Auszug aus Ch. Ammer (Hg.), Weite Horizonte, Hannover 2012 Hellmut Baumgärtel Das Supernova Cosmology Project: Motiv, Resultate und Anmerkungen aus mathematischer Sicht 1. Einleitung Der Physik-Nobelpreis 2011 ging bekanntlich an die Astronomen Saul Perlmutter, Brian Schmidt und Adam Riess. Zwei Teams, das Supernova Cosmology Project (SCP), geleitet von Perlmutter, und das High-Z-Supernova Search-Team, geleitet von Schmidt, hatten unabhängig voneinander in den 90er Jahren systematisch sog. Supernovae Ia beobachtet. Ihre Ergebnisse hatten überraschende, völlig unerwartete Konsequenzen. In der Begründung des Nobelkomitees heißt es: „Die Entdeckungen der Preisträger haben dazu beigetragen, uns ein Universum zu enthüllen, das der Wissenschaft zu einem großen Teil unbekannt ist. Sie haben die Kosmologie in ihren Grundfesten erschüttert.” Die Resultate sind bereits 1998 veröffentlicht worden und haben in der Community der Kosmologen und darüber hinaus großes Aufsehen erregt, denn sie eröffneten neue Perspektiven zu alten Grundfragen von Raum und Zeit. Es gab sogar Stimmen, die von einem Schock sprachen. Wie konnte es dazu kommen? Die Beobachtungen des SCP und des zweiten Projekts zielten auf die Messung von Rotverschiebung und scheinbarer Helligkeit. Aus dieser können mit Hilfe der Gesetze des Helligkeitsabfalls Entfernungen berechnet werden, wenn die absolute Helligkeit bekannt ist. Insgesamt waren es ca. 50 Supernovae, die am 27 HELLMUT BAUMGÄRTEL weitesten entfernte wurde in einem Zustand, zu einer Zeit beobachtet, als der Kosmos etwa halb so groß war wie heute. Die Entfernung betrug ein paar Milliarden Lichtjahre. Die technologische Situation um 1990 war so: Zuvor konnten nur nahegelegene Galaxien beobachtet werden, die ca. 100 Millionen Lichtjahre entfernt waren. Diese früheren Beobachtungen führten zur Bestimmung der sog. Expansionsrate des Kosmos. Inzwischen hatte es starke Verbesserungen der Beobachtungstechnologie gegeben. Die gegenwärtige Grenze liegt bei etwa 100 Milliarden Lichtjahren. Man kann heute Helligkeiten nachweisen, die etwa der Lichtmenge entsprechen, die man auf der Erde von einer brennenden Kerze wahrnehmen würde, die etwa 6 mal so weit von uns entfernt ist wie der Mond. Zu Motiv und Ziel Weshalb konnte ein solches Projekt über ca. 8 Jahre hinweg konsequent verfolgt werden? Was war die treibende Kraft? Zunächst eine Vorbemerkung: Das zugrunde liegende Problem kann nur von seinem Ursprung her verstanden werden. Die dazu nötigen Erklärungen sollten präzise und zugleich anschaulich sein. Die Präzision erfordert mitunter eine mathematisch-physikalische Ausdrucksweise in Terminologie und Formel. Formeln sind in der Regel abschreckend, sie werden im folgenden nicht ganz zu vermeiden sein, sind aber oft durch entsprechende Abbildungen darstellbar. Die Gegenüberstellung von Abbildung und Formel soll Präzision und Anschauung verbinden. Die Formel selbst kann dann wie eine ägyptische Hieroglyphe betrachtet werden, an der man sich auch erfreuen kann, ohne ihre genaue Bedeutung zu erfassen. Seit den 30er Jahren gab es ein allgemein akzeptiertes Modell für die Beschreibung der sog. Large-Scale-Struktur des Kosmos. Dieses Modell stammte von Einstein und de Sitter. Allerdings wies es drei alternative Varianten auf, die von der mittleren Massendichte im Kosmos abhingen. Bis in die 80er Jahre konnte nicht entschieden werden, welche Variante dieses Modells zu28 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT treffend sei. Das Motiv und Ziel des Projekts war nun, mittels der Beobachtungs- und Messergebnisse und im Vergleich mit den entsprechenden Modellrechnungen im Einstein-de Sitter-Modell zu einer Entscheidung dieser Alternativen zu kommen. Um die Bedeutung dieses Ziels zu verstehen, ist es am besten, einen kurzen Exkurs durch die jüngere Geschichte der Kosmologie etwa seit Anfang des 20. Jahrhunderts zu unternehmen. 2. Einstein und die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) Im November 1915 publizierte Einstein seine Gravitationstheorie, eine Theorie von Raum, Zeit, Schwerkraft und Licht, mit völlig neuen Konsequenzen für Raum und Zeit. Z.B. besagt sie, dass der Weltraum in der Umgebung von massereichen Körpern gekrümmt ist, dass Licht ein Gewicht hat und z.B. am Sonnenrand abgelenkt wird infolge der Raumkrümmung. Die berühmte Lichtablenkungsformel ist heute mit einer relativen Genauigkeit bestätigt, die weniger als ein Tausendstel des vorhergesagten Wertes beträgt. Das Gravitationsgesetz steckt in der berühmten Einstein-Gleichung (1), die die Raumkrümmung mit der Energiedichte verknüpft. ( R μ ,ν − ) 1 8π G g μ , ν R + Λ gμ , ν + κ T μ , ν = 0, κ := . 2 c2 (1) Dabei ist gμ,ν der metrische Fundamentaltensor (die Indices µ,ν laufen von 0 bis 3), Rμ,ν ist die sog. Verjüngung des Riemannschen Krümmungstensors, R := Σgμ,νRμ,ν, Tμ,ν, der Energietensor, Λ die kosmologische Konstante, G die Gravitationskonstante und c die Lichtgeschwindigkeit. Die Formulierung jedes physikalischen Gesetzes erfordert die Vorgabe eines Raum-Zeit-Koordinatensystems. Das Besondere 29 HELLMUT BAUMGÄRTEL der Einstein-Gleichung ist, dass sie von jedwedem speziell gewähltem Koordinatensystem unabhängig ist. Deshalb heißt diese Theorie auch ART. Der Summand mit der kosmologischen Konstante ist ein gewisser „Freiheitsgrad” in der Gleichung. In den eher lokalen Anwendungen wird sie Null gesetzt, wie im einfachsten Beispiel einer exakten Lösung, der sog. Schwarzschild-Lösung für den Fall einer massiven Kugel von einem Radius R und mit einer Masse M. In diesem Fall kann die Raumkrümmung in der Nähe eines massiven Körpers gut geometrisch veranschaulicht werden (Abb. 1). Abb. 1: Schwarzschild-Lösung Der sog. Schwarzschildradius ist mit m bezeichnet. Die Lösung setzt sich aus innerer und äußerer Lösung zusammen. Ist m < R, so ist die innere Lösung eine an die äußere Lösung (Flammsches Paraboloid) glatt angeschlossene Kugelkalotte. Der Schwarzschildradius der Sonne beträgt etwa 3 km. Im Fall R = m, also eines (nichtrotierenden) schwarzen Loches, ist die innere Lösung eine Halbkugeloberfläche. 30 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT Die Krümmung ist „real”, d.h. in der ART erhält der leere Raum eine physikalische Qualität als Medium mit physikalischen Wirkungen, Materie tritt in Wechselwirkung mit der „Leere”. Aber, so wird man fragen, der leere Raum ist doch zunächst nur ein mathematisches Konstrukt, das durch Extrapolation vermöge eines „Koordinatensystems” vorhanden ist (man vergleiche z.B. die Situation beim Parallelenaxiom). Diese Diskrepanz zwischen Mathematik und Natur hat schon Aristoteles hervorgehoben: „Die genaue Schärfe der Mathematik aber darf man nicht für alle Gegenstände fordern sondern nur für die stofflosen. Darum paßt diese Weise nicht für die Wissenschaft der Natur, denn alle Natur ist wohl mit Stoff verbunden.