Funktionelle gastrointestinale Störungen und "Gut focused Hypnotherapie" Univ. Prof. Dr. Gabriele Moser Univ. Klinik für Innere Medizin III Medizinische Universität Wien Symbolik in der Umgangssprache Das bleibt mir im Halse stecken Das kann ich nicht schlucken… Das liegt mir im Magen Da kommt mir die Galle hoch.. Ich entscheide aus Dem Bauch heraus Der macht sich in die Hose….Ich „……. mich an Das Enterale Nervensystem (ENS) – „Bauchhirn oder „little brain in the gut Gershon MD. Rev Gastroenterol Disord 2003;3:S25-34 Einfluss der Stimmung auf den intestinalen Transit P<0,01 120 100 80 60 40 20 0 N=42 P<0,05 P<0,001 Angst Gesunde Depression gesamte orozökale Transitzeit Transitzeit in Stunden in Minuten Gorard et al., Gut 1996 Experimentell induzierte Angst vermindert die Magen-Akkomodation beim Essen 14 Gesunde Probanden Barostat Studie mit Angsterzeugung 10 min nach dem Essen neutral Angst Postprandiale Volumenanpassung war bei Angst signifikant vermindert: DRUCKERHÖHUNG Geeraerts et al. Gastroenterology 2005 Normale Darmreaktion auf Stress: Versuch mit gesunden Versuchspersonen Darmspiegelung Dickdarmkrämpfe Vortäuschung „Krebs gefunden 1951 Minuten Aufklärung Über den Zweck der Studie J E Mawdsley and D Pathways mediating the effects of stress on S Rampton, Gut 2005 the gastrointestinal tract Stress beeinflußt über CRF und ENS: - die Permeabilität - die Sensitivität - die Motilität Brain-Gut Achse ENS Stressmediatoren im Darm ↑ Antigenkontakt mit Immunzellen ↑ Permeabilität Epi CRF- Stress Rezeptoren SP CRF Pathogenwachstum / -toxizität Hist Sensibilisierung IL-1 Entzündung TNF Reading et al. PNAS 2009 Wallon et al 2008 Söderholm et al. 2008 Ferrier 2008 Larauche 2008 Jones et al. 2006 Viszerale Hypersensitvität bei FGIS Normal Alarmsignale werden wahrgenommen: Z.B. Krämpfe bei Magen-Darm-Infektion oder Starkem Stress Funktionelle Störung „Filter fehlt Alarmsignale Filter Prozesse Normaler Reiz wie „Verdauungsvorgang wird auch als Schmerz wahrgenommen Normaler Reiz „Verdauungsvorgang wird nicht wahrgenommen Wingate DL, Phillips SF. 1998 Häufige Überlappung von verschiedenen funktionellen Störungen „Irritable GUT Oberer GI Trakt Funktionelle Dysphagie Non-cardiac chest pain Gemeinsamkeit: Funktionelles Sodbrennen Unterer GI Trakt Gastoösophagealer Reflux (GERD) Fehlen organpathologischer Befunde! Chronischer funktioneller Bauchchschmerz Funktionelle Oberbauchbeschwerden (Dyspepsie) Reizdarmsyndrom Funktionelle Verstopfung/ Durchfall Gesamt-Prävalenz 35% Der Rom-Prozess und Definition der Funktionellen Gastrointestinalen Störungen (FGIS) Multinationales Konsensus Dokument über Funktionelle Gastrointestinale Störungen Douglas A. Drossman, Senior Editor und Initiator des Rom Projektes ROM I 1994 ROM II 1999 ROM III 2006 14 Vorsitzende Rome III - Funktionelle Dyspepsie Innerhalb der letzten 6 Monate (über einen Zeitraum von 3 Monaten) 1 oder mehr der folgenden Symptome: Postprandiales Völlegefühl Frühes Sättigungsgefühl Epigastrischer Schmerz Epigastrisches Brennen Und Keine organische Erkrankung (ausgeschlossen mit ÖsphagoGastroduodenoskopie), die die Symptome erklären könnte Nicht ausgeschlossen: H.p.