des Skripts - Statistische Physik

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Einführung in die Plasma- und
Astrophysik
Masterkurs Physik, Modul 19S
Vertiefungsrichtung Moleküle, Cluster, Plasmen
Vorlesungsskript
von
Prof. Dr. Ronald Redmer
unter Mitarbeit von Dr. Nadine Nettelmann, Andreas
Becker, Mandy Bethkenhagen, Robert Steinbeiß
Universität Rostock
Institut für Physik
D-18051 Rostock
1
1
Draft-Version vom 23. Juli 2012. Das Skript ist leider noch nicht ganz vollständig.
ii
Inhaltsverzeichnis
1 Der
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
Plasmazustand
Einführung und Definitionen . . . . . . . . . . . .
Plasmaparameter und Beispiele . . . . . . . . . . .
Stoßwellenexperimente . . . . . . . . . . . . . . . .
Ableitung der Hugoniot-Gleichungen . . . . . . . .
Deposition intensiver Laser- oder Teilchenstrahlen
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2 Plasmen als Fermi-Systeme
2.1 Quantenstatistische Beschreibung . . . . . .
2.2 Impulsverteilung und Fermi-Integrale . . . .
2.3 Abschirmung der Coulomb-Wechselwirkung
2.3.1 Das abgeschirmte Potenzial . . . . .
2.3.2 Die Abschirmlänge . . . . . . . . . .
2.4 Selbstenergie eines Teilchens im Plasma . .
2.4.1 Quasiteilchenkonzept . . . . . . . . .
2.4.2 Thermodynamische Funktionen . . .
2.4.3 Eigenvolumen der Teilchen . . . . .
2.5 Chemisches Bild: Partiell ionisierte Plasmen
2.6 Bethe-Salpeter-Gleichung und Mott-Effekt .
2.7 Saha-Gleichung und Massenwirkungsgesetz
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3 Kinetische Theorie
3.1 Die Boltzmann-Gleichung . . . . . . . .
3.2 Eigenschaften der Boltzmann-Gleichung
3.3 Gleichgewichtslösung fp0 . . . . . . . . .
3.4 Das Boltzmannsche H-Theorem . . . . .
3.5 Relaxationszeitnäherung . . . . . . . . .
3.6 Das Chapman-Enskog-Verfahren . . . .
3.7 Ziman-Formel . . . . . . . . . . . . . . .
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4 DFT-MD-Simulationen
4.1 Born-Oppenheimer-Näherung . . . . . . . . . .
4.2 Klassische Molekulardynamik . . . . . . . . . .
4.3 Theoreme von Hohenberg und Kohn . . . . . .
4.3.1 1. Theorem von Hohenberg und Kohn .
4.3.2 2. Theorem von Hohenberg und Kohn .
4.3.3 Erweiterung für endliche Temperaturen
4.4 Kohn-Sham-Theorie . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.1 Austausch-Korrelationsfunktional . . . .
4.4.2 Variationsableitung einer Funktion . . .
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iv
INHALTSVERZEICHNIS
4.5
4.4.3 Local Density Approximation (LDA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.4 Generalized Gradient Approximation (GGA) . . . . . . . . . . . . . .
Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 Plasmadiagnostik und Laser-Plasma-Wechselwirkung
5.1 Thomson-Streuquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Der dynamische Strukturfaktor . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Die dielektrische Funktion ε(~k, ω) . . . . . . . . . . . . .
5.4 Die klassische dielektrische Funktion . . . . . . . . . . .
5.5 Longitudinale Plasmaschwingungen, Landau-Dämpfung
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6 Plasma- und Astrophysik
6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Masse-Radius-Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.1 Gravitationsfeld in sphärischer Geometrie . . . . . .
6.2.2 Lane-Emden-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.3 Masse-Radius-Relation für Polytropen . . . . . . . .
6.3 Planetenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4 Planetenatmosphären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.1 Das Photonengas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4.2 Opazität (Absorptionsvermögen) . . . . . . . . . . .
6.4.3 Momente des Strahlungsfeldes . . . . . . . . . . . . .
6.4.4 Die bestrahlte Planetenatmosphäre . . . . . . . . . .
6.4.5 Strahlungstransportgleichungen für die plan-parallele
6.4.6 Visueller Bereich (Einstrahlung durch den Stern) . .
6.4.7 Infrarot-Bereich (Abstrahlung vom Planeten) . . . .
6.4.8 Das Temperatur–Druck - Profil . . . . . . . . . . . .
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Vorwort
Das Manuskript zu der Vorlesung Einführung in die Plasma- und Astrophysik entstand in den
Jahren 2010-2012, nachdem der bisherige Diplomstudiengang Physik durch einen aufeinander
abgestimmten Bachelor- und Masterstudiengang auch an der Universität Rostock ersetzt
wurde. In diesem Zusammenhang wurden erhebliche Veränderungen und Erweiterungen der
bis dahin wahlobligatorischen Vorlesung zur Plasmaphysik notwendig. Insbesondere sind die
Kapitel zu Ab-initio-Simulationen, zur Plasmadiagnostik und zur Astro- und Planetenphysik
neu erarbeitet und ergänzt worden.
Im 1. Kapitel wird eine Einführung in die Plasmaphysik gegeben, Beispiele und Anwendungen erläutert sowie wichtige Plasmaparameter definiert. Im 2. Kapitel werden Plasmen als
Fermionensysteme mit Hilfe von Methoden der Statistischen Physik behandelt und Konzepte
wie Abschirmung der Coulomb-Wechselwirkung, Bildung und Zerfall von Bindungszuständen
und Massenwirkungsgesetze für Ionisation und Dissoziation eingeführt. Im 3. Kapitel wird die
kinetische Theorie behandelt. Als zentrale Gleichung wird die Boltzmann-Gleichung abgeleitet; Methoden zu ihrer Lösung werden diskutiert. Ergebnisse zu den Transportkoeffizienten
wie etwa der elektrischen Leitfähigkeit in dichten Plasmen werden erhalten und diskutiert.
Im 4. Kapitel werden die Grundlagen von Quantenmolekulardynamiksimulationen besprochen, einem modernen und erfolgreichen theoretischen Werkzeug speziell zur Behandlung
dichter Plasmen. Das 5. Kapitel widmet sich Methoden der Plasmadiagnostik, speziell der
Röntgen-Thomson-Streuung. Dazu werden einige Aspekte der Licht-Materie-Wechselwirkung
behandelt und eine Einführung in die Theorie der dielektrischen Funktion gegeben. Das 6.
Kapitel stellt eine Verbindung zwischen der Plasmaphysik und Planetenphysik her. Methoden zur Berechnung des inneren Aufbaus von Planeten und ihrer Entwicklung (thermische
Evolution) werden vorgestellt. Die Strahlungsbilanz in Planetenatmosphären wird behandelt
und ein Druck-Temperaturprofil abgeleitet. Anwendungen auf die solaren und extrasolare
Planeten schließen sich an.
Ich hoffe, die Studentinnen und Studenten des Masterkurses Physik an der Universität Rostock finden dieses Skript zum Erlernen und zur Nachbearbeitung der Vorlesung zur Plasmaund Astrophysik hilfreich. Für Anregungen und Hinweise bin ich dankbar.
Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei meinen Studenten und Assistenten bedanken,
die zur Vorlesung und Übung kreativ beigetragen haben sowie beim Erarbeiten der Spripte
behilflich waren. Ich danke Dr. Nadine Nettelmann, Dr. Martin French, Dr. Bastian Holst,
Ulrike Kramm, Robert Püstow, Georg Wittig, Robert Steinbeiß, Mandy Bethkenhagen und
Dr. Winfried Lorenzen. Mein besonderer Dank gilt Andreas Becker, der diese Vorlesung vorbildlich begleitet und viele wertvolle Anregungen und Hinweise gegeben hat. Vielen Dank!
Rostock, 23. Juli 2012
Ronald Redmer
v
Kapitel 1
Der Plasmazustand
1.1
Einführung und Definitionen
Grundlagen:
Millikan 1910: Bestimmung der Elementarladung e = 1.60217653(14) × 10−19 C heutiger
Wert (Nobelpreis für Physik 1923)
Rutherford 1911: Streuversuch von α-Teilchen auf eine Gold-Folie (Nobelpreis für Chemie für
andere Arbeiten 1907)
Abbildung 1.1: Streuversuch nach Rutherford: α-Teilchen werden auf eine Goldfolie geschossen und abgelenkt. Die Ergebnisse deuten auf eine Ladungsverteilung im Atom aus schwerem
Kern und einer Hülle aus Elektronen hin.
• Unter dem Ablenkwinkel φ werden Teilchen pro Raumwinkelelement dΩ im Detektor
gemessen. Der differentielle Streuquerschnitt ergibt sich zu:
2
1
dσ
1
q0 qT
.
(1.1)
=
4 φ
dΩ
4 4πε0 mv02
sin ( 2 )
• Es wird Vorwärts- und Rückstreuung des einlaufenden Teilchens (Ladung q0 , Geschwindigkeit v0 ) an den Teilchen des Targets mit der Ladung qT beobachtet. Die α-Teilchen
kommen in den Bereich der Au-Kerne, so dass starke Stöße auftreten.
1
2
KAPITEL 1. DER PLASMAZUSTAND
Tabelle 1.1: Beispiele für Systeme mit elementaren Teilchen und Bindungszuständen.
System
elementare
Bindungs-
Hochdichte-Limes
Teilchen
zustände
Ionenplasma
e, i
Atome/Moleküle
Fermi-Flüssigkeit
Halbleiterplasma
e, h
Exzitonen
e-h-Flüssigkeit
Nukleonensysteme
p, n
Kerne
Kernmaterie
Vielquarksysteme
Quarks
Hadronen
Quark-Gluon-Plasma
• Die Abschätzung der Größe der Atomkerne ergibt ∼ 10−14 m, d.h. viel kleiner als der
Atomradius ∼ 10−10 m.
• Interpretation: Atome sind nicht elementar sondern bestehen aus einem positiv geladenen Kern und einer Hülle aus negativ geladenen Elektronen.
• Die Materie besteht aus geladenen elementaren Teilchen, die über das Coulomb-Potenzial
wechselwirken:
qc qd
.
(1.2)
Vcd (r) =
4πε0 |~rc − ~rd |
• Diese WW sorgt für Ladungsneutralität bereits auf atomaren Längenskalen. Für größere Abstände kann man sich Materie aus Neutralteilchen (Atome, Moleküle) aufgebaut
vorstellen, die als Bindungszustände aus positiv geladenen Kernen und negativ geladenen Elektronen aufgefasst werden können.
• Beispiele bzw. die Hierarchie von elementaren Teilchen“ und Bindungszuständen“,
”
”
die im Grenzfall hoher Dichten aufgebrochen werden können (Druckionisation, MottEffekt), ist in Tab. 1.1 dargestellt.
Saha und Eggert 1921: Thermodynamik für Plasmen → Anwendung für Aufbau von
Sternen und Sternatmosphären
• Ableitung von Massenwirkungsgesetzen für Ionisations- und Dissoziationsprozesse (siehe VL Theoretische Physik V: Thermodynamik)
• Beispiel: Ionisation/Rekombination im Wasserstoff-Plasma als Reaktion in einem thermodynamischen Dreikomponentensystem behandeln, H ↔ e + p, Eion = 13.6 eV, mit
der Teilchendichte nc = Nc /V der Sorte c,
µH
µid
c
nH
= µe + µp ,
= kB T ln
=
(1.3)
nc λ3c /σc
,
ne np λ3e exp(βEion )
(1.4)
.
(1.5)
• Inverse Temperatur β = 1/(kB T ) und thermische Wellenlänge der Sorte c = e, p, H:
λc =
2πβ~2
mc
1/2
.
(1.6)
• Die
Pinterne Zustandssumme σc in (1.4) beträgt z.B. σe = σp = 2 (Spin), σH = σspin σel ≈
4 nlm exp(−βEnlm ) (Atom), σH2 = σspin σel σrot−vib (Moleküle).
1.1. EINFÜHRUNG UND DEFINITIONEN
3
• Beispiel: Luft bei Raumtemperatur 300 K, nA ≈ 3 × 1025 m−3 , Eion ≈ 14.5 eV, Ladungsneutralität ni = ne ,
ni
ne
=
≈ 10−122
nA
nA
nH
exp(−βEion ) ∼ T 3/2 exp(−βEion ) .
n2e =
λ3
• Bei niedrigen Temperaturen gibt es fast keine freien Ladungsträger.
• Bei hohen Temperaturen steigt der Ionisationsgrad an, der Exponentialterm wird bei
etwa kB T ≈ 0.1Eion wichtig → thermische Ionisation.
• Bei hohen Temperaturen wird ein ionisiertes Gas erwartet.
• Bei geringen Dichten ist die Rekombinationsrate klein gegenüber der Ionisationsrate
(Hin- und Rückreaktion), da die Wahrscheinlichkeit für Dreiteilchenstöße stark abnimmt. Beispiel: Das dünne interstellare Gas mit ne ≈ 1 cm−3 ist vollständig ionisiert.
Langmuir und Tonks 1923: Ein Plasma ist ein System aus geladenen freien Teilchen.
• Der Plasmazustand wird traditionell als ionisiertes Gas bei hohen Temperaturen eingeführt und auch als 4. Aggregatzustand bezeichnet:
fest → flüssig → gasförmig → Plasma
• Die moderne Definition trifft aber auch auf kalte oder warme Systeme zu, zum Überblick
siehe Abb. 1.2.
• 99% der sichtbaren Materie im Universum ist im Plasmazustand.
• Astrophysik: Große Planeten wie Jupiter, Saturn (siehe Abb. 1.3), Uranus, Neptun und
die große Zahl der extrasolaren Planeten (08.04.2012: 763 Kandidaten; mehr Informationen sind im interaktiven Katalog www.exoplanet.eu zu finden), Braune Zwerge, Sterne
(Sonne, Weiße Zwerge, Rote Riesen etc.), Molekülwolken, Staubwolken, interstellares
Gas
• Magnetfusion mit Tokamaks wie beim International Tokamak Experimental Reactor
(ITER), siehe www.iter.org und Abb. 1.4, und Stellaratoren wie den Wendelstein W7X
am IPP Greifswald, siehe www.ipp.mpg.de/ippcms/de/for/projekte/w7x/index.html
und Abb. 1.5.
• Trägheitsfusion (ICF: Inertial Confinement Fusion) an der National Ignition Facility (NIF) in Livermore (siehe https://lasers.llnl.gov) oder dem Laboratoire Megajoule
(LMJ) in der Nähe von Bordeaux (siehe www-lmj.cea.fr/index-en.htm); Schema siehe
Abb. 1.6 und 1.7.
• Elektron-Loch-Plasmen in angeregten Halbleitern, Bindungszustände: Exzitonen
• Elektronengas in Metallen (auch bei T = 0 K als Plasma behandelbar)
• Laborplasmen: Gasentladungen (traditionelle Plasmaphysik)
• Plasmatechnik: moderne Lichtquellen, Displays, Plasma Processing, Plasmachemie, Plasmen für medizinische Anwendungen (z.B. Sterilisation, Wundheilung, Plasma-Skalpell)
• Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie Greifswald (INP, siehe www.inpgreifswald.de): Oberflächen und Materialien, Umwelt und Energie, Biologie und Medizin, Plasmadiagnostik und Modellierung
.
4
KAPITEL 1. DER PLASMAZUSTAND
Abbildung 1.2: Dichte-Temperatur-Ebene für nichtrelativistische Plasmen und einige typische
Beispiele, siehe [1].
Abbildung 1.3: Das Innere der großen Planeten Jupiter und Saturn entsprechend einem Dreischichtenmodell [2].
1.2
Plasmaparameter und Beispiele
Zur Definition von Plasmaparametern betrachten wir ein Elektron-Ion-Plasma:
)
Elektronen : me = m, qe = −e
Ne = ZNi .
Ionen : mi = M, qi = +Ze
Die thermische Wellenlänge (1.6) und die de Broglie-Wellenlänge von Teilchen der Sorte c
sind wiefolgt verknüpft:
λc,dB =
h
h
=
,
p
mc v
mc 2 3
v = kB T ,
2
2
λc,dB = √
h
∼ λc .
3mc kB T
(1.7)
Wir führen wichtige Parameter ein, die das Plasma nach Teilchendichte nc und Temperatur T
charakterisieren [4], siehe Abb. 1.2:
5
1.2. PLASMAPARAMETER UND BEISPIELE
Abbildung 1.5: Komplexes Magnetfeld
und Magnetspulenstruktur des Stellarators Wendelstein (W7X) in Greifswald.
Abbildung 1.4: Schema des ITER als Fusionsanlage mit magnetischem Einschluss
nach der Tokamak-Geometrie.
Abbildung 1.6: Szenario für die Trägheitsfusion mit Hilfe sehr starker Laser, die das D-TFusionspellet sphärisch komprimieren, bis das thermonukleare Zünden einsetzt [3].
• Kopplungsparameter Γ für das Ionensystem: dc - mittlerer Abstand der Sorte c,
1/3
Γ=
1/3
n
Nc
(Ze)2
3
, nc =
.
∼ i , dc = 4πn
c
4πε0 kB T di
kB T
V
(1.8)
• Entartungsparameter Θ für das Elektronensystem: EF - Fermi-Energie als oberstes
besetztes Energieniveau bei T = 0 K,
Θ=
kB T
, EF =
EF
~2
2
2/3
2m (3π ne )
.
(1.9)
• Dichteparameter für das Elektronensystem: Wigner-Seitz-Radius rS (auch BruecknerParameter genannt) in Einheiten des Bohrschen Radius aB ,
rS =
de
4πε0 ~2
, aB =
.
aB
me2
Die übliche Einteilung von Plasmen erfolgt über die Parameter:
(
stark korrelierte (nichtideale) Plasmen
ΓR1
schwach korrelierte (ideale) Plasmen
(
klassische (nichtentartete) Plasmen
ΘR1
entartete Plasmen (Quanteneffekte)
(1.10)
(1.11)
(1.12)
6
KAPITEL 1. DER PLASMAZUSTAND
Abbildung 1.7: Überblick über NIF in Livermore (USA) mit dem derzeit stärksten Lasersystem der Welt, das 1.4 MJ in Pulsen von wenigen ns Dauer liefert.
Beispiele für ideale klassische Plasmen sind heiße dünne Plasmen wie bei der Magnetfusion
(ITER: Abb. 1.4, W7X: Abb. 1.5). Das Innere von großen Planeten und Braunen Zwergen kann als stark korreliertes und entartetes Plasma verstanden werden, siehe Abb. 1.3.
ICF-Plasmen der Trägheitsfusion sind schwach korreliert und klassisch, allerdings durchläuft
das Fusionsmaterial den Bereich mit starken Korrelationen und Quanteneffekten bei der
Kompression des anfangs kalten D-T-Fusionspellets zum brennenden Plasma, siehe Abb. 1.6.
Deswegen ist dieser Bereich mitentscheidend für den Erfolg dieser Methode. Weitere Plasmaparameter sind:
• Landau-Länge ℓ: Abstand, bei dem die Wechselwirkungsenergie kB T entspricht,
ℓ=
e2
.
4πε0 kB T
(1.13)
• Klassische Debye-Hückel Abschirmlänge RD (inverse Abschirmlänge κD ); zum abgeschirmten Potenzial in Plasmen, siehe Kapitel 2.3.1:
X nc q 2
1
c
= κ2D =
.
2
ε
k
RD
0 BT
c
(1.14)
• Plasmafrequenz ωpl für kollektive Schwingungsmoden des Elektronensystems, wichtig
für Licht-Plasma-WW und Plasmadiagnostik:
2
ωpl
=
ne e2
ε0 m
(1.15)
Einzelne Zweige der Plasmaphysik widmen sich diesen verschiedenen Bereichen in der n-TEbene:
7
1.3. STOSSWELLENEXPERIMENTE
• Gasentladungsplasmen: Sind meist vollständig ionisiert, (d.h. relativ geringe Dichte
und hohe Temperatur) und für viele technische Anwendungen wichtig (z. B. Beleuchtungsplasmen, Hochleistungsschalter) sowie für das Studium von Instabilitäten geeignet.
• Komplexe Plasmen: Staubige Plasmen, d.h. Systeme aus positiv geladenen Partikeln
mit Ladungen von Z ∼ 103 und Radien von R ∼ µm und freien Elektronen, wichtig
für dünne astrophysikalische Systeme (Staubwolken) oder in technischen Anwendungen
(Gefahr bei mikroelektronischen Fertigungsprozessen – Reinsträume notwendig!).
• Stark korrelierte Plasmen: Besonders interessant sind Systeme bei hohen Dichten
und nicht zu hohen Temperaturen, da hier
→ starke Korrelationen (hohe n und tiefe T , siehe (1.8)),
→ partielle Ionisation (Bindungszustände und elementare Teilchen)
→ sowie Quanteneffekte (Fermi-Dirac-Statistik) auftreten, siehe Abb. 1.2.
• Als synonyme Begriffe werden dabei verwendet:
Stark korrelierte
Plasmen (SCP)
⇄
Nichtideale Plasmen
(dichte Plasmen)
⇄
warme dichte
Materie (WDM)
• Warme dichte Materie (WDM): Temperaturen von einigen eV und Dichten typisch für kondensierte Materie (ρ ∼ 1 g/cm3 )charakterisieren diesen Übergangsbereich
zwischen kondensierter Materie und Hochtemperaturplasmen. In WDM sind starke
Korrelations- und Quanteneffekte typisch, so dass hier neue Methoden der Plasmaund Vielteilchentheorie entwickelt und getestet werden. Beispiele:
– Astrophysik: große Planeten, Braune Zwerge, Sterne (Abb. 1.3),
– Trägheitsfusion: NIF in Livermore oder LMJ in Bordeaux (Abb. 1.7),
– Stoßwellenexperimente zur Erzeugung von WDM, siehe Kapitel 1.4,
– Deposition von energiereichen Laser- oder Teilchenstrahlen, siehe Kapitel 1.5.
• WDM beschreibt Zustände unter extremen Bedingungen. Hohe Drücke (durch Dichte
und/oder Temperatur) bedeuten dabei auch hohe Energiedichten, siehe Tab. 1.2. Beispiel:
1 Mbar = 100 GPa = 1011 Pa = 100 kJ/cm3 ∼ 1 eV/Elektron.
1.3
Stoßwellenexperimente
In Stoßwellenexperimenten (shock waves) wird Materie mit Hilfe von Stoßwellen komprimiert. Voraussetzung ist, dass die Geschwindigkeit der Stoßwelle viel größer als die Schallgeschwindigkeit im Material ist: us ≫ cs , siehe Abb. 1.8. Stoßwellen können durch verschiedene
experimentelle Anordnungen realisiert werden, die alle mit der Erzeugung hoher Energiedichten und damit hoher Drücke im Material verbunden sind. Ein schöner Überblick über
experimentelle Methoden zur Erzeugung extremer Materiezustände wird von Fortov gegeben [5]. Mögliche Treiber sind:
• Ballistische Kompressoren (Gas Guns) mit us von einigen km/s, siehe Abb. 1.9.
• Hochleistungslaser mit kJ–MJ Pulsenergie in ns (z.B. Omega-Laser in Rochester, NIF
in Livermore, LMJ in Frankreich), siehe Abb. 1.10.
8
KAPITEL 1. DER PLASMAZUSTAND
Tabelle 1.2: Beispiele für Systeme bei sehr tiefen und ultra-hohen Drücken.
System
Druck
kosmische Hintergrundstrahlung
10−20 bar
UHV Labor
10−16 bar
Atmosphärendruck bei NN
1 bar
Mond Zentrum
50 kbar
Erde Zentrum
3,6 Mbar
Jupiter Zentrum
70 Mbar
Brauner Zwerg Gliese 229b
30 Gbar
Sonne Zentrum
100 Gbar
Rote Riesen
1015 bar
Weiße Zwerge
1018 bar
Neutronensterne
1029 bar
• Ultrakurzpulslaser mit fs–as Pulsen (z.B. MPQ Garching, FSU Jena, U Düsseldorf).
• Schnelle Drahtexplosionen (Entladungsströme von kA in ms).
• Starke Magnetfelder wie im Z-Pinch in Sandia/Albuquerque (MA in ns), siehe Abb. 1.11.
• Chemische Explosionen (z.B. in Russland), siehe Abb. 1.12.
• Atombombentests (etwa 2000 wurden durch die Atommächte bis zum Teststopp 1996
durchgeführt).
Heute ist die Untersuchung hoher Drücke im Bereich P ≥ 1 Mbar bzw. von Plasmen mit Γ ≥ 1
mit der Stoßwellentechnik möglich. Dazu sind neben den verschiedenen Treibern (siehe oben)
auch schnelle diagnostische Verfahren zur Messung von us und up entwickelt worden, etwa
das X-ray Backlighting oder die VISAR-Technik (Velocity Interferometer System for Any
Reflector). VISAR misst mit einem Interferometer die Doppler-Verschiebung der Frequenz
eines Laserstrahls, der von einer sich bewegenden Oberfläche reflektiert wird.
Experimente mit einzelnen Stoßwellen (single shocks) verlaufen entlang der Hugoniot-Kurve.
Bei hohen Drücken im Mbar-Bereich werden dabei auch relativ hohe Temperaturen erzeugt,
so dass nicht unbedingt starke Korrelationen im System auftreten. Mit multiplen (mehrfach
reflektierten) Stoßwellen oder speziellen Pulsformen (pulse shaping oder ramp compression)
werden die Experimente in guter Näherung entlang von Isentropen durchgeführt. Dadurch
können hohe Drücke bei tieferen Temperaturen erzeugt werden und damit auch stärkere Korrelationen und Quanteneffekte im Targetmaterial untersucht werden, siehe Plasmaparameter
(1.8) und (1.9).
1.4
Ableitung der Hugoniot-Gleichungen
Zur Auswertung eines Versuchs analog zu Abb. 1.8 nutzt man Erhaltungssätze:
9
1.4. ABLEITUNG DER HUGONIOT-GLEICHUNGEN
ρ
t=0
homogenous density distribution / homogene Dichteverteilung
ρ
0
t>0
pusher / Kolben
ρ
x
1
shockwave / Stoßwelle
ρ
0
up t
x
us t
u p pusher velocity / Kolbengeschwindigkeit
u s shockwave velocity / Stoßwellengeschwindigkeit
Abbildung 1.8: Propagation einer planaren Stoßwelle mit us in einem Material der Schallgeschwindigkeit cs (schematisch).
Abbildung 1.9: Zweistufige Gaskanone in Livermore (∼30 m lang) beschleunigt Metallplättchen bis zu 8 km/s.
• Massenerhaltung: Material fließt in die Säule rein, ρ0 us tA = ρ1 (us − up )tA, liefert mit
dem spezifischen Volumen V = 1/ρ und dem Kompressionsfaktor η = ρ1 /ρ0 = V0 /V1
die Gleichung
up
1
ρ0
V1
=
=
=1− .
η
ρ1
V0
us
(1.16)
• Impulserhaltung: Der Säule wird vom Pusher ein Impuls übertragen,
ρ0 us tAup = ∆p = p(t) − p(0) = F t = (P1 − P0 )At, so dass
P1 − P0 = ρ0 up us .
(1.17)
• Energieerhaltung: Die Säule trägt kinetische Energie und die innere Energie U wird
durch Kompression (Volumenarbeit am System) erhöht,
!
u2p
(1.18)
+ ǫ1 − ǫ0 = P1 up tA ,
ρ0 us tA
2
mit der spezifischen inneren Energie ǫ = U/m ergibt sich nach einigen Umformungen
ǫ1 − ǫ0 =
1
(P1 + P0 )(V0 − V1 ).
2
(1.19)
10
KAPITEL 1. DER PLASMAZUSTAND
Abbildung 1.10: Stoßwellen werden durch starke Laser (hier: NOVA-Laser in Livermore) im
Target induziert.
Abbildung 1.11: Z-Maschine im Sandia National Laboratory in Albuquerque. Die starke Entladung generiert eine Vielzahl von Funken und Bögen in der Anlage sowie starke Magnetfelder
größer als 1000 Tesla, die Flyer-Plättchen auf einige 10 km/s beschleunigen (siehe [6]).
• Durch Messung von us und up kann man also P1 und η und damit die Hugoniot-Kurve
P1 (η) als Verbindungslinie aller möglichen Endpunkte eines Stoßwellenexperiments zu
den gleichen Anfangsbedingungen P0 , V0 , ǫ0 bestimmen.
• Mit theoretischen Methoden kann man alternativ die thermische P (ρ, T ) und kalorische
ǫ(ρ, T ) Zustandsgleichung berechnen und die Hugoniot-Gleichung (1.19) bestimmen.
Der Vergleich mit experimentellen Ergebnissen ist dann der Standardtest für die Güte
von theoretischen Zustandsgleichungen für Materie unter extremen Bedingungen.
• Da die Stoßwellenexperimente sehr aufwendig (und teuer) sind, hat die Entwicklung
präziser Zustandsgleichungen für die relevanten Materialien und möglichst große Bereiche von Dichte und Temperatur eine enorme Bedeutung. Hier seien als Beispiele die
Sesame-Datenbank aus Los Alamos [7], das in der Astrophysik weit verbreitete chemische Modell von Saumon, Chabrier und van Horn (SCvH) [8] sowie die in Rostock mit ab
initio Methoden entwickelte Linear-Mixing Rostock Equation of State (LM-REOS) [9]
genannt.
• Das Beispiel ideales Gas P V = nRT , Cp − Cv = nR, γ = Cp /Cv , ǫ = Cv T liefert für
11
1.4. ABLEITUNG DER HUGONIOT-GLEICHUNGEN
Abbildung 1.12: Stoßwellen werden durch starke chemische Explosionen generiert, z.B. in
Russland (HE: high explosives).
den Kompressionsfaktor das einfache Ergebnis:
η id =
V0
(γ + 1)P1 + (γ − 1)P0
=
.
V1
(γ − 1)P1 + (γ + 1)P0
(1.20)
• Im Grenzfall sehr großer Drücke P1 ≫ P0 erhält man ein sehr einfaches Resultat für
die maximal mögliche Kompression eines idealen Gases:
id
ηmax
= lim η id =
P1 ≫P0
γ+1
.
γ−1
(1.21)
id
= 4.
• Ideales atomares Gas (z.B. He): cv = 3/2, cp = 5/2, γ = 5/3 liefert ηmax
atomares Gas
P
H2
η real
max
molekulares Gas
id
= 8 (bzw. 6• Ideales molekulares Gas (z.B. H2 ): cv = 7/2, cp = 9/2, γ = 9/7 liefert ηmax
8 in Abhängigkeit von den Schwingungs- und Rotationszuständen der Moleküle), siehe
Abb. 1.13.
100 GPa
?
1 Mbar
}
Druckdissoziation
P0
"molekular"
ρ
0
4ρ
0
"atomar"
20 GPa
8ρ
ρ
0
Abbildung 1.13: Hugoniot-Kurve (schematisch) für atomare und molekulare Systeme.
12
KAPITEL 1. DER PLASMAZUSTAND
• Beispiel Wasserstoff unter hohem Druck (Mbar): Der Übergang von molekularem zu atomarem und damit von nichtleitendem zu leitendem Wasserstoff (Metallisierung, Druckdissoziation) findet bei etwa 0.5 Mbar statt, siehe Abb. 1.14. Die Hugoniot-Kurve hat
eine maximale Kompression von etwa 4.5 und geht im Grenzfall sehr hoher Drücke
gegen den Faktor 4.0 (ideales Gas wegen hoher Temperaturen).
200
P [GPa]
150
100
Theories:
LM Ross
Kerley 98
FVT
PIMC
QMD Lenosky
QMD Desjarlais
present QMD
Experiments:
Z-Pinch
Gas-Gun
Explosives
50
0
2,5
3
3,5
ρ/ρ0
4
4,5
5
Abbildung 1.14: Hugoniot-Kurve für fluiden Wasserstoff [10]: Vergleich von Stoßwellenexperimenten und theoretischen Zustandsgleichungen.
• Der Temperaturverlauf entlang einer Hugoniot-Kurve und einer Isentropen wird in
Abb. 1.15 verglichen.
• Das Kompressionsverhalten von Materie folgt bei einzelnen Stoßwellen einer HugoniotKurve und bei mehrfach reflektierten Stoßwellen einer Isentrope, siehe Schema in Abb. 1.16.
T
Hugoniot
Hugoniot
P
Isentrope
(multiple shocks)
Isentrope
Isotherme
z.B. 300 K "cold curve"
P0
(multiple shocks)
T0
ρ
ρ
0
Abbildung 1.15: Temperaturverlauf entlang einer Hugoniot-Kurve und einer Isentropen (schematisch).
ρ
0
ρ
Abbildung 1.16: Schematischer Verlauf
der Kompression entlang einer HugoniotKurve, Isentropen und Isotherme (für
niedrige Temperaturen auch cold curve genannt).
1.5. DEPOSITION INTENSIVER LASER- ODER TEILCHENSTRAHLEN
1.5
13
Deposition intensiver Laser- oder Teilchenstrahlen
Eine Alternative zu Stoßwellen mit ihren relativ großen Fehlerbalken ist das isochore Heizen
von Materie mit ρ0 ≈ ρsolid durch Deposition von Energie mit relativistischen Teilchen oder
intensiven kurzwelligen Laserpulsen. In der n-T-Ebene wird ein Pfad hin zu hohen Drücken
und Temperaturen durchlaufen, der in Abhängigkeit von den experimentellen Parametern bei
kondensierter kalter Materie beginnt (Target) und über den Bereich warmer dichter Materie
bis hin zu heißen Plasmen verlaufen kann.
Abbildung 1.17: Die im Bau befindliche Anlage FAIR bei der GSI Darmstadt.
Zunächst werden Teilchen (Elektronen, Protonen, schwere Ionen) mit Hilfe von Beschleunigern auf hohe Energien gebracht. Die Energiedeposition erfolgt dann durch Stöße dieser
schnellen Teilchen im Target, die durch die sogenannte stopping power (Bremskraft) beschrieben wird. Bei der im Bau befindlichen Facility for Antiproton and Ion Research (FAIR) an
der GSI Darmstadt (siehe Abb. 1.17 und www.gsi.de/portrait/fair.html) werden in einem
Doppelringbeschleuniger von 1100 m Umfang Protonen und Ionen auf einige GeV/Nukleon
beschleunigt und auf Targets geleitet. Dort erzeugen sie spezifische Energien von einigen
100 kJ/g, so dass WDM oder Materie bei hohen Energiedichten untersucht werden kann.
Alternativ stehen seit einigen Jahren mit den ersten Freie-Elektronen-Lasern (FELs) auch
brillante Strahlungsquellen zur Verfügung, deren kurzwellige Strahlung (im Gegensatz zu
den Photonen herkömmlicher optischer Laser) tief in das Targetmaterial eindringen kann.
Energie wird über verschiedene Absorptionsprozesse deponiert und das Material aufgeheizt.
