12_ auditive Wahrnehmung

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Von Lärm zu Klang:
auditive Wahrnehmung und Lokalisation
VL Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, Dipl.-Psych. S. Raisig, Humboldt Universität Berlin, WS 2008/2009
Auditive Wahrnehmung
• Funktion / Bedeutung
– Warnsystem / Signalisieren von Ereignissen
– emotionale / kommunikative Komponente: Musik und Sprache
• Problembereiche der auditiven Wahrnehmung
–
–
–
–
reine Töne vs. komplexe Töne
Wahrnehmung subjektiver Lautheit
auditive Lokalisation
(Sprachwahrnehmung)
Grundlagen: Schallausbreitung
• mechanische Schwingungen gehen von Schallquelle aus
Schallausbreitung: Schwingung der
Lautsprechermembran erzeugt Muster aus
hohem und tiefem Luftdruck
à Schallwellen: Schwingungen im
hörbaren Bereich
Hören
• reine Töne: Schwingungen mit sinusförmigem Verlauf
Amplitude (in dB): Schalldruckpegel
à Lautstärke
Frequenz (in Hz) : Anzahl der
Schwingungen pro Sekunde à
Tonhöhe
z.B. reiner Ton mit 1000 Hz = 1000
Schwingungen pro Sekunde
Hörbar: Töne zwischen 20 und
20.000 Hz
Hörbeispiele
Erhöhung Amplitude
Erhöhung Frequenz
Hörfläche
• Darstellung des für uns hörbaren Spektrums
• enthält Frequenzen und Amplituden der Schwingungen
Hörschwelle: ab wann ist Ton
hörbar?
Schwelle abhängig von der
Frequenz & Amplitude
Höchste Empfindlichkeit bei 2000 –
4000 Hz
Änderung der Hörschwelle
• Schall aus verschiedenen Quellen erreicht Ohr
• Schallanteile aus einer Quelle können andere Schallanteile
überlagern: werden vermindert (oder gar nicht mehr) wahrgenommen
• à Maskierung (Verdeckung)
• Beispiel: Unterhaltung an einer befahrenen Straße
• à Hörschwelle eines Signals wird durch gleichzeitige
Anwesenheit eines weiteren Signals angehoben
Frequenzbänder
• Töne werden durch andere Töne mit ähnlicher Tonhöhe
verdeckt.
• à Zur Maskierung eines einzelnen Sinustons tragen nur
bestimmte Frequenzen innerhalb einer kritischen Bandbreite
um den Testton bei.
– Breite dieses Frequenzbandes hat für jede Frequenz eines
Testtons einen festen Wert
– = kritische Bandbreite
Maskierungsversuche
• H. Fletcher (1940): „Band-Widening“ – Experiment
• Rauschband und Sinuston gleichzeitig dargeboten.
Rauschband Mittenfrequenz 400Hz, Bandbreite 40 Hz
Rauschband Mittenfrequenz 400Hz, Bandbreite 100 Hz
• Durchführung: Für die verschiedenen Bandbreiten wird jeweils die
Hörschwelle des Sinustons gemessen.
Maskierungsversuch
• Ergebnis:
• Hörschwelle für Sinuston steigt mit
größerer Bandbreite an - aber nur bis
bestimmte Grenze erreicht
• Die Bandbreite, ab der sich die
Mithörschwelle nicht weiter erhöht,
entspricht der kritischen Bandbreite.
•
•
Kritische Bandbreiten sind von der Frequenz abhängig
werden mit höherer Frequenz des Testtons größer
Making Music
• Reine Töne im alltäglichen Hörerleben selten
• komplexe Schallereignisse auch in der Musik
• Töne auf Klavier sind in aufsteigender Frequenz von links
nach rechts angeordnet: 27,5 – 4186 Hz
Durtonleiter
komplexe Schwingung
• auf Klavier Kammerton a‘ (440 Hz)
• setzt sich zusammen aus einem Grundton
• und Obertönen (Partialtöne)
Resultat: komplexe Schwingung
• komplexe Schwingung lässt sich in ihre Teilschwingungen zerlegen
(Fourieranalyse)
das Ohr
• das Ohr wandelt Schallwellen in ein neuronales Signal um
• Schon geringste Schwingungen
bewirken Trommelfellvibrationen
• Die Gehörknöchelchen (Hammer,
Amboss, Steigbügel) übertragen die
Schwingung aus der Luft in
flüssige Umgebung
• Cochlea: Struktur im Innenohr à
enthält Basilarmembran &
Haarzellen
Mechanismus der Transduktion
• Flüssigkeit in Cochlea in Schwingung versetzt
• Schwingung überträgt sich auf Basilarmembran
Basis
(Cochlear ausgerollt)
Apex
•
durch Schwingung
werden Haarzellen
ausgelenkt
•
chemische Transmitter
werden ausgeschüttet
•
neuronales Signal ans
Gehirn
http://www.hhmi.org/biointeractive/neuroscience/animations.html
Kodierung der Tonhöhe: Ortstheorie
• Ausbreitung einer Welle über Basilarmembran: Wanderwelle
• Welle erreicht an einer bestimmten Stelle ihren Gipfel
•
Ap
ex
Bas
is
•
•
dort stärkste Auslenkung der
Haarzellen
senden stärkere Signale als
Haarzellen an anderen
Stellen
Gipfel je nach Frequenz an
einem bestimmten Ort auf
der Basilarmembran
à Tonhöhe (Frequenz) wird in Ortscode umgewandelt!