-Gastritis, histologische Duodenitis, gastroduodenale Dysmotilität.... Das Reizdarmsyndrom ROME III Kriterien Seit mindestens 6 Monaten abdominelles Unbehagen bzw. abdominelle Schmerzen an mindestens 3 Tagen während der letzten 3 Monate zumindest 2 oder mehr der folgenden Symptome: Besserung nach der Defäkation Beginn mit einer Änderung der Stuhlfrequenz Beginn mit einer Änderung der Stuhlkonsistenz Häufig gehen die Beschwerden auch mit Blähungen, Schleimbeimengung und dem Gefühl der inkompletten Entleerung einher Longstreth et al.: Gastroenterology 2006 Weltweite Prävalenz des Reizdarmsyndroms (RDS) Sweden 13% Canada 12% US 10–20% Belgium 8% Denmarkin 7%Deutschland je nach Kriterien 8,5%-20,4% UK 22% (Manning bzw. Rom, Saito AMJ 2002) Netherlands 9% China 23% France 20% Germany 12% Spain 13% Japan 25% Nigeria 30% IBS data not included Australia 12% New Zealand 17% Camilleri et al. Aliment Pharmacol Ther 1997;11:3–15 Drossman. Dig Dis Sci 1993;38:1569–80 Talley et al. Gastroenterology 1991;101:927–34 Müller-Lissner et al. Digestion 2001;64:200–4 Talley. Balliêre’s Clin Gastroenterol 1999;13:371–84 Thompson et al. Dig Dis Sci 2002;47:225–35 Faktoren, die zur Entstehung von FGIS beitragen GI-Infektionen (Antibiotikatherapie) Stress, Trauma (phys., psych., sex.) 40 % Viszerale Hypersensitivität Funktionelle Gastrointestinale Störungen Dysmotilität Genetische Predisposition NahrungsmittelSensitivität und -Unverträglichkeit Entzündung Umweltfaktoren Brain – gut Dysfunktion Abnormal zentrale Prozesse Aufsteigende viszerale Empfindungen „Locus of gut controll liegt hauptsächlich im limbischen System: Perzeption und Modulation von viszeralem Empfindungen wird mit Emotionen und sozialen Interaktionen assoziiert! Stress, massive Schmerzerfahrung, Trauma (Missbrauch) modulieren die Wahrnehmung viszeraler Reize Effect of Abuse History on Pain Reports and Brain Responses to Aversive Visceral Stimulation: An fMRI Study Yehuda Ringel , Douglas A. Drossman , Jane L. Leserman , ‡, Brandall Y. Suyenobu§, Kathy Wilber , Weili Lin , William E. Whitehead , Bruce D. Naliboff§, Steven Berman§ and Emeran A. Mayer§ ‡Department of Psychiatry, University of North Carolina, Chapel Hill, North Carolina Gastroenterology 2008 CIRCULUS VITIOSUS „The mediating role of catastrophizing Lackner Psychosom Med 2004 Empfindung Symptom „Catastrophizing Selektive Aufmerksamkeit gesteigerte Aufmerksamkeit Gedanken Gefühle Beachtung Angst Selbstmordgedanken bei RDS Miller et al 2004 Clin Gastroenterol Hepatol Dec;2(12):1064-8 Je 100 RDS-PatientInnen in einer 40 38% RDS Spezialambulanz Facharztpraxis Allgemeinpraxis 100 CED-PatientInnen 30 20 10 0 16% 15% 4% „contemplated or attempted suicide specifically because of their bowel problem Selbstselektion der PatientInnen mit funktionellen Störungen Personen (Non-Patient) mit Reizdarmbeschwerden 75% ErstVersorgung 20% Spezialzentren Chirurgie Praktische ÄrztInnen Psychiater 60% Psychische Störungen Traumata: psychischer physischer oder sexueller Mißbrauch Spezialisten Für Verdauungskrankheiten Vergleich der Häufigkeit von sexuellem Mißbrauch in der Allgemeinbevölkerung und bei mildem, moderatem und schwerem Reizdarmsyndrom Drossman, D. A. et. al. Ann Intern Med 1995;123:782-794 IBS PatientInnen in GI-Spezialambulanz Trauma, Gewalt und FGIS 70 Frauen mit aktueller häuslicher Gewalt (Polizeianzeige) 71% hatten FGIS 67% funktionelle Dyspepsie, 47% Reizdarmsyndrom Bei 2/3 der Betroffenen begannen die Beschwerden mit der Gewaltanwendung 34% der Betroffenen suchten medizinische Hilfe für die FGIS Perona Clin Gastroenterol Hepatol 2005 Entstehungsmodell für Viszerale Hyperalgesie EA Mayer and GF Gebhart: Gastroenterology 1994 Intraunterine/ perinatale Ereignisse Psychosoziale