Dadurch wird WDM oder Materie bei hohen Energiedichten erzeugt, die mit entsprechenden
diagnostischen Methoden wie z.B. der Röntgen-Thomson-Streuung [11] untersucht werden
kann. Beispiele für FELs sind
• der seit 2005 operierende Free Electron LAser Hamburg (FLASH) mit Wellenlängen im
VUV-Bereich (6-60 nm), siehe www.xfel.eu/overview/flash und Abb. 1.18;
• der European X-ray Free Electron Laser (XFEL) in Hamburg, der ab 2015 im Bereich
harter Röntgenstrahlung (0.05 ≤ λ ≤ 6 nm) arbeiten wird (siehe www.xfel.eu);
• die Linac Coherent Light Source (LCLS) am Linearbeschleunigerzentrum SLAC in Stanford, die seit 2009 mit Photonenenergien von 480 eV bis 9.5 keV arbeitet (siehe
14
KAPITEL 1. DER PLASMAZUSTAND
https://slacportal.slac.stanford.edu).
Das Herzstück eines jeden FELs ist ein leistungsfähiger Linearbeschleuniger, der Elektronen
auf relativistische Geschwindigkeiten nahe der des Lichts beschleunigt (z.B. XFEL Hamburg:
1.7 km lang, 17.5 GeV Elektronenenergie). In Undulatoren werden diese durch starke Magnetfelder abgelenkt, so dass durch Wechselwirkung der Elektronen mit den von ihnen emittierten Photonen kohärentes Laserlicht im VUV- bis Röntgenbereich entsteht (sogenanntes
SASE-Prinzip: self-amplified spontaneous emission). Eine wichtige Eigenschaft dieser neuen
Strahlungsquellen ist ihre enorme Brillanz. Diese soll z.B. beim XFEL bis zu 5 × 1033 Photonen/(s mm2 mrad2 0.1%bandwidth) betragen und ist damit um viele Größenordnungen
höher als bei konventionellen Röntgenquellen.
Abbildung 1.18: FLASH bei DESY Hamburg (seit 2005 in Funktion).
Kapitel 2
Plasmen als Fermi-Systeme
2.1
Quantenstatistische Beschreibung
Theoretische Beschreibung: Plasmen sind Vielteilchensysteme (VTS) aus Elektronen e
und Protonen/Ionen p, i, . . . sowie Bindungszuständen A, A2 , . . . Diese Teilchen sind Mikroobjekte (Fermionen, Bosonen), so dass eine quantenmechanische Beschreibung notwendig ist.
Thermodynamischer Limes: N → ∞, V → ∞ mit n = N/V = const., d.h. es sind gleichzeitig Methoden der statistischen Physik notwendig. Theoretische Grundlagen dazu werden
in den Vorlesungen Quantenmechanik, Thermodynamik und Statistische Physik im Bachelorprogramm behandelt. Die Module Quantentheorie für Fortgeschrittene (1W), Vielteilchentheorie und numerische Methoden (11S), Atome und Cluster (17W) und Molekülphysik (18W)
im Masterprogramm enthalten viele verwandte Themen und werden deshalb empfohlen. In
der Plasma- und Astrophysik ist somit eine quantenstatistische Beschreibung notwendig:
• Ununterscheidbarkeit identischer Teilchen → Symmetriepostulat
• Unschärferelation ∆p · ∆x ≥
~
2
• Nur Wahrscheinlichkeitsaussagen über den Aufenthalt eines Teilchens (Elektrons) am
Ort ~r über seine Wellenfunktionen Ψp (~r) möglich (Ortsdarstellung):
dWp (~r) = Ψp (~r)Ψ∗p (~r)d3 r .
(2.1)
• Ausdehnung von | Ψp (~r) |2 ∼ λdB entspricht der elektronischen de Broglie-Wellenlänge
λe,dB (1.7) und damit auch der thermischen Wellenlänge ∼ λe
• Zustand eines Teilchens i beschrieben durch einen vollständigen Observablensatz, z.B.
| ~rsz i, | p~sz i, | nlmsz i, . . . abgekürzt als | bi i
• Wann werden Quanteneffekte (Ununterscheidbarkeit, Austausch-Wechselwirkung, PauliPrinzip) wichtig? Wenn λc /dc ∼ 1: Teilchen bewegen sich dauernd innerhalb der Reichweite von λc , d.h.
nc λ3c
⋚1
(
nichtentartetes (klassisches) Plasma
entartetes (Quanten-) Plasma
• Relation zum Entartungsparameter Θ =
kB T
EF
15
(1.9): nc λ3c =
√
3 π
8Θ3/2
(2.2)
16
KAPITEL 2. PLASMEN ALS FERMI-SYSTEME
Symmetriepostulat der Quantenmechanik:
Fermionen (halbzahliger Spin) → antisymmetrische Zustände | b1 . . . bN i−
Bosonen (ganzzahliger Spin) → symmetrische Zustände | b1 . . . bN i+
bzgl. der Vertauschung zweier Teilchen (Vorzeichenwechsel oder nicht!)
Zum Beispiel ist s = 1/2 für Elektron, Proton, Neutron; s = 1 für Photon, Phonon, Magnon; s = 0 für Alpha-Teilchen usw.
Pauli-Prinzip für Fermionen:
In Fermionensystemen kann jeder Zustand höchstens einfach besetzt sein. Es ergibt sich z.B.
in Impulsdarstellung | p~sz i =| bi i für jedes i-te Teilchen die Besetzungszahl nbi :
2.2
nbi
= 0, 1
Fermionen
nbi
= 0, 1, 2, 3 . . . Bosonen
Impulsverteilung und Fermi-Integrale
Für die mittlere Besetzungszahl hnp i oder auch Verteilungsfunktion fc (p) der Impulszustände
in einem Fermionensystem ergibt sich das folgende Ergebnis (herleitbar in Besetzungszahldarstellung, siehe VL Statistische Physik):
hnp i = fc (p) =
1
eβ(Ep −µc )
+1
(2.3)
,
2
p
mit der kinetischen Energie Ep = 2m
, der inversen Temperatur β = 1/kB T und dem chemic
schen Potenzial µc von Teilchen der Sorte c, siehe Abb. 2.1.
f(E)
Fermi−Verteilung
T= 0 K
1
T>0K
0
µ c = EF
E
Fermi−Energie
Abbildung 2.1: Fermi-Dirac-Verteilungsfunktion für T ≥ 0 K mit dem chemischen Potenzial
µc als Parameter.
• Im Nichtentartungsfall ist nc λ3c ≪ 1, so dass µc → −∞, d.h. exp(−βµc ) ≫ 1 und die
’1’ kann im Nenner weggelassen werden. Man erhält die klassische Maxwell-BoltzmannVerteilungsfunktion:
lim fc (p) = eβµc e−βEp =
µc →−∞
nc λ3c −βEp
e
≡ fcM B (p) .
2sc + 1
(2.4)
2.2. IMPULSVERTEILUNG UND FERMI-INTEGRALE
17
• Mittelwerte physikalischer Observablen ergeben sich mit dem Spinfaktor gc = 2sc + 1
aus Integralen über die Verteilungsfunktion:
Z 3
d p
nc = gc
fc (p)
Teilchendichte,
(2.5)
h3
Z 3
p
~
d p ~p
fc (p)
mittl. Geschwindigkeit,
(2.6)
= gc
mc
h3 mc
2 Z 3
p
d p p2
fc (p)
mittl. kin. Energie.
(2.7)
= gc
2mc
h3 2mc
Dabei stellt Gl. (2.5) die Verbindung zur Thermodynamik her und fungiert als Zustandsgleichung (Equation of State, EOS):
nc (T, µc ) = gc
Z
d3 p
fc (p) .
h3
(2.8)
Dazu ist eine Inversion aus µc = µc (T, nc ) nötig, siehe (2.16). Aus der Gibbs-Duhem-Gleichung
ergibt sich die freie Energie zu:
X
F (T, V, {Nc }) =
µc (T, nc )Nc − p(T, {µc })V .
(2.9)
c
Das chemische Potenzial im Plasma folgt dann aus:
∂F
= µc (T, nc ) .
∂Nc T,V
(2.10)
Die Ableitung der freien Energiedichte f = F/V nach der Dichte selbst hat die Bedeutung
des chemischen Potenzials:
1 ∂F
∂f
=
V ≡ µc (T, nc ) .
(2.11)
∂nc T,V
V ∂Nc T,V
Durch partielle Integration erhält man aus (2.11) eine neue Zustandsgleichung über µc (nc , T ):
n
f (n, T ) = f (n = 0, T ) +
XZ
c
µc (T, nc )dnc .
(2.12)
0
Eine ähnliche Relation ergibt sich aus der differenziellen Form der Gibbs-Duhem-Gleichung
X
−SdT + V dp +
Nc dµc = 0 .
(2.13)
c
Die intensiven Zustandsgrößen können nicht unabhängig voneinander variiert werden und bilden keinen vollständigen Variablensatz; das zugehörige thermodynamische Potenzial L(T, p, µ) =
0 verschwindet. Andererseits ergibt sich für eine konstante Temperatur dT = 0:
p(T, µ) =
µc
XZ
nc (µc , T )dµc .
(2.14)
c −∞
Für beide Gleichungen (2.12) und (2.14) ist die Beziehung nc (T, µc ) oder ihre Inversion
µc (T, nc ) notwendig, siehe unten.
18
KAPITEL 2. PLASMEN ALS FERMI-SYSTEME
Für den allgemeinen Fall beliebiger Dichten und Temperaturen wiederholen wir die Definition
von Fermi-Integralen Fj (αc ). Wir betrachten ein Plasma aus Elektronen und Protonen mit
ge = gp = 2:
nc (T, µc ) =
gc
2π 2 ~3
Z∞
0
dp p2
2
p
exp [β( 2m
− µc )] + 1
c
,
p2
pdp
= x,
= dx , βµc = αc ,
2mc kB T
mc kB T
Z∞
dx x1/2
mc kB T 3/2
2
.
nc (T, µc ) = gc √
π
2π~2
exp (x − αc ) + 1
Substitution:
0
√
Mit der Gamma-Funktion Γ(3/2) = π/2 folgt das allgemeine Ergebnis als Fermi-Integral
der Ordnung 1/2:
gc
1
nc (T, µc ) = 3 F1/2 (αc ) , Fj (αc ) =
λc
Γ(j + 1)
Z∞
0
dx xj
.
exp (x − αc ) + 1
(2.15)
In Abb. 2.2 sind Fermi-Integrale verschiedener Ordnung j als Funktion des Parameters αc
dargestellt, siehe auch [12]:
F3/2(α)
10
F1/2(α)
1
Fj(α)
F-1/2(α)
0,1
0,01
-4
-5
-3
-2
-1
0
α=µ/kBT
1
2
3
4
5
Abbildung 2.2: Fermi-Integrale der Ordnung j als Funktion des Parameters αc .
Wiederholung der Eigenschaften der Fermi-Integrale Fj (αc ):
• Rekursionsformel:
∂
∂α Fj (α)
= Fj−1 (α)
• Für Nichtentartung αc → −∞ gilt: Fj (αc → −∞) = eαc ≡
nc λ3c
gc
∀j
• Andere thermodynamische Größen sind über Fermi-Integrale definiert:
X
P gc
F (α ) |{z}
−→
p = nkB T , n =
nc
βp =
λ3c 3/2 c
c
αc →−∞
U=
P3
c
F
(αc )
3/2
−→
2 Nc kB T F1/2 (αc ) |{z}
αc →−∞
Allg. Relation für
ideale Quantengase
c
3
U = N kB T ,
2
N=
ideale Gasgesetze im
Nichtentartungsfall
X
c
Nc
19
2.3. ABSCHIRMUNG DER COULOMB-WECHSELWIRKUNG
• Im Entartungsfall αc ≫ 1 gilt: Fj (αc ≫ 1) ≃
αj+1
c
(j+1)!
• Speziell für T → 0, d.h. für αc = βµc → ∞ gilt µc = Ec,F : das chemische Potenzial der
Sorte c ist gleich der Fermi-Energie Ec,F .
• Ein Problem ist, dass die thermodynamischen Größen P , U , . . . durch die Fermi-Integrale
gegeben sind, wobei das Argument αc = βµc ist.
3
• Die Messgrößen sind z.B. nc und T , d.h. ncgλc c = F1/2 (αc ) muss invertiert werden.
Betrachte α ≡ αc = βµc und y ≡ nc λ3c /gc , so dass
y = F1/2 (α) −→ α = U1/2 (y) .
(2.16)
• Die Umkehrfunktion U1/2 (y) lautet [13]:
U1/2 =
(
ln y + 0.3536y − 0.00495y 2 + 0.000125y 3 ,
1.209y 2/3 − 0.6803y −2/3 − 0.85y −2 ,
y < 5.5
y ≥ 5.5
(2.17)
• Auch für die Fermi-Integrale anderer Ordnung können ähnliche Formeln angegeben
werden, siehe [13].
• Wiederholung VL Statistische Physik: Die Zustandsgleichung in der großkanonischen
Gesamtheit ist über das große thermodynamische Potenzial J(T, V, µ) und die großkanonische Zustandssumme Z(T, V, µ) gegeben, die innere Energie und der Druck über
die Fermi-Integrale (2.15):
J(T, V, µ) = −kB T ln Z(T, V, µ) mit
U
Z(T, V, µ) = Tr exp{−β(Ĥ − µN̂)} ,
X 2V 3
kB T F3/2 (βµc ) und
=
λ3c 2
c
(2.18)
(2.19)
2
PV = U .
3
2.3
2.3.1
Abschirmung der Coulomb-Wechselwirkung
Das abgeschirmte Potenzial
Das Coulomb-Potenzial (potenzielle Energie) zwischen zwei geladenen Teilchen (1.2)
Vcd (r) =
qc qd
4πε0 r
(2.20)
ist langreichweitig, d.h. Vcd (r → ∞) ∼ 1r −→ 0. Das hat verglichen mit Systemen mit kurzreichender Wechselwirkung (z.B. Lennard-Jones- oder Harte-Kugel-Systeme) Konsequenzen:
• Viele Teilchen wechselwirken gleichzeitig → kollektives Verhalten.
• Vielteilcheneffekte (VTE) wie dynamische Abschirmung, Selbstenergie und Plasmaschwingungen (Plasmonen) treten auf.
20
KAPITEL 2. PLASMEN ALS FERMI-SYSTEME
Abbildung 2.3: Abschirmung einer positiven Testladung q = +Z0 e durch die leichten und
beweglichen Elektronen im Plasma.
Betrachten wir zunächst eine positive Testladung Z0 e im Plasma, siehe Abb. 2.3. Im Vakuum
Z0 e
gilt für das skalare (Coulomb-) Potenzial entsprechend (2.20): Φ0 (r) = 4πε
. Im Plasma wer0r
den die beweglichen Teilchen mit gleicher/unterschiedlicher Ladung abgestoßen/angezogen,
so dass sich im statistischen Mittel eine modifizierte Ladungsverteilung um die Testladung
ergibt mit einer Tendenz zu ihrer Abschirmung. Die Aufgabe ist nun, den Verlauf des effektiven Potenzials im Plasma zu berechnen. Ausgangspunkt dafür ist die Poisson-Gleichung aus
der Elektrodynamik:
1
1 X
∇2 Φ(r) = − Z0 eδ(r) −
ec nc (β, µc − ec Φ(r)) .
ε0
ε0 c
|
{z
} |
{z
}
Probeladung
(2.21)
induzierte Ladungswolke
Die Lösung dieser Gleichung ist das abgeschirmte Potenzial Φ(r), das exponentiell mit dem
Abstand abfällt, sieheR(2.27). Ansonsten sind Integrale über das nackte Coulomb-Potenzial
(2.20) divergent, d.h. d3 rVcd (r) → ∞, so dass die Berücksichtigung von Abschirmeffekten
im Plasma z.B. für die Berechnung von Virialkoeffizienten und Transportquerschnitten in
Plasmen wichtig ist.
Gleichung (2.21) ist eine nichtlineare selbstkonsistente Differenzialgleichung 2. Ordnung. Eine
einfache Lösung von (2.21) ist durch Linearisierung für Γ ≪ 1 möglich. Mit
nc (β, µc − ec Φ(r)) = nc (β, µc ) − ec Φ(r)
d
nc (β, µc ) + . . .
dµc
(2.22)
erhält man:
1 X
1
∂
1 X 2
∇ Φ(r) +
nc (β, µc ) Φ(r) = − Z0 eδ(r) .
ec nc (β, µc ) −
e
ε0 c
ε0 c c ∂µc
ε0
|
{z
}
2
(2.23)
=0: Ladungsneutralität
Mit der Definition eines allgemeinen inversen Abschirmradius κ über
κ2 =
1 X 2 ∂
1
nc (β, µc )
e
≡
2
ε0 c c ∂µc
R0
(2.24)
ergibt sich aus (2.23) die linearisierte Poisson-Gleichung:
∇2 Φ(r) − κ2 Φ(r) = −
1
Z0 eδ(r) .
ε0
(2.25)
2.3. ABSCHIRMUNG DER COULOMB-WECHSELWIRKUNG
21
R
~
Ihre Lösung erfolgt z.B. durch Fourier-Transformation ( d3 re−ik·~r . . .):
Z
Z
Z
1
~
3 −i~k·~
r 2
2
3 −i~k·~
r
d re
∇ Φ(r) − κ
d re
Φ(r) = − Z0 e d3 re−ik·~r δ(r) ,
ε0
Z
1
~
d3 re−ik·~r ∇2 Φ(r) − κ2 Φ(k) = − Z0 e .
ε0
Partielle Integration ergibt für den ersten Term:
Z
Z
Z
~
~
~
d3 re−ik·~r ∇2 Φ(r) = d3 r(ik)e−ik·~r ∇Φ(r) = (ik)2 d3 re−ik·~r Φ(r) = −k2 Φ(k) ,
so dass sich die linearisierte Poisson-Gleichung (2.25) vereinfacht:
−k2 Φ(k) − κ2 Φ(k) = −
1
Z0 e .
ε0
Die Fourier-Transformierte des abgeschirmten Potenzials lautet also:
Φ(k) =
1 Z0 e
ε0 k2 + κ2
(2.26)
Für die Rücktransformation in den Ortsraum sei θ der Winkel zwischen (~k, ~r):
Z
Φ(r) =
d3 k i~k·~r
1
e Φ(k) = 2
3
(2π)
4π
Zπ
sin θdθ
0
Z∞
dkk2
0
Z0 e eikr cos θ
.
ε0 (k2 + κ2 )
Mit sin θdθ = −d cos θ = −dx ergibt sich:
1
Φ(r) = 2
4π
Z1
dx
−1
Z∞
0
1
Z0 e
eikrx = 2
dkk2
2
2
ε0 (k + κ )
2π
Z∞
dkk
0
sin(kr)
Z0 e
.
2
2
ε0 (k + κ )
r
Das Integral ergibt laut Formel 3.773.2 aus der Integraltafel [14] allgemein:
Z∞
(−1)n+m π dn m −a√z
x2m+1 sin(ax)
dx
=
(z e
),
(x2 + z)n+1
n!
2 dz n
0
z = κ2 ,
x = k,
a = r,
n = 0,
m = 0.
Man erhält das gesuchte abgeschirmte Potenzial einer Probeladung q = +Z0 e:
Φ(r) =
Z0 e
exp(−κr) .
4πε0 r
(2.27)
Der Exponentialterm beschreibt die Abschirmwolke um die Testladung und sorgt für eine endliche Reichweite der Wechselwirkung. Elektroneutralität wird also bereits lokal für Abstände
auf der Größeneinheit der Abschirmlänge hergestellt und die Divergenz physikalischer Größen
auf Grund des 1/r-Verhaltens vermieden. Die Verallgemeinerung auf die Wechselwirkung zwischen zwei beliebigen Teilchen mit den Ladungen qc und qd ergibt das abgeschirmte Potenzial
(screened potential):
qc qd
s
exp(−κr) .
Vcd
(r) =
(2.28)
4πε0 r
22
KAPITEL 2. PLASMEN ALS FERMI-SYSTEME
2.3.2
Die Abschirmlänge
Wir bestimmen jetzt den (inversen) Abschirmradius (2.24). Die Anwendung der Eigenschaften
der Fermi-Integrale (2.15) ergibt
(
X
X gc
Debye-Hückel
1
∂
1
κ2 =
e2c
e2c 3 F−1/2 (β, µc ) =
nc (β, µc ) =
ε0 c
∂µc
ε0 kB T c
λc
Thomas-Fermi
• Die Abschirmlänge R0 = 1/κ ist in Abb. 2.4 als Funktion der Dichte und Temperatur
dargestellt. Um das abgeschirmte Potenzial zu finden, benötigt man also die Dichte und
Temperatur im Plasma.
2
10
10
8
RD [aB]
1
10
0
6
4
2
RD [aB]
10
0
100 K
21
0
10
21
2×10
4×10
3
n [1/cm ]
1.000 K
-1
21
6×10
10.000 K
100.000 K
-2
10
-3
10
18
10
20
10
22
24
10
26
10
3
n [1/cm ]
28
10
10
30
10
Abbildung 2.4: Abschirmlänge R0 entsprechend Gl. (2.24) als Funktion der Plasmadichte und
Temperatur.
• Nichtentartungsfall nc λ3c ≪ 1: Debye-Hückel Abschirmradius,
κ2 → κ2DH =
1
2
RDH
=
1 X 2
e nc ,
ε0 kB T c c
(2.29)
p
das heißt κDH ∼ Tn . Für das Beispiel eines Gasentladungsplasmas mit ne = 1018 cm−3
und T = 104 K erhält man RDH ≈ 130aB .
• Entartungsfall nc λ3c ≫ 1: Thomas-Fermi Abschirmradius (ist unabhängig von der Temperatur),
X 2gc mc e2 3 1/3
1
c
2
2
nc
,
κ → κT F = 2 =
(2.30)
2
4πε
~
π
RT F
0
c
das heißt κT F ∼ n1/6 . Für ein Elektronengas mit ge = 2 und der Definition des Bohr2
0
schen Radius aB = ~m4πε
2 folgt daraus
ee
κ2T F
4
=
aB
3
ne
π
1/3
.
Verwendet man die Umrechnung von Dichten in atomare Einheiten,
n = 0.014818 ne [1023 cm−3 ] a−3
B ,
23
2.3. ABSCHIRMUNG DER COULOMB-WECHSELWIRKUNG
findet man für die inverse Thomas-Fermi-Abschirmlänge:
1/6
κT F aB ∼ ne [1023 cm−3 ]
.
Für ein freies Elektronengas in Metallen mit ne = 1023 cm−3 erhält man also RT F ∼
1aB . Das abgeschirmte Potenzial in Metallen hat nur eine kurze Reichweite.
• Bedeutung der Abschirmlänge: Bei r = R0 ist
s (r)
Vcd
1
= ,
Vcd (r)
e
d.h. die Potenzialstärke der Wechselwirkung ist dort auf 1/e abgefallen verglichen mit
dem Coulomb-Potenzial – das abgeschirmte Potenzial ist dort nicht Null!
• Das Potenzial eines Teilchens mit beliebiger Ladung qa lautet:
Φa (r) =
qa
exp(−κr) ≡ ΦCoulomb
(r) + Φind
a
a (r) .
4πε0 r
• Die Ladungsverteilung in der induzierten Abschirmwolke ergibt sich wieder aus einer
Poisson-Gleichung:
∆Φind
a (r) = −
qa
1 ind
ρ (r) , Φind
(exp(−κr) − 1) .
a (r) =
ε0 a
4πε0 r
d
d
• Der Laplace-Operator wird in Kugelkoordinaten ∆ = r12 dr
(r 2 dr
) auf das induzierte
Potenzial angewendet:
qa κ2
ρind
(r)
=
−
(2.31)
exp(−κr) .
a
4πr
• Die induzierte Ladung ist exponentiell abfallend und hat immer das andere Vorzeichen
(Abschirmung!)
• Die Gesamtladung in der Abschirmwolke beträgt
Z
3
d
rρind
a (r)
2
= −qa κ
Z∞
0
drre−κr = −qaκ2 ·
1
= −qa ,
κ2
d.h. eine vollständige Abschirmung der Testladung wird erst für r → ∞ erreicht:
Z
d3 rρind
a (r) = −qa .
(2.32)
• Innerhalb des Debye-Radius (Debye-Wolke) werden nur etwa 26% der jeweiligen Probeladung abgeschirmt:
Z
r≤RD
3
d
rρind
a (r)
2
= −qa κ
ZRD
0
−κr
drre
2
= −0.2642qa .
= −qa 1 −
e
• Der Verlauf des abgeschirmten Potenzials ist für typische Abschirmparameter κ in Abb.
2.5 dargestellt.
24
KAPITEL 2. PLASMEN ALS FERMI-SYSTEME
1e+01
s
V [ryd]
0.4
0.2
1
0
5
10
r [aB]
0.1
15
20
κ=0,01
s
V [ryd]
0
κ=0,1
0.01
κ=1
κ=10
0.001
1
10
r [aB]
s (r) für verschiedene Abschirmparameter κ im
Abbildung 2.5: Abgeschirmtes Potenzial Vcd
Plasma.
2.4
2.4.1
Selbstenergie eines Teilchens im Plasma
Quasiteilchenkonzept
Das effektive (abgeschirmte) Potenzial eines Teilchens im Plasma ist durch (2.27)
qa −κr
ind
Φa (r) =
e
= ΦC
a (r) + Φa (r)
4πε0 r
gegeben und setzt sich aus dem nackten Coulomb-Potential ΦC
a (r) =
das Plasma als Medium induzierten Potential
qa
e−κr − 1
Φind
a (r) =
4πε0 r
qa
4πε0 r
und dem durch
zusammen. Die resultierende Ladungsverteilung in der Abschirmwolke ist durch (2.31) gegeben:
qa κ2 −κr
ρa (r) = −
e
.
4πε0 r
Damit ist eine Korrelationsenergie im Plasma verknüpft, die der Arbeit zum Verschieben der
Ladungen im Sinne des Abschirmeffekts entspricht (Polarisation des Mediums). Diese Arbeit
ist laut Elektrodynamik durch
Z
1
W =
d3 rρ(r)Φ(r)
(2.33)
2
gegeben. Für die Berechnung der Korrelationsenergie Waint muss die induzierte Ladungsdichte
ρind
a (r) laut (2.31) verwendet werden, da die volle Ladungsdichte die totale elektrostatische
Energie liefern würde. Weiterhin muss hier das Coulomb-Potenzial ΦC
a (r) verwendet werden
und nicht das abgeschirmte, da ja gerade der Effekt der Verschiebung der Ladungen relativ
zum Coulomb-Fall abgeschätzt werden soll:
Z
Z∞
qa
qa κ2
1
3 ind
2
int
.
d rρa (r)Φa (r) = 2π drr −
e−κr
Wa =
2
4πr
4πε0 r
0
Damit erhält man für die Korrelationsenergie ∆Ea , die auch Selbstenergie (engl.: self-energy)
∆a genannt wird, das Ergebnis:
Waint = ∆Ea = −
1 qa2 κ
≡ ∆a .
2 4πε0
(2.34)
25
2.4. SELBSTENERGIE EINES TEILCHENS IM PLASMA
Ganz allgemein wird die Selbstenergie eines Teilchens der Sorte a in der Vielteilchentheorie als
Repräsentant aller Korrelationsbeiträge eingeführt [15, 16]. Sie hängt vom Ort r des Teilchens
und der Zeit t ab, so dass sie im Fourierraum als
Σa (k, ω)
gegeben ist. Sie ergibt sich aus der Dyson-Gleichung. Im Rahmen eines Quasiteilchenkonzepts
wird durch diese Korrelationsenergie die Energie freier Teilchen Ea (k) = ~2 k2 /2ma im Plasma
renormiert:
ǫa (k) = Ea (k) + ReΣa (k, ω) |~ω=ǫa (k) .
(2.35)
In der hier diskutierten sehr einfachen Näherung ergibt sich ein konstanter, nur durch die
Eigenschaften des Plasmas (Dichte, Temperatur) bestimmter Selbstenergie-Shift ∆a entsprechend (2.34) für alle Teilchen:
ǫa (k) = Ea (k) + ∆a .
(2.36)
Das entspricht z.B. der Hartree-Fock-Näherung. Mit der einfachen Abschätzung (2.34) erhält
man für den Korrelationsbeitrag zur inneren Energie im Plasma das Ergebnis:
U int =
X
a
2.4.2
Na ∆ a = −
q2 κ
1X
Na a .
2 a
4πε0
(2.37)
Thermodynamische Funktionen
Man kann nun auch die Korrelationsbeiträge zu allen anderen thermodynamischen Funktionen berechnen. U (T, V, N ) ist kein thermodynamisches Potenzial, aber die Freie Energie
F (T, V, N ) = U − T S:
∂F
F
2 ∂
U = F + TS = F − T
= −T
.
(2.38)
∂T V,N
∂T T V,N
Wir machen für alle thermodynamischen Größen den Ansatz A = Aid + Aint , wobei die
Idealbeiträge bereits bekannt sind. Integration von (2.38) liefert dann für den Wechselwirkungsbeitrag von F :
Z
dT int
F int
C
= −
U (T ) , U int (T ) = 1/2
2
T
T
T
Z
2 C
2 U int
F int
dT
=
=
= −C
T
3 T 3/2
3 T
T 5/2
F
int
1X
q2κ
=−
Na a
3 a
4πε0
mit κ ∼
N
VT
1/2
(2.39)
Andere thermodynamische Größen folgen aus F (T, V, N ) durch partielle Ableitung, so der
Druck p,
!
int 2
X
∂F
q
1
1
pint = −
Na a
κ
= −
∂V
3
4πε0 2V
T,N
a
pint = −
1 X na qa2 κ
,
6 a 4πε0
(2.40)
26
KAPITEL 2. PLASMEN ALS FERMI-SYSTEME
die Entropie,
S
int
= −
∂F int
∂T
V,N
q2
1X
Na a
=
3 a
4πε0
S int = −
1
− 3/2
2T
1X
q2 κ
Na a
,
6 a
4πε0 T
κ̃
κ̃ , κ = √
T
(2.41)
und das chemisches Potenzial,
µint
=
a
µint
a =−
∂F int
∂Na
T,V
=−
1 3 qa2 κ
3 2 4πε0
1 qa2 κ
= ∆Ea = ∆a .
2 4πε0
(2.42)
Der Wechselwirkungsbeitrag zum chemischen Potenzial ist also durch den Selbstenergie-Shift
∆a gegeben. Zusammenfassend findet man unter Beachtung der Definition (2.29) für den
klassischen Abschirmradius die sogenannten Debye-Hückel-Grenzgesetze für die Dichten der
thermodynamischen Funktionen A, d.h. a = A/V , bzw. die intensiven Größen µa und p unter
der Annahme, dass der Spinfaktor ga = 2 ist:
X
na λ3a
kB T 3
F
id
int
id
=f +f , f =
na kB T ln
κ ,
− 1 , f int = −
f =
V
2
12π
a
U
kB T 3
3X
u =
na kB T , uint = −
= uid + uint , uid =
κ ,
V
2 a
8π
X
5
kB 3
na λ3a
S
id
int
id
=s +s , s =−
na kB ln
κ ,
−
, sint = −
s =
V
2
2
24π
a
na λ3a
1 qa2 κ
id
int
id
,
µa = µa + µa , µa = kB T ln
, µint
a =−
2
2 4πε0
X
kB T 3
p = pid + pint , pid =
na kB T , pint = −
κ .
(2.43)
24π
a
Die Korrekturen aint zu den idealen Ausdrücken sind im klassischen Limes na λ3a ≪ 1 korrekt, das heißt, für niedrige Dichten und/oder hohe Temperaturen. Man beachte, dass in der
Entwicklung der Wechselwirkungsterme nach der Dichte (Virialentwicklung) für CoulombSysteme auch Wurzelbeiträge auftreten (κ ∼ n1/2 ) und sich keine reine Potenzreihe ergibt.
2.4.3
Eigenvolumen der Teilchen
Die Teilchen im Plasma, insbesondere die Ionen und neutralen Atome, haben in der Regel ein
Eigenvolumen und sind keine Punktteilchen (außer den Elektronen). Dazu wird häufig das
Konzept des verfügbaren oder reduzierten Volumens eingeführt, analog zum Parameter b in
der van-der-Waalsschen-Zustandsgleichung für Gase und Flüssigkeiten. Wir lösen die PoissonGleichung (2.25) mit einer intrinsischen Ladungsdichte ̺a (r) des Teilchens a mit dem Radius
R:
1
(2.44)
∇2 Φa (r) − κ2 Φa (r) = − ρa (r) .
ε0
2.4. SELBSTENERGIE EINES TEILCHENS IM PLASMA
27
• Außenraum r > R: Das ausgedehnte Teilchen wirkt wie eine Punktladung, das Plasma
schirmt ab,
e−κr
∇2 Φa (r) − κ2 Φa (r) = 0 → Φa (r > R) = A
.
(2.45)
r
• Innenraum r ≤ R: Wir betrachten nur die Ladungsverteilung im Teilchen und dort
keine Abschirmung,
1
(2.46)
∇2 Φa (r) = − ρa (r) .
ε0
• An der Oberfläche des Teilchens mit dem Radius R muss sich seine Ladung ergeben.
Daraus kann man die Konstante A in der allgemeinen Lösung (2.45) bestimmen. Mit
dem Gauss‘schen Integralsatz
Z
I
∇G(r)dV =
G(r)df und G(r) = ∇Φa (r)
V
OF
erhält man aus der Poisson-Gleichung (2.46) an der Oberfläche r = R:
I
R
1
∇Φa (r)df = − qa ,
∇(∇Φa (r)) =
ε0
V (R)
OF (R)
1 −κr 1 −κr
1
A − 2e
− κe
4πr 2 |r=R = − qa ,
r
r
ε0
κR
e
qa
A=
.
4πε0 1 + κR
• Die allgemeine Lösung für das Potenzial eines ausgedehnten Teilchens im Außenraum
ist also ein modifiziertes Debye-Potenzial (das sich wieder für R → 0 ergibt):
qa −κr eκR
(2.47)
e
.
4πε0 r
1 + κR
R
• Zur Berechnung der Selbstenergie (2.33) ∆Ea = 21 d3 rρind Φa (r) benötigen wir wieder
die induzierte Ladungsdichte, die sich für r ≥ R analog zu (2.31) ergibt:
Φa (r ≥ R) =
qa κ2 −κr eκR
e
.
(2.48)
4πr
1 + κR
Mit dem nackten Coulomb-Potenzial Φa (r) (sonst Doppelzählung!) erhalten wir
Z∞
qa
qa κ2 eκR
e−κr
4π drr 2
·
,
∆Ea = −
8π 1 + κR
r
4πε0 r
ρind (r) = −
= −
qa2 κ2
eκR
R
−κR
e
,
8πε0 1 + κR κ
so dass sich das folgende Ergebnis für die Selbstenergie geladener ausgedehnter Teilchen
ergibt, das sich von dem für Punktladungen (2.34) etwas unterscheidet:
∆Ea = −
1 qa2 κ
1
.
·
2 4πε0 1 + κR
(2.49)
• Für die innere Energie eines Plasmas aus ausgedehnten Teilchen findet man nun analog
zu (2.37):
X
q2 κ
1
1X
Na a
.
(2.50)
U int =
Na ∆Ea = −
2 a
4πε0 1 + κR
a
28
KAPITEL 2. PLASMEN ALS FERMI-SYSTEME
2.5
Chemisches Bild: Partiell ionisierte Plasmen
In diesem Kapitel soll der allgemeine Fall eines partiell ionisierten Plasmas (PIP) untersucht
werden, d.h. freie Teilchen (Elektronen und Ionen) und Bindungszustände (Atome, Moleküle,
Cluster) treten im Plasma nebeneinander auf. Dieser Fall ist insbesondere für Niedertemperaturplasmen relevant (T einige eV), bei denen die thermische Energie nicht ausreicht, um
vollständige Ionisation zu erreichen. Die Anwesenheit geladener Teilchen im PIP kann drastische Änderungen der Eigenschaften der Bindungszustände verglichen mit denen isolierter
Atome oder Moleküle bewirken. Als Ergebnis der Wechselwirkungskorrekturen treten interessante Effekte wie die Erniedrigung der Ionisationsenergie auf, die bei hohen Dichten zur
Druckionisation oder dem Mott-Effekt führen, siehe [1].
Zur Beschreibung der Zusammensetzung im PIP wird die Saha-Gleichung abgeleitet, aus
der der Ionisationsgrad αion gewonnen wird. Er beschreibt das Verhältnis von ionisierten zu
nicht-ionisierten Atomen. Das chemische Bild behandelt freie und gebundene Zustände auf
dem selben Niveau, d.h. Bindungszustände werden wie freie Teilchen als neue Sorten eingeführt. Dadurch wird eine wesentliche Erleichterung verglichen mit dem physikalischen Bild
erreicht, das ausgehend von den elementaren Teilchen (Elektronen, Ionen) alle Korrelationen
im System behandelt - Bindungszustände sind in diesem Sinne langlebige Korrelationen zwischen den elementaren Teilchen. Allerdings müssen im chemischen Bild effektive (in der Regel
dichte- und temperaturabhängige) Potenziale zwischen allen Teilchensorten eingeführt bzw.
abgeleitet werden, so dass es sich hier immer um ein wechselwirkendes Multikomponentenplasma handelt. Der wesentliche Nachteil des chemischen Bildes ist, dass eine saubere Trennung
in freie und gebundene Zustände nicht immer möglich ist. Bei großen Dichten verschwinden
zum Beispiel die Bindungsenergien infolge der Absenkung der Ionisationsenergie. Außerdem
können auch kurzlebige Bindungszustände auftreten, die im chemischen Bild ebenfalls nicht
adäquat beschrieben werden können.
Ausgangspunkt zur Berechnung der Plasmazusammensetzung im chemischen Bild ist das
kanonische Ensemble, so dass die freie Energie F als thermodynamisches Potenzial genutzt
wird. Man kann in einem einfachen Ansatz die verschiedenen Beiträge zu F separieren [17]:
F (T, V, {Nc }) = F0 + F± + Fpol .
(2.51)
• F0 ist der Beitrag der neutralen Teilchen, etwa H, H2 , der z.B. über die Fluid Variational
Theory (FVT) [18] berechnet werden kann.
• F± ist der Beitrag der geladenen Teilchen (Plasma), der z.B. über eine Quantenvirialentwicklung bzgl. des Coulomb-Potenzials bestimmt wird [15].
• Fpol ist der Polarisationsterm für die Wechselwirkung zwischen geladenen und neutralen
Teilchen, der sich z.B. aus dem 2. Virialkoeffizienten bzgl. eines Polarisationspotenzials
ergibt [1].
• Aus F (T, V, {Nc }) = U − T S erhält man dann die thermische und kalorische Zustandsgleichung: U = F + T S mit
p=−
dF
dV
, µc =
T,N
dF
dN
T,V
, S=−
dF
dT
.
V,N
• Beispiel H-Plasma: Die elementaren Teilchen sind Elektronen und Protonen mit ne =
2.6. BETHE-SALPETER-GLEICHUNG UND MOTT-EFFEKT
29
np = n. Es sind verschiedenen Bindungszustände möglich:
e+p↔H
H + H ↔ H2
H + e ↔ H−
H2+ + e ↔ H2
..
.
• Im thermodynamischen Gleichgewicht kann das chemische Gleichgewicht für jede Reaktion betrachtet werden. Das Ionisationsgleichgewicht e + p ↔ H liefert z.B. die Bedingung
µe + µp = µH .
• Neben der Ionisation muss auch die Rekombination betrachtet werden, die sich im
thermodynamischen Gleichgewicht die Waage halten.
• Im chemischen Bild wird jeder Bindungszustand als neue Sorte mit einer entsprechenden Partialdichte identifiziert. Die Partialdichten der im physikalischen Sinn elementaren Teilchen Elektronen und Protonen werden von denen der zusammengesetzten
Teilchen durch ein Sternchen unterschieden:

n∗e Dichte freier e
 n∗ + n = n
H
e
e
n∗p Dichte freier p
∗

 np + nH = np
nH Dichte von H-Atomen
2.6
Bethe-Salpeter-Gleichung und Mott-Effekt
Um das allgemeine Verhalten von Bindungszuständen in dichten Plasmen zu studieren, betrachten wir den einfachsten Fall eines partiell ionisierten H-Plasmas. Dazu leiten wir eine
effektive Einteilchen-Schrödinger-Gleichung ab, die Bethe-Salpeter-Gleichung genannt wird,
und diskutieren deren Lösungen. Ausgangspunkt ist die Schrödinger-Gleichung für das isolierte H-Atom, die durch Korrekturen des Mediums (Abschrimung und Selbstenergie im Plasma)
ergänzt werden muss.
p2
p2
2
2
p
+ PM + V (r)
Hamilton-Operator: H = 2m1e + 2m2p + V (r) = 2µ
1
Schwerpunktsystem: M = me + mp , µ1 = m1e + m1p ≈ m1e = m
Energiedarstellung: H | nlmi = Enlm | nlmi mit den Quantenzahlen {nlm}
Radiale Schrödinger-Gleichung in Energiedarstellung:
hnlm | rθφi = Rnl (r)Ylm (θ, φ) , Rnl (r) = unl (r)/r ,
~2 l(l + 1)
~2 d2
unl (r) + E − V (r) −
unl (r) = 0 .
2m dr 2
2m r 2
(2.52)
• Die numerische Lösung dieser Differenzialgleichung kann mit dem Numerov-Verfahren
oder der Amplituden-Phasen-Methode (APM) erfolgen.
• E > 0: kontinuierliches Spektrum der Streuzustände Eklm , uklm .
• E < 0: diskretes Spektrum der Bindungszustände Enlm , unlm .
30
KAPITEL 2. PLASMEN ALS FERMI-SYSTEME
• Das Energieniveauschema des isolierten H-Atoms ergibt sich mit den Quantenzahlen n
(Hauptquantenzahl), l (Nebenquantenzahl) und m (magnetische Quantenzahl) zu:
Ryd
,
n2
n = 1, 2, 3, . . . , l = 0, 1, . . . n − 1 , m = l, l − 1, . . . − l
~2 4πε0
e2
aB =
, Ryd =
= 13.602 eV
2
me e
8πε0 aB
Enlm = −
(2.53)
Für die Bindungszustände im Medium, z.B. H-Atome im Plasma, wird eine effektive SchrödingerGleichung (Bethe-Salpeter-Gleichung) aufgestellt. Die folgenden Effekte werden berücksichtigt:
s (r)
• Abschirmung: Coulomb-Potenzial Vcd (r) → abgeschirmtes (Debye-) Potenzial Vcd
• Der Selbstenergieshift der freien Teilchen ∆c kommt zur Dispersionsrelation Ec (p) hinp2
κe2
zu. In Debye-Hückel-Näherung ergibt sich ǫc (p) ≡ Ec (p) + ∆c ≈ 2m
− 8πε
c
0
2 2
~2 l(l + 1)
~ d
s
+
V
(r)
−
+
∆
+
∆
u
(r)
+
E
unl (r) = 0 .
(2.54)
e
p
nl
nl
ep
2m dr 2
2m r 2
Betrachtet man den Grundzustand n = 1, l = 0 und nicht zu hohe Dichten (Debye-HückelShift), erhält man:
~2 d2
κe2
−
2m dr 2 4πε0
u10 (r) −
e2 −κr
e u10 (r) = E 10 u10 (r)
4πε0 r
(2.55)
• Grenzfall ne → 0 bzw. κ → 0: isoliertes H-Atom
• Das Plasma verändert die Bindungsenergien E nl und Wellenfunktionen unl (r)
• Mediumeffekte: limne →0 [exp(−κr) + κr] = 1 +
κ2 r 2
2!
+ . . . = 1 + O(κ2 )
• Bindungsenergien: E nl = E10 + O(κ2 ) d.h. nahezu konstant
• Streuzustände: E pP =
tional zu
1/2
nc
p2
2µ
+
P2
2M
−
κe2
4πε0
d.h. Absenkung der Kontinuumskante propor-
• Interpretation als Erniedrigung der Ionisationsenergie:
Eion =| Enlm | −
κe2
4πε0
• Mott-Effekt: Bindungszustände verschwinden im Kontinuum der Streuzustände (werden “aufgebrochen”), falls
κe2
| Enlm |=
4πε0
• Für den 1s-Grundzustand gilt | E10 |=
(Mott-Dichte) abgeleitet werden kann:
e2
8πε0 aB
=
κe2
4πε0 ,
1
= R0,M ≃ 2aB
κM
so dass eine kritische Dichte
(2.56)
31
2.7. SAHA-GLEICHUNG UND MASSENWIRKUNGSGESETZ
• Für solche extrem hohen Dichten sind alle Bindungszustände im Plasma (Atome) verschwunden: Druckionisation oder Mott-Effekt, siehe Abb. 2.6.
• Die kritische Dichte kann durch numerische Lösung der effektiven Schrödinger-Gleichung
(2.54) genauer berechnet werden [19]:
1
= 0.84aB
κM
(2.57)
E
n Mott
0
n
EBind
~n1/2
E10
"Druckionisation" = "Mott − Effekt"
E>E Bind −> vollst. Ionisation
Abbildung 2.6: Mott-Effekt im dichten H-Plasma. Bei einer kritischen Dichte nM ott verschwindet selbst der tiefste Bindungszustand und das Plasma wird vollständig ionisiert. Daraus wurde das Konzept der Erniedrigung der Ionisierungsenergie oder der Druckionisation abgeleitet.
2.7
Saha-Gleichung und Massenwirkungsgesetz
Im PIP besteht die Aufgabe nun darin, die Plasmazusammensetzung im chemischen Bild
zu berechnen, d.h. die Anteile der einzelnen Sorten an der Gesamtdichte (Dissoziationsgrad,
Ionisationsgrad etc). Ausgangspunkt ist das chemische Gleichgewicht, z.B. für Ionisation e +
p ⇆ H:
µe + µp = µH .
(2.58)
Als Ansatz wählen wir wieder eine Aufteilung der chemischen Potenziale jeder Sorte a =
e, p, H in idealen und WW-Anteil
WW
µa = µid
,
a + µa
µid
a = kB T ln
n∗a λ3a
σa
,
mit der internen Zustandssumme (Summe über die inneren Freiheitsgrade) σa , siehe (1.4).
Dafür wird in einfacher Näherung ein Separationsansatz gemacht (d.h. diese Zustände sollen
unabhängig voneinander sein):
σa = σaspin σaelec σ rot−vib .
32
KAPITEL 2. PLASMEN ALS FERMI-SYSTEME
Speziell ergeben sich
elec
σH
spin elec
elec
σH = σH
σH = σespin σpspin σH
,
X
X
=
exp{−βEnlm } =
(2l + 1) exp{−βEnl } .
nlm
nl
Ein fundamentales Problem an dieser Stelle ist, dass sich eine divergente elektronische Zustandssummen für isolierte Atome für n → ∞ ergibt. Ein Plasma hat aber immer eine endliche
Dichte und dadurch nur endlich viele Bindungszustände (Erniedrigung der Ionisationsenergie,
siehe Kapitel 2.6). Betrachten wir zur Vereinfachung nur den nicht verschobenen Grundzuelec ≃ exp{βE
stand Ẽ10 ≃ E10 = −Eion , so dass σH
ion } folgt. Die Zustandssumme der freien
Teilchen enthält nur den Spin: σe = σp = σ spin = 2. Die Wechselwirkungskorrekturen ergeben
sich aus dem Selbstenergie-Shift:
W
µW
= ∆a für a=e,p .
a
Die Auswertung des chemischen Gleichgewichts (2.58) ergibt das gesuchte Massenwirkungsgesetz:
!
∗ 3
n∗p λ3p
nH λ3H
n e λe
+ ∆p = kB T ln
kB T ln
+ ∆e + kB T ln
2
2
4e−βE10
λ3e λ3p
nH
=
exp{β(−E10 + ∆e + ∆p )}
n∗e n∗p
λ3H
mp ≈ mH → λ3p ≈ λ3H , E10 = −Eion , ∆e = ∆p = −
nH =
(n∗e )2 λ3e exp
κe2
β Eion −
4πε0
κe2
8πε0
(2.59)
• Dieses Massenwirkungsgesetz (Plasma: Saha-Gleichung) bestimmt die Plasmazusammensetzung oder den Ionisationsgrad.
• Das Problem der elektronischen Zustandssumme σH muss besser gelöst werden, um
die Zahl der Bindungszustände und das Verhalten der Streuzustände zu bestimmen.
Dazu ist die Lösung der sogenannten Beth-Uhlenbeck-Gleichung unter Verwendung des
Levinson-Theorems notwendig [15].
• Ein weiteres Problem ist die Güte der WW-Beiträge zum chemischen Potenzial. Die
Selbstenergie-Korrekturen bestimmen die Plasmazusammensetzung bei hohen Dichten
und starken Korrelationen entscheidend, hier wurde nur der Debye-Hückel-Shift für
kleine Dichten zur Veranschaulichung verwendet. Deswegen sind Ergebnisse störungstheoretischer Methoden mit Vorsicht zu verwenden.
∗
e
ist aus (2.59) für gegebene Dichten n∗e = n∗p und
• Der Ionisationsgrad αion = n∗ n+n
H
e
Temperaturen T berechenbar.
• Typische Einelektronensysteme sind neben Wasserstoff die Alkalimetalle Li, Na, K, Rb,
Cs.
• Dieses Verfahren ist auch für die Anregung höherer Ionisationsstufen in Elementen wie
z.B. He2+ + e ↔ He+ usw. anwendbar. Als Beispiel wird in Abb. 2.7 die systematische
Anregung höherer Ionisationsstufen im Xe-Plasma gezeigt [20].
• Das Dissoziationsgleichgewicht in molekularen Systemen wie H2 , N2 , O2 usw. ist ebenfalls mit dieser Methode berechenbar. In Abb. 2.8 werden Ergebnisse für Wasserstoff
bei relativ niedrigen Temperaturen gezeigt [21].
33
αe
2.7. SAHA-GLEICHUNG UND MASSENWIRKUNGSGESETZ
5
4
3
2
1
0
1.0
Xe
(b)
3
ρ=1.0 g/cm
αZ
0.8
Xe
+1
Xe
+2
Xe
+3
Xe
+4
Xe
+5
Xe
0.6
0.4
0.2
0.0
10
4
5
10
T in K
Abbildung 2.7: Ionisationsgrad α im dichten Xe-Plasma als Funktion der Temperatur für eine
feste Dichte. Oben: Anzahl der freien Elektronen pro Atom, unten: Anteile der verschiedenen
Ionen Xe+n . Mit steigender Temperatur werden immer höhere Ionisationsstufen angeregt und
der Ionisationsgrad steigt [20].
1.0
0.8
TB-MD Sim.
present FVT
α
0.6
10 000 K
6 000 K
3 000 K
0.4
0.2
0.0
0
0.5
1
3
ρ [g/cm ]
1.5
2
Abbildung 2.8: Dissoziationsgrad α im dichten molekularen Wasserstoff als Funktion der
Dichte für verschiedene Temperaturen [21]. Die Dichte von flüssigem Wasserstoff beträgt
zum Vergleich 0.088 g/cm3 bei 20 K. Die Ergebnisse der FVT (“Plasma“ ohne Ionisation)
werden mit Simulationen verglichen.
34
KAPITEL 2. PLASMEN ALS FERMI-SYSTEME
Kapitel 3
Kinetische Theorie
Zur Beschreibung der Dynamik eines Systems soll im ersten Schritt eine Bilanzgleichung für
die Einteilchenverteilungsfunktion fc (r, p, t) aufgestellt werden, die im Prinzip alle physikalischen Observablen bestimmt. Damit folgen wir dem Konzept der Gleichgewichtsstatistik, wo
aus dem Maximum der Entropie die Verteilungsfunktionen für die Impulszustände abgeleitet werden konnten: die Fermi-Dirac- bzw. Bose-Einstein-Verteilungsfunktion für Fermionenund Bosonensysteme. Nun soll die entsprechende Verteilungsfunktion für Nichtgleichgewichtszustände bestimmt werden. Änderungen dieser Größe ergeben sich infolge von Wechselwirkungen (Stößen) zwischen den Teilchen im System oder durch den Einfluss äußerer Felder.
Diese Bilanzgleichung ist die berühmte Boltzmann-Gleichung. In diesem Kapitel werden ihre
Eigenschaften und auch Lösungsverfahren für diese, wie sich zeigen wird, Integrodifferenzialgleichung dargestellt.
3.1
Die Boltzmann-Gleichung
Wir betrachten Systeme im Nichtgleichgewicht. Der Nichtgleichgewichtszustand im Plasma
kann z.B. hervorgerufen werden durch:
~ führen zu einem Strom ~jel der frei beweglichen Ladungs• Äußere elektrische Felder E
~ mit der elektrischen Leitfähigkeit σ.
träger. Es folgt das Ohmsches Gesetz ~jel = σ E
~ anliegt, folgt der Hall-Effekt mit dem
• Falls zusätzlich dazu senkrecht ein Magnetfeld B
Hall-Widerstand RH .
• Ein Temperaturgradient ∇T führt zu einem Wärmestrom mit der Wärmeleitfähigkeit
λ: ~jQ = −λ∇T .
• Ein Gradient in der Konzentration ca der Sorte a erzeugt Diffusion und das 1. Ficksche
Gesetz lautet ~ja = −D∇ca mit der Diffusionskonstanten D.
• Ein sogenannter Kreuzeffekt ist die Thermokraft (Seebeck- oder Peltier-Koeffizient).
Duch einen Temperaturgradienten werden gleichzeitig elektrische Ströme induziert und
man misst im stromlosen Zustand die Thermospannung. Formel?
Eine mikroskopische Beschreibung erfolgt über die Einteilchenverteilungsfunktion fc (r, p, t).
Wir gehen von der lokalen Dichte
nc (r, t) =
Z
d3 p
fc (r, p, t)
h3
35
(3.1)
36
KAPITEL 3. KINETISCHE THEORIE
mit der Normierung
Nc (t) =
aus. Die Teilchenstromdichte ist über
j~c (r, t) =
Z
Z
d3 r nc (r, t)
(3.2)
d3 p p~
fc (r, p, t)
h3 mc
(3.3)
definiert. Zunächst machen wir stark vereinfachende Annahmen und vernachlässigen Stöße
zwischen den Teilchen (ideales Gas) und fordern Teilchenzahlerhaltung (geschlossenes System). Damit folgt für zwei verschiedene Zeiten t und t′ :
Z
Z 3
Z
Z 3 ′
d p
d p
3
′
3 ′
Nc (t) = d r
fc (r, p, t) = Nc (t ) = d r
fc (r ′ , p′ , t′ ) .
(3.4)
3
h
h3
Mit der Transformation t → t′ = t + ∆t, r → r ′ = r + ∆r und p → p′ = p + ∆p folgt für die
NGG-VF
dfc
fc (r ′ , p′ , t′ ) = fc (r + v∆t, p + F ∆t, t + ∆t) = fc (r, p, t) +
∆t
dt
∂fc
+ ∇r fc · ~v + ∇p fc · F ∆t .
= fc (r, p, t) +
∂t
Mit dem Liouvilleschen Satz d3 rd3 p = d3 r ′ d3 p′ (inkompressibler Phasenraum) folgt
und daraus die Vlasov-Gleichung:
∂
p~
+
· ∇r + F~ · ∇p fc (r, p, t) = 0 .
∂t mc
(3.5)
dfc
dt ∆t
=0
(3.6)
Die Vlasov-Gleichung beschreibt ein stoßfreies Plasma. Diese Näherung ist angebracht für
dünne Plasmen oder für solche, in denen der Feldeinfluss dominiert (starke Felder). Der zweite
Term in der geschweiften Klammer berücksichtigt dabei Inhomogenitäten im System und der
dritte Term die Kräfte infolge äußerer Felder. Aus ihr kann sofort eine Kontinuitätsgleichung
für die lokale Teichendichte abgeleitet werden, falls keine äußeren Felder anliegen. Aus
~
p
∂
fc (r, p, t) +
· ∇r fc (r, p, t) = 0
∂t
mc
R
ergibt sich durch Integration über d3 p:
∂
nc (r, t) + div ~jc (r, t) = 0 .
∂t
(3.7)
Für dichte Plasmen ist die Berücksichtigung von Stößen zwischen den Teilchen notwendig.
Diese ändern bei jeder Wechselwirkung (Stoß) die Impulse der beteiligten Teilchen (Ablenkung bzw. Impulsübertrag). Unter der Voraussetzung, dass die Wechselwirkungszeit (Stoßzeit) klein gegenüber der mittleren freien Flugzeit zwischen den Stößen ist, kann man den
sogenannten Stoßzahlansatz für die aus (3.6) verallgemeinerte Boltzmann-Gleichung machen:
∂
p~
fc (r, p, t) +
· ∇r fc (r, p, t) + F~ · ∇p fc =
∂t
mc
∂fc
∂t
.
(3.8)
Stoss
Der Stossterm auf der rechten Seite der Boltzmann-Gleichung beschreibt dabei genau diese
Änderung der Verteilungsfunktion fc (r, p, t) infolge von Stößen zwischen den Teilchen. Die
37
3.1. DIE BOLTZMANN-GLEICHUNG
Dichte des Plasmas sei nicht so groß, dass Streuung an mehreren Streuzentren zeitgleich erfolgt. Zur Berechnung des Stoßterms werden Methoden der Streutheorie verwendet. Die linke
Seite der Boltzmann-Gleichung heißt Driftterm und beschreibt die Änderung der Verteilungsfunktion infolge Wechselwirkung mit äußeren Feldern.
Wir berachten nun den einfachsten Nichtgleichgewichtsfall, den stationären Zustand im konstanten elektrischen Feld (Ohmsches Gesetz):
• stationärer Zustand: →
∂fc (r,p,t)
∂t
=0
• räumlich homogenes System: → ∇r fc (r, p, t) = 0
~
• konstantes äußeres elektrisches Feld: F~ = qc E
~ · ∂fc (r, p, t) =
qc E
∂~
p
∂fc (r, p, t)
∂t
(3.9)
Stoss
Der Term auf der linken Seite gibt die Beschleunigung der Elektronen im äußeren Feld an.
Die rechte Seite beschreibt die Dissipation der Energie auf andere Teilchen, z.B. Elektronen
und Ionen. Nach hinreichend langen Zeiten und nicht zu starken Feldern (lineare Response)
wird ein stationärer Zustand mit Te = Ti erreicht.
Die Ableitung und Auswertung des Stoßterms ist eine zentrale Aufgabe der Quantenkinetik [22]. Als besonders effektiv haben sich dabei Methoden der linearen Response-Theorie
erwiesen [23]. Wir geben hier für die weitere Anwendung in der Plasmaphysik nur das Resultat an und verweisen auf die umfangreiche Literatur, z.B. [24, 25]:
X Z d3 p′ Z d3 p1 Z d3 p′
∂fc
1
w(pp1 , p′ p′1 )
(3.10)
= −
∂t Stoss
h3
h3
h3
d=e,i
× fc (p)fd (p1 ) 1 − fc (p′ ) 1 − fd (p′1 ) −[1 − fc (p)][1 − fd (p1 )] fc (p′ )fd (p′1 )
≡
GAIN − LOSS .
In den geschweiften Klammern finden sich zwei Terme: der Erste beschreibt die Streuung aus
dem Zustand | pi heraus (Loss-Term) und der Zweite den inversen Prozess, d.h. die Streuung
in den Zustand | pi hinein (Gain-Term). Dabei ist die Wahrscheinlichkeit für den Streuprozess
proportional zu den Besetzungen der ein- und auslaufenden Zustände. Die 1−f -Terme heißen
auch Pauli-Blocking-Terme und beschreiben den Fakt, dass Übergänge in schon besetzte
Zustände für Fermionen auf Grund des Pauli-Prinzips verboten sind. Der Streuprozess selbst
ist durch die Übergangswahrscheinlichkeit w zwischen den beteiligten Zuständen gegeben, für
die Fermi’s Goldene Regel verwendet werden kann:
w(pp1 , p′ p′1 ) =
π
| W (pp1 , p′ p′1 ) − δcd W (pp1 , p′1 p′ ) |2
~
×δp+p1,p′ +p′1 δ(Ep + Ep1 − Ep′ − Ep′1 ) .
(3.11)
Das Matrixelement der Übergangswahrscheinlichkeit kann z.B. in Bornscher Näherung angegeben werden:
s
(r) | p′ p′1 .
W (pp1 , p′ p′1 ) = pp1 | Vcd
(3.12)
Der Stoßterm stellt in dieser Form eine Bilanz zwischen allen möglichen Streuprozessen in den
Zustand | pi hinein oder aus ihn heraus dar. Die Boltzmann-Gleichung (3.8) muss mit dem
Stoßterm (3.10) gelöst werden, um die volle Nichtgleichgewichtsverteilungsfunktion (NGGVF) fc (r, p, t) zu gewinnen und somit über Mittelwertbildung physikalische Größen wie zum
Beispiel die Ströme im System und damit auch die Transportkoeffizienten zu bestimmen.
38
KAPITEL 3. KINETISCHE THEORIE
Das Zeitargument ist geeignet, die Evolution des Systems zu verfolgen, zum Beispiel die Einstellung des stationären Zustands nach Einschalten des Feldes oder die Relaxation in das
thermodynamische Gleichgewicht nach Ausschalten des Feldes. Bei expliziter Zeitabhängigkeit des äußeren Feldes ist die Behandlung komplizierter. Zusammenfassung:
• Die Boltzmann-Gleichung (BG) ist die Bestimmungsgleichung für die NGG-VF fc (p).
• Sie ist eine Integrodifferentialgleichung.
• Die Übergangswahrscheinlichkeiten sind mikroskopischer Input für den NGG-Zustand.
• Die Übergangswahrscheinlichkeiten sind durch Fermi’s Goldene Regel gegeben.
• Mittelwerte physikalischer Observablen berechnen sich über:
Z
Z
d3 p
3
hA(t)i = d r
A(r, p, t)fc (r, p, t) .
(2π~)3
3.2
(3.13)
Eigenschaften der Boltzmann-Gleichung
Wir betrachten nunmehr beliebige Funktion h(p) und lassen c = e als Sortenindex weg (wir
sind in aller Regel an der elektronischen NGG-VF interessiert). Wir definieren einen Operator
Z 3
∂f (p)
d p
h(p)
(3.14)
K [h(p), f (p)] ≡
h3
∂t
Stoss
und analysieren seine Symmetrie mit Hilfe der Übergangswahrscheinlichkeiten. Es gilt die
Beziehung
w(pp1 , p′ p′1 ) = w(p1 p, p′1 p′ ) = w(p′1 p′ , p1 p) = w(p′ p′1 , pp1 )
wegen der Vertauschbarkeit der Stoßpartner und auf Grund der mikroskopischen Reversibilität. Damit lässt sich der Operator K umschreiben zu:
Z
1 d3 p ∂f (p)
′
′
h(p)
+
h(p
)
−
h(p
)
)
−
h(p
K [h(p), f (p)] =
1
1
4
h3
∂t
Stoss
Z 3 3 3 ′ 3 ′
1 d pd p1 d p d p1
= −
w(pp1 , p′ p′1 ) h + h1 − h′ − h′1
12
4
h
× f f1 (1 − f ′ )(1 − f1′ ) − f ′ f1′ (1 − f )(1 − f1 ) .
(3.15)
Für spezielle Funktionen h(p) = ψ(p) mit der Eigenschaft ψ(p) + ψ(p1 ) = ψ(p′ ) + ψ(p′1 )
ergeben sich auf Grund dieser Erhaltungssätze beim
jeweils Kontinuitätsgleio
n Stoßprozess
p2
chungen. Es gibt fünf solcher Funktionen: ψα (p) = 1, 2m , p~ mit α = 1 . . . 5. Man nennt
diese Erhaltungssätze auch Invarianten der Boltzmann-Gleichung oder Bewegungsintegrale:
K [ψα (p), f (p)] = 0
da (h + h1 − h′ − h′1 ) = 0 .
(3.16)
Es folgt nun die Ableitung der Kontinuitätsgleichungen ausgehend von diesen fünf Funktionen
h(p) = ψα (p):
Z 3
∂f (p)
d p
h(p)
.
(3.17)
K [h(p), f (p)] =
h3
∂t
Stoss
Dazu benötigen wir auch den Driftterm der Boltzmann-Gleichung:
Z 3
p~
∂fp
d p
~ · ∇p f p = 0 .
ψα
+
· ∇r f p + F
h3
∂t
m
(3.18)
3.3. GLEICHGEWICHTSLÖSUNG FP0
39
Wir betrachten nun die fünf Erhaltungsgrößen, zunächst α = 1, d.h. ψ1 = 1:
Z 3
Z 3
Z 3
∂
d p
d p~
d p
f
+
∇
·
f
+
F · ∇p f p = 0 .
p
r
p
3
3
∂t
h
h
h3
(3.19)
Nach partieller Integration folgt die Kontinuitätsgleichung für die Teilchendichte:
∂
n(r, t) + div ~j(r, t) = 0 .
∂t
(3.20)
2
p
Der dissipative Term (Kraft) verschwindet. Betrachten wir als nächstes α = 2, d.h. ψ2 = 2m
.
Wir definieren die kinetische Energiedichte ǫ(r, t), den Strom der kinetischen Energiedichte
~jǫ (r, t) und die lokal pro Zeit geleistete Arbeit a(r, t):
Z 3 2
d p p
ǫ(r, t) =
fp ,
(3.21)
h3 2m
Z 3 2
d p p p~
~jǫ (r, t) =
fp ,
(3.22)
h3 2m m
Z 3
d p p~ ~
· F fp .
(3.23)
a(r, t) =
h3 m
Damit ergibt sich die Kontinuitätsgleichung für die Enerergiedichte:
∂
ǫ(r, t) + div ~jǫ (r, t) = a(r, t) .
∂t
(3.24)
Für die Impulskomponenten α = 3, 4, 5 mit ψα = p~ ergeben sich mit der Impulsdichte gi (r, t),
der Kraftdichte fi (r, t) und der Impulsstromdichte ~jpi mit i = 1, 2, 3 bzw. x, y, z analoge
Kontinuitätsgleichungen:
Z 3
d p
gi (r, t) =
pi f p ,
(3.25)
h3
Z 3
d p p~
~jpi (r, t) =
(3.26)
pi f p ,
h3 m
Z 3
d p
Fi fp ,
(3.27)
fi (r, t) =
h3
∂
gi (r, t) + div ~jpi = fi (r, t) .
∂t
3.3
(3.28)
Gleichgewichtslösung fp0
Im thermodynamischen Gleichgewicht (keine äusseren Felder, keine Zeitabhängigkeit) ist die
Lösung der BG bekannt: fp0 ist die Maxwell-Boltzmann-VF im klassischen Fall bzw. Fermi-VF
im Quantenfall. Sie ist nicht ortsabhängig für homogene Systeme. Wir wählen speziell
h = ln
h + h1 − h′ − h′1 = ln
x =
y =
f0
1 − f0
so dass
′
(3.29)
′
f 0 f10 (1 − f 0 )(1 − f10 )
′
f 0 ′ f10 (1 − f 0 )(1 − f10 )
′
′
f 0 f10 (1 − f 0 )(1 − f10 ) ,
′ ′
f 0 f10 (1 − f 0 )(1 − f10 ) .
≡ ln
x
y
mit
(3.30)
(3.31)
(3.32)
40
KAPITEL 3. KINETISCHE THEORIE
Zähler und Nenner bringen die statistischen Faktoren beim Streuprozess zum Ausdruck. Der
Zähler x beschreibt Streuprozesse aus dem Zustand | pi heraus und der Nenner y Streuprozesse
in den Zustand | pi hinein. Diese Bilanz gilt für jeden p-Zustand, also die volle VF. Im therf0
modynamischen Gleichgewicht verschwindet der Driftterm und damit ist K[ln( 1−fp 0 ), fp0 ] = 0:
p
"
K ln
#
fp0
1
, fp0 = −
0
1 − fp
4
X
p,p1 ,p′ ,p′1
x
′ ′
w(pp1 , p p1 )(x − y) ln
= 0.
y
(3.33)
Es gilt
x
y
x
(x − y) ln
y
(x − y) ln
≥ 0 ∀ x 6= y ,
= 0 für x = y
(3.34)
∀p.
Das heißt, fp = fp0 ist im thermodynamischen GG die Lösung der BG und x = y bedeutet
anschaulich, dass genauso viele Streuprozesse in den Zustand | pi hinein führen wie umgef0
kehrt heraus. Das gilt für jeden Impulszustand | pi. Weiterhin erfüllt auch ψ = ln 1−f
0 die
0
Bedingung K ψ, f = 0 und stellt somit eine Erhaltungsgröße dar.
Wie lautet nun die VF der Impulszustände im thermodynamischen GG? Dazu stellen wir die
VF als Linearkombination der bisherigen Lösungen ψα dar:
fp0
p2
~ · p~ .
ln
=
A
+
B
+C
1 − fp0
2m
(3.35)
~ lassen sich aus den Erhaltungssätzen berechnen. Wir wählen als Ansatz
Die Größen A, B, C
für die GG-VF mit der Driftgeschwindigkeit ~u des Systems (z.B. bei Konvektion):
fp0 = {exp[β(Ep − µ − p~ · ~u)] + 1}−1 .
Vergleich ergibt
ln
fp0
= −β(Ep − µ − ~p · ~u) ,
1 − fp0
(3.36)
(3.37)
~ = β~u mit den aus der Thermodynamik bekannten
das heißt A = βµ, B = −β und C
Lagrangeparametern β und βµ. Im klassischen Grenzfall µ → −∞ ergibt sich die MaxwellBoltzmann-VF:
m
nλ3
2
0
MB
exp −
(v − 2~v · ~u) .
(3.38)
fp (µ → −∞) = f
(v) =
2
2kB T
3.4
Das Boltzmannsche H-Theorem
Gegenstand des berühmten H-Theorems von Boltzmann ist die Ableitung einer Größe, die
der Entropie aus der Gleichgewichtsthermodynamik für NGG-Situationen entspricht. Dazu
definieren wir die H-Funktion
Z 3
d p
H(r, t) =
[fp ln fp + (1 − fp ) ln(1 − fp )]
(3.39)
h3
und sind an ihrer Zeitabhängigkeit interessiert:
Z 3
fp
d p
∂H ∂f
∂f
dH
=
=
ln
.
3
dt
∂f ∂t
h
1 − fp ∂t
(3.40)
41
3.4. DAS BOLTZMANNSCHE H-THEOREM
f
Wir untersuchen nun die BG mit dem Operator K[ln 1−fp p , fp ] und finden folgende Beiträge:
Z
(2): ln
fp
d3 p
ln
3
h
1 − fp
fp ~
p
· ∇r f p
1 − fp m