“ (Metaphysik 995a, 14-17) Wie schon er wähnt, ist die ART vielfältig durch Experimente überprüft und bestätigt worden. Durch die technologische Entwicklung konnte die Genauigkeit der Experimente immer weiter verbessert werden. Dadurch wurde die Präzision der Vorhersage der Theorie immer deutlicher: durch die immer weiter zunehmende Genauigkeit wäre Falsches sichtbar geworden. So wurde die ART zu einer allgemeingültigen Theorie der klassischen Physik und wird auch als theoretische Basis der Kosmologie zugrunde gelegt. Schon ab 1917 wurde die ART auf die Kosmologie angewandt, durch Einstein selbst, de Sitter, Friedmann, Lemaitre u.a. Dabei mussten einerseits beobachtungsmäßige Anhaltspunkte beachtet und andererseits ein physikalisch und erkenntnistheoretisch plausibles a-priori-Postulat gefunden werden, um dem „großen Maßstab” kosmologischer Probleme Rechnung zu tragen. Konkret gesprochen ist es eine Neben- oder Randbedingung für die „Unbekannte” der Einstein-Gleichung. Dieses Postulat ist als „Kosmologisches Prinzip” bekannt geworden, das von Edward Milne, einem britischen Astronom, formuliert wurde. Es wird aber auch mit Einstein in Verbindung gebracht. 31 HELLMUT BAUMGÄRTEL 3. Large-Scale-Struktur des Kosmos. Kosmologisches Prinzip Auf den ersten Blick erscheint es hoffnungslos, Regelmäßigkeiten der Materie- und Energieverteilung im Kosmos zu erkennen, die eine erfolgversprechende Anwendung der ART „im Großen” zulassen könnte. Das wird besonders deutlich, wenn man an die zum Teil chaotischen Vorgänge im Kosmos denkt, die gerade durch die technologische Entwicklung sichtbar gemacht werden können. Sie erscheinen quasi als eine Art „kosmisches Wetter”. Diese Entwicklung hat aber auch zu Tage gebracht, dass es im Kosmos mindestens eine Milliarde Galaxien gibt. Die Angaben schwanken, es wird auch die Zahl von 100 Milliarden genannt. Es erscheint daher als wahrscheinlich, dass eine hinreichend großräumige Betrachtung – eine „Large-Scale-Betrachtung” – Regelmäßigkeiten hervortreten lässt, zumindest bei einer entsprechenden „Ausglättung”. Dazu eine Analogie: Betrachtet man die Erde aus hinreichend großer Entfernung, z.B. vom Mond aus, so erscheint sie als fast symmetrische homogene Kugel – genauer als sphärisches Geoid – von der die wahre Erdoberfläche „im Kleinen” abweicht. Kommt man näher heran, so hat man es zu tun mit Wetter, Erdbeben, Lawinen, Vulkanismus und Tsunamis. Die Erforschung all dieser Phänomene ist zwar lebenswichtig, sie haben aber offensichtlich nichts mit der Globalstruktur der Erde zu tun. Analog dazu sollte der Kosmos, metaphorisch gesprochen, aus hinreichend großer „Entfernung” betrachtet, also nach entsprechender Ausglättung der unregelmäßigen Materie- und Geschwindigkeitsverteilung, eine Globalstruktur erkennen lassen. Die Idee einer Large-Scale-Struktur des Kosmos bei Betrachtung „aus großer Entfernung” kann aufgefasst werden als ein erweitertes „kopernikanisches Prinzip”, wodurch sie sogar eine konkrete Fassung erhält. Seit Kopernikus ist es unsere Überzeugung, dass wir nicht – und auch nicht die Sonne oder die Milchstraße – eine besonders ausgezeichnete zentrale Lage im Kosmos 32 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT einnehmen. Und etwas erweitert, dass es überhaupt keinen zentralen Punkt im Kosmos gibt, d.h. dass alle Orte im Kosmos ihrer Lage nach gleichberechtigt sind. Damit akzeptieren wir die Berechtigung der Ausglättung und sind der Überzeugung, dass der Kosmos homogen ist. Darüber hinaus sind wir überzeugt davon, dass der Kosmos für Beobachter an jedem beliebigen Ort gleich ausschaut, gleichgültig, in welche Richtung sie blicken. D.h. wir sind der Überzeugung, dass der Kosmos räumlich isotrop ist. Das ist das „Kosmologische Prinzip”. Seine mathematische Umsetzung war der entscheidende Schritt für die Anwendung der ART zur Herleitung von Large-Scale-Eigenschaften des Kosmos. 4. Robertson-Walker (RW)-Metrik Die „Unbekannte” in der Einstein-Gleichung ist der sog. metrische Fundamentaltensor, eine 4x4-Matrix, also 16 einzelne unbekannte Funktionen, die von den Raum-Zeit-Koordinaten eines zunächst beliebigen Koordinatensystems abhängen. Die Frage ist, welche Nebenbedingungen für diese Unbekannten ergeben sich aus dem kosmologischen Prinzip und gibt es ausgezeichnete Koordinatensysteme, wo jene besonders einfach sind? Dabei ist zu beachten, dass Raum- und Zeitkoordinaten keine absolute Bedeutung haben, sondern nur der kombinierte „Ereignispunkt” als Ganzes. Man kann aber fragen: was bedeutet das kosmologische Prinzip für den räumlichen Anteil in einem einmal gegebenen Koordinatensystem? Die Antwort lautet: Die Bedingungen Homogenität und Isotropie implizieren sofort, dass der räumliche Anteil notwendig von konstanter Krümmung ist, aber die Krümmung kann zeitabhängig sein. Nach Helmholtz gibt es nur drei Raumtypen konstanter Krümmung, den euklidischen Raum mit K = 0, den sphärischen Raum mit K = 1/R3 und den hyperbolischen Raum mit K = −1/R3, wobei K die Gaußsche Krümmung und R der Krümmungsradius ist. 33 HELLMUT BAUMGÄRTEL Die folgende Abb. 2 veranschaulicht diese drei Raumformen und die jeweilige Längenmessung. Dabei ist der Krümmungsradius R = 1 gesetzt, man spricht in diesem Fall vom Referenzraum. In der Abbildung ist nur eine Raumdimension präsent, die zweite entsteht durch Rotation um die senkrechte Achse, die dritte wird völlig ignoriert. Abb. 2: Die 3 Raumformen Das einschalige Rotationshyperboloid veranschaulicht den hyperbolischen Raum, die Gerade den euklidischen Raum und die Kugeloberfläche die 3-Sphäre. Man beachte, dass zwar die Abstandskoordinaten χ0 und χ1 genau die euklidischen Längen in der Abbildung sind, während – im hyperbolischen Fall – die Abstandskoordinate χ−1 nicht die euklidische Länge in der Abbildung ist, sondern der Wert des Parameters in der Parameterdarstellung des Hyperboloidpunktes vermöge P−1 = {sinh χ−1, cosh χ−1}, vom Mittelpunkt der Kugel aus gerechnet. 