aus dem elementaren QED-Prozess resultierenden Quark-Antiquark–Paars nicht benötigt werden, um die αs –Korrekturen zu σtot auszurechnen. D.h. der totale Wirkungsquerschnitt ergibt sich aus der Summe der partonischen Wirkungsquerschnitte, σ(e+ e− → hadrons) = σ(e+ e− → q q̄) + σ(e+ e− → q q̄g) + σ(e+ e− → q q̄gg) + . . . (II.203) in ar y die wir mittels QCD-Störungstheorie ausrechnen. Wir betrachten dabei q 2 gross, d.h. die Teilchen im Endzustand haben i.A. große Energie, so dass wir deren Masse vernachlässigen können. Durch Betrachten der beitragenden Feynman-Diagramme ergibt sich offensichtlich αs virtuell σ(e+ e− → q q̄) = σ0 + σ + ... , 2π 1 αs reeell σ + ... , σ(e+ e− → q q̄g) = 0 + 2π 1 ... (II.204) eli m Wir wissen bereits aus der Berechnung der QED-Korrekturen zur Elektron-Myon–Streuung, dass sich in diesem Fall IR-Divergenzen ergeben, die zum einen von der Schleifenintegration in den virtuellen Korrekturen (z.B. zu e+ e− → q q̄), zum anderen aus der Phasenraumintegration der reellen Korrekturen (z.B. e+ e− → q q̄g) resultieren: • “kollineare Divergenzen” treten auf, wenn die Impulse zweier Teilchen parallel zueinander sind, • “softe Divergenzen” treten auf, wenn Energie/Impuls eines Teilchens gegen Null geht. – pr Im totalen Wirkungsquerschnitt fallen diese IR-Divergenzen heraus — die individuellen Wirkungsquerschnitte in (II.203) sind allerdings nur mit einem IR-Regulator definiert. Auf der experimentellen Seite kann man analog den totalen Wirkungsquerschnitt als Summe von 2-Jet-, 3-Jet, 4-Jet, etc. - Raten auffassen, wobei die genaue Unterscheidung zwischen n-Jet und (n-1)-Jet-Raten noch zu definieren ist (wie wir sehen werden, hängt die Freiheit in der Jet-Definition mit der Ambiguität der IR-Regularisierung im Partonbild zusammen). Wir rekapitulieren im Folgenden die Berechnung der partonischen Wirkungsquerschnitte: • In führender Ordnung gibt es nur den WQ für e+ e− → q q̄ mit R(0) (q 2 ) = − X 2 1 Rµµ (0) (q 2 ) = NC Qf . 2 3q f 126 II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) • Die reellen Korrekturen der Ordnung αs entsprechen dem Betragsquadrat der Amplitude für den Prozess e+ e− → q q̄g, wobei das Gluon entweder vom Quark oder vom Antiquark abgestrahlt werden kann. Durch Anwenden der Feynman-Regeln ergibt sich R (reell) X 2 Z 1 1 µ (reell) 2 2 A a (q ) = − 2 Rµ (q ) = − 2 6π gs trT T Qf dLiPS(p1 , p2 , k) 3q 3q 2 f × tr(γ (p/1 + k/)γ p/1 γ (p/1 + k/)γµ p/2 ) [(p1 + k)2 ]2 tr(γ µ p/1 γµ (−p/2 + k/)γ ρ p/2 γ σ (−p/2 − k/)) + [(p2 + k)2 ]2 µ ρ tr(γ p/1 γ (p/1 + k/)γµ p/2 γ σ (−p/2 − k/)) + [(p1 + k)2 (−p2 − k)2 ] µ + ρ σ tr(γ µ (p/1 + k/)γ ρ p/1 γµ (−p/2 − k/)γ σ p/2 ) X ρ (λ)∗σ (λ) [(p1 + k)2 (−p2 − k)2 ] – (II.205) y λ Hierbei ist dLiPS(p1 , p2 , k) = Z d3 p1 d 3 p2 d3 k (2π)4 δ (4) (q − p1 − p2 − k) 0 0 3 3 (2π) 2p1 (2π) 2p2 (2π)3 2k0 ar Z (II.206) in der Phasenraumfaktor mit der Impulserhaltung. Weiterhin ergibt die Spur über die Farbfreiheitsgrade tr[T A T A ] = CF NC , und die Summe über die Gluonpolarisationen kann (da die unP ∗ physikalischen Polarisationen sowieso nicht beitragen) durch (λ) (λ) = −η ρ ρσ ersetzt werσ λ den. eli m Zur Beschreibung der Kinematik für masselose Teilchen vereinfachen sich die Ausdrücke erheblich, wenn man folgende dimensionslose Größen einführt: x1,2 = 2Eq,q̄ 2 p1,2 · q → √ , 2 q s x3 = 2k · q 2Eg → √ , 2 q s (II.207) welche, wie angegeben, im Schwerpunktsystem gerade die auf die Gesamtenergie bezogenen Energiebruchteile bezeichnen. Damit ergibt sich für die diversen Skalarprodukte 1 q2 (q − p2 )2 = (1 − x2 ) , 2 2 1 q2 (q − p1 )2 = (1 − x1 ) , 2 2 (II.208) – pr 1 k · p1 = (k + p1 )2 = 2 1 k · p2 = (k + p2 )2 = 2 q2 p1 · p2 = (1 − x3 ) , 2 mit x1 + x2 + x3 = 2(p1 + p2 + k) · q = 2. q2 (II.209) 127 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Nach Ausführung der Dirac-Spuren und Kontraktion der Lorentz-Indizes ergibt sich daraus R (reell) 2 (q ) = NC X Q2F gs2 CF f −6π 3q 2 Z dLiPS(x1 , x2 , x3 ) 8(1 − x1 ) 8(1 − x2 ) 16(1 − x1 − x2 ) − + 1 − x2 1 − x1 (1 − x1 )(1 − x2 ) Z 16π x21 + x22 = R(0) gs2 CF 2 dLiPS(x1 , x2 , x3 ) . q (1 − x1 )(1 − x2 ) (II.210) Die Phasenraumintegration kann man bis auf x1 und x2 explizit ausführen, q2 dLiPS(x1 , x2 , x3 ) → 128π 3 und somit ergibt sich schließlich 2 (q ) = R (0) α s CF (q ) 2π (II.211) x21 + x22 . (1 − x1 )(1 − x2 ) (II.212) 0≤x1 ,x2 ≤1, x1 +x2 ≥1 Z 2 dx1 dx2 dx1 dx2 0≤x1 ,x2 ≤1, x1 +x2 ≥1 in R (reell) Z y Z ar → Übung – × − eli m Offensichtlich divergiert das Integral bei x1 → 1 und/oder x2 → 1. Skizze des Phasenraums in der x1 –x2 –Ebene (→ Übung) (a) Für x1 → 1 und x2 → 1: pr Folgt x3 → 0, d.h. die Gluonenergie verschwindet; man sagt das Gluon ist weich (“soft”) und deshalb spricht man von der soften Divergenz im Phasenraumintegral. (b) Für x1 → 1 und x2 6= 1: Gilt – q2 (1 − x1 ) → 0 2 d.h. der Winkel zwischen dem Gluon und dem Antiquark wird Null; d.h. die Impulsvektoren sind parallel (“kollinear”) und man spricht von der kollinearen Divergenz im Phasenraumintegral. k · p2 = Ek E2 (1 − cos θ(k, p2 )) = 128 II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) (c) Analog erhält man eine kollineare Divergenz für x2 → 1 und x1 6= 1, bei der das Gluon parallel zum Quark abgestrahlt wird. Interpretation: In allen 3 Fällen werden wir im Experiment den Phasenraumbereich, bei denen die soften oder kollinearen Divergenzen auftreten, nicht von einem Ereignis der Form e+ e− → q q̄ unterscheiden können. Das Argument hatten wir bereits bei den QED-Korrekturen zur Elektron-Myon–Streuung verwendet. In der QCD müssen wir zusätzlich berücksichtigen, dass die erzeugten Quarks und Gluonen hadronisieren, d.h. – • Ereignisse e+ e− → q q̄ sind der Ausgangspunkt für hadronische Endzustände, bei denen die Teilchen in 2 hadronischen “Jets” gebündelt sind, die (im Schwerpunktsystem) in entgegengesetzter Richtung orientiert sind. y • Ereignisse e+ e− → q q̄g mit x1,2 “genügend” weit entfernt vom Phasenraumbereich mit kollinearen oder soften Divergenzen, werden als 3-Jet Ereignisse beobachtet. ar • Die Endpunktbereiche des Phasenraums für e+ e− → q q̄g tragen zu den 2-Jet Ereignissen bei und müssen mit den virtuellen Korrekturen zu e+ e− → q q̄ kombiniert werden, um IR-endliche Vorhersagen zu erhalten. eli m in Offensichtlich ist in dieser Bestimmung ein gewisser Grad an Willkür, d.h. wir müssen zunächst eine genaue Definition geben, was wir unter einem 2-, 3-, oder N -Jet–Ereignis verstehen wollen, welche sich sowohl