Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Prof. Dr. Philipp Engler, Michael Paetz ÜBUNG ZUR VORLESUNG MAKROÖKONOMIK I“ (SoSe 14) ” Musterlösung Aufgabenblatt 1 Aufgabe 1: Produktivitätswachstum in den USA Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Outputs je Arbeiter stieg in den USA von 1,8 % in dem Zeitram 1970 - 1995 auf 2,8 % für die Jahre 1996 - 2006. a) Wie hoch wird der Output je Arbeiter - relativ zum heutigen Niveau - in 10, 20 und 50 Jahren sein, wenn die Wachstumsrate 1,8 % pro Jahr beträgt? Die Wachstumsrate (w) bezeichnet das Wachstum einer Größe pro Zeiteinheit. Um diese zu bestimmen, setzen wir die Veränderung der Größe in Relation zum Wert der Vorperiode, wt+1 = yt+1yt−yt = yt+1 yt − 1, wobei yt die betrachtete Größe, hier Output je Arbeiter, zum Zeitpunkt t darstellt. Dies können wir nach yt+1 auflösen: yt+1 = yt ∗ (1 + wt+1 ). Ist die Wachstumsrate konstant, ist es einfach, zukünftige Werte zu berechnen: yt+2 = yt ∗ (1 + w) ∗ (1 + w) = (1 + w)2 ∗ yt , yt+x = yt ∗ (1 + w)x . Folglich: yt+10 = yt ∗ (1 + 0, 018)10 = 1, 195 ∗ yt , yt+20 = yt ∗ (1 + 0, 018)20 = 1, 429 ∗ yt , yt+50 = yt ∗ (1 + 0, 018)50 = 2, 440 ∗ yt . Der Output je Arbeiter wird in 10 Jahren 19,5 % höher sein, in 20 Jahren 42,9 % höher sein und in 50 Jahren 144 % höher sein als heute. b) Wie ändert sich Ihre Antwort unter a), wenn die Wachstumsrate 2,8 % beträgt? yt+10 = yt ∗ (1 + 0, 028)10 = 1, 318 ∗ yt , yt+20 = yt ∗ (1 + 0, 028)20 = 1, 737 ∗ yt , yt+50 = yt ∗ (1 + 0, 028)50 = 3, 980 ∗ yt . Der Output je Arbeiter wird in 10 Jahren 31,8 % höher sein, in 20 Jahren 73,7 % höher sein und in 50 Jahren 298 % höher sein als heute. 1 c) Um wieviel erhöht sich der Lebensstandard durch einen Anstieg der Wachstumsrate von a) auf b) in 10, 20 und 50 Jahren? Wachstum des Lebensstandards (10 Jahre): Wachstum des Lebensstandards (20 Jahre): Wachstum des Lebensstandards (50 Jahre): yt+10 (2,8%) yt+10 (1,8%) yt+20 (2,8%) yt+20 (1,8%) yt+50 (2,8%) yt+50 (1,8%) −1 = −1 = −1 = 1,318 1,195 1,737 1,429 3,980 2,440 − 1 = 0, 103 = 10, 3%. − 1 = 0, 216 = 21, 6%. − 1 = 0, 631 = 63, 1%. Durch einen Anstieg der Wachstumrate von 1,8 % auf 2,8 % steigt der Lebensstandard innerhalb von 10 Jahren um 10,2 %, innerhalb von 20 Jahren um 21,6 % und innerhalb von 50 Jahren um 63,1 %. d) Der Output der USA beträgt 2008 14,3 Billionen US$ und der Chinas 4.4 Billionen US$. Nehmen Sie an, die jährliche Wachstumsrate des Outputs beträgt 10 % in China und 3% in den USA. d1) Wie viele Jahre wird es dauern, bis China den selben Output wie die USA produziert? Ausgangspunkt: 14, 3 ∗ 1, 03t = 4, 4 ∗ 1, 1t . Logarithmieren beider Seiten ergibt: ln(14, 3) + t ∗ ln(1, 03) = ln(4, 4) + t ∗ ln(1, 1) ⇔ t= ln(14,3)−ln(4,4) ln(1,1)−ln(1,03) = 17, 926 ≈ 18. (1) (2) Es wird 18 Jahre dauern, bis der Output in China dem in den USA entspricht. d2) Wenn China so viel wie die USA produziert, werden dann die Chinesen den selben Lebensstandard wie die US-Amerikaner haben? Die Bevölkerung Chinas ist mehr als viermal so groß wie die der USA. Folglich wird dann der selbe Output auf viermal so viele Personen verteilt. Selbst wenn der absolute Output zwischen beiden Ländern