∂
fp
p~
~
fp + · ∇r fp + F · ∇p fp = K ln
, fp , (3.41)

1 − fp
|∂t{z } |m {z } | {z }



{z
}
 ∂H
 |
(3)
(2)
Stossterm
∂t









fp 
fp
p~
=
· ∇r fp ln
− f p ∇r
m 
1 − fp
1 − fp 



|
{z
}


(a)
fp
(1 − fp ) 1 − fp + fp
∇r f p
(a): fp ∇r ln
= fp
∇r f p =
= −∇r ln(1 − fp )
2
1 − fp
fp
(1 − fp )
1 − fp
p
fp
p~
fp ~
· ∇r f p =
· ∇r fp ln
+ ln(1 − fp )
wird (2): ln
1 − fp m
m
1 − fp
p~
· ∇r (fp ln fp + (1 − fp ) ln(1 − fp )) .
=
m
Mit der Definition
Z
d3 p p~
[fp ln fp + (1 − fp ) ln(1 − fp )] ≡ ~jH (r, t)
h3 m
(3.42)
als der Stromdichte von H(r, t) ergibt sich der Beitrag (2) zu div ~jH . Analog findet man für
den Beitrag (3) und mit Hilfe des Gaußschen Integralsatzes:
Z
d3 p
∇p [fp ln fp + (1 − fp ) ln(1 − fp )]
3
V h
Z
~ p [fp ln fp + (1 − fp ) ln(1 − fp )] = 0 ,
dA
= F~ ·
F~ ·
OF
da die VF fp im Unendlichen verschwinden. Nun muss noch die rechte Seite (Stoßterm) von
(3.41) untersucht werden. Dazu benutzen wir das Ergebnis (3.34) und die Definition (3.29)
und finden:
Z 3
∂fp
fp
fp
∂H
d p
, fp =
ln
=
(3.43)
K ln
1 − fp
h3
1 − fp ∂t Stoss
∂t Stoss
1
x
= − w(pp1 , p′ p′1 ) (x − y) ln
< 0.
{z
}
4|
y
|
{z
}
>0
>0
Daraus folgt das Ergebnis für die zeitliche Änderung von H(r, t):
∂H(r, t)
+ div ~jH (r, t) =
∂t
∂H(r, t)
∂t
Stoss
≤ 0.
(3.44)
Das heißt, dass die H-Funktion für NGG-Situationen immer abnimmt. Bei Annäherung an
den Gleichgewichtszustand schwächt
sich dieses Verhalten ab und im Gleichgewicht selbst
gilt das Gleichheitszeichen: ∂H
∂t Stoss = 0. Im GG gilt x = y, siehe (3.34). Die H-Funktion
hat damit bis auf das Vorzeichen und die Dimension das gleiche Extremalverhalten wie die
42
KAPITEL 3. KINETISCHE THEORIE
phänomenologische Entropie aus der Thermodynamik. Wir definieren deshalb die Entropiedichte s(r, t) = −kB H(r, t) und die Entropiestromdichte ~js (r, t) = −kB~jH (r, t) (der Faktor
kB liefert die von Boltzmann eingeführte Entropie). Damit ergibt sich:
∂s
+ div ~js (r, t) =
∂t
∂s
∂t
Stoss
(3.45)
≥ 0.
Hier stellt ∂s
∂t Stoss die in der Thermodynamik als Quellterm in der Bilanzgleichung eingeführte Größe Entropieproduktionsdichte σ dar. In der Quantenkinetik wird sie durch Stöße
zwischen den Teilchen bestimmt, die zum Beispiel zum Einstellen des thermodynamischen
Gleichgewichts bei Abwesenheit äußerer Felder notwendig sind. Im stationären Fall mit äußerem Feld verschwindet der Term ebenfalls: es ist zwar x = y, aber fp 6= fp0 . Diese Betrachtungen stellen den mikroskopischen Zugang zur Entropie dar, die im Gleichgewicht ein Maximum
annimmt.
3.5
Relaxationszeitnäherung
Nun wenden wir uns Lösungsmethoden für die BG zu, um die Transportkoeffizienten wie
etwa die elektrische Leitfähigkeit zu bestimmen. Ein Standardverfahren dazu ist die Relaxationszeitnäherung, mit der die Integrodifferentialgleichung gelöst wird und die NGG-VF fp
gewonnen wird. Wir machen die folgenden vereinfachenden Annahmen. Das Plasma bestehe
aus c = e beweglichen Elektronen und c = i schweren, fest platzierten Ionen. Damit ist die
adiabatische Näherung bzw. die Born-Oppenheimer-Näherung anwendbar. Für die Antwort
des Systems auf äussere Störungen sind alle internen WWen zwischen allen Sorten zu berücksichtigen. Wir betrachten hier nur die Elektron-Ion-Wechselwirkung (Lorentzgasmodell, eeWW wird vernachlässigt). Anwendungen: Elektron-Ion-Plasma oder Elektron-Loch-Plasma
e
im HL. Wir nehmen weiterhin den stationären Fall an, d.h. ∂f
∂t = 0 (konstantes äusseres Feld),
∂fe
und ein homogenes System, d.h. ∂~r = 0. Als externes Feld wird ein elektrisches betrachtet:
~ Damit lautet die vereinfachte BG in Relaxationszeitnäherung (engl.: RTA):
F~ = −eE.
~ · ∇p f e =
−eE
∂fe
∂t
Stoss
≡−
fe (p) − fe0 (p)
τ (p)
(3.46)
mit τ (p) als der Relaxationszeit und fe0 der GG-VF. Sie ist anschaulich die Zeitkonstante,
mit der das System nach Abschalten des externen Feldes gegen das thermodynamische GG
relaxiert. Wird bei t = t0 das externe Feld ausgeschaltet, verschwindet der Driftterm und es
gilt:
∂fe
∂t
Stoss
Lösung:
fe (p) − fe0 (p)
τ (p)
t − t0
fp (t) = fp0 + fp (t) − fp0 exp −
τ (p)
{z
}
|
(3.47)
= −
Relaxation gegen fp0
∀ ~p
43
3.5. RELAXATIONSZEITNÄHERUNG
Die formale Lösung der BG (3.46) lautet:
∂fp
,
∂~
p
∂fp ∂Ep
∂fp p~
p2 ∂fp
=
,
=
=
,
2m ∂p
∂Ep ∂~
p
∂Ep m
∂fp0
∼
~ · ~p
.
= fp0 + τp eE
m ∂Ep
|{z}
~·
fe (p) ≡ fp = fp0 + τp eE
Ep
fp
(3.48)
(3.49)
(3.50)
∂fp ≈∂fp0
Die RTA setzt voraus, dass nur kleine Abweichungen vom (kleine Auslenkungen aus) dem
Gleichgewicht auftreten. Daher dürfen die externen Felder nicht zu stark sein, um eine lineare
Antwort des Systems beschreiben zu können [engl.: Linear Response Theory (LRT)]. Für
starke Felder ergeben sich nichtlineare Effekte wie z.B. ballistischer Transport bis hin zum
elektrischen Durchbruch. Aus diesem Grund wurde in der Ableitung auch als Näherung die
∂f
GG-VF verwendet und nicht die NGG-VF ∂Epp .
Als Beispiel betrachten wir den elektrischen Strom als Antwort (Response) auf ein externes,
konstantes elektrisches Feld, um das Ohmsche Gesetz und damit die elektrische Leitfähigkeit
σ quantenkinetisch abzuleiten (ρ = σ −1 : spezifischer Widerstand, Spinfaktor 2):
Z 3
~ = qe~je = −e~je = −2e d p p~ fe (p)
~jel ≡ σ E
(3.51)
h3 m




Z 3
d p ~p  0
~p ∂fp0 
~
= −2e
+τ
e
E
·
f
p
p
h3 m 
m ∂Ep 

|{z}
=0
= −2e2
Z
d3 p
h3
p~ ~ p~ ∂fp0
τp E ·
m
m ∂Ep
(3.52)
Im Fall des Gleichgewichts fließen keine Ströme, der erste Term mit fp0 liefert nichts. Wir
~ parallel zu e~z und erhalten j (z) . Das Ergebnis ist für jede Richtung x, y, z
wählen z.B. E
el
gleich, so dass die Richtungsmittelung zu einem Faktor 1/3 führt:
jel
Z
d3 p p 2 ∂fp0
τp
,
h3 m
∂Ep
p
p2 ∂Ep
,
=
,
Substitution: Ep =
2m
∂p
m
Z∞
4πe2 Em1/2 5/2
∂fe0 (Ep )
3/2
= −
dE
E
τ
(E
)
2
= σE .
p
p
p
3h3
∂Ep
2
jel = − e2 E
3
(3.53)
(3.54)
−∞
Die mikroskopische Information über die WWen ergibt sich aus der Relaxationszeit, d.h. dem
Stossterm:
Z 3 ′Z 3 Z 3 ′
∂fp
d p1
d p1
d p
w(pp1 , p′ p′1 )
(3.55)
= −
3
3
∂t Stoss
h
h
h3
i
h
× fp fp1 (1 − fp′ )(1 − fp′1 ) − fp′ fp′1 (1 − fp )(1 − fp1 ) .
In adiabatischer Näherung sind die Ionen an festen Positionen, d.h. Ep1 = Ep′1 ∼
= 0 und
damit ist δ(p1 − p′1 ). Weiterhin können die Ionen klassisch behandelt werden: fi ≪ 1 und
44
KAPITEL 3. KINETISCHE THEORIE
1 − fi ∼
= 1. Mit diesen Vereinfachungen sind die Ionen Streuzentren für die Elektronen, es
gibt nur ei-WW, die ee-WW wird vernachlässigt. Integration über die Ionenimpulse ergibt
deren Dichte ni (Normierung):
Z 3
d p1 0
fp1 ∼
f = ni .
= fp′1 ∼
= fp01 →
h3 p1
Damit ergibt sich vereinfachend:
Z 3 ′
d p
∂fp
′
′ ) − fp′ (1 − fp ) .
w(p,
p
)
f
(1
−
f
= −2ni
p
p
∂t Stoss
h3
(3.56)
Der Stoßterm ist proportional zur Dichte der Streuer ni , zur Wahrscheinlichkeit eines Streuprozesses zwischen den Zuständen w(p, p′ ) sowie der Besetzung der einlaufenden und auslaufenden Elektronenzustände mit den Pauli-Blockingfaktoren. Setzt man für die FV das lineare
Response-Ergebnis aus der RTA ein, ergibt sich für den [. . .]-Term:
fp (1 − fp′ ) − fp′ (1 − fp )
!
!
~′ ∂fp0′
∂fp0
p
~
p
0
0
~·
~·
=
fp + τp eE
− p ↔ p′ p ↔ p′
1 − fp′ − τp′ eE
m ∂Ep
m ∂Ep′
!
0
p~ ∂fp0
p~′ ∂fp′
0
0
~
= fp − fp′ + eE · τp
(3.57)
− τp ′
m ∂Ep
m ∂Ep′
~
+ Terme höherer Ordnung in τ , E,
∂fp0
.
∂Ep
Die Terme höherer Ordnung werden im Rahmen der LRT weggelassen. Betrachten wir weiterhin nur elastische und isotrope Elektron-Ion-Streuung, d.h. die Streuung erfolgt auf der
Energiefläche und τ (p) ist ein Skalar:
w(p, p′ ) =
π
| W (p, p′ ) |2 δp~′ ,~p−~q δ(Ep − Ep′ ) ,
~
(3.58)
→ für beliebige Streuwinkel gilt: p = p′ , Ep = Ep′ , fp0 = fp0′ ,
Θ
q
~ ⇈ p~ ,
→ Streuwinkel T heta: sin =
, E
2
2p
∂fp0
p
.
→ [. . .] = eEτp (1 − cos Θ)
m
∂Ep
Damit ergibt sich für den Stoss- und den Driftterm der BG:
Z 3 ′
d p π
∂f
| W (p, p′ ) |2 δp~′ ,~p−~q δ(Ep − Ep′ )
= −2ni
∂t
h3 ~
∂fp0
p
p ∂fp0
×eEτp (1 − cos Θ)
≡ −eE
,
m
∂Ep
m ∂Ep
Z 3 ′
d pπ
1
| W (p, p′ ) |2 (1 − cos Θ)δp~′ ,~p−~q δ(Ep − Ep′ ) .
= 2ni
τp
h3 ~
(3.59)
(3.60)
Dieser Ausdruck für die Relaxationszeit lässt sich durch Transformation auf den Übertragungsimpuls q umschreiben (siehe Abb. 3.1): p′ = p − q. Mit
2
q
2 Θ
1 − cos Θ = 2 sin
=2
2
2p
45
3.5. RELAXATIONSZEITNÄHERUNG
Θ
p
p‘
q
Abbildung 3.1: Impulsbilanz bei elastischen Elektron-Ion-Stößen mit Streuwinkel Θ und
Übertragungsimpuls q.
ergibt sich für die Relaxationszeit
2
Z 3
q
1
d qπ
2
δ(Ep − Ep′ ) ,
= 2ni
| W (q) | 2
3
τp
h ~
2p
q
m
liefert
Energieerhaltung δ(Ep − Ep′ −q ) = δ cos θ −
pq
2p
q
≤ 1 d.h. q ≤ 2p ,
−1 ≤ cos θ =
2p
Z1
Z∞
1
q
2π π
q2 m
δ cos θ −
= 2ni 3
d cos θ dqq 2 | W (q) |2 2 2
τp
h ~
4p pq
2p
−1
= 2ni
1 m
2π~4 4p3
(3.61)
0
Z2p
0
dqq 3 | W (q) |2 .
(3.62)
Die Relaxationszeit ergibt sich also aus der Übergangswahrscheinlichkeit mit dem Übertragungsimpuls q als Argument. Die obere und untere Integrationsgrenze bestimmen den
absoluten Wert und damit das Transportverhalten. Der maximale Übertragungsimpuls ist
für Rückstreuung (Θ = 180◦ oder q = 2p) gegeben. Benutzen wir die Bornsche Näherung
bezüglich des nackten Coulomb-Potenzials für die Übergangswahrscheinlichkeit, erhält man
2 2
e2
. Allerdings sorgen im PlasW (q) = − eε0~q2 als der Fourier-Transformierten von V (r) = − 4πε
0r
ma VTE für die Abschirmung des Coulomb-Potenzials, so dass man z.B. das Debye-Potenzial
verwenden sollte. Wir führen eine einfache (und übliche) Abschätzung des q-Integrals durch,
indem wir die obere und untere Integrationsgrenze für den Coulomb-Fall betrachten:
e4 m
1
= ni
τp
4πε20 p3
Z2p
0
dq
∼ ln q |∞
0 .
q
(3.63)
Es ergeben sich Divergenzen an beiden Grenzen: die Elektronen sind thermisch verteilt, so
dass p → ∞, und q = 0 liefert ebenfalls eine Divergenz. Beide sind unphysikalisch, so dass
man per Hand Abschneideparamter (cut-off Radien) einführt:
• qmin korrespondiert mit der max. Reichweite des Potenzials, der Debye-Länge 1/RD
• qmax wird durch den min. Abstand bei der Streuung bestimmt, der Landau-Länge 1/ℓ
Dieser cut-off führt auf den Coulomb-Logarithmus ln Λ = ln(RD /ℓ). Beide sind dichte- und
temperaturabhängig (RD = RD (T, n), ℓ = ℓ(T )), so dass die Relaxationszeit des Plasmas
auch durch die Plasmaparameter Dichte n und Temperatur T bestimmt wird. Das eröffnet die
Möglichkeit, die elektrische Leitfähigkeit σ(n, T ) als diagnostische Größe zu verwenden. Wir
46
KAPITEL 3. KINETISCHE THEORIE
erhalten für die Relaxationszeit bzw. Stoßfrequenz νp = 1/τp und die elektrische Leitfähigkeit
σ eines vollständig ionisierten H-Plasmas mit ne = ni :
e4 m
ln Λ ≡ νp ,
4πε20
+∞
Z
0
2 3
4πe2 m1/2 25/2
1/2 ∂fp 4πε0 p
dE
E
ln Λ .
σ = −
p
3h3
∂Ep ni e4 m
1
τp
= ni
(3.64)
(3.65)
−∞
Wir benötigen einige Umformungen:
∂fp0
∂Ep
= −βfp0 (1 − fp0 ) ≈ −βfp0 ≈ −
1
eβµe e−βEp
kB T |{z}
=
λ3e
=
2π~2
mkB T
3/2
Integral für σ ∼
Z∞
ne λ3
e
2
, p = (2mEp )1/2
dEE 3 e−βE = 6(kB T )4
0
(4πε0 )2 (kB T )3/2 1
σ = f
ln Λ
e2 m1/2
(3.66)
3/2
2
= 1.0159
mit dem Spitzer-Vorfaktor f = 2
π
Diskussion des Ergebnisses:
→ klassisches Resultat für die Plasmaleitfähigkeit im Lorentzgasmodell (nur ei-WW):
Spitzer-Leitfähigkeit, gültig für Plasmen nicht zu hoher Dichte
→ Coulomb-Logarithmus ln Λ = ln(RD /ℓ) bestimmt die elektrische Leitfähigkeit
→ T-Abhängigkeit der Plasmaleitfähigkeit ∼ T 3/2 , bekannt als Spitzer-Verhalten [26, 27]
→ Dimensionsvorfaktor: σ ∗ =
(4πε0 )2 (kB T )3/2
e2 m1/2
= 820
3/2
T
1/[Ωm]
103 K
→ Damit erhält man ein einfaches Ergebnis: σ = f σ ∗ / ln Λ
→ Divergenz für Λ = RD /ℓ ∼ 1:
– Landau-Länge allein T-abhängig: ℓ =
e2
4πε0 kB T
– Debye-Länge RD abhängig von T und n, so dass bei gegebener Temperatur bei
einer bestimmten Dichte die (unphysikalische) Divergenz auftritt.
Verbesserungen sind für dichte Plasmen notwendig:
1. Streuprozess quantenmechanisch behandeln (Verbindung zur Streutherorie).
2. Bornsche Näherung durch T-Matrix ersetzen, damit auch starke Stöße behandelbar.
3. Vollständige Ionisation liegt nur bei hohen Temperaturen vor. Der Ionisationsgrad ist
im allgemeinen αion ≤ 1, also muss partielle Ionisation berücksichtigt werden. Neutralteilchen (Atome, Moleküle) verringern die Anzahl freier Ladungsträger und deren
Mobilität durch zusätzliche Streuprozesse. Als Beispiel werden in Abb. 3.2 Isothermen
47
3.5. RELAXATIONSZEITNÄHERUNG
der elektrischen Leitfähigkeit σ als Funktion der Dichte für ein Wasserstoffplasma gezeigt [28]. Gut zu sehen ist das Minimum der Leitfähigkeit für tiefe Temperaturen infolge
partieller Ionisation und der starke Anstieg bei hohen Dichten n ∼ 1023 cm−3 durch den
Mott-Effekt, siehe Kapitel 2.6. Für niedrige Dichten ist das Spitzer-Verhalten (3.66) für
vollständig ionisierte, klassische Plasmen relevant.
4. Rolle der ee-WW: Vorfaktor: f ei = 1.0159 → f ei+ee = 0.5908, d.h. die elektrische
Leitfähigkeit im Lorentzgasmodell wird durch die ee-WW auf etwa 60% reduziert, siehe
Tab. 3.1.
Weitere Transportkoeffizienten sind in der RTA behandelbar:
• Wärmestrom ~je ↔ Wärmeleitfähigkeit λ.
• Kreuzeffekt: welches elektrische Feld stellt sich im stromlosen Zustand im T -Gradienten
ein? Thermokraft α, wird im Thermoelement genutzt.
• Die RTA ist auch für beliebige Entartung und für Plasmen im Magnetfeld durchführbar [29]. Eine Erweiterung dieser RTA-Ergebnisse auf partiell ionisierte Plasmen wurde
von Desjarlais angegeben [30].
• Die elekrische Leitfähigkeit für eine konstante Relaxationszeit lautet (Ohmsches Gesetz): σ = τ ne e2 /me (ÜA).
8
3
T(10 K)
log10[σ(1/Ωm)]
7
6
100
5
50
30
4
20
3
15
10
2
18.0
20.0
22.0
-3
log10[n(cm )]
24.0
Abbildung 3.2: Isothermen der elektrischen Leitfähigkeit von partiell ionisiertem H-Plasma
als Funktion der Teilchendichte in LRT [28].
• Alternative Verfahren zur Lösung der BG entwickeln die NGG-VF nach orthonormalen
Funktionensystemen, z.B. das Chapman-Enskog-Verfahren nach Sonine-Polynomen [31,
32], siehe Kapitel 3.6, oder das Grad-Verfahren nach hermiteschen Polynomen [33].
• Die LRT in der Formulierung nach Zubarev [34] leitet eine verallgemeinerte BG über
Korrelationsfunktionen ab und ist für beliebige Entartung gültig [35]. Transportkoeffizienten können für einen großen Bereich der Dichte-Temperatur-Ebene berechnet
werden [28, 36], siehe Abb. 3.2.
48
KAPITEL 3. KINETISCHE THEORIE
• Mit modernen Simulationsverfahren (DFT-MD-Simulationen, siehe Kapitel 4) kann z.B.
die Kubo-Greenwood-Formel [37, 38] als Strom-Strom-Korrelationsfunktion direkt ausgewertet und die Onsagerschen Transportkoeffizienten Lik bestimmt werden, siehe [39].
3.6
Das Chapman-Enskog-Verfahren
Das Chapman-Enskog-Verfahren ist ein Beispiel für einen alternativen Zugang zur Lösung der
Boltzmann-Gleichung (3.8). Dabei wird die zu bestimmende Elektronen-Verteilungsfunktion
nach einem geeigneten Ortonormalsystem entwickelt. Wir betrachten wieder das Lorentzgasmodell wie in der Relaxationszeitnäherung:
~ · ∇p fp = −2ni
−eE
Z
d3 p′
w(p, p′ ) fp (1 − fp′ ) − fp′ (1 − fp ) .
3
h
(3.67)
Wir nehmen wieder kleine Abweichungen von der GG-VF fp0 an (lineare Response):
fp ≡
fp0
"
#
h
~
pz i
p~ · E
1
1+
fp = fp0 1 + fp1
mE
m
fp0 = [exp (βEp − βµ) + 1]−1
~ ⇈ e~z
falls E
→
|{z}
N ichtentartung
(3.68)
nλ3 −βEp
e
2
dann gilt auch fp ≪ 1 und 1 − fp ≈ 1 .
Man kann nun die Abweichungen von der GG-VF fp1 nach beliebigen Orthonormalsystemen
Φν entwickeln, z.B. hermitesche oder Legendre-Polynome. Allgemein gilt:
fp1
=
∞
X
ν=0
Pν Φν (p) mit (Φν , Φµ ) ≡
Z
2
d3 p pn Φν (p)Φµ (p) e−ap = bν δν,µ .
(3.69)
Von Chapman und Cowling [31] sowie Schirmer und Friedrich [32] werden spezielle Soninep2
Polynome Sν (z 2 ) mit z 2 = 2mk
verwendet:
BT
2
Sν (z ) =
ν
X
m=0
Z∞
Γ(ν + 5/2)(−z 2 )m
m!(v − m)!Γ(m + 5/2)
2
2
4 −z 2
dzSν (z )Sκ (z )z e
mit Sν=0 (z 2 ) = 1 ,
1 Γ(ν + 5/2)
δν,κ .
=
2 Γ(ν + 1)
(3.70)
0
Mit diesem Orthonormalsystem wird die elektrische Leitfähigkeit besonders einfach:
Z
d3 p ~p
~
fp ≡ σ E
h3 m


Z 3
∞
~ X
p~ · E
d p ~p 0 
Pν Sν (z 2 )
f
1 +
= −2e
h3 m p |{z} mE
~jel = −2e
(1)
ν=0
(3.71)
49
3.6. DAS CHAPMAN-ENSKOG-VERFAHREN
Die GG-VF liefert keinen Strom (1), so dass
Z
∞
2e X
σ = − 3
Pν d3 p
Eh
~
p~ · E
mE
ν=0
Richtungsmittelung:
1 2
p ,
3
!2
Sν (z 2 )fp0 ,
Subst. z 2 =
(3.72)
p2
pdp
, 2zdz =
,
2mkB T
mkB T
∞
Z
∞
2ene λ3e X
z2
2
σ = −
P
4π
dz2zmkB T · (2mkB T )1/2 z · 2kB T Sν (z 2 )e−z ,
ν
3
6Eh
m
(3.73)
beachte, dass S0 (z ) = 1 ,
Z∞
∞
8ene kB T X
3√
2
π,
σ = − √
Pν dz z 4 e−z Sν (z 2 )S0 (z 2 ) , Γ(5/2) =
{z
}
|
4
3 πE
(3.74)
ν=0
ν=0
σ = −
ene kB T
P0
mE
0
2
0
δν,0 12 Γ(5/2)
allein durch P0 bestimmt.
(3.75)
Um P0 zu bestimmen ist allerdings eine Lösung der BG notwendig. Dazu setzen wir den
Ansatz (3.69) in die BGL ein:
!"
!#
(
Z 3 ′
~′ · E
~
~
p
p
~
·
E
d
p
0
′
0
1
1
~ · ∇p fp = 2ni
1 − fp′ 1 +
eE
w(p, p ) fp 1 +
f
f ′ (3.76)
h3
mE p
mE p
!#)
!"
~
~
p~′ · E
~p · E
0
0
1
1
−fp′ 1 +
1 − fp 1 +
f ′
f
mE p
mE p
(
Z 3 ′
~′ ~
~
d
p
~·E
p
~
0p
′
0
0
1
0p ·E 1
~·
(3.77)
fp0 = 2ni
w(p,
p
)
f
−
f
f
−
f
f ′
−eE
′ + fp
′
p
p
p
p
mkB T
h3
mE
mE p


~
~
~p · E 1
~p · E 1
−fp0 fp0′ + fp0′ fp0 − fp0 fp0′
.
.
.
fp + fp0 fp0′
fp′ +
|{z}

mE
mE
Terme höherer Ordnung
Betrachten wir wieder den Fall isotroper elastischer Streuung, d.h. p = p′ , Ep = Ep′ , so
~ und
ist fp0 = fp0′ und fp1 = fp1′ . Beschränken wir uns auf LRT, d.h. Terme ∼ O(f 1 , E)
~ (höherer Ordnung). Die Richtungsmittelung bzgl. E
~ liefert
vernachlässigen Terme ∼ O(f 1 · E)
1
~ ⇈ p~ betrachten können:
wieder den Faktor 3 , so dass wir E
)
(
Z 3 ′
~′ · E
~
~
eEp 0
p
p
~
·
E
d p
−
fp0 fp1
(3.78)
f = 2ni
−
w(p, p′ )
mkB T p
h3
mE
mE
Z
pE 0 1 d3 p′
f f
w(p, p′ )(1 − cos θ)
= 2ni
mE p p
h3
eEp 0
1 0 1p
−
f =
.
(3.79)
f f
mkB T p
τp p p m
2
p
, entwickeln fp1 =
Transformieren wir p auf die Variable z 2 = 2mk
BT
integrieren die gesamte Gleichung entsprechend
Z∞
0
dz z 2 Sκ (z 2 ) ,
P∞
ν=0 Pν Sν (z
2 ),
und
50
KAPITEL 3. KINETISCHE THEORIE
liefert das Ergebnis:
−2eE
Z∞
0
=1
z }| {
2
dz Sκ (z 2 ) S0 (z 2 ) z 4 e−z
{z
}
|
=
Z∞
0
δκ,0 21 Γ(5/2)
∞
X
1
−z 2
dzz 2kB T
Pν Sν Sκ
e
τ [z(p)]
4
√
X
eE 1 3 π
δκ,0 =
Pν Iνκ .
−
kB T 2 2 2
ν
Als Resultat erhält man
(3.80)
ν=0
(3.81)
√
∞
X
eE 3 π
−
Pν Iνκ
δκ,0 =
kB T 8
ν=0
(3.82)
ein lineares inhomenes Gleichungssystem für P0 bzw. die Pν . Dabei sind die Stossintegrale
Iνκ =
Z∞
dz z 4
2
1
Sν (z 2 )Sκ (z 2 )e−z
τ [z(p)]
(3.83)
0
auf der rechten Seite von (3.82) definiert.
• Für jede praktische Lösung muss ein endlicher Satz von Funktionen (“Momente”) fest∞
L
P
P
gelegt werden:
→
ν=0
ν=0
• Als nächstes erfolgt die Berechung der Stossintegrale Iνκ mit der konkreten WW über
die Relaxationszeit τ bzw. den Coulomb-Logarithmus Λ.
• Die Untersuchung der Konvergenz des Verfahrens ist essentiell. In der Regel genügen
wenige Momente Pν um die elektrische Leitfähigkeit und die anderen Transportkoeffizeinten auf wenige Prozent genau zu bestimmen, siehe Tab. 3.1 sowie [28, 36].
Das hier gefundenen Resultat ist ein Zwischenergebnis für die Lösung einer stark vereinfachten
BG im Rahmen der Relaxationszeitnäherung. Um P0 für (3.75) zu bestimmen, ist nun eine
Lösung des inhomogenen Gleichungssystems (3.82) notwendig. Aus diesem Grund betrachten
wir einen endlichen Satz von Polynomen (0...L), über den summiert wird:
√
P0 I00 + P1 I10 + P2 I20 + . . . + PL IL0 = − 3 8 π keE
BT
P0 I01 + P1 I11 + P2 I21 + . . . + PL IL1
=0
P0 I02 + P1 I12 + P2 I22 + . . . + PL IL2
..
..
..
..
..
.
.
.
.
.
=0
..
.
P0 I0L + P1 I1L + P2 I2L + . . . + PL ILL
=0
Für P0 ergibt sich die Lösung:
√
(L)
3 π eE ∆00
,
P0 = −
8 kB T ∆(L)
(3.84)
mit
∆L =
|
I00 I10
I20 . . .
IL0
I01 I11
....
..
I21 . . .
..
.
IL1
.. ,
.
I0L I1L I2L . . . ILL
{z
}
Koeffiziendendeterminante
∆L
00 =
|
I11 I21
I31 . . .
IL1
I12 I22
....
..
I32 . . .
..
.
IL2
.. .
.
I1L I2L I3L . . . ILL
{z
}
Unterdeterminate
(3.85)
51
3.6. DAS CHAPMAN-ENSKOG-VERFAHREN
Damit ergibt sich die elektrische Leitfähigkeit bei Lösung mit L Momenten (Ordnung L):
σ
(L)
√
(L)
ene kB T 3 π eE ∆00
=
,
mE
8 kB T ∆(L)
σ
(L)
√
(L)
3 π e2 ne ∆00
=
.
8 m ∆(L)
• 1-Momenten-Näherung L = 0: σ (0) ∼
I00 =
Z∞
I00
1
I00
2
dzz 4 e−z ni
0
2e4 m ln Λ
p2
2
mit
z
=
2mkB T
8πε20 p3
e4 m ln Λ
= ni
2
4πε0 (2mkB T )3/2
e4 ln Λ
I00 = ni
σ (0) =
σ (0) =
(3.86)
Z∞
|0
{z
=1/2
·
2
dzz 4 e−z
1
}
4πε20 m1/2 (kB T )3/2 25/2
√
3 π e2 ne m1/2 (kB T )3/2 4πε20 · 25/2
8 m
ni e4 ln Λ
√
2
3/2
1
3 2
(4πε0 ) (kB T )
·
· √
ln Λ 8 π
m1/2 e2
| {z }
=0.2992
σ (0) = f (0) σ ∗
1
, f (0) = 0.2992 .
ln Λ
• d.h. die 1-Momenten-Näherung ist relativ schlecht f (0) ≪ f = 1.0159.
• 2-Momenten-Näherung L = 1: σ (1) ∼
S0 = 1 , S1 =
Iνκ = I00 · 2
Z∞
I10 = I00 · 2
Z∞
I11
I11
I00 I11 −I10 I01
5
− z2 ,
2
2
dzzSν (z 2 )Sκ (z 2 )e−z ,
0
0
Z∞
dzz
5 1 1
3
5
2
− z 2 e−z = I00 · 2
· −
= I00 · ,
2
2 2 2
2
25
2
2
4
= I00 · 2 dzz
− 5z + z e−z
4
0
25 1
1
1
13
= I00 · 2
· −5 +2·
.
= I00 ·
4 2
2
2
4
Als allgemeines Ergebnis finden wir für die Stoßintegrale Iνκ = I00 Aνκ mit A00 = 1,
52
KAPITEL 3. KINETISCHE THEORIE
A10 = 3/2, A11 = 13/4 . . . und für die elektrische Leitfähigkeit in L-ter Ordnung:
σ (L) =
√
(L)
3 π e2 ne det A00
1
1
·
·
·
,
= f (L) σ ∗
8
m det A(L) I00
ln Λ
f
(L)
=
(L)
(0) det A00
f
det A(L)
(3.87)
mit
A00 . . . AL0
..
.. , det A(L) =
00
.
.
A11 . . . AL1
..
.. .
.
.
A0L . . . ALL
A1L . . . ALL
det A(L) =
• Für die 2-Momenten-Näherung ergibt sich f (1) = f (0) 13
4 = 0.9724 ≈ f . Das ist bereits
aussreichend für viele Zwecke, da der experimentelle Fehler für die elektrische Leitfähigkeit häufig 20 − 30% beträgt.
• Verwendet man τ [z(p)] aus der Relaxationszeitnäherung,
τ = ni
e4 m
ln Λ ,
4πε20 (2mkB T )3/2
findet man also für die Vorfaktoren in (3.87): f (0) = 0.2992, f (1) = 0.9724, f (2) = 1.0145,
f (3) = 1.0157. Man sieht, dass das Chapman-Enskog-Verfahren (hier wurde nur die
ei-WW in RTA betrachtet) schon nach wenigen Iterationsschritten (2-3) praktisch konvergiert ist. Die Konvergenz der Chapman-Enskog-Methode ist in Tab. 3.1 im Vergleich
zu anderen Methoden zur Lösung der BG zusammengefasst. Die Vorfaktoren der Transportkoeffizienten sind definiert als:
(4πε0 )2 (kB T )3/2 1
σ=f
ln Λ
m1/2 e2
,
λ=L
kB
e
2
Tσ
,
α = −a
kB
.
e
(3.88)
Anmerkungen:
→ Hermite-Polynome: Grad-Verfahren [33], ist ebenfalls nach wenigen Schritten konvergiert und mit dem Chapman-Enskog-Verfahren eng verwandt. In Tab. 3.1 ist das Ergebnis für die Gradsche 13-Momenten-Methode aufgeführt.
→ Für beliebige Dichten und Temperaturen, d.h. beliebige Entartung, kann man eine verallgemeinerte BG über Korrelationsfunktionen ableiten und lösen (LRT) [28, 34, 35],
die Stossintegrale Iνκ sind dann Kraft-Kraft-Korrelationsfunktionen. Im Rahmen dieser Methode wird nicht die VF fp bestimmt, sondern der statistische Operator für das
Nichtgleichgewicht ρ ← ρ0 . Man erhält dann für beliebige physikalische Observablen:
hAi = Tr{ρA} , mit A = {~jel , ~jQ } → σ, λ, α
auch die Transportkoeffizienten.
→ Die LRT-Methode liefert in etwa das gleiche Konvergenzverhalten wie das ChapmanEnskog-Verfahren, siehe Tab. 3.1.
53
3.7. ZIMAN-FORMEL
Methode
f ei
f ei+ee
aei
aei+ee
Lei
Lei+ee
RTA
1.0159
-
1.5
-
4.0
-
Spitzer-Theorie
1.0159
0.5908
1.5
0.7033
4.0
1.5966
Grad-Methode
0.972
0.578
1.154
0.804
3.678
1.621
Kohlersches VF
1.0143
0.5805
1.52
0.72
3.84
1.64
0
0.2992
0.2992
-
-
-
-
0,1
0.9724
0.5781
1.1538
0.8040
0.5971
0.6936
0,1,2
1.0145
0.5834
1.5207
0.7110
3.6781
1.6215
0,1,2,3
1.0157
0.5875
1.5017
0.7139
3.9889
1.6114
0,1,2,3,4
1.0158
0.5892
1.5003
0.7093
4.0000
1.6140
Momente CEV
Tabelle 3.1: Konvergenz des Chapman-Enskog-Verfahrens (CEV) für Transportkoeffizienten
die elekrische Leitfähigkeit σ, die die Wärmeleitfähigkeit λ und die Thermokraft α im Niederdichtegrenzfall entsprechend (3.88). Methoden: Relaxationszeitnäherung (RTA) - exakt für
das Lorentzgasmodell (keine ee-WW); Spitzer und Härm [26] - Lösung der Fokker-PlanckGleichung; Gradsche 13-Momentenmethode [33]; Kohlersches Variationsverfahren (VF) nach
Appel [40, 41]. Die Chapman-Enskog-Methode ist im klassischen Grenzfall äquivalent zur
LRT [28, 36]. Der Einfluss der ee-WW ist ebenfalls angegeben (erhebliche Verminderung der
Transportkoeffizienten).
3.7
Ziman-Formel
Wir behandeln nun als Hochdichte-Grenzfall das entartetes Elektronengas in Metallen, wieder
in RTA:
4πe2 m1/2 25/2
σ = −
3h3
1
τ (p)
= ni
m 1
4π~4 p3
Z2p
0
Z∞
dE E 3/2 τ (E)
0
∂f 0 ∂f 0
,
= −δ(E − EF ) ,
∂E
∂E
dqq 3 | w(q) |2 , p = (2mE)1/2 .
(3.89)
(3.90)
Die Fermi-VF ist für T = 0 eine Stufenfunktion, ihre Ableitung ist auch für T ≥ 0 in sehr
guter Näherung eine Delta-Funktion, siehe Abb. 2.1. Bei endlichen Temperaturen kann man
eine Sommerfeld-Entwicklung durchführen (siehe VL Statistische Physik). Schlüsselgröße ist
~2
dabei die Fermi-Energie: EF = 2m
(3π 2 ne )2/3 . Als Ergebnis der Auswertung erhält man für
die elektrische Leitfähigkeit die Ziman-Formel [42]:
σZiman =
12π 3 e2 n2e ~3
n i m2
 2k
Z F