auf die partonischen Wirkungsquerschnitte als auch auf die beobachteten hadronischen Ereignisse anwenden lässt. Für eine sinnvolle Jet-Definition erwarten wir z.B., dass die 3-Jet–Raten in e+ e− – Vernichtung nach Hadronen gegenüber 2-Jet–Raten mit einem Faktor αs (µ) unterdrückt √ ist, und wir µ ∼ s wählen können. Eine einfache Jet-Definition wird durch den sog. JADE-Algorithmus gegeben: • Betrachte alle invarianten Massen (pi + pj )2 von Paaren von Teilchen (Partonen in der störungstheoretischen Rechnung, bzw. Hadronen im Experiment) pr • Falls (pi + pj )2 = 2Ei Ej (1 − cos θij ) ≥ y q 2 mit einem vorgegebenen Parameter y, werden die 2 Teilchen als individuelle Jets gezählt. Anderenfalls gehören sie zu dem gleichen Jet. – Für unseren Fall können wir also Beiträge zu 2- und 3-Jet–Events unterscheiden gemäß 3-Jet: (p1 + k)2 = q 2 (1 − x2 ) ≥ yq 2 (p2 + k)2 = q 2 (1 − x1 ) ≥ yq 2 (p1 + p2 )2 = q 2 (x1 + x2 − 1) ≥ yq 2 2-Jet: sonst (II.213) 129 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Damit ergibt sich die 3-Jet–Rate in führender Ordnung Störungstheorie zu α s CF x21 + x22 (3-jet) RJADE = R(0) (q 2 ) dx1 dx2 2π (1 − x1 )(1 − x2 ) × θ[0 ≤ x1 , x2 ≤ 1 − y] θ[x1 + x2 > 1 + y] Z 1−y x21 + x22 αs CF 1−y dx1 dx2 2π 2y (1 − x1 )(1 − x2 ) 1+y−x2 y α s CF y y 2 ln2 = R(0) (q 2 ) + (3 − 6y) ln + 4Li2 2π 1−y 1 − 2y 1−y Z Z 5 9 π2 + − 6y − y 2 − 2 2 3 ! – = R(0) (q 2 ) , (II.214) Z z 0 dξ ln(1 − ξ) ξ (II.215) ar Li2 (z) = − y wobei Li2 (z) der Polylogarithmus in ist. Daraus erhält man die 3- und 2-Jet–Raten in dieser Ordnung Störungstheorie also √ √ R(3-jet) ( s) α s CF y y y 2 √ ' 2 ln + (3 − 6y) ln + 4Li2 f3 ( s, y) ≡ R( s) 2π 1−y 1 − 2y 1−y 5 9 π2 + − 6y − y 2 − 2 2 3 √ ' 1 − f3 ( s, y) . eli m √ f2 ( s, y) ≡ √ R(2-jet) ( s) √ R( s) ! , (II.216) (II.217) – pr Die 2-Jet–Rate ist hierbei per Konstruktion endlich, wobei wir natürlich benutzt haben, dass sich im Gesamt-Wirkungsquerschnitt die kollinearen und soften Divergenzen zwischen reellen und virtuellen Korrekturen aufheben (das hatten wir im QED-Beispiel explizit gesehen – der QCD–Fall funktioniert analog). Plotted man dies als Funktion von y ergibt sich folgendes Bild: 130 II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) • Für y → 0 erhalten wir wieder die kollinearen und soften Divergenzen, so dass wir das physikalisch unsinnige Ergebnis 5 Π2 2 ln y + 3 ln y + − + ... 2 3 α s CF f3 → 2π 2 ! → +∞ – und f2 → −∞ erhalten. D.h. in der Praxis muss y groß genug gewählt werden, so dass zumindest f3 < f2 . Bzw., wenn wir beachten, dass die Raten mit ln y 2 divergieren, fordern wir αs CF 2 ln y < 1 π • Für y > 1/3 verschwindet das Integrationsgebiet für die 3-Jet–Rate und f3 = 0, d.h. in diesem Bereich wird jedes Ereignis als 2-Jet–Ereignis gezählt. 1. Bilde ar y Die Konstruktion lässt sich offensichtlich auf n-Jet–Raten verallgemeinern: Wir betrachten dazu ein hadronisches Ereignis mit N Hadronen (bzw. partonischen Endzustand mit N Quarks oder Gluonen) M = min(pi + pj )2 i,j in 2. Wenn M > ys, dann ist das Ereignis ein N –Jet–Ereignis. 3. Wenn M < ys, dann kombiniere die Teilchen i und j, die das minimale M gebildet haben, zu einem neuen Quasiteilchen mit Impuls pi + pj . eli m 4. Wiederhole das Verfahren für jetzt N − 1 Teilchen, bis es abbricht (bzw. N = 2) Die Zahl N ≥ 2 definiert die Anzahl der Jets. Das störungstheoretische Ergebnis für die (N = n + 2)-Jet–Raten hat dann die allgemeine Form √ fn+2 ( s, y) = αs (µ) 2π n X ∞ k=0 Cnk s ,y µ2 αs (µ) 2π k (II.218) s mit ∞ n=2 fn = 1. Für “vernünftige” Werte von y können wir die Logarithmen ln µ2 in √ den Koeffizienten Cnk klein halten, wenn wir µ = s wählen. Damit lässt sich umgekehrt aus der Messung der Jet–Raten bei verschiedenen Werten von s die laufende Kopplung der QCD testen. Allerdings müssen wir dabei bedenken, dass sich für die Hadronisierung √ der Quarks und Gluonen auch nicht-perturbative Korrekturen der Ordnung ΛQCD / s ergeben (für einige Jet-Algorithmen kann man zeigen, dass die Korrekturen erst bei Λ2QCD /s beginnen). In der Praxis werden solche Korrekturen durch Hadronisierungsmodelle abgeschätzt und sind Teil des systematischen Fehlers. Abbildungen für Vergleich von Theorie und Experiment in Jet-Raten kann man in dem Buch von Ellis/Stirling/Webber [6] finden. – pr P Eine Modifikation des JADE-Algorithms, der sog. Durham–Algorithmus, ersetzt die invariante Masse durch 2 min Ei2 , Ej2 (1 − cos θij ) > ys mit Energien/Winkeln im Schwerpunktsystem. 131 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) II.7.2 Event-Shapes Ein wichtiges Theorem der QCD nach Bloch/Nordsieck und Kinoshita/Lee/Nauenberg besagt: “Für “genügend“ inklusive Observable heben sich die soften und kollinearen Divergenzen auf” ar y – “Inklusiv” heisst dabei, dass wir keine Details über die spezifische Hadronisierung der Quarks in der Messgröße berücksichtigen. Der totale Wirkungsquerschnitt ist offensichtlich eine inklusive Observable. Wir wollen nun weitere inklusive Observablen konstruieren, die wie der Wirkungsquerschnitt (bzw. R(s)) für gegebene Schwerpunktsenergie durch eine einfache Zahl dargestellt werden, aber zusätzlich Information über die Jet–Topologie der Reaktion beinhalten. Um die Anwendbarkeit des obigen Theorems zu gewährleisten, müssen diese Observablen “IR-safe” sein. Ein intuitives Kriterium dafür ist, dass • Observable sind IR-safe, wenn sie sich nicht ändern unter der Ersetzung von 4erImpulsen pi → pj + pk , in so lange p~j ||~ pk (kollineare Emission) oder Ek Ej (softe Emission). Beispiele für solche IR-sicheren “Event-Shape”–Variablen sind: eli m Thrust: Spherocity: C-Parameter: 2 S≡ 3 C≡ 2 (II.219) pi | i |~ ~ n 4 π P pi × ~n| 2 i |~ P min , P i,j (II.220) pi | i |~ ~ n |~ pi ||~ pj | − (~ pi · p~j )2 /(|~ pi ||~ pj |) ( pi |) i |~ P 2 . (II.221) Hierbei ist ~n ein Einheitsvektor, der anhand der Minimierung/Maximierung zu bestimmen ist. Für 2-jet–artige Ergeignisse ist ~n gerade die Jet-Achse. Testen wir die IR-safety für die Thrust-Variable: pr (→ Übung) P pi · ~n| i |~ T ≡ max P , – • Für kollinear Emission ist p~j k p~k und deshalb (→ Übung) |~ pi · ~n| = |~ pj · ~n| + |~ pk · ~n| und |~ pi | = |~ pj + p~k | = |~ pj | + |~ pk | Damit bleibt der Wert von T unverändert. • Für softe Emission trägt das Teilchen mit |~ pk | → 0 nicht bei, während |~ pj | → |~ pi |. Für einfache Topologien ergeben sich folgende Werte: 132 II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) Topologie T S C 