34 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT Ist nun R > 1, so ist die Gaußsche Krümmung gegeben durch K := ε/R3 mit ε:= 0,±1, der Punkt P ist gegeben durch die Koordinaten P := {R, χ} und der Abstand zum Nullpunkt durch dis(P, 0) = Rχ. Die für die Entfernungsberechnung wichtigen Flächeninhalte der 2-Sphären mit Mittelpunkt 0 und Radius d := Rχ bestimmen sich zu d , sphärisch , R F = 4 π d 2 , euklidisch, d F = 4 π R2 sinh 2 χ = 4 π R 2 sinh 2 , hyperbolisch. R F = 4 π R 2 sin 2 χ = 4 π R 2 sin 2 (2a) (2b) (2c) Die 16 Unbekannten sind nun kodiert in der sog. invarianten infinitesimalen „Ereignislänge” ds, die sich aus der Abstandsformel und dem Lichtfortpflanzungsgesetz c2t2 − (Rχ)2 = 0 ergibt: 2 2 2 2 2 2 2 2 2 ds = c dt − R(t ) ( d χ + f ( χ ) ( d Θ + sin Θ d ϕ )) (3) Dabei ist f (χ ) = { sin χ , ε = + 1, 0, ε = 0, sinh χ , ε = −1. (4) Θ ist der Rotationswinkel in der Abbildung und φ entspricht der unterdrückten Raumdimension als zusätzlicher Drehwinkel. R(t) heißt Skalenfaktor. Er hängt mit der Gaußschen Krümmung des Raumes zur Zeit t zusammen: K (t) = ε , ε = 0,± 1. R(t )3 35 (5) HELLMUT BAUMGÄRTEL Aus der Formel für die Ereignislänge (Gl. 3) ergeben sich die gesuchten Nebenbedingungen und die Tatsache, dass das kosmologische Prinzip die Existenz eines ausgezeichneten Koordinatensystems impliziert. Es lässt sich physikalisch so interpretieren: Es ist angepasst an „typische” – d.h. radial frei fallende – Galaxien, die im Referenzraum, wo der Skalenfaktor R(t0) = 1 ist, feste Abstände χ voneinander haben. Ist zur Zeit t der Skalenfaktor gleich R(t), so sind die entsprechenden Abstände gleich R(t)χ. Ihre radiale Geschwindigkeit ergibt sich aus der Zeitabhängigkeit des Skalenfaktors. Eine mit einer solchen Galaxie verbundene Uhr zeigt die Zeit t an, die Eigenzeit. Die Large-Scale-Dynamik des Kosmos wird also durch den Skalenfaktor bestimmt. Der räumlich-geometrische Typ des Kosmos ist aber zeitunabhängig. Im sphärischen und hyperbolischen Fall bestimmt der Skalenfaktor auch den Absolutwert der Raumkrümmung. Im euklidischen Fall bedeutet er lediglich eine Ähnlichkeitstransformation, die es übrigens nur in euklidischen Räumen gibt. Der Weltraum ist demnach zu jeder Zeit – nach der Ausglättung – ein Raum konstanter Krümmung, also entweder ein Euklidischer „flacher” oder ein positiv gekrümmter „sphärischer” oder ein negativ gekrümmter, hyperbolisch „sattelförmiger” Raum. Nach den Vorbemerkungen über die Raumkrümmung in der Nähe eines massiven Körpers sind diesem gleichmäßig gekrümmten Raum – kosmisch beurteilt – kleinere Mulden eingeprägt, die von Galaxien bzw. von Galaxienhaufen herrühren. Die Ausglättung entspricht der Darstellung der Erdoberfläche durch das nahezu sphärische Geoid, von dem die wahre Erdoberfläche „im Kleinen” abweicht. 5. Die Periode von 1917 bis 1929 Wie schon erwähnt, waren es ab 1917 vor allem Einstein, Friedmann, de Sitter und Lemaitre, die die ART auf kosmologische 36 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT Probleme angewandt haben. Einstein war überzeugt davon, dass der Kosmos stationär sein müsse. Deshalb suchte er stationäre Lösungen seiner Gleichung. Es stellte sich heraus, dass stabile Lösungen immer einen zeitabhängigen Skalenfaktor haben, wenn die kosmologische Konstante Null ist. Da das seiner Überzeugung widersprach, versuchte er es mit einer positiven Konstante. Zwar existieren dann stationäre Lösungen, sie sind aber instabil. Auf Friedmann geht die Friedmann-Gleichung zurück, die man erhält, wenn man die RW-Metrik in die Einstein-Gleichung einsetzt. Unter diesen Bedingungen reduziert sich die EinsteinGleichung auf eine nichtlineare Differentialgleichung für den Skalenfaktor: 2 ( ) dR dt 1 = α + σ 2 + Λ c 2 R2 − ε c 2 . R R 3 (6) R ist der Skalenfaktor, ε = 0, ±1 die Krümmungskonstante, α= 8π G ρ mat (t)R (t)3 , 3 (7) eine Massekonstante, weil die Materiedichte ρmat wegen der räumlichen Homogenität nur von t abhängt und ρmat(t)R(t)3 eine Konstante ist aufgrund der Einstein-Gleichung. σ ist eine Strahlungsinvariante unter der Annahme, dass Materie und Strahlung nicht koppeln. σ = 0 beschreibt die nichtrelativistische Näherung des Kosmos in Large-Scale- Betrachtung. Friedmann betrachtete Lösungen seiner Gleichung, die ein Wachstum des Skalenfaktors aufwiesen. Einstein kritisierte seine Konstruktionen, musste aber seine Kritik, die auf mathematischen Argumenten basierte, zurücknehmen und attestierte Friedmann dann zwar „korrekte Rechnung”, aber „falsche Physik”. 37 HELLMUT BAUMGÄRTEL De Sitter betrachtete von Anfang an den Fall einer positiven kosmologischen Konstante und zwar in einem masselosen Kosmos. Dieses Modell heißt „de Sitter- Universum” und ist vor allem interessant als mögliches asymptotisches Grenzmodell für andere Lösungstypen. Lemaitre konstruierte ebenfalls Lösungen mit wachsendem Skalenfaktor und fasste die Konsequenzen ihrer zeitlichen Rückverfolgung in die Vergangenheit ins Auge. Er wird als Erfinder der sog. „Urknallhypothese” angesehen. Auch ihm bescheinigte Einstein „richtige Rechnung”, aber „falsche Physik”. Die Kritik Einsteins an Friedmann und Lemaitre hatte, abgesehen von seiner Präferenz stationärer Lösungen, wahrscheinlich auch folgenden Grund: Extrapoliert man nämlich eine Lösung mit „Expansion” von einem Anfangswert des Skalenfaktors aus „zurück in die Vergangenheit”, so wird er immer kleiner und strebt schließlich in endlicher Zeit gegen Null. Materiedichte und Skalenfaktor sind aber – als direkte Konsequenz aus der Einstein-Gleichung und dem kosmologischen Prinzip – gekoppelt derart, dass mit kleiner werdendem Skalenfaktor die Materiedichte immer größer wird und schließlich über alle Grenzen wächst. Diese Tatsache lässt zwei unterschiedliche Schlussfolgerungen zu: Variante 1: Für zu kleine Skalenfaktoren muss die Anwendbarkeit der ART in Frage gestellt werden, denn sie ist eine klassische Theorie, die für zu kleine Abstände nicht mehr zuständig ist. Das würde bedeuten: ART und kosmologisches Prinzip sagen zwar etwas aus über Gegenwart, nähere Vergangenheit und Zukunft des Kosmos, aber nur bedingt etwas über seine „ferne Vergangenheit”. Variante 2: Die ART ist zwar in der bisherigen Form für zu kleine Abstände nicht mehr zuständig und die Gravitationstheorie muss modifiziert werden, aber „die Richtung stimmt”, d.h. die Large-Scale-Struktur des Kosmos besagt, dass er dynamisch ist und diese Dynamik muss notwendig als eine Explosion des Kosmos in einer fernen Vergangenheit aufgefasst werden, der „am 38 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT Anfang” eine gewaltige Materie-Energie-Dichte aufwies, die diese Explosion verursachte. Lemaitre hat übrigens nicht nur Urknall-Lösungen konstruiert, sondern auch erkannt, dass der Ansatz einer positiven kosmologischen Konstante folgendes Modell, nämlich eine Hybridlösung, zulässt: Die Expansion startet nicht bei R gleich Null, sondern aus einer der in diesem Fall möglichen stationären aber instabilen Lösungen R größer als Null heraus und sie endet – nach unendlich langer Zeit – in einem masselosen de Sitter-Universum. All diese Arbeiten waren keine reinen Spekulationen, sondern mathematisch-theoretische Folgerungen aus der Einstein-Gleichung und ihrer Kombination mit dem kosmologischen Prinzip, es gab aber keine entsprechenden empirischen Indizien aus der Astronomie. Das änderte sich schlagartig nach 1929. 