0
dq q 3 | w(q) |2
−1

.
(3.91)

→ Sie beschreibt den Grenzfall schwacher Streuung, da für hohe Dichten auch eine starke
Abschirmung der WW greift und damit die Bornsche Näherung anwendbar ist.
→ Streuprozesse (und damit “Widerstand”) sind nur in einer dünnen Schicht um EF wegen
des Pauli-Blockings möglich.
54
KAPITEL 3. KINETISCHE THEORIE
→ Deswegen sind nur wenige Elektronen am Leitungsprozess beteiligt - das ist typisch für
Metalle.
→ σ ∼ n2e durch den Elektronenstrom,
| {z }
Strom
1
σ∼
ni
| {z }
durch Streuung an den Ionen.
Streuzentren
→ Berücksichtigung der Struktur im Plasma notwendig durch starke Korrelationen zwischen den Ionen: statischer Ion-Ion-Strukturfaktor | w(q) |2 ≡ Sii (q) | νei (q) |2 . Das
Elektron-Ion-Potenzial νei (q) ist dabei ein schwaches Pseudopotenzial, z.B. das Ashcroft Empty-Core-Potenzial.
Gültigkeits- und Anwendungsbereich der Ziman-Formel:
- Flüssige Metalle wie Hg, Cs, Rb [43], K, Na, Li und das Elektronengas in (festen)
Metallen wie Be, Mg, Al, Cu, Ag, Au, Zn,
- Wasserstoff unter hohem Druck und tiefen Temperaturen, z.B. im Innern von Gasplaneten wie Jupiter und Saturn [44] oder im Innern von Braunen Zwergen,
- Elektron-Ion-Plasma in Weißen Zwergen oder Neutronensternen [45, 46, 47, 48].
Kapitel 4
DichtefunktionaltheorieMolekulardynamik-Simulationen
4.1
Born-Oppenheimer-Näherung
Das eigentliche Ziel einer konsistenten Theorie dichter Plasmen oder von warmer dichter
Materie ist die Beschreibung von wechselwirkenden Fermionensystemen im Bereich starker
Korrelationen Γ ≥ 1 unter Berücksichtigung von Quanteneffekten Θ ≤ 1, siehe Abb. 1.2. Das
chemische Bild ist dafür prinzipiell ungeeignet, da eine Trennung in gebundene und freie Teilchen speziell nahe der Mott-Dichte willkürlich ist und effektive Zwei-Teilchen-Potenziale und
Streuquerschnitte abgeleitet werden müssen. Deshalb soll ein striktes physikalisches Bild angewendet werden, das auf einer Lösung der N-Teilchen Schrödinger-Gleichung basiert. Dieser
Weg scheint momentan nur für Teilchenzahlen von N ≤ 100 gangbar zu sein, da für größere Teilchenzahlen der Parameterraum für die N-Teilchen-Wellenfunktion “explodiert” und
auch mit Rechnern künftiger Generationen kein Optimierungsverfahren für Teilchenzahlen
N ≫ 100 durchführbar scheint.
Als äußerst erfolgreiche Alternative zu wellenfunktionsbasierten Methoden hat sich die Dichtefunktionaltheorie (DFT) erwiesen, die in vielen Disziplinen der Physik und Chemie sehr
genaue Ergebnisse liefert: Festkörper- und Oberflächenphysik, Atom-, Molekül- und Clusterphysik, Plasmaphysik, Biophysik, Theoretische Chemie etc. Speziell die Kopplung der
DFT mit molekulardynamischen Simulationen erlaubt heute eine konsistente Behandlung
von stark korrelierten Systemen wie Flüssigkeiten oder dichten Plasmen im Rahmen von
Dichtefunktionaltheorie-Molekulardynamik- (DFT-MD-) Simulationen. Da Experimente für
Materie unter extremen Bedingungen sehr schwierig und auch teuer sind, haben DFT-MDSimulationen heute eine große Bedeutung bei der Vorhersage thermophysikalischer Eigenschaften von warmer dichter Materie erlangt.
Die Born-Oppenheimer-Näherung kann für Systeme mit M ≫ m verwendet werden und
stellt für diesen Fall eine adiabatische Näherung dar. Die leichten Elektronen mit Massen m
lassen sich mit Hilfe der DFT beschreiben und bewegen sich im Feld der schweren Ionen mit
den Massen M , die klassisch im Rahmen einer Molekulardynamik behandelt werden können.
Dazu müssen die elektronischen und ionischen Freiheitsgrade sauber getrennt werden:
• Die Massen der Ionen sind viel größer als die der Elektronen: M ≫ m.
• Die Relaxationszeiten für das Erreichen des thermodynamischen Gleichgewichts sind in
beiden System unterschiedlich: τi ≫ τe .
• Die Ionenverteilung kann deshalb für kleine Zeiten t ∼ O(τe ) als stationär behandelt
werden. Sie gibt die Feldverteilung für die Elektronen im jeweiligen Zeitschritt als ex55
56
KAPITEL 4. DFT-MD-SIMULATIONEN
ternes Potenzial vor.
• Das Elektronensystem wird in jedem Zeitschritt quantenmechanisch im Rahmen der
DFT beschrieben und die totale Energie als Funktional der Elektronendichte berechnet.
• Aus dieser Energiefläche müssen dann wieder die Kräfte auf die Ionen berechnet werden,
um sie im nächsten Zeitschritt entsprechend zu verschieben.
• Dieses Verfahren wird für viele Zeitschritte O(103 − 104 ) wiederholt durchlaufen, bis
eine Konvergenz der thermodynamischen Größen erreicht ist.
Ausgangspunkt ist der Hamilton-Operator
Ĥ = T̂k + V̂kk + Ĥe , Ĥe = T̂e + V̂ee + V̂ek ,
(4.1)
so dass die Schrödinger-Gleichung für das Gesamtsystem aus N Elektronen und K Ionen
lautet:
~ 1, . . . , R
~ K ) = Eγ Ψγ (x1 , . . . , xN ; R
~ 1, . . . , R
~K) .
ĤΨγ (x1 , . . . , xN ; R
(4.2)
• Eγ sind die Energien der möglichen Zustände γ des Vielteilchensystems.
• xi = {~ri , si } ist eine vollständige Basis für Einteilchenzustände der Elektronen; ~x =
{x1 , . . . , xN }.
~ = {R
~ 1, . . . , R
~ K } sind die Ionenpositionen.
• R
PK
• Es gilt die Elektroneutralitätsbedingung
a=1 Za = N bzw. ZK = N , falls gleiche
Kernladungen vorliegen.
Damit erhält man die folgende N-Teilchen-Schrödingergleichung (NT-SG):
~ = Eγ Ψγ (~x; R)
~ .
ĤΨγ (~x; R)
(4.3)
Wir verwenden nun einen Separationsansatz für den Kern- und den Elektronenanteil:
~ = Ψk (R)Ψ
~ e (~x; R)
~ .
Ψγ (~x; R)
(4.4)
~
Voraussetzung ist, dass die elektronische Schrödinger-Gleichung für alle Kernpositionen R
und alle Zeiten tn der Evolution des VTS lösbar ist (z.B. mit der DFT):
~ = Ee (R)Ψ
~ e (~x; R)
~ .
Ĥe Ψe (~x; R)
(4.5)
Setzt man den Separationsansatz (4.4) in die NT-SG (4.3) ein und nutzt die bekannte Lösung
der elektronischen SG (4.5) aus, multipliziert mit Ψ∗e und integriert über ~x, erhält man die
folgende Kern-Schrödinger-Gleichung:
~ Ψk (R)
~ = Eγ Ψk (R)
~
T̂k + V̂kk + Ee (R)
(4.6)
Diese Gleichung hat die folgenden Eigenschaften:
~ ist Teil des Potenzials für die Kernbewegungen.
• Ee (R)
~ beinhaltet alle Kernpositionen im VTS.
• Plasma: R
• Praktische Lösung: Die Simulationsbox ist immer endlich, z.B. können heute bis O(103 )
Elektronen in DFT-Rechnungen berücksichtigt werden. Man verwendet periodische
Randbedingungen, um den thermodynamischen Grenzfall zu realisieren.
• Die Kerne werden auf den Energieflächen der Elektronen im Rahmen einer klassischen
MD-Simulation bewegt. Wie werden nun die Kräfte berechnet?
4.2. KLASSISCHE MOLEKULARDYNAMIK
4.2
57
Klassische Molekulardynamik
Mithilfe der Molekulardynamik ist es möglich die Bewegung der Kerne klassisch zu beschreiben auf Basis der Newtonschen Bewegungsgleichungen.
• Methode ermöglicht Betrachtung einer sehr großen Anzahl von Teilchen. Typischerweise
können etwa 102 bis 105 Teilchen betrachtet werden, wobei mit sehr leistungsstarken
Computern sogar Teilchenzahlen der Größenordnung 1011 numerisch handhabbar sind.
• Üblicherweise wird sowohl die Teilchenzahl als auch das Systemvolumen und somit
die Dichte als Anfangsparameter festgelegt. Darüber hinaus wird ebenfalls die Energie
konstant gehalten → mikrokanonisches Ensemble.
• Wird die Temperatur T statt der Energie konstant gehalten, wie beispielsweise durch
die Kopplung des Systems an ein Wärmebad (z.B. mit Nosé-Thermostat [49]), dann
kann auch die Temperatur als unabhängiger Simulationsparameter frei gewählt werden
→ kanonisches Ensemble.
Zu Beginn der Simulation werden die Teilchen auf festgelegten Startpositionen in einer kubischen Simulationsbox angeordnet, die periodisch in alle drei Raumrichtungen fortgesetzt
wird, um ein unendlich ausgedehntes System zu beschreiben. Die Dynamik der Teilchen wird
mittels der Newtonschen Bewegungsgleichungen beschrieben, wobei die auf die einzelnen Teilchen wirkenden Wechselwirkungskräfte aus einem gegebenen Potential bestimmt werden. Die
Kräfte werden für jeden Zeitschritt berechnet, wobei üblicherweise Schrittweiten zwischen 0,1
fs und 10 fs gewählt werden und die gesamte Simulationszeit in der Größenordnung von einigen ps bis ns liegt. ber die gesamte Simulationszeit hinweg werden dann anschließend die
berechneten thermodynamischen Größen wie Druck, innere Energie, chemisches Potential
usw. gemittelt.
Um dieses Verfahren auf die Ionen des zuvor beschriebenen Vielteilchensystems anwenden zu
können, gilt es für die Gleichung (4.6), mit der die Ionen bisher beschrieben wurden, einen
klassischen Ausdruck zu finden. Die gesuchte Verbindung zwischen Quantenmechanik und
klassischer Mechanik liefert das Ehrenfest-Theorem, das es erlaubt für jeden Kern a eine
klassische Newtonschen Bewegungsgleichung zu formulieren:
Ma
~
~
~a
dVkk (R)
dEe (R)
d2 R
~ +F
~a,ek (R)
~ = F~a (R)
~ .
=
−
−
= F~a,kk (R)
~a
~a
dt2
dR
dR
(4.7)
~ resultiert aus der klassischen Coulomb-Wechselwirkung der Kerne unterDie Kraft F~a,kk (R)
~ der die
einander und kann sofort innerhalb der MD berechnet werden. Der Term F~a,ek (R),
Kraft zwischen klassischen Kernen und quantenmechanischen Elektronen beschreibt, kann
jedoch nicht aus der MD gewonnen werden, sondern wird mithilfe des Hellmann- FeynmanTheorems bestimmt.
Hellmann-Feynman-Theorem
Die Kräfte auf alle Kerne werden in jedem Zeitschritt der MD-Simulation benötigt. Ausgangspunkt ist das in der DFT berechnete Minimum des elektronischen Energieanteils, d.h.
man bestimmt den Grundzustand für die gegebene Verteilung der Kerne (Ionen):
~ = Min hΨe | Ĥe | Ψe i , hΨe | Ψe i = 1 .
Ee (R)
(4.8)
58
KAPITEL 4. DFT-MD-SIMULATIONEN
Das Minimum wird aus einem Variationsprinzip abgeleitet:
+
* ∂ Ĥ (R)
~
~ | ψi ∂hψ |
~ dEe (R)
∂hψ | Ĥe (R)
e
=
ψ
ψ +
~a
~a ~a
∂R
∂hψ |
dR
∂R
)
+
* (
N K
∂
1 X X Zb e2
=
ψ
−
ψ
~a
~b | ∂R
4πǫ0
| ~ri − R
(4.9)
i=1 b=1
~ el (R
~ a) .
= −Za eE
~ el das elektrische Feld und man erhält für die Kraft auf die Kerne mit F~ = q E
~ e:
Dabei ist E
~
dEe (R)
d
~ ≡ −F
~a,eK (R)
~ .
Ṽ (R)
=
~
~ a ek
dRa
dR
(4.10)
~ wird im Rahmen der DFT für die jeweiligen Kernpositionen
Das effektive Potential Ṽek (R)
~ auf jeden Kern. Diese Kraft
berechnet und bestimmt die Hellmann-Feynman-Kraft F~a,eK (R)
geht in die klassische Bewegungsgleichung (4.7) ein und wird innerhalb der MD-Simulation
gelöst.
4.3
Theoreme von Hohenberg und Kohn
Das quantenmechanische Vielteilchenproblem für die Elektronen wird nunmehr im Rahmen
der DFT gelöst. Hier sollen nur die Grundlagen der DFT angegeben werden, siehe z.B. [50].
Die Elektronendichte ist dabei die zentrale Größe:
XZ
ρ(~r1 ) = N
dx2 . . . xN | Ψe (x1 . . . xN ) |2 .
(4.11)
s1
In dieser Darstellung werden die verallgemeinerten Koordinaten xi := {~ri , si } mit dem Spin si
verwendet. Als
muss ρ(r → ∞) = 0 erfüllt sein. Die Normierung der Dichte
R Randbedingung
3
erfolgt über d r1 ρ(~r1 ) = N . Der Hamilton-Operator für das wechselwirkende Elektronensystem (4.1) ist nunmehr:
Ĥe = T̂e + V̂ee + V̂ext .
(4.12)
Dabei kann des Potenzial der Kerne als externes Potenzial für die Elektronen aufgefasst
werden, V̂ext = V̂eK , das den attraktiven Untergrund für das Elektronengas darstellt. Ausgangspunkt der DFT sind die Theoreme von Hohenberg und Kohn [51].
4.3.1
1. Theorem von Hohenberg und Kohn
Das externe Potential V̂ext (~r) = V̂eK ist (bis auf eine beliebige Konstante) ein eindeutiges
Funktional von ρ(~r). Da V̂ext (~r) auch Ĥe bestimmt, ist der Grundzustand Ee = E0 des NTeilchensystems ebenfalls ein eindeutiges Funktional von ρ(~r).
Beweis:
′ (~
r ) seien unterschiedlich und haben die gleiche Elektronendichte ρ(~r). Die beiV̂ext (~r) und V̂ext
den resultierenden Hamilton-Operatoren Ĥe und Ĥe′ haben jeweils einen vollständigen Satz
von Eigenfunktionen Ψe bzw. Ψ′e und Eigenwerten E0 und E0′ . Wir berechnen die Grundzustandsenergie für jedes System jeweils mit der anderen Basis über ein Variationsverfahren:
E0 < hΨ′e | Ĥe | Ψ′e i = hΨ′e | Ĥe′ | Ψ′e i − hΨ′e | Ĥe − Ĥe′ | Ψ′e i
59
4.3. THEOREME VON HOHENBERG UND KOHN
′
→ E0 < E0′ + hΨ′e | V̂ext − V̂ext
| Ψ′e i .
Im externen Potenzialterm stecken nur Einteilchenbeiträge, die jeweils über alle anderen
Koordinaten abintegriert werden können, so dass aus allen N Termen die Elektronendichte
(4.11) als Vorfaktor entsteht:
E0 <
E0′
+
Z
′
d3 rρ(~r)[Vext (~r) − Vext
(~r)] .
Analog erhält man für das gestrichene System unter Verwendung des ungestrichenen Eigenwertproblems
Z
′
′
E0 < E0 − d3 rρ(~r)[Vext (~r) − Vext
(~r)]
und somit E0 + E0′ < E0 + E0′ als Widerspruch, d.h. die Annahme ist falsch! Schlussfolgerung:
ρ(~r) definiert V̂ext eindeutig:
n
o
~ → Ĥe ⇒ Ψ0 , E0 ,
ρ0 (~r) → N, Zk , R
wobei Ψ0 die zugehörige Grundzustandswellenfunktion bezeichnet.
Damit ist die Grundzustandsenergie E0 ein eindeutiges Funktional von ρ(~r), was auch für die
einzelnen Beiträge gilt:
E0 [ρ0 (~r)] = Te [ρ0 (~r)] + Eee [ρ0 (~r)] + Eext [ρ0 (~r)]
(4.13)
Dabei werden die ersten beiden universellen Terme (kinetische Energie und Elektron-ElektronWW) auch als Hohenberg-Kohn-Funktional definiert, das durch ρ0 und damit Ψ0 gegeben
ist:
FHK [ρ0 (~r)] = Te [ρ0 (~r)] + Eee [ρ0 (~r)] = hΨ0 | T̂e + V̂ee | Ψ0 i .
Das externe Feld ist durch die konkreten Kerne und ihre Positionen gegeben und beschreibt
somit den systemabhängigen Anteil (z.B. die Elemente wie H, He, Be . . . Al . . . oder Verbindungen wie H2 O, NH3 , CH4 . . . ; feste Kernpositionen: Festkörper; bewegliche Kerne:
Flüssigkeiten oder Plasmen). Damit ergibt sich:
E0 [ρ0 (~r)] = FHK [ρ0 (~r)] +
Z
d3 rρ0 (~r)Vext (~r)
(4.14)
• Eckige Klammern [. . . ] bedeuten dabei immer die Funktionalschreibweise.
• Problem: T [ρ0 (~r)] und Eee [ρ0 (~r)] sind für das wechselwirkende VTS nicht bekannt!
Andernfalls wäre das N-Teilchenproblem gelöst!
• Das externe Potenzial ist das Elektron-Kern-Potenzial mit:
N K
1 X X Za e2
.
Vext (~r) = VeK (~r) = −
~a |
4πǫ0
ri − R
i=1 a=1 | ~
• Das zentrale Problem ist also die Bestimmung der richtigen Elektronendichte ρ(~r)!
60
KAPITEL 4. DFT-MD-SIMULATIONEN
4.3.2
2. Theorem von Hohenberg und Kohn
Das Hohenberg-Kohn-Funktional FHK ergibt die Grundzustandsenergie E0 genau dann, wenn
ρ(~r) = ρ0 (~r) die wahre Grundzustandsdichte ist. Das heißt:
E0 < E [ρ] = Te [ρ] + Eee [ρ] + Eext [ρ] ∀ ρ 6= ρ0 .
Beweis:
ˆ → Vˆ
ρ→H
e
ext
laut 1. Hohenberg-Kohn-Theorem
→ Ψ0
aus Schrödinger-Gleichung und damit
R
hΨe | Ĥe | Ψe i = Te [ρ] + Eee [ρ] + d3 rρ(~r)Vext (~r)
E [ρ] ≥ E0 [ρ0 ] = hΨ0 | Ĥe | Ψ0 i
Jede Trial-Wellenfunktion ergibt im Variationsverfahren immer nur eine obere Grenze für
die Abschätzung der Grundzustandsenergie E0 . Das Gleichheitszeichen gilt nur, falls ρ(~r) =
ρ0 (~r).
4.3.3
Erweiterung für endliche Temperaturen
Die Hohenberg-Kohn-Theoreme wurden für den Grundzustand des elektronischen Systems
formuliert, d.h. sie gelten in ihrer bisherigen Form für eine Temperatur von 0 K. Interessiert
man sich für Systeme mit einer beliebigen, endlichen Temperatur, so muss eine Erweiterung
gemacht werden. Diese wurde 1965 von Mermin eingeführt [52] und basiert auf der Definition
eines Dichtefunktionals des großkanonischen Potentials. Betrachtet man ein kanonisches Ensemble, so reicht es jedoch aus ein Dichtefunktional der freien Energie Fe (T, V, N ) folgender
Form zu formulieren:
Fe (T, V, N ) = Fe [ρ(~r)] = Ee [ρ(~r)] − T Se [ρ(~r)] .
(4.15)
Für endliche Temperaturen muss also die Entropie der Elektronen Se [ρ(~r)] berücksichtigt
werden.
4.4
4.4.1
Kohn-Sham-Theorie
Austausch-Korrelationsfunktional
Die Theoreme von Hohenberg und Kohn geben die prinzipielle Möglichkeit zur Bestimmung
von E0 eines wechselwirkenden Systems über ρ(~r) an. Leider sind die Dichtefunktionale der
Energie nicht bekannt. Gesucht ist also ein einfaches Rezept zur Bestimmung von ρ0 (r) und
damit auch von E0 . Einen erfolgreichen Ansatz dazu haben Kohn und Sham [53] angegeben,
der bis heute die praktische Grundlage der DFT bildet.
Ausgangspunkt ist die Hohenberg-Kohn-Formulierung (4.14), die entsprechend der Theorie
von Mermin für endliche Temperaturen folgende Form besitzt:
Z
3
F0 = Fe [ρ(~r)] = min T [ρ(~r)] + Eee [ρ(~r)] − T Se [ρ(~r)] + d rρ(~r)Vext (~r) .
(4.16)
ρ→N
Betrachten wir nun ein nicht-wechselwirkendes Referenzsystem in einem externen Potential
V̂s mit der Eigenwertgleichung Ĥs Ψs (x) = Es Ψs (x):
Ĥs = T̂s + V̂s = −
fˆiKS
∞
∞
∞
i=1
i=1
i=1
X
~2 X 2 X
fˆiKS ,
∇i +
V̂s (~ri ) =
2m
~2 2
=−
∇ + V̂s (~ri ) .
2m i
(4.17)
(4.18)
61
4.4. KOHN-SHAM-THEORIE
Darüber hinaus besitzt das Referenzsystem die Entropie Ss :
Ss = −kB
∞
X
i=1
[fi ln fi + (1 − fi ) ln(1 − fi )] ,
(4.19)
wobei fi die Fermi-Dirac-Verteilung darstellt.
Der erste Term in Gleichung (4.17) ist die kinetische Energie T̂s [ρ(~r)] eines nicht-wechselwirkenden
Referenzsystems. Das externe Potential V̂s (~r) ist mit dem Elektron-Kern-Wechselwirkungsterm
vergleichbar. Das Referenzsystem enthält keine inneren Wechselwirkungen und kann daher
aus Einteilchenbeiträgen aufgebaut werden. Ψs (~x) lässt sich deshalb als Produkt der Einteilchenzustände φi (xj ) ansetzen, z.B. über die Slater-Determinante
φ (x ) . . . φ (x ) n 1 1 1
1 .
.. .
.
.
Ψs (~x) = √ .
(4.20)
.
. .
N! φ1 (xn ) · · · φn (xn )
Daraus ergeben sich für die Einteilchenbeiträge Kohn-Sham-artige Gleichungen:
fˆiKS φi (~r) = ǫi φi (~r) , Es =
N
X
ǫi .
(4.21)
i=1
Die φi werden als Kohn-Sham-Orbitale und die ǫi als Kohn-Sham-Energien bezeichnet. Der
zentrale Punkt der Kohn-Sham-Theorie ist nun, dass das externe Potential V̂s (~r) so gewählt
wird, dass die reale Grundzustandsdichte ρ0 (~r) des wechselwirkenden VTS reproduziert wird:
ρs (~r) =
∞ X
X
i=1
s
fi | φi (~rj , s) |2 ≡ ρ0 (~r) .
(4.22)
Damit haben wir zunächst ein Rezept zur effizienten Behandlung von realen, wechselwirkenden Systemen gefunden:
∞
~2 P
fi hφi | ∇2i | φi i .
1. Berechne Ts = − 2m
i=1
2. Separiere von der totalen Elektron-Elektron-WW Vee die direkte (klassische) CoulombWW ab:
Z
ρ(~r1 )ρ(~r2 )
1 e2
.
d3 r1 d3 r2
J=
2 4πǫ0
| ~r1 − ~r2 |
3. Definiere mit Fxc die Austausch-Korrelationsenergie als Summe aller nichtklassischen
Beiträge:
Fxc [ρ(~r)] ≡ T [ρ(~r)] − Ts [ρ(~r)] + Eee [ρ(~r)] − J [ρ(~r)] − T Se [ρ(~r)] + T Ss [ρ(~r)] , (4.23)
so dass das Funktional der freien Energie nun folgende Form besitzt:
Fe [ρ(~r)] = Ts [ρ(~r)] + J [ρ(~r)] − T Ss [ρ(~r)] + Eext [ρ(~r)] + Fxc [ρ(~r)] .
(4.24)
Das Minimum der freien Energie Fe [ρ(~r)] → Min. muss unter Beachtung von Nebenbedingungen gefunden werden:
Z
Z
3
d rρ(~r) = N und
d3 rfi | φi (~rj ) |2 = 1 ∀i .
(4.25)
Der Term Fxc ist auch in der DFT unbekannt und muss genähert werden. Dabei finden
hauptsächlich XC-Funktionale der inneren Energie breite Anwendung unter der Annahme Fxc ≈ Exc . Für Exc sind verschiedene, sehr gut verwendbare Ansätze wie LDA und
GGA entwickelt worden, siehe unten.
62
KAPITEL 4. DFT-MD-SIMULATIONEN
4. Die Bestimmung der Dichte ist allerdings immer noch offen, d.h. die Minimierung von
(4.14) muss so erfolgen, dass ρ0 (~r) = ρs (~r) gewährleistet wird.
4.4.2
Variationsableitung einer Funktion
Im Rahmen der DFT wird nach einer Funktion unter Beachtung von Nebenbedingungen
optimiert. Dafür gilt die folgenden Rechenregel:
Z
δ
d3 r ′ f (~r′ )F (~r′ ) = F (~r′ )δ(~r − ~r′ ) = F (~r) .
(4.26)
δf (~r)
Diese Regel ist auf alle Terme in der totalen Energie E[ρ(r)] (4.24) anzuwenden:
Ts [ρ(~r)] =
=
J [ρ(~r)] =
=
Eext [ρ(r)] =
∞
~2 X
−
fi hφi | ∇2i | φi i
2m
i=1
∞ Z
2
X
~
d3 rfi φ∗i (~r)∇2 φi (~r) ,
−
2m
i=1
Z
2
ρ(~r1 )ρ(~r2 )
1 e
d3 r1 d3 r2
2 4πǫ0
| ~r1 − ~r2 |
Z
∞
1
1 e2 X
d3 r1 d3 r2 fi | φi (~r1 ) |2
fj | φj (~r2 ) |2 ,
2 4πε0
| ~r1 − ~r2 |
i,j=1
Z
d3 rρ(~r)Vext (~r)
= −
∞ Z
X
i=1
3
2
d rfi | φi (~r) |
(4.27)
(4.28)
(4.29)
K
X
Za e2
.
~a |
r−R
a=1 | ~
Fxc [ρ(~r)] muss genähert werden! Wir variieren dieses Energiefunktional mit der Nebenbedingung der Normierung auf N z.B. nach φ∗l (~r):
δ
∗
δφl (~r′ )
(
Fe [ρ(~r)] −
Z
∞
X
ǫi
i=1
∗ (~
′
δφ
3 ′
l r)
d r
Z
)
= 0,
d3 rfi | φi (~r) |2 −1
δ
δρ(~r′ )
{·
·
·
}
= 0.
δρ(~r) δφ∗l (~r′ )
δφ∗l (~r)
Diese Variationsableitung ergibt nach einigen Umformungen die Kohn-Sham-Gleichungen:
~2 2
∇ + Vef f (~r) φl (~r) = εl φl (~r) ,
(4.30)
−
2m
Z
K
e2
e2 X
Za
1
3
+ Vxc (~r) ,
(4.31)
Vef f (~r) =
−
d r2 ρ(~r2 )
~a |
4πǫ0
| ~r − ~r2 | 4πǫ0
r−R
a=1 | ~
Vxc (~r) =
δFxc [ρ(~r)]
.
δρ(~r)
(4.32)
Die φl (r) sind die Kohn-Sham-Orbitale mit der Normierung
ρ(~r) =
∞
X
l=1
fi | φl (r) |2
(4.33)
63
4.5. ANWENDUNGSBEISPIELE
und ǫl die Kohn-Sham-Energien mit der Grundzustandsenergie
∞
X
ǫl = E0 .
(4.34)
l=1
Für das effektive Potenzial gilt gerade Vef f (~r) = Vs (~r), so dass die Grundzustandsdichte folgt!
Der letzte Schritt besteht nun darin, praktikable Näherungen für das unbekannte AustauschKorrelationsfunktional zu finden. Das XC-Funktional ist die eigentliche Näherung in der DFT
und bestimmt die Güte der Rechnung.
4.4.3
Local Density Approximation (LDA)
Man macht die Annahme eines homogenen Elektronengases und spaltet das XC-Funktional
in einen Austausch- (X) und einen Korrelationsbeitrag (C) auf:
Z
LDA
Exc [ρ(~r)] =
d3 rρ(~r)ǫxc [ρ(~r)] mit
(4.35)
ǫxc = ǫx + ǫc
1/3
3 3
ǫx = −
ρ(~r)
4π π
(
ǫc =
γ
1+β1 rs +β2 rs2
rs ≥ 1
A ln(rs ) + B + Crs ln(rs ) rs < 1
Der Austausch-Term ǫx kann z.B. im Rahmen der Hartree-Fock-Näherung berechnet werden.
Der Korrelationsbeitrag ǫc wird an Quanten-Monte-Carlo-Simulationen angepasst, rS ist der
Wigner-Seitz-Radius (1.10) der Elektronen.
4.4.4
Generalized Gradient Approximation (GGA)
Eine Verallgemeinerung auf den Fall eines inhomogenen Elektronengases kann durch Berücksichtigung von Gradienten der lokalen Dichte im XC-Funktional erreicht werden:
Z
GGA
Exc
[ρ(~r)] = d3 rρ(~r)ǫxc (ρ(~r), ∇ρ(~r), . . .) .
(4.36)
Das GGA-Funktional von Perdew, Burke und Ernzerhof (PBE) [54] hat heute eine große
Verbreitung gefunden, da viele Eigenschaften mit sehr guter Genauigkeit berechnet werden
können. Weitere Methoden zur Näherung von Exc sind z.B. die Exact Exchange Approximation in der LDA (EXX-LDA) [55] sowie verschiedene Hybridfunktionale, insbesondere das
Funktional von Heyd, Scuseria und Ernzerhof (HSE) [56].
4.5
Anwendungsbeispiele
Es lassen sich eine Vielzahl von Anwendungen der DFT-MD-Simulationen implementieren.
Wir sind besonders an den Eigenschaften von WDM interessiert: Phasendiagramme, EOSDaten, elektrische und thermische Leitfähigkeit, Reflektivität, Diffusion, Paarverteilungsfunktionen etc. Aktuelle Rechnungen betreffen u.a.
⇒ Wide-Range-EOS, Transporteigenschaften und Plasmaphasenübergang für Wasserstoff
[17, 10, 57, 39] (B. Holst, A. Becker, W. Lorenzen), siehe Abb. 4.1
⇒ EOS-Daten für H-He-Plasmen und Entmischung [57] (W. Lorenzen), siehe Abb. 4.2
64
KAPITEL 4. DFT-MD-SIMULATIONEN
⇒ Elektrische Leitfähigkeit und Strukturfaktoren von Bor und Beryllium (K.-U. Plagemann)
⇒ EOS und Phasendiagramm von H2 O bei extrem hohen Drücken, sowie Charakterisierung der superionischen Phase [58, 59] (M. French), siehe Abb. 4.3
⇒ Phasendiagramm (insbesondere fest-fest-Phasenübergang), Strukturanalysen und Untersuchung von Festkörpereigenschaften wie Phononendispersion von MgO (D. Cebulla), siehe Abb. 4.4
⇒ Phasendiagramm und Untersuchung der Eigenschaften der Hochdruckphasen von NH3 ,
wie beispielsweise Paarverteilungsfunktionen und Diffusion (M. Bethkenhagen), siehe
Abb. 4.5
Temperature [10³ K]
3
2
metallic fluid
coexistence line, DFT
(present work)
melting line, DFT
(Bonev 2004)
50% dissociated, DFT
(Tamblyn 2010)
melting line, DFT
(Morales 2010)
coexistence line, DFT
(Morales 2010)
coexistence line, QMC
(Morales 2010)
CP
nonmetallic fluid
1
solid
0
0
1
2
3
4
Pressure [Mbar]