2-jet 1 0 0 1/2 1 1 sphärisch symm. max{xi } q q̄g 4· (1−xi ) 16 i π 2 max{x2i } Q 6 (1−xi ) i x1 x2 x3 Q Aus der letzten Zeile können wir insbesondere die Thrust–Verteilung aus den einzelnen partonischen differentiellen Wirkungsquerschnitten berechnen, gemäß (II.222) – dσ = dσ(q q̄) dT δ(T − 1) + dσ(q q̄g) dx1 dx2 dT δ(T − max{xi }) + . . . Für die normierte Thurst-Verteilung erhalten wir dann durch Integration der partonischen Phasenraumbereiche mit der entsprechenden Einschränkung durch T , α s CF 1 dσ = δ(T − 1) + [F (T )]+ + . . . σ dT 2π y (II.223) ar Die Beiträge der reellen und virtuellen αs -Korrekturen kombinieren sich dabei (analog zur Diskussion der Splitting-Funktion in DIS) zu einer Plus-Distributionen: • Für reguläre Testfunktionen g(T ) gilt wieder 1/2 dT [F (T )]+ g(T ) ≡ Z 1 dT F (T ) (g(T ) − g(1)) . in Z 1 1/2 eli m • Für T 6= 1 entspricht [F (T )]+ = F (T ). Da die virtuellen Korrekturen zum 2Teilchen-WQ nur zu T = 1 beitragen, kann man F (T ) aus den reellen Korrekturen bestimmen. • Das Integral R1 1/2 dT [F (T )]+ = 0 verschwindet, so dass R dT 1 dσ σ dT ≡ 1. Um die Funktion F (T ) zu berechnen, müssen wir den Phasenraum in dσ(q q̄g) in drei Teile aufteilen, welche den Situation xmax = x1 , x2 , x3 entsprechen (man mache sich dies an einer einfachen Skizze klar): • Im 1. Bereich gilt x1 > x2 und x1 > x3 = 2 − x1 − x2 . Somit x21 + x22 δ(T − x1 ) θ(x1 − x2 ) θ(2x1 − 2 + x2 ) (1 − x1 )(1 − x2 ) Z T T 2 + x22 dx2 = (1 − T )(1 − x2 ) 2(1−T ) dx1 dx2 pr F (T )1 = Z – = 1 + T2 2T − 1 4 − 7T + 3T 2 /2 ln + . 1−T 1−T 1−T (II.224) Man beachte, dass die Beiträge von diesen reellen Korrekturen wieder IR-singulär sind, sich aber – wie oben diskutiert – für IR-sichere Observable gerade durch die Hinzunahme der virtuellen Korrekturen zu einer IR-regulären Plus-Distribution ergänzen. 133 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) • Im 2. Bereich gilt analog x2 > x1 und x2 > 2 − x1 − x2 mit F (T )1 = F (T )2 . • Im 3. Bereich, x3 > x1 , x3 > x2 ergibt sich nach Variablensubstitution x1 = 2 − x2 − x3 F (T )3 = Z dx2 dx3 (2 − x2 − x3 )2 + x22 δ(T − x3 ) θ(x3 − x2 ) θ(2x3 − 2 + x2 ) (x2 + x3 − 1)(1 − x2 ) −1 2(2 − 2T + T 2 ) ln 2T 1−T . T – = 2(2 − 3T ) + (II.225) Hierbei ist das Ergebnis bei T → 1 nur logarithmisch divergent (und damit direkt integrabel mit regulären Testfunktionen). Insgesamt erhält man somit 2(3T 2 − 3T + 2) 2T − 1 3(3T − 2)(2 − T ) ln − . T (1 − T ) 1−T 1−T in F (T ) = ar y • Die 3 Bereiche treffen sich im symmetrischen Punkt x1 = x2 = x3 = 2/3, was gerade dem minimal möglichen Wert für eine 3-Teilchen-Konfiguration entspricht, d.h. F (T ) = F (T )θ(T − 2/3). (II.226) eli m Betrachten wir obiges Beispiel für die Thrust-Variable, erkennen wir wieder, dass für T nahe (aber nicht gleich) eins — d.h. also 2-Jet–artige Events — große Logarithmen ) in der Form ln(1−T auftreten. Eine genaue Analyse der höheren Ordnungen ergibt das 1−T allgemeinere Resultat, dass in n-ter Ordnung Störungstheorie das Verhalten bei T → 1 durch ln2n−1 (1 − T ) ∝ [αs (µ)]n 1−T – pr gegeben ist, d.h. in jeder Ordnung kommt ein Faktor αs ln2 (1 − T ) dazu, so dass die Störungsreihe wieder nur für Werte von T mit αs (µ) ln2 (1 − T ) 1 verlässliche Voraussagen liefert. Wir hatten bereits bei der Diskussion von Sudakov-Logarithmen in der QED gesehen, wie sich solche Logarithmen aufsummieren lassen. Die physikalische Vorstellung ist dabei, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das auslaufende Quark-Antiquark–Paar keine soften oder kollinearen Gluonen abstrahlt im Hochenergielimes exponentiell klein sein sollte, d.h. die Thrust-Verteilung (genauso wie die 2-Jet–Rate) sollte für T → 1 regulär sein, anstatt ins Unendliche anzuwachsen. Für den traditionellen Zugang zur Resummation von großen Logarithmen in Event-Shapes verweisen wir auf Kapitel 6.5 in [6]. Wir werden im Folgenden einen alternativen Zugang kennenlernen, der das Problem im Rahmen einer effektiven Quantenfeldtheorie löst. 134 II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) Ausgangspunkt der Überlegung ist die Beobachtung, dass für kleine Werte von τ ≡1−T 1 der physikalische Prozess durch mehrere verschiedene Energieskalen charakterisiert ist. Betrachten wir dazu eine Konfiguration mit 2 deutlich separierten Jets entlang der zAchse, d.h. die einzelnen kollinearen Teilchen haben Impulskomponenten p~ ≡ (~ p⊥ , pz ) = (px , py , pz ) , mit |px | ∼ |py | |pz | ∼ √ s, – wobei wir im Folgenden mit p~⊥ immer die 2 Impulskomponenten senkrecht zur Jet-Achse meinen. Für die Thrust-Variable ergibt sich dann entsprechend aus der Definition mit ~n = ~ez und |~ p|2 − |~ p⊥ |2 p ⊥ |2 1 |~ ' |~ p| 1 − 2 |~ p|2 1 − T ∼ O(|p⊥ |2 /s) . ⇒ ! y q ar |p | = z (II.227) Genauso gilt für die invariante Masse der Jets entsprechend in p2 ∼ O(|p⊥ |2 ) ∼ (1 − T ) s = τ s . Zusätzlich können wir noch weiche Teilchen im Jet betrachten: Aus Konsistenzgründen dürfen diese das Skalierungsverhalten der invarianten Jetmasse nicht ändern. Mit eli m (p + psoft )2 ∼ O(p2 ) + O (|pz ||~ psoft |) √ √ ergibt das also |~ psoft | ∼ (1 − T ) s = τ s. Die physikalische Situation wird somit durch 3 verschiedene Skalen beschrieben √ • Harte Skala (Skala der externen Quelle für die Erzeugung von Partonen): s, • Jet-Skala (Skala der kollinearen Teilchen im Jet): pr • Weiche Skala (Skala der soften Teilchen im Jet): q q p2coll ∼ √ √ τ s, p2soft ∼ τ √ s, welche für τ 1 hierarchisch separiert sind. √ s √ √ √ τ s τ s. (II.228) – Die Idee ist nun wieder, die Effekte der harten Moden in Koeffizientenfunktionen C(s, µ) √ zu absorbieren, welche für µ ∼ s perturbativ in QCD berechenbar sind. Die verbleibenden Effekte der weichen und kollinearen Teilchen sollen durch eine effektive Theorie beschrieben werden, deren Operatoren RG-Gleichungen gehorchen, die wir perturbativ lösen können, um große Logarithmen zu summieren. Weiterhin wollen wir die Effekte der Jet-Skala von der weichen Physik (inkl. der Hadronisierungseffekte) trennen. 