6. Rotverschiebung und Hubble-Gesetz Bereits zwischen 1910 und 1920 entdeckte der Astronom Slipher, dass die Spektrallinien zahlreicher Nebel leichte Verschiebungen ins Rote oder Blaue aufwiesen. Er interpretierte das sofort als Doppler-Effekt, wonach das Verhältnis von beobachteter zu emittierter Wellenlänge minus 1 proportional ist zur Relativgeschwindigkeit von Objekt und Beobachter. Dieses Verhältnis heißt Rotverschiebung (im „roten” Fall). Danach bewegte sich z.B. der Andromeda-Nebel mit 300 km/sec auf die Erde zu, während sich die ferner stehenden Galaxiehaufen im Sternbild Jungfrau mit etwa 1000 km/sec von der Erde fortbewegten. Das war die ursprüngliche Vorstellung: es handelt sich lediglich um relative Geschwindigkeiten, in denen sich eine Bewegung unseres eigenen Sonnensystems in Richtung auf einzelne oder fort von anderen Galaxien ausdrückt. Diese Erklärung wurde allmählich unhaltbar, wegen der wachsenden Zahl größerer Spektralverschiebungen zum roten Ende hin. Es schien, als wür39 HELLMUT BAUMGÄRTEL den – abgesehen von einigen engen Nachbarn wie Andromeda – die übrigen Galaxien von uns forteilen. 1929 teilte Edward Hubble folgendes mit: Er habe entdeckt, dass die Rotverschiebung, die proportional zur „Fluchtgeschwindigkeit” ist, auch proportional ist zur Entfernung der betreffenden Lichtemittenten von uns. Seine damaligen Daten gaben diesen Zusammenhang allerdings kaum her. Aber 1931 hatte Hubble bereits besseres Material: er konnte die Proportionalität zwischen Rotverschiebung – also zwischen Geschwindigkeit in der Interpretation der Rotverschiebung als Doppler-Effekt – und Entfernung für Galaxien mit Geschwindigkeiten bis zu 20000 km/sec verifizieren. Der Proportionalitätsfaktor heißt Hubble-Konstante. Aus dem kosmologischen Prinzip folgt sofort, dass eine solche von einem Beobachtungsort aus festgestellte Fluchtbewegung von jedem anderen Ort aus ebenso beobachtet werden würde, d.h. sie muss auf jeden Fall mittelpunktslos sein. Aus diesem Prinzip folgt auch, dass die kosmische Relativgeschwindigkeit von Objekt und Beobachterort zur Jetztzeit trivialerweise proportional ist zu ihrer gegenwärtigen Entfernung, denn die Abstände zwischen Raumstellen – also Stellen des kosmischen Substrats – zu einem beliebigen Zeitpunkt sind immer proportional zum Skalenfaktor zu diesem Zeitpunkt und proportional zu ihrem Abstand im Referenzraum. Das entspricht genau der Hubble- Entdeckung. Außerdem kann aus dem kosmologischen Prinzip gefolgert werden, dass dann eine zur Jetztzeit bestehende mittelpunktslose Fluchtbewegung nur durch ein Wachstum des Skalenfaktors zur Jetztzeit verursacht sein kann. Beobachtet wird ein Objekt allerdings im Zustand einer früheren Zeit. Es ist also der Unterschied zwischen Entfernung zur Jetztzeit und zu einem früheren Zeitpunkt zu beachten. Für kleine Lichtlaufzeiten von Objekt zum Beobachter ist dieser Unterschied vernachlässigbar. Deshalb ist das Hubble-Gesetz, im Rahmen relativ kleiner Lichtlaufzeiten, ein Indiz für die Gültigkeit des kosmologischen Prinzips. 40 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT Es kann auf jeden Fall als eine erste empirische Erkenntnis über die durch den Skalenfaktor gegebene Dynamik des Kosmos interpretiert werden und ist somit eine notwendige Nebenbedingung für eine realistische Lösung der Friedmann-Gleichung. Was bedeutet das nun physikalisch? Der Kosmos dehnt sich zur Zeit aus, er expandiert, und zwar infolge einer homogenen inneren Expansion des Raumes, einer Aufblähung aller Raumgebiete. Die mittelpunktslose Fluchtbewegung ist so zu verstehen: die Galaxien schwimmen im allgemeinen kosmischen Strom, sie werden mitsamt den Orten, an denen sie sich befinden, fortgetragen. Dann wird aber ein neues Verständnis der Rotverschiebung erforderlich, nämlich eines, das den Lichtweg vom Emittenten zum Beobachter einbezieht: Auch das Licht unterliegt der Raumdehnung, die Lichtwelle wird auseinandergezogen (Abb. 3). Abb. 3: Lichtwellendehnung t ist die Emissionszeit, T die Beobachtungszeit, Q bzw. Q' die Quelle (Galaxie) und E bzw. E' der Beobachter. R(T), R(t) sind die Skalenfaktoren zu den Zeiten T, t. Die Wellenlängen zum Emissions- bzw. Beobachtungszeitpunkt sind mit λQ, λE bezeichnet. Dann ist der Ausdehnungsfaktor gegeben durch 41 HELLMUT BAUMGÄRTEL λ E R (T ) = = 1 + z , t≺T , λQ R(t) (8) wo z die Rotverschiebung bezeichnet. Das Hubble-Gesetz ergibt sich aus dieser Formel für kleine Zeitintervalle T – t zu c⋅z = R ' (T ) ⋅d , R (T ) (9) wo d der Abstand von Q' und E' ist, d.h. die Hubble-Konstante H0 ist mit dem Skalenfaktor zur Jetztzeit T verknüpft durch dR (T ) dt H0 = . R (T ) (10) Durch diese Interpretation der Rotverschiebung ergibt sich der unmittelbare Zusammenhang der Hubble-Konstante mit dem Skalenfaktor. Gleichzeitig wird deutlich, dass das Hubble-Gesetz nur für hinreichend kleine Lichtlaufzeiten gilt. Lemaitre hat als erster die Rotverschiebung nicht als Dopplereffekt interpretiert, sondern als Konsequenz aus der Expansion des Raumes. Die Hubble-Konstante kann damit, neben der Lichtgeschwindigkeit, als eine weitere globale Naturkonstante betrachtet werden, und zwar für die Large-Scale-Struktur des Kosmos zur Jetztzeit. Die gemessenen Werte der Hubble-Konstante schwanken zwischen etwa 70 und 74 km/sec·Mpc (Megaparsec), 1 Mpc = 3,26 Millionen Lichtjahre. 42 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT 7. Das Einstein-de Sitter Modell Die Beobachtungsresultate von Hubble überzeugten Einstein davon, dass der Kosmos nicht statisch, sondern dynamisch ist und expandiert. Deshalb sah er seine Versuche, mit einer positiven kosmologischen Konstante stationäre Lösungen zu konstruieren, als Irrweg an. Außerdem hatten die theoretischen Konstruktionen von Friedmann und Lemaitre gezeigt, dass die Einstein-Gleichung für eine verschwindende kosmologische Konstante Lösungen besitzt, die Expansion aufweisen. Man konnte sich also für eine realistische Beschreibung der Dynamik des Weltradius auf die Friedmann-Gleichung mit Lambda gleich Null konzentrieren. Die Hubble-Konstante lieferte dabei eine erste Nebenbedingung für die in Betracht kommenden Lösungen. 2 ( ) dR dt (11) = α − ε c2 . R Die Nebenbedingung lautet H 20 = 2 α −ε c , T = Jetztzeit . R(T ) 3 R(T )2 (12) Ersetzt man α durch die Materiedichte ρmat(t) zur Zeit t, so erhält man mit Gl. (7) H 20 = 2 8π G c ρ mat (T ) − ε . 