Zum 100-jährigen Jubiläum: Ausgewählte Stücke aus unserer Sammlung im Stadtmuseum Stoßzähne und Backenzahn von Mammuten aus dem Neckartal Inventar-Nrn. (v.l.n.r) Nr. 2, Nr. 34, Nr. 36, Vor- und Frühgeschichtliche Sammlung des GAV Mai 2008 Mammut-Zähne Mit freundlicher Unterstützung der Kieferorthopäden: Dr. Haller Dr. Laux-Schütz Drs. Merkle Dr. Miersch Dr. Peter Dr. Strobel Dr. Zimprich Geschichts- und Altertumsverein Esslingen am Neckar e.V. Mammute im Esslinger Neckartal Das Mammut, das wie die heutigen Elefanten zu den Rüsseltieren gehört, hat in den kühlen Abschnitten des jüngeren Eiszeitalters auch im Esslinger Neckartal gelebt. Davon künden seine ihrer Größe wegen auffallenden und deswegen häufig des Bergens sowie Verwahrens wert erachteten Gebiss- und Skelettreste aus heimischem Boden. Vor allem die stark gebogenen Stoßzähne des Mammuts, die bis zu viereinhalb Meter lang und bis zu 125 Kilogramm schwer sein können, erregten Aufsehen und waren bei ihrer Entdeckung den Tageszeitungen meist eine Notiz wert. So nimmt es nicht wunder, dass einige der im Esslinger Umland zutage gekommenen Zeugnisse dieses Großwilds (Abb. 4) zwar im Fachschrifttum noch weitgehend unbekannt, durch Zeitungsberichte dagegen einigermaßen gut dokumentiert sind. Abb. 2: Linker Stoßzahn eines Mammuts aus Oberesslingen. Etwa 170 Zentimeter langer Fund von Karl Leutner im Mai 1953 (seit November 1953 im Heimatmuseum Kirchheim unter Teck, Inv.Nr. 3641). Dies gilt zum Beispiel für einen im Mai 1953 von Bauarbeitern im Gebiet der ehemaligen Ziegelei an der Schorndorfer Straße in Oberesslingen freigelegten Stoßzahn von angeblich „nicht weniger als zwei Meter“ Länge. Konrektor Karl Leutner, der damals die Sammlung des Esslinger Altertumsvereins betreute, konnte den Zahn zunächst in Besitz nehmen und inventarisieren. Doch hat er aufgrund von Vereinbarungen mit der Stadt Kirchheim unter Teck den Fund bereits im November 1953 an das dort neu eröffnete Heimatmuseum abgegeben, wo dieser noch heute ein eindrucksvolles Schaustück darstellt (Abb. 2). Abb. 3: Rechter Stoßzahn eines Mammuts aus Plochingen. Etwa 250 Zentimeter langer Fund, geborgen von Otto Lau und Oberlehrer Fischer im Mai 1950 (Maßstabsbalken 1 Meter, Inv.-Nr. 36 im Esslinger Bestandsbuch). Der Anlass für dieses Geschenk war ein anderer Stoßzahn, den man bereits im Mai 1950 in Plochingen bei einer Erweiterung des Krankenhauses, des heutigen Johanniterstifts, gefunden hatte. Der fast zweieinhalb Meter lange Zahn (Abb. 3) war nämlich von dem als Fachmann zur Bergung gerufenen Kirchheimer Heimatforscher Otto Lau freigelegt und zum Abtransport vorbereitet worden. Als dieser am nächsten Morgen wieder zur Fundstelle kam, hatten jedoch 2 „die Esslinger“ das Fossil bereits in ihr Museum geholt, weil es ja in ihrem Gebiet zutage gekommen war (Kirchheim gehörte zum damals noch bestehenden Kreis Nürtingen). Abb. 4: Skelett eines etwas über drei Meter hohen Mammuts mit besonders mächtigen Stoßzähnen. Zeichnung nach der Skelettmontage eines Fundes von 1908 aus Borna bei Leipzig (nach Osborn 1942). Bei dem Plochinger Fund von 1950 handelt es sich um eines der beiden Schaustücke in den Beständen des Esslinger Geschichts- und Altertumsvereins. Das zweite, ebenfalls rund zweieinhalb Meter lange Stück (Abb. 1) stammt aus der Ziegeleigrube von Oberesslingen, wo es schon im Jahr 1936 von Oberlehrer Fischer geborgen worden war. Diese beiden Stoßzähne sind ziemlich vollständig und trotz ihrer Jahrzehntausende langen Lagerung im Boden noch immer vorzüglich erhalten, nicht zuletzt, weil sie wiederholt im Stuttgarter Naturkundemuseum gefestigt und restauriert worden sind. Den beiden Zähnen mangelt allerdings jede direkte Kennzeichnung. Deshalb war lange Zeit nicht klar, welcher Zahn woher stammt. Aufgrund der Angaben in den spärlichen Berichten ließ sich aber feststellen, dass der Zahn mit der ziemlich gut