135 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) II.7.3 Einige Features der Soft-collinear effective theory (SCET) Wir führen im Folgenden lichtartige Referenzvektoren ein, n2± = 0 , nµ± = (1, 0, 0, ±1) , – Im Rahmen einer effektiven Theorie können wir nun zunächst versuchen, die kurzre√ ichweitigen Effekte, welcher mit der harten Skala s zusammenhängen, auszuintegrieren. Dazu stellen wir uns vor, dass wir die Fourier-Moden der Quark- und Gluonfelder entsprechend aufteilen in harte, kollineare und softe Moden, √ harte Moden: |pµ | ∼ s , p2 ∼ s , √ kollineare Moden: E ∼ s , p2 ∼ τ s , √ weiche Moden: |pµ | ∼ τ s , p2 ∼ τ 2 s . (II.229) n+ · n− = 2 , y so dass wir einen beliebigen 4er-Vektor zerlegen können gemäß nµ+ nµ− µ v = (n+ v) + (n− v) + v⊥ 2 2 ar µ (II.230) mit v⊥ · n± ≡ 0. Somit gilt für ein kollineares Teilchen mit grosser Impulskomponente entgegengesetzt zur z-Richtung √ √ √ √ p2 − p2⊥ ∼ τ s. τ s n− p = E − |pz | = 2E (II.231) in n+ p = E + |pz | ∼ s p⊥ ∼ – pr eli m Somit repräsentieren die so definierten Impulskomponenten gerade die Skalenhierarchie. Während in der vollen QCD-Rechnung alle diese Moden beitragen, wollen wir im Folgenden eine effektive Theorie konstruieren, welche nur noch die soften und kollinearen Moden enthält, während die Effekte der harten (kurzreichweitigen) Moden in Koeffizienten (bzw. genauer gesagt in Koeffizientenfunktionen) absorbiert werden sollen. Per Konstruktion reproduzieren die weichen und kollinearen Moden dann die IR-Singularitäten im Phasenraumintegral bzw. in den virtuellen Korrekturen, während die Koeffizientenfunktionen unabhängig von der IR-Physik berechnet werden können. Betrachten wir zunächst die Dynamik der kollinearen Quarks wie sie z.B. aus der ursprünglichen e+ e− -Annihilation resultieren. Es erweist sich hier als zweckmässig, die Hierarchie zwischen den einzelnen Impulskomponenten auszunutzen, um kleine und große Spinorkomponenten der Quarkfelder zu identifizieren. Schreiben wir dafür die DiracGleichung eines kollinearen Quarks mit (n+ p) p⊥ (n− p) im Impulsraum, n/− n/+ (n+ p) + p/⊥ + (n− p) u(p) = 0 . 2 2 (II.232) Wir führen nun 2 Projektoren ein, via n/− n/+ n/+ n/− 1= + , 4 4 136 n /±n /∓ 4 !2 = n /±n /∓ , 4 n /±n /∓ n /∓n /± = 0, 4 4 (II.233) II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) und definieren ξ(p) ≡ n/− n/+ u(p) , 4 η(p) ≡ n/+ n/− u(p) . 4 (II.234) Projektion der Dirac-Gleichung ergibt dann : : n/+ p/⊥ ξ(p) = 0 , 2 n/+ p/⊥ η(p) + (n− p) ξ(p) = 0 . 2 (n+ p) η(p) + (II.235) – n/+ 2 n/+ n/− 4 Berücksichtigen wir das Skalierungsverhalten der Impulse |p⊥ |/(n+ p) ∼ (n− p)/|p⊥ | ∼ √ τ , ergibt sich somit √ η(p) ∼ O( τ ) ξ(p) , y (II.236) 1 n/+ p/⊥ ξ(p) . n+ p 2 (II.237) in η(p) = − ar d.h. ξ(p) ist die große und η(p) die kleine Spinorkomponente für ein kollineares Quark. Wir können weiterhin die erste Gleichung mit n/2+ multiplizieren und nach η(p) auflösen, und erhalten Wenn wir dass in die zweite Gleichung einsetzen, ergibt sich die Dirac-Gleichung für die grosse Spinorkomponente zu 1 eli m (n− p) + p/⊥ n+ p p/⊥ n/+ ξ(p) = 0 . 2 (II.238) Der Ausdruck in Klammern entspricht gerade p2 /(n+ p), was für ein on-shell-Teilchen offensichtlich direkt Null ergibt. Im Ortsraum entspricht dies offensichtlich einer Lagrangedichte für kollineare Quarkfelder 16 pr ¯ Lξ = ξ(x) in− ∂ + i∂/⊥ n /+ 1 i∂/⊥ ξ(x) , in+ ∂ 2 (II.239) Die Kopplung der kollinearen Quarkfelder an Gluonen ergibt sich – wie üblich – mit der kovarianten Ableitung, (II.240) Man beachte, dass die Lagrangedichte das Inverse eines Ableitungsoperators entlang der durch die kollinearen Teilchen definierten Jet-Richtung enthält. Diese sind durch nicht-lokale Integralausdrücke definiert, z.B. Z x 1 “ ” f (x) ≡ −i dy f (y) , i d/dx −∞ – 16 i∂ µ → i∂ µ + gAµ . wobei die “richtigen” Randbedingungen aus der i-Vorschrift im Feynman-Propagator und dem Vorzeichen für Teilchen oder Antiteilchen-Lösungen zu bestimmen sind. 137 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Das Skalierungsverhalten der kollinearen Gluonen A = Ac ist dabei korreliert mit dem der Ortsableitungen bzw. Impulse, also (n+ Ac ) ∼ (in+ ∂) ∼ √ s, Ac⊥ ∼ i∂⊥ ∼ √ τs , √ (n− Ac ) ∼ (in− ∂) ∼ τ s . (II.241) 1 ¯ /⊥ Lξ → ξ(x) in− ∂ + gn− A + gn− As + iD in+ D /⊥ iD – √ Im Vergleich dazu skalieren die weichen Gluonen in allen Komponenten wie As ∼ τ s, und somit sind die Komponenten (n+ As ) und A⊥ s im Vergleich zu den kollinearen Gluonfeldern in der kovarianten Ableitung (für Kopplungen an kollineare Teilchen) in erster Ordnung vernachlässigbar. Somit lautet die effektive Lagrangedichte für kollineare Quarks in erster Näherung n /+ ξ(x) + . . . , 2 (II.242) ar y wobei die kovarianten Ableitungen Dµ = i∂ µ +gAµc rechts in der Klammer nur kollineare Gluonfelder enthalten.17 in Übung: Leiten Sie die Lagrangedichte für kollineare Quarks aus der QCD-Lagrangedichte ab, indem Sie die klassischen Bewegungsgleichungen für die Feldkomponenten η(x) herleiten und in die ursprüngliche Lagrangedichte einsetzen. Wie lautet demnach der Propagator für das Feld ξ im Impulsraum? – Vergleichen Sie mit dem führenden Term des QCDQuarkpropagators! eli m Tatsächlich kann man mit einem weiteren Trick die weichen Gluonfelder vollständig aus der führenden kollinearen Lagrangedichte entfernen. Dazu betrachten wir eine Wilsonlinie18 (vgl. Definition der PDFs), Ys (x) ≡ P̄ exp −ig Z ∞ 0 ds n− As (x + sn− ) , (II.243) welche die Differentialgleichung pr (in− ∂ + g n− As ) Ys (x) = 0 , bzw. (in− ∂ + g n− As ) Ys (x) f (x) = Ys (x) (in− ∂) f (x) (II.244) erfüllt und unitär ist, Ys† Ys = 1. Weiterhin gilt unter Eichtransformationen der weichen Gluonfelder, Ys (x) → Us (x) Ys (x) Us (x + ∞ n− ) ≡ Us (x) Ys (x) , Die genaue Ordnung der Gluonfelder ergibt sich erst, wenn man direkt die Bewegungsgleichungen für die Felder η(x) löst, siehe Übung. 18 Hierbei steht P(P̄) für (Anti-)-Pfadordnung der Farbmatrizen, d.h. 17 – (II.245) P A(x)A(x + sn− ) = 138 A(x)A(x + sn− ) A(x + sn− )A(x) s<0 s>0 II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) d.h. die Wilson-Linien Ys (x) transformieren in der fundamentalen Darstellung, bis auf eine globale Trafo im Unendlichen, die man o.B.d.A. auf Eins setzen kann. Wenn wir jetzt die kollinearen Quark- und Gluonfelder umdefinieren gemäß ξ(x) → Ξ(x) ≡ Ys† (x)ξ(x) , Ac (x) → A(x) ≡ Ys† (x) Ac (x) Ys (x) , (II.246) lautet die Lagrangedichte in den neuen Feldern 1 in+ D /⊥ iD n /+ Ξ(x) + . . . , 2 wobei iD = i∂ + g A nur noch kollineare Gluonfelder beinhaltet.19 Den kollinearen Gluonsektor schreiben wir entsprechend als (II.247) – /⊥ Lξ → Ξ̄(x) in− D + iD eli m in ar y 1 LAc = − G µν,A Gµν,A + gauge-fixing + . . . (II.248) 4 wobei die Feldstärketensoren G µν durch die umdefinierten Felder A auszudrücken sind. Durch die Umdefinition der kollinearen Felder haben wir somit die weichen Gluonfelder vollständig aus dem führenden Term in der effektiven Lagrangedichte eliminiert. Wir