2 3 R(T ) (13) Die Lösungen für ε = 0, -1 unterscheiden sich qualitativ deutlich von denen für ε = 1. In letzteren Fall gibt es für die Lösungen eine verbotene Zone R ≥ Rmax . Die konstante Lösung R(t) = Rmax ist instabil und stellt für Lösungen, wo der Skalenfaktor den Maximalwert erreicht, eine Verzweigungsalternative dar (Abb. 4). 43 HELLMUT BAUMGÄRTEL Abb. 4: Diagramme des Skalenfaktors im Einstein-de Sitter-Modell Im Fall ε = 0, also im Fall einer Lösung für einen euklidischen (flachen) Kosmos, ist die Materiedichte zur Jetztzeit ρ mat (T ) = 3 H 20 =: ρ cr . 8π G (14) Sie heißt die kritische Dichte. Einstein erklärte später seine Einführung der kosmologischen Konstante als seine „größte Eselei”. Zusammen mit de Sitter veröffentlichte er 1932 das sog. Einstein-de Sitter-Modell, indem er in der Gleichung (11) das Epsilon gleich Null setzte. Es ist also das Modell eines flachen Kosmos ohne kosmologischen Term. Beide Wissenschaftler waren zu dieser Zeit in Kalifornien. Ihre Arbeit stand gleichzeitig für die Distanzierung sowohl von Einstein als auch von de Sitter von der kosmologischen Konstante, die infolge der empirischen Erkenntnis eines dynamisch expandierenden Kosmos damals nicht mehr nötig zu sein schien. Die zusätzliche Präferenz eines flachen Kosmos hatte mindestens zwei Gründe. Einmal ist in diesem Fall die mittlere Materiedichte in der Gegenwart durch die Hubble-Konstante eindeutig bestimmt. Zum anderen ist das Modell sehr einfach 44 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT explizit lösbar, die Kinematik des Skalenfaktors kann mühelos berechnet werden: der Kosmos expandiert „für immer”, wenn auch immer langsamer. Man kann Altersbestimmungen des Kosmos ableiten, wenn man den Zeitpunkt, wo der Skalenfaktor Null wird, als Urknall, als „Beginn der Existenz des Kosmos” deutet. Der Schwachpunkt dieses Modells ist, dass man die Alternativen „sphärisch” und „hyperbolisch” nicht ganz außer Acht lassen darf. Im Grunde ist die Bedingung eines flachen Kosmos eine sehr instabile, da jede noch so kleine Abweichung der mittleren Materiedichte vom Wert der kritischen Dichte einen Qualitätssprung in der Geometrie zur Folge hat: Wäre jene kleiner, so muss der Kosmos notwendig hyperbolisch sein, im übrigen gibt es wenig Änderung im Vergleich zur Flachheit. Wäre die mittlere Dichte aber größer, so wäre der Kosmos sphärisch, der Skalenfaktor ein echter Weltradius und das Volumen des Kosmos wäre 2π2·R3. Wegen des verbotenen Bereichs gibt es in diesem Fall für den Weltradius einen Maximalwert und – nach dem Erreichen dieses Wertes – eine Verzweigungsalternative: der Kosmos könnte eine Weile im stationären instabilen Zustand verharren, um von einem zufälligen Zeitpunkt an zu kontrahieren und einen sog. Schlussknall verursachen. Abgesehen von der geometrischen Instabilität der Flachheitsbedingung ist eine hinreichend genaue Bestimmung der gegenwärtigen mittleren Materiedichte praktisch unmöglich. Bereits Einstein hatte darauf hingewiesen, dass es zwar untere Schranken für die Dichte gibt, dass es aber keine beobachtbare obere Schranke dafür geben kann, weil wir nicht wissen können, wie groß der Kosmos wirklich ist. Trotz dieser offenen Fragen avancierte das Einstein-de SitterModell – mit der Flachheitspräferenz – zum allgemein anerkannten Mainstream-Modell und hatte ca. 60 Jahre Bestand. 45 HELLMUT BAUMGÄRTEL 8. Motiv, Ziel und Resultate Obwohl die astronomische und kosmologische Community überzeugt davon war, dass dieses Modell, in dem die kosmologische Konstante Null ist, richtig ist, hatte man bis Ende der 80er Jahre keinen Fortschritt erzielt, um Klarheit darüber zu gewinnen, welche der drei unterschiedlichen Alternativen für die Geometrie des Kosmos und seine zeitliche Evolution der Realität entspricht. Das Motiv der beiden Teams war nun, in dieser Frage eine Entscheidung herbeizuführen und das Modell mit einer neuen Strategie zu testen. Diese beruhte, wie schon erwähnt, darauf, sehr weit entfernte Supernovae Ia zu beobachten und ihre Rotverschiebung und scheinbare Helligkeit zu messen. Entscheidend dabei war die in der vorhergehenden Zeit gut begründete Annahme, dass die absolute Helligkeit für Supernovae Ia immer dieselbe, also eine Konstante ist. Der Quotient von absoluter und scheinbarer Helligkeit ist ein Maß für die Verteilung der vom Emittenten ausgehenden Gesamtenergie auf die 2-Sphäre um den Emittenten mit einem Radius d, der die Entfernung der Supernova von der Erde zur Jetztzeit darstellt. Im euklidischen Fall ist das Maß dieser Fläche 4πd2, im sphärischen Fall ist das Maß kleiner, im hyperbolischen größer. Auf diese Weise können aus scheinbaren Helligkeiten vergleichbare Entfernungen berechnet werden. Wie ganz am Anfang erwähnt, wurden im Verlauf von 8 Jahren mindestens 50 sehr weit entfernte Supernovae untersucht mit Rotverschiebungen von 0,3 bis 0,7. Die am weitesten entfernte war SN 1997ap mit 0,83. Saul Perlmutter hat 2003 ein Diagramm „Rotverschiebung versus scheinbare Helligkeit” mit einer Auswahl der Beobachtungsergebnisse des SCP veröffentlicht. Auf der anderen Seite lassen sich solche Entfernungen von Objekten auf der Grundlage des Modells gut theoretisch berechnen. Diese Entfernungsformel stellt die Entfernung als Funktion der Rotverschiebung und der mittleren Materiedichte dar. Dabei 46 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT muss man die Entfernung zum Emissionszeitpunkt und zum Beobachtungszeitpunkt unterscheiden. Die Entfernungsformeln werden besonders übersichtlich, wenn man den Quotienten ρ mat ρ cr =: x (15) einführt, der oft mit Ωmat bezeichnet wird. Die Hubble-Bedingung schreibt sich dann 2 c 1= x−ε , 2 2 R (T ) H 0 (16) wobei x = 1 dem flachen, 0 < x < 1 dem hyperbolischen, x > 1 dem sphärischen und x = 0 dem masselosen Kosmos entspricht, der natürlich ebenfalls hyperbolisch ist. Bei gegebener Rotverschiebung z ist die Entfernung eines Objekts (Supernova Ia) zur Erde zur Beobachtungszeit T (Emissionszeit t < T) gegeben durch d (z ; x) = c 1 ∫ H 0 (1+ z) −1 du √ u( x−( x −1) u) (17) Die Entfernung zum Emissionszeitpunkt ergibt sich dann durch Multiplikation mit (1 + z)-1. Z.B. ist d ( z ,0) = ( ) c c 1 1 log ( 1 + z), d( z ,1) = 1− , H0 H0 2 √ 1+ z und d(z, x) < d(z, 1) für x > 1 (Abb. 5). 