Abbildung 4.1: Phasendiagramm für Wasserstoff mit Plasmaphasenübergang. Die grüne Kurve kennzeichnet die in der Arbeitsgruppe berechnete Koexistenzlinie mit kritischem Punkt.
65
4.5. ANWENDUNGSBEISPIELE
15
Temperature [10³ K]
24 Mbar
10 Mbar
10
4 Mbar
2 Mbar
1 Mbar
5
0
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
Helium fraction x
Abbildung 4.2: Entmischungsdiagramm einer Wasserstoff-Helium-Mischung unter thermodynamischen Bedingungen, wie sie im Inneren der Großen Planeten zu finden sind. Mit steigendem Druck und zunehmender Temperatur wird das Entmischungsgebiet in Abhängigkeit der
Heliumkonzentration größer.
Abbildung 4.3: Phasendiagramm von ultra-dichtem Wasser berechnet mit DFT-MDSimulationen. Bei hohen Dichten und tiefen Temperaturen kommt eine superionische Phase
(mobile Protonen in einem Sauerstoff-Gitter: Protonenleiter) vor.
66
KAPITEL 4. DFT-MD-SIMULATIONEN
Sangster et al. ’70
20
ν [THz]
15
10
5
0
Γ
Γ
K X
L
X
W
L
Abbildung 4.4: Berechnete Phononendispersionskurven (rote Linien) von Magnesiumoxid in
der NaCl-Struktur im Vergleich mit experimentellen Daten (schwarze Punkte) bei Normaldichte.
4
0
1
r [Å]
3
2
4
5
6
0
1
r [Å]
3
2
4
5
6
gHH(r)
6
2
4
1
2
0
H2
0
N2
8
0.5 g/cm³
1.0 g/cm³
1.5 g/cm³
2.0 g/cm³
3.0 g/cm³
6
gNH(r)
gNN(r)
8
3
4
2
0
0
1
2
3
4
r [Å]
5
6
Abbildung 4.5: Die Paarverteilungsfunktionen von Ammoniak für verschiedene Dichten bei
5000 K. Die Verteilungsfunktionen zeigen deutliche Dissoziationseffekte, die auf ein komplexes
chemisches Verhalten von NH3 bei hohen Temperaturen und Drücken hindeuten. Insbesondere lassen sich hier für kleine Dichten H2 - und N2 -Moleküle identifizieren.
Kapitel 5
Plasmadiagnostik und
Laser-Plasma-Wechselwirkung
5.1
Thomson-Streuquerschnitt
Im Plasma unterliegen die frei beweglichen Ladungsträger der Coulomb-Wechselwirkung, d.h.
Korrelationseffekte bestimmen die Eigenschaften, besonders in dichten Plasmen oder WDM.
Die Messung dieser Eigenschaften ist über die Fluktuationen der Ladungsträgerdichte δ̺c (r, t)
möglich,
δ̺c (r, t) = ̺c (r, t) − h̺c (r, t)i .
(5.1)
Das Spektrum dieser Fluktuationen wird durch den dynamischen Strukturfaktor S(k, ω) beschrieben, der über das Fluktuations-Dissipationstheorem (FDT) eng mit der dielektrischen
Funktion ε(k, ω) verknüpft ist. Diese beiden Größen spielen in der Plasmadiagnostik und Vielteilchenphysik eine zentrale Rolle und werden durch Streuexperimente mit Licht geeigneter
Wellenlänge direkt gemessen.
Zunächst wird der Thomson-Streuquerschnitt σT für die Streuung ebener Wellen eingeführt,
für die
~ t) = E
~ 1 cos(~k1 · ~r − ω1 t)
E(r,
(5.2)
angesetzt wird und die Relationen ω1 /k1 = c, k1 = 2π/λ1 , ω1 = 2πν1 sowie ν1 λ1 = c
gelten. Ein beliebiges geladenes Teilchen mit der Ladung Ze und Masse M wird im Feld der
~
ebenen Welle bei ~r periodisch mitbewegt, d.h. ~r¨ = ZeE/M
, so dass ein zeitlich veränderliches
Dipolmoment induziert wird:
(Ze)2 ~
¨
E.
(5.3)
d~ = Ze~r¨ =
M
Der vom Teilchen infolge Dipolstrahlung abgegebene Energiefluss ist laut Elektrodynamik
relativ zum einfallenden Energiefluss ein = cE 2 /(4π),
eout =
8π (Ze)4 cE 2
8π (Ze)4
2 ~¨ 2
(
d)
=
·
≡
σ
e
,
σ
=
,
T
in
T
3c3
3 M 2 c4 4π
3 M 2 c4
(5.4)
wobei σT der Thomson-Streuquerschnitt ist. Er ist proportional zu ∼ 1/M 2 , so dass die
Beiträge der schweren Teilchen (Ionen) für viele Anwendungen vernachlässigt werden können.
Wir behandeln im folgenden den Elektronenbeitrag mit Z = −e, M = m und definieren den
klassischen Elektronenradius re = e2 /(mc2 ) = 2.818 · 10−15 m und finden für den ThomsonStreuquerschnitt den (kleinen) Wert
σT =
8π 2
r = 6.653 · 10−29 m2 .
3 e
67
(5.5)
68 KAPITEL 5. PLASMADIAGNOSTIK UND LASER-PLASMA-WECHSELWIRKUNG
Für Streuexperimente im Plasma wird also Licht geeigneter Wellenlänge und Intensität
benötigt sowie die entsprechenden Detektoren. Für die Diagnostik dichter Plasmen oder von
WDM muss man brilliante Röntgenquellen wie Synchrotrons (z.B. PETRA-III in Hamburg),
durch optische Hochleistungslaser gepumpte inkohärente Röntgenquellen (z.B. Omega-Laser
in Rochester) oder Freie-Elektronen-Laser (z.B. FLASH und European XFEL in Hamburg,
LCLS in Stanford) benutzen.
In dünnen Plasmen ist die Intensität der gestreuten elektromagnetischen Wellen proportional
zur Dichte der Elektronen, da kaum Korrelationen auftreten. Allerdings bewegen sich die
Teilchen im Plasma (frei bewegliche Ladungsträger), so dass auf Grund des Doppler-Effekts
eine Frequenzverschiebung des Streulichts auftritt. Setzt man den Ansatz
~r = ~r(t = 0) + ~v t
(5.6)
in die Bewegungsgleichung ein, erhält man für die Frequenz des sich im elektromagnetischen
Feld (ω1 , ~k1 ) bewegenden Elektrons:
ω ′ = ω1 − ~k1 · ~v .
(5.7)
Die Dipolabstrahlung erfolgt also mit ω ′ , die im Detektor mit ω2 , ~k2 unter einem Winkel Θ
gemessen wird, siehe Abbildung. Es gilt ω2 = ck2 = ω ′ + ~k2 · ~v , so dass die Beziehung
ω2 − ω1 = (~k2 − ~k1 ) · ~v
(5.8)
folgt. Die Messung von ω2 (k2 ) erlaubt also die Bestimmung der Geschwindigkeitsverteilungsfunktion fe (v) der Elektronen (Teilchenstreuung).
Abbildung Schema Streuexperiment
5.2
Der dynamische Strukturfaktor
In einem dichten Plasma treten Korrelationen auf, die sich in charakteristischen Fluktuationen der Ladungsdichte äußern. Kann man diese Fluktuationen messen? Dazu betrachten wir
den obigen Streuversuch nun in einem dichten Plasma, d.h. im Detektor interferieren Streuwellen aus verschiedenen miteinander korrelierten Raumgebieten und Zeiten. Betrachten wir
die Aufpunkte ~r1 , t1 und ~r2 , t2 , so ist die Intensität der gestreuten Welle im Detektor durch
das mittlere Quadrat der jeweiligen Streuamplituden gegeben:
Z
Z
Z
Z
3
3
2
d r2 dt1 dt2 h̺e (~r1 , t1 )̺e (~r2 , t2 )i (5.9)
d r1
I(k, ω) = h|Amplitude| i =
V
V
× exp −i(~k1 − ~k2 ) · (~r1 − ~r2 ) − i(ω1 − ω2 )(t1 − t2 ) ≡ See (k, ω) .
Der dynamische Strukturfaktor See (k, ω) ist die Spektralfunktion der Dichtefluktuationen
der Elektronen im Plasma und kann durch Lichtstreuung direkt gemessen werden, da er
die Intensität der durch das Plasma (Elektronendichte) modulierten Streuwellen beschreibt.
Der Übertragungsimpuls ist ~k = ~k2 − ~k1 und der Energieübertrag ω = ω2 − ω1 . Eine detailliertere Rechnung muss im Rahmen der Quantenelektrodynamik erfolgen und führt zur
Klein-Nishina-Formel [60, 61]. Für eine auf die Plasmafläche A einfallende Strahlungsleistung
Pi ergibt sich daraus die pro Frequenzintervall dω und Raumwinkel dΩ gestreute Leistung
Ps :
2
~ ω)dωdΩ = Pi re dΩ|k̂2 × (k̂2 × Ê0,1 )|2 Ne See (k, ω) .
(5.10)
Ps (R,
2πA
~ ω)
5.3. DIE DIELEKTRISCHE FUNKTION ε(K,
69
Der geometrische Faktor ist abhängig von der Polarisation des Lichtes und ergibt [62]
(
1 − sin2 (Θ) cos2 (φ) lin. pol. Licht
|k̂2 × (k̂2 × Ê0,1 )|2 =
.
(5.11)
1 − 21 sin2 (Θ)
unpolarisiertes Licht
Welche Informationen sind durch Kenntnis des dynamischen Strukturfaktors zugänglich? Der
statische Strukturfaktor S(~k) ergibt sich als Frequenzintegral,
Z
Z
~
~
See (k) = dωSee (k, ω) = dth|̺~k (t)|2 i ,
(5.12)
wobei
̺~k (t) =
Z
V
d3 r̺e (~r, t) exp(−i~k · ~r)
(5.13)
die Fourierkomponenten der Dichtefluktuationen der Elektronen sind. Der statische Strukturfaktor ist eng mit der radialen Paarverteilungsfunktion g(r) verknüpft:
Z
d3 r (g(~r) − 1) exp(i~k · ~r) .
(5.14)
S(~k) = 1 + n
V
Die strukturellen Eigenschaften g(r) und S(k) können auch durch Lösung der OrnsteinZernike-Gleichung für bekannte Wechselwirkungspotenziale berechnet werden und dann mit
gemessenen statischen Strukturfaktoren verglichen werden [63]. Auch die thermodynamischen
Größen sind mit den strukturellen Eigenschaften verknüpft. Die thermische und kalorische
Zustandsgleichung sowie die isotherme Kompressibilität ergeben sich aus der Paarverteilungsfunktion:
Z
3
N
U = nkB T + n
d3 rV (r)g(r) ,
2
2
V
Z
∂V (r)
n2
d3 r r g(r)
,
(5.15)
p = nkB T −
6 V
∂r
Z
1
S(0)
3
κT =
d r (g(r) − 1) =
.
1+n
nkB T
nk
BT
V
Abbildung statischer Strukturfaktor (Beispiel)
5.3
Die dielektrische Funktion ε(~k, ω)
Der dynamische Strukturfaktor See (~k, ω) ist über das Fluktuations-Dissipationstheorem (FDT) [64,
37, 65] sehr eng mit der dielektrischen Funktion ε(~k, ω) verknüpft:
See (~k, ω) = −
~
4πe2
Im ε−1 (~k, ω) , V (k) = 2 .
V (k)
k
(5.16)
Die Ladungsdichtefluktuationen im thermodynamischen Gleichgewicht werden durch den dynamischen Strukturfaktor See (~k, ω) beschrieben. Die Reaktion des Plasmas auf eine Störung
(Dissipation), die durch das Coulomb-Potenzial V (k) vermittelt wird, ist durch die (inverse)
dielektrische Funktion gegeben. Die Bedeutung der dielektrischen Funktion wollen wir mit
Hilfe der Elektrodynamik untersuchen. Betrachten wir eine kleine äußere Störung
Z
Z
1 1
3
~
~
d
k
dωΦ
(
k,
ω)
exp
i(
k
·
~
r
−
ωt)
+
ηt
,
(5.17)
Φext (~r, t) =
ext
(2π)4 V
70 KAPITEL 5. PLASMADIAGNOSTIK UND LASER-PLASMA-WECHSELWIRKUNG
wobei der Faktor η → 0 mit η > 0 Kausalität sichert, d.h. die Reaktion im Medium folgt
auf die Störung. Die effektive Potenzialstärke der Wechselwirkung im Medium (Plasma) ergibt sich aus der Superposition des externen Potenzials mit der induzierten Ladungsdichte
(Polarisation),
4πZe
Φext (~k, ω)
Φ(~k, ω) = Φext (~k, ω) +
̺ind (~k, ω) ≡
,
(5.18)
2
k
ε(~k, ω)
die sich als abgeschirmtes Potenzial interpretieren lässt. Die dielektrische Funktion ε(~k, ω)
beschreibt die Abschirmung von Potenzialschwankungen, die hier durch ein externes Potenzial
hervorgerufen werden. Die inverse dielektrische Funktion ist laut (5.18) das Verhältnis von
effektivem Potenzial im Medium zum externen Potenzial bzw. von induzierter Ladungsdichte
zur externen Störung, wobei für das Vakuum der Wert 1 angenommen wird (keine Reaktion):
1
~
ε(k, ω)
= 1+
4πZe ̺ind (~k, ω)
.
k2 Φext (~k, ω)
(5.19)
Gleichung (5.18) gilt aber auch ganz allgemein für alle Potenzialschwankungen im Plasma,
die durch die Bewegung der Teilchen auch ohne Anwesenheit eines externen Feldes induziert
werden.
Betrachten wir nun weiter die Maxwellschen Gleichungen für das Plasma, d.h. nehmen ~jext =
0 und ̺ext = 0 an (“innere” Elektrodynamik):
~
1 ∂B
,
c ∂t
~ = 0, D
~ =E
~ + 4π P~ ,
div D
~
~ = 1 ∂E ,
rot B
c ∂t
~ = 0.
div B
~ = −
rot E
(5.20)
(5.21)
(5.22)
(5.23)
Dabei sind die Quellen der Polarisation P~ die induzierten Ladungen und die Ströme ergeben
sich aus der zeitlichen Änderung der Polarisation,
∂ P~ ~
= j , div P~ = −̺ind .
∂t
(5.24)
Im Rahmen der linearen Response-Theorie (LRT) gilt das Ohmsche Gesetz, das im Fourier→
~ ~k, ω) geschrieben werden kann mit dem Leitfähigkeitstensor
Raum als ~j(~k, ω) = ←
σ (~k, ω)E(
←
→
σ . Man erhält mit einem Ebene-Wellen-Ansatz aus (5.24) sofort ~j(~k, ω) = −iω P~ (~k, ω) und
für die dielektrische Verschiebung
~ ~k, ω) = E(
~ ~k, ω) + 4π P~ (~k, ω)
D(
→
~ ~k, ω)
~ ~k, ω) − 4π ←
σ (~k, ω)E(
= E(
iω
~ ~k, ω) .
≡ ε(~k, ω)E(
(5.25)
Damit ist ein allgemeiner Zusammenhang zwischen der dielektrischen Funktion und der dynamischen elektrischen Leitfähigkeit abgeleitet,
4π ←
←
→
→
ε (~k, ω) = 1 −
σ (~k, ω) ,
iω
(5.26)
~ ω)
5.3. DIE DIELEKTRISCHE FUNKTION ε(K,
71
der auch als Startpunkt zur Bestimmung des dynamischen Strukturfaktors See (~k, ω) dienen
kann. Wir berechnen die elektrische Leitfähigkeit über die elektrische Stromdichte, die durch
die Verteilungsfunktionen der Teilchen im Plasma fc (~
p, ~r, t) bestimmt ist (siehe Kapitel 3.5):
Z
X
d3 p p~
~je (~r, t) =
ec
fc (~
p, ~r, t) .
(5.27)
h3 mc
c
Die Nichtgleichgewichtsverteilungsfunktion (NGG-VF) ist über die Boltzmann-Gleichung (3.8)
gegeben, die Stöße zwischen den Teilchen berücksichtigt. Wir wollen zunächst eine starke Vereinfachung vornehmen die NGG-VF und auf der Basis der stoßfreien Vlasov-Gleichung (3.6)
ableiten:
p ∂fc
~
∂fc
~ · ∂fc = 0 .
~ + 1 ~v × B
+
+ ec E
(5.28)
∂t
mc ∂~r
c
∂~
p
Mit dem Ansatz einer kleinen Abweichung von der GG-VF fc0 (p), die ja homogen und stationär ist,
fc (~
p, ~r, t) = fc0 (p) + δfc (~
p, ~r, t) ,
(5.29)
kann man im Rahmen der LRT die folgende Gleichung ableiten (die höheren Terme auf der
rechten Seite werden weggelassen):
0
∂fc
p~ ∂δfc
1
∂δfc
~
~
+
·
= −ec E + ~v × B
.
(5.30)
∂t
mc ∂~r
c
∂~
p
~ · p~ = 0
Das magnetische Feld auf der rechten Seite trägt nicht zum Strom bei, da (~
p × B)
ist. Gleichung (5.30) wird wieder im Fourier-Raum mit einem Ebene-Welle-Ansatz analog zu
(5.17) gelöst, d.h. mit
Z
Z
1 1
3
~
~
δfc (~
p, ~r, t) =
d
k
dω
δf
(~
p
,
k,
ω)
exp
i(
k
·
~
r
−
ωt)
+
ηt
(5.31)
c
(2π)4 V
erhält man mit
∂fc0 (p)
∂~
p
=
∂fc0 (p) p
~
∂p p
die folgende Gleichung:
(−iω + η)δfc (~
p, ~k, ω) + i~k ·
0
p~
~ · p~ ∂fc (p) .
δfc (~
p, ~k, ω) = −ec E
mc
p ∂p
(5.32)
Daraus folgt eine Lösung für die NGG-Anteile der VF:
δfc = −i
p
~ ∂fc0 (p)
p
∂p
~
iη − k · mp~c
~·
ec E
ω+
.
(5.33)
Setzt man diesen Ausdruck in die Definition der elektrischen Stromdichte (5.27) ein und
beachtet, dass die GG-VF fc0 (p) keinen Beitrag zum Strom liefert (thermodynamisches GG),
erhält man ein Ergebnis für den Leitfähigkeitstensor:
~je (~k, ω) = −i
X
c
e2c
Z
0
~ · p~ ∂fc (p)
d3 p p~ E
p
∂p
→
~.
=←
σ (~k, ω)E
h3 mc ω + iη − ~k · ~p
(5.34)
mc
Der Tensorcharakter unter dem Integral muss näher untersucht werden. Dazu betrachten wir
~ und die Beziehung
einen beliebigen Vektor A
!
~k ⊗ ~k
←
→
2
~k × (~k × A)
~.
~ = ~k(~k · A)
~ − A(
~ ~k · ~k) = −k
A
(5.35)
1 −
k2
72 KAPITEL 5. PLASMADIAGNOSTIK UND LASER-PLASMA-WECHSELWIRKUNG
Das dyadische Produkt ~k ⊗ ~k ist das Matrixprodukt aus einem Spalten- und Zeilenvektor und
hat die Matrixelemente
→~
←
→
~k(~k · A)
~ = ~k ⊗ ~k = ←
KA
mit ( K )ij = ki kj .
(5.36)
~ in Transversal- und Longitudinalanteile zerWeiterhin kann man jeden beliebigen Vektor A
legen,
→ ~ ~
←
→ ~
~ = A
~ tr + A
~l , A
~ tr = ←
A
P tr A
, Al = P l A
,
←
→
←
→
←
→
~
~
~
~
mit Atr · Al = 0 , ktr · Atr = 0 , P tr + P l = 1 ,
und erhält mit der obigen dyadischen Verknüpfung die Beziehungen:
!
~k ⊗ ~k ←
←
→
→
←
→ ~k ⊗ ~k
Pl=
, P tr = 1 −
.
k2
k2
(5.37)
(5.38)
(5.39)
Damit findet man für die Elemente des Leitfähigkeitstensors und des dielektrischen Tensors
die folgenden Ausdrücke:
X e2 Z d3 p
pi pj
1 ∂fc0
c
,
mc
h3 ω + iη − ~k · p~ p ∂p
c
mc
X 4πe2 Z d3 p
1 ∂fc0
pi pj
c
~
εij (k, ω) =δij +
.
mc ω
h3 ω + iη − ~k · p~ p ∂p
c
mc
σij (~k, ω) = − i
(5.40)
Man kann dieses Ergebnis noch benutzen, um die dielektrische Funktion in transversalen und
longitudinalen Anteil zu zerlegen. Für isotrope Plasmen gilt mit (5.39)
←
→ → ki kj
P l←
ε = 2 εij ,
k
←
→ ←
ki kj
= P tr →
ε = (δij − 2 )εij ,
k
εl =
εtr
(5.41)
(5.42)
so dass man unter Beachtung der Einsteinschen Summenkonvention (Summation über doppelt
vorkommende Indizes) das folgende Ergebnis erhält:
i
h
∂f 0
p
~
X 4πe2 Z d3 p (~k × mc ) × ~k · ∂~pc
c
tr ~
,
ε (k, ω) = 1 +
2ω
3
~k · p~
k
h
ω
+
iη
−
c
mc
∂fc0
p
~
Z
~
~
3
k
·
k
·
X 4πe2
mc
∂~
p
d p
c
εl (~k, ω) = 1 +
.
2
3
p
~
k ω
h
ω + iη − ~k ·
c
(5.43)
mc
Die elektrische Leitfähigkeit (5.40) und die dielektrische Funktion (5.43) sind durch die Abweichungen von der GG-VF (5.33) gegeben. Im Rahmen der Vlasov-Gleichung erhalten wir
ein Ergebnis für ein stoßfreies Plasma, das aber durch die Beachtung der Maxwellschen Gleichungen (5.20) die Polarisation im Plasmas und damit auch die gegenseitige Abschirmung der
Ladungsträger enthält. Man nennt das Ergebnis (5.43) auch Random Phase Approximation
(RPA), nach Arbeiten von Bohm und Pines [66, 67, 68] sowie Lindhard [69].
Die dielektrische Funktion sowie die elektrische Leitfähigkeit sind komplexe Funktionen und
abhängig vom Wellenvektor ~k und der Frequenz ω. Sie beschreiben die Antwort des Plasmas
auf äußere Störungen, z.B. einen elektrischen Strom, und die Ausbreitung von Anregungen
73
5.4. DIE KLASSISCHE DIELEKTRISCHE FUNKTION
sowie deren Dämpfung im Plasma. Ihre analytischen Eigenschaften sind durch die DiracIdentität gegeben,
1
1
η
x
lim
= lim
∓
i
=
P
∓ iπδ(x) .
(5.44)
2
2
2
2
η→0 x ± iη
η→0 x + η
x +η
x
P ist das Hauptwertintegral und δ(x) die Diracsche Deltafunktion (Distribution), die unter
anderem die Eigenschaften
Z∞
dxδ(x) = 1 ,
Z∞
−∞
−∞
dx f (x) δ(x − a) = f (a)
(5.45)
hat. Damit erhält man für den Real- und Imaginärteil z.B. der longitudinalen dielektrischen
Funktion aus (5.43):
p
~
d3 p ~k · mc ~ ∂fc0
k·
P
,
k2 ω
h3 ω − ~k · p~
∂~
p
c
mc
X 4πe2 Z d3 p
~p ~ ∂fc0
p~
c
~
~
~
k·
k·
δ ω−k·
.
Im ε(k, ω) = − π
k2 ω
h3
mc
∂~
p
mc
c
Re ε(~k, ω) =1 +
X 4πe2
c
Z
(5.46)
Man kann auch noch sehr hilfreiche Beziehungen zwischen dem Real- und Imaginärteil der
dielektrischen Funktion herleiten, sogenannte Kramers-Kronig-Relationen (Beweis: ÜA):
Re ε(~k, ω) − 1 = P
Z∞
−∞
dω ′ Im ε(~k, ω ′ )
.
2π ω ′ − ω
(5.47)
Weiterhin erhält man durch Integration über die Frequenzen Summenregeln für die dielektrische Funktion, zum Beispiel für das Frequenzmoment ω 1 :
Z∞
−∞
dω
2
∀ k.
ω Im ε(~k, ω) = ωpl
π
2 =
Die Plasmafrequenz (1.15) kann allgemein über ωpl
(5.48)
P 4πnc e2c
c
mc
definiert werden. Mit sol-
chen Summenregeln kann man sehr einfach die Güte einer Näherung oder die numerische
Auswertung der Relationen überprüfen.
5.4
Die klassische dielektrische Funktion
Wir berechnen nun die klassische longitudinale dielektrische Funktion für Elektronen, d.h. die
Elektronen im Plasma werden durch eine Maxwell-Boltzmann-VF beschrieben. Mit ~v = p~/me
ergibt sich aus (5.43):
4πe2
ε (~k, ω) = 1 + 2
k ω
l
4πe2
= 1+ 2
k
Z
Z
0
~k · ~v
d3 p
~k · ∂fe ,
h3 ω + iη − ~k · ~v
∂~
p
0
1
d3 p
~k · ∂fe .
h3 ω + iη − ~k · ~v
∂~
p
(5.49)
(5.50)
74 KAPITEL 5. PLASMADIAGNOSTIK UND LASER-PLASMA-WECHSELWIRKUNG
Betrachten wir in (5.50) vereinfachend nur die Komponente ~k = kx~ex , muss in der Ableitung
der VF über die Komponenten ky und kz abintegriert werden:
Z
4πe2
dpx
1
∂f 0 (px )
εl (k, ω) = 1 + 2
kx e
,
(5.51)
kx
h ω + iη − kx vx
∂px
!
Z
Z ∞
p2x + p2y + p2z
dpy ∞ dpz
0
3
exp −
fe (px ) = ne λe
2me kB T
−∞ h
−∞ h
p2x
= ne λe exp −
.
(5.52)
2me kB T
Damit kann (5.51) weiter ausgewertet werden. Führt man die Ableitung aus, verwendet
die elektronische Debye-Hückel-Abschirmlänge (1.14) κ2e = 4πne e2 /(kB T ), substituiert z =
px /(2me kB T )1/2 und K = kx , und verwendet die mittlere thermische Geschwindigkeit vT =
(kB T /me )1/2 , so erhält man:
Z
2
κ2 2kB T 1/2
zKe−z
l
√
ε (k, ω) = 1 + 2
dz
,
(5.53)
K
πme
zK 2vT − ω − iη
Z
2
ze−z
κ2 1
.
(5.54)
dz
= 1+ 2√
K
π
z − K √ω2v − iη ′
T
Dieses Ergebnis kann kompakt als
κ2
ω
(1 + F (x)) mit x = √
,
2
K
K 2vT
Z∞
2
√
dze−z
x
2
+ i πxe−x ,
F (x) = √ P
z−x
π
εl (k, ω) = 1 +
(5.55)
−∞
3
1
− 4 − ... ,
2
2x √ 4x
2
F (x ≪ 1) = −2x + i πx ,
F (x ≫ 1) = −1 −
geschrieben werden und ist als dielektrische Funktion nach Lindhard [69] oder RPA bekannt.
Wir finden weiterhin die folgenden nützlichen Beziehungen zwischen x, vT und den Plasmaparametern κe und ωpl :
x2 =
ω 2 me
ω 2 κ2e
2 2
2
=
2 , κe vT = ωpl .
K 2 2kB T
K 2 2ωpl
(5.56)
Bereich hoher Frequenzen: Für die dielektrische Funktion (5.55) ergibt sich im Grenzfall
hoher Frequenzen ω ≫ kvT (optischer Bereich):
!
2
2
ωpl
ωpl
K2
l
Re ε (k, ω ≫ kvT ) = 1 − 2 1 + 3 2 2 ,
(5.57)
ω
ω κe
!
r
ω 2 κ2e
π κ3e ω
l
Im ε (k, ω ≫ kvT ) =
exp − 2 2 .
(5.58)
2 k3 ωpl
2ωpl k
Führt man nun noch den langwelligen Grenzfall k → 0) aus, erhält man ein sehr einfaches
Ergebnis:
Re εl (k → 0, ω ≫ kvT ) = 1 −
Im εl (k → 0, ω ≫ kvT ) ∼
= 0.
2
ωpl
ω2
,
(5.59)
75
5.5. LONGITUDINALE PLASMASCHWINGUNGEN, LANDAU-DÄMPFUNG
Der Realteil ist durch die Plasmafrequenz ωpl bestimmt. Der Imaginärteil ist klein, d.h. es
gibt kaum Dämpfung solcher Anregungen im Plasma. Der Realteil der dielektrischen Funktion
verschwindet für ω = ωpl , was auf ein resonantes Verhalten des Plasmas für solche Frequenzen
hindeutet (Plasmonresonanz), siehe Kapitel 5.5.
Die elektrische Leitfähigkeit ist aus der dielektrischen Funktion aus (5.26) ableitbar und für
den speziellen Fall (5.59) ergibt sich
2
1
i ωpl
∼ .
(5.60)
4π ω
ω
Die dynamische Leitfähigkeit σ(ω) divergiert wie 1/ω für kleine Frequenzen ω → 0, für den
die Gleichung (5.59) auch nicht gültig ist. Um ein vernünftiges Ergebnis auch für kleine
Frequenzen und besonders den statischen Grenzfall, die Gleichstromleitfähikeit σ(ω = 0) =
σdc zu erhalten, wurde von Drude ein nach ihm benanntes Modell vorgeschlagen (DrudeModell):
σ(k → 0, ω ≫ ωpl ) =
εD (k → 0, ω) = 1 −
σ D (k → 0, ω) =
2
ωpl
ω(ω + iν(ω))
2
ε0 ωpl
.
−iω + ν(ω)
,
(5.61)
(5.62)
Zentrale Größe ist dabei die dynamische Stoßfrequenz ν(ω). Im statische Grenzfall ergibt sich
nunmehr keine Divergenz, sondern
σ D (k → 0, 0) =
2
ε0 ωpl
ν(0)
,
(5.63)
d.h. die statische elektrische Leitfähigkeit ist durch die Stöße zwischen den Teilchen im Plasma bestimmt. Da die Stoßfrequenz ν mit der Relaxationszeit τ = 1/ν verknüpft ist, ergibt
sich ein direkter Zusammenhang zur Relaxationszeitnäherung, siehe Kapitel 3.5.
Statischer Grenzfall: Für die dielektrische Funktion (5.55) ergibt sich für kleine Frequenzen
ω ≪ kvT
!
r
2
2 κ2
ω
κ
κ
ω
π
e
εl (k, ω ≪ kvT ) = 1 + 2e 1 − 2 2e + i
,
(5.64)
k
2 ωpl k
ωpl k
so dass im statischen Grenzfall ω = 0 die bekannte Debye-Hückel-Abschirmung folgt:
κ2e
.
(5.65)
k2
Das abgeschirmte Potenzial (2.28) ergibt sich somit auch aus (5.65) und dem nackten CoulombPotenzial V (k) = 4πe2 /k2 entsprechend:
εl (k, 0) = 1 +
V s (k) =
5.5
4πe2
V (k)
=
.
εl (k, 0)
k2 + κ2e
(5.66)
Longitudinale Plasmaschwingungen, Landau-Dämpfung
In Plasmen können auch spontan Plasmaschwingungen auftreten (etwa mit der Plasmafrequenz ωpl ) und sich Plasmawellen ausbreiten. Diese kollektiven oder auch Plasmonenanregungen ergeben sich aus der Bedingung
εl (~k, ω) = Re εl (~k, ω) + iIm εl (~k, ω) = 0 ,
(5.67)
76 KAPITEL 5. PLASMADIAGNOSTIK UND LASER-PLASMA-WECHSELWIRKUNG
die gleichzeitig ihre Dispersionsrelation ω(k) bestimmt. Für die komplexen Lösungen
ω(k) = ω(k) + iγ(k)
(5.68)
werden spontan longitudinale Wellen im Plasma angeregt. Die elektrische Feldstärke und
Ladungsdichte verläuft entsprechend
~
~ r , t) = δE
~ ei(k·~r−ω(k)t) ,
δE(~
(5.69)
i(~k·~
r −ω(k)t)
δρ(~r, t) = δρ e
(5.70)
und ist laut (5.68) mit γ(k) gedämpft. Unter der Voraussetzung, dass Re εl (k, ω) ≫ Im εl (k, ω)
(d.h. schwache Dämpfung) kann man die Bedingung (5.67) entwickeln:
∂εl (~k, ω)
∂ω
l
~
∂ε (k, ω)
= Re εl (~k, ω) + iIm εl (~k, ω) + iγ(k)
= 0.
∂ω
εl (~k, ω) = εl (~k, ω + iγ(k)) = εl (~k, ω) + iγ(k)
(5.71)
Man erhält als Bedingung für die Plasmonenresonanz:
l (~
Im
ε
k,
ω)
Re εl (~k, ω) = 0 , γ(k) ≈ − ∂
l
~
Re ε (k, ω) ∂ω
.
(5.72)
ω=ω(k)
Zunächst berechnen wir die Plasmonendispersionsrelation aus der ersten Bedingung Re εl (~k, ω) =
0. Ausgehend von (5.57) erhält man
!
2 2
2
ωpl
ωpl
k
(5.73)
1 + 3 2 2 = 1.
ω2
ω κe
Diese quadratische Gleichung kann sofort gelöst werden und es ergibt sich die Dispersionsrelation für Plasmonen nach Bohm und Gross [70]:
2
ω (k) =
2
ωpl
k2
1+3 2
κe
2
= ωpl
+3
kB T 2
k .
me
(5.74)
Für die Dämpfung der Plasmonenanregungen müssen wir zunächst die Ableitiung des Realteils in (5.72) berechnen. Mit (5.57) ergibt sich
2
ωpl
∂
Re εl (~k, ω) ≈ 2 3 ,
∂ω
ω
und man erhält im langwelligen Limes:
γ(k → 0) = −
r
κ3
κ2
π −3/2
e
ωpl 3 exp − 2 .
2
2k
2k
(5.75)
Die Voraussetzung γ(k) ≪ ω ist immer gut erfüllt (ÜA). Der Ursprung der Dämpfung der
Plasmonenanregungen muss weiter untersucht werden, denn in der dielektrischen Funktion (5.55) sind ja keine Stöße enthalten (RPA). Da sich im Plasma alle Teilchen bewegen,
sind sie im mitbewegten Koordinatensystem der Plasmawelle mit der Geschwindigkeit k entweder schneller oder langsamer als diese Mode, einige bewegen sich auch mit resonanter