wir im Folgenden sehen werden, tauchen die weichen Wilsonlinien dann aber wieder in den effektiven Operatoren auf, welche für die Erzeugung der energetischen Jets selbst verantwortlich sind (in unserem Fall der elektromagnetische Strom aus der e+ e− Vernichtung). Die kollineare Lagrangedichte beschreibt somit alleine die Dynamik der kollinearen Jets unter Berücksichtigung von kollinearer Abstrahlung von Gluonen (oder, in höherer Ordnung, auch kollinearen q q̄-Paaren). Die kollinearen Quarkfelder werden dabei durch die führenden Spinorkomponenten Ξ(x) repräsentiert. Die entsprechenden Impulsraum-Feynman-Regeln lassen sich wie gewohnt aus L herleiten. II.7.3.1 Elektromagnetischer Strom für e+ e− → q q̄ in SCET In unserem Beispiel mit T → 1 müssen wir 2 unterschiedliche kollineare Moden für die 2 Jets in unterschiedlichen Richtungen betrachten, d.h. wir schreiben für die kollinearen Teilchen im entgegengesetzen Jet (“anti-kollinear”), = ξ¯c̄ (x) in+ Dc̄ + iD /c̄,⊥ pr Leff 3 Lquark c̄ 1 n/− iD /c̄,⊥ ξc̄ (x) , in− Dc̄ 2 (II.249) – wobei einfach n+ und n− ihre Rolle vertauscht haben. Entsprechend für die anti-kollinearen Gluonen. Wenden wir uns nun dem Matching der externen Stromoperatoren zu: In unserem Fall starten wir mit dem elektromagnetischen Strom in der vollen Theorie. Naiv würden wir erwarten, dass 19 ψ̄ γ µ ψ → C ξ¯c̄ γ µ ξc + h.c. + . . . (II.250) Die Felder ξ und Ξ sind in der freien Theorie, g → 0, identisch. In der wechselwirkenden Theorie haben die entsprechenden Propagatoren aber offensichtlich unterschiedliche Spektren, die sich gerade durch die Effekte der Abstrahlung von weichen Gluonen aus den Wilson-Linien unterscheiden. 139 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) zu ersetzen ist. Das ist allerdings noch nicht ganz das richtige Ergebnis: • Ein formales Argument ist, dass der Ausdruck auf der rechten Seite nicht invariant unter separaten Eichtransformationen für kollineare oder anti-kollineare Gluonfelder ist (während die separaten Lagrangedichten diese Eigenschaft haben). • Ein physikalisches Argument folgt aus der Betrachtung der möglichen reellen Abstrahlung von z.B. kollinearen Gluonen mit Polarisation (n+ Ac ) vom antikollinearen Quark (bzw. (n− Ac̄ ) vom kollinearen Quark): (Skizze) ar y – – Solche Prozesse entsprechen harten Fluktuationen auf Baumgraphen-Niveau (die internen Propagatoren sind off-shell vom Betrag (pc̄ + pc )2 ' s) und gehören somit zum Operatormatching, da die effektive Lagrangedichte keine harten Wechselwirkungen zwischen kollinearen und anti-kollinearen Teilchen mehr beinhalten soll. √ – Da (n+ Ac ) ∼ (n− Ac̄ ) ∼ s, sind solche Diagramme nicht unterdrückt im Limes τ → 0, obwohl sie naiv höher-dimensionalen Operatoren entsprächen. – Die Abstrahlung lässt sich somit beliebig iterieren, inklusive anti-kollineare Gluonabstrahlung von kollinearen Gluonen und umgekehrt. (in+ Dc )Wc = 0 , eli m Wc† Wc = 1 , in Tatsächlich lässt sich die geometrische Reihe von beliebig vielen kollinearen GluonAbstrahlungen explizit aufsummieren. Das Resultat beschreibt genau wieder WilsonLinien, Wc (x) und Wc̄ (x),welche nun gerade durch die (anti-)kollinearen Gluonfelder (n+ Ac ) und (n− Ac̄ ) konstruiert werden, so dass Wc (x) → Uc (x)Wc (x) , (II.251) und analog für die entgegengesetzte Richtung. Da die kollinearen Gluonfelder selbst in der vollen Theorie wieder anti-kollineare Gluonfelder abstrahlen können ergibt sich zunächst eine komplizierte Struktur der Farbmatrizen. Ohne in die Details zu gehen, geben wir hier nur das (einfache) Endresultat an, µ ψ̄ γ µ ψ → C(µ, s) ξ¯c̄ Wc̄ γ⊥ Wc† ξc + h.c. + . . . (II.252) pr wobei wir auch benutzt haben, dass die Spinor-Projektoren der kollinearen und anti-kollinearen Quarks nur die transversale Komponente des Vektorstroms übrig lassen. • Insbesondere ist dieses Resultat nun manifest eich-invariant. Wenn wir jetzt die Feldredefinitionen durchführen, ergibt sich – ψ̄ γ µ ψ → C(µ, s) Ξ̄c̄ Wc̄ Ȳs† γµ⊥ Ys Wc† Ξc +h.c. + . . . | {z } | {z } | {z } | {z (II.253) } Durch die Konstruktion der effektiven Theorie haben wir somit die Separation der verschiedenen dynamischen Moden (hart, kollinear, anti-kolllinear, soft) auf dem Level von 140 II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) Feldoperatoren erreicht. Dies stellt die Grundlage für das noch zu definierende Faktorisierungstheorem dar und erlaubt es uns, die den verschiedenen physikalischen Skalen zugeordnete Dynamik separat zu berechnen. Die Propagatoren der Teilchen in der effektiven Theorie folgen dabei aus den (in führender Ordnung separaten) Lagrangedichten für softe und kollineare (bzw. anti-kollineare) Felder. II.7.3.2 Harter Matching-Koeffizient ( 12 1 , ) = 1 1 1 . , ln µ2 , 2 ar µ 2 y – Der Matching-Koeffizient C(µ, s) ist wie angegeben eine Funktion der Renormierungsskala √ sowie der harten Impulsskala s. Dieser kann für µ ∼ s störungstheoretisch berechnet werden, indem man in den entsprechenden Diagrammen der vollen Theorie die kleinen Impulskomponenten der externen Quarks vernachlässigt. Die soften und kollinearen IRDivergenzen in den (unrenormierten) Koeffizienten C(s, µ) haben dabei in dimensionaler Regularisierung die typische Struktur In der effektiven Theorie entspricht dies zusätzlichen UV-Divergenzen für den effektiven Stromoperator. Aufgrund der Struktur der IR-Divergenzen in C(µ, s) ergibt sich i.A. eine µ-Abhängigkeit der Form in d s C(µ, s) = Γcusp (αs ) ln 2 + γC (αs ) C(µ, s) d ln µ µ (II.254) eli m Hierbei ist Γcusp die sog. “cusp”-anomale Dimension,20 welche nur von universellen Eigenschaften (Eichdarstellung, Spin) der am Strom beteiligten Teilchen abhängt und mit einem expliziten Faktor ln µ2 in die RG-Gleichung eingeht. Die Grösse γC parametrisiert die verbleibenden (normalen) Beiträge zur anomalen Dimension, welche vom spezifischen Strom J abhängen. Beide Größen haben, wie angedeutet, eine perturbative Entwicklung in αs (µ). Die RG-Gleichung für die Koeffizientenfunktionen C(µ, s) lässt sich wieder formal lösen, wenn wir d ln µ = dα/β(α) substituieren: pr C(µ, s) = C(µh , s) exp [2S(µh , µ) − AC (µh , µ)] s µ2h !−AΓ (µh ,µ) (II.255) mit S(µh , µ) = − – AC (µh , µ) = − 20 AΓ (µh , µ) = − Z αs (µ) αs (µh ) dα Γcusp (α) β(α) dα γC (α) , β(α) dα Γcusp (α) . β(α) Z αs (µ) αs (µh ) Z αs (µ) αs (µh ) Z α αs (µh ) dα0 , β(α0 ) (II.256) Der Name resultiert aus einer geometrischen Interpretation: Die cusp-anomalen Dimensionen treten immer dann auf, wenn sich am Strom Wilsonlinien in verschiedenen Richtungen treffen. 