Tonotope Karte der Cochlea
• Frequenzen sind entlang der gesamten Membran angeordnet
tiefe Frequenzen am Apex
hohe Frequenzen an Basis
Frequenz-Tuningkurven
• Es werden aber viele Haarsinneszellen ausgelenkt – nicht nur
die an der auf der Membran und nicht nur die am Gipfel der
Wanderwelle!
• Gilt Ortstheorie trotzdem?
Russell & Sellick (1977): einzelne
Haarsinneszellen sprechen nur auf
einen schmalen Frequenzbereich an
à Frequenz-Tuningkurve
Frequenz-Tuningkurven
•
Feststellung aller Frequenz-Tuningkurve
à die nötigen
Mindestlautstärken, damit
eine Zelle feuert und ein Ton
gehört wird, folgen der Form
der Hörschwellenkurve
auditorischer Kortex
• primärer auditorischer Kortex im Temporallappen
• auch hier: tonotope Anordnung
• Neurone für niedrige Frequenzen
links im Areal AI
• Anordnung in Säulen
Schalldruck und Lautstärke
• subjektive Empfindung der Lautstärke (Intensität) = Lautheit
• abhängig von Frequenz und Schalldruckpegel
• Kurven gleicher Lautstärke:
Isophone
• Töne auf einer Kurve als subjektiv
gleich laut wahrgenommen
• Einheit Phon (Barkausen, 1926)
• Referenzton 1000 Hz
Lautheitsskala
• Lautheitsskala mit Hilfe der Methode der Größenherstellung
(Stevens, 1956)
• Einheit: Sone
• 1 Sone = Ton mit 1000 Hz und 40 dB
• Beziehung zwischen Lautheit in Sone (N) und
Schalldruckpegel (Lp) durch Potenzfunktion beschreibbar:
N [ Sone] = k × Lp
0 ,6
wobei k = Konstante
à Verdopplung der subjektiven Lautheit nicht bei Verdopplung des
Schalldruckpegels sondern bei Erhöhung um 10 dB.
Auditive Lokalisation
•
•
Erkennen, woher Schallsignale kommen
Beste Lokalisation: Schallquelle direkt vor Kopf
Kugelförmiges Koordinatensystem
3 Achsen:
1. Azimutalebene: Horizontale Plane
auf Höhe der Ohren
2. Vertikalebene (Erhebung)
3. Entfernung
Auditive Lokalisation
Entfernung r
auf Horizontalebene θ = 0°.
direkt über Kopf θ = 90°.
Geradeaus vor Kopf ϕ = 0°
hinter Kopf ϕ = 180°
neben Kopf ϕ = 90°
Bestimmung des Azimutalwinkels
1. Interaurale Zeitdifferenz:
Zeitlicher Unterschied mit dem Schallwellen
an den Ohren eintreffen (bis zu 666 ms)
Problem: mehrere Orte führen zu identischer
interauraler Zeitdifferenz
Orte auf Kegelmantel:
Lokalisationsverwechslungen
2. Interaurale Pegeldifferenz:
abgewandtes Ohr erhält schwächeres
Signal.
à Duplextheorie des Richtungshörens (Lord Rayleigh, 1907)
Bestimmung des Erhebungswinkels
• ϕ = 0° (Schallquelle direkt vor Kopf)
– à keine interaurale Zeit- oder Pegeldifferenz
• Ortsänderung durch Erhebung trotzdem wahrnehmbar
• à Form der Ohrmuschel verändert Schallsignal (Resonanz)
abhängig vom Erhebungswinkel
Bestimmung der Entfernung
• nahe Schallquellen
– große interaurale Pegeldifferenzen
– z.B. ϕ = 90°, Frequenz 500 Hz, Pegeldifferenz bei 1 m
Entfernung = 40 dB
– gute Entfernungsschätzung
• entfernte Schallquellen (außerhalb motorischer Reichweite)
– Entfernungswahrnehmung nicht so gut
– meist unterschätzt
Lokalisationsneurone im Kortex
• Zellen, die auf kleine Richtungsabschnitte relativ zum Kopf
reagieren
• hörraumbezogene rezeptive Felder
– Zellen mit rezeptiven Feldern für bestimmte Ort im Raum
• Beim Rhesusaffen
– Detektoren für interaurale Zeitdifferenz
– Neurone für Orte im Hörraum
– viele Funktionen noch nicht bekannt.
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