47 (18) HELLMUT BAUMGÄRTEL Abb. 5: Entfernungsdiagramm des Einstein-de Sitter-Modells Die Erwartung der beiden Teams war, dass ihre Beobachtungen und Messungen das euklidische Einstein-de Sitter-Modell bestätigen würden, d.h. sie werteten – bei gegebener Rotverschiebung – das erwähnte Flächenmaß F euklidisch aus und erwarteten, dass die so berechnete Entfernung mit der Entfernung der Modell-Entfernungsformel für die kritische Dichte – also für x = 1 – übereinstimmen würde. Die große Überraschung war aber, dass etwas anderes herauskam: die durch Beobachtung und Berechnung gewonnene Entfernung war erstens größer als die theoretische Modell-Distanz für die kritische Dichte. Zweitens sieht man aus der Abbildung, dass die theoretische Distanz für Dichten größer als die kritische Dichte immer kleiner ist als die Distanz für die kritische Dichte. Aber die beobachteten Entfernungen waren sogar größer als die Modell-Distanz für Dichten kleiner als die kritische Dichte, ja sogar größer als die Modell-Distanz im masselosen Fall. Perlmutter (2003): „The high-redshift supernovae in figure 3 are, however, fainter then would be expected even for an empty cosmos.” Im masselosen Fall muss die erwähnte Fläche F hyperbolisch ausgewertet werden. Im masselosen Fall ist aber – wenn man die 48 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT Zeit von R = 0 an zählt – die Jetztzeit T gegeben durch 1/Ho wegen der Hubble-Bedingung, damit ist für diesen Fall der Skalenfaktor bekannt und gleich R = R (T ) = c = 13,25 · 109 Lichtjahre. H0 Es ist dann ( 1/ 2 √ ) d F F = log + 1+ . 1/ 2 2 R 2Rπ 4π R (19) Wenn also F klein ist gegenüber 4πR2, so ist ( F 1/2 d≈ R log 1 + 1/ 2 2Rπ ) F 1 /2 ≈ R· 1/ 2 2Rπ (20) also d2 ≈ F/4π, d.h. dann ist die euklidische Auswertung der Fläche F eine gute Näherung. Die Konsequenzen dieser Tatsache sind einschneidend: Das Einstein-de Sitter-Modell ist zur Beschreibung der Large-ScaleStruktur des Kosmos ungeeignet. Die Voraussagen dieses Modells für Entfernungen von Licht emittierenden Objekten zu uns zur Jetztzeit bzw. zur Emissionszeit sind falsch, d.h. das ganze Modell ist falsch. Was bedeutet das? Das allgemeine FriedmannModell mit nicht-negativer kosmologischer Konstante ist eine Deduktion aus der Kombination von ART und dem kosmologischen Prinzip. Die ART ist als klassische physikalische Theorie völlig unangefochten und das kosmologische Prinzip ist für die Large-Scale-Betrachtung grundlegend. Folgt man nun Einsteins Prämissen für die Herangehensweise an die Physik, die da lauten: „minimale Hypothesenbildung, logische Konsistenz fordern, und niemals experimentellen Befunden widersprechen”, so 49 HELLMUT BAUMGÄRTEL ergibt sich als zwangsläufige Konsequenz: Die kosmologische Konstante muss von Null verschieden sein. Einsteins Einführung dieser Größe war also nicht nur keine Eselei, sondern erweist sich als eine Notwendigkeit zur Beschreibung der Large-Scale-Struktur des Kosmos. Nach dieser unerwarteten aber unausweichlichen Interpretation der Resultate beider Teams ist die eingehende Untersuchung der Lösungstypen der Friedmann-Gleichung mit positiver kosmologischer Konstante, wie sie schon von Friedmann, Lemaitre und auch de Sitter begonnen wurde, ein „muss”. Dabei treten – im Gegensatz zum Einstein-de Sitter-Modell – qualitativ völlig neue Aspekte auf. Dazu einige mathematische Anmerkungen. In der allgemeinen Friedmann-Gleichung spielt z.B. eine interne charakteristische Größe, die Diskriminante, eine wesentliche Rolle, die entscheidend die globalen Eigenschaften der Modelle mitbestimmt. Diese Größe entfaltet erst im Fall Λ > 0 ihre volle Wirkung. Vor allem ist ihre Beziehung zur Hubble-Bedingung zu klären. Sie ist definiert durch die Zahl 9α2Λ – 4εc4. Die Diskriminante ist positiv genau dann, wenn zu jedem positiven Anfangswert eine Lösung der Friedmann-Gleichung existiert. Ist sie negativ, so gibt es einen verbotenen Bereich, der von der kosmologischen Konstante abhängt. Das völlig Neue ist aber, dass es dann einen oberen erlaubten Bereich gibt, der allerdings nach oben ins Unendliche verschwindet, wenn die kosmologische Konstante gegen Null strebt (siehe Abb. 6), so dass im Einstein-de Sitter-Fall gar kein oberer erlaubter Bereich mehr vorhanden ist (siehe Abb. 4). In diesem oberen Bereich liegt die schon kurz erwähnte Hybrid-Lösung von Lemaitre (siehe Abb. 8). 50 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT Abb. 6: Verbotene Zone bei negativer Diskriminante Im euklidischen oder hyperbolischen Fall ist die Diskriminante immer positiv und es gibt dann keinen verbotenen Bereich, d.h. dieser tritt nur im sphärischen Fall auf. Die Lösungen bei positiver Diskriminante (siehe Abb. 7) zeigen eine interessante Eigenschaft, die ein Hinweis sein könnte für eine sichere Beantwortung der Frage nach der globalen Geometrie des Kosmos, falls der Kosmos überhaupt von einer positiven Diskriminante „regiert” wird. Der Fall der sphärischen Geometrie ist nämlich dadurch ausgezeichnet, dass der Hubble-Parameter H (t ) := R ' (t) R (t) nach dem sog. Wendepunkt, also dem Umschlag von Bremsung zu Beschleunigung, ein Minimum besitzt und danach immer wachsend ist, während er in den beiden anderen Geometrien ständig fällt. Ein temporäres Wachstum des Hubble-Parameters tritt also nur bei sphärischer Geometrie auf. Die Diagramme für eine negative Diskriminante sehen ganz unterschiedlich aus (Abb. 8): 51 HELLMUT BAUMGÄRTEL Abb. 7: Diagramme für Skalenfaktor und Hubble-Parameter bei positiver Diskriminante 52 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT Abb. 8: Diagramme für Skalenfaktor und Hubble-Parameter bei negativer Diskriminante 53 HELLMUT BAUMGÄRTEL Neben dem BigCrunch-Modell im unteren erlaubten Bereich gibt es hier die Hybrid-Lösung im oberen Bereich, wo der Hubble-Parameter ständig wachsend ist. Eine signifikante Entscheidung hinsichtlich der Raumgeometrie wäre danach am ehesten möglich, wenn man den Hubble-Parameter für weiter zurückliegende Zeitepochen beobachtungsmäßig in den Griff kriegen könnte. Allerdings gibt es beim BigBang-Modell im sphärischen Fall das Problem, dass in der Zeit zwischen Wendepunkt und dem Minimum von H der Hubble-Parameter noch fallend ist. In diesen Diagrammen spielt die Hubble-Bedingung noch keine Rolle. Erst die Kombination von Diskriminante und Hubble-Bedingung zeigt an, welche Kombinationen von Materiedichte und kosmologischer Konstante zu positiver und welche zu negativer Diskriminante führen. Führt man eine zeitlich konstante Energiedichte ρΛ ein, die der kosmologischen Konstante zugeordnet wird, ρ Λ := Λ c2 , 8π G (21) und bezieht diese durch y := ρΛ / ρcr ebenso wie ρmat auf Einheiten der kritischen Dichte, so erhält die Hubble-Bedingung die Form 1 = x+ y−ε u , u := c2 , H 20 R(T )2 (22) und die Diskriminante sieht so aus: 2 2 4 6 2 3 c (9 α Λ − 4 ε c ) = (H 0 R(T )) (27x y − 4( ε u) ) . (23) Da für den Lösungstyp (nur) das Vorzeichen der Diskriminante entscheidend ist, ist die entscheidende Größe gegeben durch D := 27x 2 y − 4( x + y−1)3 . 54 (24) SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT Abb. 9: Graphische Darstellung der algebraischen Kurve D(x,y) = 0. 