Stressoren Krankheitsverhalten Primärer und sekundärer Stress Genetisch (?) Gesunde Non-Patients Trauma Milde Schwere Form Diätätische Faktoren Entzündung GERD/Infektion/Allergie Fallstricke der Arzt-Patient-Beziehung Arzt/Ärztin Patient/in bewußt Bedürftigkeit Sachkenntnis Hoffnung Wille zum Heilen Angst Hilflosigkeit Misstrauen Ärger unbewußt Häufige „Nicht-Behandlung der Betroffenen mit FGIS „If the only tool you have is a hammer, you tend to treat everything as if it were a nail A. Maslow “Ihre Befunde sind in Ordnung, auf (Nimmer-) Wiedersehen!” FGIS - BEHANDLUNGSRICHTLINIEN Identifikation der Sorgen/Ängste (Krebsangst?) Erklärung für die Symptome (Zeichnung) Beruhigung Kosten-Nutzen-Evaluation (Diagnostik) Einbeziehung der Patientin (Symptomtagebuch) Kontinuierliche Betreuung (Termine fixieren) Setzen realistischer Ziele (Symptomverminderung) INFO für Betroffene unter: www.gabrielemoser.at Behandlungsschritte Antidepressiva Realistische Ziele!! SCHWER Spezial(Schmerz)zentrum Pharmakotherapie MODERAT (PPI, Mebeverin, Laxantien Loperamid,Phytopharmaka, Prokinetika Spasmolytika) Psychotherapeutische Behandlung Lebensstil- und Diätmodifikation MILD Aufklärung, Beruhigung, kontinuierliche Betreuung (Arzt - Patient - Beziehung) ALLE Einschätzung der Wirksamkeit von Therapien für das Reizdarmsyndrom (113 Studien mit 5 Metaanalysen) Medikament Quelle Studie Total Gain % NNT Peppermint oil Ford 2008 4 392 38,7 2,58 SSRI Ford 2009a 5 230 26,7 3,75 Psychotherapies Ford 2009a 20 1278 21,6 4,62 TCA Ford 2009a 9 575 18,4 5,44 Spasmolytika Ford 2008 23 1878 16,9 5,92 Cilansetron Ford 2009b 3 2229 16,3 6,13 Alosetron Ford 2009b 8 4987 14,5 6,88 Domperidon Lesbros 2004 3 176 10,2 9,78 Probiotika Hoveyda 2009 7 895 9.9 10,14 Tegaserod Ford 2009b 11 9242 8,8 11,32 Fiber diet Ford 2008 13 611 4,3 23,29 Renzaprid Ford 2009b 3 726 -3,91 -25,55 Enck, DGVS Konsensuskonferenz zum Reizdarmsyndrom 18. Sept 2009 Ford et al. 2008 Psychotherapeutische (RDS) SR and Meta-Analyse (20 RCT, Methoden 1278 Patienten) Kognitive – Verhaltenstherapie: NNT = 3 Symptomtagebuch, Übungen, Änderung von Anpassungsstörungen (Verhalten/Gedanken) mit Besserung der Symptomkontrolle Interpersonelle psychodynamische Psychotherapie: NNT = 3,5 Identifikation und Verarbeitung von Beziehungsschwierigkeiten Kombiniert mit Entspannungstechniken: NNT = 3 Muskuläre und psychische Entspannung zur Reduktion von autonomen Reaktionen Hypnose: NNT = 2 Suggestion zur Reduktion von abdominellen Empfindungen Hypnose durch verschiedene Techniken hervorgerufene Veränderung des Bewusstseinszustandes (Hypnoid bis Trance) psychische und körperliche Einflussnahme durch Suggestion möglich 1770 Franz Anton Mesmer 1885 Jean-Martin Charcot Subjektive Änderungen durch Hypnose • Einengung der Aufmerksamkeit • Veränderung der Körperwahrnehmung • Zunahme der Vorstellungsaktivität • Veränderung der Zeitwahrnehmung (meist Verkürzung) • Größere Emotionalität • Verbesserung dissoziativer Prozesse • Erhöhte Suggestibilität • Beispiel von Hypnoid im Alltag (Tagträumen, ….) Veränderungen gastrointestinaler Funktionen unter Hypnose / Entspannung • Magensäuresekretion • Gastroduodenale Motilität • Orozökale Transitzeit • Kolonmotilität • Rektale Schmerzschwelle Klein und Spiegel Gastroenterology 1989, McDonald-Haile Gastroenterology 1994, Louise Gastroenterology 2002, Tan Am J Clin Hypn. 2005, Chiarioni Aliment Pharmacol Ther 2006 Magenentleerung bei Hypnose und nach