5.5. LONGITUDINALE PLASMASCHWINGUNGEN, LANDAU-DÄMPFUNG
77
Geschwindigkeit. Durch die Wechselwirkung der Teilchen mit der Plasmawelle werden nun
die langsameren Teilchen beschleunigt und die schnelleren abgebremst. Im thermodynamischen Gleichgewicht ist die Geschwindigkeitsverteilungsfunktion der Elektronen durch eine
Maxwell-Boltzmann-VF gegeben, d.h. es gibt weniger “schnellere” als “langsamere” Teilchen
relativ zu k (gilt für alle k). Damit gibt die Plasmawelle im Laufe der Zeit Energie an das
Plasma ab und wird mit der Abklingkonstanten γ(k) gedämpft. Dieser Prozess wird LandauDämpfung genannt.
Man kann nun durch Messung des dynamischen Strukturfaktors (5.9) im kollektiven Streubereich eine sehr effiziente Methode zur Plasmadiagnostik entwickeln [62]. Die Asymmetrie
der Peaks für Emission und Absorption eines Plasmons bei Einstrahlung eines Photons sind
durch die Bedingung der detaillierten Balance verknüpft und es ergibt sich
~ω
S(k, ω)
= exp −
.
(5.76)
S(−k, −ω)
kB Te
Damit kann die Elektronentemperatur im Plasma bestimmt werden. Die Lage der Plasmonenresonanz ist durch die Dispersionsrelation (5.74) gegeben und liefert aus der Messung der
Plasmafrequenz ωpl für gegebenes k = 4π
λ0 sin(θ/2) (Streuwinkel θ und Wellenlänge λ0 ) die
Elektronendichte ne .
Erste Experimente sind dazu an Be [71] und H [72] im WDM-Bereich durchgeführt worden.
Dazu muss kurzwellige Strahlung im VUV- oder Röntgenbereich verwendet werden. Außerdem ist der Thomson-Streuquerschnitt (5.4) sehr klein, so dass intensive Röntgenquellen
entwickelt werden müssen. Man nennt diese Methode deshalb auch X-ray Thomson Scattering (XRTS) [11]. Freie-Elektronen-Laser (FEL) wie FLASH in Hamburg (5-50 nm), LCLS in
Stanford (0,48-9,50 keV) oder der künftige European XFEL in Hamburg (0.05-6 nm) erfüllen
diese Anforderungen in hohem Maße und sind deshalb perfekte Plattformen für Untersuchungen zu Materie unter extremen Bedingungen oder von WDM.
78 KAPITEL 5. PLASMADIAGNOSTIK UND LASER-PLASMA-WECHSELWIRKUNG
Kapitel 6
Plasma- und Astrophysik
6.1
Einführung
Es gibt eine enge Verbindung zwischen Plasmaphysik und Astrophysik. In diesem Kapitel
sollen wichtige Anwendungen der physikalischen Eigenschaften von Materie unter extremen
Bedingungen (WDM) behandelt werden, insbesondere der innere Aufbau und die Entwicklung
von Planeten wie Jupiter und Saturn.
Unsere heutige Kenntnis von der Entstehung des Universums ist im “Big Bang Scenario”
zusammengefasst [73], das sich auf einige Kernbeobachtungen stützt:
• 3K-Hintergrundstrahlung (COBE-Satellit),
• Elementhäufigkeit,
• Supernova-Ia-Beobachtungen (sogenannte “Standardkerzen”), deuten auf eine beschleunigte Expansion des Universums hin; Nobelpreis für Physik 2011 an S. Perlmutter, B.
Schmidt, A. Riess für ihr Supernova Cosmology Project.
Man nimmt heute ein flaches Universum mit beschleunigter Expansion an. Die Materieverteilung umfasst danach etwa 5% sichtbare Materie (davon weniger als 1% in Sternen), 20%
dunkle Materie, und 75% dunkle Energie. Die Charakterisierung der bisher unbekannten Beiträge zur Massendichte im Universum ist eine große Herausforderung für die moderne Physik,
u.a. für die ART und Kosmologie sowie die Teilchen- und Hochenergiephysik.
Für das weitere Vorgehen wollen wir die uns interessierenden astrophysikalischen Objekte
nach ihrer Größe einteilen:
1. Planeten, z.B. solare und extrasolare: MP ≤ 13MJ .
2. Braune Zwerge: 13MJ ≤ MBD ≤ 75MJ . In diesen Objekten findet nur kurze Zeit nach
ihrer Entstehung ein d-p-Brennen statt, aber kein vollständiger p-p-Zyklus wie in der
Sonne oder anderen Sternen. Danach kühlen diese Objekte langsam ab und sind im
IR-Bereich beobachtbar.
3. Sterne haben eine Masse von MS ≥ 75MJ und sind für lange Zeiten aufgrund des
p-p-Zyklus (oder des CNO-Zyklus) selbstleuchtende Objekte.
Gegenstand dieser VL sind insbesondere die großen Planeten im Sonnensystemr (Jupiter,
Saturn, Uranus, Neptun) sowie die seit 1995 entdeckten extrasolaren Planeten, deren Zahl
infolge verbesserter Nachweismethoden rasant wächst: Mitte 2012 sind etwa 800 extrasolare
Planeten bekannt.
79
80
KAPITEL 6. PLASMA- UND ASTROPHYSIK
Das heute verwendete Standardstrukturmodell ist ein Dreischichtenmodell, siehe Abb. 6.1.
Man nimmt im Zentrum des Planeten einen (festen?) Gesteinskern an, der von zwei fluiden
Schichten aus leichterem Material umschlossen ist. Im Inneren herrschen Zustände der warmen dichten Materie vor (je nach Größe einige 103 K und Drücke bis zu einigen 10 Mbar). Wir
wollen den Aufbau großer Planeten besser verstehen und müssen dafür präzise EOS-Daten
für die planetaren Materialien im WDM-Bereich ableiten, z.B. aus Stoßwellenexperimenten
oder mit DFT-MD-Simulationen.
6.2
6.2.1
Masse-Radius-Relationen
Gravitationsfeld in sphärischer Geometrie
Eine zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist, welche Profile von Masse, Dichte, Temperatur und Druck sich für eine Ansammlung von Materie (z.B. Molekülwolke, Planet, Stern)
unter dem Einfluss des Gravitationsfelds ergeben. Diese Masse-Radius-Relation wird entscheidend durch die EOS dieser Materie bestimmt und welche Bereiche der Dichte-TemperaturEbene (d.h. Γ, Θ) relevant sind.
Voraussetzung für die Ableitung der Masse-Radius-Relation sind die Profile von m(r), P (r),
T (r), und ρ(r), die sich mit Hilfe von
dm
= 4πr 2 ρ(r) (Massenschale),
dr
dφ(r)
Gm(r)ρ(r)
dp
= −
ρ(r) = −
(hydrostatische Bewegungslgl.),
dr
dr
r2
∆φ(r) = 4πGρ(r) (Newtonsches Gravitationsgesetz)
(6.1)
(6.2)
(6.3)
ableiten lassen. Man benötigt zum Abschluss dieser Gleichungen einen Zusammenhang zwischen p − ρ − T , d.h. eine Zustandsgleichung, die für einen großen Bereich von ρ und T
gültig ist (wide-range EOS). Wir nehmen an, dass diese aus theoretischen Überlegungen
zur Verfügung steht, etwa aus DFT-MD-Simulationen und (Stoßwellen-) Experimenten. Zur
Vereinfachung werden zunächst Modellzustandsgleichungen untersucht, die eine analytische
Lösung des Problems ermöglichen.
6.2.2
Lane-Emden-Gleichung
Im Rahmen des Polytropenmodells nehmen wir eine EOS der Form
p = kργ , γ = 1 +
1
n
(6.4)
an. Dabei ist γ = cp /cv der Polytropenexponent (Adiabatenexponent) und n der Polytropenindex. Es zeigt sich, dass das Innere von großen Planeten infolge der Konvektionsprozesse in
den beiden fluiden Schichten über dem Kern in guter Näherung isentrop (d.h. adiabatisch) ist.
Wir lösen deshalb die hydrostatische Gleichung mit Hilfe der polytropen Zustandsgleichung
(6.4)
dφ
dr
= −
1 dp
1 dp dρ
dρ
=−
= −kγργ−2
ρ dr
ρ dρ dr
dr
(6.5)
81
6.2. MASSE-RADIUS-RELATIONEN
und erhalten
Zr
dφ
dr = −kγ
dr
Zr
φ(r) − φ(0) = −kγ
0
dρ
dr
dr
r
γ−1
[ρ(r)]
[ρ(r)]γ−2
0
1
γ−1
0
γ
γ
[ρ(r)]γ−1 + k
[ρ(0)]γ−1 .
= −k
γ−1
γ−1
Das Gravitationspotenzial ist durch die Massendichte gegeben (beachte
1/n
φ(r) = −k(n + 1)[ρ(r)]
1/n
, φ(0) = −k(n + 1)[ρ(0)]
γ
γ−1
= n + 1):
φ(r)
, ρ(r) = −
k(n + 1)
n
.
(6.6)
Dabei ist φ(0) = φc das Gravitationspotenzial im Zentrum des Objekts (z.B. Planet). Dieses
Ergebnis kann man in die Poisson-Gleichung für das Gravitationspotenzial einsetzen und
d2
2 d
erhält mit dem Laplace-Operator in Kugelkoordinaten ∆ = dr
2 + r dr :
n
d2 φ 2 dφ
φ(r)
.
+
= 4πG −
dr 2
r dr
k(n + 1)
(6.7)
Diese Gleichung kann auf dimensionslose Variablen substituiert werden. Wählt man z = Ar
4πG
n−1 und w = φ(r)/φ(0), folgt die Lane-Emden-Gleichung (J.H. Lane
mit A2 = [k(n+1)]
n [φ(0)]
1879, R. Emden 1907):
1 d
d2 w 2 dw
+
+ wn = 0 bzw. 2
2
dz
z dz
z dz
z
2 dw
dz
= −wn .
(6.8)
Diese Gleichung beschreibt die Stabilität “selbstgravitierender Gaskugeln” (Emden 1907) und
besitzt nur für spezielle n analytische Lösungen:
n = 0 : w(z) = 1 −
z2
sin(z)
1
, n = 1 : w(z) =
, n = 5 : w(z) = q
6
z
1+
1
z2
.
(6.9)
Der Polytropenindex n enthält die Materialeigenschaften und bestimmt den Verlauf von Dichte, Temperatur und Druck in Abhängigkeit von der Radiuskoordinate. Für das klassische
ideale Gas und das nichtrelativistische ideale Quantengas gilt z.B. n = 3/2, für das relativistische Quantengas n = 3 (ÜA).
Wir finden für die Sonne z.B. den Wert n = 3, während für Jupiter der Wert n = 1 relevant
ist. Man beachte, dass für reale Objekte Strahlungs- und Korrelationseffekte einen Einfluss
auf das Verhalten haben, die im einfachen Polytropenmodell der Lane-Emden-Gleichung (6.8)
nicht enthalten sind.
6.2.3
Masse-Radius-Relation für Polytropen
Mit der Lane-Emden-Gleichung (6.8) können wir nun eine Masse-Radius-Relation ableiten,
die in der Astrophysik eine wichtige Rolle spielt. Daraus sind Informationen über die Massenverteilung im Objekt (z.B. Planet, Brauner Zwerg, Stern) und die mittlere Dichte und damit
82
KAPITEL 6. PLASMA- UND ASTROPHYSIK
die Zusammensetzung möglich. Es gilt:
dm
dr
2
= 4πr ρ(r) , m(r) =
Zr
4πr 2 ρ(r)dr
(6.10)
0
Z
Z z(R)
1
r ρ(r)dr = 4πρ(0) 3
dz z 2 [w(z)]n
M (R) = 4π
A
0
0
Z z(R)
dw
1 d
1
dz z 2 − 2
z2
= 4πρ(0) 3
A 0
z dz
dz
4πρ(0)
dw
M (R) =
−z 2
.
3
A
dz z=z(R)
R
2
(6.11)
(6.12)
Setzt man für die Größen A und ρ(0) die vorher abgeleiteten Ergebnisse ein, erhält man:
M (R) = 4πR
3−n
1−n
k(n + 1)
4πG
n
n−1
n+1
[z(R)] n−1 |
dw
|
.
dz z=z(R)
(6.13)
Damit gilt der allgemeine Zusammenhang
3−n
M (R) ∼ R 1−n
1−n
bzw. R(M ) ∼ M 3−n .
(6.14)
Tabelle 6.1: In der Tabelle sind einige einfache Beispiele für mögliche Lösungen der LaneEmden-Gleichung angegeben. Beachte, dass die vorausgesetzte polytrope Zustandsgleichung
nicht über den gesamten Radius den gleichen Polytropenindex hat (Korrelationseffekte, Strahlung etc.).
γ
n
EOS/Stoff
R(M)
Objekttyp
5/3
3/2
isentropes Atomgas (H)
R ∼ M −1/3
bestrahlte Exos
7/5
5/2
isentropes Molekülgas (H2)
5/3
3/2
entartetes id. Fermigas
4/3
3
rel. id. Fermigas
2
1
stark korr. Plasma (WDM)
R∼
R∼
M −3
kühle Gasplaneten
M −1/3
WDs & BDs
M ≈ konst.
R ≈ konst. (Plateau)
n-Sterne
Jupiter
⇒ Anwendung auf Jupiter, Saturn (H-He) und Uranus, Neptun (Eis: H2O, NH3, CH4)
⇒ Anwendung auf extrasolare Planeten (siehe z.B. www.exoplanets.eu)
Das Ergebnis einer Beispielrechnung für Jupiter ist in Abb. 6.1 gegeben [9, 74]. Dieses theoretische Modell für den inneren Aufbaus von Jupiter reproduziert alle Beobachtungsdaten
(RJ , MJ , Trot , YHe ) und die niedrigsten (bekannten) Gravitationsmomente J2 , J4 , J6 . Es wurde erstmalig unter Verwendung von DFT-MD-EOS-Daten aus Kapitel 4 konstruiert.
6.3
Planetenmodelle
Eine ausführliche Darstellung zur Modellierung des inneren Aufbaus von großen Planeten ist
z.B. in [2, 75, 76] gegeben, siehe auch [9, 74]. In Abb. 6.1 wird als Beispiel für den größten
solaren Planeten ein Schnitt durch Jupiter angegeben.
6.3. PLANETENMODELLE
83
Abbildung 6.1: Schnitt durch Jupiter berechnet mit präzisen QMD-EOS-Daten für den WDMBereich (links) verglichen mit Vorhersagen eines chemischen Bildes (rechts) [9].
84
6.4
KAPITEL 6. PLASMA- UND ASTROPHYSIK
Planetenatmosphären
In diesem Kapitel leiten wir eine Formel für das Temperatur-Druck-Profil in der Atmosphäre großer, bestrahlter Planeten, wie sie im Paper von [77] erstmals päsentiert worden
ist, vollständig her. Solch ein T -P -Profil ist ein unabdingbarer Bestandteil bei der Modellierung von Exoplaneten. Gegenüber heute verhandenen Computercodes bietet eine analytische Beschreibung die enormen Vorteile der geschwinden numerischen Berechnung sowie des
leichteren Verständnisses des Verhaltens des Atmosphäre gegenüber Unsicherheiten in den
Eigangsparametern.
6.4.1
Das Photonengas
Für die Energiedichte u des Photonengases sind uns zwei Ausdrücke bekannt. Aus der Thermodynamik kennen wir
U
= aT 4 ,
(6.15)
u=
V
wobei
a = 4σ/c
(6.16)
die Strahlungskonstante ist, σ die Stefan-Boltzmann-Konstante und c die Lichtgeschwindigkeit. In der Quantenstatistik erhalten wir durch Aufsummation der möglichen Energieniveaus
(εk = ~ck) und Gewichtung mit ihrer Besetzungszahl (n̄k ) für Bosonen den Ausdruck
Z
2
~ck
u=
.
(6.17)
d3 k
(2π)3
exp(β~ck) − 1
Wir definieren die spektrale Energiedichte ε(ω) bzw. ε(ν) über
Z ∞
Z ∞
dν ε(ν) ,
dω ε(ω) = 2π
u =:
(6.18)
0
0
welche sich mittels ω = c|~k| und weiter mit ω = 2πν und β = (kB T )−1 aus (6.17) ergibt zu
ε(ω) =
bzw. ε(ν) =
ω3
~
π 2 c3 exp(β~ω) − 1
8hπν 3
1
3
2πc exp(hν/kB T ) − 1
(6.19)
.
(6.20)
Somit finden wir für die Energiedichte pro Frequenzintervall, uν := du/dν,
uν
=
2πε(ν)
8hπν 3
1
=
3
c
exp(hν/kB T ) − 1
4π
Bν (ν, T ) .
=:
c
(6.21)
(6.22)
(6.23)
Die Planckfunktion Bν (T ) hat die Dimension [Intensität/Frequenzintervall], wobei [Intensität] = [Energie/Fläche/Zeit] ist.
6.4.2
Opazität (Absorptionsvermögen)
Ziel dieses Abschnittes ist, einen praktikablen Ausdruck für die Opazität eines Körpers gegebener Temperatur herzuleiten. Dazu vergleichen wir den Transport von Photonen im Planenten mit dem Transport von Teilchen durch Diffusion. Dies ist eine gute Näherung für
85
6.4. PLANETENATMOSPHÄREN
das Innere von Planeten und Sternen. Eine der wenigen anschaulichen Größen im Zusammenhang mit Strahlungstransport ist die freie Weglänge lph eines Photons. Je dichter das
Medium (Massendichte ρ), und je größer sein Absorptionsvermögen (κ, auch Opazität genannt), desto kürzer die freie Weglänge. Wir setzen also
l=
1
,
ρκ
(6.24)
so dass sich als Einheit der Opazität [κ]=cm2 /g ergibt. Typische Werte für die Sonne sind
ρ⊙ = 1 g/cm3 , κ = 1 cm2 /g, und somit lph = 1 cm. Die Sonne ist also undurchsichtig
(opaque). Dies rechtfertig, Strahlungstransport im Innern der Sonne als Diffusionsprozess
zu behandeln. Gleiches gilt für das Innere von Jupiter, nicht aber für dessen und anderer
Planeten Atmosphären, denn dort ist die Dichte um mehrere Größenordnungen kleiner.
Die Diffusionsgleichung für Teilchen lautet
~j = −D ∇n ,
(6.25)
wobei n die Teilchendichte (#T./Vol.) ist, D der Diffusionskoeffizient (cm2 /s), und ~j die
Teilchenstromdichte (#T./Fläche/Zeit). Ein Blick in ein Grundstudiumsphysikbuch offenbart
die Näherung
D = (1/3)vl ,
(6.26)
mit der mittleren Teilchngeschwindigkeit v, mit der wir im folgenden arbeiten. Wir stellen
eine Analogie zwischen dem diffusiven Transport von Teilchen (T.) und dem Energietransport
durch diffundierende Photonen auf, die die Form einer Wärmeleitungsgleichung haben wird.
Die jeweils rechten Seiten der auf der Hand liegenden Übertragungen: {v → c, l → lph ,
D → Dph , ~j → F~ (Energie/Fläche/Zeit), n → u (mit u nach (6.15) und ∇T = dT /dr)}
werden in (6.25) eingesetzt, so dass sich aus
F~
= −(1/3)c lph ∇(aT 4 )
4 T 3 dT
= − ca
3 κρ dr
(6.27)
(6.28)
gemäß einer formalen Wärmeleitungsgleichung, F~ = −k ∇T , der Wärmeleitungskoeffizient
krad für Energietransport durch diffundierende Photonen ablesen läßt zu
krad =
4
T3
ca
3
κρ
.
(6.29)
Das Rosseland-Mittel der Opazität. Wir gehen nun von den über alle Frequenzen aufsummierten Größen F~ , u, κ über zu den frequenzabhängigen Größen F~ν , uν , κν , welche sich
jeweils auf ein Frequenzintervall (ν, ν + dν) beziehen. Wegen (6.23) ist
∇uν =
und somit
4π dBν
∇T
c dT
(6.30)
1 4π dBν
1
∇T
F~ν = − c
3 κν ρ c dT
und
F =
Z
∞
0
4π
dν Fν = −
3ρ
Z
∞
0
1 dBν
dν
κν dT
dT
dT
=! − krad
.
dr
dr
(6.31)
(6.32)
Der Ausdruck in eckigen Klammern muss nun formal wieder krad sein, u. z. dasselbe wie in
(6.29). Dies ermöglicht uns, einen über alle Frequenzen gemittelten Absorptionskoeffizienten
86
KAPITEL 6. PLASMA- UND ASTROPHYSIK
zu definieren, die Rosseland-Opazität κR , der sich durch Auflösen von (6.29) nach κ und
Gleichsetzen von krad aus (6.29) und (6.32) ergibt zu
Z ∞
π
1 dBν (T )
−1
κR =
dν
.
(6.33)
caT3 0
κν dT
Die κν s liegen in Opazitätsdatenbanken wie OPAL (LLNL) tabelliert vor. Dazu wurden Millionen von Spektrallinien von Tausenden von Molekülen ausgewertet, sowie andere Ursachen
von Absorption berücksichtigt.
Quellen der Opazität in Planeten.
zität in Planeten an.
Folgende Liste gibt die wichtigsten Beiträge zur Opa-
- im ionisierten Innern von Planeten und Sternen: Streuung an freien Elektronen (ThomsonStreuung)
- in der Atmosphäre: Rotationsübergange von Molekülen. Die Energiedifferenzen ∆Ej =
(~/2Θ)(j + 1), j = ±1 entsprechen der Energie von Photonen (~ω) im Infrarotbereich
(IR) des Spektrums (Wellenlängen um ∼ 1µm).
- in der Atmosphäre: Vibrationsübergänge von Molekülen. Auch dabei entsprechen die
Differenzen zwischen den Energieniveaus, En = ~ω(n + 1/2), einer Lage im Infrarotbereich.
- Solange die H2 -Moleküle nicht dissoziert sind, trägt die kollisionsinduzierte Absorption
erheblich zur Gesamtopazität bei. Dabei wird durch Kollision, z.B. mit He-Atomen oder
anderen H2 -Molekülen, temporär eine dipolartige Ladungsverteilung erzeugt, so dass es
zu elektronischen Dipolübergängen kommen kann.
6.4.3
Momente des Strahlungsfeldes
Zwecks physikalischen Verständnisses der Momente der Strahlungsfeldes (J, H, K) arbeiten
wir uns zunächst durch eine Reihe von Definitionen und Zusammenhängen zwischen den
definierten Größen durch. Als weiterführende Literatur sei das Buch [78] empfohlen.
Definitionen
• Iν (~x, t, ~n) sei die spezifische Intensität mit cgs-Einheit (erg cm−2 s−1 Hz−1 sr−1 ), so dass
• dEν (~x, t, ~n) = Iν ds cos α dt dΩ die Energie ist, die im Frequenzbereich (ν, ν + dν) im
Zeitintervall dt zur Zeit t durch eine Fläche ds am Ort ~x in den Raumwinkel dΩ mit
der Richtung ~n transportiert wird. Dabei ist α der Winkel zwischen d~s und ~n und ~n
der Einheitsvektor
~n = (nx , ny , nz ) mit nx = sin θ cos ϕ ,
ny = sin θ sin ϕ ,
nz = cos θ
in dem lokalen Koordinatensystem Σ~x = (r~x , θ~x , ϕ~x ) am Ort ~x. Den Index ~x lassen wir
im folgenden weg.
• ψν (~x, t, ~n) sei eine Photonendichte, so dass ψν dΩ dν die Anzahl an Photonen pro Einheitsvolumen ist, die zur Zeit t mit Frequenzen ν im Intervall (ν, ν + dν) mit Lichtgeschwindigkeit in den Raumwinkel dΩ in Richtung ~n fliegen. Treten die Photonen dabei
durch das Flächenelement d~s mit Winkel α zur Flugrichtung, so spannen sie ein Volumenelement (ds cos α c dt) auf. Jedes Photon transportiert eine Energie hν in den
Raumwinkel.
87
6.4. PLANETENATMOSPHÄREN
dEν ← ψν :
Iν ← ψν :
Logischerweise ist dEν = hν ψν dΩ dν ds cos α c dt und somit
Iν = h ν c ψ .
• Jν sei die mittlere Intensität bei Mittelung über den Raumwinkel, also
Z
1
Jν ← Iν :
Jν (~x, t) =
dΩ Iν (~x, t, ~n)
4π
(6.34)
• Eν sei die über alle Raumwinkel verteilte spektrale Energiedichte mit der cgs-Einheit
(erg cm−3 Hz−1 ), also
Z
4π
Eν ← Jν :
Eν (~x, t) = hν dΩ ψν (~x, t, ~n) =
Jν .
(6.35)
c
Jν kann daher auch als Energiedichte betrachtet werden.
Nach Intensitäten und Energiedichten fehlen uns noch die Flüsse.
~ die Strahlungsenergie ist, die pro
~ν sei der monochromatische Fluss, so dass F
~ν · ds
• F
Zeitintervall dt im Frequenzintervall (ν, ν + dν) durch ds fließt, egal in welche Richtung.
Somit stellt F~ν den Netto-Fluss duch ds dar. Die Richtung des Flusses ergibt sich aus
Summation der Richtungen, in die die Photonen durch ds fliegen. Nennen wir diese
~ = Fν ds cos α.
Richtung ~n, so ist F~ν = Fν ~n, und F~ν · ds
~ν ← Iν : bei Definition ist also
F
Z
Z
Z ∞
dE
~ ,
~
~
= dΩ Iν ds cos α = dΩ Iν (~n · ds)
dΩ
Fν · ds =
dt dν
0
und daher
F~ν =
Z
dΩ Iν ~n .
(6.36)
Beispiel plan-parallele Atmosphäre
In einer plan-parallelen Atmosphäre hängen alle Größen nur noch von der Zeit t und der
Höhe z ab. Flächen konstanten z-Wertes bilden eine Ebene. Wegen der Homogenität in xund y-Richtung sind nur noch die z-Komponenten von ~x (z; Invarianz gegenüber Verschiebung des Ortes in der x-y-Ebene) und von ~n (cosθ; Invarianz gegenüber Drehung um (nach
außen gerichtete) Flächennormalvektoren d~s) relevant. Die Abhängigkeit der Größen von
(~x, ~n) ersetzen wir daher durch eine Abhängigkeit von (z, cos θ) und definieren
µ := cos θ = d~s · ~n .
Integrale über den Raumwinkel dΩ vereinfachen sich damit zu
Z 1
Z π
Z
Z 2π
dµ .
sin θdθ −→ 2π
dϕ
dΩ =
0
0
−1
Es charakterisiert µ > 0 Abstrahlung und µ < 0 Einstrahlung, und µ = 0 Sonnenauf-oder
untergang. Ein Planet auf sehr dichtem Orbit zum Stern, z.B. Merkur oder das Mond–Erde
System, zeigt dem Stern stets dieselbe Seite zu, weil infolge von Gezeitenwechselwirkung
Eigendrehung und Orbitdrehung mit der Zeit dieselbe Umlaufdauer annehmen. Dann gibt
es an einem festen Ort ~x keinen Sonnen-auf-oder Untergang mehr, sondern die Einstrahlung
kann durch einen festen Winkel µ∗ beschrieben werden. Diese Bedingung trifft auf die meisten
beobachteten Exoplaneten zu.
88
KAPITEL 6. PLASMA- UND ASTROPHYSIK
’0. und 1. Moment’
allg.
p-p.A.
R
“0.“
Jν = dΩ Iν (~x, t, ~n)
R
F~ν = dΩ Iν (~x, t, ~n) ~n
“1.“
1
4π Fν
Jν
=
=: Hν
=
1
2
1
2
R1
R−1
1
dµ Iν (z, t, µ)
(6.37)
−1 dµ Iν (z, t, µ)µ
Für einwärts laufende Strahlung (µ < 0) sind Fν und Hν negativ.
’2. Moment’
In systematischer Fortsetzung obiger Reihe der Momente können wir das 2. Moment im Falle
der p-p.A. sofort aufschreiben zu
1
Kν =
2
Z
1
dµ Iν (z, t, µ)µ2
(6.38)
−1
Doch was bedeutet dieser Ausdruck physikalisch? Dazu müssen wir erst die allgemeine Form
des 2. Momentes verstehen. Die systematische Fortsetzung von (~n)0 (Skalar), (~n)1 (Vektor),
ist (~n)2 (Matrix) mit dem dyadischen Produkt als Verknüpfung, also (~n)2 = ~n ⊗ ~n. Ohne Beweis an dieser Stelle, dass sich die allgemeine Form des 2. Momentes wie ein Tensor
transformiert, nennen wir es einen Tensor 2. Stufe. Höhere Momente können entsprechend
als Tensoren höherer Stufe geschriebenR werden. Für unsere Zwecke genügen 0. bis 2. Stufe.
Durch Multiplikation mit (1/c) erhält dΩ Iν ~n ⊗ ~n die Dimension [Energie/Volumen], was
einem Druck entspricht. Wir nennen daher
Z
1 ∞
dΩ Iν ~n ⊗ ~n
(6.39)
P̂ij =
c 0
den Strahlungsdrucktensor.
Komponenten Pij des Strahlungsdrucktensors in der p-p.A.-Näherung
Da die physikalische Bedeutung von Kν noch offen ist und das Folgende recht lehrreich ist,
wollen wir nun die Komponenten Pij des Strahlungsdrucktensors mit Hilfe der allgemeinen
Form für das Beispiel der plan-parallelen Atmosphäre berechnen. Die allgemeine Form
Z
1
Pij =
dΩ Iν (~x, t, ~n) ni nj ,
(6.40)
c
aus der man sofort Pij = Pji sieht, geht über in
1
c
Pij =
Z
0
2π
dϕ
Z
1
d cos θ Iν (cos θ) ni nj
(p-p.A.) .
(6.41)
−1
Der Übersichtlichkeit halber führen wir uns die Produkte nx nx = sin2 θ cos2 ϕ, ny ny =
sin2 θ sin2 ϕ, nx ny = sin2 θ sin ϕ cos ϕ, nx nz = sin θ cos θ cos ϕ, und ny nz = sin θ cos θ sin ϕ,
vor Augen. Zunächst betrachten wir die Integration über den Azimuthalwinkel ϕ. Wegen
Z
0
2π
dϕ cos ϕ =
Z
0
2π
dϕ sin ϕ = 0 ,
Z
2π
0
2π
1
2
dϕ cos ϕ sin ϕ =
=0
sin ϕ
2
0
verschwinden alle Nichtdiagonalkomponenten von P̂ . Die ϕ-Integration von Pzz gibt einen
Faktor 2π, während die ϕ-Integration in Pxx und Pyy jeweils einen Faktor π ergibt wegen
89
6.4. PLANETENATMOSPHÄREN
R 2π
0
R 2π
0
dϕ sin2 ϕ =
2π
1
2 [ϕ − cos ϕ sin ϕ]0 = π
2π
1
2 [ϕ + cos ϕ sin ϕ]0 = π .
dϕ cos2 ϕ =
Nun widmen wir uns der Integration über θ in Pzz . Mit (6.38) und der Abkürzung
4π
Kν =: Pν
c
finden wir
Pzz =
=
Z
Z
2π 1
4π 1 1
d cos θ Iν cos2 θ =
dµ Iν µ2
c −1
c 2 −1
4π
Kν =: Pν
c
(6.42)
Hiermit haben wir das 2. Moment Kν als zz-Komponente von P̂ identifiziert, weshalb es
in der Literatur mitunter auch als Strahlungsdruck bezeichnet wird, obwohl es dies von der
Dimension her nicht ist (sondern nur Pν ). Abschließend bleibt noch die θ-Integration in Pxx
und Pyy zu betrachten. Wegen sin2 θ = (1 − cos2 θ) ist
Z 1
Z 1
Z 1
dµ Iν (µ) µ2
dµ Iν (µ) −
d cos θ Iν (cos θ) 1 − cos2 θ =
−1
−1
= 2Jν − 2Kν ,
−1
(6.43)
und damit
2π
1
(Jν − Kν ) = (Eν − Pν )
c
2
Anhand obiger Überlegungen hat der Strahlungsdrucktensor in der p-p.A. Näherung die
Komponenten