55 HELLMUT BAUMGÄRTEL Die Abb. 9 zeigt die graphische Darstellung der algebraischen Kurve D = 0 im Quadranten x > 0, y > 0 möglicher Kombinationen von Materie-und „kosmologischer” Energiedichte, der dadurch in die Gebiete mit D > 0 und D < 0 zerlegt wird. Sie zeigt die Asymptotik der Kurve: Einmal ist die sog. Wendepunktsgerade 1.A Asymptote für den oberen Ast der Kurve, der untere Ast hat eine zweite, dazu parallele Asymptote 2.A. Daraus erkennt man: Für sehr große Materiedichten gibt es nur noch ein schmales Intervall von Werten für die kosmologische Konstante mit D > 0. Umgekehrt, wenn Lambda wächst, so wird das Intervall für die mittlere Materiedichte, für die D > 0 ist – so dass ein Urknall stattfinden könnte – immer kleiner, bleibt aber von endlicher Länge. Um die Daten des SCP und des Schmidt-Teams zu vergleichen mit den theoretischen Entfernungsberechnungen auf der Basis des Friedmann-Modells mit positivem Λ und die Daten anzupassen, d.h. passende Werte für x und y anzugeben, braucht man die Rotverschiebungs-Distanz-Formel für dieses Modell: Bei gegebener Rotverschiebung z ist die Entfernung eines beobachteten Objekts zum Beobachtungszeitpunkt T (Emissionszeitpunkt t < T) in Abhängigkeit von x und y gegeben durch d ( z ; x , y) = c H0 1 ∫(1+ z) du −1 √ u( x+ yu −( x + y−1) u) 3 . (25) Für x = 0, y = 1 erhält man z.B. d(z; 0, 1) = (c/H0)z, also das Hubble-Gesetz. Für kleine Rotverschiebungen ergibt diese Formel natürlich auch wieder das Hubble-Gesetz, und zwar für beliebige Werte x und y. Die Entfernungsformel im Einstein-de Sitter-Modell ist der Spezialfall für y = 0 (vgl. Gl. (17)). Diese Distanzfunktion ist beim Durchgang vom hyperbolischen Gebiet (x+y < 1) über die euklidische Strecke (x+y = 1) zum sphärischen Gebiet (x+y > 1) eine stetige und glatte Funktion. Die fundamentale geometrische „Unstetigkeit”, nämlich der Wechsel vom hy56 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT perbolischen über den euklidischen zum sphärischen Raum wirkt sich also auf diese Funktion überhaupt nicht aus. Die von Perlmutter mitgeteilte Anpassung ist in der Abb. 9 eingezeichnet. Diese Anpassung x=0,3 und y=0,7 ist ein Punkt auf der Strecke x + y = 1, d.h. es wurde bewusst eine Anpassung für den euklidischen Raum gewählt. Wegen der Fehlergrenzen ist diese Anpassung natürlich nicht völlig alternativlos. Auf jeden Fall liegt sie im Beschleunigungsbereich und schließt damit den BigCrunch aus. Die zweite Konsequenz der Resultate lautet somit: Die kosmische Expansion ist derzeit eine beschleunigte. Dagegen ist das ursprünglich angepeilte Problem, eine Entscheidung über die tatsächlich realisierte Raumgeometrie herbeizuführen, nicht gelöst worden. Ja, angesichts der erwähnten Stetigkeit und Glattheit der Distanzfunktion erscheint es fast aussichtslos, auf diesem Weg – durch zukünftige Beobachtungen mit verbesserten Diagrammen – dieses Problem zu lösen. Die Astrophysiker und Kosmologen gehen heute davon aus dass die kosmologische Konstante – wenn sie nun schon positiv sein muss – auf jeden Fall ziemlich klein ist. Ist z.B. y > 1, so ist die hyperbolische und die euklidische Geometrie schon ausgeschlossen. Auf der anderen Seite kommt aus der Quantenfeldtheorie der Hinweis, dass die kosmologische Konstante mit der sog. „Vakuumfluktuation” zusammenhängen könnte, die sich als Energie der kurzzeitigen Erzeugung und Vernichtung subatomarer Teilchen und Antiteilchen in Verbindung mit Heisenbergs Unschärferelation ergibt. Nach heutigen sicher ziemlich fragwürdigen Berechnungen müsste die kosmologische Konstante dann riesig groß sein. Das große Problem ist also, den wirklichen Grund für die vermutete Kleinheit zu finden. Unabhängig davon, wie letztlich die kosmologische Konstante begründet und verstanden werden kann, sie ist – als eine intrinsisch mit dem Raum verbundene „Dunkle Energie” – auf jeden Fall in ihrer Wirkung eine makroskopische Größe, die in einer klassischen Large-Scale-Theorie als eine Materialkonstante auftreten muss. Sie wirkt als „negativer Druck”, der von jedem 57 HELLMUT BAUMGÄRTEL kleinen Raumvolumen ausgeht und dieses aufbläht: Raum hat intrinsisches Wachstum wie ein Baum oder wie der „süße Brei” in Grimms Märchen. Raum ist immer und nur der Raum der RaumZeit. Die erste Erkenntnis von der physikalischen Wirkung des Raumes war die seiner Krümmung, eine Konsequenz der ART. Eine zweite Eigenschaft, die ebenfalls aus der ART folgt, besagt, dass der Raum auch Wellen schlagen kann, nämlich Gravitationswellen. Die dritte Eigenschaft ist sein Wachstum, das mit der kosmologischen Konstante zusammenhängt. Damit sind die Indizien, dass der Raum der RaumZeit ein Medium, eine Substanz ist, noch überzeugender geworden. Er ist nicht leer, sondern ähnelt eher einem Stück Fensterglas und sein Wachstum zeigt aufs Neue, dass er kein – von der Zeit isolierter newton-artiger – Raum ist, sondern ein „relativistischer Äther“, wie ihn der Nobelpreisträger Robert Laughlin genannt hat. Herrn Dr. habil. U. Kasper danke ich für anregende Gespräche und hilfreiche Hinweise zum Thema. Literaturverzeichnis Ehlers, Jürgen, 1999: Gravitationslinsen. Lichtablenkung in Schwerefeldern und ihre Anwendung, THEMEN, Nr. 69, 58 S. Einstein, Albert, 19695: Grundzüge der Relativitätstheorie, WTB Bd. 58. Fröhlich, Steffen: 11. Vorlesung Kosmologie: page.mi.fu-berlin.de/sfroehli/RelTheorie/kapitel11.pdf Laughlin, Robert B., 2007: Abschied von der Weltformel, München. Perlmutter, Saul: Supernovae, Dark Energy, and the Accelerating Universe, Physics Today, April 2003, pp. 53-60. Schnabel, Ulrich: Mehr, als das Auge sehen kann, DIE ZEIT, 06.10.2011. de Sitter, Willem: Expansion des Universums, Wikipedia. Weyl, Hermann, 19706: Raum, Zeit, Materie, Berlin. Weinberg, Steven, 19812: Die ersten drei Minuten, dtv München. 