identisch ist, entspricht der Lebensstandard der Chinesen nur 25 % dem eines US-Amerikaners. (Bei Beantwortung dieser Frage wurde ein mögliches Bevölkerungswachstum außer Acht gelassen.) d3) Wie realistisch ist diese Berechnung? Das konstante 10%-ige Wachstum Chinas über einen so langen Zeitraum ist eher unrealistisch. China hat diese Wachstumsrate unter anderem durch Imitation erreicht. Je weiter entwickelt ein Land jedoch ist, desto weniger kann von mehr entwickelten Ländern imitiert werden, da die Technologieunterschiede geringer werden. Ab einem gewissen Entwicklungsstand müssen Länder Innovationen haben, um ein dauerhaft hohes Wirtschaftswachstum zu halten. Dieses ist jedoch teuer (wegen hoher Forschungs- und Entwicklungsausgaben), daher wird das Wachstum geringer ausfallen. Mehr hierzu finden Sie im Lehrbuch ab Kapitel 11. 2 Aufgabe 2: Nominales vs. reales BIP Eine Volkswirtschaft produziert 3 Güter: Autos, Computer und Orangen. Mengen und Preise je Einheit für 2012 und 2013 sind gegeben durch: Autos Computer Orangen 2012 Menge Preis 10 $ 2000 4 $ 1000 1000 $1 2013 Menge Preis 12 $ 3000 6 $ 500 1000 $1 a) Berechnen Sie das nominale BIP in 2012 und 2013. Um welchen Prozentsatz hat sich das nominale BIP von 2012 zu 2013 verändert. Nominales BIP in 2012 und 2013: BIP 2012 nominal : 10 * 2000$ + 4 * 1000$ + 1000 * 1$ = 25000$. BIP 2013 nominal : 12 * 3000$ + 6 * 500$ + 1000 * 1$ = 40000$. BIP n Wachstumsrate des nominalen BIP: BIP2013 − 1 = 40000 n 25000 − 1 = 0, 6. 2012 Das nominale BIP ist von 2012 auf 2013 um 60% gestiegen. b) Benutzen Sie 2012 als Basisjahr und berechnen Sie das reale BIP für 2012 und 2013. Um welchen Prozentsatz hat sich das reale BIP verändert? Basisjahr 2012: BIP 2012 real (2012) : 10 * 2000$ + 4 * 1000$ + 1000 * 1$ = 25000$. BIP 2013 real (2012) : 12 * 2000$ + 6 * 1000$ + 1000 * 1$ = 31000$. BIP r 31000 Wachstumsrate des realen BIP bzgl. 2012: BIP2013 − 1 = 25000 − 1 = 0, 24. r 2012 Das reale (2012) BIP ist um 24% gestiegen. Das reale BIP wird zu konstanten Preisen bestimmt. Vergleicht man dieses Ergebnis mit a), so lässt sich erkennen, dass ein großer Teil des nominalen Wachstums durch einen Preisanstieg ausgelöst wurde. c) Benutzen Sie 2013 als Basisjahr und berechnen Sie das reale BIP in 2012 und 2013. Um welchen Prozentsatz hat sich das reale BIP verändert? Basisjahr 2013: BIP 2012 real (2013) : 10 * 3000$ + 4 * 500$ + 1000 * 1$ = 33000$. BIP 2013 real (2013) : 12 * 3000$ + 6 * 500$ + 1000 * 1$ = 40000$. BIP r 40000 Wachstumsrate des realen BIP bzgl. 2013: BIP2013 − 1 = 33000 − 1 = 0, 212. r 2012 Das reale (2013) BIP ist um 21.2% gestiegen. d) Warum unterscheiden sich die Wachstumsraten aus (b) und (c)? Welches ist die richtige Wachstumsrate? Erläutern Sie. Keine der Wachstumsraten in b) und c) ist falsch. Das reale BIP wird lediglich zu verschiedenen Basisjahren berechnet, ist also abhängig vom gewählten Basisjahr. 