141 → Übung II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Man überprüft dies am Einfachsten, indem man die Lösung in die RGE einsetzt und benutzt, dass dS = −Γcusp (αs (µ)) d ln µ = −Γcusp (αs (µ)) Z αs (µ) dα0 αs (µh ) Z ln µ ln µh β(α0 ) d ln µ0 = −Γcusp (αs (µ)) ln µ , µh dAC = −γC (µ) . d ln µ (II.257) – Wenn wir uns auf die Beiträge der größten Logarithmen beschränken wollen, reicht es, 2 den ersten Term in der Entwicklung von Γcusp = Γ0 α4πs + . . . und β = − α2πs β0 + . . . zu berücksichtigen, während γC = O(αs ) vernachlässigt werden kann. Dann erhält man πΓ0 1 (1 − z + ln z) , β02 αs (µ) αs (µh ) . αs (µ) y S(µh , µ) ' − z≡ (II.258) in ar √ √ Für die natürliche Wahl für die Matching-Skala, µh = s, so dass C(µh = s, s) ≈ 1, ergibt sich dann die Leading-Log-Approximation für den Koeffizienten zu √ 2πΓ0 1 αs ( s) C(µ, s) ' exp − 2 (1 − z + ln z) , z = . (II.259) αs (µ) β0 αs (µ) eli m Damit können wir große Logarithmen der Form ln p2 /s ∼ ln τ in die Koeffizienten auf√ summieren, wenn wir µ ∼ τ s wählen. Auf diese Weise generieren wir also eine nicht-analytische s-Abhängigkeit des Koeffizienten C(µ, s), ähnlich wie wir es (diagrammatisch) bei der Resummation von soften und kollinearen Abstrahlungen im Sudakov-Formfaktor der QED diskutiert hatten. II.7.4 Faktorisierungstheorem für Thrust-Verteilung nahe τ → 0 pr Die Konstruktion der effektiven Theorie erlaubt uns, die Thrust-Verteilung in Beiträge der harten, kollinearen und weichen Physik zu zerlegen (“faktorisieren”). Im vorherigen Paragraph hatten wir bereits die Beiträge der harten Gluonen in die Koeffizientenfunktion C(µ, s) absorbiert. Die entsprechenden Ströme tauchen im Wirkungsquerschnitt quadratisch auf, so dass wir dσ = σ0 · H(µ, s) · F (µ, s, τ ) dτ (II.260) schreiben können mit d s H(µ, s) = 2 Γcusp (αs ) ln 2 + γC (αs ) H(µ, s) d ln µ µ – (II.261) und entsprechender Lösung der RGE. Um die kollineare und softe Skala zu trennen (und somit weitere Logarithmen ln τ zu summieren), müssen wir die Funktion F (µ, s, τ ) in kolllineare und softe Bereiche aufteilen [7]. 142 II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) Wir betrachten zunächst noch einmal die Kinematik: Wir betrachten ein 2-Jet–Event mit Jet-Impulsen pµL und pµR entlang der z-Achse und p2L,R ∼ O(τ s) für kleine τ = 1 − T . Für die Thrust-Variable haben wir dann also |~ez · p~L | + |~ez · p~R | EL + ER |n+ pL − n− pL | + |n+ pR − n− pR | = |n+ pL + n− pL | + |n+ pR + n− pR | T = (II.262) – Nehmen wir an, dass (n+ pL ) (n− pL ) und (n− pR ) (n+ pR ) und entwickeln zur Ordnung τ , so ergibt sich n− p L + n+ p R p2 + p2R '1− L , (II.263) n− p R + n+ p L s √ wobei wir benutzt haben, dass (n+ pL ) ' (n− pR ) ' s und (n± pL,R ) = p2L,R /(n∓ pL,R ). Wenn wir jetzt die Jet-Impulse (beliebig) in kollineare Impule (p und p0 ) und weiche Impulse(kL und kR ) aufteilen, so gilt n+ n− + (n− p + n− kL ) , pL ' (n+ p) 2 2 n+ n− pR ' (n− p0 ) + (n+ p0 + n+ kR ) , (II.264) 2 2 so dass in ar y T '1−2 p2L + p2R p2 + p0 2 (n+ p)(n− kL ) + (n− p0 )(n+ kR ) = + s s s p2 + p0 2 (n− kL ) + (n+ kR ) √ + . ' s s eli m τ =1−T = (II.265) Für die gesuchte Funktion F (µ, s, τ ) erwarten wir deshalb eine Faktorisierung gemäß folgender Konvolution F (µ, s, τ ) = Z 2 0 2 2 0 2 dp d(p ) J(µ, p ) J(µ, (p ) ) p2 + p0 2 k −√ s s dk ST (µ, k) ! , (II.266) pr ×δ τ − Z welche (für gegebenen Wert von τ ) über alle Möglichkeiten integriert, den Jet-Impuls in kollineare und weiche Freiheitsgrade aufzuteilen, wobei k ≡ (n− kL ) + (n+ kR ). – • Die sog. Jet-Funktion J(µ, p2 ) beschreibt dabei die Propagation der kollinearen (und anti-kollinearen) Teilchen undphängt nur von der invarianten Masse des √ √ kollinearen Teilchens ab. Für µ ∼ p2 ∼ τ s ΛQCD können wir die JetFunktion perturbativ ausrechnen, ohne dass große Logarithmen auftreten können. • Die Funktion ST (µ, k) beschreibt die Dynamik der weichen Freiheitsgrade, wobei wir durch den Index T angedeutet haben, dass diese Funktion spezifisch für die Observable Thrust definiert/gemessen werden muss. 143 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) II.7.4.1 Die Jet-Funktion J(µ, p2 ) Um obige Faktorisierung im Detail zu verstehen, können wir das optische Theorem für die Erzeugung von soften und kollinearen Partonen durch den effektiven Strom in SCET verwenden, d.h. wir gehen vom Imaginärteil der Vorwärtsstreuamplitude aus. Wenn wir die redefinierten Felder Ξc,c̄ (x) verwenden, wissen wir, dass in führender Ordnung bzgl. √ τ die weichen, kollinearen und anti-kollinearen Felder entkoppeln. Demnach ergibt sich die Jet-Funktion aus (der Fourier-Transformierten von) dem Erwartungswert der † beteiligten kollinearen Felder in Jeff (0) und Jeff (x), so dass 1 Im i π Z d4 xe−ipx h|T (Ξ̄c Wc )(x) n/+ (Wc† Ξc )(0) |0i , 2 – J(µ, p2 ) ∝ (II.267) 1 ar y wobei wir auch in den Wilson-Linien W jeweils die redefinierten Gluon-Felder benutzen. In führender Ordnung Störungstheorie können wir die Wilson-Linien zunächst vernachlässigen, und wir erhalten nichts weiter als den Imaginärteil des Quarkpropagators in SCET. Wenn wir insbesondere den Normierungsfaktor zu 1/(n+ p) wählen, erhalten wir eine Lorentz-Boost–invariante Definition, die sich zu −1 1 1 J(µ, p2 ) ' Im δ(n− p + p2⊥ /(n+ p)) = δ(p2 ) = 2 n+ p π n+ p n− p + p⊥ /(n+ p) + i (II.268) " in # eli m ergibt, was gerade die Tatsache reflektiert, dass in führender Ordnung p2 = m2q = 0 gilt, so dass sich die Faktorisierungsformel zu F (µ, s, τ ) = Z k dk ST (µ, k) δ τ − √ s √ = ST (µ, τ s) + O(αs ) (II.269) – pr reduziert. Wir sehen bereits aus dem führenden Ausdruck, dass die Jet-Funktion als mathematische Distribution in der Faktorisierungsformel auftritt, d.h. immer nur bezüglich Konvolution mit einer Testfunktion (in unserem Fall der soften Funktion S(k, µ) mit k = k(p2 , (p0 )2 )) zu verstehen ist, mit potentiell singulärem Verhalten bei p2 = m2q = 0. Die Strahlungskorrekturen zur Jet-Funktion ergeben sich aus der Taylor-Entwicklung der Wilson-Linien sowie den Feynman-Regeln der kollinearen Lagrangedichte, Die Rechnung für die O(αs ) Korrekturen in dimensionaler Regularisierung liefert divergente Terme der Form 1 1 Im 2 π p + i0 " 144 ( 1 1 1 −p2 − i0 , ln , 2 µ2 )# , II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) wobei die quadratischen Terme in 1/, sowie die 1/ ln µ2 –Terme (in Feynman-Eichung) gerade aus den Diagrammen mit den Wilson-Linien