58 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT Glossar Absolute Helligkeit: Emittierte Gesamtenergie eines astronomischen Objekts pro Zeiteinheit. Allgemeine Relativitätstheorie (ART): In den Jahren 1906 bis 1916 von Einstein entwickelte Theorie der Gravitation. Der Grundgedanke der ART besagt, dass Gravitation und Krümmung der RaumZeit einander bedingen, d.h. in der Nähe von massiven Objekten ist der Raum gekrümmt und umgekehrt impliziert Krümmung der RaumZeit die Existenz von massiven Objekten. BigBang (Urknall): Gegenwärtig allgemein akzeptiertes, aber nicht unumstrittenes Modell der zeitlichen Large-scale-Struktur des Kosmos, das Lösungen der Friedmann-Gleichung entspricht, wo der Skalenfaktor bei zeitlich rückläufiger Extrapolation gegen Null strebt. Dies war der Ausgangspunkt einer Entstehungshypothese des Kosmos als (thermonukleare?) Explosion einer auf einen „Punkt“ zusammengedrängten Materie, also eines Zustands mit „unendlich großer Materiedichte“. Diese Hypothese wurde durch das Einstein – de Sitter-Modell begünstigt, da ohne kosmologische Konstante keine physikalische Ursache für die Raumexpansion erkennbar war. BigCrunch (Endknall): Szenario eines Endstadiums des Kosmos für den Fall, dass dieser schließlich kollabiert. Die Wahrscheinlichkeit für den Endknall haben sich durch die Ergebnisse des SCP stark verringert. Diskriminante (der Friedmann-Gleichung): Interne charakteristische Größe, zusammengesetzt aus Materiedichte, kosmologischer Konstante, dem Krümmungsparameter und der Lichtgeschwindigkeit, die im Zusammenspiel mit dem Hubble-Gesetz die möglichen qualitativ verschiedenen Large-scale-Eigenschaften des Kosmos in Abhängigkeit von den genannten Größen beschreibt. Doppler-Effekt: Veränderung der Frequenz eines Signals, verursacht durch eine relative Bewegung der Quelle und des Empfängers. Bei Entfernung von Quelle und Beobachter verschieben 59 HELLMUT BAUMGÄRTEL sich die Spektrallinien zu längeren Wellenlängen, die Verschiebung ist proportional zur relativen Geschwindigkeit. Dunkle Energie: Energieform, die mit dem Raum selbst (dem „Vakuum“) und damit mit der kosmologischen Konstante zusammenhängt. Die Verbindung dieser den Kosmos durchdringenden Energie (und des entsprechenden Mediums) mit der Gravitation (und der „normalen“ Materie) sind bisher ungeklärt (siehe auch „Kosmologische Konstante“) . Einstein–de Sitter-Modell: Das ab 1932 allgemein akzeptierte Modell der Large-scale-Struktur des Kosmos, in dem die kosmologische Konstante Null gesetzt ist. Es wurde durch die SCPResultate als falsch nachgewiesen. Expansion des Raumes: Durch eine positive kosmologische Konstante verursachte intrinsische Raumeigenschaft zu wachsen und sich auszudehnen, bedingt durch „inneren negativen Druck“. Friedmann-Modell, Friedmann-Gleichung: Auf der ART und dem „Kosmologischen Prinzip“ beruhendes mathematisches Modell der raumzeitlichen Struktur des Kosmos. Galaxie: Großer, durch Gravitation zusammengehaltener Haufen von Sternen, der bis zu 1012 Sonnenmassen enthalten kann. Unsere Galaxie heißt auch Milchstraße. Galaxien werden nach ihrer Erscheinungsform als elliptische Nebel, Spiralnebel, Balkenspiralen und irreguläre Nebel klassifiziert. High-Z-Supernova Search: Paralleles Projekt zum SCP unter Leitung von Brian Schmidt, Australien. Hubblesches Gesetz: Proportionalitätsbeziehung zwischen der Geschwindigkeit, mit der nicht allzu ferne Galaxien sich von uns fortbewegen, und ihrem Abstand. Das entsprechende Verhältnis zwischen Geschwindigkeit und Entfernung ist die Hubble-Konstante H0 (Expansionsrate des Kosmos). Kosmologie: Teilgebiet der Physik, Lehre von der Struktur des Weltalls als einem einheitlichen Ganzen. Kosmologische Konstante: Eine Größe Λ, die Einstein 1917 in 60 SUPERNOVA COSMOLOGY PROJECT seine Gravitationsgleichung einführte. Dadurch erreichte er, dass bei sehr großen Entfernungen und positivem Λ eine Abstoßung hervorgerufen wurde, die in einem statischen Universum nötig war, um der gravitationsbedingten Anziehung entgegenzuwirken. Physikalisch bedeutet sie eine gleichförmige (konstante) Massendichte des Raumes, der dann konsequenterweise als Substanz, als ein Medium, aufgefasst werden muss. Auch andere physikalische Indizien stützen die Vorstellung, dass der Raum nicht leer ist, sondern ein Medium mit realen physikalischen Eigenschaften, die aber normale elastische Materie nicht besitzt (siehe auch „Expansion des Raumes“ und „Dunkle Energie“). Kosmologisches Prinzip: Postulat, dass der Kosmos bei Largescale-Betrachtung räumlich homogen und isotrop ist (eine Erweiterung des „Kopernikanischen Prinzips“). Kosmologische Rotverschiebung: Verursacht durch die Raumausdehnung, der auch das Licht unterliegt. Kritische Dichte: Fiktiver Wert für die gegenwärtige Materiedichte des Kosmos im Einstein–de Sitter-Modell, bei welchem der Kosmos räumlich euklidisch (also „flach“) ist. Large-scale-Struktur des Kosmos: Gesetzmäßigkeiten der RaumZeit-Struktur des Kosmos bei einer Betrachtung in großen raumzeitlichen Skalen, d.h. metaphorisch bei Betrachtung des Kosmos „aus großer Entfernung“. Metrischer Fundamentaltensor: Die „Unbekannte“ in der Einsteinschen Gravitationsgleichung, eine 4x4-Matrix, d.h. 16 einzelne Unbekannte, die die RaumZeit-Krümmung mit der Materie/Energie-Verteilung verknüpft und die raumzeitliche „Längenmessung“ bestimmt. RaumZeit, RaumZeit-Kontinuum: Eine 4-dimensionale Struktur (Mannigfaltigkeit) aus den drei Dimensionen des Raumes und der Dimension Zeit. Dieses Konzept, das Raum und Zeit eng miteinander verknüpft, wurde von Hermann Minkowski 1908 vorgeschlagen. Einstein integrierte es in sein spezielle Relativitätstheorie (SRT)und später in die ART. 61 HELLMUT BAUMGÄRTEL Robertson-Walker-Metrik: Umsetzung des kosmologischen Prinzips in eine adäquate Form des metrischen Fundamentaltensors. Scheinbare Helligkeit: Gesamte, von einem astronomischen Objekt empfangene Energie pro Zeiteinheit und pro Einheit der Empfangsfläche; d.h. sie gibt an, wie hell das Objekt von der Erde aus erscheint (Maßeinheit ist Magnitude, Größenklasse). Supernova Cosmology Project (SCP): Internationales Forschungsprojekt der Astrophysik von ca. 1990 bis 1998 zur Beobachtung weit entfernter Supernovae Ia unter Leitung von Saul Perlmutter, Berkeley. Skalenfaktor („Weltradius“): Der die Dynamik des Kosmos – und damit die Kinetik seiner raumzeitlichen Evolution bestimmende Term der Einstein-Gleichung in der durch das kosmologische Prinzip gegebenen Fassung, der Friedmann-Gleichung, der mit der räumlichen Large-scale-Krümmung des Kosmos zusammenhängt. Supernova: Das schnell eintretende helle Aufleuchten eines Sterns am Ende seiner Lebenszeit durch eine Explosion, bei der der Stern selbst vernichtet wird. Die Leuchtkraft des Sterns nimmt dabei millionenfach bis milliardenfach zu, er wird für kurze Zeit so hell wie eine ganze Galaxie. Supernova Ia: (Sog. „thermonukleare“ Supernova): Stern mit geringer Masse, der im vorläufigen Endstadium als „Weißer Zwerg“ Material (z.B. von einem Begleiter in einem Doppelsternsystem) akkretiert (ansammelt), durch Eigengravitation kollabiert und zerrissen wird. Es bleibt kein kompaktes Objekt übrig. Supernovae Ia dienen als Standardkerzen, sie haben gleiche absolute Helligkeit. Weißer Zwerg: Stern mit geringer Leuchtkraft und relativ hoher Oberflächentemperatur, der keine Energie mehr durch Kernfusion gewinnt und langsam abkühlt und verblasst. Seine Schwerkraft hat den Stern auf ungefähr die Größe der Erde zusammengepresst. 62