Cisaprid bei Dyspepsie („Reizmagen ) Chiarioni et al. Aliment Pharmacol Ther Nüchtern 2006 P< 0.01 PatientInnen hatten eine 2-Gang Mahlzeit (800Kcal): P< 0.01 Magenfüllung Maccaroni bolognese mit 70g Fleischsauce und 50g Schinken, 50g fetter Weichkäse, 1/4l Wasser Binnen 20min zu essen Basal Basal Modulation der Säuresekretion durch Hypnose 89% Anstieg Klein und Spiegel, Gastroenterlogy 1989 Säureproduktion mm H+/h p<0,0007 8 39% Reduktion p<0,05 Säureproduktion 6 4 Vor Hypnose Unter Hypnose 2 0 Vorstellung mehrerer Vorstellung von Entspannung delikater Mahlzeiten und Hunger schwindet Hypnose bei Reizdarm – Erste Studie Bauchschmerz Blähungen Wochen Wochen Nach Whorwell et al.: Lancet 1984; 2:1232-4 Langzeiterfolg der Hypnose bei Reizdarm Gonsalkorale and Whorwell Eur J G Totaler Symptomscore Vor Hypnose 2005 Gesamt – Symptomschwere Nach Hypnose 1-2 2-3 3-4 Jahre nach Hypnotherapie 4-5 5-8 Modulation der zentralen Schmerzwahrnehmung durch Hypnose (n =10) (n=7) (n=6) Signifikante 14 Studien (644 Pat) Änderung der Schmerz-bedingten 6 mit Kontrollgruppe Aktivität im Bereich Wirkung vermutlich sowohl des Gyrus cinguli psychologisch als (ACC) unter Nachher auch physiologisch Hypnose. Vor Hypnose Rainville et al. Science 1997 *p=0.04; †p=0.19 LANGZEITEFFEKT FÜR ALLE SYMPTOME ÜBER 5 JAHRE Whorwell 2004 Tan G et al. Am J Clin Hypn. 2005 Hypnotherapie (6x in 3Monaten) versus Standardmedikation SCHMERZINTENSITÄT (n=53) SCHMERZHÄUFIGKEIT Hypnose bei funktioneller Dyspepsie Veränderung der Beschwerden Calvert EL et al. Gastroenterology 2002. Hypnotherapie bei Non – Cardiac –Chestpain 2006 Hypnotherapy (n = 15) Verminderung der Beschwerden in % Supportive Therapy (n = 13). Signifikante Verminderung des Brustschmerzes und Verbesserung des Allgemeinbefindens unter Hypnotherapie Jones, H et al. Gut 2006;55:1403-1408 Brustschmerz Allgemeinbefinden Bauch gerichtete Gruppenhypnose Im AKH, Abteilung Gastroenterologie, Wien • Erste Sitzung mit ausführlicher Erklärung der Hypnose und Wirkung auf den GI-Trakt • 10 wöchentliche Sitzungen (a 45 min) binnen 12 Wochen • 6 PatientInnen pro Gruppe • Fragebögen baseline (screening) Sitzung 1, 5 and 10 3, 6 und 12 Monate nach Therapieende Zu Hause Während Therapie-Periode und bei Bedarf Selbsthypnos (CD, 1x/Tag) Manchester Protokoll: Hypnotische Induktion, Hand erwärmt auf den Bauch, Vorstellung der Normalisierung des Darms (Meereswellen usw.), Suggestion v. Selbstvertrauen und Kontrolle über Darmfunktionen..... Gut focused Group-Hypnosis (N=40) -Reduction Hypnosis Hypnosis Med therapy Moser et al. 2010 Med therapy *** p<.001 ** p<.01 * p<.05 Hypnose – klinisch signifikante Verminderung der Reizdarmbeschwerden 92% absolute difference 78.3%; 95% CI: 55.8% to 100.0% 60% 25% 13% Therapie-Ende (12 Wochen) 12 Monats-Nachuntersuchung Therapiekosten im Vergleich: Kosten – Nutzen –Analyse spricht für Psychotherapie Signifikante Kostenreduktion nur bei Psychotherapie P<0,001 Danke fürLQ-Besserung: Ihre Aufmerksamkeit ! 2000 Routinebetreuung 1663$ 1500 1000 1252$ 976$ 500 0 Nach 1 Jahr Paroxetin 20mg/Tag Psychotherapie (8 Sitzungen) Creed et al.: Gastroenterology 2003 Der Rom-Prozess und Definition der Funktionellen Gastrointestinalen Störungen (FGIS) Multinationales Konsensus Dokument über Funktionelle Gastrointestinale Störungen Douglas A. Drossman, Senior Editor und Initiator des Rom Projektes ROM I 1994 ROM II 1999 ROM III 2006 Danke für die Aufmerksamkeit 14 Vorsitzende