resultieren. Entsprechend ergeben sich nach Renormierung endliche Terme der Form 1 1 Im 2 π p + i0 " 2 −p2 − i0 2 −p − i0 1 , ln , ln µ2 µ2 ( )# . Z M2 dp ≤0 2 " f (p2 ) − f (0) −p2 − i ln =− 2 p µ2 # und einen Beitrag, bei dem das Integral 1 f (0) Im π Z M2 ≤0 Z M2 1 −p2 − i 1 dp 2 ln = f (0) Im 2 p + i µ π 2 " f (p2 ) − f (0) p2 # (II.270) Z x0 = M 2 µ2 ≤0 dx ln(−x − i) (II.271) x + i in zu berechnen ist. dp 0 2 ar 1 Im π y – An dieser Stelle müssen wir bedenken, dass das Ergebnis für die Jet-Funktion noch in die Konvolutionsformel einzusetzen ist, d.h. noch mit einer (bei p2 → 0 regulären) Testfunktion f (p2 ) integriert wird. Ein Standardtrick besteht darin, die Testfunktion als f (p2 ) − f (0) + f (0) zu schreiben. Für den ersten Summand ergibt sich dann ein reguläres Integral bei p2 → 0; im zweiten Summand können wir die p2 -Integration explizit ausführen, wobei die Singularität bei p2 → 0 im Beitrag zum Imaginärteil integrabel ist. Z.B. erhält man für den einfach logarithmischen Term einen Beitrag, der sich als “plus”– Distribution schreiben lässt: eli m Wir können dazu z.B. ln(−x − i)/(x + i) = − 12 d ln2 (−x − i + a)/da|a→0 mit 0 ≤ a < x0 schreiben, so dass Z x0 Z x0 1 ln(−x − i) d 1 1 Im dx =− Im dx ln2 (−x − i + a)a→0 π x + i da π 2 ≤0 ≤0 Z x0 d = dx ln(x − a) θ(x − a) da ≤0 d {(x0 − a)(ln(x0 − a) − 1)}a→0 = da = − ln(x0 − a)a→0 = − ln x0 . (II.272) pr Somit erhalten wir zusammengefasst, für den trivialen Term: 1 − Im π Z M2 dp2 ≤0 1 f (p2 ) = f (0) ≡ 2 p + i Z dp2 δ(p2 ) f (p2 ) , (II.273) und für den einfach logarithmischen Term in ln(−p2 ), – − = ≡ 1 Im π Z M2 dp2 ≤0 f (p2 ) −p2 − i ln p2 + i µ2 Z M2 f (p2 ) − f (0) p2 0 Z dp2 1 p2 [µ2 ] + f (0) ln f (p2 ) , M2 µ2 (II.274) ∗ 145 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) wobei wir als Abkürzung eine sog. modifizierte Plus-Distribution definiert haben. Analog erhält man für den quadratisch logarithmischen Term 1 − Im π = ≡ Z M2 dp2 ≤0 2 f (p2 ) 2 −p − i ln p2 + i µ2 Z M2 f (p2 ) − f (0) p2 0 Z p2 M 2 π2 2 ln 2 + f (0) ln2 2 − µ µ 3 " ln p2 /µ2 dp2 2 p2 #[µ2 ] ∗ ! π2 − δ(p2 ) f (p2 ) . 3 (II.275) – → Übung Mit diesen Vorüberlegungen können wir das Ergebnis für die αs Korrekturen zur JetFunktion (nach Renormierung) allgemein schreiben als 2 ΓJ ln µp 2 + γJ p2 ar J(µ, p2 ) = δ(p2 ) (1 + cJ ) + [µ2 ] y , (II.276) ∗ Aus der konkreten Rechnung der 3 Diagramme ergibt sich zur Ordnung αs α s CF 7 − π2 , 4π α s CF 4, 4π ΓJ ' γJ ' − in cJ ' α s CF 3. 4π (II.277) eli m Hierbei hängt die Funktion ΓJ = Γcusp wieder mit der cusp-anomalen Dimension zusammen. Da die 1/–Terme in der Berechnung der unrenormierten Jet-Funktion ebenfalls von ln(−p2 /µ2 ) abhängen, ergibt sich für die Jet-Funktion eine RG-Gleichung der Form dJ(µ, p2 ) p2 = −2ΓJ ln 2 − 2γJ J(µ, p2 ) + 2ΓJ d ln µ µ " # Z p2 0 dq 2 J(µ, p2 ) − J(µ, q 2 ) . (II.278) p2 − q 2 – pr Man beachte, dass im 2. Term die Jet-Funktionen J(µ, q 2 ) für alle Jet-Funktionen mit q 2 ≤ p2 in die RG-Gleichung eingehen, d.h. die RG-Gleichungen sind nicht mehr lokal in der Impulsvariablen p2 . Ein analoges Verhalten kennen wir auch aus den Partonverteilungsfunktionen in der DIS, bei der die Evolutionsgleichungen nicht-lokal in der Björken-Variablen (Partonimpulsbruchteil) x sind. Anstelle mit Distributionen J(µ, p2 ) zu rechnen, können wir die Laplace-Transformierten j̃(µ, ν) = Z ∞ 0 dp2 e−νp J(p2 , µ) 2 (II.279) betrachten, welche gewöhnliche Funktionen des zu p2 Laplace-konjugierten Parameters ν sind, wobei in führender Ordnung einfach j̃(µ, ν) = 1 (man beachte, dass J(p2 , µ) nur Impulse p2 ≥ 0 involviert). Die inverse Laplace–Transformation lautet dabei J(µ, p2 ) = 146 1 2πi Z c+i∞ c−i∞ 0 2 dν 0 eν p j̃(µ, ν 0 ) (II.280) II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) mit c > 0 (allgemein: Kontur rechts von allen Diskontinuitäten). Schauen wir uns zunächst die Laplace-Transformierte des O(αs )-korrigierten Resultats für die Jet-Funktion an: j̃(µ, ν) ' (1 + cJ ) + Z ∞ 0 dp2 e 2 ΓJ ln µp 2 + γJ p2 −νp2 [µ2 ] (II.281) ∗ Um das Integral zu berechnen, müssen wir das Integrationsintervall künstlich aufteilen, 2 dp e 2 ΓJ ln µp 2 + γJ p2 −νp2 0 [µ2 ] + ∗ Z∞ 2 2 −νp2 dp e ΓJ ln µp 2 + γJ M2 , – j̃(µ, ν) ' 1 + cJ + ZM 2 p2 (II.282) 0 = dp2 e Z M2 0 2 ΓJ ln µp 2 + γJ p2 −νp2 ∗ 2 ΓJ ln p 2 µ 1 p2 dp2 e−νp − 2 [µ2 ] eli m und + γJ Z ∞ 2 −νp2 dp e M2 1 2 M2 M2 ln + γJ ln 2 (II.283) 2 2 µ µ in Z M2 ar y wobei wir im 2. Term verwendet haben, dass der Pol bei p2 = 0 nicht im Integrationsgebiet liegt, und wir deshalb die modifizierte Plus-Distribution wieder durch die normale Funktion ersetzen können. Für die einzelnen Beiträge sind dann wohldefiniert, + ΓJ 2 ΓJ ln µp 2 + γJ p2 . (II.284) Zusammengefasst erhält man durch Bestimmung der Integrale j̃(µ, ν) ' 1 + cJ + ΓJ 1 2 2 γE π2 ln (µ e ν) + 2 12 ! − γJ ln(µ2 eγE ν) . (II.285) pr Damit hat die Laplace-Transformierte eine analoge Form wie die harte Koeffizientenfunktion, und entsprechend erhält man wieder eine lokale Evolutionsgleichung, dj̃(µ, ν) 1 = −2ΓJ ln 2 γ − 2γJ j̃(µ, ν) , d ln µ µ νe E (II.286) – mit der entsprechenden Lösung wie für die harte Funktion. Um daraus wieder das resummierte Resultat für die ursprüngliche Jet-Funktion zu erhalten, muss man eine inverse Laplace-Transformation durchführen. Dies lässt sich bewerkstelligen, wenn man realisiert, dass die Laplace-Transformierte Jet-Funktion eine 1 Funktion der logarithmischen Variable L = ln µ2 νe γE ist, so dass j̃(µ, ν) −→ j̃(µ, L = ln 1 ). µ2 νeγE 147 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Weiterhin soll die Potenzreihe in der Variable L durch Ableitungen bzgl. der Variablen ηj ≡ 2AΓ (µj , µ) = −ΓJ ln µ2 ≥0 µ2j (für µ ≤ µj ∼ p p2 ) , generiert werden, wobei die Funktion AΓ (µj , µ) bereits bei der Evolution des MatchingKoeffizienten definiert wurde. Behauptung: Das allgemeine Ergebnis hat dann die Form p2 µ2j !ηj e−γE ηj , (II.287) Γ(ηj ) – 1 J(µ, p2 ) = exp [−4S(µj , µ) + 2AJ (µj , µ)] j̃(µj , L → ∂ηj ) 2 p y wobei die Funktion AJ analog zu AC mit γJ anstelle von γC zu berechnen ist. Beweis: Wir berechnen j̃(µ, ν) aus der obigen Formel für J(µ, p2 ) durch Laplace-Trafo und zeigen, dass die so berechnete Funktion die DGL für j̃ mit gegebener Anfangsbe√ dingung bei µj ∼ τ s erfüllt. Somit Z ∞ dp2 e ar e−γE ηj j̃(µ, ν) = exp[−4S + 2AJ ] j̃(µj , L → ∂ηj ) Γ(ηj ) 0 −νp2 | 1 µ2j ν Γ(ηj ) in = exp[−4S + 2AJ ] j̃(µj , L → ∂ηj ) e−γE ηj 1 p2 p2 µ2j {z !ηj !