erhaltenen Spitze aus echtem Elfenbein der Plochinger Fund ist, der andere, dessen Spitze zum größten Teil ergänzt wurde, der Fund aus Oberesslingen. Weniger gut bestellt ist es um die Herkunft der Mammut-Backenzähne, die in der Esslinger Sammlung verwahrt sind. Aus den Verzeichnissen geht zwar hervor, wo und wann derartige Funde gemacht wurden, mangels Kennzeichnung lassen sich die vorhandenen Zähne – im Gegensatz zu Fundstücken aus Esslingen im Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart (SMNS – siehe Abb. 5 und 6) – aber nicht zuordnen. Das ist bedauerlich, denn aus dem Bau der Backenzähne kann ein Paläontologe in der Regel mehr Informationen, sowohl über das individuelle wie über das erdgeschichtliche Alter eines Mammuts, gewinnen als aus den Stoßzähnen, die nach Größe und Form von Tier zu Tier sehr unterschiedlich sind. Diese individuelle Variation hängt sicher damit zusammen, dass die Tiere ihre im Oberkiefer ins Riesenhafte gewachsenen „Schneidezähne“ – denn so sind die Stoßzähne aufgrund ihrer Stellung im Elefantengebiss zu werten – nur noch eingeschränkt bei der Nahrungsaufnahme nutzen konnten: gegen Ende der stammesgeschichtlichen Entwicklung waren die MammutStoßzähne zu Luxusorganen geworden. Ob diese Entwicklung letztlich auch zum Aussterben des Mammuts beigetragen hat, wissen wir nicht. Eine ganz wesentliche Ursache waren mit Sicherheit die raschen Klimaänderungen am Ende der letzten Kaltzeit, die den Lebensraum des Mammuts sowie der anderen, an die Lebensgrundlagen der Mammut-Steppe angepassten Säugetiere verändert haben. Die von der Jagd auf Großwild lebenden Menschen der letzten 3 Kaltzeit des Eiszeitalters hatten jedenfalls, obwohl so eine spektakuläre Ursache immer wieder behauptet wird, am Aussterben des Mammuts keine Schuld. Abb. 5: Letzter linker Backenzahn aus dem Oberkiefergebiss eines Mammuts. 1962 von Architekt Jaumann gefunden bei Baumaßnahmen in Lösslehmen in der Pliensauvorstadt bei der Südkirche (SMNS Inv.-Nr. 34 180.2). Blick schräg von unten auf die 15 Zentimeter lange Kaufläche (unten), die linke Seitenwand und die Ansätze der Wurzeln (oben) des aus 20 Lamellen bestehenden Zahnes. Abb. 6: Vorletzter rechter Backenzahn aus dem Unterkiefergebiss eines Mammuts. 1927 von Verwalter Maisch gefunden bei Baumaßnahmen in Flussschottern in der Plochinger Straße 82 beim Konsum- und Sparverein (SMNS Inv.-Nr. 16 236). Blick schräg von oben auf die Kaufläche(oben) und das Hinterende (links) des insgesamt 20 Zentimeter langen, aus 17 Lamellen aufgebauten Zahnes. Auch auf Mammut-Knochen aus Esslingens Boden wird in verschiedenen Schriften hingewiesen. Beispielsweise nennt Paul Eberhardt 1905 den Fund eines Unterschenkelknochens, der 1842 am Fuß der Neckarhalde zutage gekommen war, und im Stuttgarter Naturkundemuseum werden drei Brustwirbel eines jungen Mammuts verwahrt, die Lehrer Merkle 1897 gefunden hat. Ein bemerkenswert früher Mammut-Fund im Gebiet von Esslingen ist ein Hüftbein, das – von Karl Pfaff 1840 beiläufig erwähnt – einst in der Frauenkirche als „angebliches Riesenbein“ verehrt wurde. Hinweise auf weitere Mammut-Funde finden sich in dem Beitrag „Großwildjäger des Eiszeitalters im Neckartal von Esslingens Umland“ von Karl Dietrich Adam und Thomas Rathgeber, enthalten in dem 2007 erschienenen Buch „Esslingen am Neckar – Aspekte der Geschichte“. Abb. 7: Das Etikett weist einen Stoßzahn besonderer Stärke als die Nummer 1 im Esslinger Bestandsbuch über die altsteinzeitlichen Funde aus. Zutage gekommen war er 1908 in der Flur Hirschland in Oberesslingen. Es handelt sich ohne Zweifel um einen Mammut-Stoßzahn, und der Artname ist folglich durch Elephas primigenius zu ersetzen. Elephas antiquus, der Waldelefant, ist im unmittelbaren Umland von Esslingen nur aus den Travertin-Gesteinen von Cannstatt und Untertürkheim bekannt, die in Warmzeiten abgelagert worden sind. Thomas Rathgeber 4