1
(E
−
P
)
0
0
3P
−
E
0
0
ν
ν
ν
ν


 2
1
1




=
P
1̂
−
P̂ = 
(E
−
P
)
0
0
0
3P
−
E
0
ν
ν
ν
ν
ν


2
2
0
0
Pν
0
0
0
Pxx = Pyy =
In einer plan-parallen Atmosphäre ist der Druck demnach nicht unbedingt isotrop (d.h. richtungsunabhängig). Dies wäre er nur, wenn der zweite Term verschwände, also 3Eν − Pν = 0
wäre. In einer isotropen Atm ist der Strahlungsdruck allein durch Pν bestimmt.
Lehrreich ist auch eine Betrachtung der Spur von P̂ :
1
3
Spur P̂ = 3Pν − 2 Pν + 2 Eν = Eν .
2
2
Definieren wir (1/3)Spur P̂ als über die Richtungen gemittelten Druck P̄ν in einer p-p.A., so
sehen wir
1
P̄ν = Eν ,
3
Ein Relation P = u/3 zwischen Druck und Energiedichte des Photonengases ist Ihnen möglicherweise auch aus der Statistik bekannt.
Eddington-Näherung
In Spezialfällen nehmen die Verhältnisse der Momente des Strahlungsfeldes einfache Ausdrücke an. Die Verhätnisse
Kν
Hν
, fK :=
fH :=
Jν
Jν
werden Eddington-Koeffizienten genannt. Wir leiten die Eddington-Koeffzienten für ein paar
wichtige Spezialfälle her.
90
KAPITEL 6. PLASMA- UND ASTROPHYSIK
Isotrope p-p.A. Genaugenommen heißt isotrop, dass alle Größen unabhängig von µ sind,
also I(µ) ≡ b mit konstantem b. In der Literatur wird jedoch darunter mitunter auch der
Fall Iν (µ) = a µ + b verstanden, a, b konstant, bei dem sich die Intensität linear mit der Höhe
ändern darf. Daher betrachten wir letzteren, allgemeineren Fall. Wir berechnen
Z 1
dµ Iν (µ) = [1/2 aµ2 + b µ]1−1 = 2b
Z
Z
−1
1
−1
1
−1
dµ Iν (µ)µ = [1/3 aµ3 + 1/2 bµ2 ]1−1 = 2/3 a
dµ Iν (µ)µ2 = [1/4 aµ4 + 1/3 bµ3 ]1−1 = 2/3 b
und sehen fK = 1/3, und fH = 0 wenn a = 0 (richtig isotrop). Dieser Spezialfall ist eine gute
Näherung für die undurchsichtige tiefe Atmosphäre, wenn der betrachtete Frequenzbereich
(ν, ν + dν) im IR liegt, weshalb wir definieren
fK, IR :=
KIR
= 1/3 .
JIR
(6.44)
Isotrope, aus der p-p.A. herausgehende Strahlung Für die aus der Atmosphäre heraustretende Strahlung gilt µ > 0. Wir setzen Iν (µ) = b und berechnen
Z 1
Z 1
Z 1
dµ Iν = b ,
dµ Iν µ = 1/2 b ,
dµ Iν µ2 = 1/3 b
(6.45)
0
0
0
und sehen fH = 1/2. Dieser Spezialfall ist eine gute Näherung für die vom Planeten herausausgehende Strahlung, wenn der betrachtete Frequenzbereich im IR liegt:
fH, IR :=
HIR
= 1/2 .
JIR
(6.46)
Einstrahlung aus einer bestimmten Richtung µ∗ Für die in die Atmosphäre eintretende Strahlung gilt dann µ = µ∗ , und somit
Z 1
dµ Iν (µ) δ(µ − µ∗ ) , Hν = µ∗ Jν , Kν = µ2∗ Jν
(6.47)
2Jν =
−1
Dieser Spezialfall ist eine gute Näherung für die auf eine p-p.A. eintreffende Strahlung vom
Stern. Da der Frequenzbereich in diesem Falle im Visuellen (VIS) liegt, definieren wir
fK, VIS :=
6.4.4
KVIS
= µ2∗ .
JVIS
(6.48)
Die bestrahlte Planetenatmosphäre
[Abbildung]
Ein Stern habe die Photosphärentemperatur T∗ , den Radius R∗ und nach dem StefanBoltzmann-Gesetz daher die Leuchtkraft
L∗ = 4π R∗2 σ T∗4
.
(6.49)
Typische T∗ -Werte von sonnenähnlichen Sternen liegen bei 5000–6000 K, was einem Hauptspektralanteil des Sternenlichtes im Sichtbaren entspricht. Am Ort eines Planeten mit Abstand ap zum Stern trifft der Energiefluss
F∗ (ap ) =
L∗
4π a2p
(6.50)
6.4. PLANETENATMOSPHÄREN
91
ein. Eine Energie dieser Stärke trifft jedoch nicht auf jeden cm2 der Oberfläche des Planeten,
sondern nur an auf Punkt, wo die Planetenoberfläche1 senkrecht zur Richtung des einfallenden Lichtes ausgerichtet ist, dem substellaren Punkt. Deswegen führt man separat den
Bestrahlungsfluss Firr ein (s.u.), der der Geometrie des Planeten (rund) und der Ausrichtung
der Fläche zur Einfallsrichtung des Sternenlichtes (µ∗ ), Rechnung trägt. Sei d~s der nach außen
gerichtete Normalenvektor der Einfallsfläche an einem Ort ~x der Oberfläche und sei ~e∗ die
Richtung, aus der das (parallele) Sternenlicht auf die Fläche trifft, so nennen wir den Winkel
dazwischen θ∗ und definieren
µ∗ := cos θ∗ = −~e∗ · d~s .
Auf der Tagseite ist µ∗ > 0 und auf der Nachtseite µ∗ < 0. Der Planet selbst strahlt von
der Fläche ds am Ort ~x Photonen in alle Richtungen ab. Den Winkel zwischen einer herausgepickten Abstrahlrichtung ~n und dem nach außen gerichteten Flächennormalenvektor d~s
nennen wir θ, mit
µ := cos θ = d~s · ~n
wie in 6.4.3. In 6.4.3 und 6.4.3 wurde in Form von Fν oder Hν der Nettofluss durch ds
eingeführt. Wenn dieser nach außen gerichtet ist, ist µ > 0, andernfalls ist µ < 0. Ersteres trifft auf den Energiefluss im IR-Bereich zu, letzteres auf den Energiefluss im VISSpektralbereich. Dies ist einfach eine Konsequenz dessen, dass die Strahlung im VIS-Bereich
vom Stern herrührt, der ja aufgrund seiner T∗ hauptsächlich im Visuellen leuchtet (Rote
Zwerge, Weisse Zwerge, und Neutronensterne seien hier einmal diskriminiert), während die
Photosphären von Planeten erheblich kühler sind (Tp ∼ 50–2000 K) und die Abstrahlung
eines schwarzen Körpers dieser Temperaturen im Visuellen daher vernachlässigbar klein ist.
Umgekehrt kann im IR-Bereich die Strahlung vom Planeten diejenige des Sternes übertreffen.
Die IR-Strahlung des Planeten setzt sich aus zwei Anteilen zusammen, darunter einem Anteil,
der vom tiefen Innern des Planeten herrührt, ganz unabhängig von der Anwesenheit eines
Muttersternes. Dieser Anteil wird durch einen intrinsischen Fluss Fint beschrieben und kann
z.B. eine Folge von Energieproduktion durch radioaktiven Zerfall sein (in der heutigen Erde
liefert der Zerfall von K40 nach Ar40 und Ca40 einen großen Anteil der Erdwärme) oder von
Abkühlung des warmen Planeteninnern. Der andere Anteil der IR-Abstrahlung ist eine Folge
der Bestrahlung: eintreffende Strahlungsenergie wird in der Atmosphäre absorbiert und von
der Photosphäre des Planeten wieder abgegeben bei den dortigen Temperaturen.
[Abbildung]
Ein Photon, dass sich in einer p-p.A. in Richtung ~n bewegt und dabei eine Strecke dl zurücklegt, überwindet eine Höhendifferenz dz = dl cos θ. Die Koordinate z in der p-p.A. ersetzt die
Radialkoordinate r des Planeteninnern (s. Kapitel [Referenz]). Wir wählen z so, dass z = 0
am oberen Rand der Atmosphäre und dz > 0 bei Blickrichtung von außen nach innen gilt.
Der Definition des oberen Randes einer sich kontinuierlich in den Weltraum erstreckenden
Atmosphäre liegt dabei eine gewisse Freiheit zu Grunde. Zu beachten bei der Plazierung des
oberen Randes gilt hauptsächlich, dass er hinreichend weit draussen ist, so dass die Massedichte ρ dort um Größenordnungen kleiner als in dem Bereich der Atmosphäre von Interesse
ist, aber auch nicht zu weit draußen so dass die Wechselwirkung des ionisierten, dünnen Gases mit dem planetaren Magnetfeld verbachlässigbar bleibt. Bei großen Exoplaneten ist z.B.
1
Als Oberfläche eines fluiden Planeten kann eine beliebige Fläche definiert werden. Sinnvollerweise wählt
man solche Flächen, bei denen die Tiefe der Atmosphäre z oder der Abstand zum Massenmittelpunkt r konstant sind. Alternativ kann man auch Flächen konstanten Druckes, z.B. den P = 1-bar Level, oder konstanter
optische Tiefe, z.B. den τ = 1-Level, nehmen. Bei einem isolierten, nicht-rotierenden Planeten im hydrostatischen GG macht es keinen Unterschied, ob z, r, P oder τ vorgegeben ist. Bei realen Planeten sind solcherlei
Iso-Flächen i.a. jedoch nicht identisch, z.B. aufgrund von Rotationsdeformation bei schnell rotierenden Planeten oder aufgrund von Bergen bei solchen mit fester Oberfläche.
92
KAPITEL 6. PLASMA- UND ASTROPHYSIK
der nano-Bar level ein vernünftiger oberer Rand, bei der Erde eine Höhe von etwa 1000 km.
Diese Ränder liegen in der Exosphäre der Planeten.
Die bisherige Massenkoordinate m ersetzten wir durch m̃, so dass
dm̃ = −dm/4π r 2 = ρ(z)dz
gilt. Die hier eingeführten Größen Firr , Fint und m̃ werden im Zusammenhang mit Tirr , Tint
und der optischen Tiefe τ weiter erläutert.
Tirr und Tint 2
Da der Energiefluss Fint aus dem Innern außer bei der Erde nicht gemessen werden kann,
bildet die intrinsische Temperatur
4
σ Tint
:= Fint
einen freien Parameter in unserem Modell. Mit (6.49) und (6.50) wird die Bestrahlungstemperatur Tirr dagegen allein als Funktion beobachtbarer Parameter definiert über
2
4
4 R∗
σ Tirr := F∗ (ap ) = σ T∗
.
(6.51)
ap
Wie oben bereits erwähnt ist die in die Planetenoberfläche gelangende, eintreffende Strahlung
jedoch zusätzlich eine Funktion des Einfallswinkels und damit des Ortes,
4
Firr (~x) = −f (µ∗ (~x)) σ Tirr
.
Das Minuszeichen wurde hier verwendet aus Konsistenzgründen mit der Definition von Fν
und Hν aus (6.37), die für einflaufende Strahlung negativ sind. Beispiele:
4 .
• In einer p-p.A. ist f (µ∗ ) = |~e∗ · ~ez | = µ∗ , und daher Firr = −µ∗ σ Tirr
• Am substellaren Punkt ~xss einer sphärischen Atm ist f (µ(~x)) = µ∗ (~xss ) = 1.
• Bei Mittelung der einfallenden Strahlung über die Tagseite und keiner Verteilung rüber
auf die Nachtseite ist f (µ∗ < 0) = 0 und
R
R 2π
R1
~
e∗ · ds|
dϕ 0 d cos θ cos θ
1
T agseite dΩ |~
0
R
=
= ,
f (µ∗ > 0) =
R 2π
R1
2
dϕ d cos θ
T agseite dΩ
0
0
da o.B.d.A. ~e∗ = (0, 0, −1) gewählt werden kann, und somit
F̄irr (~xNacht ) = 0 ,
1
4
F̄irr (~xTag ) = − σ Tirr
2
• Bei Mittelung der einfallenden Strahlung über die Tagseite und gleichmäßiger Verteilung
rüber auf die Nachtseite ist f (µ∗ < 0) = 0 und
R
R 2π
R1
~
e∗ · ds|
dϕ 0 d cos θ cos θ
1
T agseite dΩ |~
0
= ,
f (µ∗ > 0) = R
= R 2π
R1
4
dϕ
d cos θ
T ag+N achtseite dΩ
0
und somit
2
−1
1
4
F̄irr = − σ Tirr
4
In der Literatur zu den Planeten im Sonnensystem tritt mitunter die Gleichgewichtstemperatur Teq auf
93
6.4. PLANETENATMOSPHÄREN
Optische Tiefe τ
Die optische Tiefe
τ (z) :=
Z
z
dz ′ κ(z ′ ) ρ(z ′ )
(6.52)
0
ist ein Maß für die Undurchsichtigkeit. Je tiefer man in die Atm eindringt, desto dichter und
undurchsichtiger wird sie. Das untere Ende der Atmosphäre eines fluiden Planeten definiert
man manchmal aus praktischen Gründen als die Tiefe, bei der τ = 2/3 oder τ = 1 wird.
Darunter läge dann das adiabatische Innere. Zu prüfen ob es da wirklich da beginnt, ist
eine schwierige Aufgabe der Atmosphärenmodellierung. In der Definition (6.52) wurde ein
Verlauf der z-Richtung von oben/außen nach unten/innen vorausgesetzt. Bei Umkehrung der
z-Richtung würde die Definition
Z ∞
dz ′ κ(z ′ ) ρ(z ′ )
(6.53)
τ (z) :=
z
z′
lauten. Die genaue Lage von = 0 in (6.52) oder z ′ = ∞ in (6.53) spielt keine Rolle, sofern
das obere Ende der Atmosphäre hinreichend weit oben plaziert ist, so dass ρ dort um einige
(∼ 6) Größenordnungen kleiner ist als im Bereich von Interesse (millibar-Bereich).
Angenommen, wir kennen eine mittleres κ̄ der Atmosphäre, z.B. das κR einer isothermen
Atmosphäre. Dann ist
Z
z
τ = κ̄
dz ′ ρ(z ′ ) = κ̄ m̃ .
(6.54)
0
Die resultierende einfache Beziehung τ ∼ m̃ stellt einen Grund dar, warum wir die Massenkoordinate m̃ mit der Tiefe wachsen lassen und nicht wie m mit dem Abstand vom Zentrum.
Mit Hilfe der hydrostatischen Bewegungsgleichung für eine massearme (m . Mp ), dünne
(r ≈ Rp ) Atmosphäre,
G Mp
dP
= −gρ , g =
(6.55)
dr
Rp2
läßt sich τ in Bezug zum Druck setzen,
P = g τ /κ̄ ,
(6.56)
welches sich einfach aus dPR= g ρ dz, Integration der linken Seite von P (0) = 0 bis P (z) = P ,
und ersetzen des Integrals dz ′ ρ(z ′ ) auf der rechten Seite durch τ /κ̄ ergibt.
(A)
Absorption und Emission Die Änderung der Intensität durch Absorption, dIν , ist proportional zur zurückgelegten Weglänge, zum Absorptionskoeffizienten, zur Teilchendichte –
oder, da der Absorptionskoeffizient auf die Masse pro Volumen skaliert ist– zur vorhandenen
Massedichte, und zur vorhandenen Intensität:
dIν(A) =
dm̃ (A)
dz (A)
κν ρ(z) Iν (µ, z) =
κ Iν (µ, m̃)
µ
µ ν
(6.57)
Für aus dem Planeten herausgehende Strahlung (µ > 0, dz < 0) bedeutet (6.57), dass
Absorption ein Verringerung der Intensität nach außen hin zur Folge hat.
(eq=equilibrium). Dies ist die Temperatur, die der gesamte Planet annehmen würde, wenn er im Strahlungsgleichgewicht mit seiner Umgebung stehen würde. Um diesen Zustand zu erreichen, müßte der Planet seine
Eigenwärme vollständig abgestrahlt haben. In Anbetracht dessen, dass die Erde ein Zentraltemperatur von
5000–10000 K hat nach einer Kühldauer von immerhin 4, 5 Mrd. Jahren (1/3 des Alters des Universums),
und ihre Teq nur 255 K beträgt, wird dieser Idealzustand vermutlich von keinem real existierenden Planeten erreicht. Um Teq zu ermitteln, wird die eintreffende Strahlung über die gesamte Planetenoberfläche
4π Rp2 gemittelt und der infolge der Albedo A des Planeten sofort reflektierte Anteil abgezogen. Somit ist
4
Teq
= (1/4)(1 − A)(R∗ /a)2 T∗4 .
94
KAPITEL 6. PLASMA- UND ASTROPHYSIK
(E)
Die Änderung an Strahlungsintensität durch Emission, dIν , verhält sich fast genauso wie
(A)
dIν , nur dass das Vorzeichne wechselt und statt der vorhandenen Intensität die sogenannte
Quellfunktion der Strahlung auftritt. Diese ist für einen schwarzen Strahler der Temperatur
T genau die Plancksche Strahlungsfunktion Bν (T ).
dm̃ (E)
dz (E)
κν ρ(z) Bν (T ) = −
κ Bν (T )
µ
µ ν
dIν(E) = −
(6.58)
Für aus dem Planeten herausgehende Strahlung (µ > 0, dz < 0) bedeutet (6.58), dass Emission zu einer Verstärkung der Intensität nach außen hin führt. Nach dem Kirchhoffschen Gesetz
(A)
(E)
ist κν = κν =: κν . Zusammengenommen ergibt sich eine Änderung der Strahlungsintensität
dm̃
dIν =
(κν Iν (µ, m̃) − κν Bν (T )) .
(6.59)
µ
6.4.5
Strahlungstransportgleichungen für die plan-parallele Atmosphäre
Die Strahlungstransportgleichungen geben die Änderung des frequenzabhängigen Strahlungsflusses Hν und des Druckes Kν mit der Tiefe in der Atmosphäre an. Um sie aufzustellen,
verwenden wir (6.59) und die Definitionen (6.37, 6.38):
dHν
dm̃
dHν
dm̃
dKν
dm̃
dKν
dm̃
1
2
=
Z
1
dµ µ
1
dI
=
dm̃
2
Z
1
dµ (κν Iν − κν Bν (T ))
Z 1
Z
1 1
1
dµ Iν − Bν (T )
dµ
= κν
2 −1
2 −1
−1
−1
= κν (Jν − Bν )
Z
1 1
dI
=
=
dµ µ
dµ µ (κν Iν − κν Bν (T ))
dm̃
2 −1
−1
Z 1
Z
1
1 1
= κν
dµ µ Iν − Bν (T )
dµ µ
2 −1
2 −1
1
2
Z
(6.60)
1
2
= κν Hν
(6.61)
Im Strahlungsgleichgewicht wird die in ein Massenelement eindrigende Strahlungsenergie
auch wieder weitertransportiert:
Z ∞
Z ∞
d
dν Hν =: H = konstant.
(6.62)
dν Hν = 0 ⇔
dm̃ 0
0
6.4.6
Visueller Bereich (Einstrahlung durch den Stern)
Entsprechend der verschiedenen Spekralbereiche, in denen die maximale Abstrahlung vom
Stern und vom Planeten liegt, trennen wir nun den Spektralbereich auf in einen visuellen
Bereich (VIS) und einen infrarot-Bereich (IR). Andere Frequenzen treten natürlich sowohl
im Spektrum des Sternes als auch in dem des Planeten auf, sind aber in ihrer Intensität
erheblich schwächer vertreten wegen der Form von BT (ν). Trotz der relativ geringen Intensität der Strahlung in den Randbereichen des Spektrums, z.B. im UV, können in einer realen
Atmosphäre einzelne Spektrallinien in diesen Bereichen doch einen erheblichen Einfluss auf
das T (P ) Profil haben. In unserem einfachen Modell werden Linienemissionen/-Absorptionen
95
6.4. PLANETENATMOSPHÄREN
jedoch nur in Form der über die Frequenzen gemittelten Opazität enthalten sein (graue Atmosphäre); wir betrachten nicht den Strahlungsenergiefluss (Hν , etc.) aufgrund einzelner
Frequenzen (nicht-graue Atmosphäre), obwohl dessen lokale Auswirkungen je nach (T, P )abhängigen chemischen Häufigkeiten der Moleküle erheblich sein können. Man denke z.B. an
die UV-Lichtabsorption in der Ozonschicht in der Stratosphäre der Erde und das in infolgedessen dort invertierte T (P )-Profil.
Mit unserer Aufsplittung in einen VIS-Teil und einen IR-Teil berücksichtigen wir immerhin
die Frequenzabhängigkeit der stärksten Beiträge zum Strahlungsfluss. Eine solche Näherung
nennt man eine semi-graue Atmosphäre. Wir definieren
Z
Z
dν κν Jν .
dν (Jν , Hν , Kν ) , BVIS ≡ 0 , κVIS :=
(JVIS , HVIS , KVIS ) :=
VIS
VIS
Damit lauten die Strahlungstransportgleichungen (6.60-6.61)
dHVIS
= κVIS JVIS
dm̃
(6.63)
dKVIS
= κVIS HVIS
(6.64)
dm̃
Dies sind zwei Gleichungen für drei unbekannte Funktionen. Um die Gleichungen zu lösen,
brauchen wir eine weitere Zwangsbedingung für die Funktionen. Hierzu nehmen wir den
Eddington-Koeffizienten
KVIS (m̃)
fK,VIS =
= µ2∗
(6.65)
JVIS (m̃)
wie in § 6.4.3 erläutert und erhalten in Ergänzung zu (6.63, 6.64)
κVIS
dJVIS
= 2 HVIS
dm̃
µ∗
(6.66)
Mit (6.63, 6.66) haben wir nun zwei Differentialgleichungen 1. Ordnung für zwei unbekannte
Funktionen. Durch Bildung der 2. Ableitung können wir dies umformen zu jeweils einer Dgl
2. Ordnung für nur noch eine unbekannte Funktion
d2 HVIS
dm̃2
d2 JVIS
dm̃2
=
=
κ2VIS
HVIS
µ2∗
κ2VIS
JVIS .
µ2∗
(6.67)
(6.68)
Diese Dgln stellen jeweils einen harmonischen Oszillator mit der Kreisfrequenz ωOsz = κVIS /µ∗
dar. Die Allgemeine Lösung für HVIS (m̃) lautet daher (JVIS (m̃) genauso)
(+)
(−)
HVIS (m̃) = HVIS (0) e+κVIS /µ∗ m̃ + HVIS (0) e−κVIS /µ∗ m̃ .
(6.69)
Dass eingestrahltes Licht bei endlicher Eindringtiefe (0 < m̃ < Mp ) vollständig absorbiert
(+)
sein soll, bedeutet HVIS (m̃ ≫ 0) → 0. Dies kann nur für HVIS ≡ 0 erfüllt werden (JVIS (m̃)
genauso). Somit haben wir die Lösungen
HVIS (m̃) = HVIS (0) e−κVIS /µ∗ m̃
−κVIS /µ∗ m̃
JVIS (m̃) = JVIS (0) e
(6.70)
(6.71)
hergeleitet. Nach (6.35) entspricht JVIS einer Energiedichte, die rechte seite von (6.63) ist also
stets positiv. Die Linke Seite bedeutet die Änderung des Strahlungsflusses durch Absorption.
HVIS nimmt von außen (HVIS < 0) nach innen hin zu (HVIS → 0).
96
KAPITEL 6. PLASMA- UND ASTROPHYSIK
6.4.7
Infrarot-Bereich (Abstrahlung vom Planeten)
Wir definieren
(JIR , HIR , KIR ) :=
Z
dν(Jν , Hν , Kν )
,
BIR := B0 ,
IR
κIR :=
Z
dν κν Jν ,
IR
wobei
σ T4
(6.72)
π
wegen (6.15), (6.18), (6.23) und a = 4 σ/c. Damit lauten die Strahlungstransportgleichungen
(6.60-6.61)
dHIR
= κIR (JIR − B)
(6.73)
dm̃
dKIR
= κIR HIR
(6.74)
dm̃
Wegen Jν > 0 ∀ ν und B > 0 bedeutet (6.73), dass der Strahlungsfluss von innen nach
außen (dm̃ < 0) hin abnimmt durch Absorption (JIR ) und zunimmt durch Emission (B). Zur
Erarbeitung der Lösungen JIR (m̃), HIR (m̃) und KIR (m̃) stellen wir zunächst einige nützliche
Beziehungen auf.
B=
Nützliches.
• Gleichsetzen der 1. Ableitung von (6.70) mit (6.63) ergibt
−κVIS
dHVIS (m̃) =
HVIS (0) = κVIS JVIS (0)
dm̃ 0
µ∗
⇒ HVIS (0) = −µ∗ JVIS (0)
(6.75)
• Wegen H = HIR + HVIS =konst für jedes m̃ gemäß (6.62) und wegen (6.75) gilt
HIR (0) = H + µ∗ JVIS (0)
(6.76)
• Wegen H = HIR + HVIS =konst für jedes m̃ und mit der Definition (6.46) gilt
JIR (0) =
H − HVIS (0)
.
fH, IR
(6.77)
• Da die Lichtstrahlen vom Stern mit verschwindend kleinem Öffnungswinkel einfallen
(praktisch parallel), macht es im Falle einer p-p.A. Sinn einen festen Einfallswinkel µ∗
annzunehmen. Dieser kann so gewählt werden, dass er einen mittleren Einfallswinkel
in eine sphärische Atmosphäre representiert. Der von außen (z = 0) in die Atmosphäre
kommende Strahlungsfluss ist daher
HVIS (0) =
1
1
4
Firr = − µ∗ σ Tirr
.
4π
4π
(6.78)
• Wegen HVIS (m̃ → Mp ) → 0 ist
H = H(m̃ → Mp ) = HIR (m̃ → Mp ) =
1
4
σ Tint
.
4π
(6.79)
97
6.4. PLANETENATMOSPHÄREN
• Wegen dH/dm̃ = 0 und mit (6.63, 6.73) ist κIR (JIR − B) + κVIS JVIS = 0. In der Umformung
κVIS
B=
JVIS + JIR
(6.80)
κIR
wird diese Beziehung zwischen B, JVIS (m̃), und JIR (m̃) Ausgangspunkt sein für die
Formel für das T -P -Profil.
Die Lösungen JIR (m̃), HIR (m̃), KIR (m̃)
HIR .
Wegen (6.62) und (6.63) ist
dHIR
dm̃
Z m̃
dHIR
dm̃′
⇒
dm̃′
0
= −κVIS JVIS
′ m̃
e−(κVIS /µ∗ )m̃ 0
i
h
′
⇒ HIR (m̃) = HIR (0) − µ∗ JVIS (0) 1 − e−(κVIS /µ∗ )m̃ .
= −κVIS JVIS (0)
−µ∗
κVIS
KIR . Wegen (6.74) ist
Z m̃
Z m̃
′ dKIR
dm̃′ HIR (m̃′ )
= κIR
dm̃
dm̃′
0
0
KIR (m̃) − KIR (0) = κIR (HIR (0) − µ∗ JVIS (0)) m̃ +
JIR .
κIR
κVIS
i
h
µ2∗ JVIS (0) 1 − e−(κVIS /µ∗ )m̃
(6.82)
Nach Definition von fk, IR in (6.44) ist JIR (m̃) = KIR (m̃) für jedes m̃, also
JIR (m̃) = JIR (0) +
6.4.8
(6.81)
1
fK,IR
×
rechte Seite von (6.82) .
(6.83)
Das Temperatur–Druck - Profil
Wir haben nun alle Ausdrücke erarbeitet, die wir für die Aufstellung einer Formel für das
T − P -Profil einer bestrahlten (Tirr ), semi-grauen (κVIS , κIR ), plan-parallelen (m̃) Atmosphäre eines Planeten (Tint ) benötigen. Ausgangspunkt dieser Formel ist die Beziehung (6.80).
Während die linke Seite von (6.80) durch B die Temperatur enthält, enthält die rechte Seite
indirekt Tirr , Tint , P (τ (m̃)), und die κs, welche versteckt sind in den erarbeiteten Audrücken
für HIR (0), JIR (0), JVIS (0). Deshalb ersetzen wir zunächst alle Js in der rechten Seite von
(6.83) durch Hs. Dies geschieht unter Verwendung von (6.77), von (6.76), welches ein H
liefert, und von (6.75), welches ein HVIS liefert, und erhalten
i
1
κIR
HVIS (0) h
H − HVIS (0)
+
µ2∗
1 − e−(κVIS /µ∗ )m̃
JIR (m̃) =
κIR H m̃ −
(6.84)
fH, IR
fK, IR
κVIS
µ∗
Das JVIS (0) in (6.71) ersetzen wir durch selbiges in (6.75). Mit diesen Ersetzungen geht (6.80)
über in
κVIS −HVIS(0) −κVIS /µ∗ m̃
H − HVIS (0)
B =
e
+
κIR
µ∗
fH, IR
i
h
1
κIR
−(κVIS /µ∗ )m̃
HVIS (0) 1 − e
+
κIR H m̃ − µ∗
(6.85)
fK, IR
κVIS
(6.86)
98
KAPITEL 6. PLASMA- UND ASTROPHYSIK
Durch weiteres Ersetzen von m̃ durch τ mittels (6.54), und mit der Abkürzung
γ =
κVIS
κIR
erhalten wir die übersichtlichere Form
1
γ
µ∗
τ
µ∗
1
−(γ/µ∗ ) τ
−
+
− HVIS (0)
+
+
e
B = H
fH IR
fK, IR
fH, IR
γ fK, IR
µ∗ γ fK,IR
(6.87)
4 mittels (6.78), H
Schließlich ersetzen wir B durch T 4 mittels (6.80), H durch Tint
VIS (0)
4
durch Tirr mittels (6.79), dividieren beide Seiten von (6.87) durch (σ/π), und erhalten als
Endergebnis das T –τ -Profil
3 4 2
γ
2 µ∗
3
µ∗ −(γ/µ∗ ) τ
4
4
T = Tint
+ τ + µ∗ Tirr
+
+
−
e
(6.88)
4
3
4
3
γ
3µ∗
γ
Hierin stammen die 4-en von der ’4’ in (6.16), die 3-en von der ’3’ in (6.44), und die 2-en von
der ’2’ in (6.46). Nun hören wir 10m unter dem Gipfelkreuz auf, indem wir uns das Ersetzen
von τ durch P mittels (6.56) schenken. Wegen P ∼ τ kann die Diskussion des T –P -Profiles
auch anhand von (6.88) geführt werden.
10
10*γ
10
(a)
-2
-2
10
-1
Phoenix
10
0
0.1*γ
10
10
Druck (bar)
P [bar]
10
-3
10
10
0
Youn
g&H
10
10
1
1500
2000
T [K]
2500
ot
2
Old &
2
1000
200 K
300 K
400 K
500 K
600 K
700 K
800 K
-1
γ
1
Tint
(b)
10
cool
3
1500
2000
Temperatur (K)
Abbildung 6.2: Druck-Temperatur-Profile der Atmosphäre des großen Planeten WASP-10b
nach Gleichung (6.88). Bild (a): Variation der Absorptionseigenschaft γ in semi-grauer Näherung (schwarz) und Vergleich mit nicht-grauem Modell (rot). Bild (b): Variation von Tint
(dünne Kurven) und Anschluss an das adiabatische Innere (dicke Kurven).
Diskussion des T − P -Profiles Für P → ∞, d.h. in Richtung Planeteninneres, geht T 4
4 P , also T ∼ P 1/4 , und verliert die Sensitivität zur Einstrahlung (T ). Gemäß
mit (3/4)Tint
irr
der Adiabatengleichung T ∼ P 1−1/γad , wobei γad der Adiabatenexponent ist, würde ein molekulares Wasserstoffgas (γ = 7/5) mit P 2/7 nur leicht steiler als im Falle des Photongases
(γ = 4/3) ansteigen. Daher läßt sich ein relativ glatter Übergang finden zwischen der Atmosphäre und dem adiabatischen Innern wie in Abb. 6.2b dargestellt.
Für µ∗ = 0 fällt der Tirr -Term vollständig weg. In unserem Modell hätte demnach eine
horizonantale Bestrahlung keinen Einfluss auf das vertikale T -P -Profil, und die Temperatur
6.4. PLANETENATMOSPHÄREN
99
nähme einfach mit der Tiefe zu. Den gleichen Effekt für die untere Atmosphäre hat Tint & Tirr ,
wie es bei jungen (lila Kurve in Abb. 6.2) oder weit vom Stern entfernten Planeten (Jupiter)
der Fall ist.
Zu dem Fall γ ≫ 1 und τ → 0 leiten wir (6.88) nach τ ab:
2
dT 4
γ
γ2
−(γ/µ∗ )τ
=−
−
1
e
→
−
<0;
dτ
3µ2∗
3µ2∗
es tritt eine Temperaturinversion auf. Wegen der Bedingung τ → 0 tritt sie in der oberen
Atmosphäre auf, während die Bedingung γ ≫ 1 eine relativ starke Absorption des einfallenden
Sternenlichtes bedeutet. Bei Exoplaneten können diese Bedingungen durch das Vorhandensein
von TiO und VO schon im 1-mbar Bereich realisiert werden. Bei allen Planeten findet in der
Exosphäre ein fließender Übergang in das Medium der Umgebung statt, in der der warme
Sternenwind hohe Temperaturen mit sich bringt.
Abbildung 6.2a zeigt T -P -Profile, die für den Exoplaneten WASP-10b zu festem Tint -Wert
berechnet wurden. Dieser Planet ist so groß wie Jupiter aber drei mal schwerer, mit nur
270 Mio. Jahren erheblich junger und damit wärmer als Jupiter. Er umkreist einen Stern
(T∗ = 4800 K) auf einem ap = 0.04 AU Orbit, woraus sich Tirr = 900 K ergibt. In der
Abb. 6.2a wurden die γ-Werte relativ zu einem geeigneten Standardwert von γ ≈ 1 angegeben.
Die Temperaturinversion bei 10facher Erhöhung von γ ist klar zu sehen; bei Verringerung
von γ durch größeres κIR , z.B. durch mehr CH4 in der unteren Atmosphäre, heizt diese sich
dagegen auf. Unabhängig vom γ-Wert unterschreitet die Temperatur nicht einen minimalen
Wert von ∼ 1100 K. Bei kleinen Drücken deutet dieses Verhalten auf ein Versagen des
Modells infolge der semi-grauen Näherung hin, wie anhand der Abweichung zu dem von einem
Strahlungstransport Code (Phoenix) produzierte Ergebnis zu sehen ist, welches als sehr gute
Wiedergabe der realen oberen Atmosphäre eines hot Jupiter’s wie WASP-10b anzusehen ist.
Abbildung 6.2b zeigt die T -P -Profile zu festem γ-Wert und nunmehr variablem Tint -Wert. Je
kleiner die Eigenleuchtkraft des Planeten (Tint ), desto deutlicher und tiefer bildet sich eine
isotherme Region heraus: ein typisches Merkmal einer bestrahlten Exoplaneten-Atmosphäre.
100
KAPITEL 6. PLASMA- UND ASTROPHYSIK
Weiterführende Literatur
Dieses Skript enthält den Vorlesungsstoff zur Plasma- und Astrophysik (Modul 19S), wie er
an der Universität Rostock im Masterstudiengang Physik angeboten wird. Die Plasma- und
Astrophysik baut auf grundlegenden Disziplinen der Physik auf, etwa der Thermodynamik
und Statistik, der Elektrodynamik, der Quantentheorie, der Vielteilchentheorie sowie der
Kern- und Elementarteilchenphysik. Enge Verbindungen bestehen auch zur Kosmologie und
zur Relativitätstheorie.
Es gibt sehr viele Lehrbücher und Monographien zur Plasma- und Astrophysik. Ich möchte
deshalb an dieser Stelle auf einige Bücher hinweisen, die für eine vertiefte Beschäftigung mit
den verschiedenen Teilgebieten hilfreich sein können und die mir auch bei der Ausarbeitung
dieses Skripts wertvolle Anregungen gegeben haben. Weitere Quellenangaben finden sich im
Literaurverzeichnis der Skripte.
Allgemeine Einführungen in die Plasmaphysik
- N.A. Krall, A.W. Trivelpiece, Principles of Plasma Physics (McGraw-Hill, New York, 1963)
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