3 e) Benutzen Sie 2012 als Basisjahr für das reale BIP. Berechnen Sie den BIPDeflator für die Jahre 2012 und 2013 sowie die Inflationsrate zwischen 2012 und 2013. Der BIP-Deflator misst den Anstieg des Preisniveaus. Der BIP-Deflator im Jahr t, Pt ist t definiert als Verhältnis von nominalem zu realem BIP im Jahr t: Pt = nominalesBIP realesBIPt . Im Basisjahr entspricht das reale BIP per Definition dem nominalen BIP, das Preisniveau wird folglich gleich 1 gesetzt. Inflation ist ein Anstieg des Preisniveaus. Die Inflationsrate t−1 t zwischen t und t - 1 ist: πt = PtP−P = PPt−1 − 1. t−1 Kurzer Einschub: Im Lehrbuch wird des Öfteren eine andere Formel zur Bestimmung der Inflationsrate verwendet. Diese stellt allerdings lediglich eine Approximation dar. Wir erhalten die Approximation durch folgende Schritte: πt = Pt Pt−1 −1 Pt Pt−1 ⇔ 1 + πt = ⇔ 1 + πt = $Yt Yt $Yt−1 Yt−1 ⇔ 1 + πt = $Yt $Yt−1 Yt Yt−1 ⇔ ⇔ 1 + πt = 1+gBIP 1+gy 1 + gBIP = (1 + πt )(1 + gy ) ⇔ 1 + gBIP = 1 + πt + gy + πt gy ⇔ gBIP = πt + gy + πt gy ⇔ gBIP ≈ πt + gy ⇔ πt ≈ gBIP − gy . Die Approximation vernachlässigt den Term πt gy . Diese Approximationen sind zuverlässig, wenn die Variablen klein sind, also etwa zwischen 0 und 0,1 liegen (vergleiche Proposition 3 auf S. 855 des Lehrbuchs). Es bleiben aber Approximationen, zudem sind die Werte in diesem Beispiel nicht klein. Daher wird die oben genannte Formel und nicht die Approximation im Folgenden verwendet. BIP 2012 real (2012): 25 000$; BIP 2013 real (2012): 31 000 $. 25000 = 1, P2013 = 40000 π2013 = 1,29−1 = 0, 29 = 29%. P2012 = 25000 31000 = 1, 29, 1 4 f) Gehen Sie nun davon aus, dass das reale BIP in Preisen von 2013 berechnet wird. Berechnen Sie den BIP-Deflator für die Jahre 2012 und 2013 sowie die Inflationsrate zwischen 2012 und 2013. BIP 2012 real (2013): 33 000$; BIP 2013 real (2013): 40 000 $: P2012 = 25000 P2013 = 40000 π2013 = 1−0,76 33000 = 0, 76 40000 = 1 0,76 = 0, 316 = 31, 6% g) Warum erhalten wir unterschiedliche Inflationsraten in (e) und (f)? Welche ist die richtige? Erläutern Sie. Analog zu d) ist keine Inflationsrate falsch. Da in der Berechnung der Inflationsrate das reale BIP verwendet wird, das abhängig vom Basisjahr ist, ist auch die Inflationsrate abhängig vom Basisjahr. Aufgabe 3: VGR und gesamtwirtschaftliche Ersparnis Betrachten Sie folgende Daten der deutschen Volkswirtschaft (in Mrd. Euro): • Einkommen aus unselbständiger Arbeit 1.550 • Einkommen aus Unternehmertätigkeit 440 • Zins- und Mieteinkünfte 200 • Exporte 1.110 • Importe 900 • Privater Verbrauch 1.640 • Staatsverbrauch 520 • Bruttoinvestitionen 570 • Indirekte Steuern abzgl. Subventionen 330 Die Primäreinkommen, die Inländer aus dem Rest der Welt beziehen, entsprechen den Primäreinkommen, die an den Rest der Welt geleistet werden. a) Bestimmen Sie das Volkseinkommen, das Bruttonationaleinkommen sowie das Nettonationaleinkommen. Das Volkseinkommen entspricht der Summe aller Einkommensarten (unselbstständige sowie selbstständige Arbeit und Zins- und Mieteinkünfte): Volkseinkommen = 1.550 + 440 + 200 = 2.190 5 Das Bruttonationaleinkommen entspricht dem BIP und entspricht (nach der Verwendungsrechnung) der Summe aus privatem und staatlichen Konsum, Investitionen und dem Außenbeitrag (Exporte - Importe): BNE = BIP = 1.640 + 520 + 570 + 1.110 - 900 = 2.940 Das Nettonationaleinkommen entspricht dem Volkseinkommen zuzüglich den indirekten Steuern abzüglich der Subventionen: NNE = 2.190 + 330 = 2.520 b) Wie hoch war die volkswirtschaftliche Ersparnis im betrachteten Zeitraum? Die (Netto-)Ersparnis (S) entspricht der Summe aus Nettoinvestitionen und Außenbeitrag. Die Nettoinvestitionen entsprechen den Bruttoinvestitionen abzüglich der Abschreibungen. Diese entsprechen wiederum der Differenz aus Brutto- und Nettonationaleinkommen. S = 570 - ( 2940 - 2520 ) + (1110 - 900) = 360 Nettoinvestitionen + Exporte - Importe = 570 - ( BNE - NNE ) + 210 = 360 Aufgabe 4: Allgemeines a) Wie unterscheiden sich Strom- und Bestandsgrößen? Geben Sie drei für die Makroökonomie bedeutsame Beispiele. Bestandsgröße: Mengeneinheiten absolut Stromgröße: Mengeneinheiten / Zeiteinheit Beispiele für Bestandsgrößen: 1. Kapitalstock [GE] 2. Bevölkerung [Personen] 3. Vermögen [GE] 4. Arbeitslose [Personen] Beispiele für Stromgrößen 1. Investitionen [GE/Jahr] 2. Sterbefälle [Personen/Jahr] 3. Ersparnis [GE/Jahr] 4. technische Abschreibung [GE/Jahr] 6 b) Was versteht man unter Aggregation? Welche Bedeutung hat Aggregation in der Makroökonomie? Unter Aggregation von Daten versteht man das Zusammenfassen einzelwirtschaftlicher Daten (beispielsweise der Konsum einzelner Haushalte, die Preise für einzelne Produkte) zu größeren, gesamtwirtschaftlichen Einheiten. Durch Aggregation von Daten gehen Informationen über individuelle Unterschiede verloren. c) Erläutern Sie den Unterschied zwischen Inländerkonzept und Inlandskonzept. Inlandskonzept • Im Inland produzierte Einheiten, z.B. BIP = Wertschöpfung im Inland • betont produktionsseitige Zusammenhänge. Bruttoinlandsprodukt: Ist gleich dem Wert aller Güter und Dienstleistungen, die in einer Periode im Inland entstehen und an die Endverbraucher zu Marktpreisen verkauft werden. (Bzw.: Der Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen (Wertschöpfung), ” soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden.“) Inländerkonzept • von Inländern erwirtschaftete Einkommen, z.B. BNE (Unterschied zum BIP durch Grenzgänger, Kapitalbeteiligungen im Ausland) • betont einkommensseitige Zusammenhänge. Bruttonationaleinkommen: Ist gleich dem Wert aller Güter und Dienstleistungen, die in einer Periode durch Aktivitäten der Inländer entstehen und an die Endverbraucher zu Marktpreisen verkauft werden. (Bzw.: Das Bruttonationaleinkommen ist gleich dem Brut” toinlandsprodukt abzüglich der an die übrige Welt geleisteten Primäreinkommen zuzüglich der aus der übrigen Welt empfangenen Primäreinkommen.“) d) Erläutern Sie, wie und weshalb die VGR zwischen Brutto- und Nettogrößen unterscheidet. Nettogrößen berücksichtigen, dass ein Teil des gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks in einer Periode einem Verschleiß unterliegt und deshalb ersetzt werden muss. Will die Volkswirtschaft ihren Kapitalstock zumindest konstant halten, stehen ihr produzierte Ressourcen im Ausmaß des Verschleißes nicht zur Verfügung. Bruttoinvestitionen - Ersatzinvestitionen (Abschreibungen) = Zuwachs des Kapitalstocks Bruttoprodukte können in Nettoprodukte umgewandelt werden, indem der laufende Verschleiß der Volkswirtschaft, gemessen durch Abschreibungen D, berücksichtigt wird: BNE - D = NNE BIP - D = NIP 7