ηj } Γ(ηj ) = exp [−4S + 2AJ ] j̃(µj , L → ∂ηj ) exp[ηj · L] . (II.288) eli m Da der Ableitungsoperator jetzt einfach auf die Exponentialfunktion mit innerer Ableitung L wirkt, können wir ∂ηj wieder durch L ersetzen (und den Wert von ηj dann wieder durch AJ ausdrücken) und erhalten somit j̃(µ, ν) = exp [−4S + 2AJ ] j̃(µj , L) exp[2AJ L] = exp [−4S + 2AJ ] j̃(µj , L) 1 2 µ νeγE −2AJ , (II.289) pr was gerade der analogen Form der Lösung wie im Fall des harten Matchingkoeffizienten entspricht. In der LLA können wir j̃ = 1 und AJ = 0 setzen (aber ηj 6= 0), und erhalten 1 J(µ, p ) ' exp [−4S(µj , µ)] 2 p 2 p2 µ2j !ηj e−γE ηj . Γ(ηj ) (II.290) – Anmerkungen: • Die Definition der Jet–Funktion und die störungstheoretische Berechnung der αs – Korrekturen sowie die Aufsummation der Logarithmen ln p2 /µ2 ist völlig allgemein. Das Resultat für J(µ, p2 ) kann deshalb in allen Anwendungen benutzt werden, bei denen (masselose) Quarks mit grossem Relativimpuls erzeugt werden und als hadronische Jets beobachtet werden (Beispiel: Der inklusive Zerfall B → Xs γ oder B → Xu `ν). 148 II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) • Für µ → µj in (II.290) erhalten wir wieder 1 J(µj , p2 ) ' lim 2 ηj →0 p p2 µ2j !ηj e−γE ηj = δ(p2 ) Γ(ηj ) (II.291) – p √ √ • Die RG-Evolution von µj ∼ p2 ∼ τ s nach µ ' µs ∼ τ s generiert aus der ursprünglich um p2 = 0 konzentrierten Jetkonfiguration J(µj , p2 ) ' δ(p2 ) dann also eine Funktion mit einer kontinuierlichen Verteilung in p2 , die bei p2 → 0 schwächer als 1/p2 divergiert. II.7.4.2 Die softe Funktion ST (µ, k) y In der soften Funktion ST absorbieren wir die effekte der weichen Gluonen (und Quarks). In führender Ordnung tragen dabei zum zeitgeordneten Produkt der Stromoperatoren nur die soften Wilson-Linien bei, die wir benutzt hatten, um die soften und kollinearen Felder in der führenden SCET-Lagrangedichte zu entkoppeln. D.h. 2 X hX|Ys† Ys̄ |0i δ(k − n− pX − n+ pX ) ar ST (µ, k) = X (II.292) in √ • Wenn die softe Skala µs ∼ τ s noch groß gegen ΛQCD ist, können wir die softe Funktion perturbativ berechnen. eli m • In jedem Fall erhalten wir aus dem UV-Verhalten des definierenden Operators wieder eine RG-Gleichung für ST (µ, k). Diese muss insbesondere gewährleisten, dass die µ-Abhängigkeit der harten Koeffizientenfunktionen und der Jet-Funktionen kompensiert wird. (vgl. mit Übung). Man erhält wieder eine nicht-lokale Gleichung dST (µ, k) k = 4Γcusp ln − 2γS ST (µ, k) − 4Γcusp d ln µ µ Z k 0 dk 0 ST (µ, k) − ST (µ, k 0 ) , k − k0 (II.293) die analog zur Jet-Funktion gelöst werden kann. Hierbei muss und entsprechend AS (µ0 , µ) = AH (µ0 , µ) − 2AJ (µ0 , µ) (II.294) pr γS = γH − 2γJ gelten. – • Wenn die softe Skala nicht-perturbativ ist, kann man die softe Funktion parametrisieren und an die experimentellen Observablen fitten. Da die softe Funktion wieder universell ist, ergeben sich dadurch nicht-triviale Vorhersagen für Messungen bei verschiedenen Werten von s. Eine einfache Möglichkeit, das bekannte perturbative Verhalten mit einer nicht-perturbativen Funktion zu reproduzieren, besteht darin, das perturbative Ergebnis (d.h. die softe Funktion für quasi-freie gluonische Partonen) mit einer einfachen Ansatzfunktion zu falten, S(µ, k) := Z dk 0 Spert. (k − k 0 , µ) fNP (k 0 ) 149 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) Ein einfaches 1-Parameter Modell ergibt sich z.B. aus fNP (k 0 ) = δ(k 0 − λ), so dass S(µ, k) = Spert. (µ, k − λ), was einer einfachen Verschiebung entlang k um einen Betrag λ ∼ O(100 MeV) entspräche. 2-Parameter–Modelle lassen sich entsprechend aus einer Gauss-Verteilung für fNP (k 0 ) konstruieren. II.7.4.3 Zusammenfassung: Z 2 0 2 2 02 dp d(p ) J(µ, p ) J(µ, p ) Z das Resultat −ν̂τ dτ e 0 1 dσ = H(µ, s) σ0 dτ Z 2 0 2 2 02 dp d(p ) J(µ, p ) J(µ, p ) Z dk ST (µ, k) e −ν̂ ar Z ∞ p2 + p0 2 k dk ST (µ, k) δ τ − −√ s s y 1 dσ = H(µ, s) σ0 dτ – Mit den obigen Ingredienzien können wir die Faktorisierung der Thrust-Verteilung und die Resummation der großen Logarithmen in τ in der Störungstheorie analytisch beschreiben. Insbesondere ergibt sich für die Laplace-Transformierte der Thrust-Verteilung aus = H(µ, s) j̃(µ, ν̂/s) 2 p2 +p0 s 2 ! , + √ks √ s̃T (µ, ν̂/ s) , (II.295) eli m in d.h. im Laplace-Raum wird die Faktorisierung durch ein einfaches Produkt von harten Koeffizientenfunktion und Laplace-transformierten Jet- und Soften-Funktionen beschrieben. Hierbei ist ν̂ ∼ 1/τ . (II.296) Die RG-Evolution der einzelnen Funktionen zwischen den typsichen Skalen lautet s H(µ, s) = H(µh , s) exp [4S(µh , µ) − 2AH (µh , µ)] µ2h !−2AΓ (µh ,µ) ν̂ ν̂ s j̃(µ, ) = j̃(µj , ) exp [−4S(µj , µ) + 2AJ (µj , µ)] 2 s s µj ν̂eγE , !2AΓ (µj ,µ) pr ν̂ ν̂ s s̃T (µ, √ ) = s̃T (µs , √ ) exp [4S(µs , µ) + 2AS (µs , µ)] s s µ2s ν̂ 2 e2γE −2AΓ (µs ,µ) (II.297) Aufgrund der Kompositionseigenschaft der Evolutionsfunktionen, S(µ1 , µ3 ) = S(µ1 , µ2 )+ S(µ2 , µ3 ) vereinfachen sich die Terme im Produkt entsprechend, z.B. – 4S(µh , µ) − 2 · 4S(µj , µ) + 4S(µs , µ) = 4S(µh , µj ) − 4S(µj , µs ) , (II.298) so dass sich die µ-Abhängigkeit explizit aufhebt. Mit AS = AH −2AJ ergibt sich weiterhin −2AH (µh , µ) + 2 · 2AJ (µj , µ) + 2AS (µs , µ) = −2AH (µh , µs ) + 4AJ (µj , µs ) = −2AH (µh , µj ) − 2AS (µj , µs ) , (II.299) 150 II.7 Jets in e+ e− nach Hadronen (Blockkurs) was wiederum unabhängig von µ ist. Entsprechend erhalten wir für die s- und ν-Abhängigkeit s−2AΓ (µh ,µ)+4AΓ (µj ,µ)−2AΓ (µs ,µ) = s−2AΓ (µh ,µj )+2AΓ (µj ,µs ) , (νeγE )−4AΓ (µj ,µ)+4AΓ (µs ,µ) = (νeγE )−4AΓ (µj ,µs ) . (II.300) Bestimmung von αs aus Thrust-Verteilung bei LEP: Eine aktuelle Anwendung dieser Methoden (zur N 3 LL Genauigkeit) führt zu einer sehr genauen Bestimmung der starken Kopplungskonstanten aus den bei LEP gemessenen Thrust-Verteilungen [7], – pr eli m in ar y – αs (mZ ) = 0.1772 ± 0.0010stat. ± 0.0008sys. ± 0.0012had ± 0.0012pert. 151 II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) II.8 Ausblick / Weiter Anwendungen der renormierten Störungstheorie und Faktorisierung • Hadronen mit schweren Quarks (Faktorisierung von harten Fluktuationen des schweren Quarks von weichen Effekten einer quasi-statischen Farbquelle → “heavy quark effective theory” – HQET) • Strahlungskorrekturen zu elektroschwachen Präzisionsobservablen, z.B. mW /mZ vs. cos θW . – pr eli m in ar y – • Präzisionsvorhersagen für Erzeugung und Zerfall von Teilchen am LHC. 152 Literaturverzeichnis [1] Michael E. Peskin, Daniel V. 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